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LEHRBUCH
DER l/;^.
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ORGANISCHEN CHEMIE
VON
VICTOR MEYER und PAUL JACOBSON,
PBOFESSOREN AN BEB UNIYEBSITÄT HEIDELBEBO.
IN ZWEI BANDEN.
ERSTER BAND.
ALLGEMEINER THEIL. — VERBINDUNGEN DER FETTREIHE.
MIT HOLZSTICHEN IM TEXT UND EINER TABELLE.
LEIPZIG
VERLAG VON VEIT & COMP.
1893.
Druck von Metsger A, Wittig in Lelpxig.
ADOLF VON BAEYER,
DEM MEISTER DER CHEMISCHEN FORSCHUNG,
IN VEREHRUNG UND DANKBARKEIT
ZUGEEIGNET
VON DEN VERFASSERN.
Vorwort.
Das Lehrbuch der organischen Chemie, dessen ersten Band wir
hiermit der Oeffentlichkeit übergeben, macht nicht auf Vollständigkeit
in dem Sinne Anspruch, dass jede einzelne bekannte Verbindung auf-
geführt werden soll. Andererseits soll es sich von dem Lapidarstyl der
kürzeren Compendien fernhalten, die das Wichtigste in kürzester Form
bringen und wesentlich den Zweck verfolgen, den Studirenden als Hülfs-
mittel ftU* das Nacharbeiten der Vorlesungen und für Repetitionen zu
dienen. Es ist in erster Linie für die Leetüre bestimmt; der Leser soll
durch eine ausführliche Darlegung des heutigen Standes der organischen
Chemie mit dem bisher Erreichten vertraut gemacht und befähigt werden,
der weiteren Entwickelung unserer Wissenschaft zu folgen.
Um die bei der Leetüre störende Beladung des Textes mit Zahlen
zu vermeiden, sind die Glieder einer Gruppe, wo es irgend angeht, in
Tabellen zusammengestellt, in denen man ihre Formeln, ihre wichtigsten
physikalischen Constanten und Literaturnachweise findet. Auf möglichst
vollständige Anführung der Originalliteratur ist besonderer Werth gelegt,
um dem Leser die Möglichkeit zu bieten, die Angaben des Buches zu
prüfen und zu ergänzen.
Da unser Buch die Einführung in die chemische Forschung unserer
Tage bezweckt, so mussten auch die neuesten Anschauungen weitgehende
Berücksichtigung finden. Die stereochemische Theorie ist daher überall,
wo sich Gelegenheit bot, für die Erklärung der Beobachtungen heran-
gezogen; ihre Consequenzen für die einzelnen Fälle sind ausführlich
entwickelt und an dem Thatsachenmaterial geprüft. Wir hoffen, dass
diese systematische Anwendung der neuen Lehre, die hier wohl für
ein ausführliches Lehrbuch zum ersten Mal durchgeführt wird, ihr neue
Freunde erwerben wird. Aber wir sind andererseits auch bemüht ge-
wesen, den Bedenken, die von gegnerischer Seite geäussert sind, ihr
Becht zu lassen und den Leser zu eigener Kritik anzuregen.
Die Verbindungen, welche für das praktische Leben Bedeutung er-
langt haben, sind besonders hervorgehoben; ihre Gewinnung und ihre
Verwendung sind so eingehend beschrieben, wie es uns für ein allge-
meines, nicht speciell technisches Lehrbuch angängig erschien. Um in
dieser Beziehung nichts Veraltetes zu bringen, haben wir fast alle auf
Yl Vorw&i't
die chemische Industrie bezüglichen Abschnitte Fachgenossen aus der
Technik zur Revision vorgelegt. Wir sind diesen Herren für die Bereit-
willigkeit, mit der sie die Durchsicht tibernahmen, für manche Berich-
tigung und für werthvolle Zusätze zu grossem Dank verpflichtet.
Auch die Hülfe unserer CoUegen im Lehrfach haben wir zuweilen
in Anspruch genommen und uns in Einzelheiten — namentlich für Fragen
aus den Grenzgebieten, die unserem eigenen Arbeitsfelde femer liegen,
— Rath von ihnen erbeten.
In dieser Weise sind wir von den Herren:
K, AuwERs (Heidelberg), A. v. Baeyeb (München), E. Bambebgeb
(Zürich), A. Bannow (Berlin), H. Byk (Berlin), H. Cabo (Mann-
heim), L. Gattebmann (Heidelberg), C. Glaseb (Ludwigshafen),
P.W. HoFMANN (Ludwigshafen), A. Horstmann (Heidelberg), B. JAEFfi
(Berlin), L. Koch (Heidelberg), W. Kuehne (Heidelberg), H. Kun-
HEiM (Berlin), J. Lichtenbebgeb (Andernach), E. v. Lippmann
(Halle), W. V. Schbödeb (Heidelberg), R. Theodob (Bingen),
H. Trommsdobf (Heidelberg), E. Wülfeng (Tübingen), G. Zimmer-
mann (Martinikenfelde bei Berlin)
unterstützt worden. Allen diesen Herren danken wir an dieser Stelle
nochmals für die uns ertheilten Rathschläge und Auskünfte.
Die Literatur haben wir möglichst bis zur Zeit der Drucklegung
der einzelnen Bogen berücksichtigt. Die ersten einundzwanzig Bogen
(S. 1—336) sind in der Zeit vom August 1890 bis October 1890, der
zweiundzwanzigste bis sechsunddreissigste Bogen (S. 337 — 576) ist vom
Mai 1891 bis August 1891, der Schluss (von S. 577 ab) vom October
1892 bis Mai 1893 gedruckt worden.
Die von dem Genfer Congress 1892 gefassten Beschlüsse über die
Reform der Nomenclatur sind in einem Anhang besprochen. Ihre Durch-
führung im Texte war nicht möglich, da ein grosser Theil unseres
Buches bereits vor dem Genfer Congress erschienen war, und da die
bisher vereinbarten Regeln überhaupt noch längst nicht fllr die Benennung
aller Verbindungen ausreichen.
Für alle Berichtigungen und Ausstellungen, die uns aus unserem
Leserkreise zugehen, werden wir dankbar sein.
Heidelberg, im Mai 1893.
Victor Meyer.
Paul Jacobson.
Inhalt.
Seite
Einleitung 1—6
(Die Gründe der Scheidung zwischen anorganischer und organischer
Chemie. — Inhalt, Aufgaben und Ziele der organischen Chemie.)
Allgemeiner Thell.
Erstes Kapitel. Die Ermittelung der empirischen Zusammensetzung
Ton organischen Yerbindungen.
I. Qualitative Analyse 7
Prüfung auf Kohlenstoff 7, auf Wasserstoff 8, auf Stickstoff 8, auf Halo-
gene 9, auf Schwefel 9, auf andere Elemente 10.
IT. Quantitative Elementaranalyse 10
Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff 10, von Stickstoff 19, von
Halogenen und Schwefel 23, von anderen Metalloiden oder Metallen
26, von Sauerstoff 27. — Berechnung der Formel aus den Analysen-
zahlen 27.
in. Ermittelung der Moleculargrösse 29
Theorie der Moleculargewichtsbestimmung 29. — Methoden der Dampf-
dichtebestimmung 36. — Bestimmung der Gefrierpunktsemiedrigung
47. — Bestimmung der Dampfdruckverminderung bezw. Siedepunkts-
erhöhung 50.
Zweites Kapitel. Die Ermittelung der rationellen Zusammensetzung
von organischen Yerbindungen.
Aeltere AufTassungsweisen (Radicaltheorie, Typentheorie) 52
Atom Verkettungstheorie 56
Constitution der Alkohole, Aether, Carbonsäuren, Aldehyde, Ketone . . 62
Zusammenhang zwischen physikalischen Eigenschaften und chemischer
Constitution 73
R¨iche Configuration der Molecüle (stereochemische Theorien) ... 74
Drittes Kapitel. Die Principien, welche für die Systematik der organi-
schen Yerbindungen in Betracht kommen.
Offene und geschlossene Ketten 89
Hauptklassen der organischen Verbindungen 92
Homologie 93
Classificirung nach der Werthigkeit und nach dem Sättigungsgrade . . 94
Viertes Kapitel. Die gebrXuehlichsten Operationen, welche bei der Bar-
stellung und Untersuchung organischer Yerbindungen auszu-
fflhren sind.
Erhitzen von Substanzen mit einander 98
Destillation 101
Filtration 108
Extraction 110
Yin Inhalt
Seite
Krystallisation und Trocknung 111
Bestimmung des Schmelzpunktes 114
Bestimmung des Siedepunktes 116
Thermometerprüfung 117
Bestimmung des specifischen Gewichts IIB
Specieller Theil.
Erstes Buch. Die Verbindungen der Fettreihe.
A. Die Grenzkohlenwasserstoffe und ihre einwerthigen
Abkömmlinge.
£rstes Kapitel. Die Grenzkohlenvasserstoffe oder Paraffine (CqHsq^,).
(Tabelle: S. 128.)
Zusammensetzung, Nomenclatur, Constitution 121
Vorkommen und Entstehungsweisen 123
Allgemeine Charakteristik 127
Die einzelnen Glieder 130
Methan 130. — Aethan 132. — • Propan bis Heptan 133. — Höhere
Paraffine 134.
Industrielle Gewinnung und Verwerthung der Paraffine 135
Erdöl, Petroleum etc. 135. — Paraffinindustrie 138. — Ozokerit 139.
Zweites Kapitel. Die einwerthigen Alkohole der Grenzreihe CnH,n^i(OH).
(Tabellen: S. 149, 150, 158.)
Zusammensetzung, Constitution, Eintheilung, Nomenclatur 140
Vorkommen und Entstehungsweisen 142
Allgemeine Charakteristik 148
Die einzelnen Glieder 154
Methylalkohol 154. — Aethylalkohol 155. — Propylalkohole 160. —
Butylalkohole 162. — Amylalkohole 163. — Hexylalkohole 166. —
Heptylalkohole und Octylalkoholc 167. — Höhere Alkohole 168.
Industrielle Gewinnung und Verwerthung der Grenzalkohole 169
Holzgeist 169. — Spiritusbrennerei 170.
Drittes Kapitel. Alk jlTerbindnngen , deren Alkjlrest an Halogenatome
oder an Sauerstoff gebunden ist.
(Tabellen: S. 184, 193, 208.)
I. Halogenalkyle CnH,„+iCl, CnHjn+iBr, CnHjn^jJ 180
Bildungsweisen 180. — Allgemeine Charakteristik 183. ^ Einzelne Glie-
der 187. — Fluoralkyle 189.
II. Einfache und gemischte Alkyläther CuH^n^aO 189
Zusammensetzung, Constitution und Isomerien 189. — Bild ungs weisen
190. — Allgemeine Charakteristik 192. — Einzelne Glieder 194.
111. Alkylester der Mineralsäuren 198
Zusammensetzung, Constitution und Eintheilung 198. — Bildungs weisen
199. — Allgemeine Charakteristik 200. — Ester der unterchlorigen
Säure 200, der Üeberchlorsäure 201, der schwefligen Säure 201, der
selenigen Säure 202, der Schwefelsäure 202, der Selensäure 205, der
untersalpetrigen Säure (Diazoäthoxan) 205, der salpetrigen Säure 206,
Inhalt, IX
Seite
der Salpetersäure 207, der phosphorigen Säure, Unterphosphorsäure
und Phosphorsäure 209, der arsenigen Säure und Arsensäure 210, der
Borsäure und Kieselsäure 210.
Viertes Kapitel. AlkylTerbindungen, deren Alkjlrest an Sehwefel (Selen
oder Tellur) gebunden ist*
(Tabelle: S. 221.)
Uebersicht über die schwefelhaltigen Verbindungstypen 211
1. Mercaptane oder Alkylsulfhydrate, Thioalkohole CnHjn^i-SH .... 213
Bildungsweisen 213. — Allgemeine Charakteristik 214. — Einzelne Glie-
der 215.
2. Alkylsnlfide oder Thioäther (CnHjn+i),S 216
3. Sulfinverbindungen 217
4. Disulfide und Polysulfide 219
5. Sulfoxyde und Sulfone 220
6. Sulfoeäuren und Thiosulfosäuren 222
7. Alkylthioschwefelsäuren C^Hsn+iSSOsH 225
8. Alkylsulfinsäuren CnH,n4.i.S0,H 225
Selen- und Tellurverbindungen 226
Fünftes Kapitel. AlkylTerbindnngen, deren Alkylrest an Stickstoff ge-
bunden ist.
(Tabelle für Amine: S. 237.)
Uebersicht über die wichtigsten Verbindungsformen mit an Stickstoff
gebunden Alkylresten 227
1. Alkylamine CnHjn+gN 229
Entstehungsweisen und Darstellungsmethoden 229. — Allgemeine
Charakteristik 236. — Die einzelnen Glieder 241.
2. Quatemäre Ammoniumverbindungen 245
3. Hydrazine und Tetrazone 247
4. Alkylderivate des Hydroxylamins 249
5. Carbylamine (Isonitrile, Isocyanide) CnH2„^.i-NC . 251
6. Alkylnitro Verbindungen (Nitroparaffine) CnHgn^i-NOj 253
Entstehung und Constitution 253. — Allgemeine Charakteristik 254. —
Einzelne Glieder 260.
Sechstes Kapitel. Verbindungen der Alkylreste mit den übrigen Metal-
loYden.
(Tabelle für Phosphine: S. 264.)
1. Verbindungen des Phosphors 260
Phosphine und quatemäre Phosphonium Verbindungen 260. — Phosphin-
säuren und Phosphinoxyde 264.
2. Verbindungen des Arsens 266
Dialkylverbindungen (Kakodyl Verbindungen) 267. — Monalkylderivate
270. — Tri- und Tetraalkylderivate 270.
8. Verbindungen des Antimons 272
4. Alkyl Verbindungen des Wismuths 273
5. Alkylverbindungen des Bors 274
6. Verbindungen der Alkylradicale mit den Elementen der Siliciumgruppe . 274
Verbindungen des Siliciums 274, des Germaniums 277, des Zinns 278.
Siebentes Kapitel. J>ie Verbindungen der Alkylreste mit den Metallen.
(Tabelle für Zinkalkyle : S. 284.)
1. Verbindungen der Alkalimetalle 282
X Inhalt.
Seite
2. Verbindungen mit den Metallen der Magnesiumgruppe 283
Verbindungen des Berylliums 283, des Magnesiums 283, des Zinks 283,
des Cadmiums 285, des Quecksilbers 285.
8. Verbindungen mit den Metallen der Aluminiumgruppe 288
Verbindungen des Aluminiums 288, des Thalliums 288.
4. Verbindungen des Bleis 289
Achtes Kapitel. Uebergangr zu den CarbonsSuren, Aldehyden und Ketonen.
Die Alkylejanide oder Nitiile der FettsBnren CnH2Q4.i-CN.
(Tabelle: S. 296.)
Nomenclatur und Constitution der Nitrile 292
Entstehungsweisen 293
Allgemeine Charakteristik 295
Neuntes Kapitel. Die gestttti^rten einbasiselien Carbonsftnren oder Fett-
sSnren CnH^nOj.
(Tabellen: S. 312, 320.)
Zusammensetzung, Nomenclatur, Constitution, Isomerien 301
Vorkommen und Entstehungsweisen 305
Allgemeine Charakteristik 310
Die einzelnen Glieder 313
Ameisensäure 313. — Elssigsäure 319. — Propionsäure 324. — Butter-
säuren 325. — Valeriansäuren 329. — Capronsäure 332. — Oenanthyl-
säure bis Pelargonsäure 333. — Caprinsäure 334. — Laurinsäure,
Myristinsäure, Palmitinsäure und Stearinsäure 336. — Margarinsäure,
Daturinsäure, Arachinsäure, Behensäure, Lignocerinsäure, Hyänasäure,
Cerotinsäure 338. — Melissinsäure, Dicetylessigsäure 339.
Indastrielle Bedeutung und Gewinnung der Fettsäuren 339
Gährungsessig 840. — " Holzessig 343.
Zehntes Kapitel. Berirate der Fettsttnren.
(Tabellen: S. 352, 359, 360, 369.)
Uebersicht über die Säurederivate 344
I. Halogenide der Säureradieale 346
Chloride 346. — Bromide 349. — Jodide 350.
n. Säureanhydride 350
Bildungsweisen 350. — Allgemeine Charakteristik 351. — Superoxyde
der Säureradieale 354.
III. Alkylester der Fettsäuren 354
Bildungsweise und Darstellungsmethoden 354. — Allgemeine Charak-
teristik 357. — Einzelne Glieder 360. — Wachsarten 361. — Ortho-
alkylester der Fettsäuren 362.
IV. Thiosäuren 363
V. Amide der Fettsäuren 365
BUdungswcisen der primären Säureamide und ihrer Alkylderivate 366. —
Allgemeine Charakteristik 368. — Secundäre und tertiäre Amide 372.
VI. Amidchloride, Imidchloride, Imidoäther, Thioamide 373
Vn. Amidine und Amidoxime 376
Elftes Kapitel. Die gesSttigten Aldehyde nnd Ketone.
(Tabellen: S. 398, 412, 413.)
Constitution und Nomenclatur 380
Gemeinschaftliche Bildungsweisen für Aldehyde und Ketone .... 383
Weitere Bildungsweisen für Ketone 885
Inhalt XI
Seite
Allgemeine Eigenschaften der Aldehyde und Ketone 386
Allgemeine Reactionen, welche sowohl den Aldehyden wie Ketonen zu-
kommen, 887
Verbindungen mit Natriumdisulfit 387. — Oxime 389. — Hydrazone 892.
Speciellere Charakteristik der Aldehyde 392
Einzelne Aldehyde 897
Formaldehyd 397. — Acetaldehyd 404. — Oenanthol 408.
Speciellere Charakteristik der Ketone 409
Einzelne Ketone 411
Aceton 414. — Methylnonylketon 419. — Pinakoline 419.
Thioaldehyde, Thioketone und ihre Derivate 420
Thioformaldehyd 423. -- Thioacetaldehyd 424. — Thioacetone 425.
B. Die ungesättigten Kohlenwasserstoffe und ihre
einwerthigen Abkömmlinge.
Zwölftes Kapitel. Allgemeines über die Constitution der nngesKttigrten
Yerbindungren.
Begründung der Annahme mehrfacher Bindung in den ungesättigten Ver-
bindungen 427
Isomerie bei ungesättigten Kohlenwasserstoffen 430
Das Wesen der mehrfachen Bindung 482
Dreizehntes Kapitel. Die nnfesBttigrten Kohlenwasserstoffe.
(Tabellen: S. 441, 461.)
I. Die Kohlenwasserstoffe CqHiq. Alkylene 436
Zusammensetzung und Nomenclatur 436. — Entstehungsweisen 437. —
Allgemeine Charakteristik 441. — Aethylen 446 , Propjlen und Bu-
tylene 447, Amylene 449, höhere ^Ikylene 452.
II. Die Kohlenwasserstoffe CnHjn_,. Acetylenreihe 453
Acetylen 453. — Homologe des Acetylens ( - . . inreihe) 458. — Kohlen-
wasserstoffe mit zwei Doppelbindungen ( . . . dienreihe) 463. —
Isopren 466.
m. Wasserstoffärmere Kohlenwasserstoffe 466
Diacetylen, Dipropargyl 467. — Dimethyldiacetylen 468.
Vierzehntes Kapitel. Einwertliige ungesättigte HalogenderiTate.
(Tabelle für Propylenderivate : S. 472.)
L Monohalogenderivate der Aethylenkohlenwasserstoffe CnH2n_iCl(Br, J) . 468
Vinylhalogene 471. — Monohalogenderivate des Propylens 472.
n. Monohalogenderivate der Acetylenkohlen Wasserstoffe 473
Derivate des Acetylens 473. — Derivate des AUylens 474.
Fünfzehntes Kapitel. Einwerthige ungesättigte Allcohole und ihre Ab-
Ummlinge.
(Tabelle für Allylderivate : S. 482.)
I. Alkohole von der Zusammensetzung CnHjn_i(OH) 476
Vinylalkohol 476. — Derivate des Vinylalkohols 477. — Allylalkohol
479. —Derivate des Allylalkohols 481. -- Isopropenylalkohol 483. —
Höhere Alkohole 488.
IL Alkohole von der Zusammensetzung CnH,n_g(OH) • 483
Propargylalkohol 483. — Alkohole mit zwei Doppelbindungen (Gera-
niol) 485.
XII Inhalt
Seite
Sechzehntes Kapitel Einbftsisehe nngresSttigrte Säuren.
L Säuren CnHjn_jO, (Akiylsäure- oder Oelsäurereihe) 487
BildungB weisen 487. — Isomeriefälle 491. — Allgemeine Charakteristik
492. — Akrjlsfture 495, Crotonsäoren 496, Methakrylsäure 504, normale
Säuren CsHgO, 505, Angelicasäure und Tiglinsäure 505, Säuren CeHioO,
bis CioHigOt 507, Undecylensäure 509, Oelsäure 511, Elaidinsäure und
Isodlsäure 513, Erucasäure und Brassidinsäure 514.
II. Säuren CnH,n_40, (Propiolsäurereihe) 515
Propiolsäure 516. -— Tetrolsäure etc. 517. — Sorbinsäure, Diallylessig:
säure 518. — Undecolsäure, Stearolsäure, Behenolsäure 519. — Trock-
nende Oelsäuren 520.
Siebzehntes Kapitel. Elnirerthige ungesättigte Aldehyde und Ketone*
(Tabelle: S. 528.)
• A. Ungesättigte Aldehyde 521
Akrolei'n 522. — Homologe des AkroleYns (Crotonaldehyd etc.) 525.
— Citronellaldehyd, Geranial 529.
B. Ungesättigte Ketone 529
Mesityloxyd und Phoron 580. — Homologe des Mesitylozyds 531.
— Allylaceton und Diallylaceton 531.
C. Die mehrwerthigen Verbindungen.
Achtzehntes Kapitel. Elnthellung und Nomenclatnr der mehrwerthigen
Terbindungen.
Uebersicht über die mehrwerthigen Verbindungen 583
Nomenclatur der mehrwerthigen Verbindungen 534
Neunzehntes Kapitel. Mehrwerthige HalogenderiTate.
(Tabellen:* S. 536, 546.)
I. Mehrwerthige Halogenderivate des Methans 535
Dihalogenverbindungen CHgX, 535. — Chloroform 537, Bromoform
und Jodoform 540. — Tetrahalogenderivate OX4 541.
II. Dihalogenderivate des Aethans und seiner Homologen CqH^qCI, . . . 543
Verbindungen vom Typus des Aethylidenchlorids und Chloracetols 543.
— Verbindungen vom Typus des Aethylenchlorids 545. — Verbindungen
vom Typus des Trimetiiylenchlorids 550.
HL Dihalogenderivate der ungesättigten Kohlenwasserstoffe 552
IV. Trihalogenderivate 553
V. Polyhalogenderivate 555
Zwanzigstes Kapitel. Zweiwerthige Alkohole und Mereaptane und ihre
Derivate.
(Tabelle iwc Acetale: S. 560.)
I. Acetale und ihnen entsprechende Säurederivate B<OH(0-R^)t .... 559
II. Aethylenglykol und seine eigentlichen Homologen (a-Glykole) . . . . 561
Bildungsweisen 561. — Allgemeine Charakteristik 562. — Aethylenglykol
566, Aethylenoxyd und Polyäthylenalkohole 567, Propylenglykol und
Pinakon 568.
III. Glykole, deren Hydroxylgruppen an zwei von einander getrennten Kohlen-
stofiatomen haften 569
Trimethylenglykol und andere /^-Glykole 569. — /- und d-Glykole 570.
— Coccerylalkohol 571.
Inkalt xin
Seite
IV. Zweiwerthige Schwefel yerbiodungcii 571
Mercaptale und Mercaptole 572, Sulfonal 573. — Thioäthylenglykol 574.
— Zweiwerthige Sulfosäurcn 576. — Halbgeschwefelte Gljkole und
Oxysnlfos&aren 576, leäthionsäure 577.
Einund zwanzigstes Kapitel. Dreiwerthlgre Alkohole.
(Tabellen: S. 587, 594.)
Glycerin 579
Abkömmlinge des Glycerins 583
Alkoholate 583. — Aether 584. — Ester 584, Nitroglycerin 585, Fett-
säureester 586. — Natürliche Fette 588. — Lecithine 589. — Glycid-
verbindungen 590.
Höhere dreiwerthige Alkohole 591
Technologie der Fette und Oele 592
Fettanalyse 593. — Stearinkerzenfabrikation 595. — Seifengewinnung 597.
— Glycerinfabrikation 598. — Dynamit 600, Sprenggelatine und Gela-
tinedynamit 601.
Zweiundzwanzigstes Kapitel. HSherwerthige Alkohole.
Vierwerthige Alkohole 603
Erythrit 603. — Pentaerythrit, Hexylerythrite und Octylerythrite 605.
Fünfwerthige Alkohole 605
Sechswerthlge Alkohole 606
Mannnite 607. — Sorbite 610. — Dulcit 610. — Rhamnohexit 611.
Sieben- bis nennwerthige Alkohole 611
Dreiundzwanzigstes Kapitel. Yerbindungen, welehe zugleleh Halogen-
atome und Hydroxylgruppen enthalten, und Ihre DeriTat«.
Halogenderivate der Aether und Ester 612
Halogenhydrine 614
Bildungsweisen 614. — Verhalten 615. — Halogenhydrine des Aethylen-
glykols 616, des Glycerins 616, des Erythrits und Mannits 619.
Halogensubstitutionsprodukte der Alkohole, welche an ein KohlenstofiPatom
mehrere Halogenatome gebunden enthalten 620
Halogenderivate der Mercaptane und anderer Schwefelverbindungen . . 621
Yierundzwanzigstes Kapitel. Mehrwerthige Nitro- und AmidoTerbin-
dungen. Yerblndungen , welehe neben Nitro- bezw. Amldo-
grnppen Halogenatome oder Hydroxylgruppen enthalten.
Mehrwerthige Nitroverbindungen 621
Dinitroderivate der Grenzkohlen Wasserstoffe 621. — Trinitromethan 623.
— Trinitrofithan, Tetranitromethan 624.
Halogennitroverbindungen 624
Nitrohydrozylverbindungen 625
Mehrwerthige Amine 625
Entstehungsweisen 625. — Charakteristik 627. — Einzelne Glieder 629.
Halogenderivate der Amine 630
Amidohydrozylverbindungen 633
Bildnngsweisen 633. — Oxyäthylamin, Cholin 634. — Homocholin,
Aposepin 635. — Isomuscarin, Diamidohydrin 636.
Amidomereaptane und Amidosulfosäuren 636
Fünfundzwanzigstes Kapitel. JDle gesSttfgten Dicarbonsauren CqHsq_,04.
(Tabellen: S. 647, 656, 671, 676.)
Allgemeines 637
XIV Inhalt.
Seit«
Eintheilung 637. — Eigenschaften 639. — Dissociationsconstanten 640. —
Derivate 641. — Anhydrid- und Imidbildung 642.
I. Oxalsäure 644
II. Malonsäure und ihre Homologen 649
III. Bemsteinsäure und ihre Homologen 657
IV. Glutarsfiure und ihre Homologen 672
y. Die Säuren, deren Carboxyle durch mehr ala drei Kohlenstoffatome von
einander getrennt sind 675
Adipinsäure 675. — Pimelinsäure, Korksäure 677. — Azelainsäure, Sebacin-
säure, Dekamethylendicarbonsäure 678. — Brassylsäure etc. 679.
Sechsundzwanzigstes Kapitel. Die angesSttigten DicarbonsSuren.
(Tabelle: S. 692.)
I. Dicarbonsäuren mit einer Doppelbindung CnH,n_404 679
^-Dicarbonsäuren (Methylcnmalonsäure, Aethylidenmalonsäure, Allyl-
malonsäure) 679. — /-Dicarbonsäuren 680 (Fumar- und Male'fnsäure 680,
Itaconsäure, Citraconsäure und Mesaconsäure 689, Homologe derselben
690). — Dicarbonsäuren mit entfernteren Carboxylgruppen (Glutacon-
säure, Hydromuconsäuren) 695.
II. Dicarbonsäuren mit zwei Doppelbindungen 696
III. Dicarbonsäuren mit dreifachen Bindungen 697
Siebenundzwanzigstes Kapitel. TricarbonsSuren,Tetraearbonsäareii etc.
I. Gesättigte Tricarbonsäuren 698
Methantricarbonsäuro 698. — Aethantricarbonsäuren 699. — IVicarballyl-
säure 700. — Butantricarbonsäuren 702. — Pentantricarbonsäure 703.
II. Ungesättigte Tricarbonsäuren 703
in. Tetracarbonsäuren 704
IV. Pentacarbonsäuren 708
Achtundzwanzigstes Kapitel. Halogenderivate der CarbonsSuren.
(Tabelle: S. 717.)
Allgemeines über Bildung und Verhalten halogenirter Carbonsäuren . . 709
I. Halogenderivate der Fettsäuren 714
Halogenderivate der Essigsäure 714. — Monohalogenderivato der Essig-
säurehomologen 716. — Dihalogenderivate der Essigsäurehoniologen 721.
— Polyhalogenderivate der Essigsäurehomologen 730.
n. Halogenderivate der einbasischen ungesättigten Säuren 730
in. Halogenderivate der mehrbasischen Säuren 733
Halogenderivate der Malonsäure 733, der Bemsteinsäure 734, der Fumar-
und Maleinsäure 736, der Brenzweinsäure 738.
Neunundzwanzigstes Kapitel. Oxysfiuren oder AlkoholsSuren I. Die
Hydroxylderivate der einbasischen Säuren.
Allgemeines über Oxysäuren 740
Vorkommen und Bildungs weisen 740 (Cyanhydrine 741). — Wasser-
abspaltung (Lactone) 743. — Den Oxysäuren entsprechende Schwefel-
verbindungen 745.
I. Monohydroxylderivate der Fettsäuren C^Hj^Oa 746
a-Oxysäuren 746 (Glykolsäure 746, Milchsäuren 750, höhere Glieder 755).
— ^-Oxysäuren 758. — /-Oxysäuren und /-Lactone 760. — ^-Oxy-
säuren und d- Lactone 765. — Säuren mit unbekannter Stellung der
Hydroxylgruppe (Oxystearinsfiuren) 766.
IL Polyhydroxylderivate der Fettsäuren CnHjnOm 767
Inhalt XV
Seite
Allgemeines über Bildung, Verhalten, Beziehungen zu den Zuckerarten,
Stereoisomeriefölle 767. — Polyoxymonocarbonsäuren, welche durch
Umwandlung von mehrwerthigen Alkoholen oder Aldehydalkoholen
entstehen 744 (Glycerinsäure 774, Trioxybuttcrsäuren 775, Penton-
säuren 776, Saccharinsäuren 776, Hexonsäuren 778, Heptonsänren 784,
höhere Aldonsäuren 786). — Polyoxymonocarbonsäuren, welche ans
ungesättigten Monocarbonsäuren durch Additionsreactionen hervor-
gehen (Dioxybuttersäuren, Dioxystearinsäuren etc.) 787.
III. Hydroxyldei ivate der einbasischen ungesättigten Säuren 787
Oxyakrylsäure 788, Oxycrotonsäuren 788, Angelicalactone 789, Ricinusöl-
säure 789, Rapinsäure 790.
Dreissigstes Kapitel. Oxysäuren oder Alkoholsäuren II. Die Hydroxyl-
deriTate der mehrbasischen Säaren.
IV. Hydroxylderivate von Dicarbonsäuren 790 ,
Derivate der Malonsäure und der alkylirten Malonsäuren 790 (Tartron-
säure und Homologe 790, Lactonsäuren 792, Dioxy malonsäure 793). —
Derivate der Bemsteinsäure und der alkylirten Beriisteinsäuren 794
(Aepfelsäuren 794, homologe Aepfelsäuren 798, Paraconsäuren 799,
Weinsäuren 800, homologe Weinsäuren 814). — Derivate der Glutar-
säure und der alkylirten Glutarsäuren 815. — Derivate der Adipin-
säure (Zuckersäuren, Schleimsäuren etc.) 817. — Derivate der Pimelin-
säure S21.
V. Hydroxylderivate von Tricarbonsäuren 822
Citronensäure 822. — Isocitronensäure, Desoxalsäure, Oxycitronen-
säure 825.
Einunddreissigstes Kapitel. I^itro-, Amido- und Biazoderivate der Car-
bonsSnren.
Kitroderivate der Carbonsäuren 826
Amidoderivate der Carbonsäuren 827
Allgemeines 827. — a-Amidoderivate der Fettsäuren 830 (Glykokoll 830,
Alanin, Cystin und Serin 833, Leucin 834). — ß-, 7-, d- etc. -Amido-
derivate der Fettsäuren 835. — Amidoderivate der einbasischen un-
gesättigten Säuren 836. — Amidoderivate der Dicarbonsäuren 837
(Amidomalonsäure 837, Asparaginsäure und Asparagin 887, Glutamin-
säure und Glutamin 840).
Diazosäurcn, Hydrazisäuren, Hydrazinsäuren 841
(Diazoessigester 842. — Triazoessigsäure 848. — Diazopropionsäureester,
Diazobemsteinsäureester 844. — Hydrazipropionsäureester, Hydraziu-
essigsäure 845.)
Zweiunddreissigtes Kapitel. Mehrwerthige Aldehyde, mehrwerthige
Ketone, Ketoaldehyde.
(Tabellen : S. 852, 856).
Dialdehyde 845
G]yoxal 845, Glyoxim 846. — Succinaldoxim 846.
Diketone 846
cr-Diketone (Diacetyl etc.) 848. — ^Diketone (Acetylaceton etc.) 853, —
}^-Diketone (Acetonylaceton) 855. — 1.6- und 1.7-Diketone 857.
Triketone und Tetraketone 858
Ketoaldehyde 859
Methylglyoxal, Isonitrosoaceton, Acetoximsäure 859. — Acetessigaldc-
hyd etc. 860.
XVI Inhalt.
Seite
Dreiunddreissigstes Kapitel. HalogrenderiTate der Aldehyde und Ketone.
Halogenderivate der Aldehyde 861
Clilorderivate 861 (Mono- und Diehloraldehyd, Ohloral 862; Butylchloral
866), — Brom- und Jodderivate 867.
Halogenderivate der Ketone 867
Chlorderivate des Acetons 868. — Halogenderivate des Diacetyls 869.
— Halogenderivate des Acetylacetons 870.
Vierunddreissigstes Kapitel. Die elnfaehen Aldehydalkohole und Keton«
alkohole.
Aldehydalkohole 870
Glykolaldehyd 870, Aldol 871.
Ketonalkohole oder Ketole 872
1.2-Ketole 872. — 1 . 3 - Ketole 874. — 1.4 -Ketole (Oxetone) 874.
— 1.5- Ketole 875.
Fünfunddreissigstes Kapitel. Allgemeines ttber Kohlenhydrate. Die
einfachen Zuokerarten oder Monosaceharide.
(Tabellen: S. 897, 904.)
Bedeutung, Definition, Eintheilung der Kohlenhydrate etc 876
I. Die einfachen Zuckerarten oder Monosaccharide 880
Vorkommen und Bildungsweisen 880. — Allgemeine Charakteristik 881.
— Aufbau und Abbau der Zuckerarten 887. — Die Gründe für die
gegenwärtig üblichen Stmcturformeln der Zuckerarten 888. — Triosen
und Tetrosen 891. — Pentosen 891. — Hexosen 895. — - Configuration
der Pentosen und Hexosen, sowie der zu ihnen in naher Beziehung
stehenden Verbindungen aus anderen Klassen 904. — Heptosen, Octosen,
Nonosen 913.
Sechsunddreissigstes Kapitel. Die spaltbaren Kohlenhydrate oder Poly-
saeeharide.
II. Die spaltbaren Znckerarten oder zuckerähnlichen Polysaccharide . . . 915
Disaccharide oder Hexobiosen 918. — Trisaccharide oder Hexotriosen 921.
— Krystallisirbare Polysaccharide von höherem Moleculargewicht 922.
in. Die nicht zuckerähnlichen Kohlenhydrate 923
Stärke und ähnliche Kohlenhydrate 924. — Dextrine und Gummiarten
929. — Cellulose und andere Kohlenhydrate der Zellmembranen 931.
Die Bedeutung der Kohlenhydrate in der Industrie 934
Rohrzucker 935. — Stärke 940. — Stärkezucker und Dextrin 941.
— Cellulose 942. — CoUodium und Schiessbaumwolle 944.
Siebenunddreissigstes Kapitel. Amidoderivate der Aldehyde und Ketone.
Amidoacetaldehyd 945. — Muscarin, Amidovaleraldehyd 946. — Diamido-
aceton, Glucosamin 947. — Isoglucosamin 948.
Achtunddreissigstes Kapitel. Aldehydsftnren.
Glyoxylsäure 948. — Formylessigsäure 949. — Mucochlor- und Muco-
bromsäure 951. — Glykuronsäure 951. — Urochloralsäure , Chon-
drosin 952.
Neununddreissigstes Kapitel. KetonsSuren.
Allgemeines über Bildung, Bedeutung, Nomenclatur 953
I. Einbasische Ketonsäuren 955
Gesättigte einbasische Ketonsäuren mit einer Carbonylgruppe 955
(a-Ketonsäuren, Brenztraubensäurc etc. 955, ^-Ketonsäuren, Acetessig-
säure etc. 960, /-Ketonsäuren, Lävulinsäure etc. 971, ^-Ketonsäuren etc.
Inhalt XVII
Seite
976). — Gesftttigte einbasische Eetonsfiuren bezw. Ketoaldehydsäuren
mit mehreren Carbonylgruppen (Glyosalcarbonsäure, Diacetylcarbon-
säure etc.) 977. — Ungesättigte einbasische KetonsSuren (Acetakryl-
sfiure, Acetjlcrotons&ore) 979.
II. Zweibasische Ketonsfiuren 981
Ketoderivate der Malonsfture und der MalonsSurehomologen 981
(Mesoxalsäure 981, Acetylmalonsfiure 988). — Ketoderivate der Bern-
steinsfture und der Bemsteinsfturehomölogen 984 (Ozalessigsäure 984,
Acetbemstainsfture 985, Dioxyweinsäure 986, Diacetylbemsteinsäure
988). — Ketoderivate der Glutarsäure und der Glutarsäurehomologen
988 (Ketoglutarsäuren, Acetondicarbonsäuren 989, Acetglutarsfluren
990). — Ketoderivate der Adipinsäure und der Adipinsäurehomologen
(Ketipinsäure, Diacetyladipinsäure 991). — Ketoderivate der Pimelin-
säure und der Pimelinsäurehomologen 992 (Hydrochelidonsäure 992,
Phorons&ure, Xanthochelidonsäure 993, Dimethyldiacetylpimelin-
säure 994).
III. Dreibasische Ketonsäuren 995
(Ozalbemsteinsäure, Acettricarballylsäuren.)
IV. Vierbasische KetonsSuren 995
(Aconitoxalsäure.)
D» Cyanverbindungen und EohlenBäurederivate.
Vierzigstes Kapitel. Cyanverbindungen.
(Tabelle für Senföle: S. 1021.)
Cyan 997
Paracyan, Cyankohlensänre 999.
Cyanwasserstoff oder Blausäure 999
Salze der Blausäure oder Cyanide 1003. — Polymere der Blausäure 1008.
Cyansäure und ihre Derivate 1009
Cyansäure 1009. — Halogenverbindungen des Cyans oder Halogenide
der Cyansäure 1011. — Ester der Cyansäure und Isocyansäure 1012.
— Thiocyansäure oder Rhodanwasserstofibäure 1014. — Alkylrho-
danide 1017. — Alkylisothiocyanate oder Senföle 1018. — Cyanamid
1020. — Tautomerie, Psendoformen, Desmotropie 1023.
Knallsäure 1025
Knallquecksilber 1026. — Andere Fulminate 1028. — Fulminursäure
1028.
Tricyanverbindungen 1028
Alkylverbindungen des Tricyanrings 1028. — Cyanursäure 1030. —
Cyanurhalogenide 1031. — Normale Cyansäureester 1031. — Isocyanur- j
Säureester 1032. — Sulfocyanursäure 1032. — Melamin 1032. — Am- i
melin 1034. — Melanurensäure 1035. — Melam, Melem, Mellon 1035. !
Die Bedeutung der Cyanverbindungen für die Industrie 1036
Einnndvierzigstes KapiteL Kohlensänrederivate.
I. Halogenide der Kohlensäure 1039
Phosgen 1039.
IL Ester der Kohlensäure 1042
Neutrale Kohlensäureester 1042. — Saure Kohlensäureester, Orthokohlen-
säureester, Chlorkohlensäureester 1043.
xvin Inhalt
Seite
III. Schwefelhaltige Derivate der Kohlensäure, ihrer Halogenide und Ester 1044
Schwefelkohlenstoff 1044. — Kohlcnoxysulfid 1046. — Thiophosgen
1047, — Salze und Ester der Thiokohlensäuren 1048. — Schwefel-
derivate der Chlorkohlensäureester 1050.
IV. Amide der Kohlensäure 1050
Carbamid oder Harnstoff 1051. — Harnstoffderivate 1054. — Carb-
aminsäure 1057. — Carbamiilsäurechlorid und Carbaininsäureester
(ürethane) 1058. — Imidodicarbonsäure und Azodicarbonsäure 1060.
V, Thioamide der Kohlensäure 1061
Thioharnstoff 1062. — Schwefelderivate der Garbaminsäure 1065'.
VI. Amidine der Kohlensäure 1066
Guanidin 1067. — Guanidinderivate 1068.
Vn. Cyclische üreide, Thioureide und Guanidide. Harnsäuregruppe . . . 1072
Einfache ürei'de, Thioureide und Guanidide 1074 (Parabansäure 1074,
Hydantoin 1075, Glykocyamin 1076, Kreatiu und Kreatinin 1077,
Barbitursäure, Dialursäure und Alloxan 1078, Uracilderivate 1079J.
— Diurei'de und entsprechende Guanidinderivate. Harnsäuregruppe
1081 (Alloxantin 1081, Murexid 1082, Allantoin 1083, Harnsäure 1083,
Xanthin 1086, Theobromin und Theophyllin 1087, Paraxanthin und
Caffein 1088, Guanin 1089, Hypoxanthin und Adenin 1090).
Anhang.
Die neueren Vorschläge zur Reform der chemischen
^omenclatnr.
Der Genfer Nomenclaturcongress 1091
I. Nomenclatur der Kohlenwasserstoffe 1092
II. Nomenclatur der einfachen Verbindungstypen 1095
III. Nomenclatur der Radicale 1097
t^^^^^j^mmmmm
Tabellenyerzeiclmiss,
Seite
Nr. 1. Siedepunkte von Wasser, Naphtalin und Benzophenon bei verschiedenen
Drucken (für die Thermometercontrolle) 117
Xr. 2, Grenzkolilenwasserstoflfe 128
Nr. 3. Normal-primäre Alkohole der Grenzreihe 149
Xr. 4. Die isomeren Greuzalkohole der 3. bis 5. Reihe 159
Xr. 5. Specifißches Gewicht der Mischungen von Alkohol und Wasser . . . 158
Nr. 6. Halogenalkyle 184
Nr. 7. Dialkyläther. 193
Nr. 8. Alkylnitrite und Alkylnitrate 203
Nr. 9. Mercaptane, Sulfide, Disulfide, Sulfoxjde und Sulfone der Alkylreste . 221
Nr. 10. Primäre, secundöre und tertiäre Alkylamine 237
Nr. 11. Primäre, secundäre und tertiäre Phosphine 264
Nr. 12. Zinkalkvle 284
Nr. 13. Alkylcyanide oder Fettsäurenitrile 296
Nr. 14. Fettsäuren .312
Nr. 15. Specifisches Gewicht der wässrigen Essigsäure 320
Nr. 16. Erstarrungspunkt der wässrigen Essigsäure 320
Nr. 17. Chloride und Anhydride der Fettsäuren 352
Nr. 18. Aethylestcr der Fettsäuren 359
Nr. 19. Essigsäureester der Grenzalkohole 360
Nr. 20. Fettsäureamide 369
Nr. 21. Gesättigte Aldehyde und Aldoxime 398
Nr. 22. Einfache Ketone und Ketoxime 412
Nr. 23. Gemischte Ketone und Ketoxime 413
Nr. 24. Alkvlene 441
Nr. 25. Einfach alkylirte Acetylene 461
Nr. 26. Monohalogenderivate des Propylens 472
Nr. 27, Allylderivate 482
Nr. 28. Crotonaldehyd und Homologe 528
Nr. 29. Polyhalogenderivate des Methans 536
Xr. 30. Alkylenchloride und Alkylenbromide 546
X'r. 31. Acetale und ihnen entsprechende Säurederivate 560
Xr. 32. Fettsäureester des Glycerins 587
Nr. 33. Eigenschaften und Zusammensetzung der «nichtigsten Fette .... 594
Xr. 34. Oxalsäurederivate 647
Xr. 35. Homologe der Malonsäure 656
Xr. 36. Homologe der Bernsteinsäure 671
Nr. 37. Homologe der Glutarsäure 676
Nr. 38. Ungesättigte 1 • 4-Dicarbonsäuren (Fumar- und Malei'nsäurereihe) . 692—693
Xr. 39. «-Bromderivate der Essigsäurehomologen (ot-Brompropionsäure etc.) . . 717
Xr. 40. a-Diketone und ihre Oxime 852
Xr. 41. /9-Diketone 856
Nr. 42. Hexosen 897
Xr. 43. Die Gonfigurationsmöglichkeiten für Pentosen und Hexosen und die
■ihnen verwandten mehrwerthigen Alkohole und Säuren; eingeheftet
zwischen S. 902 und 903
Xr. 44. Senfole 1021
1
Yerzeichniss der für die Literaturnachweise benntzteu
Abkflrznngen.
Ann.:
Ann. eh. :
Arch. f. Phaim.:
Ber.:
Berz. Jb.:
Bull.:
Chem. Ind.:
Chem. News:
Cothener Chem. Ztg. :
Compt. rend. :
J. pr. :
Jb.:
Journ. Soc. :
Monatsh. :
Pogg. :
Rec. trav. chim.:
Ztschr. Chem.:
Ztschr. f. anal. Chem. :
Ztschr. f. angew. Chem.:
Ztschr. f. physik. Chem.:
Ztschr. f. physiol. Chem. :
JüSTCS LiEBiG*8 Annalen der Chemie.
Annales de chimie et de physique.
Archiv der Pharmacie.
Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft.
Jahresbericht über die Fortschritte der physischen Wissen-
schaften (später „über die Fortschritte der Chemie und Mine-
ralogie'O ^on Jacob Berzelits.
Bulletin de la soci^t^ chimique de Paris.
Die chemische Industrie.
Chemical News.
Chemiker-Zeitung, C5then.
Comptes rendus hebdomadaires des s^ances de Tacad^mie des
Sciences. Paris.
Journal für praktische Chemie.
Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter
Theile anderer Wissenschaften.
Journal of the chemical Society. London.
Monatshefte für Chemie und verwandte Theile anderer Wissen-
schaften. Wien.
Poggendorf's Annalen der Physik und Chemie.
Recueil des travaux chimiques des Pays-Bas.
Zeitschrift für Chemie (seit 1871 nicht mehr erscheinend).
S^itschrift für analytische Chemie.
Zeitschrift für angewandte Chemie.
Zeitschrift für physikalische Chemie, Stöchiometrie und Ver-
wandtschaftslehre.
Zeitschrift für physiologische Chemie.
" »• "Wl
Einleitung.
Die Gründe der Seheidong zwischen anorganischer und organischer Chemie.
Inhalt; Aufgaben und Ziele der organischen Chemie.
Noch in den ersten Decennien unseres Jahrhunderts stellte man die
chemischen Verbindungen, welche die Natur ausschliesslich im pflanz-
lichen oder thierischen Organismus erzeugt, als eine besondere scharf zu
unterscheidende Gruppe jenen Verbindungen gegenüber, welche sie als
Mineralien darbietet, oder welche aus diesen Mineralien durch im Labo-
ratorium ausführbare Umwandlungen hervorgehen. Zwar hatte man schon
erkannt, dass in den vegetabilischen und animalischen Substanzen keine
anderen Grundstoffe sich finden, wie sie sich an dem Aufbau der mine-
ralischen Stoffe betheihgen; doch war es noch in keinem Falle gelungen,
eine jener Substanzen aus minerahschen Stoffen herzustellen. Und daher
glaubte man, dass für das Zustandekommen dieser „organischen'' Ver-
bindungen gewisse Bedingungen nothwendig wären, deren Herbeiführung
der Mensch nicht in seine Gewalt bekommen könne. Eine besondere
..Lebenskraft" sollte es nach Berzelius sein, welche ihre Entstehung in
den belebten Wesen bewirkt; wohl könne man eine solche Verbindung,
nachdem sie einmal im Organismus gebildet und von den begleitenden
Stoffen durch die Hülfsmittel des Chemikers getrennt ist, auf künstlichem
Wege in andere umwandeln, die sich vielleicht auch im Organismus
finden. Allein sie aus den Elementen aufzubauen, das sei das Vorrecht
jener geheimnissvollen Kraft, über welche zu gebieten dem Menschen
versagt sei.
Wie in jener Zeit, so theilen wir auch heute noch die Chemie in
unorganische und organische Chemie ein und unterscheiden unorganische
von organischen Verbindungen. Doch sind die Gründe, welche uns zu dieser
Eintheilung bestimmen, heute ganz anderer Art wie damals. Der Glaube
an jene Lebenskraft ist längst durch das Experiment beseitigt. Seit
WöHLEB 1828 zum ersten Male die künstliche Darstellung eines thierischen
Stoffes — des Harnstoffs — aus mineralischen Substanzen gelang, sind
ähnliche Erfolge in grosser Zahl erzielt worden. Die Pflanzensäuren,
die Fette, viele der complicirtesten Pflanzenfarbstoffe, die Harnsäure,
Zuckerarten, Pflanzenbasen u. s. w. hat man auf künstlichem Wege her-
zustellen gelernt; und jedes Jahr bringt neue Synthesen solcher Stoffe,
V. Mbtbr 11. jACOBsosr, org. Chemie. I. 1
EinleiUmg,
deren alleinige Erzeugerin bisher die Natur war. Freilich sind wir nocl^
weit davon entfernt, alle Verbindungen des pflanzlichen und thierischen
Organismus synthetisch herstellen zu können; aber wir haben keinen
Grund, daran zu zweifeln, dass, was schon in so vielen Fällen gelungen
ist, nicht auch in all«n Fällen gelingen könnte. Wir sind heute zu der
Ueberzeugung berechtigt, dass die chemischen Verbindungen des Pflanzen-
und Thierreichs ebenso wie diejenigen des Mineralreichs und diejenigen,!
welche aus den von der Natur gebotenen Stoffen durch künstliche Pro-
cesse gewonnen werden, in Bezug auf ihr Entstehen und ihre Una Wand-
lungen denselben Gesetzen unterworfen sind, — dass es dieselben Kräfte
sind, welche die Elementaratome zu ihren Molecülen zusammenfügen.
Nachdem durch die zahlreichen Synthesen von Pflanzen- und Thier-
substanzen die Definition der organischen Verbindungen als solcher,
welche unter dem Einfluss der Lebenskraft gebildet werden, unhaltbar
geworden war, hat man sich längere Zeit mit wenig Erfolg bemüht, aul
anderer Grundlage den Unterschied zwischen anorganischen und orga-
nischen Verbindungen zu präcisiren. Ausgehend von der Thatsache,
dass alle organischen Substanzen Kohlenstoff enthalten, hat man sich
endlich entschlossen, in dem Kohlenstoffgehalt das einzige Merkmal
einer organischen Verbindung zu sehen. Die heutige organische
Chemie ist eine Chemie der Kohlenstoffverbindungen; die grosse
Mehrzahl dieser sogenannten organischen Verbindungen ist lediglich im
Laboratorium erzeugt, niemals im Organismus aufgefunden worden und
dürfte wohl überhaupt nicht in der Natur vorkommen. Ausser dem
Kohlenstoff finden wir in den organischen Verbindungen als besonders
häufig vorkommende Elemente Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstofi';
aber auch alle übrigen Elemente können sich an dem Aufbau der Mole-
cüle organischer Stoffe betheiligen. Wesentliches Erfordemiss fiir die
Zugehörigkeit einer Verbindung zur organischen Chemie ist allein ihr
Kohlenstoffgehalt. Die organische Chemie umfasst alle Verbindungen
dieses Elementes; nur einige der einfachsten — das Kohlenoxyd, die
Kohlensäure und ihre Salze — pflegt man aus Zweckmässigkeitsgründen
schon in der anorganischen Chemie abzuhandeln.
Was sind die Gründe, die uns bestimmen, die Verbindungen dieses
einen Elementes allein als einen besonderen Theil der Chemie zu be-
handeln?
Es ist dies zunächst durch ihre ausserordentlich grosse Zahl ge-
boten. Keines der übrigen Elemente ist mit einer so erstaunlichen Vei'-
bindungsfahigkeit begabt wie der Kohlenstoff. Während wir z, B. von
allen übrigen Elementen nur eine oder höchstens zwei Verbindungen mit
Wasserstoff kennen, sind Hunderte von Verbindungen zwischen Kohlen-
stoff und Wasserstoff aufgefunden worden. Die Gesammtzahl der Kohlen-
stoffverbindungen ist grösser als die Anzahl der Verbindungen aller
übrigen Elemente mit einander.
Einleitimy,
Hierzu kommt, dass die Kohlenstoffverbindungen gegenüber den
Verbindungen der anderen Elemente ein eigenartiges Verhalten und be-
sonders eine weit geringere Beständigkeit zeigen. Viele der anorganischen
Substanzen vertragen ohne Veränderung ihrer chemischen Natur die
höcbsten Temperaturen, welche wir erzeugen können; unter den orga-
nischen Substanzen kommt eine solche Beständigkeit nur einer ganz
o:eringen Zahl zu ; mit wenigen Ausnahmen werden sie durch hohe Hitze-
irrade zerstört. Auch gegen Luft und Licht sind viele organische Ver-
bindungen in einer Weise empfindlich, wie wir es bei anorganischen
uur selten finden. Alle diese Umstände bedingen eine besondere Technik
ttir das Manipuliren mit organischen Verbindungen und machen es un-
bedingt erforderlich, dass der praktische Unterricht in der anorganischen
und organischen Chemie gesondert ertheilt wird.
Endlich stellt die Erörterung der Kohlenstoffverbindungen ganz
andere theoretische Aufgaben, wie die Behandlung der anorganischen
Verbindungen. Bei einer anorganischen Substanz genügt in der Kegel
zur Erklärung ihrer Verschiedenheit von pUen anderen Stoffen die An-
hübe ihrer molecularen Zusammensetzung, soweit dieselbe durch die
Anzahl und Art der zu einem Molecül zusammentretenden
Elementaratome bedingt ist. Ist z. B. für die Schwefelsäure er-
kannt, dass ihr Molecül aus 2 Atomen Wasserstoff, 1 Atom Schwefel
und 4 Atomen Sauerstoff besteht, so können wir uns zunächst mit diesem
Befund begnügen; denn wir kennen keine zweite Verbindung, welcher
gleichfalls eine durch die Foi*mel HgSO^ ausdrückbare Zusammensetzung
zukommt. Aber für eine organische Verbindung ist mit der Erkenntniss
ihrer ,, empirischen^* Z^ftlmmensetzung viel weniger geleistet. Der Aethyl-
.'ilkohol z. B. besitzt die Zusammensetzung CgH^O; dieser Befund genügt
ndessen nicht, um zu erklären, warum der Aethylalkohol ein besonderes
chemisches Individmim mit bestimmten charakteristischen Eigenschaften
ist; denn wir kennen eine zweite Verbindung: den Dimethyläther, welche
«ranz andere Eigenschaften besitzt, während ihr Molecül genau dieselben
Elementaratome in derselben Anzahl — 2 Kohlenstoffatome, 6 Wasser-
stoffatome und 1 Sauerstoffatom — enthält.
Diese in der anorganischen Chemie selten beobachtete ^ Erscheinung,
dass Verbindungen von gleicher Zusammensetzung ganz verschiedene
^ Freilich bietet auch die anoiganieche Chemie Beispiele dafär, dass Substanzen
von denselben procentisc^en Zusammensetzung verschiedene Eigenschaften besitzen.
Aber in der Mehrz:i]?][ dieser Fälle sind wir erstens nicht sicher, dass diese Substanzen
auch dieselbe Moleculargrösse besitzen, und dann ist die Verschiedenheit der Eigen-
M?haften meist eine weit geringere, als bei isomeren organischen Substanzen. Kalk-
ül lath und Arragonit z. H. haben ja beide die Zusammensetzung CaCOg; aber wir
kennen nicht ihre Moleculargrösse: Kalkspath könnte die Molecularformel (CaCOglx,
Arragonit (CaCOg), besitzen. Zudem erstreckt sich ihre Verschiedenheit nur auf die
Krystallform und physikalische Constanten; chemisch sind sie identisch, denn sie liefern
in allen Reactionen die gleichen Umwandlungsprodukte. Selbst wenn also für beide
Einleitung.
Eigenschaften zeigen, bezeichnet man als Isomerie (abgeleitet von ttrog
gleich und fii^og Theil). Man begegnet ihr in der organischen Chemie
auf Schritt und Tritt; dem Beispiel von der Isomerie des Aethylalkohols
und Dimethyläthers könnten wir beliebig viele andere anreihen, in welchen
die Zahl der mit einander isomeren Substanzen eine noch weit grössere
ist. (So waren z. B. bis zum Jahre 1884 nicht weniger als 55 ver-
schiedene Substanzen von der Zusammensetzung C^Hj^jOg aufgefunden.)
Diese Erscheinung zeigt uns, dass die Anzahl und Art der Elementar-
atome, welche zu einem Moleciil zusammentreten, nicht allein bestimmend
ist für die Beschaffenheit des Stoffes, der aus diesen Molecülen besteht.
Wenn Verbindungen, deren Molecüle in Bezug auf Art und Zahl der
Elementaratome keine Unterschiede zeigen, trotzdem ganz verschiedene
Eigenschaften besitzen, so kann dies nur darin seine Erklärung finden,
dass eben dieselben Atome in verschiedener Weise mit einander zusam-
mentreten können. Wir entnehmen daraus, dass die Atome innerhalb
des Molecüls nicht in regellosen Bahnen sich durch einander bewegen
können, sondern dass sie vielmehr in jedem einzelnen Molecül in ge-
wissen festen Beziehungen zu einander stehen müssen.
Diese in der Chemie der Kohlenstoffverbindungen so verbreitete Er-
scheinung der Isomerie fordert uns daher auf, in die Zusammensetzung
der Molecüle tiefer einzudringen, als dies durch das Studium der an-
organischen Verbindungen geboten war. Wollen wir die Isomerie in den
einzelnen Fällen erklären, so erwächst uns die Aufgabe, für jede Ver-
bindung ausser ihrer „empirischen" Zusammensetzung auch die „rationelle"
zu erforschen: d. h. die Ordnung der Atome innerhalb des Mole-
cüls zu bestimmen, die Functionen der einzelnen Atome und
die Beziehungen aufzusuchen, welche sie zu anderen Atomen
desselben Molecüls haben. Dies ist der Gegenstand der Structur-
lehre oder Constitutionslehre, welche sich an dem Studium der
organischen Verbindungen entwickelt hat und zu hoher Durchbildung
gelangt ist. Nachdem einmal die Principien dieser Lehre in der orga-
nischen Chemie sich so fruchtbringend erwiesen haben, hat man natür-
lich auch versucht, dieselben auf die anorganischen Verbindungen aus-
Substanzen dieselbe Moleculargrösse zugegeben wird, so könnten ^ir ihre Verschieden-
heit auch dadurch erklären, dass im Kalkspath die Molecüle sich anders an einander
lagern wie im Arragonit, während jedes einzelne Molecül für sich im Kalkspath
sowohl wie im Arragonit von gleicher Beschaffenheit ist Eine solche Erklärung wäre
für die Isomerie der organischen Verbindungen ganz unzureichend; denn bei diesen ,
erstreckt sich die Verschiedenheit nicht nur auf die physikalischen Eigenschaften,
sondern auf das gesammte chemische Verhalten. Aethylalkohol und Dimethyläther
haben nichts mehr mit einander gemein, sie lassen sich nicht durch einfache Reactionen
in einander tiberführen, sie liefern in allen Reactionen völlig verschiedene Umsetzungs-
Produkte. Eine solche wirkliche Isomerie finden wir bei anorganischen Verbindungen
äusserst selten (salpetrigsaures Hydroxylamin und salpetersaures Ammoniak (beide
N,H403), vielleicht auch Disthen und Andalusit (AlsSiO,) sind Beispiele dafür.)
)•
Einleitung, 5
zudebnen, und ist auch zur Erörterung der rationellen Zusammensetzung
anorganischer Verbindungen tibergegangen. Allein diese Betrachtungen,
welche übrigens für die meisten anorganischen Verbindungen noch zu
wenig zuverlässigen Resultaten gefuhrt haben, stehen in der anorganischen
Chemie nicht so im Vordergrunde wie in der organischen Chemie, wo
sie ein unentbehrliches Hülfsmittel zum Verständniss der einzelnen Ver-
bindungen bilden.
Anorganische and organische Verbindungen weisen dem-
nach in keiner Beziehung principielle Unterschiede von ein-
ander auf; allein die grosse Zahl der Kohlenstoffverbindungen
und die eigenartige Methode, welche ihre experimentelle und
theoretische Behandlung verlangt, lassen es zweckmässig er-
scheinen, die Kohlenstoffverbindungen in einem besonderen
Theile der Chemie abzuhandeln, welchen wir „organische Chemie"
nennen.
Die Aufgabe der organischen Chemie ist es demnach, die Natur der
Verbindungen des Kohlenstoffs zu erkennen. Dazu gehört für jede der-
selben die Angabe der empirischen und rationellen Zusammensetzung,
die Angabe ihrer wichtigsten physikalischen Eigenschaften und die Er-
forschung ihrer chemischen „Vergangenheit und Zukunft**.^ Denn die
Chemie hat ja eine Substanz nicht nur in dem Augenblick zu schildern,
wo sie ist, sondern ebenso in dem Augenblick, wo sie wird oder zu
sein aufhört. Die Bildungsweisen und die Umwandlungen einer Sub-
stanz, die Darstellung ihrer Beziehungen zu anderen Substanzen bilden
den wesentlichsten Theil ihrer chemischen Charakteristik.
In dieser Arbeitsrichtung bieten sich für den Fortschritt der orga-
nischen Chemie noch so viele Aufgaben, dass die Aufstellung neuer Ziele
noch nicht nothwendig erscheint. Noch bringt jedes Jahr die Auffindung
von Verbindungsgruppen, an welchen wir neue und interessante chemische
Cbarakterzüge beobachten, und deren einzelne Glieder sich oft für die
praktischen Zwecke des Lebens so brauchbar erweisen, dass ihre Dar-
stellung in grossem Massstab in Angriff genommen wird und zu mehr
oder weniger eingreifenden Veränderungen des wirthschaftlichen Lebens
führt. Unerwartete Isomerie- Erscheinungen werden beobachtet, welche
zur Erweiterung oder theilweisen Neugestaltung der theoretischen Grund-
lagen auffordern. Von den in der Natur vorkommenden organischen
Stoffen sind noch ganze Gruppen ihrer Constitution nach unaufgeklärt.
Krst in den letzten Jahren hat die chemische Forschung begonnen, über
die grosse und wichtige Klasse der Pttanzenbasen (Alkaloide) einiges Licht
zu verbreiten. Die wichtigsten Stoffe des Pflanzen- und Thierkörpers —
die Eiweisssubstanzen — sind noch in ein fast vollständiges Dunkel gehüllt
nnd harren noch der Aufklärung ihrer Constitution.
^ Kjekul£, orgao. Chem. p. 3.
6 Einleitwig.
Dass wir in die chemische Bauart auch dieser complicirtesten or-
ganischen Verbindungen, welche die Natur uns bietet, einst eindringen
werden, ja dass es uns einmal gelingen wird, diese wichtigsten Träger
der Lebensfunctionen künstlich zu erzeugen, das zu hoflfen sind wir
vollauf berechtigt auf Grund der Erfolge, welche wir bisher — von ein-
fachen Problemen zu immer verwickeiteren aufsteigend — schon errungen
haben. Aber zwischen einer organischen Verbindung, deren Gegen-
wart für das Zustandekommen der Lebenserscheinungen unentbehrlich
ist, und dem unbedeutendsten organisirten Gebilde, das schon alle
Erscheinungen des Lebens zeigt, ist noch eine so ungeheure YIvlÜ, dass
wir heute kaum ahnen können, mit welchen Mitteln sie zu überbrücken
ist. Unsere heutigen Hülfsmittel versagen an der Grenze zwischen todter
und lebender Substanz. Wir können mit Zuversicht an die Aufgabe
gehen, die complicirtesten organischen Molecüle aufzubauen; aber die Er-
zeugung auch nur der einfachsten Zelle, in welcher diese Molecüle sich
an jener wunderbaren zweckbewussten Thätigkeit betheiligen, die wir
Leben nennen, — das ist ein Problem, dessen Lösbarkeit zu behaupten
wir gegenwärtig nicht wagen dürfen.
Mit den „organisirten" Körpern beschäftigt sich die organische
Chemie zur Zeit nur insoweit, als sich aus denselben bestimmte einheit-
liche Verbindungen isoliren lassen. Das Verhalten der chemischen Ver-
bindungen im lebenden Organismus und die Bedeutung der chemischen
Vorgänge filr den Lebensprocess ist Gegenstand einer besonderen Dis-
ciplin: der physiologischen Chemie.
Allgemeiner Theil.
Erstes Kapitel.
Die Ermittelnng der empiriBchen Zusammensetzung von
organischen Verbindungen.
(Qaalitatiye und quantitative Elementaranalyse. — Berechnung des Atomverhältnisses.
— Bestimmung der Moleculargrösse.)
Zur Ermittelung der chemischen Zusammensetzung einer Verbindung
bedarf es der Beantwortung folgender Fragen:
1. Aus welchen Mementen besteht die Verbindung?
2. In welchem Atomverhältniss sind die Elemente mit einander
vereinigt?
3. Wie gross ist die Anzahl der in einem Molecül der Verbindung
enthaltenen Mementaratome?
4. In welcher Anordnung gruppiren sich die Elementaratome zu
dem Molecül der Verbindung?
Die Beantwortung der ersten Frage geschieht durch die qualitative
Analyse. Die zweite Frage wird durch die quantitative Analyse
erledigt, welche das Gewichtsverhältniss feststellt, nach welchem die ein-
zelnen Elemente mit einander verbunden sind; aus diesem Gewichtsver-
hältniss lässt sich auf Grund der Kenntniss des Atomgewichts der be-
treffenden Elemente das Atomverhältniss durch einfache Rechnungen ab-
leiten. Die in der dritten Frage enthaltene Aufgabe wird durch die
Bestimmung des Moleculargewichts gelöst. Die Beantwortung dieser
drei ersten Fragen genügt zur Kenntniss der empirischen Zusammen-
setzung einer Verbindung. Die Methoden, nach welchen dieselben för
organische Verbindungen ihre Erledigung finden, bilden den Gegenstand
des folgenden Kapitels.
I. QualltatiTe Analyse.
Die qualitative Analyse organischer Verbindungen besteht aus einer
Beihe sehr einfacher Prüfungen.
Den KoUenstoffgehalt kann man mit voller Sicherheit nachweisen,
indem man die zu prüfende Substanz mit Kupferoxyd gemischt in einem
8 Qualitative Analyse,
Röhrchen erhitzt; der Sauerstoff des Kupferoxyds oxydirt den Kohlen-
stoff zu Kohlensäure, welche gasformig entweicht und durch Einleiten
in Kalk- oder Barytwasser erkannt wird. Doch wird man nur selten
in die Lage kommen, diese Probe anstellen zu müssen, da sich in den
meisten Fällen der Kohlenstoffgehalt schon beim Erhitzen einer Substanz-
probe auf dem Platinblech durch Verkohlung oder durch das Auftreten
einer russenden Flamme kundgiebt.'
Bei Anstellung der eben erwähnten Kupferoxyd-Probe giebt sich der
Wasserstoffgehalt durch die Bildung von Wassertröpfchen zu erkennen.
Unter den stickstoffhaltigen organischen Verbindungen geben manche
den Stickstoff beim Erhitzen mit Natronkalk in Form von Ammoniak
ab; man kann demnach in solchen Substanzen den Stickstoff nachweisen,
indem man sie in einem Röhrchen mit Natronkalk erhitzt und die Am-
moniak-Entwicklung entweder durch den Geruch oder die Schwärzung
eines mit salpetersaurer Quecksilberoxydullösung getränkten Streifchen
Filtrirpapiers feststellt. Das Ausbleiben von Ammoniak bei dieser Probe
beweist indessen nicht die Abwesenheit von Stickstoff, da viele Verbin-
dungen — wie z. B. zahlreiche Nitrokörper — ihren Stickstoff dabei
nicht als Ammoniak entweichen lassen. Sicherer ist es daher, sich der
folgenden Probe zu bedienen, welche darauf beruht, dass aus Verbin-
dungen, die Kohlenstoff und Stickstoff zugleich enthalten, beim Erhitzen
mit metallischem Kalium (oder auch Natrium) Cyanalkali (KCN resp,
NaCN) entsteht (Labsaigne). Man erhitzt die zu prüfende Substanz mit
einem Stückchen Kalium in einem Röhrchen aus schwer schmelzbarem
Glase, wobei in der Regel eine schwache Verpuffung eintritt; hat man es
mit leicht flüchtigen Verbindungen zu thun, welche zunächst ohne Zer-
setzung von dem Alkalimetall abdestilliren, so muss man durch Anwendung
eines langen Röhrchens dafür sorgen, dass die an den kälteren Theilen
sich condensirende Substanz immer wieder auf das erhitzte Alkalimetall
zurückfliesst, bis eine vollständige Zerstörung eingetreten ist. Der Glüh-
rückstand wird in Wasser eingetragen, und die wässrige Lösung, welche
das gebildete Cyanid in Gegenwart von überschüssigem Alkali enthält,
wird nun nach Zusatz weniger Tropfen Eisenoxydul-Oxydlösung mit den
hierbei ausfallenden Oxyden des Eisens 1 bis 2 Minuten gekocht; es
bildet sich Ferrocyanalkali; säuert man nun mit Salzsäui*e an, so wird
Eisenoxydul und Eisenoxyd gelöst, und es entsteht durch Wechselwirkung
zwischen Ferrocyanwasserstoff und Eisenchlorid ein Niederschlag von Ber-
linerblau. Man hüte sich hierbei, mit einem üeberschuss concentrirter
Salzsäure anzusäuern, da kleine Mengen von Berlinerblau in starker Salz-
säure sich vollkommen unter Verschwinden der blauen Farbe auflösen. Bei
Gegenwart von sehr geringen Stickstoffmengen ist der blaue Niederschlag
als solcher nicht sofort sichtbar; er giebt sich zunächst nur durch eine
grüne Färbung der Lösung zu erkennen; lässt man dann die Probe
einige Zeit ruhig stehen, so sammelt sich der blaue Niederschlag am
Prüfung auf Stickstoff, Halogene, Schwefel, 9
Boden an. Bei Abwesenheit von Stickstoff erhält man eine rein gelbe
Lösung. — Allein auch diese Probe kann zuweilen den Stickstoffgehalt
einer Verbindung unentdeckt lassen. ^ Schwefelreiche Substanzen zeigen
die Berlinerblau-Keaction nur dann, wenn man eine verhältnissmässig
grosse Menge Alkalimetall angewendet hat. Solche Substanzen, welche
ihren Stickstoff schon bei niedrigen Temperaturen vollständig entweichen
lassen (Diazoverbindungen), zeigen die Reaction überhaupt nicht; denn
der Stickstoff ist schon verjagt, ehe die Beactionsmasse die für die Bildung
von Cyanmetall erforderliche Temperatur erreicht. In solchen Fällen bleibt
nichts anderes übrig, als die Substanz in der später bei der quantitativen
Stickstoffbestimmuug näher zu beschreibenden Weise mit Kupferoxyd in
einer mit Kohlensäure gefüllten Röhre zu verbrennen, die entweichenden
Gase, nachdem sie eine glühende Kupferspirale passirt haben, durch Kali-
lauge zu leiten und zu prüfen, ob sie einen durch Kalilauge nicht ab-
sorbirbaren Antheil (Stickstoff) enthalten.
Die Halogene (Chlor, Brom und Jod) werden nur in wenigen Fällen
aus organischen Verbindungen durch Kochen mit Silbemitrat als Halogen-
silber abgeschieden. Um sie sicher nachzuweisen, muss man durch
Glühen mit chemisch reinem Kalk die organische Substanz vollständig
zerstören; das Halogen bleibt dann an Calcium gebunden zurück und
kann nach dem Lösen in Salpetersäure durch Fällung mit Silbernitrat
erkannt werden. Stickstofffreie Substanzen kann man auch durch Er-
hitzen mit Natrium, Lösen der Schmelze in Salpetersäure und Fällen
mit Silbemitrat auf Halogene prüfen, während dies bei stickstoffhaltigen
Substanzen wegen der Bildung von Cyansilber nicht angeht. Sehr be-
quem ist endlich die folgende, von Beilstein ^ angegebene Probe: Man
bringt die Substanz auf ein Klümpchen Kupferoxyd, das in dem Oehr
eines Platindrathes befestigt und vorher sorgfältig ausgeglüht ist, und
erhitzt nun nahe am unteren und inneren Rande einer massig geöffneten
nichtleuchtenden Gasflamme; ein Halogengehalt giebt sich durch die von
den flüchtigen Halogenverbindungen des Kupfers bewirkte Grün- resp.
Blaufärbung der Flamme zu erkennen, welche sofort hervortritt, nachdem
der Kohlenstoff verbrannt ist, und das dadurch verursachte Leuchten
der Flamme wieder aufgehört hat.
Schirefel kann meist nachgewiesen werden, indem man eine Probe
der Substanz mit Natrium erhitzt und die Lösung des Glührückstandes
auf Schwefelnatrium prüft, dessen Gegenwart am schärfsten durch die
mit Nitroprussidnatrium eintretende purpurviolette Färbung erkannt wird.
Substanzen, bei denen ihrer Flüchtigkeit wegen diese Probe nicht zu-
verlässig erscheint, oxydirt man zunächst durch Erhitzen mit rauchender
Salpetersäure im geschlossenen Rohr auf 250 — 300^ vollständig, dann
prüft man die Lösung auf Schwefelsäure.
» Graebe, Ben 17, 1178. • Ber. 6, 620.
10 QuaniUative Elamentaranalyse.
Zur Prüfung auf alle anderen Elemente (Phosphor, Arsen, Silicium,
die Metalle u. s. w.) ist es ebenfalls am zveckinässigst«n, zunächst durch
Erhitzen mit SaJpetersäure vollständige Oxydation herbeizuführen, dann
die mit Wasser verdUnute, nur noch anorganische Stofife enthaltende
Lösung nach den gewöhnlichen analytischen Regeln zu untersuchen. —
Die Gegenwart der Metalle ergiebt sich schon aus dem Zurückbleiben
einer unTerbrennlicben Äsche beim Erhitzen einer Substanzprobe auf
dem Platinblech.
II. QaantttatlTe Elementaranalyse.'
1. Die BeatlmmDiis des Kohlenstoff und Wasserstoffs. Die Be-
stimmung dieser beiden Kiemente wird stets in einer Operation ausgeführt.
Das Princip der dazu dienenden Methode besteht in der vollständigen Ver-
brennung einer abgewogenen Menge der Substanz und Ermittelung des
Gewichts ihrer Verbrennungsprodultte ; der Kohlenstoff wird so in Form
von Kohlensäure, der Wasserstoff als Wasser gewogen. Dieses Princip
versuchte schon der Begründer der quantitativen Forschung Lavoisier
zur Analyse organischer Verbindungen anzuwenden; Saussdbe, ThEnaed.
Bebthollet, Gay-Ll'ssac und Bebzelius führten es in
verschiedener Weise durch; endlich gab ihm Liebio* 1831
die einfache und vollkommene Ausl^hrungsfonn, in welcher
es noch heute — in der Begel nur mit unwesentlichen Modi-
ficationen — angewendet wird.
Als Sauerstoffquelle für die Verbrennung wird nach
Liebiq's Vorgang gewöhnhch Kupferoxyd verwendet, welches
natürlich von organischen Substanzen und von Feuchtig-
I keit vollkommen befreit sein muss; man glftht es daher
unmittelbar vor der Verbrennung aus, füllt es noch heiss
I in einen Glasbehälter, welcher durch ein Chlorcalcium-
rohr mit der äusseren Luft communicirt (Fig. 1 giebt eine
i^B-^^^ gebräuchliche Form solcher „Kupferoxydbimen" wieder), und
lässt es hierin soweit erkalten, bis es mit der zu analy<
sirenden Substanz gemischt werden kann. Die Verbrennung geschieht
auf einem Gasofen in einer Röhre aus schwer schmelzbarem Glase, welche
Fig. 2. Verbrennongirthre.
an einem Ende zu einer umgebogenen Spitze ausgezogen ist (Fig. 2), am
anderen Ende mittelst eines durchbohrten Stopfens mit den Absorpttons-
apparaten in Verbindung gesetzt wird. Dieselbe wird derart beschickt.
' Auafllhrlicbe Datatellung vgl. in Fkesenids, Quantit. ehem. Analyse II, X— 110
(6. Aufl. Braonschweig 1377—1887) und in Vortjcahn, Chem. Analyse organ. Stoffe,
p. 4—56 (Leipzig n. Wien 1889). * Pooo. Bl, 1.
Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff.
dass TOD dem ge-
schlossenen Ende an
zunächst eine etwa
1 dm lange Schicht
reinen Knpferoxyds
(a) liegt, dann das
Gemisch der abge-
wogenen Substanz-
mei^e mit Kupfer-
oxjd in etwa ebenso
langer Schiebt [b),
endlich wieder eine
längere Schicht rei-
nen Knpferoxyds (c)
folgt. Znm Mischen
mit der Substanz
braucht man pulver-
förmiges Kupfer-
üxyd, während man
die Schichten a und
c in der Regel mit
kömigem Kupfer-
oxyd (Kupferdreh-
8pähneD)anmUt.Die
Fig. 3 zeigt die An-
ordnang des ganzen
Apparats: a, b und
e sind die Absorp-
tionsapparate, wel-
che vor und nach
der Verbrennung ge-
wogen werden, und
deren Gewichtszu-
nahme die Menge des
gebildeten Wassers
und der Kohlen-
säure angiebt. Das
U-formig gebogene
Rohr a ist zur Auf-
nahme des Wassers
bestimmt und daher
mit porösen Cblor-
calcinm-Stücken an-
gefüllt ; der zum Ver-
12 Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff,
brennungsrohr führende Schenkel ist mit einer Kugel versehen, in welcher
sich der grösste Theil des Wassers schon condensirt ; das zum Kaliapparat b
führende Ableitungsröhrchen ist am b^ten, wie bei der in der Figur ab-
gebildeten Form, angeschmolzen, der aufsteigende Schenkel des Chlorcal-
ciumrohrs mit einem luftdicht schliessenden Stopfen verschlossen. Damit
keine Kohlensäure in dem Chlorcalciumi'ohr absorbirt werden kann, ist es
nothwendig, vor dem Gebrauch einen etwaigen Gehalt des Chlorcalciums an
Aetzkalk dadurch unschädlich zu machen, dass man einige Zeit
^^^ trockene Kohlensäure hindurchleitet, diese durch trockene
ll^ Luft verdrängt, wägt, das Einleiten von Kohlensäure und Luft
J jL wiederholt und sich nun durch nochmalige Wägung von dem
I M Constantbleiben des Gewichts überzeugt. Das Chlorcalciumrohr
^^ kann so lange gebraucht werden, als noch ein grösserer Theil
des Chlorcalciums nicht zerflossen ist. Entfernt man nach
" ^ jeder Analyse das in der Kugel condensirte Wasser, so ist
die Dauer der Brauchbarkeit eine fast unbegrenzte. — Der so-
genannte ;,LiEBiG'sche Kugelapparat'' h ist mit soviel Kalilauge
vom spec. Gewicht 1-27 (etwa 1 Theil käufliches Kali auf
2 Theile Wasser) beschickt, dass die drei am unteren Schenkel
befindlichen Kugeln ungefähr angefüllt sind; die Kalilauge
ist nach dreimaligem Gebrauch zu erneuern; der Apparat,
welcher zur Absorption der Kohlensäure dient, wird in der
W^eise eingeschaltet, dass von den beiden oberen Kugeln die
. j grössere mit dem Chlorcalciumrohre communicirt, und der
I diese Kugel tragende Schenkel ungefähi* vertical steht. An
I den Kugelapparat schliesst sich endlich ein mit festen Stück-
ZA chen Aetzkali gefülltes Röhrchen c, in welchem der durch den
^^ Gasstrom aus dem Kugelapparat mitgeführte Wasserdampf
äö ^ und etwa noch unabsorbirt gebliebene Kohlensäure zurück-
«2 gehalten wird.
I Das Mischen der Substanz mit Kupferoxyd und Ein-
I ft bringen in die Verbrennungsröhre geschieht gewöhnlich in
|l der Weise, dass man die abgewogene Substanzmenge (etwa
^ 0-2 g) in einem kleinen innen glasirten Porzellanmörser mit
G««ÄMhenu. Kupfcroxyd verreibt und das Gemenge durch einen Trichter
AWä^n'^ mit weitem Ablaufrohr einschüttet. Der Mörser und Trichter
Flüssigkeiten, werden dann zweimal mit neuem Kupferoxyd ausgespült. Dies
Verfahren ist natürlich nur bei festen Substanzen anwendbar.
Flüssigkeiten wägt man in kleinen Glaseimerchen (Fig. 4a) ab, welche
durch Eintropfenlassen der Flüssigkeit aus einer Capillarpipette (Fig. 4&)
gefüllt werden. Bei flüchtigen Flüssigkeiten, welche unter 100® sieden,
verschliesst man das Eimerchen mit einem aus Glasstab angefertigten
Stopfen (Fig. 4 c), damit während der Wägung und während des Zeit-
raums bis zum Einwerfen in das Verbrennungsrohr nicht durch Ver-
Bestimmung von Kohlenstoff und Wasserstoff, 13
dunstung Verluste entstehen. Sehr leicht flüchtige Flüssigkeiten wie
z. B. Aether bringt man in vorher gewogene Glaskügelchen (Fig. 4d),
die mit einer lang ausgezogenen capillaren Spitze versehen sind und
nach dem Einfüllen der Flüssigkeit (durch Erwärmen und Einsaugenlassen
der Flüssigkeit während des Erkaltens) zugeschmolzen und wieder ge-
wogen werden; man schneidet durch einen Feilstrich das capillare Ende
ab und wirft Kugel und abgeschnittenes Ende in die Verbrennungsröhre
ein. Es ist zweckmässig, in das Kügelchen ein Stückchen Kupferoxyd
zu bringen, um auch die Verbrennung des darin zurückbleibenden
Dampfes zu bewirken.
Der Gang der Verbrennung ist nun folgender. Man erhitzt zunächst
einerseits eine etwa 3 — 4 cm lange Schicht des Kupferoxyds am aus-
gezogenen Ende der Röhre, andererseits am offenen Ende eine etwa
2 — 3 dm lange Schicht. Bevor das Kupferoxyd an diesen Stellen zum
schwachen Glühen gebracht ist, darf die Substanz nicht verdampfen
oder sich zersetzen; ist eine genügend lange Schicht im Glühen, so
nähert man sich mit den Flammen allmählich der Stelle, wo die Substanz
liegt, und sorgt dafür, dass andauernd ein massiger Gasstrom von etwa
zwei Blasen in der Secunde durch den Kugelapparat streicht. Je flüchtiger
die Substanz ist, oder je plötzlicher sie sich zersetzt, um so vorsichtiger
muss man verfahren, und um so länger muss man die Röhre wählen,
damit die zwischen der Substanz und dem offenen Ende der Röhre be-
findliche Kupferoxydschicht auch bei etwas rascherer Entwicklung von
Dämpfen zur vollkommenen Verbrennung ausreicht. Bei Verbrennung
von sehr flüchtigen Flüssigkeiten ist es zweckmässig, sich der Substanz
vom hinteren Röhrenende zu nähern und eine Reihe von etwa 8 — 10
Brennern vor der Substanz zunächst unbenutzt zu lassen; durch die
Abkühlung in diesem Raum wird dann eine etwa eintretende plötzliche
Dampfentwicklung wieder ausgeglichen. Man bringt schliesslich die ganze
Röhre zu massiger Rothgluth; das Ende der Verbrennung erkennt man
daran, dass keine Blasen mehr den Kaliapparat passiren, vielmehr die
Lauge in demselben zurückzusteigen beginnt. Dann löscht man die
Flammen und bricht die Spitze der Verbrennungsröhre ab; da infolge
des Zurücksteigens der Kalilauge und der Abkühlung der Druck im
Inneren der Röhre geringer als der äussere Luftdruck ist, so dringt von
aussen Luft ein, und es kann von der noch im Rohr befindlichen Kohlen-
säure nichts nach aussen entweichen. Vorher hat man an das Kalirohr
einen Gummischlauch d (s. Fig. 3) befestigt und saugt nun mit dem
Munde oder mittelst eines Aspirators einige Minuten Luft durch die
Röhre, um alle Kohlensäure in die Absorptionsapparate zu treiben.
Wo kein Gas zur Verfügung steht, kann man sich auch eines
Kohlenofens (Fig. 5) bedienen. Die Röhre wird mit glühenden Holzkohlen
umgeben, und die Hitze durch Verschiebung von eisernen Schinnen
regulirt. Ueber die Spitze schiebt man nach dem Abbrechen ein längeres
Bestimmutig von KoMenstoff und Wasaersloff.
Glasrohr, damit die in die Verbrennungsröhre gesaugte Luft nicht aus
der nächsten Nähe der glühenden Kohlen stamme und zu viel Kohlen-
säure enthalte.
Sie- & QSISSLItR'SC
Die eben beschriebene Ausführungsform der Verbrennung ist das
LiBBiG'sehe Verfahren iu seiner ursprünglichen Form, Es scbliesst zwar
einige nicht unbedeutende Feh-
lerquellen ein , wie z. B, das
Durchsaugen von Loft, welche
nicht von ihrem Gehalt an
Wasser und Kohlensäure befreit
wird, liefert aber erfahrungsge-
niäss in der Hand geübter Ar-
beiter zuverlässige Resultate und
wird noch heute von manchen
Chemikern unverändert ange-
wendet. In den meisten Labo-
ratorien hat man es indessen
verlassen und iUhrt die Ver-
brennungen stets unter Zuhülfenahme von Sauerstoff aus, ' wie weiter
unten näher beschrieben wird.
Von den Modificationen , welche an diesem Verfahren angebracht
sind, seien zunächst diejenigen erwähnt, welche sich auf Inhalt und Ge-
stalt der Absorptionsapparate bezieben.
Statt des Chlorcalciupis kann auch con-
centrirte Schwefelsäure zur Absorption des
Wassers dienen ; man wendet dieselbe
— von Bimsteinstücken aufgesogen — in
Röhren ähnlicher Form an. An Stelle
des Kaliapparats in der LiEBio'schen Ge-
stalt wendet man vielfach den sehr be-
quemen, aufrechtstehenden GEisLBE'schen
' Apparat {Fig. 6} an, in welchem Kugel-
apparat und Kaliröhrchen gleich ein für
jilleraal mit einander verbunden bleiben. Statt der Kalilauge wird zur
Absorption der Kohlensäure auch Natronkalk in U-f5rmigen Röhren be-
nutzt; man schaltet zwei derselben hinter einander und bedarf in diesem
•^^^
■ f
Verbrennung im Sauerstoffstrom,
15
Falle noch eines kleinen Apparats, um die Schnelligkeit des Gasstroms
benrtheilen zu können. Derselbe besitzt die beistehende Form (Fig. 7),
ist mit einem Tropfen concentrirter Schwefelsäure, welchen die
Gasblasen durchstreichen müssen, beschickt, und wird zwischen
den Wasserabsorptionsapparat und die beiden Natronkalkröhren
eingeschaltet.
Bei manchen Substanzen reicht die oxydirende Kraft des
glühenden Kupferoxyds nicht aus, um die bei der Zei*setzung
sich abscheidende Kohle vollständig in Kohlensäure überzu-
fuhren. Eine vollständige Verbrennung kann man dann dadurch
herbeiführen, dass man das Kupferoxyd durch das kräftiger
\virkende Bleichromat ersetzt; zur Unterstützung der Wir-
kung kann man auch dem mit der Substanz zu mischenden
Theile des Bleichromats noch ^/^^ seines Gewichts an geschmol-
zenem und wieder gepulvertem Kaliumbichromat zusetzen. Oder
man behält das Kupferoxyd bei und beendigt die Verbrennung
im Sauerstoffstrom; in diesem Falle zieht man die Verbrennungs-
röhre zu einer bajonettartigen Spitze aus (Fig. 8); wenn die
Kohlensäureentwicklung sich ihrem Ende nähert, schiebt man
über die Bajonettspitze einen Gummischlauch, welcher anderer-
seits zu einem Sauerstoff-Gasometer flihrt, kneift die Spitze ab,
und leitet nun einen langsamen Strom von trockenem und
kohlensäurefreiem Sauei*stoff durch die Röhre. Nach Been-
digung der Verbrennung ist es nothwendig, den Sauerstoff aus
den Absorptions-Apparaten durch trockene Luft zu verdrängen,
da dieselben — mit Sauerstoff gefüllt — ein anderes Gewicht
zeigen würden, als wenn sie mit der specifisch etwas leichteren
Luft angefüllt sind.
Diese Methode, die Verbrennung im Sauerstoffstrom zu be-
endigen, wird jetzt, wie bereits bemerkt wurde, in den meisten
Laboratorien in allen Fällen angewendet, auch wenn man es
mit nicht besonders schwer verbrennlichen Substanzen zu thun
hat. Sie bietet u. A. den Vortheil, dass man das Mischen der
Substanz mit Kupferoxyd umgehen kann, indem man die Sub-
stanz in einem Schiffchen aus Porzellan oder besser Platin ab-
wägt und in die Röhre einfuhrt (Fig. 8). Die Röhre wird dann aus-
schliesslich mit körnigem Kupferoxyd beschickt.
Die Porzellanscliiffchen haben den Nachtheil, dass sie nur langsam auf hohe
Temperaturen erhitzt werden, und daher, wenn die Substanz eine sehr schwer ver-
bremiliche Kohle absetzt, leicht in ihnen etwas Kohle unverbrannt zurückbleibt
Die PlatinschifFchen andererseits, in denen die Verbrennung sehr gut von Statten
geht, sind thener und werden bei öfterem Gebrauch, namentlich bei der Manipulation
des HeraoBbringens aus der Röhre nach beendigter Verbrennung, wobei häufig ein
Stückchen Kupferoxyd sich zwischen Schiffchen und Röhre klemmt, rasch lädirt. Der
in Fig. 9 abgebildete Apparat erlaubt, die Anwendung eines Schi£Fchen8 zu umgehen.
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16 Verbren?iun^ im offenen Rohr,
£r besteht aus dem starken Glasstab a, auf welchen die federnde Messinghülse b
aufgesetzt ist In letztere klemmt man das Wiegeröhrchen c ein, welches die zur
c h (V a
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Flg. 9. Glasstab mit MessinghQlse zum Einführen der Substanz in das Verbrennungsrohr.
Analyse nothwendige Menge Substanz enthält und mit dieser zusammen genau ge-
wogen ist. Man hat nun in das Verbrennungsrohr eine etwa 1 dm lange Schicht
Kupferozyd gefüllt, und führt jetzt in horizontaler Lage vorsichtig den
Stab bis zum Ende dieser Kupferoxydschicht ein; darauf bewirkt man
durch Neigen und leises Klopfen die Entleerung des Wiegeröhrchens e,
zieht nun den Stab wieder vorsichtig heraus, wägt das Röhrchen c
zurück und erfährt aus dem Gewichtsverlust die Menge der einge-
führten Substanz. Letztere wird durch gelindes Schütteln und Klopfen
etwas vertheilt, damit sie nicht ganz auf einer Stelle liegt; das Rohr
wird darauf vollständig mit kömigem Kupferoxyd gefüllt, und die Ver-
^ brennung ebenso geleitet, als ob man mit einem Schiffchen arbeitet.
Grosse Vortheile — namentlich bei Anstellung vieler Ver-
brennungen hinter einander — bietet die von Glaser^ vor-
a H geschlagene Verbrennung im beiderseits offenen Bohr
(Fig. 10).
Eine an beiden Seiten über das Ende des Ofens etwas
hinausragende Röhre wird in ihrem vorderen Theil auf etwa 2/3
der ganzen Länge mit einer Schicht gekörnten Kupferoxyds {d)
beschickt, welche zwischen Asbestpfropfen oder kleinen Kupfer-
spiralen festgehalten wird; an ihrem hinteren Ende kann sie
mittelst des einen Glashahn tragenden Ableitungsrohrs a nach
Belieben mit einem Luft- oder einem Sauerstoffgasometer in
Verbindung gesetzt werden. Man glüht nun zunächst die
Röhre mit dem Kupferoxyd im trockenen Luftstrom aus, lässt
dann wieder erkalten mit Ausnahme des vorderen Theiles der
Kupferoxydschicht d, öffnet den Stopfen e und fuhrt nun zu-
nächst die abgewogene Substanzmenge in dem Schiffchen e,
dann eine oxydirte Kupferspirale b (aus Kupferdrathnetz zu-
sammengerollt) ein. Nachdem man nun die Röhre mit dem
Stopfen e wieder verschlossen und am vorderen Ende die
Absorptionsapparate angesetzt hat, wird die Verbrennung in
derselben Weise wie im geschlossenen Rohre geleitet, indem
man dabei stets einen ganz schwachen Luftstrom unterhält.
Zum Schluss ersetzt man den Luftstrom durch einen etwas
rascheren Strom von Sauerstoff, um die Kohle, die sich ge-
wöhnlich in der Nähe des Schiffchens reichlich abgesetzt hat,
vollständig zu verbrennen, und verdrängt endlich den Sauerstoff wieder
durch Luft. Die Anwendung von Platinschiffchen bietet grössere Sicher-
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3
^ G-LASER, Ann. Chem. Suppl. 7, 215.
Yerhremmng siiekstoff haltiger Verbindmigen, 17
heit als die von Porcellan8clii£fchen (vgl. S. 15). Nach Beendigung der
Verbrennung kann sofort in derselben Rohre, ohne dass dieselbe vom
Ofen entfernt wird, zu einer neuen Verbrennung geschritten werden. Hat
man nicht gleich wieder eine Verbrennung anzustellen, so bewahrt man
die Köhre beiderseits verschlossen auf und kann sie nun jederzeit zur
Ausführung einer neuen Verbrennung ohne weitere Vorbereitung benutzen.
Die im Vorstehenden in ihren verschiedenen Formen beschriebene
Bestimmung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs bedarf einiger Ver-
änderungen, wenn ausser Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff noch
andere Elemente in der zu analysirenden Verbindung zugegen sind.
Manche stickstoffhaltige Verbindungen entwickeln bei der Verbren-
nung Untersalpetersäure oder andere höhere Oxyde des Stickstoffs, welche
theils im Chlorcalciumrohr, theils im Kaliapparat zurückgehalten und da-
durch ganz falsche Resultate bedingen würden. Es ist daher nothwendig,
dieselben vor ihrem Eintritt in die Absorptions- Apparate zu Stickstoff oder
Stickoxydul zu reduciren. Dies geschieht dadurch, dass man in das
vordere Ende der Röhre eine etwa 1 bis 1^3 dm lange Spirale von
Kupferdrathnetz einbringt und dieselbe während der ganzen Verbrennung
im Grlühen erhält; das glühende [Kupfer entzieht den höheren Oxyden
des Stickstoffs ihren Sauerstoff und führt sie dadurch in jene Gase über,
welche weder im Chlorcalciumrohr noch im Kaliapparat merklich ab-
sorbirt werden. Die hierzu dienende Kupferspirale wird vor jeder Ver-
brennung in folgender Weise vorbereitet: Man erhitzt sie in der Gebläse-
lampe zum Glühen, zerstört dadurch alle ihr etwa anhaftende organische
Substanz und versieht sie mit einer oberflächlichen Oxydschicht; noch
heiss lässt man sie nun in ein Reagensrohr gleiten, an dessen Boden
sich einige Tropfen Alkohol befinden; der Alkohol geräth in's Sieden,
und seine Dämpfe reduciren die Oxydschicht zu metallischem Kupfer;
die nun ganz blanke Spirale wird bei 120 — 130^ getrocknet, ehe man
sie in die Verbrennungsröhre einführt. Einige stickstoffhaltige Sub-
stanzen (Nitroverbindungen) zersetzen sich sehr plötzlich und unter Ent-
wickelung grosser Mengen von nitrosen Dämpfen. In diesen Fällen ist es
unbedingt geboten, nicht im Schiffchen zu verbrennen, sondern die Substanz
mit viel Kupferoxyd bezw. Bleichromat zu mischen, um sie auf eine lange
Schicht zu vertheilen und so die successive Verbrennung kleiner An-
theile zu ermöglichen. Auch die S. 13 angegebene Vorsichtsmassregel,
vor der Substanz eine längere Schicht Kupferoxyd kalt 'zu lassen, ist
hier empfehlenswerth. Einen nicht normalen Gang der Analyse erkennt
man daran, dass während der Verbrennung in der Kugel des Chlorcalcium-
rohrs sich bräunliche Dämpfe zeigen, oder nachher das in derselben
condensirte Wasser stark saure Reaction besitzt.
Enthält die Substanz Halogene, so bildet sich bei der Verbrennung
CUorkupfer bezw. Bromkupfer oder Jodkupfer. Diese Verbindungen ver-
lieren ihren Halogengehalt leicht theilweise (namentlich bei Gegenwart
V. llxm u. Jaoobsoh, org. Chem. L 2
18 Verbrennung von Verbindungen, welche Halogene, Scliwefel etc, enthalten.
von Sauerstoff) und sind auch etwas flüchtig; um das Gelangen der
Halogene in die Absorptions-Apparate zu verhüten, ist es daher noth-
wendig, eine Spirale von Silberblech einzuschieben, durch welche die
Halogene zurückgehalten werden. Viel zweckmässiger aber ist es, in
diesem Falle mit chromsaurem Blei zu verbrennen, da Chlorblei, Brom-
blei und Jodblei sehr wenig flüchtig und viel beständiger sind. Man
braucht dann keine Silberspirale und hat nur dafür zu sorgen, dass im
vorderen Theile der Röhre eine Schicht von etwa drei Flammen nur ganz
schwach erhitzt wird ; in diesem kälteren Theil werden dann die Spuren
von Halogen Verbindungen des Bleis oder freien Halogenen, welche aus
dem stark erhitzten hinteren Theil etwa entweichen, vollständig zurück-
gehalten.
Unerlässlich ist die Anwendung des Bleichromats bei schwefel-
haltigen Verbindungen, da Eupfersulfat bei Glühhitze schweflige Säure
entwickelt. Auch das Bleisulfat ist nicht ganz glühbeständig; man muss
daher gleichfalls die eben erwähnte Vorsichtsmassregel beachten, im
vorderen Theil der Röhre eine kleine Schicht fast kalt zu lassen. Bei
sehr schwefelreichen Substanzen findet man trotzdem leicht etwas zu
hohe Zahlen f&r Wasserstoff und Kohlenstoff und kann in dem Wasser
des Chlorcalciumrohres Schwefelsäure oder schweflige Säure nachweisen,
was sich indess durch sehr vorsichtige Leitung der Verbrennung voll-
ständig vermeiden lässt.
Enthält die zu analysirende Substanz die Metalle der Alkalien
oder alkalischen Erden, so würden die letzteren bei der Verbrennung
mit Kupferoxyd oder im Schiffchen in Form von Carbonaten zurück-
bleiben, und demnach ein Theil der Kohlensäure der Absorption im
Kaliapparat entgehen. Solche Substanzen muss man mit Bleichromat
gemischt verbrennen; das Bleichromat zersetzt die Alkalicarbonate unter
Bildung von Alkalichromat und Bleioxyd und Austreibung der Kohlen-
säure.
Bei den bisher beschriebenen Verfahren wird der zur Verbrennung nöthige
Sauerstoff wenigstens zum grossen Theil von einer leicht Sauerstoff abgebenden Sub-
stanz geliefert. Bei dem Verfahren von Kopfer^ dient hierzu ausschliesslich
freier Sauerstoff; die Verbrennung wird in einem beiderseits offenen Rohr ausgeführt;
die Dftmpfe der Substanz streichen, mit Sauerstoff gemischt, über eine Schicht glühen-
den platinirten Asbests (Gremisch von Platinschwarz und Asbest), welcher die
vollständige Verbrennung bewirkt Da diese Schicht nur kurz (etwa 2 — 3 dm) zu
sein braucht, und zu ihrer Erhitzung eine Reihe von vier Flammen ausreicht, so be-
dingt dies Verfahren eine bedeutende Gaserspamiss. Dasselbe wird von vielen Seiten
sehr empfohlen*, hat aber noch nicht allgemeinen Eingang in die Laboratorien ge-
funden. LiFFUANN und Fleissner' ersetzen den Platinasbest durch Kupferoxydasbest.
^ Ztschr. f. analyt Chem. 17, 1.
* Vgl. dagegen Zbisel, Monatsh. 7, 573.
' Monatsh. 7, 9.
Voltmietrische Stickstoff-Bestimmung, 19
Ueber fernere Modificationen der Verbrennung, welche hauptsächlich auf eine
Abkürzung der Yerbrennungsdauer gerichtet sind, vgl. Dudlet ^ Blau'.
Zur Bestimmung des Kohlenstoffs auf nassem Wege hat neuerdings
Messenqkb' eine Methode angegeben; die Substanz wird mit einem Gemisch von
Cbromafture und concentrirter Schwefelsäure erwärmt, und die gebildete Kohlensäure
in einen gewogenen Kaliapparat geleitet Ueber frühere Vorschläge zu dem gleichen
Zweck YgL Bbvnneb^, Ladbnbubq^, Wahkltn und Cooper'.
2. Die Bestimmung des Stickstoffs. Aus allen organischen Yerbin-
dnngen lässt sich der StickstoflF durch Verbrennung mit Kupferoxyd und
Beduction der höheren Oxyde mittelst glühenden Kupfers als solcher
abscheiden. Führt man daher die Verbrennung in. einem mit Kohlen-
säure gefüllten Bohr aus und leitet die sich entwickelnden Oase zur
Absorption der Kohlensäure in ein mit Kalilauge gefülltes Gefäss, so
wird sich über der Kalilauge der Stickstoff ansammeln, und seine Menge
durch Volummessung ermittelt werden können. Es wird hierbei offen-
bar keinen Fehler bedingen, wenn etwa die Beduction der höheren
Oxyde nur bis zur Stufe des Stickoxyduls gehen sollte, da ja ein Volum
Stickoxydol (N^O) ebenso viel Stickstoff enthält als das gleiche Volum
reinen Stickstoffs.
Auf dieser Grundlage hat zuerst Dumas eine Methode zur volu-
metrischen Stickstoffbestimmung ausgearbeitet, welche später in
einigen Einzelheiten yereinfacht ist und heute fast allgemein in folgender
Form ausgeftlhrt wird.
In eine an einem Ende rund zugeschmolzene Verbrennungsröhre
bringt man zunächst eine etwa 12 — 15 cm lange Schicht einer Substanz,
welche beim Erhitzen reine Kohlensäure liefert; als solche wendet man
in der Begel Magnesit (MgCOg) oder Natriumbicarbonat (NaHCOg) an^.
Auf den Kohlensäureentwickler folgt ein Asbestpfropf, dann eine etwa
10 cm lange Schicht reinen Kupferoxyds, das Gemisch der Substanz
mit Kupferoxyd, wieder eine Schicht reinen Kupferoxyds von etwa
3 — 4 dm Länge, endlich eine reducirte Kupferspirale (S. 17). Das der-
art beschickte Bohr wird nun mit einem Gasansammlungsapparat von
beistehender Form® (Fig. 11) in Verbindung gesetzt. Das Böhrchen a
wird durch einen mit Quetschhahn versehenen Gummischlauch mit dem
aus der Verbrennungsröhre tretenden Gasableitungsrohr verbunden; das
Bohr hj welches oben mit einem Glashahn c versehen ist, dient zur
Aufsammlung des Stickstoffs und ist unten mit etwas Quecksilber abge-.
sperrt; durch das capillare Ableitungsrohr d wird nach der Verbrennung
1 Ber. 21, 3172. > Monatsh. 10, 357.
' Ber. 21, 2910; s. ferner Cboss und Bevan, Journ. Soc 1888. I. 889.
* Pooo. 06, 379. * Ann. 186, 1. • Chem. News 88, 133.
' Einige ziehen es vor, die Kohlensäure nicht in der Yerbrenuungsröhre selbst.
sondern in einem besonderen Entwickelungsapparat zu entbinden. £ine Kritik der
verschiedenen Entwickelnngsarten s. bei Kreusleb, Ztschr. f. anal. Chem. 24, 4.89.
* H. Schiff, Ber. 18, 885. — Gattermann, Ztschr. f. anal. Chem. 24, 57.
2*
Volvmetriache Stioketoff-Bestimmung.
der Stickstoff in eine Messrölire Ubei^efUhrt; in die Kugel e wird eine
etwa 40-procentige Kalilauge eiiigefällt ; dieselbe steht durch einen starken
Oummischlauch mit dem Eohr b in Verbindung, man kann sie
höher und niedriger stellen und dadurch mehi' oder weniger Lauge in
das Sammelrohr b eintreten lassen. Zu Beginn der Bestimmung stellt
man sie ganz tief, so dass fast keine Lauge sich m b befindet, lässt
den Hahn c geöffnet und
erhitzt nun die hintere
Hälfte des Kohleneaure-
entwicklers, um zunächst
alle Luft in der Verbren-
nungsröhre durch Koh-
lensäure zu verdrängen.
Nach einiger Zeit prüft
man, ob alle Luft aus-
getrieben ist, in der
Weise, dass man durch
Heben der Kugel das
Sammelrohr ganz mit
Kalilauge füllt, den Hahn
c schliesst und zusieht,
ob sich unter demselben
noch Luftblasen ansam-
meln, oder ob die aas
dem Verbrennungsrohr
austretenden Grasblasen
vollkommen durch Kali-
lauge absorbirt werden.
Ist letzteres erreicht, so
fUllt man auch das Ca-
pillarrohr d durch Heben
der Kugel e bei geöffiie-
tem Hahn c vollständig
mitEalilauge,mässigtdie
Kohiensäureentwicke-
lung und schreitet nun
zur eigentlichen Ver-
brennung, die ganz in der S. 13 beschriebenen Weise geleitet wird. Nach
Beendigung derselben wird wieder ein lebhafterer Eohlensäurestrom durch
stärkeres Erhitzen der noch nicht erschöpften vorderen Hälfte des Ent-
wicklers erzeugt, nm allen noch in der Eöhre befindlichen Stickstoff in
das Sammelrohr überzuführen. Man löst nun die Verbindung zwischen
Verbrennungsrohr und Sammelapparat und lässt in letzterem das Gas noch
etwa eine Stunde mit der Kalilauge in Berührung, um sicher zu sein,
1
lumiDgen de> Sticiutoffs bd BtlckatolT-
Volumetrisehe Stickstoff-Beslimmutig. 21
das3 alle ihm noch beigemengte Kohlensäure absorbirt wird. Nun ftkUt
man das Gras in eine mit Wasser gefiillte Messrohre in der durch Fig. 12
erläuterten Weise über; man stellt die Kugel so hoch als möglich,
taucht das Ende des Capillarrohrs d unter Wasser, hält schräg darüber
d«i Sllckiton aus dem EinuDFUppsrat in die M
die Messröhre f und öffnet vorsichtig den Hahn c; durch den Druck
der in der Kugel befindlichen Lauge wird das Gas aus dem Rohr h ge-
presst, verdrängt zunächst die Kalilauge in dem Capülarrohr d und tritt
dann durch dieses Rohr, welches schliesslich ganz durch die nachströ-
22 Volumetrische SttGkstoff-Bestimmung.
mende Lauge angefüllt wird, in das Messrohr f ein. Nachdem es in
letzterem die Temperatur des umgebenden Wassers angenommen hat,
liest man das Volum ab und notirt gleichzeitig die Temperatur t imd
den Barometerstand b. Ist das gefundene Gasvolum v, so entspricht das-
selbe bei 0^ und 760 nun Druck einem Volum
y ^ V ib -w)
760 (1 +0.00367 0,
WO w die Tension des Wassers bei t^ bedeutet. Da nun 1 ccm Stick-
stoff bei 0® und 760 mm 0.001256 g wiegt, so ergiebt sich das Grewicht
des erhaltenen Stickstoflfvolums in dem Werthe:
V (b - tp) ' 0-001256
P =
760 (1 + 0-00367 t)
Zur Erleichterung der Ausrechnung kann man Tabellen benutzen, welche das
Gewicht von 1 ccm Stickstoff unter verschiedenen Temperaturen und Drucken angeben.
Eine solche Tabelle ist von F. Frebichs zusammengestellt ^
Ein Apparat, durch welchen man unmittelbar nach Beendigung der Verbrennung
und Abktlhlung des Gases, ohne Thermometer und Barometer ablesen zu müssen, das
Gewicht des entwickelten Stickstofis erfährt, ist von Lünob' construirt worden.
Hat man es mit Substanzen zu thun. Welche schwer in einer für mehrere Ana-
lysen ausreichenden Menge beschafft werden können, so kann man auch die vo-
lumetrische Stickstoffbestimmung mit der Bestimmung des Kohlenstoffs
und Wasserstoffs zugleich in einer Operation ausführen.' Man darf dann
die Verbrennung natürlich nicht in einer Atmosphäre von Kohlensäure ausführen,
sondern erzeugt statt dessen im Versuchsrohr durch Erhitzen einer Mischung von 110 g
Kaliumbichromat und 100 g Kaliumpermanganat einen Strom von reinem Sauerstoff,
durch welchen zuerst die Luft und später die Yerbrennungsprodukte aus dem Rohr
verdrängt werden. An das Verbrennungsrohr schliessen sich zunächst das Ohlor-
calciumrohr und der Kaliapparat, dann der Sammelapparat für den Stickstoff, welcher
in diesem Falle mit einer Sauerstoff absorbirenden Flüssigkeit gefüllt seib muss.
Als solche benutzt man eine Lösung von Chromchlorür. — Ueber andere Methoden
zu demselben Zweck vgl. Schulze^, Fbebichs" und Hempbl^
Ein Verfahren zur volumetrischen Stickstoffbestimmnng im offenen
Bohre ist von Kr£üsleb' angegeben.
Das Verfahren der volumetrischen Stickstoflfbestimmung giebt stets
zuverlässige Resultate und wird daher jetzt, wenn es sich um die Er-
mittelung des Stickstoflfgehalts von neuen Verbindungen handelt, wohl
allgemein angewendet. In agriculturchemischen Laboratorien ist täglich
eine grössere Reihe von Stickstoffbestimmungen an Futterstoffen, Dünge-
mitteln etc. anzustellen, und man bedarf daher für diese Zwecke einer
Methode, welche rascher auszufuhren ist. Bis vor einigen Jahren be-
diente man sich der Methode von Will und Vaerentbapp, welche
^ Zu beziehen durch d. ehem. Universit-Laborat. zu Göttingen.
• Ber. 28, 446. • P. Jannasch u. V. Meter, Ann. 288, 375.
* Ztschr. f. anal. Chem. 6, 269. ^ Ber. 10, 26.
^ Ztschr. f. anal. Chem. 17, 409. ^ Ebenda 24, 448.
Siiekstoff-Bestimmwig durch Ueberführung in AmmoniaL 23
darauf beruht, dass aus jenen Stoffen beim Erhitzen mit Natronkalk
die ganze Menge des in ihnen enthaltenen Stickstoffs als Ammoniak
entwickelt wird; in einer kurzen Verbrennungsröhre wurde das Gemisch
der Substanz mit Natronkalk erhitzt, das entweichende Ammoniak in einer
abgemessenen Menge titrirter Salzsäure angefangen und durch Zurück-
titriren der nicht neutralisirten Säuremenge bestimmt. Dies Verfahren
ist jetzt fast vollständig durch die bequemere Methode von Ejeldahl^
verdrängt; ihr Princip besteht darin, dass die Substanz mit concentrirter
Schwefelsäure einige Zeit auf eine dem Siedepunkt der Säure nahe lie-
gende Temperatur erhitzt wird, wodurch schon der grösste Theil des
Stickstoffs in Ammoniak übergeführt wird; durch Zusatz von kleinen
Portionen pulverförmigen Kaliumpermanganats nach beendigter Einwir-
kung der Schwefelsäure wird die Ueberftlhrung in Ammoniak vollständig.
Die Zersetzung wird in einem Kölbchen ausgeführt; nach ihrer Beendigung
wird mit Wasser verdünnt, mit Natronlauge übersättigt, das gebildete
Ammoniak abdestillirt und durch Titration bestimmt. Diese ursprüng-
liche Form der vortrefflichen KjELDAHL'schen Methode, welche in theo-
retischer Beziehung übrigens noch sehr der Aufklärung bedürftig ist, ist
in mannigfacher Weise modificirt worden.
Sehr verbreitet ist gegenwärtig eine von Wilfabtb' vorgeschlagene Abänderung;
derselbe setzt bei der Digestion mit Schwefelsäure etwas Quecksilber zu, wodurch
die Einwirkung erheblich beschleunigt wird. Setzt man das Erhitzen fort, bis die
Flässigkeit farblos geworden ist, so kann man den Zusatz von Kaliumpermanganat
ganz unterlassen. Vor dem Abtreiben des Ammoniaks ist es dann nothwendig, durch
Schwefelkalinm das Quecksilber als Sulfid auszufällen, da ohne diese Massregel ein
Theil des Ammoniaks in Form von Quecksilberamidverbindungen zurückbleiben oder
wenigstens sehr langsam aus denselben ausgetrieben werden würde.
3« Die Bestiminung der Halogene und des Schwefels kann in den
meisten Fällen nach dem Verfahren von Cabius' ausgeführt werden. Es
besteht darin, dass die Substanz durch Erhitzen mit starker Salpetersäure
vollständig oxydirt wird, wobei der Schwefel in Schwefelsäure übergeführt
wird, während die Halogene zunächst als solche abgeschieden werden
und bei Gegenwart von Silbemitrat in ihre unlöslichen Silberverbindungen
übergehen. Man wägt die Substanz (in der Regel nicht mehr als 0.2 g)
in einem engen 6 — 8 cm langen Röhrchen aus schwer schmelzbarem
Glase ab und lässt dasselbe in eine starkwandige, etwa 5 dm lange, mit
1 bis höchstens 2 ccm reiner Salpetersäure vom spec. Gewicht 1.5 be-
schickte Röhre gleiten, welche ebenfalls aus schwer schmelzbarem Glase
gefertigt ist und einen inneren Durchmesser von 12 — 14 mm besitzt; bei
Halogenbestimmungen setzt man femer noch eine solche Menge Silber-
nitrat zu, dass dieselbe sicher zur Bindung des ganzen Halogengehalts
ausreicht. Die Röhre wird zu einer capillaren Spitze ausgezogen und
1 Zeitschr. f. anal. Chem. 22, 866. * Ebenda 24, 455.
* Ann. 186, 129.
24 Bestimmung der Halogene und des Schwefels.
zugescbmolzen, wobei man Soi^e trägt, dass vor dem ZnschmeLzeD die
Salpetersäure noch nicht mit der Substanz in Berührung icommt, darauf
in eine unten geschloasene eiserne Schntzröhre ({>) gesteckt und im
Eanonenofeo (Fig. 13) eAitzt. Letzterer wird derart aufgestellt, dass die
vordere die offenen Enden der Schutzröhren enthaltende Seite a einer festen
Wand zugekehrt ist; eine etwa während des Erhitzens eintretende Ex-
plosion kann dann keinen Schaden anrichten, da die Röhrensplitter zu-
nächst gegen die Wand geschleudert werden. Es empfiehlt sich femer, die
FUsse des Kanonenofens fest auf den Tisch zu Bchrauben, da es zuweilen
bei sehr heftigen Explosionen vorgekommen ist, dass der ganze freistehende
Ofen fortgeschleudert wurde. Für manche Substanzen genUgt ein Er-
hitzen auf 150 — 200", bei anderen ist eine mehrstündige, ja selbst mehr-
tägige Einvrirkung bei 250 — 300" oder noch höheren Temperaturen er-
forderlich; es ist daher empfehlenswertb, in allen Fällen wenigstens eine
Temperatur von etwa 300" zu erreichen; um ein Springen der Röhren
bei diesen hohen Temperaturen zu vermeiden, erhitze man zunächst
einige Stunden nur auf 180 — 200°, lasse dann erkalten, öffne die Röhre,
lasse die schon reichlich durch Oxydation der Substanz gebildete Kohlen-
säure und die niederen Oxyde des Stickstoffs entweichen, schmelze wieder
zu und erhitze jetzt mehrere Stunden auf 250 — 300". Bei schwer oxy-
Methode von Carius. 25
dirbaren Substanzen muss man die Temperatur so hoch steigern, als
68 bei voller Ausnutzung der Heizflammen möglich ist; man entfernt
dann natürlich das die Temperatur anzeigende Quecksilberthermo-
meter. Jede einzelne Substanz muss in Bezug auf die Dauer und
Temperatur der Einwirkung, welche sie verlangt, studirt werden. — Das
Oefihen der starken Druck enthaltenden Bohren kann bei unvorsichtigem
Operiren zu gefährlichen Explosionen Anlass geben, ist aber bei Ein-
haltung der folgenden Cautelen völlig gefahrlos. Man öShe niemals eine
Röhre vor dem vollständigen Erkalten, lasse nur 46n obersten Theil aus
der eisernen Schutzröhre herausgleiten und umwickle diesen bis auf die
Spitze mit einem Handtuch. Eine etwaige Explosion während des Oeff-
nens verläuft dann gefahrlos, da die Splitter durch die eiserne Bohre
und das Handtuch zurückgehalten werden. Da indess in vereinzelten
Fällen auch die eiserne Schutzröhre bei Ekplosion der inneren Bohre
geborsten ist, so ist es empfehlenswerth, die Hand, mit welcher man die
eiserne Bohre fasst, durch einen starken ledernen Handschuh zu schützen.
Die Spitze wird nun in der leuchtenden Flamme eines Bunsenbrenners
vorsichtig erwärmt, damit die in ihr enthaltenen Flüssigkeitstheilchen
nach unten destilliren und nicht beim Oeffinen herausgeschleudert werden
können ; darauf erwärmt man in der nicht leuchtenden Flamme bis zum
beginnenden Erweichen. Durch den von innen wirkenden Druck bläst
sich die Spitze nun auf, und die Gase entweichen allmählich und
gefahrlos durch die entstandene kleine Oeffnung. Man sprengt nun die
Bohre unmittelbar unter der Spitze ab und spült den Inhalt mit Wasser
in ein Becherglas. Bei Halogenbestimmungen hat man zunächst das
Halogensilber zu filtriren und in bekannter Weise weiter zu behandeln und
kann im Filtrat noch einen etwaigen Schwefelgehalt durch Fällung mit
Bariumnitrat nachweisen und bestimmen; bei halogenfreien schwefel-
haltigen Substanzen kann man unmittelbar nach starker Verdünnung
mit Chlorbarium fallen oder auch vor der Fällung durch Eindampfen
auf dem Wasserbade die überschüssige Salpetersäure vertreiben. Es
sei daran erinnert, dass der schwefelsaure Baryt stets auf einen G-ehalt
an löslichen Bariumsalzen geprüft werden und nöthigenfalls durch Aus-
kochen mit verdünnter Salzsäure davon befreit werden muss.
In Verbindungen, welche sich nach der CABius'schen Methode nicht
vollständig oxjdiren lassen, bestimmt man den Schwefel zweckmässig
durch UeberfÜhrung in schwefelsauren Kalk, indem man die Substanz
in einem einerseits zu einer Spitze ausgezogenen Verbrennungsrohr mit
reinem Kalk gemischt unter Ueberleiten eines Sauerstoffstroms erhitzt.
Der Böhreninhalt wird dann in verdünnter Salzsäure gelöst, die Lösung
mit Chlorbarium gefällt.
Die Bestimmung der Halogene kann in allen Fällen durch Glühen
der Substanz mit Kalk in einer am einen Ende rund geschmolzenen
3 — 4 dm langen Verbrennungsröhre (ohne Ueberleiten von Sauerstoff)
26 Andere Methoden der Halogen^ und Schwefel-Bestimmung,
ausgeführt werden. In die Röhre wird zunächst etwas reiner Kalk,
dann das Gemisch der Substanz mit Kalk, endlich eine längere Schicht
reinen Kalks gebracht; man erzeugt dann durch Aufklopfen einen Canal
und erhitzt auf dem Verbrennungsofen — vom vorderen Ende anfangend
— allmählich zum Glühen. Nach dem Erkalten wird der Rohrinhalt
in Wasser geschüttet und mit Salpetersäure bis zur schwach sauren
Reaction versetzt; man filtrirt von der ungelöst bleibenden Kohle und
fällt im Filtrat das Halogen durch Silbernitrat. Bei der Analyse von
jodhaltigen Substanzen würde in der sauren Lösung etwas Jod aus-
geschieden werden; man versetzt dann vor der Filtration mit etwas
schwefliger Säure, um das freie Jod wieder in JodwasserstofiFsäure über-
zuführen.
Empfehlenswerth ist endlich auch die Methode von Bbügelmann^
zur Bestimmung der Halogene und des Schwefels. In einer beiderseits
offenen Verbrennungsröhre wird die Substanz — in einem Schiffchen
befindlich — im Sauerstoffstrom verbrannt; die Verbrennungsprodukte
streichen über eine glühende Schicht reinen gekörnten E^lks und geben
an diese ihren Gehalt an Halogenen oder Schwefelsäure ab. Man löst
dann den Kalk in verdünnter Salpetersäure und fallt die Halogene durch
Silbernitrat bezw. die Schwefelsäure durch Chlorbarium. Auch Phosphor
und Arsen können in dieser Weise bestimmt werden.
Ueber andere Methoden vgl. u. A. Saueb^, Klason', Weidel und
V. Schmidt*, Fahlbebg und Iles*, Zulkowsky und Lep^iz®.
4. Die Bestlminung ron anderen MetalloMen oder Metallen.
Allgemein kann man die Bestimmung der übrigen Elemente, wenn sie
sich in organischen Verbindungen vorfinden, auf die in der anorganischen
Chemie üblichen Methoden zurückführen, indem man zunächst durch Er-
hitzen mit rauchender Salpetersäure im geschlossenen Rohr die organische
Verbindung zerstört und so eine Lösung herstellt, welche nur noch an-
organische Stoffe enthält. In einigen Fällen fuhren aber auch einfachere
Wege zum Ziel. Sehr häufig hat man z. B. die Salze der organischen
Säuren mit den Alkalimetallen oder den alkalischen Erdmetallen zu
analysiren; man braucht dann zur Bestimmung der Basis nur eine ab-
gewogene Menge im Platintiegel mit concentrirter Schwefelsäure zu über-
giessen, abzurauchen und den Bückstand zu glühen; die organische Sub-
stanz wird zerstört, die Basis bleibt als Sulfat zurück und wird als solches
gewogen. Silbersalze halogen- und schwefelfreier Säuren hinterlassen
beim Glühen reines metallisches Silber; zur Silberbestimmung glüht man
daher einfach eine abgewogene Menge im Porzellantiegel und wägt den
Rückstand. Ebenso werden die Gold- oder Platindoppelchloride orga-
^ Ztschr. f. anal. Chem. 16, 1; 16, 1.
* Ebenda 12, 82 u. 17S. ' Ebenda 22, 177. — Ber. 19, 1910; 20, 3065.
* Ber. 10, 1131. * Her. 11, 1187. • Monatsh. 6, 537; 6, 447.
Beaiirmnimg der Übrigen Elemente. 27
Bischer Basen analysirt; man erhitzt zunächt im bedeckten Tiegel vor-
sichtig, damit nicht durch zu heftige Dampfentwicklung Substanzverlust
entsteht, glüht dann bei Luftzutritt stärker und wägt das metallisch
zurückbleibende Gold bezw. Platin.
5. Die Bestinunung des Sauerstoffs. Dj^n Sauerstoffgehalt einer
Verbindung bestimmt man fast immer auf indiredcem Wege ; nach Ermitte-
lung des procentischen Gehalts an allen anderen Elementen summirt man
die erhaltenen Werthe und nimmt die Differenz zwischen 100 und dieser
Summe als Sauerstoffgehalt an. Eine leicht ausführbare Methode zur
directen Bestimmung des Sauerstoffs wäre von grossem Werthe. Es
sind verschiedene Methoden^ vorgeschlagen, deren Princip darin besteht,
dass die zur völligen Oxydation der Substanz erforderliche Menge Sauer-
stoff bestimmt wird. Bisher hat sich indess keine einzige allgemeinen
Eingang in die Laboratorien verschaffen können; auf ihre Beschreibung
sei daher hier verzichtet.
Berechnung der Formel einer Verbindung aus den bei ihrer
Analyse gefundenen Zahlen.
Aus den bei der Analyse beobachteten Zahlen lässt sich zunächst,
wie an einem Beispiel erläutert werden möge, der Procentgehalt an den
einzelnen Elementen durch einfache Proportionen berechnen. Zur Ana-
lyse sei Essigsäure verwendet worden, und eine Verbrennung habe die
folgenden Zahlen geliefert:
0-2046 g Substanz gaben 0.2985 g COj
und 0.1255 g H^O
Da 44 Theüe CO, 12 Theile C enthalten, so hat man zur Umrechnung
des gefundenen Gewichts Kohlensäure auf Kohlenstoff zunächst die Pro-
portion:
0-2985: a; = 44: 12 = 11 :3
X = ?-^-?;^ = 0-0814
Da 18 Theile Wasser 2 Theile Wasserstoff enthalten, so ergiebt
sich das dem gefundenen Wasser entsprechende Gewicht Wasserstoff
aus dem Ansatz:
01255: ^ = 18:2 = 9:1
^^00^^0.0139
Zur Ermittelung des procentischen Gehalts hat man nun noch in die
mit 100 multiplicirten Werthe von x und y mit der angewendeten Sub-
stanzmenge hineinzudividiren. Es ist also der Procentgehalt
^ Baükhatteb, Ztschr. f. anal. Chem. 6, 141. — Ladenbubg, Ann. 136, 1. —
Stbometkb, Ann. 117, 247. — A. Mitscheblich, Ztschr. f. anal. Chem. 16, 871.
28 Berechmmg der Formel aus dm AncUysenzaklen.
an KoUenstoff ^*^ = 39-78
„ Wasserstoff «l«!??^ = 6-79
Da die qualitative Prüfung ausser Kohlenstoff und Wasserstoff keine
anderen Elemente in der Essigsäure nachweisen lässt, so ist man zu
der Annahme berechtigt, dass der an 100 ^o noch fehlende Betrag den
Sauerstoffgehalt darstellt. Demnach enthalten nach der Analyse lOOTheile
Essigsäure:
39.78 Th. Kohlenstoff,
6.79 „ Wasserstoff,
53.48 „ Sauerstoff.
Es handelt sich nun darum zu berechnen, welchem Atomver-
hältniss die gefundenen Procentzahlen entsprechen. Zu diesem
Zwecke dividirt man die fiir jedes einzelne Element gefundene Procent-
zahl durch das demselben zukommende Atomgewicht. So kommen wir
zu den Zahlen:
für Kohlenstoff: ?^ = 3-315
12
„ Wasserstoff: ill? == 6-79
„ Sauerstoff : /, =3-34
16
Das Verhältniss dieser Quotienten ist das Atomverhältniss der Elemente
in der Essigsäure; um es übersichtlicher auszudrücken, rechnet man es
auf 1 Atom desjenigen Elements um, das in der geringsten Atomzahl
vorkommt, in diesem Falle also auf 1 Atom Kohlenstoff. Es ergiebt
sich auf 1 Atom C:
^''^^ = 2-048 Atome H und ^^ = 1-008 Atome 0.
8-315 3*815
Die Essigsäure besitzt demnach eine Zusammensetzung, welche durch die
Formel CHgO ausgedrückt werden kann. Freilich entsprechen die ge-
fundenen Werthe nicht genau dem einfachen Verhältniss 1C:2H:10,
aber eine genaue Uebereinstimmung kann auch nicht erwartet werden,
da alle analytischen Bestimmungen mit gewissen Fehlern behaftet sind.
Man muss bei der Verwerthuug der Analysenzahlen diesem umstand Rech-
nung tragen und namentlich berücksichtigen, dass der Wasserstoffgehalt
fast immer etwas zu hoch gefunden wird (in der Regel um 0-1 — 0-2 ®^).
Kohlenstoff findet man gewöhnlich um etwa 0-2^/^ zu niedrig, bei stick-
stoffhaltigen und schwefelhaltigen Substanzen dagegen leicht etwas zu
hoch; Stickstoff und Schwefel werden in der Regel um 0-1 — 0-27o zu
hoch gefunden.
Ermittelung der Molecuiaiyrösse, 29
Die einfachste Formel, welche sich aus der Analyse einer Ver-
bindung berechnen lässt, braucht nun aber nicht ihre wirkliche mole-
culare Zusammensetzung auszudrücken. Denn offenbar würde jedes be-
liebige Multiplum derselben einen gleichen Procentgehalt an den einzelnen
Elementen erfordern. Auf Grund der analytischen Zahlen könnten wir
z. B. für die Essigsäure statt der einfachsten Formel CHgO mit dem-
selben Recht die Formeln C^H^Og, CjHgOg, C^HgO^ etc. aufstellen* Um
unter diesen vielen verschiedenen Formeln, welche die Analyse einer
Verbindung noch möglich lässt, diejenige auszuwählen, welche wirklich
die Anzahl der zu einem Molecül vereinigten Atome angiebt, bedarf es
einer Bestimmung der Moleculargrösse.
nL Ermittelung der MoleculargrOsse.
A. Theorie der Mole(yidargewi6ht8he8tifnmiu/ng,
Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Moleculargrösse einer Ver-
bindung liefert in der Regel das Studium ihrer einfachsten chemi-
schen Umwandlungen. Die Essigsäure z. B. bildet in ihrer Eigen-
schaft als Säure Salze, indem Metallatome an Stelle von Wasser-
stoffatomen in ihr Molecül eintreten. Wäre die Molecularformel der
Essigsäure wirklich CH^O, so sollte man erwarten, dass es Salze von
der Formel CHMe'O gäbe (Me': ein einwerthiges Metallatom). Allein die
Analyse des essigsauren Silbers ergiebt C^HjAgOg als einfachste Formel
für dieses Salz. Es ist demnach nicht die Hälfte des Wasserstoffgehalts
durch Metallatome vertretbar, sondern nur ein Viertel; daraus ergiebt
sich, dass mindestens vier Wasserstoffatome im Molecül der Essigsäure
vorkommen. Jene Formel CH^O, welche die Analyse der Essigsäure mög-
lich erscheinen liess, ist damit ausgeschlossen; die einfachste Formel,
welche sich mit dieser neuen Erfahrung in Einklang bringen lässt, ist
CjH^Oj. Aber damit ist diese Formel als Molecularformel noch keines-
wegs bewiesen; die Essigsäure könnte ja eine mehrbasische Säure, z. B.
eine zweibasische sein und demgemäss in ihrem Molecül zwei durch
Metallatome vertretbare Wasserstoffatome enthalten; dann wäre ihre
Molecularformel C^H^O^ und diejenige des Silbersalzes C^HgAg^O^. Ist
diese Annahme richtig, so sollte man erwarten, dass auch ein Silbersalz
von der Formel C^BL^AgO^ existirt: ein saures Salz, in welchem nur
die Hälfte des vertretbaren Wasserstoffs durch Metall wirklich vertreten
ist. Man kann daher zur Prüfung jener Annahme schreiten, indem man
Bedingungen herstellt, welche zur Bildung eines solchen Salzes möglichst
günstig sein sollten, und nun die Existenz desselben durch die Analyse
zu beweisen sucht. In diesem Falle würde das nicht gelingen; auch
wenn man überschüssige Essigsäure auf Silberoxyd wirken lässt, erhält
man stets das Salz C^HjAgO^. Jene Annahme wird daher unwahr-
30 MoleculargewtcktsbesHmmung auf chemischem Wege.
scheinlich, die einfachste Formel der Essigsäure CgH^Oj, welche mit der
Analyse des essigsauren Silbers vereinbar ist, gewinnt dagegen nun als
Molecularformel einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit. Die Unter-
suchung der Zusammensetzung von Salzen kann so in vielen Fällen zur
Moleculargewichtsbestimmung von Säuren dienen. Die Silbersalze eignen
sich besonders fiir diesen Zweck, da bei ihnen die Bildung von über-
sauren Salzen (Verbindungen von 1 Mol. Salz mit 1 Mol. Säure, wie
z. B. das Salz KC^HgO + CgH^O,) nicht beobachtet ist.
In ähnlicher Weise, wie sich für Säuren aus der Zusammensetzung
ihrer Metallsalze Schlüsse auf die Molecularformel ziehen lassen, kann
man auch für basische Verbindungen die Salzbildung als Hülfsmittel
heranziehen und aus der Zusammensetzung der Salze, welche sie mit
Säuren bilden, den wahrscheinlichen Werth ihrer Moleculargrösse er-
schliessen. Besonders eignen sich hierzu die Doppelsalze der Chlor-
hydräte nüt Platinchlorid, welche gewöhnlich nach dem Typus des Platin-
salmiaks 2NH3HCl + PtCl4 zusammengesetzt sind.
Bei indifferenten Verbindungen kann die Untersuchung von Sub-
stitutionsvorgängen oft schätzbare Aufschlüsse liefern. Für das
Benzol z. B. liefert die Analyse als einfachsten Ausdruck seiner Zu-
sammensetzung die Formel CH; nun lässt sich aus dem Benzol leicht
ein Bromderivat herstellen, welches nach der Analyse die einfachste
Formel CgH^Br besitzt; da in dieser Verbindung, welche Brombenzol ge-
nannt wird, das Brom sich wieder bei Einwirkung von nascirendem Wasser-
stoff durch Wasserstoff unter Bückbildung von Benzol ersetzen lässt,
so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass bei ihrer Bildung nur eine Sub-
stitution von Wasserstoff durch Brom erfolgt, und sich dabei keine
complicirteren Vorgänge — wie z. B. eine Verkettung von Kohlenstoff-
atomen — abspielen. Wenn nun einem Substitutionsprodukte des Ben-
zols die einfachste Formel CgHgBr zukommt, so kann das Benzol selbst
unmöglich eine einfachere moleculare Zusammensetzung besitzen, als sie
durch die Formel CgH^ ausgedrückt ist. Wohl aber kann sein Molecül
eine noch grössere Zahl von Atomen in sich vereinigen; die Molecular-
formel des Benzols kann z. B. CjgHjg, diejenige des erwähnten Brom-
derivats CijHj^Brg sein. Dann erscheint die Existenz eines weniger
Brom enthaltenden Bromderivats Cj^HuBr denkbar; man kann Versuche
zu seiner Gewinnung anstellen, und aus dem Umstand, dass dieselben
alle resultatlos verlaufen, darf man entnehmen, dass eine complicirtere
moleculare Zusammensetzung, als die durch die Formel CgH^ ausge-
drückte, für das Benzol unwahrscheinlich ist; mit Sicherheit ausschliessen
kann man eine solche indessen auf diesem Wege nicht. Denn einerseits
könnten wir ja, auch wenn wir noch so mannigfache Versuche zur Dar-
stellung der Verbindung CjgHjjBr anstellen, unglücklicherweise grade die
richtigen Bedingungen verfehlen, andererseits dürfen wir gar nicht mit
Bestimmtheit behaupten, dass die Existenz einer solchen Verbindung bei
MoleculargewichtshesUmmung auf physikalischer Orundlage, 31
einer der Molecularformel 0^2-^12 entsprechenden Zusammensetzung des
Benzols noth wendig wäre; Gründe, die uns unbekannt sind, können ja
bewirken, dass die Substitution eines Wasserstoffatoms allein überhaupt
nicht eintritt, vielmehr gleich die Substitution eines zweiten und damit
die Bildung der Verbindung C^gEj^Br^ nach sich zieht.
Wie in den eben besprochenen Beispielen, so lässt sich in allen
Fällen aus dem chemischen Verhalten einer Verbindung nur ein
Minimalwerth ihrer Moleculargrösse ableiten; man kann durch
zweckmässig angestellte Versuche es unwahrscheinlich machen, dass die
wirkliche Moleculargrösse ein Vielfaches dieses Werthes ist, aber man
kann diese Möglichkeit niemals mit Sicherheit ausschliessen. Eine ein-
wurfsfreie Bestimmung der Moleculargrösse kann auf chemischem Wege
nicht geliefert werden; eine solche wird uns dagegen ermöglicht durch
die Kenntniss der Beziehungen, welche zwischen dem Moleculargewicht
einerseits und gewissen physikalischen Eigenschaften der Ver-
bindungen andererseits bestehen.
Bis vor wenigen Jahren war die einzige physikalische Grundlage
zur Bestimmung des Moleculargewichts die Messung des speci fischen
Gewichts im Gaszustand. Nach dem Gesetz Avogadeo's enthalten
gleiche Volume verschiedener Gase — gemessen bei gleichem Druck und
gleicher Temperatur — die gleiche Anzahl von Molecülen; die Gewichte
solcher Volume müssen demnach zu einander in demselben Verhältniss
stehen wie die Gewichte der einzelnen Molecüle der verschiedenen Gase.
Bezieht man also die specifischen Gewichte der Gase bezw. Dämpfe
auf Wasserstoff als Einheit, so hat man, da das Moleculargewicht des
Wasserstoffs gleich 2 ist, jene Zahlen nur mit 2 zu multipliciren, um
zu den Werthen des Moleculargewichts der betreffenden Verbindungen zu
gelangen. Diese Methode der Moleculargewichtsbestimmung ist die zuver-
lässigste und wichtigste; bei ihrer Anwendung ist nur zu beachten, dass
man die fragliche Verbindung unter Bedingungen untersucht, bei welchen
sie wirklich als Gas betrachtet werden kann. Der Dampf der meisten
Verbindungen ist unmittelbar oberhalb des Siedepunkts noch nicht
normal, was sich darin zu erkennen giebt, dass er beim Erwärmen
durch ein gewisses Temperaturintervall oberhalb des Siedepunkts eine
grössere Ausdehnung zeigt, als sie wirklichen Gasen, die ja alle den-
selben Ausdehnungscoefficienten besitzen, zukommt. Bei den meisten
organischen Verbindungen genügt es, den Dampf 20 — 30® über den
Siedepunkt zu erhitzen, um ihn in den normalen Gaszustand überzu-
führen. Untersucht man den Dampf unter solchen Bedingungen, dass
er sich in einer grösseren Menge eines anderen Gases frei ausbreiten
kann, so braucht man indessen meist die Versuchstemperatur nicht ein-
mal soweit zu steigern, sondern erhält selbst noch 20 — 40® unterhalb
des Siedepunktes normale Dampfdichtewerthe. Will man ganz sicher
gehen, so ist es erforderlich, bei zwei verschiedenen Temperaturen die
32 MoleotUargeynchtsbestimmung durch Messung der Dampfdichte.
Dampfdichte zu bestimmen; findet man dann die Dichte — bezogen auf
WasserstofiF oder Luft von denselben Temperaturen — in beiden Fällen
gleich, so ergiebt sich daraus, dass der Dampf zwischen diesen beiden
Temperaturen dieselbe Ausdehnung wie ein wirkliches Gas besitzt und
daher als ein solches betrachtet werden darf.
Zur Ausführung der Moleculargewichtsbestimmung auf diesem Wege
ist eine ganze Reihe von Methoden der Dampfdichtebestimmung
ausgearbeitet worden, deren nähere Beschreibung weiterhin folgt. Die-
selben lassen an Bequemlichkeit der Ausfahrung und Schärfe der Resultate
nichts zu wünschen übrig. Trotzdem genügt diese Art der Molecular-
gewichtsbestimmung nicht, da ihre Anwendbarkeit eine so sehr be-
schränkte ist. Denn die Mehrzahl der organischen Verbindungen kann
überhaupt nicht ohne Zersetzung in den Gaszustand übergeführt werden
und daher selbstverständlich nicht einer Dampf dichtemessung unter-
worfen werden.
Erst die physikalische Forschung der letzten Jahre hat eine umfassen-
dere Grundlage fiir die Moleculargewichtsbestimmung geschaffen, indem
sie einen gesetzmässigen Zusammenhang zwischen den physika-
lischen Eigenschaften verdünnterLösungen und dem Molecular-
gewicht der darin enthaltenen gelösten Stoffe aufdeckte. Auf
Grund dieses Zusammenhangs lässt sich aus gewissen physikalischen
Constanten einer Lösung ein Bückschluss auf das Moleculargewicht des
gelösten Stoffes ziehen. Da nun die Eigenschaft der Löslichkeit eine
weit verbreitetere ist als die Eügenschaft der Vergasbarkeit, so wird durch
jene Beziehungen eine grosse Zahl von Substanzen der Moleculargewichts-
bestimmung auf physikalischer Grundlage zugänglich gemacht, für welche
bisher eine solche wegen ihrer Nichtflüchtigkeit unmöglich war.
Wir verdanken van *t Hoff^ und Planck* die theoretische Be-
gründung jener Beziehungen, welche zum Theil schon vorher durch
Kaoult auf experimentellem Wege erkannt waren. In dem „osmo-
tischen Druck" erkannte van 't Hoff eine Grösse, welche für gelöste
Stoffe dieselbe Bedeutung hat wie der Gasdruck für gasförmige Stoffe.
Der osmotische Druck kommt zur Erscheinung, wenn man eine Lösung
von dem reinen Lösungsmittel durch eine Wand von solcher Beschaffen-
heit trennt, dass ihre Poren die Molecüle des Lösungsmittels unge-
hindert hindurchgehen lassen, dagegen die Molecüle des gelösten Stoffes
zurückhalten. Man nennt derartige Wände „halbdurchlässig". Denkt
man sich nun die Lösung eines Stoffes in einer halbdurchlässigen Zelle,
letztere in ein grösseres Gefäss mit reinem Lösungsmittel eingetaucht,
so tritt von aussen Lösungsmittel in die Zelle; dieser Eintritt veranlasst
ein Steigen des Drucks im Lineren der Zelle und erreicht seine Grenze,
wenn der Druck bis zu einem bestimmten Werth angewachsen ist. Dann
> ZiBchr. f. physik. Chem. 1, 481. * Wiedeicanm'b Ann. 82, 485.
MoleculargewichtsbesHm/mung gelöster Stoffe. 33
ist ein Grleichgewichtsznstand hergestellt, es dringt kein Lösungsmittel
mehr in die Zelle ein. Der Druck, bei dem dieser Gleichgewichtszu-
stand besteht, wird als der osmotische Druck der Lösung bezeichnet.
Man kann den Grleichgewichtsznstand auch derart hergestellt denken,
dass auf die in der Zelle befindliche Lösung schon vom Augenblick des
Eintauchens an z. B. durch einen Kolben der gerade ausreichende Di*uck
ausgeübt wird, um den Mntritt des Lösungsmittels zu verhindern; so
ergiebt sich die folgende Definition: Der osmotische Druck einer
Lösung ist derjenige Druck, welcher auf eine von dem reinen
Lösungsmittel durch eine halbdurchlässige Zelle abgetrennte
Lösung ausgeübt werden muss, damit weder Lösungsmittel
in die Zelle eintritt noch aus derselben austritt.
Für diesen osmotischen Druck gelten nun nach den theoretischen
Entwickelungen von van 't Hoff, welche namentlich an Beobachtungen
von Pfeffbb und de Vbies geprüft werden konnten, dieselben Gesetze
wie für den Druck der Gase. Wie der Druck der Gase abhängig ist von
der Anzahl der in einem Volum verbreiteten Gasmolecüle, so hängt der
osmotische Druck ab von der Anzahl der in einem Volum der Lösung
enthaltenen Molecüle des gelösten Stoffes. In demselben Mass wie diese
Anzahl vergrössert oder verringert wird, steigt oder sinkt der osmotische
Druck; d. h. der osmotische Druck ist proportional der Con-
centration. Wie der Druck der Gase unabhängig ist von der Zusam-
mensetzung der Gasmolecüle und nur sich nach ihrer Anzahl regelt,
so auch der osmotische Druck; die Natur der gelösten Substanz ist auf
seine Grösse ohne Einfluss, nur die Zahl der in einer bestimmten Menge
des Lösungsmittels gelösten Molecüle kommt in Betracht. Daher ist
der osmotische Druck für Lösungen verschiedener Stoffe
gleich, wenn diese Lösungen auf gleiche Mengen des Lösungs-
mittels eine gleiche Anzahl vonMolecülen des gelösten Stoffes
enthalten, d. h. wenn die Mengen der gelösten StofiFe im Verhältniss
ihrer Moleculargewichte stehen (äquimoleculare Lösungen).
Mit dem osmotischen Druck steht eine Reihe von anderen Eigen-
schaften verdünnter Lösungen in theoretischem Zusammenhang, ftLr
welche sich nun ganz analoge Gesetze ergeben. Der Dampfdruck einer
Flüssigkeit wird durch die Gegenwart gelöster Stoffe herabgesetzt; diese
Dampfdruckverminderung ist ebenfalls ausschliesslich von der Anzahl
der Molecüle abhängig, durch welche sie hervorgebracht wird; sie ist daher
gleichfalls proportional der Concentration und für äquimoleculare
Lösungen verschiedener Stoffe in demselben Lösungsmittel gleich. Mit
der Dampfdruck Verminderung steht in engem Zusammenhang die Sie de -
panktserhöhung, welche durch Auflösen einer Substanz in einer
Flüssigkeit hervorgebracht wird; sie ist denselben Gesetzen unterworfen.
Die Gcjgenwart gelöster Stoffe wirkt femer bekanntlich auf den Er-
starrungspunkt des Lösungsmittels erniedrigend ein;; auch auf die Ge-
V. Mkyes u. Jacobson, org. Chem. I. 3
34 MoleciUargewichtsbestimmung gelöster Stoffe,
frierpunktserniedrigung lassen sich jene Gesetze übertragen; sie
ist proportional der Concentration und nur abhängig von der Anzahl
der gelösten Molecüle, nicht von ihrer BeschaiBPenheit.
Das Gesetz von Avogadbo Tässt sich in der Form aussprechen:
„Gase, welche im gleichen Volum bei gleicher Temperatur die gleiche
Anzahl von Molecülen enthalten, üben gleichen Druck aus."
Jene von van 't Hopp und Planck abgeleiteten Beziehungen stellen
eine Erweiterung des 'AvoGABRo'schen Gesetzes auf den Zustand von
Lösungen dar; sie lassen sich in den Satz zusammenfassen:
„Lösungen verschiedener Körper in derselben Flüssigkeit, welche in
der gleichen Menge des Lösungsmittels die gleiche Anzahl von
Molecülen der gelösten Stoffe enthalten, zeigen gleichen osmoti-
schen Druck, demzufolge auch gleichen Dampfdruck, gleichen
Siedepunkt und gleichen Gefrierpunkt."
Schon mehrere Jahre vor der theoretischen Ableitung dieses Satzes
hatte Eaoült^ die durch denselben ausgedrückte Gesetzmässigkeit be-
züglich der Dampfdruck- und Gefrierpunktsemiedrigung auf Grund um-
fassender Beobachtungen erkannt und hatte besonders die Messung der
Gefiierpunktsemiedrigung als Grundlage zur Bestimmung des Molecular-
gewichts vorgeschlagen. In der That ist von den vier Grössen, die auf
Grund des obigen Gesetzes zur Moleculargewichtsbestimmung dienen
können, die Gefrierpunktsemiedrigung die am leichtesten messbare; die
Bestimmung des osmotischen Drucks und der Dampfdruckverringerung
ist vorläufig zu umständlich, um als stets bereites Hülfsmittel für die
praktischen Zwecke des Chemikers in Betracht zu kommen. Für die
Bestimmung der Siedepunktserhöhung ist schon eine bequemere Methode
ausgearbeitet worden (vgl. S. 50 — 52), welche indessen an Leichtig-
keit der Ausfuhrung noch hinter der Bestimmung der Gefrierpunkts-
depression zuiücksteht. Letztere ist in der weiterhin (S. 47 — 49) näher zu
beschreibenden Ausßihrungsform eine so einfache Operation, dass die
Befürchtung nahe liegt, die „kryoskopische" Methode der Molecularge-
wichtsbestimmung könne die „vaporimetrische" ganz verdrängen. Es
sei daher besonders hervorgehoben, dass die Moleculargewichtsbestimmung
durch Dampfdichtemessung vorläufig noch einen grösseren Grad von
Zuverlässigkeit beanspruchen darf, erstens weil sich ihr Princip schon
in einer weit grösseren Zahl von Beispielen bewährt hat, zweitens weil
bezüglich der Gefrierpunktsdepressionen gewisse gleich näher zu be-
sprechende Anomalien beobachtet sind. Wo also eine Dampfdichte-
bestimmung durch die Flüchtigkeit der zu untersuchenden Verbindung
überhaupt ermöglicht ist, sollte man sie nicht durch die Bestimmung
der Gefrierpunktsemiedrigung ersetzen.
> Ann. eh. [5] 20, 217; 38, 138; [6] 2, 66, 93, 99, 115; 4, 401; 8, 289, 317. —
Compt. rend. 102, 1807. — Ztschr. f. physik. Chem. 2, 355.
Bestimmung des Moleculargewichts aus der Gefrie/rpunkts- Erniedrigung, 35
Die eben erwähnten Anomalien ^, welche man bezüglich der Gefrier-
punktsdepressionen beobachtet hat, zeigten sich namentlich bei den
Benzollösungen einer Reihe solcher Substanzen, welche Hydroxylgruppen
(—OH) enthalten (Phenole, Alkohole, Säuren, Oxime). Die RAOULT'sche
Moleculargewichtsbestimmung fuhrt in diesen Fällen meist zu Werthen,
die erheblich grösser sind als die sich aus der Dampfdichtemessung er-
gebenden. Die Werthe erweisen sich ferner als in hohem Grade abhängig
von der Concentration der Lösung; die Gefrierpunktserniedrigung ist nicht
mehr proportional der Menge der gelösten Substanz. Man findet viel-
mehr in concentrirten Lösungen die höchsten Zahlen fiir das Molecular-
gewicht und beobachtet bei abnehmender Concentration ein mehr oder
weniger rasches Sinken, um in manchen Fällen bei genügender Ver-
dünnung endlich zu dem normalen Werthe zu gelangen.
Dieser Befund braucht nicht nothwendigerweise dahin gedeutet zu
werden, dass das RAOULT'sche Erstarrungsgesetz in diesen Fällen keine
Gültigkeit besitze. Er erinnert an Erscheinungen, welche man bezüglich
der Dampfdichten mancher nur sehr langsam in den normalen Gaszu-
stand tiberfiihrbarer Dämpfe — wie z. B. des Schwefels, der Ameisen-
saure und Essigsäure — beobachtet hat. Das Sinken der Dampfdichte
mit wachsender Temperatur in den letztgenannten Fällen braucht man
ja ebenfalls nicht auf eine Abweichung vom AvoGADEo'schen Gesetz
zurückzufahren, sondern kann es durch die Annahme erklären, dass der
Dampf bei Temperaturen, die nicht weit über dem Siedepunkt liegen,
aus complexeren Molecülen bestehe, welche erst bei höheren Temperaturen
vollständig in die einfachsten Molecüle gespalten werden. So kann man
sich auch recht wohl denken, dass concentrirtere Lösungen complexere
Molecüle enthalten, welche erst sehr allmählich bei abnehmender Con-
centration in die einfachsten Molecüle dissociirt werden^.
So interessant demnach jene Erscheinung — die Richtigkeit der eben
gegebenen Erklärung vorausgesetzt — für die Frage nach der Constitution
von Lösungen werden kann, so verringert sie doch die Brauchbarkeit
der kryoskopischen Methode fiir den Zweck, welchen der Chemiker mit
einer Moleculargewichtsbestimmung verfolgt. Dem Chemiker ist es
hierbei ja weniger um die Eenntniss der Moleculargrösse unter gewissen
physikalischen Bedingungen zu thun, er will vielmehr die kleinste Menge
der Verbindung erfahren, welche überhaupt noch mit allen chemischen
Eigenschaften der Verbindung begabt existiren kann. Eine Auflösung
in solche kleinsten Massen theilchen findet nach den bisherigen Erfahrungen
' Vgl. hierttber Bbckxann, Ztschr. f. physik. Chem. 2, 715. — Eykman, ebenda
4, 497. — Patebh6, ebenda 6, 94; Ber. 22, 1430.
* Nenerdings zieht vak 't Hoff (Ztschr. f. physik. Chemie 6, 322) ausser«
dem zur Erklftmng jener Anomalien den Umstand herbei, dass beim Ausfrieren von
LSrangen öffcers eine „feste Lösung" statt des reinen Lösungsmittels zur Ausscheidung
kommt
3*
36 Praxis der Molectdargewichtsbesiiminung,
für die organischen Verbindungen mit sehr wenigen Ausnahmen bei der
Vergasung stets statt, wenn man ihren Siedepunkt um 20 — 30 Grade
überschreitet; bei der Lösung dagegen muss man nach den erwähnten
Beobachtimgen zuweilen zur Erreichung normaler Werthe bis zu Ver-
dünnungsgraden hinabsteigen, welche in Anbetracht der geringen ent-
sprechenden Werthe der Gefrierpunktsdepression genauere Bestimmungen
nicht mehr zulassen.
Bei Lösungen in Eisessig sind derartige Anomalien bisher kaum
bemerkt worden; dieselben Verbindungen, welche in Benzollösung jene
abweichenden Werthe liefern, verhalten sich in Eisessiglösung ganz normal.
Dem Eisessig scheint demnach als Lösungsmittel eine grössere disso-
ciirende Kraft zuzukommen, als dem Benzol. Es ist daher empfehlens-
werth, für die kryoskopische Methode, wo es angeht, Eisessig als lösen-
des' Medium zu yerwenden. Auch sollte man nicht versäumen sich zu
versichern, ob eine Substanz, deren Constitution ähnlich derjenigen der
zu untersuchenden Substanz ist, und deren Moleculargewicht man kennt,
in dem benutzten Lösungsmittel normales Verhalten zeigt.
Es ist ferner unerlässlich, die Gefrierpunktsdepression bei verschie-
denen Concentrationen zu bestimmen; nur wenn man annähernde Pro-
portionalität zwischen Gefrierpunktsdepression und Concentration be-
obachtet, verdienen die für das Moleculargewicht ermittelten Werthe
Vertrauen. Diese Sicherheitsmassregel entspricht vollkommen der Messung
der Dampfdichte bei mehreren Temperaturen (vgl. S. 31 — 32), ist aber
in Folge der oben erwähnten Umstände hier um so mehr geboten.
Es sei endlich bemerkt, dass Wasser niemals als Lösungsmittel für
solche Verbindungen angewendet werden darf, deren wässrige Lösungen
die Electricität leiten, wie Säuren, Basen und Salze. Electrolyte werden
in wässrigen Lösungen zum Theil in ihre Jonen gespalten; man würde
daher bei der Bestimmung ihres Moleculargewichts aus der Gefrierpunkts -
depression viel zu niedrige Zahlen erhalten.
B, Praxis der MolectUargeioichisbestimmvng.
1. Methoden der Dampfdichtebestimmung.
Für die Messung des specifischen Gewichts von Dämpfen steht eine
grosse Zahl von Methoden zu Gebote. Ihre Brauchbarkeit fiir die
Zwecke des Chemikers wird natürlich um so grösser sein, einen je höheren
Grad von Exaktität sie zu erreichen erlauben; doch hängt dieselbe weit
mehr von der raschen Ausführbarkeit der Methoden und dem Substanz-
aufwand, den sie erfordern, ab. Für den Zweck einer Moleculargewichts-
bestimmung bedarf es nicht gerade besonders genauer Zahlen, da es
sich ja in der Regel nur um eine Auswahl zwischen gewissen schon
vorher bekannten und weit auseinanderliegenden Werthen handelt. Soll
z. B. das Moleculargewicht des Benzols durch die Dampfdichte bestimmt
Methoden der Dampfdichtebestimmung, 37
werden, so weiss man ja nach der S. 30 — 31 gegebenen Auseinander-
setzung im Voraus, dass die Dampfdichte — auf Wasserstoff bezogen —
entweder der Formel C^Hg entsprechend gleich 39, oder der doppelten
Formel CjjHj^ entsprechend gleich 78 oder ein noch höheres Multiplum
Ton 89 sein kann. Findet man nun z. B. die Dampfdichte gleich 43,
80 gestattet diese mit einem Fehler von lO^o behaftete Zahl noch immer
eine sichere Beantwortung der gestellten Frage. Der Chemiker wird
daher flir seine Zwecke eine Methode, welche zwar keine sehr scharfen
Zahlen giebt, aber in kurzer Zeit und mit einer geringen Substanzmenge
ausgeführt werden kann^ einer solchen vorziehen, welche nur geringe
Fehler einschliesst, dafür aber einen grösseren Zeitaufwand oder erheb-
liche Opfer an der oft nur in geringer Menge zu beschaffenden Substanz
bedingt. Aus diesem Grunde werden die klassischen Methoden der
Dampfdichtebestimmung von Dumas und 6ay-Lüssag heute nur noch
selten in den organischen Laboratorien ausgeführt; sie seien daher nur
kurz in ihrem Princip erläutert.
Bei der Methode von Dumas wird das Gewicht des Dampfes be-
stimmt, welches unter bekannten Druck- und Temperaturverhältnissen
ein bekanntes Volum erfiillt. Zu diesem Zweck be-
nutzt man einen Glasballon von beistehender Form
(Fig. 14), welcher zunächst offen gewogen wird.
Man bringt nun eine solche Menge Substanz hinein,
dass der Dampf derselben mehr als genügend ist, um
alle Luft aus dem Ballon herauszutreiben, und erhitzt
den Ballon in einem Bade etwa 20 — 30^ über den Fig.u. BaUon zur Dampf-
Siedepunkt der Substanz. Die Substanz geräth da- die^*^B«timmung nach
durch in ein rasches Sieden, der Dampf verdrängt
zunächst die Luft und tritt dann selbst durch die aus dem Bade heraus-
ragende capillare Spitze aus; letztere wird nun, wenn die Dampfentwick-
lung beendigt ist, mittelst einer Löthrohrflamme zugeschmolzen, die
Temperatur des Bades und der Barometerstand notirt, und der Ballon
nach dem Erkalten gewogen. Bei dieser zweiten Wägung ist Thermo-
meter- und Barometerstand abzulesen; man reducirt mit Hülfe dieser
Beobachtungen das gefundene Gewicht auf den lufüeeren Baum und erfahrt
nun, nachdem man von dem reducirten [Gewicht die durch die erste
Wägung ermittelte Tara des Ballons abgezogen hat, das Gewicht des
Dampfes, welches unter den Versuchsbedingungen nöthig war, um das
Ballonvolum anzufidlen. Zur Bestimmung dieses Volums bricht man darauf
die Spitze des Ballons unter Quecksilber ab; das Quecksilber dringt in
den Ballon ein und füllt denselben, wenn bei dem Versuch alle Luft aus-
getrieben war, vollkommen an bis auf den verschwindend geringen
Baum, welcher von der condensirten Flüssigkeit beansprucht wird. Aus
dem Gewicht des eingedrungenen Quecksilbers ergiebt sich durch Division
mit 13-59 (spec. Gew. des Quecksilbers) das Volum des Ballons in
DampfdvJitebesiimmung nach
Cubiccentimetem'. Die Methode ist zwar leicht ausfuhrbar, erfordert
aber so grosse Mengen von Substanz, dass ihre Anwendung nur bei Ver-
bindungen, die sehr leicht zugänglich sind, möglich ist. — Eine Modifica-
tion derselben, welche einen ge-
ringeren Substanz aufwand durch
Verdampfen der Substanz im Va-
cuum erreicht, ist von Habesmakn'
vorgeschlagen.
Das Verfahren Gat-Lussac'b
beruht auf einem grade entgegen-
gesetzten Princip; man geht von
einem bekannten Gewicht der Sub-
stanz aus und ermittelt das daraus
unter bestimmten Bedingungen ge-
bildete Dampfvolum.
Dieser Methode ist von A.
W, HoFMANK* eine ausserordent-
lich handliche AusfUhrungsform ge-
geben, welche noch den grossen
Vortbeil bietet, dass die Substanz
in der Barometerleere — also bei
einer weit unter ihrem Siedepunkt
liegenden Temperatur — zur Ver-
dampfung gebracht wird. Ein etwa
1 m langes graduirtes Barometer-
robr c {Fig. 15) wird mit trockenem
Quecksilber gefüllt und in einer
mit Quecksilber gefüllten Porzellan-
wanne umgestülpt. Es ist von
einem weiteren Glasmantel b um-
geben ; durch den dazwischen
liegenden Raum strömt der Dampf
von Wasser oder nöthigenfalls von
Anilin (Siedepunkt ISS*^. welcher
in dem Blechgeföss a entwickelt
wird. Man lässt über das Queck-
silber in die Barometerleere ein
' Vgl. über die BerechnuDg die
S.hrift von F. Wibel; Principielle Irr-
tliiimeT in der Erkläruag, Auaf. u. Be-
reehuuDg d. Damiifd.-Bestg. nacb J.Di'HAa
(Hamburg 1S90).
Pig. lü, A|)|iBrat mr DBmpfdkble-Beslimiuimg . Ana. 187, 341.
öocb A. W. V. HOPMAKM. ' B*r. 1, 198.
Dumas, Qay-Lussac und Ä, W. Hofmann, 39
kleines mit eingeriebenem Stopfen versehenes Glasfläschchen aufsteigen^
welches die abgewogene Menge der Substanz (etwa 0-1 g) enthält;
der Stopfen wird herausgeschleudert, die Substanz verdampft und ver-
drängt dadurch das Quecksilber theilweise aus der Messröhre; wenn
das Niveau des Quecksilbers nicht mehr sinkt, liest man das Volum
des Dampfes und die Höhe des Quecksilberniveaus innerhalb der Bohre
mittelst des Pendelkathetometers d ab; die Versuchstemperatur ergiebt
sich aus der Siedetemperatur der Heizflüssigkeit, der Druck aus dem
Barometerstand, von welchem die Tension der Quecksilberdämpfe und
die Quecksilberhöhe innerhalb der Messröhre in Abzug gebracht werden
muss. — Die Tension des Quecksilbers beträgt bei 100® 0-75 mm,
bei 180° 11 mm. Die Quecksilberhöhe innerhalb der Messröhre ist
zunächst — wenigstens zum Theil — bei erhöhter Temperatur beob-
achtet worden; man muss sie auf die Lufttemperatur reduciren, kann
diese Reduction aber nur annäherungsweise ausführen, da nur ein Theil
der Quecksilbersäule vom Dampf der Heizflüssigkeit, ein anderer von
Luft umgeben ist, und die Säule daher keine einheitliche Temperatur
besitzt. Es ist daher zweckmässiger, sich der folgenden Modification^
zu bedienen, welche die direkte Messung der Quecksilbersäule bei Luft-
temperatur gestattet: Die Barometerröhre wird auf eine dicke Kautschuk-
platte gestellt, welche auf eine Eisenscheibe gekittet ist; letztere liegt
auf dem Boden der Quecksilberwanne und ist mit einem Handgriff ver-
sehen, der über das Quecksilberniveau ragt; in die Kautschukplatte ist
an einer Seite eine Rinne eingeschnitten, durch welche während des Ver-
suchs das Quecksilber in der Röhre mit dem Quecksilber in der Wanne
communicirt. Sobald nun der Versuch beendigt ist, verschiebt man die
Platte so, dass diese Commimication aufgehoben ist. Man lässt dann
erkalten und bestimmt die Höhe der Quecksilbersäule bei der Luft-
temperatur.
Die auf Luft bezogene Dampfdichte ergiebt sich, wie leicht abzu-
leiten ist, aus der Foraiel:
j. _ S{\ + 0-003665 Q- 760
"■ 0 001293. F. Ä '
WO S das Gewicht der Substanz,
V das abgelesene Dampfvolum,
t die Versuchstemperatur,
H die auf 0® reducirte Differenz zwischen Barometerhöhe einerseits
und der Summe aus Quecksilbertension und innerer Quecksilber-
höhe andererseits (Versuchsdruck)
bedeutet.
Da graduirte Röhren leicht beim Erhitzen springen, so ist es vor-
theilhaft, sich für den Versuch ungraduirter möglichst cylindrischer Röhren
» HoFMANK, Ber. 9, 1304.
40 Dampfdiehtebeaiimmung
zu bedienen, nach dem Constantwerden des Datnpfvolnms den Stand der
Quecksilbersäule dnrcb Ankleben eines Papierstreifs zu markiren und
das Volum, nachdem der Apparat wipdnp ans-
einandergenommeu ist, durch At
Röhre bis zur Marke mit Quecks
stimmen.
Als eine Modification der G
sehen Methode kann auch die Besti
Dampfdichte nach dem Q u e c k
drängungsverfahren von V. J
trachtet werden. Dieselbe geschie
etwa 35 ccm fassenden Glasgefäc
Form, wie es Fig. 16 zeigt; ma
dasselbe zunächst das die genau i
Substanzmenge (etwa 0-05 g)
Glasfläschchen und wägt es mit de
der Tarirwage nur auf Decigrai
ab. Daraaf giesst man Quecksi]
Weise ein, dass das Fläschch
QusckiU bcT- Verd rlnguog.
Flg. 17. DsmprdicblA-BeiUnimung Dich di
QuKkillber-VvnIrlDgiiDgi-VsrhhJren.
Schenkel a steigt; ist der Schenkel a ganz mit Quecksilber angefüllt, so
schmilzt man die Capillare bei c zu, fllllt nun auch den offenen Schenkel h
dvfrch Metallverdrängung. 41
ToUständig mit Quecksilber an und wägt wieder auf Decigramme genau.
Nun wird das Gefass in der durch Fig. 17 erläuterten Weise vertical
in den Dampfmantel d eingehängt, in welchem man eine geeignete Heiz-
flüssigkeit zum Sieden bringt. Die Substanz verdampft und verdrängt
ein dem Dampfvolum gleiches Quecksilbervolum. Wenn kein Queck-
silber mehr ausfliesst, hebt man den Apparat aus dem Dampfmantel,
lässt erkalten und wägt ihn wieder auf Decigramme genau ab, um das
Gewicht des ausgeflossenen Quecksilbers zu ermitteln. Man braucht
nun zur Berechnung noch den Druck, unter dem der Dampf während
des Versuchs gestanden hat; derselbe setzt sich zusammen aus dem
Ätmosphärendruck und der im Apparat selbst wirksamen Quecksilber-
säule, um letztere zu ermitteln, öffnet man nach dem Versuch die
Capillare c, lässt durch geeignetes Neigen den Schenkel b sich ganz mit
Quecksilber füllen und notirt nun die Differenz des Quecksilberstandes
in den beiden Schenkeln. Als Versuchstemperatur kann man bei niedrig
siedenden Flüssigkeiten ohne Weiteres den Siedepunkt der Heizflüssig-
keit betrachten, nicht aber bei hochsiedenden Flüssigkeiten, da in diesem
Falle durch den Einfluss des während des Versuches sich beimengenden
Quecksilbers der Siedepunkt nicht unerheblich herabgedrückt wird ; durch
besondere Versuche ist festgestellt, dass unter diesen Bedingungen die
Dampftemperatür bei Anwendung von Amylbenzoat gleich 253^, im
Diphenylamindampf gleich 290 ® zu. setzen ist. Ist nun :
S das Gewicht der angewandten Substanz,
T die Dampftemperatur,
t die Zimmertemperatur,
P der Barometerstand (auf 0® reducirt),
p die wirksame Metallsäule,
8 die Tension der Quecksilberdämpfe bei der Dampfbemperatur,
a das Gewicht der angewandten Metallmenge,
q das Gewicht Quecksilber, welches das Eimerchen fasst,
r das Gewicht der zurückbleibenden Metallmenge,
so ergiebt sich die auf Luft bezogene Dichte aus der Formel:
,_ 5(1+0-003665 7)7988000
~ {P + j> — «)[(a4-5r)(l +0.0000303{T—^})—r(l + 0.00018{!r—^})](l +0-000180
Die Dampfdichte von Verbindungen, deren Siedepunkt dem des
Quecksilbers nahe liegt oder denselben sogar übersteigt, kann man nach
einem ähnlichen Verfahren^ im Schwefeldampf (448^ bestimmen, wenn
man das Quecksilber durch die WooD'sche Legirung aus 15 Thl. Bi,
8 Thl. Pb, 4 Thl. Sn und 3 Thl. Cd ersetzt, mit welcher man, da sie
schon unter 70^ schmilzt, fast ebenso bequem operiren kann. Man be-
1 y. Meteb, Ber. 9, 1216.
42 Dampfdichtebistimmung durch Metallverda'ängung.
natzt in diesem Falle als Dampfdicbtegefäss Kugeln von der iit Fig. 18
abgebildeten Form. Man erhitzt die Legining auf etwa 150 — 180°.
lässt auf etwa 100° erkalten, fUllt sie in die in
einem siedenden Wasserbade beäudliche Kugel ein und
muss nun die Wägung und das Kinbringen in das
Heizbad ziemlich rasch ausführen, da bei vollständigem
Erkalten die Kugel durch die Ausdehnung des Metalls
bersten würde. Als Heizbad benutzt man einen eisenien
Tiegel (6, Fig. 19) Ton ca. 400 ccm Inhalt, in welchen
man 120 — 130g Schwefel gebracht hat. Nach dem
Einhängen des Gefässes mittelst des DrahthaJters c
schiebt man den mit einem radialen Schlitz versehe-
iieu Deckel a darüber und erhitzt mit einem starken
Vierbrenner in einem gut ziehenden Abzug. Nach etwa
20 Minuten kommt der Schwefel in lebhaftes Kochen,
'*'*"i5hem'MÖiüli""''" "'"^ ^^'^ ^"3 ticm Tiegel dringende Dampf entzündet
sich zu langen Stichflammen. Man lässt das Kochen
4 Minuten andauern, löscht dann die Flamme, hebt die Kugel aus
dem Tiegel und markirt in diesem Augenblick den Stand des Metalls
in der Kugel durch Berühren mit einem
Glasstab, an dessen Spitze ein Tiopfen
Siegellack angeschmolzen ist. — Die auf
Luft bezogene Dichte ergiebt sich aus der
Formel :
, g- 1543500
['■+"'-''li(dM+'-H''°'-in5!l'
in welcher die Buchstaben die gleiche Be-
deutung wie in der filr das Quecksilber-
verdrängungsverfahren gegebenen Formel
{vgl. vorige Seite) besitzen.
Bei den beiden
zuletzt beschriebenen
Verfahren wägt man
die Substanz, wenn
sie fest ist, in Eimer-
r ' FT«. 19. D»iiipWicbte-l(e.tlQiiBUDg v,„ m ^ « >, " '^''^"' *^"" ^'^ flüSSig
durch v,rdr.„^Bg^vo. w™«-«h™ ^bw^g,„%",'S.tUr ist, in Fläschchcn ab,
welche eine schwache
Krümmung besitzen, damit sie leichter in die Kugelröhre eingeführt
werden können (Fig. 20). Man muss dafür Sorge tragen, dass die Ge-
fässchen ganz mit der Substanz angefüllt sind, damit nicht durch die
Ausdehnung etwa zurückgebliebener Luftblasen erhebliche Fehler be-
dingt werden können. Man fUUt dieselben daher am besten, indem man
9 g
Dampfdichtebesiimmung durch Luftverdrängung.
sie SE einen Platiudraht bindet und in der in einem engen Keagensrohr
geschmolzenen Substanz untertaucht. Der Rauminhalt dieser Oefässchen
ist so klein, dass die in den
obigen Gleichungen enthaltene
Grösse q in der Regel vernach-
lässigt werden kanä.
Weniger genau, aber rascher
ausfuhrbar als die beschriebenen
Methoden ist das jetzt für den
Zweck der Moleculargewichtshe-
stimmung besonders häufig an-
gewendete Luftverdrängungs-
verfahren vonV. u-CMetee'.
Das Princip, ein Dampfvolum
durch die Grösse des von ihm ,
verdrängten Luftvolums zu mes-
sen, war schon h-Uher von Boksbm,
DüLONG und PFAUNDLER ange-
wendet worden. Praktisch branch-
bar wird es in dem nun zu
beschreibenden Verfahren da-
durch, dass durch die Anwen*
düng eines vorher erhitzton Ge-
fässes die Yersuchsdauer sehr
kurz und die Kenntmss der Yer-
such stemper atur unnöUiig wird,
ein Yortheil, der namentlich fUr
Bestimmungen bei sehr hohen
Temperaturen (Glühhitze) in Be-
tracht kommt. In ein mit
trockener Luft gefülltes Glas-
gefass, welches vorher auf eine
zur raschen Verdampfung der
Substanz ausreichende Tempe-
ratur erhitzt ist, wird die abge-
wogene Substanzprobe eingewor-
fen, und nun das Luftvolum
ermittelt, das durch die Dampf-
bildung verdi^Dgt wird und da-
her dem Dampfvolum gleich ist.
Die Form des Öetässes {b) ist
ausFig.21 ersichtlich;der untere
' Ber. 11, 1887 u. 2253.
?
44 Dampfdichtebestimmung
weitere Theil besitzt, einen Inhalt von etwa 200 ccm, die sich daran
scliliessende Röhre hat eine Länge von etwa 600 mm und eine Weite von
4 mm. In ihrem oberen Theile sind zwei Ansatzröhrchen {h u. i) ange-
schmolzen; an i wird durch den Eautschukschlauch e das gebogene Capillar-
rohr f angesetzt, dessen Ende unter Wasser taucht; in h ist ein kleiner
Glasstab o durch einen Kautschukschlauch d mit Drathligaturen luftdicht
in solcher Weise eingefligt, dass sein Ende bis zur gegenüberliegenden
Wandung der Röhre b reicht, durch einen leisen Zug aber ganz in das
Röhrchen h zurückgezogen werden kann. Auf diesen Grlasstab legt man
das Glasfläschchen, welches die abgewogene Substanzmenge enthält, oder,
falls man es mit festen Substanzen zu thun hat, ein aus der geschmol-
zenen Substanz gefertigtes compactes gewogenes Stäbchen i. Man ver-
schliesst das obere Ende der Röhre b luftdicht mit einem Kork und
bringt nun die in dem äusseren Mantel a befindliche Heizflüssigkeit zum
Sieden; die Dämpfe derselben umspülen das Dampfdichtegefäss, conden-
siren sich wieder im oberen Theile des Glasmantels und fliessen zurück.
Ist die Temperatur im Inneren des Dampfdichtegefässes constant ge-
worden, was man daran erkennt, dass aus dem Röhrchen f keine Blasen
mehr entweichen, so schiebt man über f eine mit Wasser gefüllte Mess-
röhre g und zieht den Glasstab c in ä fllr einen Augenblick zur Seite.
Infolgedessen fällt nun das Glasfläschchen mit der Substanz bezw. das
aus der Substanz gefertigte Stäbchen auf den Boden des Dampfdichte-
gefässes, den man vor Beginn des Versuchs mit etwas ausgeglühtem As-
best oder Sand bedeckt hat, damit hierdurch keine Zertrümmerung be-
wirkt werden kann. Die Substanz beginnt nun nach etwa Y^ Minute zu
verdampfen, ein dem Dampfvolum gleiches Luftvolum wird innerhalb
kurzer Zeit ausgetrieben und sammelt sich in der Messröhre g an. Man
bringt letztere nun in ein grösseres Wasserreservoir und liest nach
einiger Zeit das Luftvolum V. die Temperatur des Wassers / und den
Barometerstand B ab. Ist w die Tension des Wassers bei der Tempe-
ratur t, so ergiebt sich das Gewicht des verdrängten Luftvolums P in
dem Ausdruck
F(ß—tt;)0. 001293
P =
760(1 +0.003665^)
War S die angewendete Substanzmenge, so ist also die auf Luft be-
zogene Dichte:
jy^S^_ 5- 760 (1 • 0036650
P F. (^ — tr) 0-001293
* Vgl. K. Demüth u. V. Meter, Ber. 28, 318 Anm. — Sollen indess feste Sub-
stanzen bei Temperaturen untersucht werden, die sehr hoch über ihrem Schmelzpunkt
liegen, so müssen sie in Eimerchen abgewogen werden, da es bei Anwendung von
Stäbchen vorkommen könnte, dass letztere an den erwärmten Hals des Apparats an-
schmelzen (vgl. Ztschr. f. phjsik. Ghem. 6, 9 Anm).
durch Lafiverdrängung.
45
Da Luft 14-435 mal schwerer als Wasserstoff ist, so ergiebt sich die
auf Wasserstoff bezogene Dichte in dem Werth 14*435 D, das Mole-
culargewicht in dem Werth 28-87 D^.
Voraussetzung für die Zuverlässigkeit der nach diesem Verfahren
erhaltenen Werthe ist die Anwendung einer Substanzmenge, deren Dampf
nicht mehr als höchstens die Hälfte der Glasbirne h (Fig. 21) erfüllt. Nur
bei derart gewählten Substanzmengen kann man sicher sein, dass nicht
schon während der allerdings nur kurzen Versuchsdauer eine Diffusion
des Dampfes in die oberen kälteren Theile des Apparates stattfindet.
Als Heizflüssigkeiten dienen gewöhnlich die folgenden Substanzen:
BlPHf detDMprdieh-
Apparat«
Siedetemperatur :
Wasser 100^
Xylol 140«
Anilin 183«
Aethylbenzoat 213«
Thymol 230«
Amylbenzoat 261«
Diphenylamin 310«
Schwefel 448«
Phosphorphentasulfid . . . 530«
Dieselben können natürlich durch beliebige
andere ersetzt werden; ihre Siedetemperatur
braucht nicht genau bekannt zu sein, sie
brauchen auch nicht völlig rein zu sein, da
ja für die Berechnung der Dampfdichte bei
diesem Verfahren die Kenntniss der Versuchs-
temperatur nicht nöthig, vielmehr nur die
Gonstanz der Temperatur innerhalb der kurzen
Versuchsdauer erforderlich ist. Wendet man ^ig. 22. Binnenuegei «um Erhitoen
■f^^r 1*1 1 hochsiedender HeizflQssigkeiten beim
Wasser an, so bnngt man es m einem glä- LuftverdrftngungBTerfahren.
semen Mantel zum Sieden (a, Fig. 21); für
hoch siedende Heizflüssigkeiten bedient man sich eines kleinen guss-
eisemen Tiegels, welcher mit einer Rinne versehen ist (Fig. 22). Die Heiz-
flüssigkeit bringt man in den Tiegel a, in die Rinne setzt man ein
weites cylindrisches Glasrohr h unter Dichtung mit etwas Quecksilber ein.
Bei Temperaturen über 300« (Schwefel-, Schwefelphosphor dampf) wendet
man weite eiserne Röhren als Mantel an. Führt man das Verfahren bei
diesen hohen Temperaturen aus, so ist es erforderlich, das Dampfdichte-
gefass vorher mit reinem Stickstoflf zu füllen, um einer theilweisen Oxy-
dation des Dampfes vorzubeugen.
^ Sehr zweckmässige Tabellen zur Erleichterung der Ausrechnung sind von
G. G. PoMD zusammengestellt (Amherst, Mass., U. S. A., 1886).
46 DampfdiMebesiimmung unterhalb der Siedetemperatur.
Die Methode der Dampfdichtebestimmung durch Luftverdrängung
wird wegen ihrer grossen Bequemlichkeit gegenwärtig von den Chemikern
fast ausschliesslich angewendet; es sei aber darauf hingewiesen, dass sie
im Princip weniger genau ist als diejeidge; welche auf der Verdrängung
von Quecksilber beruht. Wo eine Substanz nur im luftverdünnten Eaum
unzersetzt flüchtig ist, benutzt man mit grossem Yortheil die Methode
von A. W. Hofmann ; wendet man bei diesem Verfahren nach Brühl ein
Bohr von etwa 1-5 m Länge und 18 mm Weite an, so gelingt die Ver-
gasung von gewissen Substanzen, die erst bei 250® sieden, schon im
Wasserdampf, bei manchen Körpern, welche bis ca* 300® sieden, im
Anilindampf. Hier ist indessen Ablesung mittelst Kathetometer und
äusserste Genauigkeit erforderlich. Höher siedende Heizflüssigkeiten
anzuwenden ist nicht gerathen, da bei höheren Temperaturen der Vor-
theil des Vacuums durch die rasch wachsende Tension der Quecksilber-
dämpfe grösstentheils aufgehoben wird^
Von verschiedenen Seiten — so von La Coste*, Bott u. Macnaie^,
Schall*, Malfatti u. Schoop^, Richards®, Eykman^ — sind Apparate
vorgeschlagen worden, welche gestatten das Luftverdrängungsverfahren
unter vermindertem Druck auszuführen. Doch haben diese Apparate,
weil sie das Verfahren erheblich compliciren, bisher allgemeinere Ver-
breitung nicht gefunden.
Das Ziel, die Dampfdichte einer Substanz unterhalb ihrer
Siedetemperatur zu bestimmen, lässt sich indessen nach R. Demtjth
und V. Meyeb® auch unter Beibehaltung des einfachen Apparates zur
Ausfuhrung des Luft verdrängungs Verfahrens und ohne Druckver-
ringerung erreichen. Eine ähnliche Wirkung, wie durch die Herab-
setzung des Druckes, wird durch die Verdünnung des Dampfes
mit einem anderen Gase, wie sie ja bei jeder Dampfdichtebestimmung
nach jenem Verfahren eintritt, ausgeübt. Man braucht daher nur die
rasche Ausbreitung der eingeworfenen Substanz und die Vermischung
ihres Dampfes mit dem den Inhalt der Birne erfüllenden Gase zu be-
günstigen, um auch bei Temperaturen, die 30 — 40® unter dem Siede-
punkte des üntersuchungsobjects liegen, noch richtige Werthe zu er-
langen. Es hat sich für diesen Zweck als besonders günstig erwiesen, die
Birne vorerst mit Wasserstoff zu füllen, nicht, wie gewöhnlich, in einer
Atmosphäre von Luft zu arbeiten. Die Birne erhält einen Inhalt von
100 ccm bei einem Durchmesser von 3 cm; ihr Boden wird abgeplattet,
um die Ausbreitung der Substanz zu fordern. Der Stiel sei nicht über
4 — 5 mm weit. Der Boden darf in diesem Falle nicht mit Sand, Asbest
* Bbühl, Ber. 9, 1368; 12, 197. ' Ber. 18, 2122. ' Her. 20, 916, 1617.
* Ber. 20, 1435, 1827, 2127; 21, 100; 22, 140; 28, 919, 1703.
* Ztschr. f. physik. Chem. 1, 169. ^ Chem. News 69, 87.
^ Ber. 22, 2754. « ^^ 23, 311.
Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung. 47
oder dergleichen (vgl. S. 44) bedeckt werden, weil dann die Substanz
aufgesaugt^ und ihre Verdampfung sehr verlangsamt würde. Ein Schutz
des Bodens ist bei Einführung der Substanz in der sogleich zu be-
schreibenden Weise überhaupt nicht nöthig; in Ausnahmefallen er-
reicht man ihn durch Einbringen kleiner Platinspiralen. Die Substanz
wendet man in solcher Menge an, dass das verdrängte Gasvolum 9 bis
11 ccm beträgt. Ist sie fest und schmelzbar, so wird sie in Stäbchen-
form eingeführt. Bei Flüssigkeiten erreicht man die unbedingt erforder-
liche rasche Ausbreitung durch Anwendung von Eimerchen, welche aus
WooD'schem Metall gefertigt sind; bei dem Hinabstürzen in den warmen
Theil des Apparates schmilzt das WooD'sche Metall, die Flüssigkeit
iliesst aus und kann nun rasch verdampfen. Nur wenn die Substanz
Woon'sches Metall angreift, oder wenn man bei Temperaturen unterhalb
seines Schmelzpunkts (60 — 80^ arbeitet, ist man zur Anwendung gläser-
ner Eimerchen genöthigt. Letztere müssen klirz und weit sein, so dass
sie sicher am Boden der Birne horizontale Lage annehmen und daher
leichtes Ausfliessen gestatten. Man lüftet vor dem Einführen den
Stopfen und bewirkt sogleich nach dem Hinabstürzen durch tüchtiges
Klopfen an dem Halse der Birne das Ausfliessen der Substanz.
Wie bemerkt, ist für die Ausfuhrung dieses Verfahrens das Arbeiten
in einer Wasserstoff -Atmosphäre besonders vortheilhaft. Wo indess
die Anwendung dieses Gases durch die Natur der Substanz ausge-
schlossen sein sollte, kann man auch schwerere Gase — Luft, Stickstoff,
selbst Kohlensäure — als Füllung der Birne benutzen. Da letztere
weniger rasch als der Wasserstoff diffundiren, verläuft die Bestimmung
allerdings langsamer, ftihrt indess doch zu ziemlich genau stimmenden
Resultaten^.
2, Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung.
Für die Bestimmung der Geifrierpunkts-Erniedrigung zum Zwecke
der Molecidargewichtsermittelung ist eine grössere Reihe von Apparaten
vorgeschlagen worden. Der folgende von Beckmann ^ angegebene einfache
Apparat (Fig. 23) ist besonders bequem und hat sich rasch in den
chemischen Laboratorien eingebürgert.
Das mit seitlichem Stutzen versehene Glasgefäss e ist der eigentliche
Gefirierapparat imd dient zur Aufnahme des Lösungsmittels; es fasst
bis zum Stutzen etwa 25 ccm; mittelst eines Korkes ist das in Yioo-Grrade
getheilte Thermometer f eingesetzt; in einem seitlichen Ausschnitt des-
selben Korkes lässt sich der aus dickem Platindrath bestehende Rührer
g auf und ab bewegen. Das weite Batterieglas a ist zur Aufiiahme
einer Kühlmischung bestimmt, deren Temperatur etwa 2 — 5^ unter dem
^ Vgl. Kjuvse u. V. Meter, Ztschr. f. physik. Chem. 6, 5.
* Ztschr. f. physik. Chem. 2, 638.
48 Bestimmtimg i
Erstarraugspunkt der zu prüfenden Flüssigkeit erhalten wird; es ist
ebenfalls mit einem Eührer c yersehen und mit dem Blecbdeckel h be-
deckt. In letzterem hängt der Grlascyiinder d, in welchen durch einen
Eorkring der eigentliche Gefrierapparat e eingesetzt wird. Dieser Glas-
cylinderd bleibt leer und hat nur den Zweck, denEinflussderKUhlmiscbung
auf die zu untersuchende Lösung zu mildem,
indem er zwischen beiden eine schlecht lei-
tende Luftschicht schafft.
Man wägt nun zunächst das Gefrler-
gefUss e, in welches mau einige scharfkantige
Platinschnitzel gebracht hat, fUllt ungeßibr
15 g Lösungsmittel ein, trocknet den oberen
Theil des Rohres mittelst Filtrirpapier, wägt
wieder bis auf Centigramme genau and er-
fährt so die Menge des angewendeten Lösungs-
mittels. Darauf setzt man den Apparat zu-
sammen und bestimmt die Gefriertemperatur
des reinen Lösungsmittels. Nun wird durch
den seitlichen Stutzen von e eine abgewogene
Menge der zu untersuchenden Substanz ein-
geführt, und nach erfolgter Lösung der Ge-
I frierpunkt aufs Neue bestimmt. Die Differenz
der beiden beobachteten Zahlen ergiebt die
Gefrierpunktsemiedrigung.
Auf die Art der Ablesung der Gefrier-
temperatur ist besonderes Gewicht zu legen.
Unter beständigem Rühren kühlt man dje
Flüssigkeit unter ihren Gefrierpunkt ab, trägt
dann für den Beginn der Krystallabscheidung
Sorge und beobachtet unter stets fortgesetz-
tem Rühren den Gang des nun wieder steigen-
den Quecksilberfadens im Thermometer; der
höchste Stand, der jetzt von demselben er-
reicht wird, giebt den Gefrierpunkt an. Es
ist darauf zu achten, dass die Ueberkiihlung
vor Eintritt der Krystallisation nicht den
Flg. 3a bbc«ii4»b'» Appirat rar Betrag von etwa 0-1 — 0-2* überschreitet;
Eraiedrigmg"^''"" aus diesem Grunde ist das Gefriergefäss mit
Platinschnitzeln beschickt, deren scharfe Kan-
ten den Beginn des Gefrierens begünstigen sollen; n8thigenfalis bewirkt
man die Krystallisation durch Einbringen eines kleinen B^rtikelcfaens
des gefrorenen Lösungsmittels. Bei zu starker Ueberkühlung würden
sich grössere Mengen des Lösungsmittels an der Wand des Qeßisses
plötzlich in starken Krusten oder Klumpen abscheiden ; die zurück-
Bestimmung der Gefrierpimktserniedrigung. 49
bleibende Lösung wird dadurch concentrirter und zeigt demgemäss einen
zu niedrigen Gefrierpunkt. Die Beobachtung ist nur dann zuver-
lässig, wenn das Gefrieren mit der Abscheidung feiner Kry-
ställchen im Innern der Flüssigkeit beginnt. Niemals verlasse
man sich auf eine einzige Ablesung, sondern thaue nach der ersten
Beobachtung den Inhalt des Gefriergefasses wieder auf und schreite zu
einer zweiten und dritten ControUbestimmung.
Das Thermometer ist in Yioo"^^^^® getheilt und kann daher nur
wenige Grade umfassen, wenn es nicht unhandlich lang werden soll.
Würde man Thermometer gewöhnlicher Construction anwenden, so wäre
man demnach genöthigt, für jedes Lösungsmittel (z. B. für Wasser,
Benzol 9 Eisessig) je ein besonderes Thermometer zu verwenden. Da
es sich hier indess nicht um die Bestimmung von absoluten Tempera-
turen, sondern nur von TemperaturdiflFerenzen handelt, so lässt sich dieser
Uebelstand in folgender Weise umgehen. An die Capillare des Thermo-
meters /", dessen Scala in ^/^Q^-GraLde getheilt ist, etwa 6 Grade umfasst
und mit einer willkürlichen Bezifferung versehen ist, schliesst sich oben
ein kleines Quecksilberreservegefäss k an. Der gesammte Quecksilber-
vorrath des Thermometers ist so gross, dass bei 0^ die Capillare bis
zum oberen Theil der Scala angefüllt ist. Will man bei höheren Tem-
peraturen — z. B. bei 16^ — Bestimmungen machen, so erwärmt man
das Instrument auf etwa 17 — 18®; ein Theil des Quecksilbers tritt nun
in das Seservegefass und kann durch einen kurzen Stoss auf dessen
Boden geschleudert und somit von dem Faden in der Capillare abge-
trennt werden. Das Instrument ist jetzt so vorgerichtet, dass der Queck-
silberstand bei Temperaturen zwischen etwa 11 — 17® auf der Scala ab-
lesbar ist, und in derselben Weise könnte es für beliebige andere Tem-
peraturen passend eingestellt werden.
Wie bereits früher bemerkt (S. 36), darf man sich nicht mit der
Bestimmung bei einem Concentrationsgrad begnügen, sondern muss die
verschiedenen Concentrationen entsprechenden Werthe der Gefrierpunkts-
depression ermitteln. Man braucht dazu nicht mehrere Versuche anzu-
stellen; nachdem man den durch Zusatz der ersten gewogenen Substanz-
menge bedingten Gefrierpunkt in mehreren Ablesungen festgestellt hat,
bringt man in die vrieder aufgethaute Lösung eine zweite gewogene
Substanzmenge ein, bestimmt jetzt den Gefrierpunkt der concentrirteren
Losung imd kann nun noch ein drittes, viertes Mal u. s. f. neue gewogene
Substanzmengen zufügen, um den Gefrierpunkt bei immer wachsender
Concentration zu erfahren. Die Menge der einzuführenden Substanz
bemisst mfin zweckmässig derart, dass man eine Versuchsreihe erhält.
welche sich über Erniedrigungen von etwa 0-2® bis 2® erstreckt.
Um aus den beobachteten Gefrierpunktsdepressionen die Molecular-
grösse zu erfahren, dient die folgende einfache Rechnung. Ist / die
Menge des Lösungsmittels, p die Menge der Substanz, welche darin ge-
T. IfxTKB XL Jacobsox, org. Chem. L 4
50 Bestimmung der Dampfdriu^kvermmderung
löst die beobachtete Gefiierpunktsemiedrigung c hervomift, so muss
in 100 g Lösungsmittel zur Erreichung der gleichen Depression die
Menge — j-^ aufgelöst werden. Bezeichnet man nun mit T die „mole-
culare Depression" für das benutzte Lösungsmittel — d. i. die Constante,
welche die Gefrierpunktsdepression angiebt, die durch ein Gramm-Molecüi
des gelösten Stoffes in 100 g Lösungsmittel bewirkt würdej, — so hat
man zur Berechnung des Moleculargewichtes M die Proportion:
woraus sich ergiebt:
l'C
Der Werth der Constante T kann flir
Benzol = 49 '^
Eisessig =39*^
Wasser == 19<>
angenommen werden.
Ueber die Moleculardepression einer Beihe anderer Lösungsmittel von höherem
Schmelzpunkt vgl. Etküan^.
Apparate zur Bestimmung der Gefrierpunktsemiedrigung sind femer von Aüwsrs^,
HoLLEMANv', HENTSCHEL^ Etkican^, y. Klobüxow^ angegeben werden.
Fabinyi* schlägt vor, statt der GrefrierplinktBemiedrigung einer Lösung die
Depression des Schmelzpunkts, welche die zu untersuchende Substanz — einer anderen
Substanz, z. B. Naphtalin, in gewissen Mengen zugesetzt — hervorbringt, zur Mole-
cidargewichtsbestimmung zu benutzen. Die Einzelheiten seines Verfahrens, welches
mit sehr geringen Substanzmengen ausgeführt werden kann, vgl. im Original.
3. Bestimmung der Dampfdruckverminderung bezw.
Siedepunktserhohung.
Eine für die Laboratoriumspraxis verwerthbare Methode zur Be-
stimmung der Dampfdruckverminderung flir den Zweck der Molecular-
gewichtsbestimmung ist von Will und Bredig^ ausgearbeitet. Ihr
Princip besteht darin, dass man die Menge des Dampfes durch Wägung
ermittelt, welche an ein bestimmtes Lufbvolum beim Durchleiten durch
die zu untersuchende Lösung abgegeben wird.
Weit bequemer indess als die Dampfdruckverminderung lässt sich,
wie Beckmann^ gezeigt hat, die Siedepunktserhöhung ermitteln, welche
das Lösungsmittel durch Auflösen der zu untersuchenden Substanz er-
* Ben ai, 701. ' Ber. 21, 860. » Ztschr. f. physik. Chemie 2, 806.
« ebenda 2, 964; 3, 118 u. 208; 4, 497.
^ ebenda 4, 10. ^ ebenda 3, 38. ' Ber. 22, 1084.
® Ztschr. f. physik. Chemie 4, 532.
und Sied^ntnktaerkÖkwig.
51
fährt. Die Fig. 24 zeigt den von ihm für die Bestimmung des Mole-
culargewichts auf dieser Grundlage conatruirten Apparat.
Als Siedegefäss dient das dreifach tubulirte Kölbchen A, durch
dessen Boden ein dicker Platindraht s geführt ist; man gieht in das-
selbe etwa bis zur halben Höhe ein grobkörniges Fullmatenal {z. B.
Glasperlen oder Tarirgranaten).
Der Platindraht und das Füll- |
material haben den Zweck, ein I
regelmässiges Sieden und damit 1 ^
eine constante Einstellung der
Temperatur herbeizuführen. Man
befestigt nun in dem weiteren
Tubulus das Thermometer so,
dass es das FUlLmaterial fast
berührt, im mittleren Tubulus
das RüchäuBsrohr B derart, dass
das Dampfloch d als der Weg
für die Dämpfe zum Kuhler frei
bleibt, und das Rohr noch etwa
1 cm oberhalb des Ftillmaterials
und nicht in unmittelbarer Nähe
des Thermometers milndet. Da-
rauf tarirt man den mit Korken
verschlossenen Apparat auf Centi-
gramme genau, beschickt ihn mit
so viel Lösungsmittel, dass das
Thermometergefäss ganz einge-
taucht ist, and stellt durch noch-
malige Wägung das Gewicht des
eingefüllten Lösungsmittels fest.
Nachdem man das Siedegefäss
nun mit einem Mantel M von
Asbestgewebe, welcher oben mit
Watte aasgestopft wird, umhüllt
und an dem durch ein Chlor-
calciumrohr geschützten metalle-
nen Eugelkühler E (vgl. Fig. 4Qc
auf S. 110) befestigt hat, bringt
man durch Erhitzen auf einer
Asbestplatte die Flüssigkeit zum Sieden und beobachtet den Siede-
punkt des reinen Lösungsmittels, Man füllt nun durch den Tubus Ceine
abgewogene Menge der zu untersuchenden Substanz in das siedende
Lösungsmittel ein und beobachtet die dadurch hervorgerufene Siede-
punktserhöhang; nach dieser ersten Beobachtung wird sofort neue Sub-
. Bbckhihh'ii Appin
Ö2 Ermittelung der rationellen Zusarmnensetxufig organischer Verbindungen.
stanz zugegeben, die Siedepunktserhöhung bei der neuen Concentration
beobachtet, ein drittes Mal Substanz zugeführt u. s. f. Ist die letzte
Temperaturerhöhung abgelesen, so entfernt man die Heiz Vorrichtung
sammt Asbestmantel und lässt das Kölbchen am Kühler erkalten. Nach
dem Abnehmen vom Kühler wird nun durch eine nochmalige Wägung
die der Berechnung zu Grunde zu legende Concentration bestimmt. Bei
correctem Arbeiten findet man jetzt das Gewicht des Lösungsmittels nur
um wenige Decigramme geringer, als dessen eingewogene Menge\
Die Berechnung des Moleculargewichts aus der beobachteten Siede-
punktserhöhung ist ganz analog, wie bei dem kryoskopischen Verfahren
(S. 49 — 50). Die dort gegebene Formel:
l'C
liefert auch hier das Moleculargewicht, wenn man mit p die Menge der
gelösten Substanz, mit l die Menge des Lösungsmittels, mit c die be-
obachtete Siedepunktserhöhung, mit T die „moleculare Siedepunkts-
erhöhung" des benutzten Lösungsmittels bezeichnet. Letztere besitzt
für Aether den Werth von 21 «05^, für Schwefelkohlenstoff den Werth
von 23-75^.
Zweites Kapitel.
Die Ermittelung der rationellen Zusammensetzung von
organischen Verbindungen.
(Aeltere Auffassungsweisen: Badicaltheorie und Tjpentheorie. — Atomverkettungs-
theorie. — Ermittelung der Constitution der Alkohole, Aether, Carbonsäuren, Aldehyde
und Ketone. — Stereochemie.)
Von den vier Fragen, deren Beantwortung am Beginn des vorigen
Kapitels als nothwendig zur Ermittelung der Zusammensetzung chemischer
Verbindungen verlangt wurde, können die drei ersten nach den daselbst
beschriebenen Methoden gelöst werden. Es bleibt uns zu besprechen,
auf welchem Wege die letzte Frage, welche das Problem der rationellen
Zusammensetzung oder der Constitution der chemischen Verbin-
dungen einschliesst, einer Lösung nahe gebracht werden kann.
Wenn wir die Umwandlungen der Verbindungen in einander ver-
folgen, so sehen wir oft, wie in einer Reihe von Umsetzungen ein grösserer
zusammengesetzter Bestandtheil von den Veränderungen, die in der
molecularen Zusammensetzung hervorgebracht werden, unberührt bleibt.
^ In Bezug auf zahlreiche bei der Ausfuhrung des Verfahrens zu beachtende
Massregeln — namentlich die Regulirung der Wärmezufuhr und die Ablesung des
Thermometerstandes — muss auf die Originalabhandlung verwiesen werden.
Oeschichtliche Entunckekmg der Ckmstitutionslehre, 53
Elinen solchen Atomcomplex, welcher — nicht unähnlich einem Eiemen-
taratom — den chemischen Eingrififen in einer grösseren Zahl von Reac-
tionen Stand hält, sich von den mit ihm verbunden gewesenen Atomen
trennt, um an sich unverändert mit anderen Atomen zu einer neuen
Verbindung zusammenzutreten, nennt man ein ßadical. Die Erkenntniss
der Bedeutung der Badicale für eine rationelle Auffassung der orga-
nischen Verbindungen wurde hauptsächlich durch die klassischen Arbeiten
von Gat-Lüssac* über das Cyan (1815), von Liebig und Wöhleb^ über
das Benzoyl (1832), von Bunsen« über das Kakodyl (1839) gefördert
Unter dem Einfluss dieser Untersuchungen erstarkte die Radicaltheorie*,
welche namentlich von Berzelius, Liebig und Dumas ausgebildet wurde
und der Entwickelung unserer Wissenschaft äusserst förderlich gewesen
ist, wenn sie sich auch nicht dauernd zu behaupten vermocht hat. An
dem Beispiel der Verbindungen der Benzoesäurereihe sei der Begriff des
Radicals etwas näher erläutert. Aus dem Bittermandelöl C^H^O (Benzal-
dehyd) entsteht durch Oxydation die Benzoesäure C^HgOg, aus letzterer
durch Einwirkung von Chlorphosphor das Benzoylchlorid C^HgOCl, welches
einerseits durch JReduction, indem das Chloratom gegen Wasserstoff aus-
getauscht wird, in das Bittermandelöl zurückverwandelt werden kann,
andererseits durch Austausch des leicht beweglichen Chloratoms bei der
Einwirkung von Wasser wiederum Benzoesäure liefert:
C,H,0C1 + H, = C^H^OH + HCl.
CyH^OCl + HÖH = C^HßOOH + HCl.
Es ist daher ersichtlich, dass die Atomgruppe C^HgO — das Radical
Benzoyl — , welches im Molecül des Benzoylchlorids mit einem Chlor-
atom vereinigt ist, auch einen Bestandtheil der Molecüle des Benzaldehyds
und der Benzoesäure bildet. Der Benzaldehyd erscheint als Benzoyl-
wasserstoff C^HgO-H, die Benzoesäure als Benzoylhydroxyd C^HgO-OH.
Bei einer grossen Zahl anderer Umsetzungen, deren nähere Besprechung
hier zu weit führen würde, lässt sich ebenfalls der Uebertritt des Benzoyl-
radicals von einer Verbindung in eine andere verfolgen.
Das Aufsuchen der Radicale, welche sich in gewissen Reactions-
folgen unverändert erhalten, ist bis heute eines der wichtigsten Hülfs-
mittel zur Erforschung der chemischen Constitution geblieben. Doch ist
für uns die Erkenntniss der Radicale eben nur ein Hülfsmittel und nicht,
wie zur Zeit der Radicaltheorie, das Endziel der Constitutionsbetrach-
tung. Wir können in den Radicalen nicht mehr etwas den Elementar-
< Ann. eh. 96, 136. ' Ann. 8, 249.
» Ann. 81, 175; 87, 1; 42, 14; 46, 1.
^ Die geschichtliclie Entwickelung der Constitutionslehre kann hier nur flüch-
tig geschildert werden. Ausführliche Darstellungen finden sich in den historischen
Werken von Ladenbuso, Entwickelungsgeschichte der Chemie (2. Aufl., Braunschweig
1887) und E. v. Meter, Geschichte der Chemie (Leipzig 1889).
54 BadicaUheorie.
atomen durchaus Vergleichbares erblicken ; denn wir wissen, dass es von
der Auswahl der Reactionen, die wir unseren Betrachtungen zu Grunde
legen, abhängt, welche Atomgruppen sich uns als etwas Zusammen-
gehöriges zu erkennen geben. Die Benzoesäure z, B. enthält nach ge-
wissen anderen genetischen Beziehungen ein Radical C^Hg, das „Phenyl**
genannt wird; sie lässt sich aus dem Anilin, welches eine Verbindung
des Phenylradicals mit dem Amidrest NH^ darstellt, gewinnen, indem
man zunächst den Amidrest durch das Cyanradical CN ersetzt und in
dem so entstehenden Benzonitril die Cyangruppe durch Abspaltung des
Stickstoffs in die Carboxylgruppe CO3H überführt:
CeHg.NHä Anilin; CeHg-CN Benzonitril; CeHsCOjH Benzoesäure.
Destillirt man die Benzoesäure mit Kalk, so resultirt unter Abspaltung
von Kohlensäure die Verbindung des Phenylradicals mit Wasserstoff:
das Benzol CgHg-H. Wie sich demnach aus den vorher geschilderten
Beactionen auf die Gegenwart eines Badicals C7H5O (Benzoyl) schliessen
Hess, so giebt sich in den jetzt betrachteten Reactionen das Phenyl-
radical C^Hg als nicht wechselnder Bestandtheil zu erkennen. Beide
Befunde sind für die Frage nach der Constitution der Benzoesäure von
hoher Bedeutung, keiner derselben löst dieselbe in ausreichender Weise.
Die Radicaltheorie (etwa von 1830 — 1845) beleuchtete die Be-
ziehungen, welche zwischen Verbindungen von durchaus abweichendem
chemischen Charakter infolge des Vorkommens desselben Radicals be-
stehen. Die ihr später folgende Typentheorie (etwa von 1848 — 1858),
welche sich hauptsächlich auf Experimentaluntersuchungen von Wübtz,
A. W. Hofmann und Williamson stützte, von Dumas begründet wurde,
ihre Ausbildung aber in erster Linie Gekhardt verdankt, fasste in glück-
licher Weise die verschiedene Radicale enthaltenden Verbindungen von
ähnlichem chemischen Charakter unter einheitlichen Gesichtspunkten
zusammen. Alle organischen Verbindungen wurden nach dieser Lehre auf
eine geringe Anzahl von der anorganischen Chemie entnommenen Typen
bezogen. Zunächst wurden die vier Typen:
Wasserstoff: Chlorwasserstoff: Wasser: Ammoniak:
S Cl So HN
aufgestellt.
Auf den Typus Wasserstoff konnten die Kohlenwasserstoffe bezogen
werden:
^•p» Aethylwasserstoff; ^^^ MethylfithyL
Dem Typus Chlorwasserstoff gehörten die Halogenderivate der Kohlen-
wasserstoffe, die Säurechloride, die Nitrile an:
lypentheorie, 55
^«^j Aethylchlorid; ^«^»^ Acetylchlorid ;
^'^»^ Benzoylchlorid; ^J^ PropionitriL
Der Wassertypus umfasste die Alkohole, Säuren, Säureanhydride und
Ester:
^«^0 Aethylalkohol; ^«^»^0 Essigsäure;
^'«•go Benzoesäure; g^go Essigsäureanhydrid;
^<?f?^ BenzoöBäureäthylester; ^(?|?0 Essigester;
der Typus Ammoniak endlich die Amine und Säureamide:
^^»N Methylamin; ^«JJ^N Aethylamin;
(CHj^j^ Dimethylamin; ^«^|pN Acetamid;
^»^|?N Benzamid ; ^*^*^N Succinimid.
Diesen vier Typen fügte später KEKULfi noch den Typus „Grubengas"
Hl
u[C zu. Das Bestreben, alle organischen Verbindungen diesen Typen
hI
einzureihen, machte femer die Annahme von „vervielfachten" und „ge-
mischten" Typen nothwendig.
Die Typentheorie ermöglichte eine ausserordentlich übersichtliche
Systematik der organischen Verbindungen; das Problem der Constitutions-
erforschung fand indess in dem Vergleich mit gewissen einfachen an-
organischen Typen noch durchaus keine befriedigende Lösung. Jene
Analogien zwischen complicirten organischen Verbindungen und einfachen
anorganischen Typen haben sich zwar keineswegs als unzutreffend er-
wiesen, vielmehr werden sie auch in unseren heutigen Anschauungen
noch in demselben Umfang wie zur Zeit der Typenlehre anerkannt.
Indess ihre Erkenntniss genügte nicht zur Lösung jener Aufgabe, welche
wir ups bei Constitutionsbetrachtungen in erster Linie stellen müssen:
zur Erklärung der einzelnen Isomeriefälle. Wir kennen z. B. drei Ver-
bindungen CjHqO: Methyläthyläther, Propylalkohol und IsopropylaJkohol;
die Typentheorie verwies mit Recht alle drei in den Typus Wasser und
Tersinnlichte ihre Zusammensetzung durch die Ausdrücke:
CjHj^ CjHy^ CjH^^
CH,^ H ^ H ^
MethylfithyiSther; Propylalkohol; Isopropylalkohol.
56 Atomverkettungstheorie.
In diesen Formeln finden wir wohl eine Erklärung für die Verschieden-
heit des gemischten Aethers von den beiden Alkoholen; denn in dem
Methyläthyläther sind eben beide Wasserstoflfatome des Wassers durch
kohlenstoffhaltige Radicale vertreten, während in den beiden Alkoholen
eines derselben unvertreten enthalten ist. Warum aber sind Propyl-
alkohol und Isopropylalkohol von einander verschieden, wenn beide als
Wasser aufgefasst werden müssen, in welchem die Hälfte des Wasser-
stoffs durch ein Radical C3H7 (Propyl) ersetzt ist? Offenbar wird dieses
Radical in jedem der beiden Fälle eine abweichende rationelle Zu-
sammensetzung besitzen; auf die Frage aber, worin diese Verschieden-
heit bestehen mag, konnte die Typenlehre keine Antwort geben; sie
konnte wohl die gröbere Isomerie zwischen den Angehörigen verschie-
dener Körperklassen erklären, fiir die feinere Isomerie, wie sie zwischen
Verbindungen einer und derselben Elasse besteht, konnte ihr eine Deutung
nicht entnommen werden.
Also weder das Aufsuchen der Radicale, welche sich in gewissen
Reactionsfolgen unverändert erhalten, noch die Ableitung der einzelnen
Verbindungen von bestimmten Typen enthüllt uns die rationelle Zu-
sammensetzung der Molecüle organischer Verbindungen so weit, dass
das berechtigte Verlangen nach einer Erklärung aller Isomeriefalle er-
füllt wird. Nicht bei der Erkenntniss gewisser Atomgruppen, die den
Wandel einiger Reactionen in ihrer Zusammengehörigkeit überdauern,
dürfen wir stehen bleiben; denn, wie das eben besprochene Beispiel der
beiden Propyl-Radicale erkennen lässt, zeigen auch diese Bruchstücke
der Molecüle noch Isomerie d. h. Verschiedenheit bei gleicher empirischer
Zusammensetzung. Die Gliederung der Molecüle muss bis auf jene
einzelnen Bausteine verfolgt werden, deren weitere Zerlegung wir zwar
nicht als undenkbar, aber als für unsere gegenwärtigen Hülfsmittel un-
ausfiihrbaV betrachten, — bis auf die Elementaratome.
Dieses Ziel, die Constitution der chemischen Verbindungen durch
das Zurückgehen bis auf die einzelnen Elementaratome zu erkennen,
wird in der seit etwa 30 Jahren geltenden Atom Verkettungstheorie
erstrebt Ihre Grundzüge entwickelten unabhängig von einander KsKUiif:
und Coüpee; das Verdienst, durch eine systematische Durchfuhrung ihre
Brauchbarkeit ei'wiesen und ihr dadurch allgemeine Geltung verschafft
zu haben, gebührt unstreitig in erster Linie KekülS, welcher hierin von
BuTLEKOW und Eklenmeyer in erfolgreicher Weise unterstützt wurde.
Die Atomverkettungslehre hat sich nicht nur in fast allen Fällen als
fäiig bewährt, die Constitution der grossen Zahl der bekannten organischen
Verbindungen in befiiedigender Weise zu deuten; sie ist seit ihrer Auf-
stellung der Leitstern für die überwiegende Mehrzahl der neuen Unter-
suchungen auf dem Gebiete der organischen Chemie geworden; sie hat
Beziehungen angedeutet, welche zwischen gewissen Verbindungsklassen
bestehen könnten und dann durch das Experiment erkannt wurden; sie
Valenzlehre, 57
liess die Existenz gewisser neuer Verbindungsformen als möglich er-
scheinen, wies die Wege, auf welchen man die Darstellung dieser neuen
Verbindungen in Angriff nehmen könnte, und liess den Experimentator,
der sich ihrer Leitung anvertraute, nur selten unbelohnt; kurz sie ver-
lieh der Forschung einen Impuls, wie er wohl selten mächtiger und
nachhaltiger von einer Theorie ausgegangen ist.
Die Atomverkettungstheorie oder Structurtheorie, wie man
sie auch treffend bezeichnet, da sie die Bauart der Molecüle erkennen
lassen will, geht von dem Grundsatz aus, dass jedes Elementaratom nur
mit einer begrenzten kleinen Anzahl anderer Atome in unmittelbare
Beziehung treten kann. Für jedes Element ist diese Zahl von Atomen,
welche von je einem Atom gebunden werden können, eine charakteristische
Eigenschaft, welche als Atombindekraft, Sättigungscapacität oder
gewöhnlicher als Werthigkeit, Valenz bezeichnet wird. Die Lehre
von der Valenz der Elemente, welche vornehmlich von Coupeb, Frankland,
KEKUiifi, KoLBE^ und Odling ausgebildet ist und schon frühzeitig
(1852) in besonders klarer Weise von Feankland dargelegt wurde, war
daher ein nothwendiger Vorläufer der Atomverkettungstheorie.
Wie bestimmen wir die Valenz der einzelnen Elemente? Wir ken-
nen eine Anzahl von Elementen, welche unter einander nur Ver-
bindungen bilden, deren Molecüle aus zwei Atomen bestehen; es sind dies
der Wasserstoff und die Halogene: Chlor, Brom und Jod. Wir schliessen
daraus, dass die Atome dieser Elemente überhaupt nicht fähig sind,
mehr als ein anderes Atom an sich zu fesseln, dass ihre Atombindekraft
durch die Bindung eines anderen Atoms vollständig erschöpft ist. Wir
bezeichnen sie daher als einwerthig und haben damit eine Einheit
der Valenz und ein Mittel gewonnen, um die Valenz der übrigen Ele-
mente zu bestimmen. Einwerthige Elemente sind solche, welche
mit nicht mehr als je einem Atom eines und desselben anderen
Elementes in Verbindung treten können. Die Sättigungscapacität
jedes anderen Elementes wird sich am klarsten in denjenigen Verbin-
dungen zu erkennen geben, deren Molecül nur ein Atom desselben neben
den Atomen dieser einwerthigen Elemente enthält. Aus der Zusammen-
setzung dieser Verbindungen lesen wir direct ab, mit wie viel einwerthigen
Atomen ein Atom des zu untersuchenden Elementes in Verbindung treten
kann, und erfahren somit seine Valenz.
An dieser Stelle haben wir uns nur mit der Valenz derjenigen
Elemente zu beschäftigen, welche in der Zusammensetzung der organischen
Verbindungen die wichtigste Rolle spielen : mit dem Wasserstoff, Sauer-
stoff und Kohlenstoff. Der Wasserstoff wurde als einwerthiges
' Zwar wurde Rolbe in seiDen späteren Jahren ein unermüdlicher Bekämpfer der
Valenztheorie, doch hat grade er mit in erster Linie zur Klarlegung des Valenzbe-
t^n& beigetragen.
58 Yierwerthigkeü des Kohlenstoffs.
Element bereits erkannt. Für den Sauerstoff ergiebt sich aus seinen
Verbindungen mit WasserstoflF und Chlor:
HjO Wasser; Cl^O Unterchlorigsäureanhydridi
die Zweiwerthigkeit, für den Kohlenstoff aus den Verbindungen:
CH4 Grubengas (Methan); CCI4 Tetrachlorkohlenstoff
die Vierwerthigkeit zu erkennen. Während wir bei vielen anderen
Elementen — wie z. B. Schwefel, Stickstoff, Eisen u. s. w. — einen
Wechsel der Valenz annehmen müssen, haben wir keinen Grund daran zu
zweifeln, dass der Sauerstoff in allen seinen Verbindungen zweiwerthig
fungirt, denn alle lassen sich unter dieser Annahme in plausibler Weise
deuten 1. Ebensowenig lässt die Zusammensetzung der nach Tausenden
zählenden Kohlenstoffverbindungen Zweifel an der constanten Vierwerthig-
keit des Kohlenstoffs aufkommen; eine einzige Verbindung dieses Ele-
ments — und grade die einfachste — bildet eine Ausnahme: das Kohlen-
oxyd CO, in dessen Molecül ein Kohlenstoffatom sich mit der Bindung
eines zweiwerthigen Sauerstoffatoms begnügt und demnach seine Binde-
kraft nicht vollständig ausnutzt 2.
lieber das Wesen der Valenz — über die Ursache, durch welche
die verschiedene Sättigungscapacität der Elemente bedingt ist — be-
sitzen wir noch keine klare Vorstellung^. Aus den Beobachtungen
können wir zunächst nur ableiten, dass ein Kohlenstoffatom eine viermal
grössere Atombindekraft als ein Wasserstoffatom besitzt, weil es eben
im Stande ist, seine Affinität vier anderen Atomen gegenüber zu äussern.
Wir können daran die Vorstellung knüpfen, dass die Bindekraft eines
Kohlenstoffatoms in vier Angriffspunkten concentrirt ist, von welchen be-
stimmte Affinitätsantheile — Affinitätseinheiten — ausgehen. Nach
dieser Auffassung würde z. B., wenn im Methan ein Wasserstoffatom
durch Chlor ersetzt wird :
P^H ^ p/-H
Vh ^ Vh »
^H \C1
in dem Substitutionsprodukte das Chloratom durch denselben Affinitäts-
antheil festgehalten werden, wie vorher das nun verdrängte Wasserstoff-
^ Eine Ausnahme würde die Verbindung von Dimethylüther und Salzsäure
(Friedel, Bull. 24, 160 und 241) bilden, wenn sie atomistisch nach der Formel
CHjv yE
yO(^ und nicht als Molecularverbindimg (CH8)aO + HCl aufzufassen wäre.
GH,/ XJl
Doch ist in Anbetracht der leichten Dissociirbarkeit dieser Verbindung (vgl. Kap. 8
d. spec. Theils) letztere Auffassimg wohl die wahrscheinlichere.
' Zweiwerthigen Kohlenstoff nehmen Einige auch in den Carbylaminen (vgl.
Kap. 5 d. spec. Theils) an; doch ist die Deutung dieser Verbindungen mit vier-
werthigem Kohlenstoff keineswegs ausgeschlossen.
' Speculationen über das Wesen der Valenz vgl. in Kap. 12 d. spec Theils.
Gl&ichwerthigkeit der Kohlenstoffvalenxen. 59
atom. Eine solche Annahme ist zulässig , wenn auch nicht dringend
geboten. Es ist zur Erklärung der Thatsachen nicht grade nothwendig,
bei den mehrwerthigen Elementen eine gewisse feststehende Vertheilung
ihrer Atombindekraft in Affinitätseinheiten vorauszusetzen. Trotzdem
hat sich diese Auffassung grade für die Deutung der organischen Ver-
bindungen fast allgemein eingebürgei*t; sie hat eine erhöhte Berechtigung
gewonnen, seit es mit ihrer Hülfe möglich geworden ist, die räumliche
Anordnung der Atome innerhalb des Molecüls in erfolgreicher Weise
zu discutiren.
Wenn wir uns nun diese Vorstellung von der Theilung der einem
Kohlenstoffatom zukommenden Atombindekraft in vier Affinitätseinheiten
oder Valenzen, wie man dieselben kürzer zu bezeichnen pflegt, aneignen,
so wirft sich die Frage auf: „Sind diese vier Valenzen einander gleich-
werthig oder nicht?" Nehmen wir einmal an, sie seien ungleich werthig;
es sei z. B. eine derselben (a) vor den drei übrigen (ft, c und d) in irgend
welcher Weise ausgezeichnet, was wir dadurch versinnlichen wollen, dass
eine Valenz durch einen punktirten Strich, die anderen durch ausgezogene
Striche dargestellt werden; dann erhielte das Methan die Formel:
und für jedes Monosubstitutionsproduct desselben — z. B. für das Me-
thylamin CH3NH2 — erschiene die Existenz zweier isomerer Modificationen
möglich, je nachdem das Substituens durch die Valenz a oder durch eine
der Valenzen b, c und d mit dem Kohlenstoffatom verknüpft ist:
(ejn^ ^U(b) (e)Ks^ y^^tß)
Eine solche Isomerie ist nun nicht beobachtet worden; auf welchem
Wege man auch das Methylamin dargestellt hat, stets resultirte eine
und dieselbe Substanz. Von solchen Isomeriefällen, welche sich nur
unter der Annahme der Ungleichwerthigkeit der Kohlenstoffvalenzen als
möglich ergeben, ist bisher kein einziger aufgefunden worden. Die
Gleichwerthigkeit der Kohlenstoffvalenzen erscheint hiemach so gut wie
zweifellos, ist aber femer durch einen von Hjenbt^ erbrachten directen
Beweis sicher gestellt, welcher freilich voraussetzt, dass bei den in Be-
tracht kommenden Beactionen nicht eine Wanderung der Atome von
einer Valenz an eine andere stattfindet.
Hevbt stellte ein Monosubstitutionsderivat des Methans, das Cyanmethyl (Aceto-
nitril) CH,-CN, durch vier verschiedene Processe dar; diese Processe waren derart
ausgewählt, dass bei normalem Reactionsverlauf in jedem der vier Reactionsprodukte
^ Bull, de racad. roy. de Belgique [3] 12, 644; 16, 388.
60 Ableitung von
ein anderes Wasserstoffatom des Methanmolecüls durch die Cyangmppe vertreten sein
musste, in jedem derselben also die Cyangruppe auch durch eine andere Valenz an
das Kohlenstofiatom gebunden sein musste. Die vier Reactionsprodukte erwiesen sich
als durchaus identisch; es folgt daraus die Gleich werthigkeit der vier Kohlenstoff-
valenzen; doch darf man die Beweiskraft dieser Versuchsreihen nicht überschätzen,
da Umlagerungen nicht ausgeschlossen erscheinen. Auch die Darstellung des Nitro-
methans CHg'NO, auf vier verschiedenen ebenso ausgewählten Wegen führte zu vier
identischen Präparaten.
Mit Hülfe der beiden bisher erkannten Sätze über die Natur des
Eohlenstoffatoms :
1) Das Kohlenstoffatom ist vierwerthig,
2) Die vier Valenzen des Kohlenstoffatoms sind einander gleich,
lässt sich nun für Molecüle von bestimmter empirischer Zusammen-
setzung entwickeln, auf welche Arten die Atome in denselben an ein-
ander gebunden sein können. Für das Aethan z. B., dessen moleculare
Zusammensetzung der Formel CgHg entsprechend festgestellt ist, ergiebt
sich überhaupt nur eine einzige Möglichkeit der Atomordnung. Das
Zusammenhalten von sechs einwerthigen und zwei vierwerthigen Atomen
kann offenbar nur durch die Aneinanderbindung der beiden öiehr-
werthigen Atome bewirkt werden. Wenn jedes der beiden C- Atome je
eine Valenz zur Bindung des anderen verbraucht: -^C — C^, so bleiben
grade sechs Valenzen zur Bindung der sechs einwerthigen Wasserstoff-
atome übrig. Die Structurformel:
H\ yH
H^C-CfH
ist die einzig mögliche; die Theorie lässt für die Zusammensetzung C^Hg
nur einen Structurfall vorhersehen, und die Erfahrung hat in der That
nur eine Verbindung von der Zusammensetzung CjH^ kennen gelehrt.
Denken wir tms nun ein Wasserstoffatom des Aethans durch ein
anderes einwerthiges Atom, z. B. ein Chloratom ersetzt, so wird offenbar
stets dieselbe Verbindung entstehen müssen, welches der sechs Wasserstoff-
atome auch der Substitution anheimfallen möge; denn alle sechs Wasser-
stoffatome des Aethans sind ja in durchaus gleicher Weise gebunden
und daher einander gleichwerthig. Die Verbindung CaHgCl wird dem-
nach ebenfalls nur in einer Modification vorkommen, deren Structur
durch das Schema:
H-^C-C^Cl
wiederzugeben ist. Die Verhältnisse liegen ganz ebenso, wenn anstatt eines
einwerthigen Elementaratoms eine einwerthige Atomgruppe, z. B. die
StriusturmÖglichkeüen, 61
Methylgruppe: — C^H, eingeführt wird. Für die Verbindung CjH.-CH-
\h
= C3Hq kann wiederum nur eine einzige Bindungsweise der Atome
H
H\ I /H
H/ I ^H
H
abgeleitet werden. In Uebereinstimmung mit diesen Deductionen kennen
wir nur eine Verbindung C3H5CI (Chloräthyl) und nur eine Verbindung
CjHg (Propan).
Nachdem aber einmal ein Wasserstoffatom des Aethanmolecüls er-
setzt ist, sind die fünf übrig bleibenden nicht mehr einander gleich-
werthig. Zwei derselben sind an dasselbe Eohlenstoffatom gebunden, an
welchem das Substituens haftet, die drei anderen an dasjenige Eohlen-
stoffatom, dessen Bindungsverhältnisse durch die Substitution nicht un-
mittelbar verändert wurden. Es muss einen Unterschied bedingen, ob
ein Wasserstoffatom der ersten oder eines der zweiten Art durch ein
neu eintretendes Substituens verdrängt wird. Für die Verbindung C^H^Clj
ergeben sich zwei Structurmöglichkeiten :
H^C-Cfci und CAC-Cfci
und zwei analoge Möglichkeiten für die Verbindung C3H4(CH3)2=C^Hj(,:
C H H
H\ I /H Hv I I /H
H-^C— C-C<-H und H-7C-C— C— C^H .
H^ I \H W \ \ \H
H H H
Wir kennen thatsächlich zwei isomere Verbindungen CjH^Brg : Aethylen-
bromid und Aethylidenbromid, und ebenso zwei isomere Kohlenwasser-
stoffe C^H^o- B^^A^ ^^d Isobutan.
Je mehr Atome nun zu einem Molecül zusammentreten, um so
grösser wird die Zahl der theoretisch möglichen Constitutionsformeln.
Für ein Molecül C^Hj^Clj lassen sich z. B. schon 50 verschiedene Arten
der Atomanordnung entwickeln. Mit welchen Mitteln können wir nun
unter den vielen Möglichkeiten diejenigen auswählen, welche den wahr-
scheinlichen Ausdruck für die Structur der einzelnen wirklich beobach-
teten Verbindungen darstellen?
Für diesen Zweck — für die Ableitung der Structur der organischen
Verbindungen — lassen sich nicht allgemein anwendbare Methoden angeben,
62 CofistütUu/n der
wie es für die Ermittelung der empirischen Zusammensetzung geschehen
konnte. Die Constitutionsformeln , weiche wir den organischen Ver-
bindungen beilegen, sind das Besultat einer ßeihe von Schlussfolgerungen,
welche aus den Entstehungsweisen und den Umwandlungen der zu er-
örternden Substanz gezogen werden, sich demnach der Natur dieser
Substanz anpassen müssen und in den einzelnen Fällen sehr verschieden-
artig sein können. In dem speciellen Theile sollen fiir alle wichtigeren
Verbindungen die Gründe angegeben werden, welche die ihnen zuge-
schriebene Constitution wahrscheinlich machen. An dieser Stelle kann
die Art und Weise der Constitutionsableitung nur an Beispielen er-
läutert werden; dieser Erläuterung mögen die wichtigsten sauerstofihaltigen
Verbindungstypen als Gegenstand dienen, da die Kenntniss ihrer Structur-
verhältnisse für die im speciellen Theil zu liefernden Ableitungen von
Nutzen sein wird.
Die Constitution der Alkohole, Aethjer, Carbonsäuren,
(Ajldehyde und Eetone.
Als ein Beispiel der Isomerie wurden schon in der Einleitung zwei
Verbindungen von der Zusammensetzung CjHgO citirt, der Aethyl-
alkohol und der Dimethyläther. Sie sind die Repräsentanten zweier
grosser Verbindungsklassen, der Alkohole und Aether; die charakte-
ristischen Structui'eigenthümlichkeiten dieser beiden Klassen wollen wir
an ihnen entwickeln.
Von dem Aethan C^Hg, dessen Structur S. 60 festgestellt wurde,
unterscheiden sie sich durch den Mehrgehalt eines Sauerstoffatoms. Man
kann sich den Eintritt eines zweiwerthigen Sauerstoffatoms in das
Aethanmolecül:
nur auf zweierlei Weise denken; es kann sich entweder zwischen ein
Kohlenstoffatom und ein Wasserstoffatom oder zwischen die beiden Kohlen-
stoffatome einschieben:
I. II.
H\ /0-H Hv /H
H-^C- C^H ; H^-O-C^H .
Diese beiden von der Theorie zur Auswahl gestellten Möglichkeiten
können auch durch die Formeln:
C^HsOH und CHgOCHa
ausgedrückt werden, in welchen die kohlenstoffhaltigen Radicale sum-
marisch zusammengefasst sind.
Alkohole wvd Aether. 63
Ein Blick auf diese Formeln lässt erkennen, dass nur die nach
dem ersten Schema construirte Verbindung ein wirkliches Derivat des
Aethans mit zwei zusammenhängenden Kohlenstoffatomen ist, während
die Molecüle der zweiten Art zwei Methylgruppen durch ein Sauerstoff-
atom yerknüpft enthalten, und demnach die aus solchen Molecülen be-
stehende Substanz zum Aethan in keiner näheren Beziehung stehen wird.
Denken wir uns die beiden Verbindungen solchen Beactionen unterworfen,
bei welchen das zweiwerthige Sauerstoffatom durch zwei einwerthige
Atome ersetzt wird, so wird diese Vertretung bei der einen Verbindung
das Zusammenbleiben der beiden Eohlenstoffatome in einem Molecül
nicht hindern, bei der anderen dagegen noth wendiger weise eine Tren-
nung hervorbringen, die das Zerfallen in zwei je ein Eohlenstoffatom
enthaltende Molecüle zur Folge haben wird.
Das Phosphorpentachlorid PClg ist ein Reagens, welches zur Ent-
scheidung solcher Fragen besonders geeignet ist, da es in vielen orga-
nischen Verbindungen einen Austausch von Sauerstoff gegen Chlor be-
wirkt, indem es dabei selbst in Phosphoroxychlorid POCI3 übergeht.
Lassen wir es auf die eine der in Bede stehenden Substanzen, den Aethjl-
alkohol, einwirken, so beobachten wir eine Beaction im Sinne der
Gleichung:
CAO + PCI5 = C^HjCI + HCl + POCl,.
Diese Beaction entspricht so vollständig dem Verlauf, den wir bei einer
nach der Formel I zusammengesetzten Verbindung erwarten müssen,
dass kaum noch Zweifel an der Bichtigkeit dieser Formel für den Aethyl-
alkohol aufkommen können. Das Sauerstoffatom war nach jener An-
nahme durch eine Valenz mit dem Aethylradical C3H5, durch die andere
mit einem Wasserstoffatom verknüpft; wird es durch zwei einwerthige
Chloratome ersetzt, so müssen zwei Molecüle entstehen, deren jedes ein
Chloratom mit dem vorher durch eine Sauerstoff^alenz festgehaltenen
Rest vereinigt enthält:
.H ^ CIH *
<
Zudem erweist sich nun das in dieser Beaction entstehende Chloräthyl
CjHjCl als ein echtes Derivat des Aethans, indem es durch Beduction
in Aethan übergeftlhrt und aus dem letzteren durch Chlorirung wieder
erzeugt werden kann:
CjHbCI + H, = C,H,.H + HCl.
C,He + Cl, = C^H^a + HCl.
Die Beaction des Phosphorpentachlorids auf den Aethylalkohol ver-
läuft sehr heftig; man könnte vielleicht denken, dass durch dieselbe eine
völlig andere Atomgruppirung bewirkt wird, als sie in der Ausgangs-
snbstanz bestand. Ein solcher Einwand gegen die eben gegebene Con-
64 Constitution der
stitutionsableitung erscheint zwar schon in Anbetracht der reichlichen
Bildung des Chloräthyls wenig wahrscheinlich , bedarf aber immerhin
einer Prüfung. Er wird am schlagendsten widerlegt werden, wenn
es gelingt, das Chloräthyl wieder durch Austausch des Chloratoms gegen
die OH-Gruppe in Aethylalkohol zurückzuverwandeln ; diese Umwand-
lung gelingt nun in der That, z. B. durch die Einwirkung von feuchtem
Silberoxyd:
CjH,. Ci 4- Ag^ OH = CjHj.OH + AgCl.
Der Nachweis der Zusammengehörigkeit von einem Sauerstoffatom
und einem Wasserstoffatom zu einer einwerthigen Gruppe — OH (Hydroxyl-
gruppe), wie er hier flir den Aethylalkohol geliefert ist, ist von sehr
allgemeiner Anwendbarkeit. Man wird in den meisten Fällen berechtigt
sein, in einer sauerstoffhaltigen Verbindung die Gegenwart einer Hydroxyl-
gruppe anzunehmen, wenn man bei der Einwirkung von Phosphorpenta-
chlorid findet, dass ein Chloratom an die Stelle von einem Sauerstoff-
atom und einem Wasserstoffatom zugleich eintritt, und wenn man aus
der so entstandenen Chlorverbindung durch Einwirkung von Wasser
oder Alkalien die ursprüngliche Verbindung regeneriren kann.^
Die filr den Aethylalkohol hiemach sich ergebende Constitutions-
formel CgHg — 0— H entspricht nun seinem chemischen Verhalten auch
in allen übrigen Reactionen vollkommen. Sie lässt voraussehen, dass von
den sechs Wasserstoffatomen sich nicht alle gleichartig verhalten werden,
dass vielmehr eines unter ihnen — das an Sauerstoff gebundene — durch
^ Es sei indessen daran erinnert, dass in vereinzelten Fällen der Austausch
eines Chloratoms gegen die Elemente OH infolge einer Umlagerang nicht zur Bil-
dung einer Hydroxylgruppe führt; aus Thionylchlorid SOCl, entsteht eine schwef-
lige Säure, welcher nicht die Formel SO(OH]^, sondern H*SO,-OH zugeschrieben
werden muss, aus Phosphortrichlorid PCI, die phosphorige Säure H-PCXOH),, aus
Benzanilidchlorid CeH^-CCl: NCeHg das Benzanilid CeH^-CONHCeH». — Umge-
kehrt führt zuweilen die Einwirkung von Phosphorpentachlorid auch bei nicht hydroxyl-
haltigen Verbindungen scheinbar zum Ersatz der Elemente OH durch Ol; so liefert
das eben genannte Benzanilid mit Phosphorpentachlorid das Benzanilidchlorid:
C^HnNO + PCI5 = CxjHioClN + POCl, + HCl.
Ein derartiger Beactionsverlauf lässt sich stets darauf zurückführen, dass das unmittel-
bare Reactionsprodukt gleich eine weitere Zersetzung erleidet und sich daher der Be-
obachtung entzieht Im erwähnten Falle z. B. wird zunächst das Sauerstoffiitom
durch 2 Chloratome ersetzt:
CjHsv CgHj.,
>C = 0 + PC1, -
..1x5. nh/ c^h.
>C = 0 + PCl, - >CC1, + POCla ;
C.H..NH/ C«H«NH/
das entstehende Dichlorid ist indess unbeständig und wird sofort imter Verlust von
1 MolecÜl Chlorwasserstoff weiter verändert:
>CC1, = >CC1 -H HCl.
C.H5.NH/ CeHsN^
Alkohole und Äetker, 65
besondere Eigenschaften sich von den übrigen unterscheiden wird. In
der That giebt sich die besondere Function dieses einen Wasserstoff-
atoms in einer sehr grossen Zahl von Reactionen durch seine leichte
Austauschbarkeit gegen andere Atome oder Atomgruppen zu erkennen,
welche ganz analog der Reactionsfähigkeit des Hydroxylwasserstoffs in
den anorganischen Hydroxyden ist. Dieses eine Wasserstoffatom kann
durch Metallatome ersetzt werden:
CsHg • 0 • Na Natriumalkoholat,
oder durch Säureradieale:
CjHj.ONOa; CjHg.OClO^; C.Hg.O.SOaH,
oder auch durch Kohlen wasserstoffradicale:
C2H5 • 0 • CH3 ; C2H5 • 0 • C^Hs ; C^Hs • 0 • O3H7.
Im letzteren Falle sehen wir Verbindungen entstehen, welche zu
derselben Verbindungsklasse gehören wie der mit dem Aethylalkohol
isomere Dimethyläther, für welchen von den auf S. 62 aufgestellten
Formeln nun nur noch die zweite:
CHs-O-CHg
übrig bleibt. Diese Foimel drückt nun wirklich das Verhalten desselben
und seine genetischen Beziehungen in durchaus befriedigender Weise
aus. Die besondere Beweglichkeit eines Wasserstoffatoms, welche den
Aethylalkohol charakterisirt, finden wir am Dimethyläther im Einklang
mit jener Formel nicht wieder; denn alle sechs Wasserstoffatome sind ja
gleichartig an Eohlenstoffatome gebunden. Das Vorhandensein von zwei
durch ein Sauerstoffatom getrennten Methylgruppen (CH3) kann auf
synthetischem wie analytischem Wege erwiesen werden^. Denn einer-
seits kann der Dimethyläther aus einer dem Aethylalkohol ganz analog
gebauten Verbindung dem Methylalkohol CH^O, für welche die Structur-
formel CH3— 0— H die einzig ableitbare ist, erhalten werden, wenn man
in derselben das Hydroxyl -Wasserstoffatom durch die Methylgruppe
ersetzt:
CH,-0-:Na + J -CH, = NaJ + CH3— O-CH»;
' Die hier folgende Bildimgsreaction und Spaltung ist freilich grade für den
Dimethylftther bisher noch nicht ausgeführt — wohl nur deshalb nicht, weil der
DimethyUther als ein sich erst bei — 24^ condensirendes Gas ein schwieriger zu be-
handelndes Versuchsobject ist, als seine bei gewöhnlicher Temperatur flüssigen Homo-
logen. Die Reactionen sind indess bei anderen Verbindungen, welche in analogen
Reactionen wie der Dimethyläther entstehen und demnach zu derselben Klasse ge-
hören und analoge Structur besitzen müssen, beobachtet worden ; es kann daher keinem
Zweifel unterliegen, dass der Versuch auch ihre Geltung für den Dimethyläther er-
weisen würde. Der Einfachheit halber ist in der obigen Beweisführung der Dimethyl-
äther nicht durch eine jener kohlenstoffireicheren Verbindungen ersetzt worden, an
welchen die Reactionen thatsächlich ausgeführt sind.
T. MxTKB VL Jacobson I org. Chem. L 5
66 Constitution der Alkohole und Aether.
umgekehrt zerföUt er durch die Einwirkung von Jodwasserstoff leicht
in Methylverbindungen:
"\o + HJ = CH,.OH + CH,J.
Die Constitutions Verschiedenheit, welche im Vorstehenden fiir den
Aethylalkohol und Dimethyläther nachgewiesen wurde, ist typisch für die
beiden Klassen der Alkohole und Aether. Die Alkohole sind charakte-
risirt durch ein Sauerstoffatom, das einerseits an Wasserstoff, anderer-
seits an ein Kohlen wasserstoffradical gebunden ist, die Aether dagegen
durch ein Sauerstoffatom, das durch beide Valenzen mit je einem
Kohlenwasserstoffradical verknüpft ist. Die Alkohole erkennt man an
der Beweglichkeit eines Wasserstoffatoms, an der Austauschbarkeit ihrer
Hydroxylgruppe gegen Chlor mit Hülfe von Phosphorpentachlorid und
dem Entstehen von solchen Chlorverbindungen in dieser Reaction, welche
in ihrem Molecül ebensoviele Kohlenstoffatome enthalten als die Aus-
gangssubstanz; die Aether dagegen erkennt man an ihrer Indifferenz
und der leichten Spaltbarkeit in Verbindungen von niedrigerer Kohlen-
stoffzahl.
Nach diesen Grundsätzen können wir nun z. B. die drei auf S. 55
erwähnten Verbindungen CgHgO unter die beiden Klassen vertheilen.
Zwei dieser Verbindungen (Propyl- und Isopropylalkohol) erweisen sich
als wahre Alkohole; sie reagiren stürmisch mit Phosphorpentachlorid,
und es entsteht in jedem Fall eine andere Verbindung CjH^-Cl von
gleicher Kohlenstoffzahl; die beiden Verbindungen erhalten demnach die
Structurformel :
C3IX7 — O — H.
Die dritte Verbindung dagegen — der Methyläthyläther — ist gegen
Phosphorpentachlorid in der Kälte indifferent; sie zerfällt bei der Ein-
wirkung von Jodwasserstoff in Aethylalkohol (C^Hg^OH) und Jodmethyl
(CH3J) und entsteht andererseits aus Aethylalkohol durch Eintritt des
Methylradicals in die Hydroxylgruppe; die Verbindung gehört in die
Gruppe der Aether und erhält die Structurformel:
CsHs — O — CXI3.
In gleicher Weise fasste schon die Typentheorie, wie wir S. 55
sahen, den Constitutionsunterschied dieser Substanzen auf. Aber die
Atomverkettungstheorie zeigt nun ihre Ueberlegenheit darin, dass sie
für die der Typentheorie unerklärliche Isomerie der beiden Propylalkohole
eine einfache Deutung giebt. Denn von dem Propan CgHg, dessen
Structur S. 61 dem Schema
H
H-^C C C^H
H^ 1 \H
H
Constitutum der Fettsäuren, 67
entsprechend entwickelt wurde, lassen sich ja zwei verschiedene Alkohole
ableiten, je nachdem die Hydroxylgruppe an einem der endständigen
KohlenstoJBTatome oder an dem mittelständigen haftend angenommen wird.
Die Formeln:
H H
I I
H~C-0-H H-C-H
H-C-H und H-C-O-H
I I
H-C-H H-C-H
I I
H H
oder abgekürzt:
CH,(OH)-CH,-CHa und CHg— CH(OH)— CH,
drücken diese Art der Isomerie aus, welche man auch wohl als „Stel-
lungs-'* oder „Orts-Isomerie" bezeichnet. Die Beantwortung der Frage,
welche dieser Formeln dem Propylalkohol und welche dem Isopropyl-
alkohol entspricht, muss noch etwas verschoben werden, bis wir die
Constitution einer sehr wichtigen Klasse von Oxydationsproducten der
Alkohole — der Fettsäuren — erkannt haben.
Eine grosse Zahl von Alkoholen geht durch Oxydation in Ver-
bindungen über von ausgeprägtem Säurecharakter, welche in
ihrem Molecül ebenso viele Kohlenstoffatome enthalten wie
der der Oxydation unterworfene Alkohol. Aus dem Aethylalkohol
entsteht so nach der Gleichung:
C,H«0 + 0, = H,0 + CjHA
die Essigsäure CgH^Og, der wichtigste Vertreter der Fettsäurereihe.
Aus der Bildungsgleichung ist ersichtlich, dass der Vorgang in einer
Vertretung zweier Wasserstoffatome durch ein Sauerstoffatom besteht;
es fragt sich, welche zwei Wasserstoffatome des Alkoholmolecüls
H\ /OH
H-^c — cen
h/ \h
dem neu eintretenden Sauerstoffatom Platz gemacht haben. Zunächst
lässt sich nachweisen, dass das Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe
noch unverändert im Essigsäuremolecül vorhanden ist. Denn die Essig-
säure reagirt mit Phosphorpentachlorid heftig in der für hydroxylhaltige
Verbindungen charakteristischen Weise (S. 64):
CäO, + PCI5 = POCl, + HCl + C,H,0CL
Es entsteht eine chlorhaltige Verbindung — das Acetylchlorid, welches
in Berührung mit Wasser sein Chloratom wieder gegen die Hydroxyl-
gruppe austauscht und Essigsäure regenerirt:
C,H,0C1 + H,0 = HCl + C,H,0.0H
CjH^O,
5.*
68 Constitution der Fettsäuren.
Hiemach bleiben für die Essigsäure noch drei Structurformeln zur
Auswahl übrig:
/OH /OH /OH
I. ^ n. ^ m. ^««
C^Ha i^, feg
Von diesen ist die erste die richtige; denn es lässt sich nachweisen,
dass die Essigsäure diejenigen drei Wasserstoffatome, welche an Kohlen-
stoff gebunden sind, an ein und dasselbe Eohlenstoffatom angelagert
enthält.
Durch Einwirkung von Chlor nämlich können nach einander diese
drei Wasserstoffatome durch Chloratome substituirt werden:
C,H40, + Gl, = HCl + CjHjClO,: Mono-
CjHjClOa + Cl, = HCl + C,H,C1,0,: Di- ) ChloreesigsÄure.
CaH,Cl,0, + Cl, = HCl + CjHClaO,: Tri-
°"1
Die Substitution erstreckt sich nicht auf das Wasserstoffatom der
Hydroxylgruppe; denn auch in dem Endprodukte der Chlorirung, der
Trichloressigsäure, lässt sich das Vorhandensein der Hydroxylgruppe noch
durch die Chlorphosphorreaction erweisen. Von den hiemach für die
Trichloressigsäure möglichen Structurformeln:
/OH /OH /OH
i. ^ö n. y^^ m. y^^.
CSJla . 6^1, C=g,
I
kann nur die erste richtig sein; denn die Trichloressigsäure spaltet sich
beim Kochen ihrer wässrigen Lösung^ in Kohlensäure und Chloroform:
CjHClsO, = CHCl, + CO..
Das Chloroform als eine Verbindung, deren Molecül neben einem
vierwerthigen Atom vier einwerthige Atome enthält, kann nur die Structur:
Cl/XJl
besitzen; es muss drei Chloratome an dasselbe Kohlenstoffatom gebunden
enthalten; dies gilt demnach auch für die drei Chloratome der Trichlor-
essigsäure und für die drei an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatome
des Essigsäuremolecüls.
Die Constitution der Essigsäure ist hiemach als der Formel:
,0H
«•^-<o
^ Beokubts u. Otto, Ber. 14, ÖS9; Seubebt, Ber. 18, 8S89. Noch glatter ver-
läuft die Spaltung beim Erhitzen mit etwas Dimethylanilin ; vgl. Silbbbstein, Ber.
17, 266S.
ConstituMon der Fettsäuren, 69
entsprechend erwiesen. Die Essigsäure erscheint als eine Verbindung des
einwerthigen Methybradicals mit der einwerthigen Gruppe — CO -OH,
welche als Carboxylgruppe bezeichnet wird. Die Richtigkeit dieser Auf-
fassung wird nun, wie im speciellen Theile hervortreten wird, durch das
gesammte chemische Verhalten der Essigsäure bestätigt; hier sei nur
noch eine wichtige sjmthetische Bildungsweise der Essigsäure erwähnt,
welche die eben gewonnene Ansicht in besonders schlagender Weise
stützt.
In dem Jodmethyl CH3J lässt sich durch Einwirkung von Cyan-
kalium das Jodatom durch die Cyangruppe ersetzen:
CHjJ + KiCN = KJ + CH3.CN;
es entsteht Cyanmethyl (auch Acetonitril genannt); in diesem Cyanmethyl
kann n^in durch Kochen mit Alkalien oder Säuren der Stickstoff der
Cyangruppe als Ammoniak abgespalten, und dadurch die Cyangruppe in
die Carboxylgruppe verwandelt werden:
H— ;0— H yOH
CHs-C
Das in diesem letzten gewöhnlich als Verseifung bezeichneten Process
entstehende Produkt ist nichts anderes als Essigsäure, welche wir in
dieser Reactionsfolge:
CH,-J >- CHs-CN > CHs-CO,H
darstellen, indem wir gewissermassen eine Methylgruppe mit einer Car-
boxylgruppe verknüpfen.
Diese Synthese der Essigsäure ist nun typisch für die Gewinnung
von organischen Carbonsäuren aus den Halogenderivaten der
um ein Kohlenstoffatom ärmeren Kohlenwasserstoffe. Wenden
wir sie z. B. auf das Jodäthyl an:
CA-J. >- C,Hj--CN >- CtHs-COsH,
so erhalten wir aus der in ihrem Molecül zwei Kohlenstoffatome enthal-
tenden Jodverbindung eine Säure mit drei Kohlenstoffatomen CjH^O^,
Propionsäure, deren Structur wir nun ohne Weiteres durch die Formel:
H
H\ I ^0
H-7C-C-CC
H^ I ^OH
H
oder abgekürzt:
CHs-CH,~CO,H
wiederzugeben berechtigt sein werden.
Mit Hülfe der im Vorstehenden begründeten Ansichten über die
Constitution der Essigsäure imd Propionsäure kann jetzt die vorher
70 Constitution von Propyl-
unbeantwortet gelassene Frage nach der Constitution der beiden isomeren
Propylalkohole entschieden werden. Wir sahen, dass der zwei C-Atome
enthaltende Aethylalkohol CH, — CH2(0H) durch Oxydation in die eben-
falls zwei C-Atome enthaltende Essigsäure CHg — COgH tibergeführt wird.
Einer analogen Umwandlung sind offenbar nur solche Alkohole fähig«
welche die Gruppe — CH2(0H) enthalten (p|i*imä{re Alkohole). Von den
beiden theoretisch möglichen Structurformeln der Propylalkohole (S. 67):
I. II.
CH,(0H)-CH,-CH8, CHa— CH(OH)— CHs
enthält nun nur die erste diese Gruppe; der dieser Formel entsprechende
Alkohol wird daher durch Oxydation in die Säure:
CO3H— CHj Clig ;
in welcher wir die eben besprochene Propionsäure wiedererkennen, über-
flihrbar sein. Der Alkohol von der zweiten Formel dagegen enthält
seine Hydroxylgruppe an einem Kohlenstoflfatom, welches zwei Valenzen
zur Bindung von zwei anderen Kohlenstoflfatomen verbraucht; er ent-
hält den für die „secundären Alkohole" charakteristischen Complex:
::^C-CH(OH)-C^ .
Bei einem so constituirten Alkohol kann aus dem die Hydroxylgruppe
tragenden Kohlenstoffatom eine Carboxylgruppe — COgH nur dadurch her-
vorgehen, dass eine jener Kohlenstoflfbindungen gesprengt, und demnach
ein Kohlenstoffatom abgespalten wird. Dieser Alkohol kann demnach
nicht in eine zwei Sauerstoffatome enthaltende Carbonsäure von gleicher
Kohlenstoffzahl überfiihrbar sein, sondern bei der Oxydation höchstens
die um ein Kohlenstoffatom ärmere Essigsäure CH3 — COjH liefern.
Die von der Theorie angedeutete durchgreifende Verschiedenheit
im Oxydationsverlauf findet sich nun bei der Untersuchung der beiden
bekannten Propylalkohole durchaus bestätigt. Einer derselben (nor-
maler Propylalkohol) kann in glatter Weise zu Propionsäure oxydirt
werden; ihm kommt daher die Formel:
CH,(OH)-CH,-CHa
zu. Der andere (Isopropylalkohol) dagegen giebt bei der Oxydation
zunächst ein nichtsaures Oxydationsprodukt, das Aceton CHg-CO-CHj
(vgl. S. 73), und zerfällt bei weiterer Oxydation in Säuren von niedrigerer
Kohlenstoffzahl; er liefert Essigsäure (neben Ameisensäure H-CO-OH
oder Kohlensäure) und besitzt daher die Structur:
CH,— CH(0H)-CH8.
Aus der Stnictur der beiden Propylalkohole ergiebt sich nun die
Constitution einer Reihe von Verbindungen, welche durch einfache Reac-
tionen aus denselben dargestellt werden können. Ersetzt man in den
und Isopropyl-Verhindungen, 71
beiden Alkoholen die Hydroxylgnippe durch ein Judatom, so resultiren
die beiden isomeren Monojodderivate des Propans:
CHjJ-CH.-CH, und CHg-CHJ— CH,.
Normales Propyljodid Isopropyljodid.
Die S. 69 besprochene Synthese von Carbonsäuren — an diesen bei-
den Propyljodiden ausgeführt — muss zu zwei verschiedenen Säuren
fuhren, deren Isomerie sich durch die Formeln:
C0,H~CH,-CH,-CH8 und CH3-CH<
XJOjH
Normale Buttersfture Isobuttersäure
erklärt.
Aus diesen Beispielen ist ersichtlich, in welcher Weise die Auf-
klärung der Isomerie in einem speciellen Falle zur Entscheidung vieler
anderer Probleme verwerthet wird. Man stützt sich bei derartigen
Folgerungen, welche aus der bekannten Constitution einer Verbindung
auf die Atomlagerung in einer anderen durch chemische Umsetzung
aus ihr entstehenden Verbindung gezogen werden, in derTRegel auf zwei
Annahmen, die hier noch kurz präcisirt sein mögen. Man nimmt erstens
au, dass bei Beactionen, welche in einem Austausch von Atomen bezw.
Atomgruppen gegen einander bestehen, der eintretende Bestandtheil den
Platz des verdrängten Bestandtheils einnimmt. Wenn z. B. die beiden
eben besprochenen isomeren Propyljodide durch die Reaction:
CgH^. j + K CN = CsH^CN + KJ
in Propylcyanide übergeführt werden, so schreibt man der aus dem
normalen Propyljodid:
CH3 — CHj — CH]J
entstehenden Verbindung die Formel eines normalen Propylcyanids:
CH,-CHj-CH,(CN),
der aus dem Isopropyljodid:
Cxig — CHJ — CHg
gebildeten Verbindung dagegen die Formel des Isopropylcyanids:
CHs-CH(CN)~CH8
zu. — Man macht femer die Annahme, dass in das Molecül einer Ver-
bindung eintretende Atome sich nicht zwischen Atome einschieben,
welche vorher direct nüt einander verbunden waren. Als z. B. vorher
die Constitution der Essigsäure auf Grund ihrer Bildung aus dem
Aethylalkohol :
CjHeO + 0, = H,0 + CjH^Oj
erörtert wurde, ist die Möglichkeit, dass das eintretende SauerstolFatom
zwischen die beiden Kohlenstoffatome trete, dass aus dem Aethylalkohol :
CHg •CHjv
I etwa eine Verbindung: 0< >0
CH,(OH) XIH/
72 Gonstüidion der
entstehen könnte, gar nicht discutirt worden. — Sind diese beiden An-
nahmen auch nicht ganz allgemein zuverlässig, so führt ihre Anwendung
doch bei der weitaus tiberwiegenden Mehrzahl der Probleme zu Folge-
rungen, welche unter einander gut tibereinstimmen. Nur in vereinzelten
Fällen ist man gezwungen einen Reactionsverlauf zuzugeben, welcher
ihnen nicht entspricht.
Den Schluss dieser Betrachtungen, welche die Ableitung der Structur
erläutern sollen, möge endlich die Entwickelung der Constitution der
Aldehyde und Ketone bilden, zweier Körperklassen, welche gewisser-
massen Mittelglieder zwischen den Alkoholen und den Carbonsäuren dar-
stellen. Die Aldehyde und Ketone sind Verbindungen, welche durch
gemässigte Oxydation von Alkoholen entstehen, indem einem Molectil
des Alkohols zwei Atome Wasserstoff entzogen werden. So entsteht z. B.
aus dem Aethylalkohol der Acetaldehyd:
CjHeO + 0 = HjO + CjH^O.
Eines der aboxydirten Wasserstoffatome ist jedenfalls das Wasser-
stoffatom der Hydroxylgruppe; denn der Aldehyd enthält keine Hydroxyl-
gruppe mehr, wie der Verlauf der Einwirkung von Phosphorpentachlorid
zeigt:
CjH^O + PCI5 = POCls + CÄCl,;
das Sauerstoffatom wird durch zwei Chloratome vertreten, ohne dass
gleichzeitig Wasserstoff austritt, wie es »bei dem Vorhandensein einer
Hydroxylgruppe der Fall sein mtisste. Das Sauerstoffatom muss dem-
nach mit beiden Valenzen an Kohlenstoff haften; dieser Bedingung ge-
nügen nur die beiden Formeln:
CH3 ^^»
Nun liefert der Aldehyd durch weitere Oxydation die Essigsäure CH3-CO • OH ;
dieses Verhalten liefert einen bündigen Beweis zu Gunsten der ersten
Formel; denn aus einer Verbindung der zweiten Formel, welche an
jedes Kohlenstoffatom nur zwei Wasserstoffatome gebunden enthält, wird
schwerlich durch einen Oxydationsprocess die an einem Kohlenstoffatom
drei Wasserstoffatome enthaltende Essigsäure entstehen. Die erste Formel
dagegen erläutert in vollkommener Weise die Stellung des Aldehyds als
Zwischenprodukt bei der Oxydation des Aethylalkohols zu Essigsäure:
CH,.OH CHO CO. OH
I > I > I
CHj CHs CHs
Wie der Acetaldehyd zwischen dem Aethylalkohol und der Essigsäure,
so steht zwischen dem normalen Propylalkohol und der Propionsäure
der Propionaldehyd CjH^O:
Aldehyde mid Ketone 73
CH,(OH) CHO CO. OH
I >- I ► I
CjHß CfHe C1H5
Die Aldehyde, deren Structur durch die mit einem einwerthigen
Eohlenwasserstoffradical verbundene Gruppe — C^ charakterisirt ist,
können nur durch Oxydation jener Alkohole entstehen, welche die Gruppe
— CH^(OH) enthalten (primäre Alkohole). Wenn den Alkoholen mit
der beiderseits an Kohlenstoff gebundenen Gruppe — C(OH)H —
(secundäre Alkohole) durch einen Oxydationsprocess in derselben
Weise zwei Wasserstoffatome entzogen werden, so müssen Verbindungen
mit der beiderseits an Kohlenstoff gebundenen Gruppe — CO — ent-
stehen. Es sind dies die Ketone, deren einfachster Repräsentant — das
dem Propionaldehyd isomere Aceton CjH^O — durch Oxydation des
Isopropylalkohols entsteht:
>CH(OH) >■ >C0 .
ch/ cu/
Ihrer Structur gemäss können sie durch weitere Oxydation nicht in
einwerthige Carbonsäuren von gleicher Kohlenstoffzahl übergehen, sondern
zerfallen in solche von niedrigerer Kohlenstoffzahl; so liefert z. B. das
Aceton neben Kohlensäure Essigsäure:
CHj— CO-CHg + 40 = CH3-CO.OH + CO, + H,0.
Zusammenhang zwischen physikalischen Eigenschaften und
chemischer Constitution.
Die Constitutionsableitungen , welche in dem vorhergehenden Ab-
schnitt als Beispiele zur Erläuterung der für die Erforschung der Structui*
zu befolgenden Methode gegeben wurden, ruhen auf rein chemischen
Grundlagen. Man kann sich nun die Frage vorlegen, ob nicht auch auf
physikalischer Basis ein Einblick in die Structur der Molecüle gewonnen
werden kann.
Als wir uns mit dem Problem der Moleculargewichtsbestimmung
beschäftigten, lernten wir in dem specifischen Gewicht der Dämpfe eine
physikalische Eigenschaft kennen, welche direct proportional dem Mole-
cularge wicht ist; diese Constante ist also nur von der Anzahl und Art
der zu einem Molecül zusammentretenden Elementaratome, nicht von
ihrer Anordnung abhängig und besitzt ftlr isomere Substanzen gleichen
Werth. Giebt es nicht andere physikalische Eigenschaften, welche auch
von der Gruppirung der Atome beeinfiusst werden, und für welche eine
gesetzmässige Abhängigkeit von der Structur sich nachweisen und for-
muliren lässt, so dass sie zur Beurtheilung der Structur in ähnlicher
74 Zusammenhang xmschen pkysik. Eigenschaften tmd ehern, Constitution.
Weise verwerthet werden können, wie die Dampfdichte, die Gefrierpunkts-
erniedrigung u. s. w. zur Erkenntniss des Moleculargewichts ?
Solche von der Constitution abhängigen Eigenschaften — „constitu-
tive*S wie sie Ostwald ^ im Gegensatz zu den „additiven" Eigenschaften
bezeichnet, deren Zahlenwerth in einer Verbindung einfach die Summe
der den einzelnen Bestandtheilen zukommenden Zahlen werthe darstellt
und von der Art ihrer Aneinanderlagerung nicht beeinflusst wird, —
giebt es in grosser Zahl. Zu ihnen gehört z. B. das specifische Gewicht
der Flüssigkeiten, das Lichtbrechungsvermögen, das elektrische Leitungs-
vermögen, das optische Drehungsvermögen, welches die Flüssigkeiten
im magnetischen Felde erlangen. Man hat für eine grosse Anzahl von
Substanzen bekannter Constitution diese und andere Eigenschaften sorg-
fältig bestimmt und die an verschiedenen Substanzen beobachteten Eigen-
schaften mit einander verglichen in der HoflEnung, regelmässige Differenzen
aufzufinden, welche bestimmten Aenderungen in der Structur entsprechen.
Diese Forschungsrichtung wurde durch H. Kopp* begründet, welcher 1842
die Molecularvolumina von Flüssigkeiten nach diesem Gesichtspunkte zu
untersuchen begann. Aus den beobachteten Zahlen haben sich derartige
Regelmässigkeiten in gewissem umfang ergeben; dieselben sollen am
Schluss des Werkes in einem besonderen Kapitel näher besprochen werden.
Auch hat man schon die erkannten Begelmässigkeiten für Constitutions-
betrachtungen zu verwerthen gesucht, indem man bei Substanzen, deren
chemische Untersuchung die ihnen zukommende Structur noch zweifelhaft
liess, auf Grund der physikalischen Eigenschaften eine Auswahl zwischen
den möglichen Formeln traf. Die in dieser Weise gezogenen Schlüsse
konnten in einigen Fällen später durch die weitere chemische Unter-
suchung bestätigt werden. Solche Erfolge berechtigen zu der Erwartung,
dass der Erörterung von Structurfragen einst in dem Studium der physi-
kalischen Eigenschaften ein wichtiges Hülfsmittel erwachsen wird. Zur
Zeit sind indessen jene gesetzmässigen Beziehungen zwischen physika-
lischen Eigenschaften und chemischer Constitution noch nicht klar genug
erkannt, um eine allgemeinere Bedeutung für die Ableitung der Structur
beanspruchen zu können.
Neueste Entwicklung der Atomverkettungstheorie; räumliche
Configuration der Molecüle (stereochemische Theorien).
Die Erörterung der Atomanordnung innerhalb der Molecüle war
durch das Bestreben hervorgerufen, die zahlreich beobachteten Isomerie-
fälle zu erklären. Wenn die im Vorstehenden entwickelte Atomver-
kettungstheorie dieser Anforderung sich in jedem einzelnen Falle ge-
wachsen erweist, so ist ihre Aufgabe als erfüllt zu betrachten. Für
* Abhdlgn. d. säche. Gesellsch. d. Wiss. XV, 238. » Ann. 46, 212.
Uebergang xur Erörterung der räumlichen Atomanwdmmg, 75
jede der einzelnen beobachteten Verbindungen muss es mit ihrer Hilfe
gelingen, eine Gonstitutionsformel abzuleiten, welche alle ihre Entstehungs-
weisen und Umsetzungen begreifen lässt und ihr besonderes von allen
übrigen Verbindungen abweichendes Verhalten erklärt. Dies ist die erste
Forderung, welche wir bei einer Prüfung unserer Theorie aufstellen
müssen, y Wir erwarten von einer Theorie noch mehr; wir wollen ihr
Anregung zu neuen Versuchen entnehmen. In wie hohem Grade die
Atom Verkettungstheorie dieser Erwartung entsprochen hat, ist bereits
früher (S. 56 — 57) ausgeführt worden.
Als ein Widerspruch gegeh die Theorie ist es nicht aufzufassen,
wenn sich nicht alle Combinationen , die vrir als möglich aus derselben
ableiten können, als wirklich bestehend erweisen lassen. Wir dürfen
nicht erwarten, dass es gelingen wird, jede beliebige Verbindung dar-
zustellen, welche einer gewissen uns möglich erspheinenden Atomanord-
nung entspricht; dass alle Umsetzungen, die von der Theorie angedeutet
werden, wirklich ausfiihrbar sind. Denn es wird Ursachen, deren Natur
uns vorläufig noch unbekannt ist, geben, welche die Existenz bestimmter
Atomlagerungen überhaupt unmöglich machen. Oder das Bestehen ge-
wisser Verbindungsformen, das Eintreten gewisser Umsetzungen kann
an Bedingungen geknüpft sein, deren Bealisirung zur Zeit noch nicht
in unserer Macht steht.
Wenn also die Mannigfaltigkeit der Beobachtungen hinter der
Mannigfaltigkeit der theoretischen Möglichkeiten zurückbleibt, so brauchen
wir deshalb nicht an der Zuverlässigkeit des Fundaments, auf welchem
wir unsere theoretischen Betrachtungen aufbauen, zu zweifeln. Wenn
aber die Erfahrung mehr Combinationen kennen lehrt, als die Theorie
erwarten lässt, wenn in einzelnen Fällen die Anzahl der beobachteten
IsomeriefäUe die Anzahl der theoretisch möglichen übersteigt, wenn Ver-
bindungen angefunden werden, denen wir auf Grund ihres Verhaltens
dieselbe Structurformel zuertheilen müssen, und die doch von einander
verschieden sind, — dann erweist sich die Theorie als unzulänglich zur
Lösung der ihr gestellten Aufgabe.
Die Existenz solcher Beobachtungen kann heute nicht mehr in Ab-
rede gestellt werden; man constatirte „abnorme^' IsomeriefäUe zunächst
nur in geringer Zahl; man ging ihrer Erklärung theils aus dem Wege,
theils bemühte man sich doch, sie auf Structurverschiedenheit zurückzu-
führen, ohne hierbei vor oft sehr gezwungenen und bedenklichen Inter-
pretationen der Thatsachen zurückzuschrecken. Die Beobachtungen,
deren Erklärung in dieser Weise Schwierigkeiten verursachte, häuften
sich immer mehr und sie veranlassten endlich eine Erweiterung der
Theorie: den Uebergang zur Discussion der räumlichen Anordnung
der Atome innerhalb der Molecüle.
Die Atomverkettungstheorie hatte sich ja anfangs mit vollem Recht
in der Erörterung der Atomlagerung eine gewisse Beschränkung auf-
76 üehergang xur Erörterung der räumlichen Atomanordnung.
erlegt; sie suchte zunächst nichts anderes zu ermitteln als die Reihen-
folge, nach der die einzelnen Atome mit einander verkettet sind, d. h.
zu entscheiden, zu welchen anderen Atomen jedes einzelne Atom in be-
sonders naher Beziehung steht. Wenn z. B. die Isomerie des Aethylen-
chlorids und Aethylidenchlorids durch die Structurformeln:
Cl^ CA)1 und H^ C^Cl
ausgedrückt wird, so spricht sich in diesen Formelbildem nur folgender
Gedanke aus : Beide Verbindungen enthalten zwei EohlenstofiEatome mit je
einer Valenz an einander gebunden, die hiemach frei bleibenden Va-
lenzen werden durch vier Wasserstoffatome und zwei Chloratome gesättigt,
und zwar in der einen Verbindung derart, dass an jedes Kohlenstoffatom
sich zwei Wasserstoffatome und ein Chloratom anlagern, in der anderen
Verbindung derart, dass beide Chloratome mit einem und demselben
Kohlenstoffatom verbunden sind. Wir können die Formeln in sehr ver-
schiedenartiger Weise schreiben, indem wir in der Ebene des Papiers
den einzelnen Atomen andere Orte zuweisen; auch die Formeln:
H H H H H Gl
II II II
H-C C-H H-C C-Cl H-C C-H
II II II
Cl Gl Gl H Gl H
würden z. B. die Structur der ersten Verbindung wiedergeben; sie sind
alle gleichbedeutend, ihre Verschiedenheit ist nur eine scheinbare, in
der Schreibweise begründete, denn über die Lagerung der Atome im
Räume sollten die Structurformeln keine Auskunft geben.
Dennoch ist es sehr wohl denkbar, dass die Atome bei gleicher
Verkettungsweise sich zu verschiedenartigen räumlichen Gebilden zu-
sammenlagem können; und aus dieser Möglichkeit eröffnet sich die Per-
spective auf eine grössere Zahl von Isomeren, als sie sich vom Stand-
punkt der älteren Structurlehre ergiebt. Wenn nun die Erfahrung zeigt,
dass sich nicht alle beobachteten Isomeriefälle durch eine Verschiedenheit
in der Verkettungsweise der Atome erklären lassen, so liegt es nahe,
jene „abnormen" Isomeriefälle als durch verschiedenartige räumliche
Atomanordnung bedingt anzusehen und nach neuen theoretischen Voraus-
setzungen zu suchen, welche die räumliche „Configuration" der Molecüle
erfolgreich zu discutiren gestatten. Solche Voraussetzungen sind von
VAN 'tHoff* 1874 formulirt worden, und ihre Folgerungen von demselben
^ J. H. VAN *T Hoff, La chimie dans Fespace. (Rotterdam 1875.) Deutsche Be-
arbeitung von F. HsHMAirK. (Braonschweig 1877.) — Man hat bis vor Kurzem auch
Lb Bsl auf Grund seiner 1874 erschienenen Abhandlung (Bull. 22, 337) stets als
Urheber der auf S. 80 entwickelten Vorstellung über die Natur des Kohlenstofiatoms
citirt; Lb Bel erklärt indess neuerdings (Bull. [8] 8, 788) diese Auslegung seiner
früheren Auseinandersetzungen für unrichtig.
Uebergang zur Erörterung der räumlichen Atomanordp^uyig, 11
im Hinblick auf die beobachteten Isomeriefälle entwickelt worden; eine
umfassendere Anwendung erhielten sie 1887 durch J. Wisliceküs. ^ Die
Entwickelung dieser ^^stereochemischen'^ Lehre gehört demnach der neuesten
Zeit an; lässt sich ihre Tragweite auch noch nicht übersehen, so hat
sie doch schon Erfolge gezeitigt, welche ihr eine dauernde Stellung
sichern. Ihre Geschichte und ihre Grundzüge sollen in dem Schluss
dieses Kapitels geschildert werden'.
Den Anlass zu dieser neuesten Entwicklung der Structurlehre gab
die Beobachtung, dass eine grössere Zahl von organischen Verbindimgen
in verschiedenen Modificationen aufzutreten vermag, die sich durch ihr
Verhalten gegen den polarisirten Lichtstrahl unterscheiden*. Die Wein-
saure z. B. wurde in zwei Formen erhalten, von denen die eine die
Schwingungsebene des polarisirten Lichtes nach rechts ablenkt, während
die andere sie um ebenso viel nach links dreht; mehr oder weniger
analoge Beobachtungen wurden an der Aepfelsäure, Milchsäure und
vielen anderen Substanzen gemacht. In chemischer Beziehung zeigen die
rechtsdrehende und linksdrehende Modification keine Verschiedenheit von
einander; sie müssen gleiche Structur besitzen, denn in allen Beactionen
verhalten sie sich gleich bis auf den Punkt, dass in solchen Processen,
welche zu optisch „activen^^ Umwandlungsprodukten f&hren, wieder aus
den beiden Modificationen Reactionsprodukte von entgegengesetztem
Drehungsvermögen entstehen. Ausser in dem optischen Verhalten wurde
ein Unterschied nur in manchen Fällen in den Löslichkeitsverhältnissen
und dem Erystallwassergehalt der Salze beobachtet.
Es muss zunächst befremdlich erscheinen, dass die Beobachtung
des Auftretens von optisch verschiedenen Modificationen an organischen
Verbindungen die Discussion der räumlichen Atomlagerungsverhältnisse
herbeigeführt hat. Denn auch in der anorganischen Chemie sind ja
ähnliche Erscheinungen häufig beobachtet, ohne dass sie so weitgehende
Speculationen veranlasst haben; wir kennen rechtsdrehenden Quarz und
linksdrehenden Quarz; Natriumchlorat, Natriumperjodat und andere Salze
existiren in rechtsdrehenden und linksdrehenden Modificationen. Allein
zwischen der optischen Activität dieser anorganischen Verbindungen und
jener der erwähnten organischen Substanzen besteht ein grosser Unter-
schied; die Activität der ersteren ist an den festen Zustand gebunden,
die Activität der letzteren zeigt sich im flüssigen und gasförmigen Zu-
stand. Wird ein Krystall von rechtsdrehendem oder linksdrehendem
Natriumchlorat in Wasser gelöst, so resultirt in beiden Fällen genau
1 Abhdign. d. sfichs. Gesellsch. d. Wiss. XXIV.
* Ansfälirliche Daretellang s. in Auwebs, Die Entwickelung der Stereochemie
(Habilitationflecbrift; Heidelberg, 1890); vgl. femer V. Meteb, Ergebnisse und Ziele
der stereochemischen Forschung, Ber. 28, 567.
* Die hierher gehörigen Erscheinungen sind zusammenfassend behandelt in
Lahdolt, Das opt Drehungsvermögen organ. Substanzen. (Braunschweig 1879.)
78 Stereocliemisclte Erklärung des
dieselbe Lösung, welche kein Drefaungsvermögen mehr besitzt. Es geht
daraus hervor, dass in diesem Falle das Drehungsvermögen nicht eine
Eigenschaft der einzelnen Molecüle ist, sondern erst durch eine bestimmte
Art der Zusammenlagerung mehrerer Molecüle im festen Aggregatzustand
bedingt wird. Wenn bei dem üebergang in den flüssigen Aggregatzu-
stand jene eigenthümlichen Molecularaggregate in die einzelnen Molecüle
zerfallen, so verschwindet das Drehungsvermögen. Es liegt daher keine
Veranlassung vor, im rechtsdrehenden Natriumchlorat andere Einzel-
molecüle anzunehmen als im linksdrehenden.
Wird dagegen Rechtsweinsäure in Wasser gelöst, so entsteht auch
eine rechtsdrehende Lösung; wird Linksweinsäure aufgelöst, so resultirt
eine Lösung, welche bei gleicher Concentration die Schwingungsebene
des polarisirten Lichtes um ebenso viel nach links dreht. In diesem
Falle — und ebenso bei einer grossen Zahl anderer Kohlenstoffverbin-
dungen — bleibt die optische Activität auch nach dem üebergang in
den flüssigen Zustand bestehend Wollte man auch hier das entgegen-
gesetzte Drehungsvermögen durch die Existenz verschiedenartiger Mole-
cularaggregate erklären, welche aus gleichartigen Einzelmolecülen be-
stehen, so wäre man zu der ausserordentlich unwahrscheinlichen An-
nahme genöthigt, dass jene Complexe von mehreren Molecülen auch in
der Lösung unverändert bestehen bleiben. Bei solchen Substanzen,
welche unzersetzt verdampft werden können, lässt sich diese Vermuthung
prüfen; wäre sie richtig, so müsste durch den Üebergang in den Dampf-
zustand, der doch zweifellos die Zerlegung in Einzelmolecüle herbeifiihrt,
die optische Activität aufgehoben werden. Die Weinsäure lässt diese
Prüfung freilich nicht zu, da sie sich beim Erhitzen zersetzt; aber der
Versuch ist bei einigen Terpenen und dem Campher von Biot und
Gebnez ausgeführt und hat ergeben, dass diese Substanzen auch noch
im dampffönnigen Zustand ihr Drehungsvermögen in voller Litensität
behalten. In diesen Fällen also ist die optische Activität eine
Eigenschaft des chemischen Molecüls; die Molecüle der rechts-
drehenden Modification müssen anders beschaffen sein als
diejenigen der linksdrehenden Modification.
Für die krystallisirten mit optischem Drehungsvermögen begabten
Substanzen ist bekanntlich ein Zusammenhang zwischen ihrer Krystall-
gestalt und ihrem Verhalten gegen das polarisirte Licht festgestellt.
^ Ob die in Lösung activen organischen Verbindungen im krystallisirten
Zustand überhaupt ihre Activität besitzen , ist nicht bestimmt festgestellt. Man be-
obachtet bei geschliffenen Platten von Rohrzucker, Weinsäure etc. keine Cireuiar-
polarisation; es liegt dies indessen daran, dass diese Krystalle optisch zweiaxig sind,
und daher die circulare Doppelbrechung von der viel stärkeren gewöhnlichen Doppel-
brechung verdeckt wird. Gkgossene Platten zeigen die Erscheinung der Circularpola-
risation; im amorphen festen Zustand sind demnach die in Rede stehenden Sub-
stanzen optisch activ (vgl. Landolt, a. a. 0., S. 14—15).
optischen Drehungsvertnögens im flüssigen Zustand. 79
Diese Substanzen krystallisiren in Formen, welche keine Symmetrie-
Ebene besitzen. Die Krystalle mit entgegengesetztem Drehungsvermögen
sind zwar von denselben Flächen umgrenzt, aber diese Flächen ordnen
sich in verschiedener Weise an einander; der rechtsdrehende Krystall
ist nicht das Ebenbild des linksdrehenden, sondern sein Spiegelbild ;
durch keine Drehung kann er in eine solche Stellung gebracht werden,
dass seine Flächen sich mit denen des linksdrehenden Erystalls decken ;
die beiden Krystalle sind einander „enantiomorph". Der Gedanke,
dass bei jenen Verbindungen, deren Drehungsvermögen nicht an den
festen Zustand gebunden ist, eine analoge Eigenthümlichkeit in der räum-
lichen Anordnung ihrer Molecttle bestände, dass die Molecüle der einen
Modification enantiomorph seien denen der anderen, ist zuerst von
Pasteub^ ausgesprochen worden, unabhängig von einander zeigten
Lb Bkl* und VAN t'Hoff* 1874, dass in der That die moleculare
Structur aller jener organischen Verbindungen eine gewisse Eigenthüm-
lichkeit aufweist, welche einen unsymmetrischen Bau des Molecüls und
das Auftreten zweier enantiomorpher Formen unter bestimmten einfachen
Voraussetzungen über die räumliche Orientirung der vier
Eohlenstoffvalenzen nothwendigerweise zur Folge haben muss.
Wenn man eine Vorstellung zu gewinnen sucht, in welcher Art die
vier Valenzen von einem Eohlenstoffatom ausgehen können, so könnte
man zunächst die Annahme in Betracht ziehen, dass ihre Richtungen
alle in einer und derselben Ebene liegen. Die gleichförmigste Ver-
theilung würde in diesem Falle durch das Schema:
<J
ausgedrückt werden, nach welchem die Richtungen der vier Valenzen
vier rechte Winkel einschliessen. Allein diese Annahme führt zu Folge-
rungen, welche durch die Erfahrung nicht bestätigt werden; es müsste
schon jedes Disubstitutionsprodukt des Methans CHgXj in zwei isomeren
Modificationen auftreten können:
H H
I I
X-C-X und H-C~X ,
I I
H X
eine derartige Isomerie ist indessen niemals beobachtet worden. Bei
jeder anderen weniger gleichförmigen Vertheilung der Valenzen in einer
Ebene würden sich bereits fttr Monosubstitutionsprodukte des Methans
(CHjX) Isomerie -Möglichkeiten ergeben. Da indess Mono- und Disub-
» Levons de chimie, p. 25 (Paris 1860). « Bull. 22, 337. « a. a. 0.
80
Bäumliehe Vertheüung der KokhtKto/jvalenxen.
stitationsprodukte des Methans stets nur in einer einzigen Modification
erhalten sind, so ist die Annahme der vier Eohlenstoffvalenzen in einer
und derselben Ebene Überhaupt zu verwerfen.
Wenn man demnach genöthigt ist zuzugeben, dass die vier Kohlen-
stofFvalenzen nicht in einer Ebene liegen, so bleibt nun als einfachst«
Vorstellung die Annahme Übrig, dass sie in dem das Kobleustoffatom
umgebenden Räume yollkommen gleichartig vertheilt sind, derart da^s
die Kichtung jeder einzelnen Valenz mit der Eichtung jeder anderen
den gleichen Winkel bildet. Diese Vorstellung kann dadurch versinn-
licht werden, dass das Eohlenstoffatom im Mittelpunkt eines regulären
TetraÖders befindlich, seine Valenzen nach den Ecken desselben gerichtet
gedacht werden:
Welche Isomerie-Möglichkeiten ergeben sich nun aus dieser An<
nähme, wenn in einer Verbindung Ga^ successive die Gruppen a durch
andersartige ersetzt werden? Denken wir uns zunächst eine Gruppe b
eintreten, so ist es selbstverständlich gleichgültig, an welcher Tetraeder-
Ecke die Substitution stattfindet; audi wenn in die Verbindung Ca, b
noch eine dritte Gruppe c an Stelle von a eingeführt wird, ist nur eine
Configuration denkbar, da alle drei Gruppen a zar Gruppe 6 genau die-
"' " ' isitzen. Mono- und Disuhstitutionsprodukte des Methans
, der Erfahrung entsprechend, nur in einer Modification
a aber jetzt in die Verbindung Co, b c:
ler Grnppe a die von a, b und c verschiedene Gruppe d
eben zwei verschiedene Configurationen, je nachdem die
echts stehende oder die linksstehende Gruppe a sub-
Optische Activüät, bedingt durch unsymmetrischen Bau der Moledile. 81
Denn denken wir uns in der Bindestelle von a stehend, so müssen wir,
um von h über c nach d zu gelangen, auf der Peripherie des durch die
drei entsprechenden Bindestellen gelegten Kreises einmal in der Richtung
des Uhrzeigers, das andere Mal in entgegengesetzter Sichtung vorschreiten.
Die beiden Systeme sind nicht mit einander identisch, sie können durch
keine Drehung zur Deckung gebracht werden; sie besitzen keine Sym-
metrie-Ebene imd verhalten sich zu einander wie Gegenstand und Spiegel-
bild, wie zwei enantiomorphe Krystalle.
Nach jener Annahme über die [räumliche Vertheilung der Kohlen-
stoffvalenzen erscheint demnach das Auftreten von zwei verschiedenen
einander enantiomorphen Conligurationen bei allen Verbindungen mög-
lich, welche ein Kohlenstoffatom enthalten, das durch seine vier Valenzen
an vier von einander verschiedene Atome bezw. Radicale gebunden ist.
Nun weisen in der That die Molecüle aller jener in flüssigem Zustand
optisch activen Verbindungen solche „asymmetrische Kohlenstoff-
atome^^ auf. Die Milchsäure z. B. ist nach der Formel:
CHgv yOH
die Aepfelsäure nach der Formel:
CO,Hv X)H
CO,H-CH,/\H
constituirt, die Weinsäure enthält zwei asymmetrische Kohlenstoffatome:
OH
I
H-C— CO,H
I u. s. w.
H-C-CO,H
I
OH
Die optische Activität dieser Verbindungen und ihre Fähigkeit, in
zwei entgegengesetzt optisch activen Formen aufzutreten, wird demzufolge
nach der Theorie von Le Bel und van 't Hoff eben auf die un-
symmetrische Gestalt ihrer Molecüle und die Möglichkeit der Bildung
solcher enantiomorpher Gonfigurationen zurückgeführt. Diese Möglich-
keit besteht nur bei Verbindungen, deren Molecül mindestens ein asym-
metrisches Kohlenstoffatom enthält, und wirklich ist optische Activität
im flüssigen Zustande nur bei solchen Verbindungen beobachtet worden.
Das optische Drehungsvermögen muss demzufolge erhalten bleiben bei
Beactionen, welche die Asymmetrie des Kohlenstoffs nicht aufheben.
Wenn wir z. B. im optisch activen Amylalkohol:
CtHö/ x;h,(OH)
V. MrrKR a. jAOOBSoif, org. Chenu I. 6
82 Optische AcHvität, bedingt dwrch unsymmetrischen Bau der MoleciUe,
die Hydroxylgruppe durch Jod, Cyan, Carboxyl oder Amid ersetzen:
C,H/ \CH,J; C,H/ XJHj.CN; C^R/ X)H,.COtH; C^U/ XJHa-NH,,
SO bleibt die Asymmetrie des Kohlenstoffatoms bestehen, und diese Um-
wandlungsprodukte des optisch activen Ausgangsprodukts werden daher
ebenfalls optisch activ sein. Wird aber die Hydroxylgruppe durch
Wasserstoff ersetzt:
CHjv yH.
C,H,/\CH, '
so wird durch diese Substitution eine der vier verschiedenen an das
asymmetrische Kohlenstoffatom gelagerten Gruppen einer anderen gleich
gemacht; die Asymmetrie ist aufgehoben, und damit muss auch die
optische Activität verschwinden. Diese Folgerungen der Theorie — so-
wie eine grosse Zahl anderer — sind durch das Experiment durchaus
bestätigt^.
In dem speciellen Theil wird sich noch oft Gelegenheit bieten, auf
die Erscheinung der optischen Activität und ihren Zusammenhang mit
dem Vorkommen asymmetrischer Kohlenstoffatome zurückzukommen; es
sollen dann auch die Complicationen besprochen werden, welche das
Vorhandensein von mehreren asymmetrischen Kohlenstoffatomen in einem
Molecül bedingt. Hier sei nur noch darauf hingewiesen, dass alle Ver-
bindungen, welche in optisch activen Modificationen vorkommen, stets
auch in einer optisch inactiven Form auftreten. Das Molecül dieser
inactiven Modification entsteht durch den Zusammentritt von einem
rechtsdrehenden und einem linksdrehenden Molecül; sie kann einerseits
durch geeignete Mittel in die entgegengesetzt activen Foimen zerleg
andererseits aus den letzteren zusammengesetzt werden. Die Verbin-
dungen mit asjonmetrischen Kohlenstoffatomen erhält man direct in
activer Form nur dann, wenn man sie aus Naturprodukten oder aus
Gährungsprocessen abscheidet oder sie aus anderen optisch activen Ver-
bindungen gewinnt. Stellt man sie synthetisch aus inactiven Verbin-
dungen her, so resultirt stets die inactive Modification, welche einer
Zerlegung bedarf, um die optische Activität hervortreten zu lassen. Es
ist dies nach der im Vorstehenden entwickelten Theorie selbstverständ-
lich; wenn aus einer Verbindung Ca^ b c durch Substitution die Ver-
bindung mit asymmetrischem Kohlenstoffatom Ca b c d hervorgeht (vgl.
d. Fig. auf S. 80), so ist offenbar die Wahrscheinlichkeit fUr die Ent-
stehung der beiden enantiomorphen Configurationen genau die gleiche;
es werden die rechtsdrehenden Molecüle in genau ebenso grosser Menge
* Vgl. die 2. Auflage der citirten Broschüre vak 't Hopf's: Dix ann^es daDs
rhistoire d'une th^orie. (Rotterdam 1887.)
Weitere Entwickelung der stereochemischen Anschauungen. 83
wie die linksdrehenden gebildet werden, und infolge der Vereinigung je
eines rechtsdrehenden mit je einem linksdrehenden Molecül muss die
inactive Modification hervorgehen.
Der Versuch, zwischen der optischen Activität organischer Verbin-
dungen im flüssigen Zustand und ihrer Constitution einen Zusammenhang
zu erkennen, hatte den Anstoss zur Erörterung der räumlichen Atom-
lagerungsverhältnisse innerhalb der Molecüle gegeben. Nachdem dieser
Versuch so erfolgreich ausgefallen war, musste es verlockend erscheinen,
die Consequenzen der neuen Anschauung über die räumliche Vertheilimg
der Eohlenstoffv^alenzen weiter zu entwickeln und zu prüfen, ob sich auf
dieser Grundlage nicht, wie für das Auftreten von optisch verschiedenen
Modificationen, auch für die übrigen abnormen Isomeriefalle eine Er-
klärung finden lässt.
Werden zwei Kohlenstoffatome durch je eine Valenz mit einander
verknüpft, während die sechs übrigen Valenzen zunächst in beliebiger
anderer Weise gesättigt angenommen werden, so kann das so entstehende
System :
unendlich viele Configurationen annehmen. Jede Valenzrichtung des
oberen Kohlenstoffatoms kann vertical über einer Valenzrichtung des
unteren Kohlenstoffatoms liegen, oder um einen Winkel von beliebiger
Grosse dagegen verschoben sein. Wollte man annehmen, dass die
beiden Kohlenstoffatome in jeder dieser Lagen mit einander zusammen-
treten und in der einmal angenommenen Lage beharren können, so er-
gäbe sich die Existenzmöglichkeit von unzähligen Isomeren der Formel
C abc
gleichgültig, ob a, b und c gleich oder verschieden wären. Schon
abc
das Aethan CHg — CH3 oder der Chlorkohlenstoff CCI3 — CClg müssten
in unzählig vielen Modificationen auftreten. Eine solche Isomerie ist
nicht beobachtet worden; zudem muss nicht nur die Möglichkeit, sondern
auf Grund der heutigen physikalischen Anschauungen sogar die Noth-
wendigkeit von Bewegungen der Atome innerhalb des Molecüls zuge-
geben werden. Eine der einfachsten denkbaren Bewegungen wäre die
Rotation der Kohlenstoffatome um die sie verbindende Axe; wenn man
6*
A
84 Einfache Kohlenstoffbindung.
annimmt, dass beide Atome unabhängig von einander in gleicbem oder.
in entgegengesetztem Sinne mit gleicher oder verschiedener Geschwindig-
können, so ist ersichtlich, dasa jede ein-
fignrationen in jedem Augenblick in jede
kann. So lange nicht besondere Ursachen
mmten gegenseitigen Lage der beiden EoUen-
st diese Annahme einer freien Rotation
lindung verketteter Kohlenstoffatome
Axe möglich nnd in manchen Fällen wahr-
nanderhaften der Bin de stellen der beiden
r ihre Bindung bewirkenden Valenzen wird
äise beeinfiusst.
Herbeiführung einer bestimmten gegenseitigeD Stel-
eme wird indeBs vorliegen, wenn die sechs frei blei-
fatompoHreB durch von einander Terscbiedene Atome
rden. Die an das KohlenstofiatompiLar herantretenden
iu gewisser Weise einwirken; die chemische Af-
e wird nicht vollBtSndig durch die Bindung an ein
londem sich nnch auf andere, wenn auch nicht
sme desaelben Molecüls erstrecIceD. Es wird
offatome beeinflusst werden durch daa Streben der
einander wirkenden Atome, sich einander möglichst
'H,C1— CH,C1 z. B. Bind die beiden Kohlenstofititonie
n verbunden. Ein Atom Chlor besitzt eine grössere
Wasserstoff, als ein Atom Wasserstoff zm einem gleich-
einem gleichartigen. Von den beiden Hauptlagen:
ir je ein Chloratom und ein Waseentoffatom mcli in
line besonders begOnstigte Confignration' dar-
che begUnat:gt«n Configurationen nicht als absolut
fiuas von WärmestJSssen wird das Sjetem aus dieser
errdckt werden und dann wieder in die begünstigte
.Cnnte maji daher in einem bestimmten Augenblick
Q in ihren Lagen fixiren, so wttrde man zwar alle
;ilung der begünstigten und der onbegfinstigtes Con.
lenden Momente vgl. Baeveii, Ann. SSS, 183.
Mehrfache Kohlenstoffhindung, 85
möglichen Configorationen vorfinden, aber die durch ^die stärksten anziehenden E^räfte
bedingte Lage, bezw. wenig davon abweichende Lagen in besonders grosser Zahl.
Das Verhftltmss wird sich ändern je nach der Temperatur, d. h. je nach der Energie
der Wärmestdsse, welcher die Molecüle unterworfen sind. Bei höherer Temperatur
werden die unbegünstigten Configurationen häufiger werden, aber auch dann werden
noch die begünstigten Configurationen in grösserer Anzahl vorhanden sein.
Im Gegensatz zu dieser Vorstellung nehmen gegenwärtig mehrere Forscher eine
dauernde Fixirung der beiden Kohlenstoff-Systeme in derjenigen Configuration an,
welche den richtenden Kräften am meisten entspricht^.
Ganz anders aber liegen die Verhältnisse ftlr Eohlenstoffatome,
welche durch doppelte oder dreifache Bindung mit einander verkettet sind:
Die Botationsfähigkeit der Eohlenstoffatome gegen einander,
welche bei einfacher Bindung eine fortdauernde Veränderung der gegen-
seitigen Stellung oder das Aufsuchen der stabilsten Configurationen ermög^
lichty ist aufgehoben. Würde das eine Kohlenstoffatom z. B. schneller
rotiren als das mit ihm verbundene, so würden die Bindestellen der beiden
Atome abwechselnd von einander losgerissen werden und wieder zur
Deckung kommen. Nur wenn beide Kohlenstoffatome in derselben Rich-
tung und mit gleicher Geschwindigkeit um die gemeinschaftliche Axe ro-
tiren, können ihre Bindestellen dauernd an einander haften bleiben. Die
stereochemischen Erwägungen führen also zu der Annahme, dass im
Gegensatz zur einfachen Bindung die mehrfache Bindung zweier
Kohlenstoffatome ihre freie Rotation um die gemeinschaftliche
Axe unmöglich macht. Diese Annahme erhält nun eine erhöhte Be-
rechtigung dadurch, dass sich aus ihr gewisse Isomeriefalle bei Verbin-
dungen mit doppelter Kohlenstoffbindung als möglich entwickeln lassen,
für deren wirkliche Existenz eine grosse Reihe von Beobachtungen spricht.
In dem oben für die doppelte Kohlenstoffbindung gegebenen Schema
sind die zur Verknüpfung der beiden Kohlenstoffatome dienenden Va-
lenzen als in der Ebene des Papiers liegend gedacht; von den vier frei
bleibenden Valenzen befinden sich je zwei zu den beiden Seiten dieser
Ebene. Denken wir uns die Ebene, welche die vier Valenzrichtungen der
^ Vgl. Bethmahn, Ztschr. f. physik. Chem. 6, 408. — Baeter, Ann. 268, 180.
AuwEBB XL V. Meyeb, Her. 88, 2079.
86 Stereochemiscke Isomerie ftet
Doppelliindimg enthält, senkrecht zur Ebene des Papie
wir das Schema:
i befinden sich rechts, die beiden anderen
■denen Kohlenstoffatompaar, was künftig
-4-
rerden möge. Wenn in einer Verbindung,
a durch vier gleichartige Radicale a gesättigt
ein Kadical b ersetzt wird, so ist der Ort <
hgültig. Auch wenn in die Verbindung
a-C-b
adical b an das schon mit b verbundene '.
eine Conöguration :
tt aber das zweite Substituens — sei es i
ingleicb — an das andere Kohlenstoffatt
her Verkettungsweise je zwei räumlich versc
möglich:
a-C-b a— C— b
{| und 1
a-d-b b-C-a
a-C-b a-C-b
J-. -' JL
gen Badicale können sich entweder auf den
»mpaares oder auf verschiedenen Seiten befinden; im ersten
et man die Configuration als plansymmetrisch, im zweiten
oder axialsymmetrisch. Zweckmässiger unterscheidet man
r Art durch die Vorsilben: „eis" (= plansymmetrisch) nnd
= axial symmetrisch)'.
Verbindungen mit doppelter Kohlenstoffbindti^ig, 87
Nun ist in der That eine erhebliche Zahl von IsomeriefäUen an
ungesättigten Verbindungen beobachtet worden, für welche auf Grund
der Atomverkettungstheorie eine Deutung kaum gefunden werden konnte,
während ihr Auftreten bei Mitberücksichtigung der räumlichen Atom-
lagerungsverhältnisse mit den oben entwickelten Folgerungen durchaus
im Einklang steht. Das Studium der Fumarsäure und Maleinsäure z. 6.
führte dazu, beiden Säuren die Structurformel :
CO,H-CH— CH— CO,H
beizulegen; ihre Verschiedenheit war durch Abweichungen in der Structur
gar nicht — oder doch wenigstens nur mit Hülfe sehr gewagter An-
nahmen — zu erklären; sie erscheint selbstverständlich, wenn wir in
der einen Säure die plansymmetrische, in der anderen die axialsymme-
trische Form erblicken:
H-C-CO,H H-C-COtH
r
H-C-CO,H ' CO,H- C~H
In derselben Weise können alle übrigen „abnormen" Isomeriefälle , so-
weit sie ungesättigte Verbindungen betreffen, erklärt werden; auch kann
man in den meisten Fällen bereits mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit
ableiten, welche Gonfiguration jeder einzelnen der beobachteten isomeren
Verbindungen entspricht.
Aus der Discussion der i^umlichen Atomlagerungsverhältnisse hat
sich uns demnach die Möglichkeit zweier neuer Gruppen von Isomerie-
erscheinungen bei gleicher Verkettungsweise der einzelnen Atome ergeben:
1. bedingt durch das Vorhandensein asymmetrischer Kohlenstoff-
atome.
2. bedingt durch das Vorhandensein doppelt gebundener Eohlen-
stoffatompaare.
Es muss hervorgehoben werden, dass diese beiden Arten der Isomerie
von durchaus verschiedener Ordnung sind. Bei Isomeren der ersten Art
(vgl. die Figuren auf S. 80) ist die Anordnung der an das asym-
metrische Eohlenstoffatom angelagerten Gruppen nur in dem Grade ver-
schiedenartig, wie sich Gegenstand und Spiegelbild unterscheiden; in
den beiden isomeren Molecülen herrscht derselbe chemische Gleich-
gewichtszustand, und die Isomerie solcher Verbindungen äussert sich
demzufolge nur in physikalischen Eigenschaften, während in chemischer
Beziehung sich beide Isomere gleichartig verhalten. Anders bei den
Isomeren der zweiten Art (vgl. S. 86); hier ist der Unterschied in der
Constmction der isomeren Molecüle ein viel gröberer; Atome, welche
in einem Falle auf derselben Seite des Zweikohlenstoffsystems sich be-
finden, sind im anderen Falle auf beide Seiten vertheilt; wo die Isomerie
auf solche Verhältnisse zurtickgeftlhrt wird, sind auch im chemischen Ver-
88 Stereochemie des Stickstoffs.
halten erhebliche Abweichungen zu erwarten, wie sie z. B. Fumarsäure
und Maleinsäure wirklich zeigen.
In neuerer Zeit sind vielfach stickstoffhaltige organische Ver-
bindungen in isomeren Formen erhalten worden, welchen man auf Grund
ihres chemischen Verhaltens gleiche Structurformeln zu ertheilen ge-
nöthigt war. Auch auf die oben aus der Stereochemie des Kohlenstoffs
abgeleiteten Ursachen für das Zustandekommen räumlich isomerer Ver-
bindungen Hessen sich diese Erscheinungen nicht zurückführen. Man
hat daher den weiteren Schritt gewagt, die stereochemischen Elrörte-
rungen vom Kohlenstoff aus auf andere Elemente auszudehnen, — zu-
nächst im Anschluss an jene unerwarteten Isomerie-Erscheinungen auf
den Stickstoff. Hier gentige es, auf diese Speculationen ^ hinzuweisen,
auf deren Inhalt gelegentlich der speciellen Besprechung jener Isomerie-
fälle (vgl. Bd. II, aromatische Oxime) näher zurückzukommen sein wird.
Im Vorstehenden ist die Richtung, in welcher die Stereochemie zur
Erklärung von Isomeriefällen gegenwärtig Boden gewinnt, skizzirt. Die
Auffindung und Erklärung von neuen Isomerie-Erscheinungen ist indessen
nicht das einzige Ergebniss der stereochemischen Erwägungen. Von
grosser Bedeutung werden die letzteren für die Erscheinung der „Ring-
schliessung". Das Zustandekommen und die Beständigkeit ring-
förmiger Atomcomplexe hängt, wie die Thatsachen zeigen, von der Zahl
und Art der für die Bildung des geschlossenen Kernes verfügbaren Atome
ab. Baeyeb ^ hat zuerst zur Erklärung dieses Zusammenhangs die räum-
lichen Atomverhältnisse herangezogen. Die Verfolgung der stereochemischen
Theorien lässt es begreifen, warum gewisse ringförmige Complexe sich
leicht, warum andere sich schwerer bilden. Eine nähere Ausfährung
dieser Folgerungen muss den Stellen des speciellen Theiles vorbehalten
bleiben, an welchen die bezüglichen Thatsachen zur Besprechung ge-
langen.
* VAN V Hopf, Ansichten über d. org. Chem. I, 79. Willqbeodt, J. pr. [2J 87,
450; 41, 291, 526. Bürsh u. Mabsh, Joum. Soc. 55, 656. Hantzsch u. Werner, Bei.
28, 11, 1243. Hantzsch, Ber. 28, 2822. Beerend, Ber. 28, 454, 1776. Bischoff,
Ber. 28, 1967. Aüwers u. V. Meter, Ber. 28, 2408.
* Ber. 18, 2277.
Systematik der organischen Verbindungen. 89
Drittes Kapitel.
Die Frincipieiiy welche für die Systematik der organischen
Verbindungen in Betracht kommen.
(Offene und geschlossene Ketten. — Homologie. — Classificirung nach der Werthig-
keit und nach dem Sättigungsgrade.)
Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Anzahl der
KohlenstoflF^erbindungen unvergleichlich grösser ist, als die Zahl der
Verbindungen irgend eines anderen Elements. Dieser umstand findet
seine Erklärung einerseits in der hohen Werthigkeit des Kohlenstoffs,
welche es bedingt, dass schon jedes einzelne Eohlenstoffatom in sehr
verschiedenartiger Weise mit anderen Atomen zusammentreten kann,
andererseits in der Neigung der Kohlenstoffatome, sich mit einander
durch gegenseitige Sättigung ihrer Valenzen zu Complexen zu vereinigen,
welche — wie es scheint — aus einer beliebig grossen Zahl einzelner
Atome bestehen können. Verbinden sich zwei Kohlenstoffatome mit
einander unter Aufwendung je einer Valenz, so resultirt der Complex:
-i-i- ,
welcher sechs freie Valenzen zur Verfügung hat, die in beliebiger Weise
durch andere Atome gesättigt werden können; tritt ein drittes Kohlen-
stoffatom dazu:
C-Ö-Ö-
80 steigt die Zahl der verfügbaren Valenzen auf 8, bei Zutritt eines
vierten auf 10, eines fünften auf 12 u. s. w.^ Eine Grenze flir die
Verbindungsfahigkeit der Kohlenstoffatome mit einander lässt sich nicht
angeben; wir kennen einen Kohlenwasserstoff, dessen Molecül 60 Kohlen-
^ Auch die Atome des Schwefels zeigen, wie aus der Zusammensetzung der
PoljBulfide ersichtlich ist, die Neigung, sich in grösserer Anzahl mit einander zu
verketten. Aber es ist klar, dass infolge der Zweiwerthigkeit des Schwefels
die Aneinanderbindung von mehreren Atomen nicht Spielraum für das Zustande-
kommen so vieler Verbindtmgsformen schafft, wie sie von längeren Kohlenstoffketten
sich ableiten können. Denn wie lang auch eine Kette aus Schwefelatomen sein
möge, es bleiben, so lange die Schwefelatome zweiwerthig fungiren, stets nur zwei
Valenzen zur Bindung anderer Atome übrig:
-S-S-S _s-s-s-
Sx
Offene KoMmstoffkettm.
1er gebunden enthält^; und wir haben keine
reifein, däss diese Zahl noch erheblich über-
!8 den Molecülen zu Grunde liegenden Eohlen-
inter den organischen Verbindungen zunächst
ier gegenüberstellen. Wir kennen einerseits
Verbindungen, deren Molecüle nur „offene
thalten. Diese offenen Ketten können bei
,hl sehr verschiedenartige Structur besitzen;
e bieten sich z. B. die folgenden fünf Mög>
I I I I I I
-C-C-C-C-C-C- ;
I I I I I I
■h-.
I
atome so an einander gelagei-t, dass jedes
ifenden Kette darstellt; man bezeichnet Ver-
Eohlenstoffketten enthalten, als normale;
, die Anordnung der Kohlenstoffatome nach
;er verzweigten Eoblenstoffketten. Zu den
Kohlenstoffketten gehören die Fette und viele
len Fetten gewonnen werden können. Man
üasse der Verbindungen mit offenen KoHen-
elnamen „Verbindungen der Fettreihe"
MN „aliphatische Verbindungen" (von
istoffketten ist jedes Atom direct nur mit den
I oder unmittelbar darauffolgenden Atomen
«r auch möglich, dass zwei Xohleustoffatome
i, welche schon indirect durch Vermittelung
lit einander verbunden sind, noch durch directe
lagern. So entstehen die „gescblossenen
r „Kohlenstoffringe", Eine derartige An-
S, 502.
Oydische Aiomcomplexe,
91
Ordnung wird bei Gegenwart von mindestens drei Eohlenstoffatomen
möglich; das Eohlenstoffskelett:
Y
/
\
stellt den ein&chsten Ring dar. Eine hervorragende Wichtigkeit besitzt
die ringförmige Anordnung von sechs Kohlenstoffatomen :
I
Sie findet sich in den Molecülen der Benzolderivate, einer besonders
interessanten und umfangreichen Yerbindungsklasse.
Als Glieder derartiger ringförmig angeordneter, „cyclischer** Atom-
complexe können nun neben den Kohlenstoffatomen auch andere Elementar-
atome fungiren; wir kennen Verbindungen, welche Sauerstoff-, Schwefel-
oder Stickstoffatome neben Eohlenstoffatomen als Glieder geschlossener
Ketten enthalten. Die Atomgruppirungen:
XA
Thiophenring
/ \n/ \
Arinring
1>
Pyridinring
Thiazolring
sind Beispiele für solche „Ringe^^; jede derselben ist charakteristisch
für eine grössere Gruppe von Verbindungen. Den Bingsystemen, welche
aus lauter gleichartigen Gliedern — Kohlenstoffatomen — bestehen,
reihen sich demnach solche an, deren Glieder verschiedener Art sind.
Man kann die ersteren als „isocyclische'S die letzteren als „hetero-
cyclische'* bezeichnen.
Die organischen Verbindungen können demnach, soweit ihre
92 Hauptklassen der organischen Verbindungen.
Constitution erkannt ist, zunächst in drei grosse Klassen ein-
getheilt werden:
/. Aliphatische Verbindungen. Verbindungen, deren Molecüle nur offene
Ketten von Kohlenstoffatomen enthalten. (Verbindungen der Fett-
reihe.)
//. Isocydische Verbindungen, Verbindungen, deren Molecüle geschlos-
sene Ketten von Kohlenstoffatomen enthalten. (Benzolderivate u. a.)
III. Heterocyclische Verbindungen. Verbindungen, welche in ihrem Molecül
neben Kohlenstoffatomen auch andere Elementaratome als Glieder ge-
schlossener Ketten enthalten. (Pyridinderivate u. s. w.)
Die Angehörigen der beiden letzten Klassen stellt man in der Regel
den Verbindungen der Fettreihe als Verbindungen der aromatischen
Eeihe gegenüber, weil die Mehrzahl derselben in ihrem chemischen
Verhalten gewisse gemeinsame Eigenthümlichkeiten aufweist, welche in
scharfem Gegensatz zu dem chemischen Charakter der aliphatischen
Verbindungen stehen. Eine nähere Kennzeichnung dieses „aromatischen"
Charakters kann erst im zweiten Bande gegeben werden.
Das Princip der Theilong in Verbindungen mit offenen Ketten und in cjcUsche
Verbindungen kann nicht in allen Fällen mit voller Strenge durchgefilhrt werden.
Verbindungen z. B., wie
CH,-COv CH,-COv^
CH,-CH/ ' CH,-C(K
Butyrolacton Bemsteinsäureanhydrid
gehören strenggenommen in die Klasse der heterocydischen Verbindimgen, werden
aber mit gutem Grunde stets bei den aliphatischen Verbindungen abgehandelt —
deshalb, weil ihre ringförmige Atomgruppirung sich nicht in einer grösseren Zahl
von Umsetzungen erhfilt. Die Verbindungen mit offener Kette:
CH,-CO.OH CH,-CO.OH
CH,-CH, . OH CH,-CO • OH
Oxybuttersfture Bemsteinsäure
stehen zu ihnen in nächster Beziehung; aus letzteren bilden sie sich durch Wasser-
abspaltung und gehen durch Wasseraufnahme wieder leicht in dieselben über; sie
sind „innere Anhydride" jener Verbindungen. Der cyclische Kern in ihrem Molecäl
ist bei jedem chemischen Eingriff bereit, sich zu öffiien; fast alle ihre genetischen
Beziehungen verknüpfen sie mit aliphatischen Verbindungen, und es wäre daher un-
natürlich, sie getrennt von ihren nächsten Verwandten zu behandeln. Dagegen sind
die Substanzen:
CH = Cx-OHO CH = Cv-CO.OH
>0
er
Furfurol Brenzschleimsäure
CH = C\-OHO
I > ;
CH = CH
l:
welche ein aus denselben Atomen gebildetes Ringsystem enthalten, bei den cyclischen
Verbindungen abzuhandeln, weil ihre Entstehungsweisen und Umwandlungen den
Homologie, 93
cydischen Complex ihres Molecüls als ihren wirklichen Stammkem erkennen lassen,
der seinen Zusammenhang in einer grossen Zahl von Reactionen wahrt
Für die Classification der einzelnen Verbindungen innerhalb jener
drei Hanptklassen besitzen wir in der „Homologie" ein ausgezeichnetes
Hülüsmittel. Der chemische Charakter einer Verbindung bleibt im Allge-
meinen ungeändert, wenn in ihrem Molecül ein an Kohlenstoff gebundenes
Wasserstoffatom durch die Methylgruppe: — CHg ersetzt wird. Zwei
Verbindungen, deren eine aus der anderen durch eine solche einmalige
oder mehrmalige Einfuhrung einer Methylgruppe entstanden gedacht
werden kann, bezeichnet man als homolog. Solche Verbindungen lassen
sich zu Reihen zusammenstellen, in welchen jedes Glied von dem vor-
hergehenden durch den Besitz einer Methylgruppe an Stelle eines Wasser-
stoffatoms sich unterscheidet. Die schon öfters erwähnten Kohlenwasser-
stoffe Methan, Aethan, Propan und Butan bilden z. B. die Anfangsglieder
einer homologen Reihe:
Diff.
Methan: CHJcH,
Aethan: CHg • CHg = C,Help„
Propan: CjHg. CHg = CaHgP'^
Butan : CgH, • CHs = C^nJ CH,
u. s. w.
Zwei einander benachbarte Glieder einer homologen Reihe müssen
natürlich stets eine Zusammensetzungsdifferenz von CHg zeigen, da dem
Austritt eines Wasserstoffatoms der Eintritt eines Kohlenstoffatoms und
dreier Wasserstoffatome entspricht (CHj = CHg — H).
Die homologe Reihe der Kohlenwasserstoffe, deren Anfangsglieder
oben zusammengestellt sind, bildet eine Gruppe von Verbindungen,
welche einander in ihrem chemischen Verhalten äusserst ähnlich sind,
welche durch analoge Reactionen erhalten werden können und sich bei
der Einwirkung von Reagentien fast gleichartig verhalten. Dieselbe
Analogie in dem chemischen Charakter findet sich nun wieder, wenn
wir die Verbindungen betrachten, welche aus jenen Kohlenwasserstoffen
durch gewisse Aenderungen in der molecularen Zusammensetzung ent-
stehen. Wird z. B. ein Wasserstoffatom ersetzt durch Chlor oder durch
Hydroxyl oder durch Carboxyl, so resultiren die homologen Reihen der
Chloralkyle, Alkohole und Carbonsäuren:
Methylchlorid: CHsCl Meüiylalkohol: CHaCOH)
Aethylchlorid: CjHgCl Aethylalkohol : CjHgCOH)
Propylchlorid: C3H7CI Propylalkohol : CgH/OH)
Butylchlorid: C^W^QX etc. Butylalkohol: C^HgCOH) etc.
Essigsäure: CHjCCOaH)
Propionsäure : CjHgCCOsH)
Buttersäure: CsH^CCOgH)
Baldriansäure: C4He(C0,H) etc.
94 Homologie,
Zwischen den einzelnen Gliedern dieser Eeihen besteht dieselbe weit-
gehende Uebereinstimmung in dem chemischen Charakter. Die Be-
sprechung der organischen Verbindungen wird demnach durch ihre Ein-
ordnung in homologe Reihen wesentlich erleichtert, da die Beschreibung
eines einzigen Gliedes typisch f&r die ganze Eeihe ist und für die
übrigen Glieder in der Begel nur durch wenige Angaben ergänzt zu
werden braucht. Auf die Regelmässigkeit in der Zusammensetzungs-
differenz ähnlicher Körper und die sich hieraus ergebende Möglichkeit
ihrer Einordnung in Reihen hat zuerst Schiel^ auEmerksam gemacht,
welcher sich dadurch ein hervorragendes Verdienst um die Entwickelung
der organischen Chemie erworben hat.
Homologe Verbindungen wurden vorher als solche Verbindungen
definirt, welche aus einander durch Einführung von Methylgruppen an
Stelle von an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatomen entstehen. Es
muss indessen noch hervorgehoben werden, dass man es nur dann mit
einer wirklichen Homologie zu thun hat, wenn durch diese Substitution
nicht diejenige Atomgruppe verändert wird, welche für den chemischen
Charakter der betreffenden Verbindung bestimmend ist. Beim Acet-
aldehyd: CH« — C<f z. B. bedingt die Gegenwart der Gruppe — CHO
die chemischen Eigenthümlichkeiten; aus dem Acetaidehyd kann man
sich durch Ersatz eines an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatoms
mittelst der Methylgruppe das Aceton CHg — CO — CHg entstehend denken;
trotzdem ist das Aceton nicht dem Acetaldehyd homolog, denn es ent-
hält nicht mehr die für die Aldehyde charakteristische Gruppe — CHO
und gehört daher in eine ganz andere Reihe von Verbindungen. Tritt
aber in das Molecül des Acetaldehyds eine Methylgruppe ein, ohne
den Complex — CHO zu beeinflussen, so entsteht eine Verbindung aus
derselben Reihe; der Propionaldehyd CH3 — CH^ — CHO ist ein wahres
Homologes des Acetaldehyds CH3 — CHO.
Die Glieder der vorhin erwähnten homologen Reihen entstehen aus
den zugehörigen Kohlenwasserstoffen, indem ein Wasserstoffatom durch
einwertiiige Atome oder Atomgruppen ersetzt wird. Man kann sie daher als
einwerthige Abkömmlinge der Kohlenwasserstoffe bezeichnen. Andere
Verbindungsreihen leiten sich von den Kohlenwasserstoffen durch Er-
satz mehrerer Wasserstoffatome ab; von dem Propan CH3 — CH^ — CH3
deriviren z. B. die Alkohole:
CH,(OH) CH,
I
CH, ; CH(OH) : Einwerthige Alkohole,
I I
CHg CH3
Propylalkohol Isopropylalkohol
» Ann. 48, 107; 110, 141.
Classificirung nach der WertkigkeiL 95
CH,(OH) CH,(OH)
I
CH(OH) ; CH, : Zweiwerthige Alkohole,
CH, CH,(OH)
Propjlenglykol Trimethylenglykol
CHrfOH)
I
CH(OH) : Dreiwerthiger Alkohol;
1
CH,(OH)
Glycerin
von dem Aethan CHg — CHj die Carbonsäuren:
CHg— CH,— CO,H : Einwerthige Säure,
Propionaäure
/CO,H CH,-CO,H
CHg— CH< ; I : Zweiwerthige Säuren,
XJO,H CH,-CO,H
IsobemsteiuBäure Bemsteinsäure
/CO,H
COjH— CH,— CH< : Dreiwerthige Säure,
XJOjH
Aethenyltricarbonsäure
COjHv /CO,H
>CH— CH< : Vierwerthige Säure.
CO,H/ XJOtH
Acetylentetracarbonsäure
Die Abkömmlinge der einzelnen EohlenwasserstofiEreihen können dem-
nach unter Berücksichtigung einerseits der Art der an Stelle von Wasser-
stoffatomen eintretenden Substituenten und andererseits der Anzahl der
vertretenen Wasserstoffatome in homologe Reihen geordnet werden. Es
bleibt uns noch zu besprechen, nach welchen Gesichtspunkten die Kohlen-
wasserstoffreihen selbst classificirt werden. Es ist bisher nur eine solche
Reihe erwähnt worden (S. 93): die mit dem Methan CH^ beginnende
homologe Reihe der sogenannten „Grenzkohlenwasserstoffe". Diese
Bezeichnung führen die betreffenden Kohlenwasserstoffe deshalb, weil
in ihren Molecülen zur Bindung der Kohlenstoffatome an einander so
wenig Valenzen, wie nur irgend möglich, aufgewendet sind, und daher
die Anzahl der zur Bindung von Wasserstoffatomen frei bleibenden
Valenzen die höchst mögliche Grenze erreicht. Aus den Formeln:
CH^; CH3— CH3; CH3— CH,— CH3 u. s. w.
ist dies sofort ersichtlich. Enthält ein Kohlenwasserstoff dieser Reihe
nC- Atome im Molecül, so sind zu deren Zusammenhang (n — 1) Bin-
dungen von je 2 C- Atomen an einander erforderlich; diese Bindungen be-
dingen den Aufwand von (2n — 2) Valenzen; da nun infolge der Vier-
Classifiairung nach
itoffatoms insgesamiut 4ii Valenzen vorhanden
— 2) = 2n + 2 Valenzen zur Bindung vonWasaer-
e Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffe dieser
rch die allgemeine Formel CjHj||^_j auBgedriickt
schliessen sich andere Kohlenwasserstoffireihen
ärmer sind, weil in ihren MolecUlen Kohlen-
9r zur Bindung von Wasserstoflfatomen weniger
[n den Molecülen dieser Kohlenwasserstoffe und
nach an einer Stelle oder an mehreren Stelleu
luDg der Eohlenstoffatome an einander aufge-
iusanuuenhalt durchaus notbwendig ist. Dieser
is diese Verbindungen oft die Fähigkeit zeigen,
— namentlich den Wasserstoff oder die Halo-
le aufnehmen zu können, ohne dafUr andere
en. Während z. B. in einen Kohlenwasserstoff
e nur eintreten können, wenn gleichzeitig Wasser-
bstitution):
I, + 2Brs = CjHjBr, + 2HBr,
irmeren Kohlenwasserstoffe Bromatome durch
[id in Verbindungen der Grenzreihe Übergehen,
hlenstoflfbindung in einfache übergeht, und die
ideu Valenzen sich mit den Bromatomen sättigen :
CH, CH.Br
CH, CH,Br
Verhältnisse bezeichnet man die Verbindungen
ttigte Verbindungen, die wasserstoffärmeren
indungen.
gten Koblenwasserstofifreihen ist die wasserstoff-
Glieder nur zwei Wasserstoffatome weniger im
iie Glieder von gleicher Kohlenstoffzahl in der
h den fUr die Zusammensetzung ihrer Einzel-
n Ausdruck Cj^Hj^ charakterisirt; sie beginnt mit
führt daher auch die Bezeichnung Aethylen-
nel jedes einzelnen Kohlenwasserstoffs aus dieser
liges MulUplum von CHj dar;
Aethylen: C,Hj = (CH.l,
Propylen: C,Hg = (CH,)j
Bullen: C,H, = (CH,)j
Amylen: C.H.o = (CH,)^ etc.;
dem Sättigungsgrade, 97
alle diese Kohlenwasserstofife besitzen demnach gleiche procentische Zu-
sammensetzung, sind aber von einander durch verschiedene Molecular-
^ grosse unterschieden. Man bezeichnet eine solche Beziehung in der Zu-
sammensetzung als Polymerie.
Auf die Aethylenreihe folgen die Kohlenwasserstofifreihen mit succes-
sive fallendem Wasserstofifgehalt^:
Von den ungesättigten [Kohlenwasserstoffen leiten sich nun wieder
zahlreiche Verbindungen durch Substitution der Wasserstoffatome in
verschiedenartigster Weise ab. Sie können ebenso wie die Derivate der
Grenzkohlenwasserstoffe in einwerthige, zwei-, drei- und mehrwerthige
Verbindungen eingetheilt und in homologe Beihen eingeordnet werden.
Im Vorstehenden sind die Gesichtspunkte entwickelt, welche für die
Systematik der aliphatischen Verbindungen massgebend sind. Auch fiir
die Classificirung der Verbindungen aus den beiden anderen Haupt-
klassen (S. 92), welche durch das Vorhandensein von ringförmigen
Atomcomplexen in ihren Molecülen charakterisirt sind, kommen die-
selben Gesichtspunkte in Betracht; doch müssen hier noch andere Prin-
cipien hinzugezogen werden, wie z. B. die Anzahl der in einem Molecül
vereinigten cyclischen Complexe und die Art ihrer Aneinanderlagerung;
auf diese Verhältnisse soll erst bei der speciellen Besprechung dieser
Verbindungen näher eingegangen werden.
Von den zahlreichen organischen Verbindungen, denen man fertig
gebildet in der Natur begegnet ,^ ist ein erheblicher Theil in ihrer Con-
stitution klar gestellt; diese könnten daher an der ihnen infolge ihrer
Structur zukommenden Stelle des Systems, dessen Grundzüge oben dar-
gelegt sind, besprochen werden. Allein einstweilen erweist sich eine
derartige Behandlung noch nicht durchgehends als zweckmässig; wich-
tige Beziehungen der betreffenden Verbindungen zu anderen ihnen augen-
scheinlich nahe verwandten Substanzen, welche noch nicht genügend
aufgeklärt sind, um einen bestimmten Platz im System angewiesen zu
erhalten, würden nicht scharf genug hervortreten. Es empfiehlt sich
' Man dräckte früher die Zugehörigkeit der einzelnen Kohlenwasserstoffe zu
einer dieser Reihen nach A. W. HoFMAini's Vorschlag in der Weise aus, dass man
ihre Namen mit Endungen versah, deren Vocal den Sättigungsgrad bezeichnen sollte.
IHe charakteristische Endung war
ftir die Reihe C^^H^^,: an,
»» » » ^ii">n • ^^f
?> »> » W*^«n— «• ^^>
n » » W^n— «' '*"•
Der Kohlenwasserstoff C^Hi« erhielt also die Bezeichnung Hexan, CeHjs Hexen,
GeH,Q Hexin etc. — Diese Nomendatur ist indessen nur für die erste Reihe in
Gehrauch geblieben.
V. MxTEB n. Jacobson, org. Chem. L 7
98 OperaHon^i bei organiach-ehemiachen Arbeilen.
daher, jene Gruppen von Naturstoffen (Glukoside, Alkalolde, Eiweiss-
stoffe etc.), welche theilweise oder ausschliesslich Verbindungen von noch
imermittelter Atomanordnung umfassen, einstweilen zu einer besonderen
vierten Klasse znsammenzufasBen, welche erst nach Besprechung der oben
aufgestellten drei Hauptklassen abzuhandeln ist.
Viertes Kapitel.
' iten Operationen, welche bei der I>8rBtelliuig
l oi^ranisclierVeTbindm^en anBrnfOhren sind.
MD mit einander. — Einfache and iraclionirte Destillation;
dampf. — Trennung von Flfissigkeiten nnd festen KOrpem;
- KrTstalliaation. — Trocknung. — Begtimmung des SchmeU-
[ta und specidsclien Gewichts. — Thennometerprllfbiig.)
ationen, welche das Studium der organischen Ver-
lig macht, sind bisher nur diejenigen beschrieben
lalyse und zur Molecnlargewichtsbestimmung dienen
iem Kapitel sollen einige Operationen mit den dabei
inden Apparaten besprochen werden, welche häufig
ng organischer Verbindungen angewendet werden,
ndelt es sich bei der AusilÜinmg irgend einer Reac-
1 das Erhitzen von Substanzen mit einander,
( dem anzuwendenden Apparat je nach der zu er-
len Eeactionstemperatur und dem Siedepunkte der
:tion tretenden Substanzen eine verschiedene Form
: werden. Ist die Reactionstemperatur niedriger als
depunkt des Substanzgemisches, so kann die Ope-
sinfäch in einem Kolben vorgenommen werden, in
Hals ein Thermometer mittelst eines Korks eingefügt
Ich letzterer seitlich einen Ausschnitt besitzt, um
i-wärmen die sich ausdehnende Luft ungehindert ent-
zu lassen (Fig. 25); man erhitzt den Kolben in einem
bade oder fUr höhere Temperaturen in einem Bade,
t Rilböl oder Paraffin gefüllt ist, und regulirt die
! SO, dass das Thermometer die gewünschte Tempe-
ligt. Kleinere Kölbchen kann mau auch vortheilhaft in
:ch Fig. 50 (S. 1 13} abgebildeten Apparate auf constante
atur erhitzen; man ersetzt dann den kupfernen Deckel
I aus Asbestpappe, in deren Mitte eine kreisrunde
:hstecken des Kolbenhalses ausgeschlagen wird, —
Erhitzen unter Rückfluss.
99
- il
i"C
H>
In anderen Fällen ist es noth wendig, das Substanzgemisch so weit zu
erhitzen, dass der flüchtigste Antheil ins Sieden geräth und während der
Dauer der Operation auch im Sieden erhalten wird; dann muss natür-
lich dafür gesorgt werden, dass die Dämpfe wieder condensirt werden
und darauf in das Beactionsgefäss zurückfliessen. Dieses Erhitzen
unter Bückfluss wird in dem in Fig. 26 abgebildeten Apparat aus-
geführt; auf den Kolben ist in aufsteigender
Richtung ein LiEBia'scher Kühler aufgesetzt.
Derselbe besteht aus einem inneren Glasrohr
a, an welches mittelst zweier Kautschuk-
schläuche c ein weiterer mit zwei Ansatz-
röhrchen versehener Glasmantel b befestigt
ist; durch das untere Röhrchen wird nach
Verbindung mit einem Hahn der Wasserleitung
Kühlwasser eingeleitet, welches dann durch
das obere Röhrchen wieder abgeleitet wird,
nachdem es den Raum zwischen dem inneren
Rohr a und dem Mantel b durchflössen hat;
die aus dem Kolben sich entwickelnden
Dämpfe werden in dem inneren Rohr a con-
densirt, und die condensirte Flüssigkeit tropft
wieder in den Kolben zurück. Arbeitet man
mit sehr flüchtigen Flüssigkeiten, z. B. mit
Aether, so wendet man zweckmässig einen
Kühler von der in Fig. 26 a abgebildeten Form
an, welcher eine grössere Kühlfläche bietet,
da sein inneres Rohr mit einigen kugelför-
migen Erweiterungen versehen ist. Bei nicht
sehr niedrig siedenden Flüssigkeiten dagegen
kann man den Wasserkühler zuweilen auch
einfach durch ein langes Glasrohr ersetzen
und die Condensation der Dämpfe ledig-
lich durch Luftkühlung bewirken lassen. —
Bei solchen Apparaten ist zur Verbindung
des Kühlers mit dem Kolben ein Kork oder
Gnmmistopfen nothwendig, welcher mit den
sich entwickelnden Dämpfen in Berührung
kommt. Hat man es mit stark corrodirenden
Dämpfen — z. B. Salpetersäure, Brom — zu thun, welche die An-
wendung von Kork- und Gummistopfen ausschliessen , so kann man
mit Vortheil zum Ineinanderfügen der einzelnen Theile Asbestschnur
benutzen. Auch der in Fig. 27 abgebildete Kühler leistet in solchen
Fällen oft gute Dienste. Man führt die Reaction in einem Rundkolben
mit recht langem Halse aus und lässt in diesen ein massig weites Glas-
h-C
a
Flg. 26. Kolben mit
RackflusskQhler.
Fig. 26 a.
^ * •
100
Erhitzen unier Druck,
röhr c hineinhängen, das unten zugeschmolzen ist und oben einen dop-
pelt durchbohrten Stopfen trägt, durch dessen Bohrungen ein engeres
Glasrohr a bis zum unteren Ende geht, während, das Böhrchen h un-
mittelbar unter dem Stopfen endigt. Das Glasrohr c wird nun von
innen gekühlt, indem durch a Wasser zugeleitet und durch h abgeleitet
wird; die im Kolben entwickelten Dämpfe condensiren sich an der kalten
äusseren Wand von c, ohne mit Kork- oder Kautschukverbindungen in
Berührung zu kommen.
cb b
Sehr häufig ist es nöthig, das Substanzgemisch
noch über die Temperatur hinaus zu erhitzen, welche
es beim Sieden in einem offenen Gefass erreicht.
Soll diese Temperatur nicht sehr beträchtlich über-
schritten werden, so kann man jenen Zweck er-
reichen, indem man das Sieden unter dem Druck
einer Quecksilbersäule vor sich gehen lässt und da-
durch die Siedetemperatur entsprechend erhöht.
Man setzt dann auf das obere Ende des Kühlrohrs
mittelst eines Korkes ein doppelt gebogenes Glas-
rohr und lässt dasselbe in ein etwas weiteres Glas-
rohr eintauchen, das mit einer Quecksilberschicht
von geeigneter Höhe beschickt ist (s. Fig. 28). —
Oder man digerirt in verschlossenen Druckflaschen,
wie sie zum Aufbewahren von Sodawasser ge-
bräuchlich sind (Fig. 29); dieselben werden in einem
Bade langsam auf die gewünschte Temperatur er-
hitzt; sie müssen mit einem Handtuch fest umwickelt
sein, damit bei etwaiger Explosion die Splitter nicht
herumgeschleudert werden. Auch bei Beachtung
dieser Vorsichtsmassregel muss man sich der grossen
Gefahr bewusst bleiben, welche die Explosion einer
solchen Druckflasche für in der Nähe befindliche
Personen — schon, durch das ümherspritzen der
heissen Heizflüssigkeit — involvirt. Man führe da-
her solche Operationen nur in Bäumen aus, die
während der Erhitzungsdauer nicht betreten werden und mit Gas-
leitungen versehen sind, welche das Auslöschen der Heizflanune aus
einiger Entfernung gestatten; man nähere sich dem Apparat erst wieder
nach völligem Elrkalten! — Will man die Reactionstemperatur sehr
weit über die Siedetemperatur des Gemenges steigen, so dass im
Beactionsgefäss sehr erheblicher Druck entsteht, so operirt man mit
zugeschmolzenen starkwandigen Glasröhren in derselben Weise, wie dies
für die CABius'sche Schwefelbestimmung S. 23 — 25 beschrieben worden
ist; die Bohren werden in dem daselbst abgebildeten Kanonenofen auf
die erforderliche Temperatur erhitzt; beim Oefl&ien derselben beachte
Fig. 27. XahlTorriehtang
fQr jkxbeiten mit corrodl-
renden Dftmpfen zur Ver-
meidung TOD Korkverbin-
dungen.
Erhitzen unter Druck.
man stets die S. 26 ange-
gebenen Yorsichtsmassregein,
da inuner die Möglichkeit be-
steht, dasB sich in der Reac-
tion Gase gebildet haben, nnd
die Bohren infolgedessen auch
nach dem Erkalten noch
starken Dmck enthalten. —
Bei Verarbeitung grösserer
Mengen nach dieser Methode
wäre man, da der FasBungs-
ra)im auch weiter Glasröhren
doch immer noch ziemlich
beschränkt ist, genSthigt, viele
einzelne Eöhren gleichzeitig
oder nach einander einzu-
legen. Man bedient sich dann
besser eiserner Drnckge-
fässe (Autoklaven, Di-
gestoren) ton grösserer Ca-
pacität.
Eine der am häufigsten
ausznfOhr enden Operationen
ist die Destillation. Man
kann mit derselben sehr ver-
schiedenartige Zwecke im
Auge haben. Es kann sieb
z. B. dämm handeln, ans
einer Lösang das Lösungs-
mittel vollständig oder zum
grössten Theil zu verdampfen
und durch Destillation wieder-
zngevrinnen. Mau destiUirt
dann aus einem Kolben,
welcher in der ans Fig. 30
ersichtlichen Weise mit einem
absteigenden Liebio' sehen
Kohler in Verbindung steht,
und braucht in diesem Falle
nicht die Temperatur der
Dämpfe zu controUiren. Hier-
bei stellt sich oft das sehr
lästige durch Siedeverzug be- fii. as. ErutMn m
wirkte ,.Stossen" der Flfissig-
102 DesHliation.
keit ein; die Flüssigkeit hört zuweilen auf zu sieden, wird iofolgedessen
über ihren Siedepunkt „überhitzt" und geräth dann nach einiger Zeit
wieder unter so plötzlicher Dampfentwicklung ins Sieden,
dass der Kolbeninhalt übersteigt, oder der Kolben selbst gar
zertrümmert werden kann. Man kann dieses Stossen in der
Regel vermeiden, indem man in die Flüssigkeit eine Spirale
aus Platindraht oder einige Porzellanscherben hineinbringt;
von diesen festen Körpern pflegt dann eine regelmässige
Dampfblasenent Wicklung auszugehen; sehr gut wirkt auch
ein Faden, der am unteren Ende zu einer Schlinge ge-
knüpft ist, und den man derart zwischen der Wandung des
Kolbenhalses und dem Korken festklemmt, dass die Schlinge
während der ganzen Dauer der Destillation in die Flüssig-
v^,^<. keit eintaucht.
In anderen Fällen will man durch die' Destillation die
Reinheit einer Substanz controlliren, indem man zusieht, ob sie bei
constanter Temperatur siedet, und sie dabei zugleich eventuell von geringen
Mengen nicht flüchtiger Verunreinigungen befreien. Man bedient sich
dann der in Fig. 31 abgebildeten Siedekolben oder Fractionirkolben ; das
Flg. 30. DMtlUmlJoIi.
Thermometer muss in der Weise eingesetzt werden, dass die Kugel nicht
in die Flüssigkeit eintaucht, aber doch allseitig von den Dämpfen umspielt
wird; sie muss sich daher etwas unterhalb des seitlichen Abflussrobres
befinden. Bei höher siedenden Flüssigkeiten genügt die Luftkühlung zur
Condensation des Dampfes; man .wählt dann das Ablaufrohr je nach der
grösseren oder geringeren Flüchtigkeit länger oder kürzer. Bei leicht
flüchtigen Flüssigkeiten verbindet man das Ablaufrohr noch mit einem
Wf^serkUhler. Hat man grössere Quantitäten zu verarbeiten, so benutzt
Destillation im Vacun/m,
103
man einen gewöhnlichen Kolben, auf welchen vermittelst eines Korks ein
T-ßohr aufgesetzt wird (Fig. 32).
Flg. 31. FVaktionlrkoIben mit
Thermometer.
Fig. 82. Kolben mit T-Rohr
und Thermometer.
Viele Substanzen, welche unter gewöhnlichem Druck nicht ohne
Zersetzung destillirt werden können, vertragen eine Destillation, wenn
ihre Siedetemperatur
durch Anwendung
von vermindertem
Druck herabgesetzt
wird. Für diese De-
stillation im luft-
verdünnten
Räume 1 ist der fol-
gende Apparat (Fig.
33) sehr bequem: Der
Siedekolben a ist das
Destillationsgefäss
und wird durch ein
Paraffinbad oder für
höhere Temperaturen
durch ein Graphitbad
geheizt, die Kugel des
Siedekolbens b dient pig. 33. vacuum-DestiiiaUon.
a- —
^ Eine Zusammenstellang von hierfür zweckmässigen Apparaten findet sich in
der Broschüre von R. AxsghÜtz: Die Destillation unter vermindertem Druck im Labora
torium. (Bonn 1887.)
104 Destillation im Vacuum,
zur Aufnahme des Destillats, seine Ableitungsröhre f zur Verbindung
mit einem die Druckverringerung anzeigenden Quecksilbermanometer
und der Wasserstrahlluftpumpe (vgl. S. 109). In den Kolben a ist ein
Glasrohr d eingesetzt, welches unten zu einer capillaren Spitze aus-
gezogen ist und oben einen mit einer Klemmschraube c versehenen
Gummischlauch e trägt; innerhalb dieses Glasrohrs befindet sich ein
Thermometer. Man evacuirt nun bei geschlossener Schraube c niit der
Wasserstrahlpumpe, bis der Druck genügend herabgesetzt ist, öffnet dann
die Schraube o ganz wenig, so dass durch die capillare Spitze des Glas-
rohrs d langsam Luftblasen eintreten, der Druck sich aber auf dem ge-
wünschten Stande erhält. Dieses langsame Durchleiten von Luft durch
die zu destillirende Flüssigkeit hat den Zweck, die Destillation in regel-
mässigem Gange zu erhalten und ein Stossen der Flüssigkeit zu ver-
meiden. An dem im Glasrohr d befindlichen Thermometer liest man
die Siedetemperatur ab und notirt gleichzeitig die Temperatur des Heiz-
bades, welche die Siedetemperatur nicht mehr als um etwa 20 — 30®
übersteigen soll. — Das regelmässige Sieden der Flüssigkeit kann oft
auch einfacher als durch das Durchleiten von Luftblasen erreicht werden;
sehr wirksam erweist sich das Einstellen einiger Holzstäbchen von
Streichholzdicke; man kann dieselben für Substanzen anwenden, die
unter 200® sieden und Holz nicht angreifen; für höher siedende oder
Holz corrodirende Substanzen benutzt man linsengrosse Stückchen von
Bimstein oder porösem Thon. Arbeitet man mit diesen Mitteln zur Er-
leichterung des Siedens, so wird das Thermometer natürlich, wie bei
gewöhnlichen Destillationen, im Kork des Fractionirkolbens befestigt
(s. Fig. 31). — Bei allen Vacuum -Destillationen ist anzurathen, das
Destillirgefäss höchstens zu ein Drittel anzufallen, da die sich ent-
wickelnden Dampfblasen grösser sind als bei der Destillation unter Luft-
druck, und demnach leichter ein üebersteigen stattfinden kann. Schäumen
die zu destillirenden Flüssigkeiten sehr stark, so wende man nicht ein
zu hohes Vacuum (etwa ein solches von nur 60 — 100 mm) an.
Sehr wichtig ist die fractionirte Destillation, welche den Zweck
hat, Gemenge, die Bestandtheile von verschiedenem Siedepunkte ent-
halten, in ihre einzelnen Bestandtheile zu zerlegen. Destillirt man z. B.
ein Gemenge von zwei Flüssigkeiten, deren Siedepunkte bei 100® und
150® liegen, so geht nicht etwa bei 100® allein die niedriger siedende, bei
150® allein die höher siedende Flüssigkeit über, sondern das Thermometer
steigt allmählich von 100® bis 150®, und bei jeder Temperatur destillirt
ein Gemisch der beiden Flüssigkeiten ^ Im vorliegenden Falle z. B.
wird man von 100 — 110® ein Destillat auffangen können, welches die
^ Näheres über das VerhSltniss der Gemengtheile in den Destillaten siehe in
den Arbeiten von Wanklyk, Ann. 128, 328; Berthelot, Ann. 128, 821; Brown,
Joum. Soc. 89, 304; Konowalow, Pogg. (N. F.J 14, 34.
Fractionirie Destillation,
105
w
niedriger siedende Flüssigkeit zwar in vorwiegender Menge, aber keines-
wegs rein enthält; von 110 — 140^ ein Gemisch, welches von beiden Be-
standtheilen beträchtliche Procentgehalte aufweist; endlich von 140® ab
ein Destillat, in welchem die hoch siedende Flüssigkeit vorwiegt. Man
unterwirft nun zunächst die „Mittelfraction" (110 — 140^ einer erneuten
Destillation, bei welcher wiederum eine gewisse Menge zu der niedrigen
Fraction und eine gewisse Menge zu der hohen Fraction gewonnen wird,
und wiederholt dies so oft, bis die Mittelfraction fast ganz in die bei
100 — 110® und bei 140 — 150® siedenden Destillate gespalten ist. Dann
müssen die hoch siedende und die niedrig siedende Fraction
für sich einer Fractionirung innerhalb engerer Grenzen unter- ^
worfen werden (etwa von 5 zu 5®, dann von 2 zu 2®); durch
sehr oft wiederholte Destillation gelingt es schliess-
lich, von jeder Flüssigkeit einen Theil rein und 5
constant siedend abzuscheiden.
Damit man bei dieser fractionirten Destilla-
tion einigermassen rasch zum Ziele kommt, ist es
nothwendig, dass die aus der Flüssig-
keit sich entwickelnden Dämpfe nicht
sogleich in das Abfluss- und Kühl-
rohr gelangen, sondern erst Zeit
finden, den Antheil an schwerer
flüchtigen Bestandtheilen , welchen
sie mit sich führen, grösstentheils
durch theilweise Condensation wieder
abzugeben. Diesen Zweck kann man
bei Anwendung gewöhnlicher Siede-
kolben dadurch erreichen, dass man
das Abflussrohr möglichst hoch an-
bringt; besser bedient man sich eines
besonderen Fractionir-Aufsatzes.
Es sind verschiedene Formen solcher
Aufsätze angegeben; die gebräuch-
lichsten sind in Fig. 84 abgebildet.
Fig. 34 a stellt einT-Rohr mit einigen
kugelförmigen Erweiterungen (von Wuetz angegeben) dar. Fig. 346 ist
die LiNKBMANN'sche Fractionir- Vorrichtung, bei welcher in dem T-Rohr
eine Reihe von Näpfchen aus Platindrathnetz befestigt sind; in diesen
Näpfchen condensirt sich der schwerer flüchtige Antheil, und die nach-
folgenden Dämpfe werden nun, indem sie die condensirte Flüssig-
keit durchstreichen müssen, gewissermassen gewaschen. Fig. 34c giebt
eine sehr einfetche von Hempel angegebene Vorrichtung wieder, welche
sich namentlich für niedrig siedende Flüssigkeiten vortrefflich eignet; sie
besteht aus einem gewöhnlichen Glasrohr, welches unten etwas ver-
Flg. 34. FractIonir-AafUltse nach
WURTZ LINKKMA2IN HmfPBL-
DesiiUation mit Wasserdampf.
engert ist, mit Qlasscherben angefüllt wird und oben ein T-Rohr
tjäfct^
Um im tu ftver dünnten Raum frac-
tionirte Destillationen ausführen zu
können, ohne genöthigt zu sein bei dem
Wechsel der Vorlage jedesmal das Va-
cuum aufheben zu müssen, dient der
Apparat Fig. 35*. In einem starkwan-
digen GlasgefUss Ä befindet sich ein
Halter mit mehreren Reagensgläsem,
welcher an dem in dem Kautschuk-
stopfen a drehbaren Giasstab h mittelst
Bayonnettverschluss angehängt ist \
durch Drehung des ßlasstabs b kann
eines der Beagensgläser nach dem an-
deren unter die Oefihung des Abfluss-
rohrs e geschoben werden, aus welchem
das Destillat hemntertropft.
sser nicht mischbare Substanzen, welche für
flüchtig sind oder erst bei hohen Temperaturen
sich, wenn man ihre Mischung mit Wasser er-
:leich mit den sich entbindenden Wasserdämpfen,
beruht die Destillation im Wasserdampf-
)eration, welche besonders häufig in der orga-
ligung von Substanzen und zur Trennung von
wendet wird. In einem Blechkessel a bringt
; der Kessel trägt einen doppelt durchbohrten
hrungen ein längeres bis zum Boden reichendes
t unter dem Korken endigendes Knierohr c zur
mpfe geht. Durch letzteres leitet man nun
om auf den Boden des gleichfalls mit doppelt
ihenen Rundkolhens d, in welchem sich die zu
findet. Der Dampfstrom durchstreicht das Ge-
itigen Antheil in das innere Bohr des Kühlers e.
in auch den Inhalt des Kolbens d, wenn sich
tammelt, noch direct erwärmen. — Zuweilen —
iibstanzen — ist es nothwendig, die Destillation
fstrom auszuführen. Dann schaltet man zwi-
und den Destillationskolben ein spiralförmiges
Zdjcke) ein, in welchem der Dampf durch eine
1 brennende Flamme über löO" erhitzt werden
t der TenchiedeDen ÄulsSte6 Tgl. Kbbis, Ann. 234, 2i
1535. — BbOhl, Ber. 21, 3389.
JVwmunff von Ftiissigkeüen.
kann. In diesem Falle darf sich natürlich im Destillationskalben kein
Wasser befinden. Auch erhitzt man denselben zuweilen noch im Oelbad,
wenn man es mit Substanzen zu thtin hat, die sehr schwer Übergehen.
ilg. SC DcaUlUllOD mll Wuscidsmpr.
zogen hat. Man bedient sich in solchen Fällen eines Scheidetrit^ters
(Fig. 38), dessen Ablaufrohr mit einem Hahn versehen ist; nachdem
sich in der Engel desselben die
beiden Flüssigkeiten in zwei
scharf von einander geschiedene
Schichten gelagert haben, öffnet
man den Hahn und lässt die
untere Schicht ablaufen, schliesst
darauf den Hahn wieder und
giesat nun die obere Schicht
durch den Hals des Trichters in
ein anderes Gefäss ab. — Hat
man es mit kleinen Quantitäten
— wie z. B. bei Reagensglasversuchen — zu thun, so ist die Anwendung
von C&pillarpipetten sehr zu empfehlen {Fig. 39); über dieselben wird
das eine Ende eines engen Gammischlauchs gezogen, dessen anderes Ende
•lerExperimentator im Munde hält. Man bringt nun die capiltar ausgezogene
108
MÜraiion.
Ftg. 39. Trennimg iweler
Fin»l«kelt»^blchtan
dorch CapUlupipMU.
Spitze unmittelbar über die Trennungsfläche der beiden Schichten, saugt
die obere Schicht in der Pipette auf, kneift dann den Gummiachlanch
fest zu, zieht die gefüllte Pipette her-
aus und lässt ihren Inhalt in ein an-
deres Glas auslaufen.
Um feste Körper von Flüssig-
keiten zu trennen, bedient man sich
bekanntlich der Filtration. Ausser
der gewöhnlichen Filtration durch glatte
Filt«r oder durch Falt«nfilter wendet
man sehr häufig zur Beschleunigung
der Operation die von BüifBEN> einge-
führte Filtration unter Druck an.
In einer Saugäascbe a (Fig. 40), welche
, durch das seitliche Eohr b und einen
sehr starkwandigen Gummiscblanch mit
einer Wasser Luftpumpe (vgl, S. 109) in
Verbindung gesetzt wird, erzeugt man
einen luftverdUnnten Eaum und bewirkt dadurch ein rascheres Durch-
laufen der auf den Trichter aufgegossenen Flüssigkeit. In diesen Trichter
kann man ein gewöhnliches glattes Filter einsetzen,
muss dann aber die in das Ablaufrohr hineinragende
Spitze desselben, welche leicht durch den Druck
zerrissen werden könnt«, schützen, indem man das
Filter in einen kleinen mit einigen feinen Löcbem
versebenen „Conus" o aus Platin-
blech oder aus Pergamentpapier ein-
setzt. Für präparative Arbeiten aber
ist die Anwendung von Siebplatten'
mit abgeschrägten Rändern aus Por-
zellan (Fig. 41) zweckmässiger, weil
sie eine grössere Filtrationsfläche
bieten und daher noch schnellere Fil-
tration gestatten; diese Siebplatten,
welche man in den verschiedensten
Grössen anwenden kann, werden hori-
""'l.iMw.^'''^ zontal in den Trichter gelegt und
dann mit zwei kreisrunden Scheiben
Filtrirpapier belegt, von denen die untere ebenso gross wie die Platt«
ist, die obere einen etwa 4 mm grösseren Durchmesser besitzt. Man
befeuchtet nun die Filterscbeiben mit einigen Tropfen Wasser und
lässt die Pumpe wirken; die Scheiben werden fest an die Siebplatte
uter in einen
T
■ AnD. 148, 276.
' 0. N. Witt, Bot. 18, 918.
Flg. 12. Pomllu-
trlehWr mit
aiabpliU«.
Filtraiiim.
und die Filtration kann beginnen. Anch die Anwendung
der von E. Hibbch ' und Büchner ' angegebenen Porzellantrichter, welche
eine solche Siebplatte in fester Verbindung
mit dem Trichter enthalten, ist empfehlens-
werth; Fig. 42 giebt eine sehr zweckmässige
Form derselben wieder. — Hat man kleine
Quantitäten in dieser Weise zu filtriren, so
ist es oft zur Vermeidung von Verlusten
wün Sehens werth , das Filtrat nicht in die
verhältnissmässig zu geräumige Saugäasche
äiessen zu lassen; mau setzt dann in der
durch Fig. 43 erläuterten Weise ein Reagens-
glas ein, in welchem sich das Filtrat an-
sammelt. — Zur Erzeugung der für diese
Filtrationen erforderlichen Druckverringe-
rung bedient man sich meist der in Fig. 44 abgebildeten gläsernen
Wasserstrahlluftpumpen, welche mittelst eines mit zwei Draht-
ligatnren versehenen Kautschukschlauches b
an jeden beliebigen Hahn a der Wasser-
leitung angebracht werden können. Der
oßter Druck in das Rohr c einströmende
und durch das Bohr d wieder abtliessende
Wasserstrahl reisst durch das sich unten zu
einer feinen Spitze verengende Rohr e Luft
mit sich, welche er dem Apparate entnimmt,
der mit dem Röhrchen f durch einen stark-
waadigen Schlauch in Verbindung gesetzt
wird. Innerhalb sehr kurzer Zeit kann da-
durch in dem mit der Pumpe verbundenen
Apparat eine betiilchtltche Druckvermin-
denmg [bis ca. 15 mm Quecksilberdruck]
erreicht werden. Damit bei etwaigen Druck-
fichwaoknngen in der Leitung oder bei Ver-
ringerung des Wasserzullusses nicht ein
Znrficksaugen des Wassers in den eva-
cnirten Apparat eintreten kann, ist an das
Röhrchen f ein EnöKio'sches Sicherheits-
ventil g angebracht. Letzteres besteht aus
einem unten durch ein Glasstäbeben ver-
schlossenen StückcheD Eautschnkschlanch,
in welchen mit einem scharfen Messer ein Schlitz eingeschnitten ist.
Dieser Schlitz kann sich nach aussen öBaen nnd gestattet daher das
-d
Flf, U. Wunnlnhl-Liinpiimpe.
' Chem.-Ztg. 1888, 340.
» ebenda, 1277,
110
Exiraction.
Fig. 46. Filtrlrrahmen.
Heraussaugen von Luft durch den Wasserstrahl; bei jedem nach innen
wirkenden Druck aber schliesst er sich fest, und das etwa zurücksteigende
Wasser findet demnach durch ihn keinen Durchtritt.
Hat man grössere Quantitäten
zu filtriren, so wendet man zweck-
mässig, wenn der Niederschlag nicht
zu fein ist, Tuchfilter an. Man
spannt ein vorher benetztes vier-
eckiges Stück unappretirten Baum-
wollenzeugs auf einen aus vier Lei-
sten bestehenden Filtrirrahmen
(Fig. 45) nicht zu straff aus^ legt den
Bahmen auf eine tiefe Schale und
giesst nun die zu filtrirende Flüssig-
keit auf das Tuch; die Filtration verläuft in der Begel sehr rasch.
Nach ihrer Beendigung und nach dem Auswaschen des Niederschlags
kann man aus letzterem, nachdem man ihn all-
seitig mit dem Filtrirtuch umhüllt hat, durch
Auspressen mit der Hand oder einer Schrauben-
presse die anhaftende Flüssigkeit grösstentheils
entfernen. Ist die Menge des Niederschlags sehr
bedeutend, so ist es vortheilhaft, dem Tuchfilter
die Form eines Spitzbeutels zu geben.
DieTrennung festerKörper von einander
gründet sich meistens auf ihre verschiedene Lös-
lichkeit. Man behandelt das Gemisch mit einem
Lösungsmittel, welches einen Bestandtheil reichlich
auflöst, während es die anderen gar nicht oder
nur in geringer Menge auf-
Ä
1
y
:- a
nimmt. Für diesen Zweck
ist eine grosse Zahl von Ex-
traction sapparaten an-
gegeben worden; sehr gute
Dienste leistet der in Fig. 46
abgebildete Apparat. Das
Eölbchen a enthält das Lö-
sungsmittel; auf dasselbe ist
der weite Glasmantel h auf-
gesetzt, welcher den Kühler
c trägt und den Glaseinsatz d
enthält; letzterer ist in Fig.
466 noch besonders gezeich-
net. Er besteht aus einem weiteren Glasrohr, in welches man die zu
extrahirende Substanz, von einer mit einigen Fäden zusammengehaltenen
Fig. 46 a.
Extractions-
Appant.
Fig. 46 h.
Fig. 46 c.
KrystaÜisation. 111
und unten zugekniffenen Rolle Filtrirpapier umbilUt, hineinbringt; an
dieses weitere (rlasrohr schliesst sich ein in der aus der Figur ersicht-
lichen Weise gebogenes Capillarrohr. Der Apparat functionirt nun in fol-
gender Weise: Bringt man die im Kölbcben a befindliche Flüssigkeit zun
Sieden, so steigen die Dämpfe durch den Glasmantel b in den Kuhler
und condensiren sich dort; die condensirte Flüssigkeit tropft in den Glae-
einsatz d, wird durch die umgebenden Dämpfe nahezu auf der Siedetem-
peratur erhalten und bewirkt den Lösungsprocess ; hat sich soviel Lösang
angesammelt, dass ihr Niveau den obersten Punkt des Capillarrohrs von d
zu übersteigen beginnt, so wirkt letzteres als Heber, und die Lösung
fliesst dnrch dasselbe aus dem Glaseinsatz in das Kölbcben ab. Der
nunmehr entleerte Glaseinsatz d beginnt sich sofort wieder zu ftÜlen, es
beginnt ein neuer Lösungsprocess und dauert an, bis die Lösung wieder
das Niveau erreicht hat, bei welchem sie abgehebert wird; dann folgt
ein dritter Lösungsprocess u. s. w. — Als Kühler könnte man ein
LiEBio'sches Euhlrobr anwenden; da der Apparat aber dann durch seine
Höhe unhandlich wurde, benutzt man besser einen Soxhlet' sehen Kugel-
kohler aus Metall, dessen Construction aus dem durch Fig. 46c dar-
gestellten Durchschnitt ersichtlich ist; durch das Böhrchen a wird Kühl-
wasser in den inneren Raum c geleitet, durch b fliesst es ab; die Dämpfe
gelangen in den Hohlraum d und condeusiren sich dort, indem sie von
innen durch das Wasser, von aussen durch die Luft gekühlt werden.
Die Reinigung fester Substanzen geschieht, wenn es angeht,
dorch Krystallisation; man löst die zu reinigende Substanz in einem
geeigneten Lösungsmittel auf, filtrirt von etwa ungelöst gebUebenen An-
theilen und Uberlässt die Lösung der Krystalliaation. Bei dieser Gelegen-
heit hat man oft heisse Lösungen zu filtriren, welche schon bei geringer
Abkühlung Kristalle absetzen und daher während der Filtration heisa
erhalten werden müssen, damit nicht das Filter und das Ablaufrohr
des Trichters sich verstopfen, und die weitere Filtration dadurch gehindert
wird. Bei kleineren Mengen kann man dies meist verhüten, wenn man
Trichter anwendet, deren Ablaufrohr abgeschnitten (Fig. 47)
ist, diese Trichter vor dem Aufgiessen der Flüssigkeit
über einer Flamme etwas anwärmt und dnrch Benutzung
eines Faltenfilters aus sehr durchlässigem Papier für mög-
lichst rasche Filtration sorgt. Für grössere Mengen be-
dient man sich der Heisslufttrichter oder Heiss-
wassertrichter, in welchen der Trichter dauernd wäh-
rend der Filtration warm erhalten wird. Fig. 47.
Die Krjatallisation aus der Lösung wird entweder Triv-hter mit
durch Abkühlung oder durch Verdunstung hervor-
gerufen. Ersteres Ver&hren — das bei weitem bequemere — kann an-
gewendet werden, wenn die Löslichkeitsdifferenz im heissen und kalten
Lösungsmittel beträchtlich ist; hei seiner Ausftlhrung ist vor Allem zu
112 JG-ystalHaatimi.
beachten, dass die erkaltende Lösung vor Erschütterungen geschützt wird,
welche die Erystallisatioa stören und die Ausbildung guter Erystalle ver-
hindern würden. Bedeckt man, wie es sehr hänfig geschieht, eine in
einem Becherglase erkaltende LOsung zur Verhütung des HineinlallenB von
Staub derart mit einem Uhrglas, daas seine Wölbung nach unten kommt,
so sind solche Störungen unvermeidlich; denn die aus der heissen Lösung
aufsteigenden Dämpfe werden an dem kalten Uhrglase condensirt, es
sammelt sich an seiner tiefeten Stelle ein FlUssigkeitstropfen an, und
dieser fällt, wenn er eine gewisse Grösse erreicht hat, in die Lösung
hinab und stört dadurch die Erystallisation. Um dies zu verhüten, legt
man zweckmässig eine Scheibe Filtrirpapier unter das aufzudeckende
Uhrglas, oder man legt letzteres in der Weise auf, dass seine hohle
Seite nach unten kommt; dann ßiesst die an ihm condensirte Flüssigkeit
continuirlich an den Wandungen des Becberglases hinab, ohne Er-
Schütterungen der Flüssigkeit zu venursachen.
Die Erystallisation durch Verdunstung wird entweder ausge-
führt, indem man die Lösung in einem offen stehenden Sachen, nur mit
Fliesapapier bedeckten Gefässe
der freiwilligen Verdunstung
überlässt, oder indem man sie
unter einer Glocke bei Gegen-
wart eines Mittels, welches das
Lösungsmittel absorbirt, vor sich
gehen lässt Zu letzterem Zwecke
dienen die Glocken-Exsicca-
toren (Fig. 48), welche ans einer
abgeschliffenen Glasplatte a und
einer darauf passenden stark*
wandigen Glasglocke b mit ab-
geschliffenem Kande bestehen;
beide Theile werden mit etwas
Fett an einander gedichtet. Unter
ng. 48. Giocken-Eiriator. ^^^ Qlocke setzt man eine Schale
mit concentrirter Schwefelsäure,
welche flir die beiden gebräuchlichsten Lösungsmittel — Wasser und
Alkohol — bekanntlich ein grosses Absorptionsvermögen besitzt, darüber
auf geeigneter Unterlage das GefS.ss, welches die zu verdunstende Lösung
enthält. Um den Verdunstungsprocess beschleunigen zu können, hat man
die Möglichkeit, vermittelst des Glashahns c die Glocke durch eine
Wasserluftpumpe zu evacuiren und demnach die Verdunstung im luft-
verdünnten Raum vor sich gehen zu lassen.
Nachdem die Substanz sich krystaliisirt aus der Lösung abgeschieden
hat, wird sie durch Filtration von der Mutterlauge getrennt, mit reinem
Lösungsmittel nachgewaschen und muss nun getrocknet werden. Man
TStKkena^Ktrate. IIS
schafft zunächst die Hauptmenge der anhatlenden Feuchtigkeit durch
Abpressen zwischen Fliesspapier oder durch Aufstreichen auf poröse
Platten aus gebranntem Tbon, welche ein grosses Aufsaugungsvermögen
ftlr Flüssigkeiten besitzen, fort. Den Kest beseitigt man am einfachsten
durch Erwärmen auf eine Temperatur, welche den Siedepunkt des
Lösnngsmittels um 5 — 10" übersteigt. Man kann diese Trockenoperation
in einem kupfernen Luftb&de (Fig. 49} vornehmen, welches durch eine
Grasflamme geheizt wird; an einem in das Innere des Kastens hineinragen-
den Thermometer liest man die Temperatur ab und reguUrt die Heizflamme
derart, daas eich die gewüna(
Temperatur constant erhält,
solches Luftbad erfordert t
dauernde Beau&ichtigung, w
man dasselbe nicht mit ei i
automatisch wirkenden Begi
vorrichtung(Thennoregulal *■'«■ '**■
versieht. Dieser Controlle ist man Überhoben bei Anwendung der in Fig. 50
abgebildeten doppelwandigen Trockenapparate' aus Kupfer; in den
Zwischenraum zwischen den beiden Wandungen (vgl. den Durchschnitt
in Fig. 506) bringt man einige Cubiccentimeter einer constant siedenden
Flüssigkeit, welche durch ein kleines Flämmchen in so starkem Sieden
erhalten wird, dass sich die Dämpfe in einer Höhe von mehreren Centi-
metem im Glasrohr a condensiren. Durch das die Doppelwandung
durchsetzende Röhrchen b und die durch einen Schieber verschliessbare
Oeffhung c im Deckel wird ein aufsteigender Luftstrom unterhalten.
Die Temperatur im lunenraum beträgt bei Anwendung von Wasser: 97°,
Tolnol: 107", Xylol: 136», Anisol: 150», Theer-Cumol: Itil— 162".
' V. Mevbk, Ber. 18, 2909; 19, 419.
V. Mrxk n. jAuOMoa, arg. Chun. 1 9
114 Sckmelxpunktbeslintmuvg.
Substanzen, welche das Erhitzen auf höhere Temperatur nicht ver-
tragen, trocknet man bei gewöhnlicher Temperatur im Exsiccator Aber
einem Trockenmittel, welches für das betreffende Lösungsmittel Absorp-
""' ■ ' ■' ' litzt. Man kann die Wirkung des letzteren durcb
äccators beschleunigen; Fig. 51 giebt eine zweckmässige
;uum-ExBiccatoren wieder, welche stets sehr starke
esitzen müssen, damit sie nicht durch den äasseren
nmert werden. Vor dem Oeffnen dieser Exsiccatoreo
Pacuum wieder aufzuheben, indem man durch das mit
le Kohr a allmählich Luft einströmen lässt. Verföhrt
irsichtig, so könnte durch die mit Gewalt eintretende
z verstäubt werden. Um dies zu verhüten, ist auch
des Rohres a in der aus Fig. 51 (vgl. auch Fig. 48)
e derart gebogen, dass der eintretende Luftstrahl nicht
iccator liegende Substanz treffen kann.
rstehenden beschriebenen Operationen, welche besonder»
ativen Arbeiten auszuführen sind, sei die Besprechung
fachen physikalischen Üntersuchungamethoden
Iche der Chemiker zur Charakterisirung von organischen
izuwenden hat,
rer Wichtigkeit ist die Bestimmung des Schmelz-
e wird nicht nur angestellt, um neue Verbindungen
aliscbe Constante zu charakterisiren, sondern besonders
Dontrolle der Reinheit von Präparaten. Der Schmelz-
tanz wird nämlich schon durch die Anwesenheit sehr
einer Verunreinigung meist erheblich herabgedrückt;
bstanzen geben sich femer meist dadurch zu erkennen,
f ' schmelzen, d. h. dass zwischen dem Punkt, bei dem
beginnen, und dem Punkt, bei welchem sie vollkommen
, ein Intervall von mehreren Graden liegt. FVeilicb
Substanzen , welche auch in reinem Zustand keinen
Izpunkt zeigen, weil sie sich vor oder bei dem Schmelzen
iie meisten organischen Verbindungen besitzen einen
Schmelzpunkt und können daher durcb Bestimmung
re Reinheit geprüft werden. Insbesondere ist es ein
die Reinheit eines Präparats, dass der Schmelzpunkt
Krystallisation nicht geändert wird. Die Schmelzpunkts-
ät ferner ein Mittel, um rasch zu erkennen, ob ein
rodnkt etwa mit einer auf anderem Wege gewonnenen
Substanz identisch sein kann.
mnng, welche bei organisch-chemischen Arbeiten sonacJi
liches Hülfsmittel ist, läset sich mit ganz winzigen Sub-
Uhren. Man bringt die fein gepulverte Substanz in ein
SckmelzpunktsbesHinmung.
115
dünnwandiges, an einem Ende zugeschmoizenes Gapillarröhrchen und
stopft sie darin fest, so dass sich am geschlossenen Ende eine 2 — 3 mm
hohe Schicht des Pulvers findet; das Gapillarröhrchen wird an einem
Thermometer derart befestigt, dass sich die Substanz dicht an der
Kugel des Thermometers befindet. Das Thermometer ist durch einen
einfach durchbohrten Kork, der ausserdem noch mit einer Oeffnung zum
Entweichen der Luft versehen ist, in den Hals des Glasgefässes a (Fig. 52)
gesteckt, dessen Kugel mit concentrirter Schwefelsäure zu etwa zwei
Drittel angefüllt ist. Man erhitzt nun die Schwefelsäure ganz allmählich
und beobachtet zugleich den Stand des Thermometers und das Verhalten
der Substanz im Gapillarröhrchen. — Zur Be-
festigung des Röhrchens am Thermometer bedient
man sich eines sehr feinen Platindrahtes; sind die
Rohrchen dünnwandig genug, so haften sie auch
ohne jede Ligatur nach Benetzung
mit einem Tropfen Schwefelsäure
fest genug am Thermometer. Die
in der Kugel befindliche Schwefel-
säure lärbt sich durch das Hinein-
fallen von Staub nach einiger Zeit
so dunkel, dass eine genaue Beob-
achtung nicht mehr möglich ist;
um sie länger brauchbar zu er-
halten, kann man ihr ein Körn-
chen Salpeter zusetzen. — Für
Verbindungen, welche oberhalb
250^ schmelzen, ersetzt man das
Schwefelsäurebad durch ein Pa-
raffinbad; man bedient sich dann Cli^B— -fl^
statt des in Fig. 52 abgebildeten
Schmelzpunktskolbens besser eines
kleinen Becherglases in der durch
Fig. 53 erläuterten Weise; in
diesem Falle kann man durch Anwendung eines Rührers a, der aus
einem Glasstab gefertigt wird, flir gleichmässige Temperaturvertheilung
des Bades sorgen, oder man hängt das Thermometer derart auf, dass
man dieses selbst als Rührer benutzen kann.
Diese äusserst bequeme und in wenigen Minuten ausfuhrbare Methode
ist keineswegs besonders exact^, — schon deshalb nicht, weil die Gor-
rectur, welche wegen des aus dem Erhitzungsbade herausragenden und
eine niedrigere Temperatur besitzenden Quecksilberfadens eigentlich noth-
wendig wäre, unberücksichtigt bleibt. Es wäre daher ganz zwecklos.
Fig. 62.
Schmelzpunkts-
Kolbea.
Fig. öS. Schmelzpunkts-
BeatimiuuDg im Paraflin-
bade.
* Vgl. Lahdolt, Ztschr. f. physik. Chem. 4, 349. — Keisseut, Ber. 23, 2239.
8*
116
Siedepimktsbesiimmung,
bei Anwendung dieses Verfahrens eine höhere Genauigkeit als etwa auf
halbe Grade erzielen zu wollen. Bei gleichartiger Ausführung liefert
dasselbe aber Resultate, welche für die Zwecke des Chemikers eine voll-
kommen ausreichende Uebereinstimmung zeigen. Fast alle Schmelz-
punktsangaben der chemischen Literatur gründen sich auf Bestimmungen
nach dem beschriebenen Verfahren.
Erwähnt sei femer die Bestimmung des Schmelzpunkts im Queck-
silberbade; man legt die Krystalle oder das Pulver des zu untersuchen-
den Körpers einfach auf das allmählich zu erwärmende Quecksilber,
dessen Temperatur gleichzeitig an einem Thermometer abgelesen wird,
und bedeckt sie mit einem aus dünnem Glas geblasenen Trichterchen, um
den Luftwechsel und die Abkühlung von aussen zu verhüten. Für sehr
hohe dem Siedepunkt des Quecksilbers nahe liegende oder denselben
übersteigende Temperaturen ersetzt man das Quecksilber durch die
WooD'sche Legirung; die Anwendung der letzteren leistet namentlich
dann oft gute Dienste, wenn es sich darum handelt, die Identität oder
Nichtidentität zweier auf verschiedenen Wegen gewonnenen Substanzen
von sehr hohem Schmelzpunkt zu entscheiden. Man legt die beiden
Proben auf das geschmolzene Metallbad, erhitzt langsam (ohne Thermo-
meter) und beobachtet, ob sie zu gleicher Zeit schmelzen.
Die Bestimmung des Siedepunkts geschieht in Siedekölbchen
(Fig. 54), bei denen das Ablaufrohr — für leicht erstarrende Substanzen
möglichst weit, wie in
Fig. 545, zu wählen
— so hoch angebracht
ist, dass der Quecksil-
berfaden des Thermo-
meters in seiner ganzen
Länge sich im Damdfe
befinden kann , ohne
dass das Thermometer
in die siedende Flüssig-
keit eintaucht, um
dies auch bei hoch siedenden Flüssigkeiten zu ermöglichen, bedient man
sich solcher Thermometer, deren Scala erst bei 100^ bezw. 200® beginnt.
Hat man solche Thermometer nicht zur Verfügung, so muss man dem
beobachteten Siedepunkte eine der Ausdehnung des ausserhalb der
Dämpfe befindlichen Quecksilberfadens entsprechende Correctur zufügen.
Man berechnet die Grösse derselben gewöhnlich aus der Länge N des
herausragenden Quecksilberfadens (in Graden gemessen) und seiner mit
einem zweiten, in der Mitte des herausragenden Fadens angelegten
Thermometer zu messenden mittleren Temperatur /. Ist T der beob-
achtete Siedepunkt, so ist der zu addirende Betrag:
N{T^t)0'00015A;
Fig. 51. Kölbchen eur Sledepunkts-Bestiiiimttng.
Thermometerconiroüe,
117
denn 0*000 154 ist der scheinbare Ausdehnungscoefficient des Queck-
silbers im Glaset
Zweckmässiger ist es indessen, unmittelbar nach Beendigung des
Versuchs aus demselben Eölbchen unter Benutzung desselben und ebenso
tief hineingesteckten Thermometers eine Substanz zu destilliren, deren
Siedepunkt genau bekannt ist und dem Siedepunkt der vorher unter-
suchten Substanz nahe liegt. Man beobachtet dadurch direct die Differenz,
um welche unter den gewählten Yersuchsbedingungen der abgelesene
Siedepunkt hinter dem wirklichen Siedepunkt zurückbleibt, und eliminirt
gleichzeitig die etwaigen Fehler des Thermometers.
Die käuflichen Thermometer sind fast niemals genau; man muss
daher, bevor man sie zu Bestimmungen des Schmelzpunkts und Siede-
punkts anwendet, ihre Fehler kennen lernen. Zu diesem Zwecke kann
man sie mit einem Normalthermometer vergleichen, indem man letzteres
mit dem zu prüfenden Thermometer zusammen in einem Bade von
gleichmässiger Temperatur langsam erhitzt und eine Tabelle über die
Abweichungen entwirft. Für die meisten Zwecke genügt es auch, wenn
man die Abweichungen seines Thermometers nur an einigen Punkten
constatirt; als solche kann man z. B. den Schmelzpunkt des Eises (0^,
den Siedepunkt des Wassers (100^ bei 760 mm), des Naphtalins (218-1 <*)
und des Benzophenons (306.1^ benutzen. Die den Druckänderungen
entsprechenden Siedepunktsänderungen dieser leicht rein zu beschaffenden
Substanzen ergeben sich aus der folgenden Tabelle.
Tabelle Nr. 1.
Wasser.
Naphtalin.
Benzo-
phenon.
720 mm:
98*5
215.7
303*5
725 „
98-7
2160
303. 8
730 „
98-9
216.3
304. 2
735 „
99-1
216.6
304. 5
740 „
99*3
216. 9
304*8
745 „
99*4
217-2
305* 2
750 „
99-6
217-5
305-5
755 „
99*8
217. 8
305. 8
760 „
100. 0
218*1
306.1
765 „
100. 2
218*4
306*4
770 „
100.4
218*7
306*7
Da die Thermometer durch öfteren Gebrauch — namentlich in der
ersten Zeit der Benutzung — ihre Angaben ändern, so ist die Prüfimg
von Zeit zu Zeit zu wiederholen*.
> Vgl. hienm: Rhibaoh, Her. 22, 3072.
* YgL über den Grebranch des Quecksilberthermometers bei Schmelzpunkts- und
ftedepuiikta-Beatimmungen ; Cbafts, Americ. Chem. Joum. 5, 307.
118 Speci fische QevrichUihesiimmung von Flüssigkeiten,
Unter den übrigen physikalischen Untersuchungsmethoden, welche
auszuführen der Chemiker in die Lage kommt, sei noch die Bestim-
mung des specifischen Gewichts Ton Flüssigkeiten hervorgehoben.
Sie wird ausgeführt, indem man ein vorher gewogenes Fläschchen (Pykno-
meter) mit der zu untersuchenden Flüssigkeit füllt, durch nochmalige
Wägung das Gewicht der eingefüllten Flüssigkeit erfährt und nun den
Rauminhalt des Pyknometers dadurch ermittelt, dass man dasselbe jetzt
bei derselben Temperatur ebenso weit mit Wasser gefüllt wägt. Ist das
Gewicht des leeren Pyknometers A, des mit der zu untersuchenden Flüssig-
keit gefüllten J9, des mit Wasser gefüllten C, so ist das specifische Gewicht
der Substanz — bezogen auf Wasser von der Versuchstemperatur ^ — :
_B-A
Fig. 55 a zeigt eine gebräuchliche Form der Pyknometer; man füllt,
während der eingeschliflfene, von einer Capillarröhre durchsetzte Glas-
stopfen entfernt ist, das Fläschchen bis zum Rande und
drückt nun wieder den Stopfen auf, wobei sich das Capillar-
röhrchen vollständig mit der Flüssigkeit füllt, und von
letzterer noch ein Theil herausgetrieben wird. Fig. 556
zeigt eine andere Form der Pyknometer, welche man jeder-
zeit selbst vor der Gebläselampe rasch in der für die gerade
zur Verfügung stehende Menge des Untersuchungsobjectes
Pyknometer. passcndcu Grössc — bis ZU Yj ccm herab — herstellen kann;
man versieht den Hals an der verengten Stelle durch einen
Feilstrich mit einer Marke und füllt das Gefäss nun mit Hülfe einer
Capillarpipette (s. Fig. 45 auf S. 12) bis zur Marke an.
Zur CharakterisiruDg der einzelnen organischen Verbindungen können nun
natürlich auch alle anderen physikalischen Constanten dienen; doch wird ihre Be-
stimmung seltener im chemischen Laboratorium ausgeführt und bleibt gewöhnlich
dem Physiker überlassen. Bezüglich der Beschreibung der zu ihrer Bestimmung an-
wendbaren Methoden muss daher auf die physikalischen Lehrbücher verwiesen werden.
Erwähnt sei indess noch, dass die Bestimmung des Lichtbrechungsver-
mögens in neuerer Zeit oft unternommen wird; ein besonders für chemische Zwecke
geeignetes und nur eine geringe Menge des Untersuchungsobjects erforderndes
Refractometer ist von Pulprich* construirt worden. — Femer kommt der Chemiker
häufiger in die Lage, das optische Drehungs vermögen bei Substanzen, welche die
Erscheinung der Circularpolarisation zeigen, zu bestimmen; die hierzu dienenden
Methoden sind von Landolt' eingehend beschrieben.
^ Ueber die Correction der Beobachtungen wegen der Temperatur und die
Keduction der Wägnngen auf den leeren Baum vgl. Kohlrausch's Leitfaden der
praktischen Physik (6. Aufl., Leipzig 1887), p. 38—43. — Ueber ein Pyknometer für
genauere Untersuchungen vgl. BRttnL, Ann. 203, 4.
• Chem. Centralblatt 1888, 315.
* Das optische Drehungsvermögen organ. Substanzen (Braunschweig 1 879), p. 90 ff.
SPECIELLER THEIL.
ERSTES BUCH.
DIE VEKBINDÜNGEN DER PETTREIHE.
A. Die GrenzkoUenwasserstoffe nnd ihre einwerthigen -
Abkömmlinge.
Erstes Kapitel.
IMe Orenzkohlenwasserstoffe oder Faraffline.
(Methanreihe oder Sumpfgasreihe.)
Allgemeine Zusammensetzung: C„H2„^3.
Zusammensetzung, Nomenclatur, Constitution.
Es ist bereits gezeigt worden (S. 95 — 96), dass die Zusammen-
setzung der denkbar wasserstoffreichsten Kohlenwasserstoffe in
der allgemeinen Formel
ihren Ausdruck finden muss. Man bezeichnet die Kohlenwasserstoffe
dieser Seihe im Hinblick auf den Umstand, dass in ihnen die Aufnahme-
fähigkeit des Kohlenstoffskeletts f&r Wasserstoff ihre Grenze erreicht
hat, als Grenzkohlenwasserstoffe, oder im Hinblick auf die Trägheit
im chemischen Verhalten, welche ihnen eigen ist, als Paraffine (von
parum affinis). Auch nennt man wohl die ganze Eeihe nach ihrem
ersten Gliede — dem Sumpfgas CH^ — die Sumpfgasreihe. Für
die vier ersten Glieder dieser Reihe braucht man die Namen: Methan
(CH^), Aethan (CjH^), Propan (CjHg) und Butan (C^Hj^); die Namen der
höheren Glieder drücken die Anzahl der in einem Molecül enthaltenen
Kohlenstoffatome aus, indem sie aus einem griechischen Zahlwort und
der Endung „an" (s. S. 97 Anm.) gebildet werden. Der Kohlenwasser-
stoff CgHjj erhält also die Bezeichnung „Pentan", C^H^^ „Hexan" u. s. w.
Die einwerthigen Beste (Badicale), welche man sich aus den Grenz-
kohlenwasserstoffen durch Fortnahme eines Wasserstoffatoms entstehend
denken kann, werden durch die Endung „yl" charakterisirt. Das Ba-
dical CH3 heisst also Methyl, CjHg Aethyl, CjH^ Propyl u. s. w.; als
allgemeine Bezeichnung f&r die einwerthigen Reste der Grenzkohlen-
wasserstoffe benutzt man den Ausdruck „Alkyl", um ihre Beziehungen zu
der Reihe der Alkohole hervortreten zu lassen (vgl. Kap. 2). Man kann
demnach die Kohlenwasserstoffe selbst auch als Methylwasserstoff, Aethyl-
wasserstoff u. s. w. und insgesammt als Alkylwasserstoffe bezeichnen.
122 Orenzkohlemvasserstoffe oder Paraffine,
Für die drei ersten Glieder dieser Reihe giebt es nur je eine
Structurmöglichkeit :
H H
I H\ /H H\ I /H
I H^ ^H H/ I ^H
^ ^hT^ CH, ^
CH4 CH| — CHg — CH3
für den Kohlenwasserstoff mit 4 G- Atomen giebt es die beiden Möglich-
keiten:
CH, - CH, - CHj - CHj und CH, - Ch/
CH,
CH,
(vgl. S. 61), für CjHjj, drei, für G^E^^ fünf Möglichkeiten; mit weiter
steigender Kohlenstoffzahl erhöht sich nun die Anzahl der möglichen
Isomeriefalle sehr rasch. Es ergeben sich für C^Hj^ 9, für CgHig 18,
für C3H30 35, für CjoHaa 75, für C^Hj^ 159, für C^jH^g 355 und für
CjjHgg 802 Möglichkeiten 1. Bei der Berechnung dieser Zahlen sind nur
die auf verschiedener Structur beruhenden Isomeriefalle berücksichtigt.
Sie würden sich noch erhöhen, wenn man auch die durch Asymmetrie
der Kohlenstoffatome bei gleicher Structur ermöglichten Isomerien heran-
ziehen würde.
Zur Unterscheidung der einander isomeren Kohlenwasserstoffe bildet
man Bezeichnungen, aus welchen sich die Structur des zu benennenden
Kohlenwasserstoffs ergiebt. Diejenigen Kohlenwasserstoffe, deren Kohlen-
stoffskelett aus einer unverzweigten Kette von Kohlenstoffatomen besteht,
werden „normale" genannt. Die Kohlenwasserstoffe mit verzweigten
Ketten belegt man am zweckmässigsten mit Namen, welche ihre Be-
ziehung zum ersten Gliede der Reihe ausdrücken; so kann man z. B.
die beiden nicht normalen Kohlenwasserstoffe CgHu:
<CH, CJH,v yCH,
und >C<
CH, CH,/ XIH,
als Dimethyläthylmethan und als Tetramethyl methan von einander unter-
scheiden ; denn der erste lässt sich als ein Methan betrachten, in dessen
Molecül zwei Methylgruppen und eine Aethylgruppe an Stelle von Wasser-
stoffatomen eingetreten sind:
CH( CH, ;
X),H,
der zweite erscheint als ein Methan, dessen sämmtliche Wasserstoffatome
durch Methylgruppen vertreten sind: C(CH3)^.
^ Catlbt, Ber. 8, 1056; F. Hebmakn, Ber. 18, 792.
Vorkommen und Entstehungsweisen. 123
Vorkommen und Entstehungsweisen.
Die Kohlenwasserstoffe der Grenzreihe finden sich in ausserordentlich
grossen Quantitäten fertig gebildet in der Natur vor. Die niederen gas-
förmigen Glieder treten an einigen Orten als Exhalationen auf, die mittleren
flüssigen Glieder bilden den Hauptbestandtheil des amerikanischen Erd-
öls (Petroleum) und finden sich auch in anderen Erdölsorten, die höch-
sten festen Glieder endlich kommen im Ozokerit (Erdwachs) Tor. Sie
entstehen femer bei der trockenen Destillation vieler natürlicher Stoffe,
so in besonders grosser Menge bei der aus diesem Grunde industriell
ausgeführten Destillation der Braunkohle, femer aus Holz, aus bituminösen
Schiefem, aus Fischthran, wenn die Destillation unter starkem Druck
ausgeführt wird, in geringerer Menge auch aus Steinkohlen. Allein so-
wohl jene directen natürlichen Quellen wie auch diese Destillationspro-
dukte von Naturstoffen stellen stets ein Gemisch von sehr vielen ein-
ander im Siedepunkte bezw. Schmelzpunkte sehr nahe stehenden Gliedern
der homologen Reihe dar; die einzelnen Kohlenwasserstoffe von einander
durch fractionirte Destillation bezw. Krystallisation zu trennen und sie
aus dem Gemisch rein abzuscheiden, ist eine äusserst mühevolle Aufgabe,
und daher bedient man sich zur Gewinnung einzelner Repräsentanten
von bestimmter Zusammensetzung besser solcher Reactionen, welche von
einheitlichen Produkten ausgehend auch nur ein bestimmtes Glied der
Heihe entstehen lassen. Diese Reactionen können in drei Gruppen ein-
getheilt werden, je nachdem in denselben der Kohlenwasserstoff sich aus
einer Verbindung von gleicher Kohlenstoffzahl bildet oder aus Ver-
bindungen von höherer Kohlenstoffzahl durch Kohlenstoffabspaltung oder
endlich aus solchen von niederer Kohlenstoffzahl durch Kohlenstoffsynthese
hervorgeht.
1) Bildung von Grenzkohlenwasserstoffen aus Verbin-
dungen von gleicher Kohlenstoffzahl: In den Alkoholen der
Grenzreihe C„Hj„^j(OH), welche sich von den Grenzkohlenwasserstoffen
durch Ersatz eines Wasserstoffatoms mittelst der Hydroxylgruppe ab-
leiten, kann die Hydroxylgrappe in verschiedener Weise (s. Kap. 3) durch
Halogenatome ersetzt werden; es entstehen so die Halogenalkyle
C^Hj^^jCl, C^Hj^^iBr, C^Hj^^^jJ, aus welchen nun die Kohlenwasser-
stoffe durch Austausch des Halogenatoms gegen ein Wasserstoffatom
erhalten werden können. Zu diesem Austausch eignen sich am besten
die Jodide; er kann bewirkt werden durch nascirenden Wasserstoff
(Einwirkung von Natriumamalgam, von Zink und Salzsäure):
oder durch Erhitzen mit starker Jodwasserstoff säure, welche für
sehr viele Zwecke als energisches Reductionsmittel angewendet wird:
G1H5J + HJ = C^Hq + Jj.
Besonders glatt verläuft in vielen Fällen die Reduction, wenn man das
124 Büduingstoeisen der
Jodid, mit Alkohol oder Wasser gemischt, auf verkupfertes Zink
tropfen lässt^, oder wenn man dasselbe mit Aluminiumchlorid in
geschlossenen Röhren auf 120 — 150^ erhitzt'. Im letzteren Falle spaltet
das Aluminiumchlorid zunächst aus einem Theile des Jodids Jodwasser-
stoff ab, welcher dann auf die übrige Masse desselben reducirend wirkt.
Da sich beim Erhitzen der Alkohole mit Jodwasserstoffsäure die Alkyl-
jodide bilden, so kann zuweilen auch in einer Reaction der Alkohol in
das zugehörige Paraffin verwandelt werden:
CjHft.COH) + 2HJ = H,0 + CjHjJ + HJ
Aus den Jodalkylen entstehen durch Einwirkung von Zink die Zink-
alkyle, z. B. aus Jodäthyl C3H5J das Zinkäthyl Zii{G^'Rg\\ diese Zink-
alkyle zersetzen sich mit Wasser heftig unter Bildung der entsprechen-
den Paraffine (Wasserstoffalkyle):
.iC,H, H.iOH
iCsHs H-jOH
Zn<^ + = Zn(OH,) + 2CaH5.H
Auch durch Erhitzen der Jodalkyle mit Zink und Wasser
im geschlossenen Rohr auf 150 — 160^ kann man die Paraffine gewinnen
(Fbankland 1849 — 50.^ Vielleicht bilden sich hierbei die Zinkalkyle als
Zwischenprodukte in einer ersten Phase der Reaction und werden dann
in der zweiten durch Wasser zersetzt:
2C,H5J + 2Zn + 2HjO = ZnJ, + Zn(CaHg), + 2H,0
= Zn(OHi + 2C,He
Das oben erwähnte Reductionsvermögen der Jodwasserstoffsäure
wird durch den Zusatz von rothem Phosphor noch erhöht, da letzterer
das bei der Reduction abgeschiedene Jod in Gegenwart von Wasser
immer wieder in Jodwasserstoffsäure verwandelt:
P + Ja + 3fl,0 = P(OH), + 3HJ
und demnach das verbrauchte Reductionsmittel wieder erzeugt, unter
der Einwirkung dieses Reductionsgemisches — etwa 10 Th. Jodwasser-
stoffsäure vom spec. Gewicht 1-7 auf 1 Th. rothen Phosphor — gehen
bei erhöhter Temperatur (220 — 240^ auch sauerstoffreichere Abkömm-
linge der Paraffine, als die Alkohole, in die Kohlenwasserstoffe über;
so z. B. die Fettsäuren:
CijH^.COOH + 6HJ = C„H,tCH, + 2H.0 + 6 J
und noch glatter die Ketone, wenn man ihren Sauerstoff zuvor mittelst
^ Gladstoke u. Tribe, Ber. 6, 202, 454, 1136. Joam. Soc. 1884 I, 154.
• KöHKUUN, Ber. 16, 560. » Ann. 71, 203; 74, 41.
Orenxkohlmtwasserstoffe. 125
Pho^horpentachlorid durch Chlor ersetzt und die Chloride dann der
Beduction unterwirft:
(C,.H„),CO + POl, = (C,5H„),CC1, + POCl,.
(C,H„),CC1, + 4HJ = (C„H,,),CH, + 2HC1 + 4J.
C.
'81 -"«4
Diese Beactionen eignen sich besonders zur Gewinnung der höheren
Glieder der Sumpfgasreihe (Kbafft^).
Von theoretischem Interesse ist endlich die Bildung von Paraffinen
durch Vereinigung wasserstoffärmerer Kohlenwasserstoffe mit
Wasserstoff:
G9H4 + Hj = CI^Hf.
C,H, + 2H, = C.He.
Diese Vereinigung, welche sonst erst bei höherer Temperatur (etwa 500 ^
erfolgt*, findet in Gegenwart von Platinschwarz für die niederen gas-
förmigen Glieder schon bei gewöhnlicher Temperatur statt*. Für die
flüssigen und festen Kohlenwasserstoffe der höheren Beihen bewirkt man
sie durch Erhitzen mit Jodwasserstoffsäure im geschlossenen Rohr^.
2) Bildung von Grenzkohlenwasserstoffen durch Kohlen-
stoffabspaltung: Die Fettsäuren sind Paraffine, in welchen ein Wasser-
stoffatom durch die Carboxylgruppe CO^H ersetzt ist: C^Hjjj^j(C03H);
destillirt man ihre Salze mit kohlensäureentziehenden Ägentien (über-
schüssige Basen: Natronkalk oder Baryt), so wird die Carboxylgruppe
in Form von Kohlensäure abgespalten, und es entsteht das um ein
Kohlenstoffatom ärmere Paraffin:
CH,.iCOaNa + NaOH = Na^CO, + CH^.
In derselben Weise lässt sich aus zweibasischen Carbonsäuren ein um
zwei Kohlenstoffatome ärmeres Paraffin erzeugen, so aus Korksäure
das Hexan:
yCO,
•^'O
Ba + Ba(OH,) = 2BaC0, + CeH,^.
In den höheren Beihen gelingt die Koblensäareabspaltnng nicht, wenn man
die Sake der Fettsäuren mit Natronkalk, wohl aber wenn man rie mit Natrium-
methylat (CH^-ONa) im Vacuum djestUHrt''.
3) Bildung von Grenzkohlenwasserstoffen durch Kohlen-
stoffsynthese: Behandelt man die Jodalkyle mit jodentziehenden Ägen-
tien, so treten zwei nach Entfernung des Jodatoms frei werdende ein-
werthige Alkylreste unter Bildung eines Paraffins von höherer Kohlenstoff-
zahl zusammen:
> Ber. 15, 16S7 u. 1711; 19, 2218.
* BnTHBLOT, Ann. ch [4] 9, 4SI. — Bull. 89, 145.
» V. WiLDB, Ber. 7, 358. * KaArPT, Ber. 16, 1718.
* Mai, Ber. SS, 2133.
126 Bildungsweis&n der Orenzkokienwasseraioffe,
CäJ
+ Na,
CjHsiJ
= 2NaJ + [
CjHj
C«H
10
Diese Beaction kann ausgeführt werden durch Einwirkung von metal-
lischem Natrium in absolut-ätherischer Lösung (Wüetz i) oder durch Er-
hitzen mit Zink im geschlossenen Rohr (Feankland *). Im letzteren
Falle dürfte man sich die Reaction unter intermediärer Bildung von
Zinkalkylen in folgenden Phasen verlaufend vorzustellen haben:
C8H5J + Zn = CjH5.Zn.J
2CjHß.ZiiJ = (C8H5)jZn + ZnJj (vgl. Kap. 7).
(CaH5),Zn + 2C,HßJ = ZnJ, + 2C4H10.
Die in der letzten Phase angenommene Reaction kann auch als be-
sondere Darstellungsmethode angewendet werden, indem man Jodalkyle
auf fertige Zinkalkyle wirken lässt:
^"•\ J J-iCH, CHg.CH.
Zn + = ZnJ, +
ch7 i ^-m ^^-^^^
Bei der Einwirkung von Natrium auf die Alkylhalogene scheinen gleich-
falls metallhaltige Zwischenprodukte zu entstehen'. — Durch diese Re-
actionen können auch ungleichartige Alkylreste mit einander zu Paraffin-
Molecülen vereinigt werden, z. B.:
CjHjJ + C3H7J + Na, = 2NaJ + C.Hs.C.H,
CßHi,
Eine ähnliche synthetische Methode zur Gewinnung von Paraffinen besteht in
der Einwirkung von Zinkalkylen auf das Acetonchlorid: CH3 — CGI, — CH3 (Fribdel
und Ladenburg^):
CHj\ CH,*v /CH3
>CiCI^ + Zn:(CH,)8 = ZnCl, + >C<
CH3/ ^ qyl/ X5H3
Es müssen hierbei stets solche Kohlenwasserstoffe entstehen', in deren Molecül ein
Kohlenstoffatom an vier andere Kohlenstoffätome gebunden ist (quatemäre Kohlen-
wasserstoffe).
Eine Bildung von Paraffinen durch Vereinigung zweier Alkylreste
findet auch bei der Elektrolyse der Fettsäuren (bezw. ihrer Salze)
statt (EoLBE®); ihre Zerlegung vollzieht sich in der Weise, dass an den
negativen Pol das Wasserstoffatom der Carboxylgruppe (bezw. bei Salzen
> Ann. eh. [3] 44, 275 (1855).
• Ann. 71, 171; 74, 41 (1849—1850).
' vgl. Krafft u. Göttig, Ber. 21, 3185.
*• Ann. 142, 315; s. auch Lwow: Ztschr. Chem. 1871, 257.
• Ann. 69, 257 (1849).
Allgemeine Charakteristik der Qrenxkohlenwasserstoffe. 127
das Metallatom), an den positiven Pol der damit verbunden gewesene
Rest wandert. Aus C^Hg^^iCOjH wird das Kation H und das Anion
^n^to + i'COj — ; letzteres zerfällt nun in Kohlensäure und den Eest
^n^^an + iJ welcher sich mit einem gleichartigen vereinigt. So entwickelt
sich also bei der Elektrolyse der Essigsäure am positiven Pol neben
Kohlensäure Aethan:
CHg-CO.H CH,
= 1 + 2C0, + H,
CH3-C0,H CH, j^-|^
Anion
Neben diesem Process stellen sich indess auch andersartige Reactionen
ein, so dass namentlich die Homologen der Essigsäure bei der Elektro-
lyse ihrer Hauptmenge nach in anderer Richtung zerfallen, als obige
Gleichung es darstellte
Erwähnt sei endlich noch die Entstehung von Grenzkohlenwasser-
stoffen beim Auflösen von Gusseisen oder Spiegeleisen in Säuren ^
Allgemeine Charakteristik der Grenzkohlenwasserstoffe.
Die Glieder mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen sind bei gewöhnlicher
Temperatur gasförmig; dann folgen flüssige Kohlenwasserstoffe bis etwa
zum 15. Gliede; die höheren Homologen sind fest, ihr Schmelzpunkt 1
steigt langsam mit wachsender Kohlenstoffzahl; der Siedepunkt steigt
viel rascher und erreicht für die höheren Homologen eine solche Höhe,
dass dieselben nur im luftverdtinnten Räume unzersetzt destillirt werden i
können. Von den isomeren Kohlenwasserstoffen mit gleicher Kohlen- I
stoffzahl siedet immer derjenige am höchsten, welcher die normale '
Structur besitzt; je verzweigter die Kohlenstoffkette ist, um so niedriger |
liegt der Siedepunkt. Das specifische Gewicht steigt langsam; bei den
höheren normalen Gliedern besitzt es für die Schmelztemperatur einen
nahezu constanten Werth, so dass vom ündecan aufwärts gleiche Volume
geschmolzener Normalparaffine fast gleiches Gewicht zeigen. Die folgende
Tabelle enthält die bez. Constanten f&r eine grössere Zahl von Paraf-
finen; vom Heptan aufwärts beziehen sich dieselben nur auf die normalen
Kohlenwasserstoffe (s. Tabelle Nr. 2 auf S. 128).
Die Paraffine sind farblos. Mit Wasser sind sie nicht mischbar,
in Alkohol und Aether lösen sich die mittleren Glieder leicht, die höheren
nur schwer auf. Ihr chemisches Verhalten ist durch ihre grosse Wider-
standsfähigkeit und die Unfähigkeit, glatte Umsetzungen einzugehen,
charakterisirt. Rauchende Salpetersäure, cencentrirte Schwefelsäure, ja
selbst ein Gemisch beider Säuren, Chromsäure — alle diese energischen
Reagentien sind in der Kälte ohne Wirkung auf die Paraffine; in der
' Vgl. Jahn*8 Beobachtungen über die Elektrolyse der Propionsäure: Wiede-
XAKV*8 Ann. 87, 430.
* Gloez, Bull. 80, 174; 82, 405; Compt rend. 86, 1008.
raicht über die Orenzkohl^matsentoffe.
Tabelle Nr. 2.
Schmelz-
Siedepunkt
Specifiaches Gewicht
— 6"
+ 4«
+ 10°
I ,5.
Kr, 2: • WBOfiLGWBKr, Compt rend. 66, I3G. —
— ' OuzBWSET, Wiedshahh's Ann. 81, 58. —
* RoHALDS, J. pr. 04, 424. — * Bütlbbow, Ann.
Chemisches Verhalten der Orenzkohlenwasserstoffe, 129
Wärme wirken Salpetersäure und ander^Oxydationsmittel langsam ein,
und es erfolgt Verbrennung zu Kohlensäure und Wasser; daneben ent-
stehen geringe Mengen von Fettsäuren, Bernsteinsäure und anderen Oxyda-
tionsprodukten. Nur das Chlor wirkt auch in der Kälte auf die Paraf-
fine ein, indem es sich ihres Wasserstoffs bemächtigt; im Sonnenlicht
kann sich diese Seaction beim Methan bis zur Explosion und Ab-
scheidung von Kohlenstoff:
CH4 + 2C1, = 4HC1 + C
steigern; im zerstreuten Tageslicht tritt in der Kälte langsame, in der
Wärme raschere Substitution des Wasserstoffs durch Chlor ein:
CH4 + 01, = CH3CI + HCl;
doch ist es schwer, die Reaction auf der Stufe der Monosubstitutions-
produkte festzuhalten, da diese im Augenblicke des Entstehens leicht
weiter chlorirt werden. Im Methan und Aethan kann man durch fort-
gesetzte Behandlung mit Chlor alle Wasserstoffatome substituiren und
so zu den Verbindungen CCl^ und CgCl^ gelangen. Die substituirende
Wirkung des Chlors wird hier, wie in vielen anderen Fällen, durch die
Gegenwart einer geringen Menge Jod begünstigt; es beruht dies auf der
vorübergehenden Bildung von Chlorjod, welches leicht wieder unter Ab-
gabe des nun im Entstehungszustande befindlichen und daher energischer
wirkenden Chlors zerfällt. Die Chlorirung kann noch weiter getrieben
werden, wenn man das Chlorjod bei erhöhter Temperatur unter Druck
in geschlossenen Röhren wirken lässt; auf diese Weise gelingt auch die
Gewinnung des völlig chlorirten Propans CgClg (Perchlorpropan). Da-
gegen konnten die Perchlorderivate der höheren Paraffine (z. B. C^Cl^^
aus C^Hjq) nicht erhalten werden, da das Chlorjod auch eine spaltende
Wirkung ausübt und die Bildung der besonders beständigen Chlor-
derivate CCI4, CgCl^, C^Clß (Perchlormesol) und CgCIg (Hexachlorbenzol)
herbeizufuhren sucht ^.
144, 10. — ' Wabbbn, Ztschr. Chem. 1866, 668. — ^ Schorlemmeb, Ann. 126, 103. —
• Williams, Ann. 102, 127; 126, 107. — *o Lachowicz, Ann. 220, 189. — " Just,
Ann. 220, 152. — " Franklakd, Ann. 74, 41. — " Schipp, Ann. 220, 87. —
'* Lwow, Ztschr. Chem. 1870, 520; 1871, 257. — " Erlenmeyeb u. Wamklyn, Ztechr.
Chem. 1868, 279. — " Schoblkmmeb, Ann. 161, 263. — " Riohe, Ann. 113, 106. —
" Dalb, Ann. 182, 243. — " Brühl, Ann. 200, 183. — ^ Zakdeb, Ann. 214, 165. —
*^ ScHOBLSKifER, Ann. 144, 184. — *' Bouchardat, Ztschr. Chem. 1871, 699. —
"■ WüBTZ, Ann. 96, 369. — " Wislicenus, Ann. 219, 312. — " Goriainow, Ann.
166, 107. — ^ Dalb, Ann. 182, 247. — " Thorpe, Ann. 198, 364. — " Sohor-
LEXMBR CL Thorpe, Ann. 217, 149. — '* Riche, Ann. 117, 265. — '^ Sohorlemmer,
Ann. 147, 227. — »* Zdtcke, Ann. 162, 15. — »* Thorpe, Joum. Soc. 87, 213—218.
— »» Krafft, Ber. 16, 1687, 1711; 16, 1714; 19, 2218. — »* Lachowicz, Ann. 220,
168. — »* SoBABJi, Joum. Soc 47, 37. — »• Eiohler, Ber. 12, 1882. — »' Mai, Ber.
, 2133. — ^ Vgl. die Citate auf S. 130—133.
1 KsAFFT u. Mbbs, Ber. 8, 1296. — Ksapft, Ber. 9, 1085; 10, 801.
T. Mxm n. Jaoobsoit, org. Chem. L 9
130 Die einzelnen Qrenxkoiüenwasserstoffe,
Die einzelnen Glieder der Reihe.
Das Methan CH^ (Grubengas, Sumpfgas) ist ein Bestandtheil
sehr vieler natürlicher Gasquellen. Die Gase, welche den Bohrlöchern
der Petroleumquellen entströmen, enthalten reichliche Mengen Methan;
die seit alten Zeiten brennenden heiligen Feuer von Baku in Kaukasien
werden durch das Entweichen von Methan, welchem Stickstoff, Kohlen-
säure und Steinöldämpfe beigemengt sind, unterhalten; aus dem Schlamm-
vulcan bei Bunganak in der Krim tritt fast reines Methan aus (Bunsen^).
— In den Höhlungen der Steinkohlenflötze ist ein Gas eingeschlossen,
welches 80 — 90^0 Methan und daneben wesentlich nur Stickstoff ent-
hält; beim Abbau der Flötze entweicht dasselbe, Methan ist daher stet«
der Grubenluft beigemengt und fuhrt aus diesem Grunde die Bezeich-
nung Grubengas. Tritt es bei der Grubenarbeit plötzlich in grossen
Mengen an einer Stelle aus, so verursacht es, wenn es sich aus irgend
einem Grunde sofort entzündet, die „feurigen Schwaden"; weit ver-
hängnissvoller ist es, wenn sich das Gas zunächst mit der atmosphä-
rischen Luft zu den unter dem Namen der „schlagenden Wetter"
bekannten explosiven Gemengen mischt; die Entzündung derselben durch
Grubenlichter ruft jene furchtbaren Explosionen hervor, in welchen jähr-
lich so viele Bergarbeiter ihren Tod finden. — Mit Kohlensäure und
Stickstoff gemengt, bildet das Methan femer das aus dem Bodenschlamm
von Sümpfen und Teichen aufsteigende Gas, in welchem es von Volta
1778 entdeckt wurde; seine Entstehung verdankt es hier der Fäulniss
organischer Substanzen; vielleicht bildet es sich hauptsächlich aus Cellulose,
denn es ist festgestellt, dass Cellulose unter dem Einfluss der im Cloaken-
schlamm und Flussschlamm vorkommenden Mikroorganismen zu Kohlen-
säure und Methan vergährt:
CeHjoOft + H,0 = SCO, -f- 3CH4.
Cellulose
Auch das Vorkommen in den Darmgasen des Menschen, deren Gehalt an
Methan nach Genuss von Hülsenfrüchten bis zu 56 ^f^ sich erheben
kann, könnte auf ähnliche Ursachen zurückzuführen sein-.
Bei der trockenen Destillation sehr vieler organischer Stoffe, bei
dem Durchleiten von organischen Dämpfen durch glühende Röhren bildet
sich Methan; daher bildet es einen Hauptbestandtheil des Leuchtgases,
welches 30 — 40% Methan enthält.
Zur Darstellung des Methans kann man die Destillation eines
Gemenges von 1 Th. Natriumacetat und 4 Th. Natronkalk benutzen
(s. S. 125); das entwickelte Gas kann von geringen Mengen Aceton durch
* Gasometrische Methoden p. 213 (2. Aufl.).
' Vgl. hierüber TAPPEruEB, Ber. 16, 1737, 1740. Ztschr. f. Biologie 20, 51;
24, 105. — Heknebero u. Stohmann, ebenda 21, 613. — Hoppe- Setleb, Ztschr. f.
physiol. Chem. 10, 201 u. 401.
Methan (Oruhengas oder Sumpfgas). 131
Waschen mit Wasser, von Aethylen durch Waschen mit concentrirter
Schwefelsäure gereinigt werden, behält aber dann noch eine nicht un-
erhebliche Menge Wasserstoff (bis zu 87o) beigemengt. — Reines Methan
erhält man am bequemsten und in vortrefflicher Ausbeute durch Reduc-
tion von Jodmethyl CH3J in alkoholischer Lösung mit verkupfertem Zink^;
man präparirt letzteres, indem man granulirtes Zink viermal mit zwei-
procentiger EupfervitrioUösung übergiesst und auf dieselbe bis zur Ent-
färbung wirken lässt, dann mit Wasser gut auswäscht und mit Alkohol
benetzt; lässt man nun eine Mischung von Jodmethyl mit Alkohol —
zweckmässig unter Zusatz einiger Tropfen Schwefelsäure — darauf
tropfen, so entwickelt sich schon ohne Erwärmen ein langsamer aber
stetiger Strom von Methan, das von Jodmethyldämpfen mittelst con-
centrirter Schwefelsäure und anderen Mitteln zu befreien ist. Auch aus
Zinkmethyl und Wasser kann reines Methan erhalten werden.
Von theoretischem Interesse ist die Bildungsweise des Methans aus
Schwefelkohlenstoff und Schwefelwasserstoff beim üeberleiten über glühen-
des Kupfer (Bebthelot *) :
CS, + 2H,S + 8Cu = CH4 + 4Cu,S.
Da Schwefelkohlenstoff aus Kohlenstoff, Schwefelwasserstoff aus Wasser-
stoff durch Vereinigung mit Schwefel gewonnen werden kann, so wird
durch diese Reactionen die Synthese des Methans aus seinen Elementen,
welche direct nicht ausführbar ist, vermittelt. Aus Schwefelkohlenstoff
entsteht Methan auch durch die Einwirkung des bei der Zersetzung des
Phosphoniumjodids PH^J durch Erhitzen auf 120 — 140® nascirenden
Wasserstoffs (Jahk^:
CS, + 4H, = CH4 + 2H,S.
Hierher gehört femer seine Bildung aus einem Gemenge von Kohlenoxyd
und Wasserstoff unter der Wirkung elektrischer Entladungen (Bbodie *) :
CO + 3H, = CH4 + H,0.
Das Interesse an diesen synthetischen Bildungsweisen wird noch
durch den Umstand erhöht, dass man vom Methan fortschreitend die
grosse Mehrzahl der organischen Verbindungen synthetisch aufbauen
kann. So gelangt man z. B. auf den Wegen:
^HjCOH) (Methylalkohol)
GH4 >^ CH8C1<
XCH,-CO,H >- CH3-CHO >- CH8-CH,(0H)
(EssigBäare) (Acetaldehyd) (Aethylalkohol)
zum Methylalkohol, zu der Essigsäure, dem Acetaldehyd, Aethylalkohol:
Verbindimgen, deren jede wieder den Ausgangspunkt zur Darstellung
zahlloser anderer bildet. Durch die oben angegebenen Bildungen des
Methans aus seinen Elementen wird es ermöglicht, auch für alle jeiie
complicirteren Verbindungen Wege zu ermitteln, auf welchen sie synthe-
^ Gladütone u. Taibb, Joum. Soc. 46, 154.
' Compt lend. 48, 236. ' Ber. 18, 127. *• Ann. 169, 270.
9*
132 Aeikan.
tisch durch Zusammentritt der einzeben Elemente mit einander ge-
wonnen werden könnten.
BaB Methan ist ein gemch- und geschmackloses, sehr schwer con-
densirbares Gas. Es gehört zu den wenigen Gasen, welche man vor
noch nicht langer Zeit für überhaupt nicht condensirbar hielt und daher
als „permanente Gase" bezeichnete. Seine Verflüssigung gelang end-
lich 1877 Cäilletet*; es bedarf dazu bei — 11" eines Druckes von 180
Atmosphären. Bas flüssige Methan bildet eine farblose durchsichtige
Flüssigkeit; bei einer Druckverminderung auf 80 mm H^ kühlt es sich
auf — 185-8'' ab und beginnt zu erstarren^. — Das Methan brennt mit
kaum leuchtender Flamme. Beim Durchleiten durch stark glühende
Röhren, ebenso unter dem Einfluss von elektrischen Entladungen, zer-
fällt es in seine Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff; daneben bilden
sich indess auch Aethan, Äethylen f'aH^, Acetylen C^Hj und höher
condensirte Kohlenwasserstoffe, wie Benzol und Naphtalin.
Aethan C^H, (Dimethyl: CHgCHg) findet sich ebenfalls in der
Natur. Es ist im Rohpetroleum aufgelöst ^ und bildet einen Bestand-
theil der aus den Petroleumquellen entweichenden Gase, welche bei
Pittsbui^ für gewerbliche Zwecke als Heizgas und zur Beleuchtung ver-
wendet werden*. Zu seiner Darstellung kann man eine der S. 123 — 127
erörterten allgemeinen Methoden anwenden; empfehlenswerth ist die
Reduction von Jodäthyl bei Gegenwart von Wasser oder Alkohol mit
verkupfertem Zink^ oder durch Erhitzen mit Aluminiumchlorid , femer
die Zersetzung von Zinkäthyl mit Wasser. Aus seinen Elementen kann
das Aethan durch Vermittelung des Acetylens CjHj erhalten werden:
letzteres bildet sich durch directe Vereinigung von Kohlenstoff und
Wasserstoff im elektrischen Flammenbogen (Kap. 13) und kann mit mehr
Wasserstoff nach der Gleichung:
CH, + 2H, = C,H,
zu Aethan zusammentreten (s. S. 125). Die Untersuchung des auf ver-
schiedenen Wegen gewonnenen Aethans ist von erheblicher Bedeutung
für die Entwickelung der chemischen Theorien gewesen. Man hielt früher
das durch Elektrolyse der Essigsäure und aus JodmeÜiyl mit Zink ge-
wonnene Dimethyl CHj-CHg für verschieden von dem Aethylwasserstoff
CgHg-H, welcher aus Aetliyljodid mit Zink und Wasser erhalten war.
Erst ScHORLGUHER * wies 1863 die Identität beider Gase nach und
schuf dadurch eine der wesentlichsten Stützen der VaJenzÜieorie. — Das
Aethan kann bei 4" durch einen Druck von 46 Atmosphären ver-
flüssigt werden. Wie das Methan ist ea in Wasser kaum löslich; in
■ ßcT. 13, 274. ■ Olbzewsei, Compt. rend. 100, 940.
■ BoMALDB, J. pT. 94, 420. * L. Shith, Ann. eh. [&] 8, 566.
' Oui>8TOHB n. Tube, Ber. 6, 202. — Pebct Fraheund, Joum. Soc. 1886, 1, 835.
* Ana. 181, 76; ISS, 234.
Propan bis Heptan, 133
Alkohol ist es etwas löslicher als das Methan; 1 Vol. absoluter Alkohol
löst 1 ^2 Vol. Aethan. — Aethan brennt mit schwach leuchtender Flamme.
Propan: CjHg (Methyläthyl: CHg-C^Hg, Dimethylmethan:
(CH3)2CHj) wird am zweckmässigsten durch Reduction von Isopropyl-
jodid mit verkupfertem Zink ^ oder mit Aluminiumchlorid * gewonnen.
Es ist in Alkohol bedeutend löslicher als Methan und Aethan; 1 Vol.
Alkohol löst 6 Vol. Propan. Seine Leuchtkraft übertrifft diejenige des
Aethans um etwa das anderthalbfache ^
Bntane: Von der vierten Reihe ab treten nun die Grenzkohlen-
wasserstoffe in isomeren Modificationen auf. Für das Butan C^Hj^j
giebt es zwei Structurmöglichkeiten:
CH,-CH,-CH,~CH8 ; CH,-CH<
normales Butan, Diäthyl; Isobutan, Trimethylmethan.
Der Kohlenwasserstoff, welcher aus Jodäthyl durch Einwirkung von
Zink entsteht:
CH,— CH, J + JCHj-CHs + Zn = ZnJ, + CII,-CH,-CH,— CH,,
muss dieser Bildungsweise zufolge das Diäthyl oder normale Butan
sein. Ein Kohlenwasserstoff C^Hj^ von anderen Eigenschaften ist durch
Reduction von zwei isomeren Jodiden C^H^J (dem Jodid des Isobutyl-
alkohols und des tertiären Butylalkohols, s. Kap. 2 u. 3) gewonnen; für
ihn bleibt die zweite Formel übrig, welche auch durch diese Bildungs-
weisen bestätigt wird; es ist das Isobutan. (Eigenschaften und Lite-
raturangaben vgl. Tabelle No. 2 auf S. 128.)
Pentan bis Heptan: Den in der 5. Reihe sich als möglich er-
gebenden drei StructurfäUen :
CHa-CHj-CHj-CHj-CHa CHg-CHj-CH/
N:5Hs
normales Pentan Dimethyläthylmethan
CHjv /CHj
>C< : Tetramethylmethan (Bildung s. S. 126)
CH / XJH,
entsprechend sind drei isomere Pentane: CgH^ (Eigenschaften und Lite-
raturangaben s. Tabelle No. 2 auf S. 128) aufgefunden; auch in der
6. Reihe sind alle fünf aus der Theorie ableitbaren Formen (vgl. S. 90)
erlialten worden. Von der 7. Reihe an aufwärts bleibt die Zahl der
bisher dargestellten Isomeren hinter der Zahl der berechneten erheblich
zurück; von der 11. Reihe an aufwärts sind fast ausschliesslich die nor-
malen Kohlenwasserstoffe bekannt.
* PnoT Fravkland, Joom. Soc. 1886, I, 235.
* KaHKLnir, Ber. 16, 560.
>
134 Höhere Paraffine,
Normales Pentan, Hexan und Heptan sind aus dem pennsyl-
vanischen Steinöl und aus den Destillationsprodukten der Boghead- und
Cannelkohle abgeschieden worden. Doch muss es als zweifelhaft be-
zeichnet werden, ob die so gewonnenen Kohlenwasserstoffe einheitlich
waren. Diese namentlich von Schoblemmeb ^ näher untersuchten Kohlen-
wasserstoffe sind farblose Flüssigkeiten von schwachem, angenehm äthe-
rischem Geruch. Sehr bemerkenswerth ist das Vorkommen von normalem
Heptan im Harzsaft der an der Küste Califomiens verbreiteten Fichte
Pinus Sabiniana; aus diesem Harzsaft wird durch Destillation eine aus
fast reinem normalen Heptan bestehende ^ flüchtige Flüssigkeit gewonnen,
welche sich unter dem Namen Abietin (Eranin, Aurantin, Theolin) als
Handelsartikel in San Francisco findet und statt Petroleumbenzin zur
Beseitigung von Flecken und zur Vertilgung von Insecten verwendet wird.
Höhere Paraffine: Die Eeihe der normalen Kohlenwasserstoffe vom
Nonan: CgH^^ bis zum Tetracosan: Ca^Hg^, ferner die normalen Kohlen-
wasserstoffe: Cg^Hgg, CjjHg^, CggHßß und Cj^H^j (vgl. Tab. No. 2) hat
Krafft' eingehend untersucht; er gewann sie grösstentheils durch Reduc-
tion von entsprechenden Fettsäuren, Ketonen und Alkoholen {s. S. 124 — 125).
Der Nachweis ihrer normalen Structur beruht auf der normalen Structui*
der zu ihrer Darstellung benutzten Ausgangsprodukte und wird bei der
Besprechung der höheren Fettsäuren näher erörtert werden. Heptacosan
CgyHßg und Hentriacontan Cg^Hg^ kommen im Bienenwachse vor^.
Das Hexaeontan C^oBi^^i — ^^^ höchste bis jetzt bekannte Glied
der Sumpfgasreihe und überhaupt unter allen Verbindungen von be-
kannter Constitution diejenige, welche die gross te Zahl von Kohlenstoff-
atomen zu einer zusammenhängenden Kette vereinigt enthält, — ist von
Hell und Häqele * aus dem Myricyljodid Cg^Hg^ J durch Schmelzen mit
Natrium erhalten:
C„H6^,.CH,;J + J CH,;C„H4, + Na, = 2NaJ H- C^H^, CH, > CH, • C^Ha,.
Es schmilzt bei 102®, ist in heissem Alkohol und Aether nur noch sehr
schwer löslich und selbst unter vermindertem Druck nur theilweise un-
zersetzt destillirbar. Unter der wahrscheinlichen, bisher freilich noch
nicht bewiesenen Annahme, dass das Myricyljodid normale Structur be-
sitzt, erhält dieser Kohlenwasserstoff die Structurformel:
CHs-CHj-CH,- -CH,-CU,-CH,.
(CH,),,.
Die Existenzfähigkeit und Beständigkeit dieser Verbindung lässt voraus-
^ Ann. 125, 103; 127, 811; 144, 184; 147, 214; 161, 263.
' Thorpe, Ann. 198, 864; Schoblemmeb u. Thobpe, Ann. 217, 149.
• Ber. 16, 1687, 1711; 10, 1714; 19, 2218.
* Schwalb, Ann. 286, 110. ^ Ber. 22, 502.
Indthstrie der Paraffine.
135
sehen, dass auch Verbmdungen mit noch viel längeren KohlenstoflTketten
herstellbar sein werden: eine Aufgabe, welche sowohl in Hinblick auf
das Auffinden einer etwaigen Grenze in der Verbindungsfähigkeit der
Kohlenstoffatome mit einander wie auch in Rücksicht auf die mit dem
Atomreichthum immer wachsenden räumlichen Dimensionen der Molecüle
reizvoll erscheint.
i
Industrielle Gewinnung und Verwerthung der Paraffine.
Das Vorkommen von Erdöl ^ war nachweislich schon den Völkern
des Alterthums bekannt und wurde von ihnen zu mancherlei Zwecken
ausgenutzt. Doch ist erst in unserem Jahrhundert seit 1859 die Aus-
beutung der bedeutenderen Erdölquellen Gegenstand einer mächtigen
Industrie geworden, welche sich hauptsächlich die Erzeugung von Leucht-
ölen und Schmierölen zur Aufgabe macht. Am 27. August 1859 gelang
es bei Titusville (Pennsylvanien) zum ersten Male, bedeutendere Erdöl-
mengen durch Bohrung zu fordern. Seit 1859 hat sich die Produktion
an rohem Erdöl in Pennsylvanien bis zum Jahre 1874 von 3180 Hekto-
liter bis auf 16 Millionen Hektoliter erhoben, während der Preis für ein
Barrel (159 Liter) in demselben Zeitraum von 20 Dollars bis auf 1*29
Dollars sank. Die gegenwärtig wichtigsten Fundorte des Erdöls sind
folgende: in Nordamerika die „Oelregion" Pennsylvaniens, ein schmaler
etwa 100 Kilometer langer Landstrich, der sich in der Richtung von SSW
nach NNO zwischen dem Eriesee und Pittsburg hinzieht, ferner die Erd-
öllager Canada's ; in Europa die galizischen und inimänischen Erdölquellen
und vor Allem die unerschöpflich scheinenden Naphtaquellen des russischen
Gouvernements Baku auf der Halbinsel Apscheron am Caspischen Meere;
in Asien die indischen Oellager. Deutschland hat Erdöllager im Elsass,
in der Provinz Hannover und an anderen Orten; doch besitzt ihre Aus-
beutung bisher nur geringen Umfang. Von der gesammten Erdöl-Erzeugung
der Erde giebt die folgende Tabelle ein Bild; sie gilt für das Jahr 1885
und enthält in Columne I die Rohölproduktion, in Barrels angegeben,
in n die Leuchtölproduktion, in IIL den Werth in deutschen Reichsmark:
1 I.
Rohöl.
TT.
Leuchtöl.
III.
Werth.
Nordamerika
22 092 041
16 881 500
81 069 000
Bufldand
18 198 286
8 916 800
9 072 000
Oesterreich
500 000
1
5 310 000
Bnm&nien
Die übrigen Gebiete . .
350 000
395 506
\ 993 000
2 912 000
8 955 000
Summa:
36 535 833
21 291 300
102 818 000
' AuBfiihrliche Besprechung s. in H. Höpeb: daa Erdöl etc. (Braunschweig
1888); femer in dem Artikel „Mineralöle, Paraffin und Ceresin": Ladembubq's Hand-
wörterbuch der Chemie, Bd. VII (Breslau 1889).
136 Amerikanisches Erdöl.
Bas amerikanische Erdöl (Petroleum) besteht zum grössten Theil
aus den Kohlenwasserstoffen der Greiizreihe^; eine Anzahl von normalen
MetliaTi.TTnninlnffAn anaie auch solchc mit verzweigten Kolilensto0ketten
in. Es wird durch Behandlung mit Säuren und
urch Destillation in mehrere Äntheile von Ter*
serlegt. Die Hüchtigeren Äntheile, welche von
m, fuhren die Bezeichnungen Petroleumäther,
nzin,LigroIu; sie finden Benutzung als Lösungs-
Harze, als Fleckwasser und Putzöl; auch zur
schon verwendet, indem sie entweder in eigen-
Lmpen verbrannt werden oder zur Sättigung von
4er von Wasserstoff mit leuchtenden Stoffen
von etwa 150 — 300" endlich bilden das wich-
ju Petroleumlampen zu verbrennende eigentliche
dgDD ganz gefahrlos, weDn es bei der höchsten Tem-
len UmstÄnden die Oelbehälter der Petroleamlampen ao-
ife entwickelt, die mit Lnft gemischt eiplodiren kSimen.
iction kann man Sl" als höcbste im OelbehSiter vor-
shen; der zoläBsige , ,Kn tflam mungepunkt" wird etwaa
icrator fiiirt werden müssen, nnd es sollte daher kein
a, dessen Entflammungspunkt nicht oberhalb 33° liegt
wäre offenbar das rationellste Verfahren, das Petroleuin
Q und zuzusehen, ob das Gemenge der Dämpfe mit Luft
mmbar ist'. Obwohl zur Durchführung dieses Princip«
ite vorgeschlagen sind, ist in Deutschland amtlich der
ingefilhrt, in welchem für eine genügende Mischung der
licht gesorgt wird. Bei diesem Apparate befindet eich
in einem geschlossenen Behfilter nnd wird darin durch
;ewärmt, während nach jedesmaliger Temperatuieteigening
in den darüber lagernden Dampf eingesenkt wird und
ckziehL Man beobachtet, bei welcher Tempei^tur die
aasiges EntflammungEminimum ist in Deutschland S1°C.
erfahren findet man nicht den wahren Entflammungs-
"Ch die willkürliche Construction des Apparats bedingt'-
licht flüchtigen Biickständen des amerikaniscbeii
in gewonnen: eine gelblichweisse oder weisse,
;he als Salbenkörper, zur Bereitung von Pom-
n von Metallgegen ständen, um sie vor Oxydation
breitung gefunden hat, da es vor allen pflanz-
Fetten (vielleicht mit Ausnahme des Wollfetts,
isitzt, dass es säurefrei ist, nicht trocknet und
n. C^BOtras, Ann, eh. [1] 1, 5.
iten, der Justiz- und Polizeidirection Zürich erstatteL 1879.
chen zur Petroleumpräüing vorgeschlagenen Apparate:
m. Analyse (2. Aufi., Brannschweig 1888) I. S. 278—306.
Kaukasisches ErdöL 137
Auch das kaukasische Erdöl möge hier besprochen werden, ob-
gleich es die Grenzkohlenwasserstoffe nur in unbedeutender Menge ent-
hält. Dass es von dem amerikanischen Erdöl wesentlich verschieden ist,
giebt sich schon darin zu erkennen, dass die Antheile von bestimmter
Siedetemperatur specifisch beträchtlich schwerer als die entsprechenden
Antheile des amerikanischen Petroleums sind:
Specifisches Gewicht:
Fraction: Erddl von Baku: Amerikanisches Erdöl:
140—160® 0782 0-755
190—2100 0-820 0786
240—260® 0845 0-812
Es enthält femer viel mehr schwerflüchtige Antheile, als das amerika-
nische ErdöL
Das kaukasische ErdöP besteht seiner Hauptmenge nach (zu etwa
80®/jj) aus Kohlen Wasserstoffen von der Zusammensetzung Cj^H,j^; man
hat ihnen den Namen „Naphtene" gegeben; sie sind isomer mit den
Kohlenwasserstoffen der Aethylenreihe und zeigen das Verhalten ge-
sättigter Kohlenwasserstoffe; es liegen in ihnen Wasserstoffadditionspro-
dukte der Benzolkohlenwasserstoffe vor. Neben den Naphtenen enthält
es etwa 10®/^ aromatische Kohlenwasserstoffe, femer sauerstoffhaltige Ver-
bindungen (Erdölsäuren [Naphten-Carbonsäuren]). — Bei der Verarbei-
tung des kaukasischen Petroleums* ist die Gewinnung von Leuchtölen
nicht in demselben Mass das Hauptziel wie bei der Verarbeitung des
amerikanischen Erdöls (vgl. d. TabeUe S. 135). Gerade die schwer flüch-
tigen Sückstände sind hier ein mindestens ebenso wichtiges Produkt;
aus ihnen werden ausgezeichnete Schmieröle erzeugt. Ein anderer Theil
dieser Bückstände wird, da es in der Umgebung von Baku fast ganz an
Holz und Kohlen fehlt, an Ort und Stelle als Brennstoff zur Heizung der
Destillationskessel in den Fabriken, der Kessel auf den Dampfschiffen
des Kaspischen Meeres etc. verwendet. Die Verbrennung geschieht in
eigenthümlich construirten Rückstandsbrennern („Forsunken"), in welchen
die Bückstande durch gespannten Dampf zerstäubt und dann verbrannt
werden.
Das galizische Petroleum enthält die Kohlenwasserstoffe der
Grenzreihe neben aromatischen Kohlenwasserstoffen und wahrscheinlich
auch Naphtenen*; auch in den deutschen Erdölen ist das Vorkommen
der Naphtene nachgewiesen*.
Von den zahlreichen Hypothesen über die Entstehung des Erd-
^ Behstbin n. Küsbatow, Her. 18, 1818; 14, 1620. — Marko wnikow u. Ooloblik,
Ber. 16, 1873. — Maskownikow, Ann. 284, 89. -— Mabkownikow u. Spady, Ber. 20,
1850. — KovowALow, Ber. 20 o, 570.
* Euglxb, Jahiesber. d. ehem. Technologie, 1886, 1075.
' Lachowigz, Ann. 220, 188. ^ Kbaeher u. Böttoheb, Ber. 20, 595.
138 Paraffin.
öls^ ist diejenige die wahrscheinlichste, welche die Thierreste firüherer
geologischer Epochen (und zwar besonders solche der marinen Fauna)
als Rohstoffe ftir die Erdölbildung heranzieht und ihrer bei nicht allzu-
hoher Temperatur, aber unter starkem Druck erfolgten Zersetzung die
Bildung der Erdöllager zuschreibt. Es spricht dafür u. A. der Um-
stand, dass an allen primären Lagerstätten des Erdöls sich regelmässig
Thierreste (fast niemals Pflanzenreste) zeigen, dass mit dem Erdöl meist
gleichzeitig kochsalzhaltiges Wasser hervorquillt, dass Erdöl als eine Art
Ausschwitzung eines den Meeresspiegel jetzt überragenden Korallenriffs
am Ufer des rothen Meeres beobachtet wurde, dass im Muschelkalk
wiederholt mit Erdöl angefüllte kleine Zellen aufgefunden sind. Eine
besonders bemerkenswerthe Stütze erhielt diese Anschauung durch den
Nachweis, dass Fischthran bei der Destillation unter Druck ein Oel
liefert, welches zum grossen Theile aus einem dem amerikanischen Pe-
troleum sehr ähnlichen Kohlenwasserstoffgemisch besteht (E^gleb^).
Unter der Bezeichnung „Paraffin" schlechthin versteht man ein
hauptsächlich zur Kerzenfabrikation dienendes Handelsprodukt, welches
ein Gemisch der höheren festen über 300 ® siedenden Grenzkohlenwasser-
stoffe darstellt; einige der normalen Kohlenwasserstoffe konnten aus dem-
selben isolirt werden^. Es ist eine weisse, wachsähnliche, geruch- und
geschmacklose Masse. Je nach der Darstellung schwankt sein Schmelz-
punkt zwischen 45® und 80®, das specifische Gewicht zwischen 0-869
und 0-943. — Es kann aus dem Erdöl gewonnen werden; grosse Mengen
liefert namentlich der aus Indien stammende „ßangoontheer" (die
Naphta von Burmah) und das Erdöl von Java, während das pennsyl-
vanische Steinöl nur wenig Parafiin enthält. — Sehr wichtig ist seine
Gewinnbarkeit durch trockene Destillation der verschiedensten Natur-
stoffe. Reichenbach fand es zuerst 1830 unter den Destillationsprodukten
des Holzes auf; seit etwa 1850 ist die Paraffingewinnung durch trockene
Destillation Gegenstand einer bedeutenden Industrie. Während in Schott-
land hauptsächlich bituminöse Schiefer und die Bogheadkohle als Roh-
stoff dienen, ist in Deutschland die sächsische Braunkohle (Schweel-
kohle) der Ausgangspunkt der Paraffin -Industrie geworden. Durch
„Schweelerei'^ der Braunkohle aus Retorten wird zunächst der Braun-
kohlentheer gewonnen, welcher nach dem Entwässern nun einer erneuten
Destillation unterworfen wird, bei der man entweder bis zur Trockne auf
Cokes destillirt oder als Destillationsrückstand Asphalt gewinnt. Den
Destillationsprodukten werden die sauren Bestandtheile (Kreosot) durch
Behandlung mit Natronlauge entzogen, darauf werden sie mit Schwefel-
säure gemischt, um die basischen Verbindungen und andere übelriechende
und färbende Beimengungen fortzuschaffen, und nun nach dem Waschen
mit Wasser und schwacher Natronlauge rectificirt. Bei dieser Recti*
^ Vgl. HöPBB, a. a. 0., S. 101. » Ber. 21, 1816; 22, 592.
» Kbafft, Ber. 10 o, 891.
Oxokerü. 139
fication werden die übergehenden Produkte nach ihrer Flüchtigkeit und
ihrem specifischen Gewicht getrennt; man erhält zunächst ölige Destil-
late: das flüchtige Photogen und das weniger flüchtige Salaröl, dann,
wenn das Destillat zu erstarren beginnt, das Kohparaffin (Paraffin-
butter). Aus dem Bohpai*affln gewinnt man die Handels waare durch
Erystallisation in kalten Räumen unter Zuhülfenahme künstlicher Ab-
kühlung mit Eälteerzeugungsmaschinen, Waschen mit Photogen und Ab-
pressen unter starkem Druck in hydraulischen Pressen. Endlich ver-
setzt man es, um weisses Paraffin zu erhalten, mit 2 — 3®/^^ Entfärbungs-
pulver (kohliger Bückstand Yon der Blutlaugensalzfabrikaüon), filtrirt es
in geschmolzenem Zustand durch Faltenfilter und lässt es in Blechformen
zu Tafeln erstarren. Ausser zur Eerzenfabrikation wird das Paraffin
noch zu vielen anderen Zwecken verwendet, so zum Conserviren von
Holz, als Dichtungsmittel für Wein- und Bierfässer, in erheblicher Menge
zum Tränken der Zündhölzer. — Die mit dem Paraffin gleichzeitig ge-
wonnenen flüssigen Destillationsprodukte werden zum Theil als Lampenöl
(Solaröl, deutsches Petroleum) und als Maschinenschmieröl ver-
wendet; grosse Bedeutung haben sie als Material zur Oelgasbereitung.
Man lässt sie zu diesem Zweck in stark erhitzte gusseiseme Betorten
tropfen; hier werden sie grösstentheils in gasförmige Produkte zersetzt,
und man erhält neben Theer ein schweres Gas von grosser Leuchtkraft.
Da diese „Vergasung" keine grossen Anlagen erfordert und leicht zu
beaufsichtigen ist, so bedient man sich vielfach des Oelgases zur Be-
leuchtung von Fabrikanlagen, Hotels etc., welche von den Steinkohlen-
gasfabriken entfernt liegen. Comprimirtes Oelgas wird zur Beleuchtung
der Eisenbahnwagen verwendet.
Ein natürliches Material zur Paraf&ngewinnung bildet ferner der
Ozokerit oder das Erdwachs; sein wichtigster Fundort ist die Gegend
von Boryslaw in Ostgalizien, wo es gegenwärtig auf bergmännische Art
gewonnen wird. Man stellte früher daraus durch Destillation Paraffin
dar, während man es jetzt gewöhnlich durch Beinigung mit concentrirter
Schwefelsäure, Umschmelzen und Bleichen ohne Destillation auf Ceresin
verarbeitet: eine wachsähnliche Masse, welche vielfach als Ersatz für
Bienenwachs verwendet wird. — Auch in Kaukasien findet sich Ozokerit
und wird daselbst ausgebeutet. Beilstein und Wiegand ^ isolirten aus
kaukasischem Ozokerit einen bei 79^ schmelzenden Kohlenwasserstoff:
das Leken, dessen Zusammensetzung noch nicht sicher festgestellt ist.
» Ber. 16, 1547.
Mnwertftige Alkohole der Qrenxreihe.
Zweites Kapitel.
Die einwerthigen Alkohole der Qrenzreihe.
Allgemeine Zusammenaetznng: C„Hj„ ^ ^0.
Zusammensetzung, Constitution, Eintbeilung und
Nomenclatur.
Die einwerthigen Alkohole der Grenzreihe sind Verbindungen, welche
sich von den GreuzkohlenwaBseratoffea durch £rsatz eines WasserstofF-
atoms mittelst der Hydroxylgruppe ( — OH) ableiten, ihre Zusammen-
setzung lässt sich demnach allgemein durch die Formel:
CA,. + i(0H) = C„Hg„^30
ausdrücken. Die Berechtigung der Annahme einer Hydroxylgruppe in
den Molecülen dieser Verbindungen ist schon im allgemeinen Theil
(S. 63 — 65) ausfllhrlich erwiesen worden. Hier genügt daher die Rekapi-
tulation der Beweisgründe:
1) In den Alkoholen zeichnet sich ein Wasserstoffatom vor allen
anderen durch leichte Austauschbarkeit (gegen Metallatome, Säureradieale,
Kohlenwasserstoffradicale) aus :
CbH,„^,-OH; CnH„^.,.ONa; C„H,b + ,-0-NO,; C„H,„^,.0-C„H,„^.i.
2) Beim Ersatz des Sauerstoffatoms durch Halogenatome wird
gleichzeitig ein Wasserstoffatom eliminirt, und es entsteht ein Mono-
halogenderivat des Grenzkofalenwasserstoffs von gleicher Eohlenatoffzahl;
aus C^Hj^+i-OH wird C„H3„+,C1.
3) Aus den Monohalogenderivaten der GrenzkohlenwasBerstoffe ent-
stehen umgekehrt die Alkohole, indem an Stelle des Halogenatoms ein
Sauerstoffatom und ein Wasserstoffatom eintreten:
CBH„^.,C1 + H^ 0H = HC1 + C„H,„^,-OH.
Für die Alkohole ist eine grössere Zahl von Isomeriefällen denkbar,
als für die Kohlenwasserstoffe von gleicher Eohlenstoffzahl. Während
bei den letzteren die Isomerie nur durch die verschiedene Structur des
Kohlenstoffskeletts bedingt wurde, ist für die Alkohole auch bei gleich-
artigem Kohlenstoffgerüst eine Isomerie möglich, indem die Hydroxyl-
gruppe an verschiedenen Stellen desselben eintreten kann. Zu der
„Stamm-Isomerie" tritt hier die „Stellungs- oder Orts-Isomerie"
hinzu.
Vom Hethan und Aethan ist allerdings nur je ein Alkohol ab-
leitbar :
CH,(OH) und CH,-CH,(OH)
Methylalkohol Aethrlslkohol;
das Propan dagegen kann schon zwei Alkohole liefern:
CH,-CH,— CH,{OH) und CH.-CH(OH)— CH,
primärer I^pyl&lkobol aecand&rer Propjlalkohol
oder Isopropylälkohol;
Primäre, secimdäre und tertiäre Alkohole.
141
und ebenso können aus dem normalen Butan und aus dem Isobutan je
zwei Alkohole entstehen:
CHs-CH,— CH,-CH,(OH) und CHj-CHj— CH(OH)— CH,)
normaler primärer Butylalkohol normaler secundärer Butylalkohol;
CHs-CH<
M:JH,(0H)
primSrer Isobutylalkohol
yCHs
und CH,-d(OH)
tertiärer IsobutylalkohoL
Elin Ueberblick über die hier für die vier ersten Reihen entwickelten
Structurmöglichkeiten zeigt bereits, dass sich unter den Alkoholen drei
Klassen scharf Yon einander absondern lassen. In einigen Formeln
sehen wir das mit der Hydroxylgruppe beladene KohlenstoflFatom in Ver-
bindung mit nur einem anderen Kohlenstoffatom, in anderen mit zwei
und endlich in dem letzten Beispiel mit drei Kohlenstoffatomen ver-
knüpft. Man theilt aus diesem Grunde nach Kolbe's Vorschlagt die
Alkohole in primäre, secundäre und tertiäre Alkohole ein. Von
dem ersten Gliede der Beihe — dem Methylalkohol CHg-OH — leiten
sich die primären Alkohole ab, indem ein Wasserstoffatom der Methyl-
gruppe durch einen Kohlenwasserstoffrest vertreten wird, die secundären
und tertiären Alkohole durch Vertretung von zwei bezw. drei Wasser-
stoffatomen der Methylgruppe:
/CH,
c :^
primärer,
Ee ist demnach für die
primären Alkohole
/CH,
c;_CH3
\0H
secundärer,
/CH3
\CH3
tertiärer Alkohol.
secundären
tertiären
»
. . . die Gruppe: C— CH^(OH),
\CH(0H),
0>
»
»
7i
...
»
)J
C-)G(OH)
charakteristisch. Der umstand, dass in den primären Alkoholen neben
der Hydroxylgruppe an demselben Kohlenstoffatom noch zwei Wasser-
stoffatome, in den secundären nur eines, in den tertiären aber gar kein
Wasserstoffatom mehr haftet, bedingt erhebliche Unterschiede in dem
Verhalten der einzelnen Klassen, wie später (S. 152 — 154) hervortreten
wird. Die primären Alkohole sind am längsten bekannt; die Ekistenz
der secundären und tertiären Alkohole ist von Kolbe * 1860 aus theore-
1 Ann. 182, 102.
' Ann. IIB, 807.
142 Vorkommen und Entstehungsweisen
tischen Schlussfolgerungen abgeleitet worden und wurde bald darauf
durch die Entdeckung des secundären Propylalkohols (Fbiedel) und des
tertiären Butylalkohols (Butleeow) bestätigt
Zur Bezeichnung der einzelnen Alkohole genügt in den Tier ersten
Reihen die Nennung des mit der Hydroxylgruppe verknüpften Eohlenwasser-
stoffradicals und die Angabe der Zugehörigkeit zu einer der eben defi-
nirten drei Klassen. In den höheren Reihen würden diese Principien der
Nomenclatur nicht mehr ausreichen; die Bezeichnung ,, normaler, secun-
därer Pentylalkohol" z. B. wäre schon nicht mehr eindeutig, da sie die
Wahl zwischen den beiden Structurmöglichkeiten :
CH8--CH,-CH(0H)-'CH,-CH8 und CH8-CH(0H)-CH,-CH,-CH,
lässt. Eine sehr gebräuchliche und zweckmässige Nomenclatur gründet
sich auch hier wieder auf die Wiedergabe der Beziehungen, in welchen
der zu benennende Alkohol zum ersten Gliede der Reihe — dem Methyl-
alkohol CH3(0H) — steht. Man hat für letzteres zu diesem Zweck die
Bezeichnung „Carbinol" eingeführt und würde also z. B. jene beiden
Isomeren als „Diäthylcarbinol" und als „Methylpropylcarbinol" von ein-
ander zu unterscheiden haben. Die Berechtigung dieser Namen wird aus
der folgenden Schreibweise der Formeln:
CjHgv CH,v
>CH(OH) und >CH(OH)
C,H/ C,h/
leicht ersichtlich.
Vorkommen und Entstehungsweisen.
Man findet die Alkohole — in Form von Estern an organische
Säuren gebunden — sehr häufig im Pflanzenreiche. Viele der soge-
nannten „ätherischen Oele", welche durch Destillation von Pflanzen-
theilen mit Wasserdampf gewonnen werden können, enthalten solche
Ester der Grenzalkohole, aus welchen durch „Verseifung" die Alkohole
erhalten werden können. So enthält z. B. das Gaultheriaöl (Winter-
grünöl) den Salicylsäureester des Methylalkohols CHj-O-C^HgOj; durch
Kochen mit Alkalien wird es verseift, d. h. es zerfällt unter Wasser-
aufhahme in Methylalkohol und Salicylsäure.
CHs-OC^HA + H,0 = CHjOH + C^HA-OH.
Derartige Ester — und zwar solche der kohlenstofireicheren Alkohole —
bilden femer den wesentlichsten Bestandtheil der Wachsarten. — Das
Vorkommen von Methyl- und Aethylalkohol in freiem Zustand ist an
den Heracleumfrüchten constatirt^
Für die Gewinnung der Alkohole ist indessen weit wichtiger die
reichliche Bildung von einzelnen Gliedern in Gährungsprocessen,
und zwar besonders die Bildung der primären Alkohole von der 2. bis
^ Gützeit, Ann. 240, 243.
der einwerthigen Orenxalkohole, 143
zur 5. Reihe durch Gährung der Zuckerarten. Das Gährungsge-
misch, welches dieser in grosstem Massstabe ausgeführte technische
Process liefert, ist recht eigentlich eine der Hauptquellen, welcher der
synthetisch arbeitende Chemiker die Hülfsmittel entnimmt, um nicht nur
die verschiedenen Alkohole, sondern auch zahllose Verbindungen anderer
Klassen auf künstlichem Wege herzustellen.
Von Bedeutung ist femer das Vorkommen des Prototypen der Reihe,
des Methylalkohols, unter den Produkten der trockenen Destillation
des Holzes.
Für die Betrachtung der zahlreichen künstlichen Bildungs-
weisen von Grenzalkoholen empfiehlt sich eiae Eintheilung in solche,
welche zur Darstellung von Alkoholen aus allun drei Klassen benutzt
werden können, und in solche, welche nur fiir die Gewinnung von
Gliedern einer bestimmten Klasse Geltung haben.
L Allgemeine Blldungsirelsen. 1. Aus den Monohalogen-
derivaten der Grenzkohlenwasserstoffe von gleicher Kohlenstoffzahl
durch Austausch des Halogenatoms gegen die Hydroxylgruppe:
CjHß Ci + H ;]0H = HCl + CjHgOH.
Für diesen Auslausch erweisen sich wieder die Jodide als besonders
reactionsfähig. Er kann in vielen Fällen durch Erhitzen mit Wasser
auf 100 — 120® bewirkt werden^; dann ist zur völligen Umwandlung die
Gegenwart von viel Wasser nothwendig, damit die während der Reaction
entstehende Jodwasserstoffsäure nicht concentrirt genug wird, um die
umgekehrte Reaction:
C2H5.OH + HJ r= H,0 + CjHjJ
einleiten zu können. In der Regel beschleunigt man die Reaction durch
Znsatz einer Base; feuchtes Silberoxyd, welches wie Silberoxydhydrat
Ag-OH wirkt, führt die Umwandlung meist schon in der Kälte herbei;
Kochen mit Bleioxyd und Wasser ist zuweilen zweckmässig. In anderen
Fällen empfiehlt es sich, einen Umweg über den Essigsäureester ein-
zuschlagen, welchen man zunächst durch Erhitzen des Jodids mit essig-
saurem Silber oder Kalium erzeugt:
C4H,J + Äg. OCjHaO = AgJ + C4H9 0.C,H80
und dann durch Kochen mit Alkalien wieder spaltet:
CA-O.CjHsO + H,0 = CA- OH + CjHsO.OH.
2. Aus den ungesättigten Kohlenwasserstoffen der Reihe
C„Hjn (Alkylene) von gleicher Kohlenstoffzahl: Die Alkylene ver-
einigen sich mit concentrirter Schwefelsäure zu den sauren Schwefel-
säureestem der Alkohole (Aetherschwefelsäuren, vgl. Kap. 3 u. 13), z. B.:
CH, OSOjOH CHj.OSO.OH
CH, H CHs
^ VgL N1BDEBI8T, Ann. 186^ 388.
144 Bildungsweisen der Qrenxalkohole,
diese Aetherschwefelsäuren zerfallen schon beim Kochen mit Wasser in
die Alkohole und Schwefelsäure:
CH3 . CH, . 0 . SO, . ÖH + H ;ÖH = CHg • CH, • OH + SO,(OH),.
Nur bei dem in diesen Gleichungen dargestellten üebergang von Aethylen
in Aethylalkohol entsteht durch diese Reaction ein primärer Alkohol;
in allen anderen Fällen bilden sich secundäre oder tertiäre Alkohole,
da sich der SO^H-Rest (bezw. die OH -Gruppe) an das mit weniger
Wasserstoff beladene Kohlenstoffatom anlagert. So liefert
CH, CH,
Propylen CH den secundären Propylalkohol CH-OH,
CH3 CH3
CH CH
Isobutylen 'Nc = CH, den tertiären Isobutylalkohol 'yC(OH) — CH,.
8 9
Aus den Alkylenen kann man auch zunächst durch Anlagerung der Halogen-
wasserstofisäuren die Halogenalkyle und aus diesen nach Bildungsweise 1) die Alko-
hole gewinnen:
CH, : CH, + HBr « CH,CH,Br.
CH,.CH,Br + Ag.OH = CH,.CH,.OH + AgBr.
— In manchen Fällen Ifisst sich durch längeres Stehenlassen in der Kälte oder ge-
lindes Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure oder Salpetersäure direct eine Wasser-
anlagerung an die Alkylene ausführen^ :
CHjv CHjv
>C = CH, + H,0 « >C(0H)-CH3.
CH,/ CH,/
3. Aus den Amidoderivaten der Grenzkohlenwasserstoffe
(primäre Amine) von gleicher Kohlenstoffzahl durch Kochen der
wässrigen Lösung ihrer salpetrigsauren Salze ^:
CH8(NH,).N0.0H = N, + H,0 + CH,.OH.
Der Vorgang ist ganz analog der Zersetzung des Ammoniumnitrits in
Stickstoff und Wasser.
IL Specielle Blldungsweisen. A. Für primäre Alkohole.
4. Reduction der Aldehyde^ von gleicher Kohlenstoffzahl mit
nascirendem Wasserstoff:
CeHij-COH + H, = CeH,, • CH,(OH).
Als Reductionsmittel wird Natriumamalgam angewendet. Für die Reduc-
tion der kohlenstoffreicheren, schwer löslichen Aldehyde empfiehlt sich
die Anwendung von Eisessig und Zinkstaub*; es entstehen dann zunächst
die Essigsäureester der Alkohole, welche darauf verseift werden müssen.
^ BüTLEROW, Ann. 180, 245. ' Iühmsmann, Ann. 144, 129.
• WuBTz, Ann. 128, 140. * Krapft, Ber. 16, 1716.
Bildtmgsweisen der Grenzalkohole. 145
Aach durch Reduct'ion von Säureanhydriden ^ entsteht der zugehörige
Alkohol unter intermediärer Bildung von Aldehyd, z. B.:
CH3.COV
>0 + 2H = CHgCOH + CHsCOOH:
CHgCO'^
CHgCOH + 2H=-CH8.CH,.OH.
Statt des fertigen Säureanhydrids kann man auch ein Gembeh von Säurechlorid und
Säurehydrat anwenden', welches das Anhydrid entstehen lässt Diese Reactionen
liefern indess nur schlechte Ausbeuten.
B. Für secundäre Alkohole. 5. Reduction der Ketone von
gleicher Eohlenstoffzahl durch Wasser und Natriumamalgam ^:
CH3-CO-CH8 + H, = CH,— CH(0H)-CH3.
6. Aus den Aldehyden entstehen durch Einwirkung von
Zinkalkylen und Zersetzung des Additionsproduktes mit Wasser secun-
däre Alkohole unter Kohlenstoffsynthese:
CH,.COH + ZnCCjH^), = CHsCh/ ' ;
^OZnCaHa
1<C
CH,.CH< + H,0 = CH,.CH(0H).C,H5 + ZnO + C,He .
Die Bildung des in der ersten Phase entstehenden Additionsproduktes
erfordert mehrwöchentliches Stehen in der Kälte; die Beaction verläuft
bei Anwendung von Zinkmethyl und Zinkäthyl sehr glatt; bei Anwen-
dung von Zinkpropyl wird sie complicirter, da neben der den obigen
Gleichungen entsprechenden Wirkung auch eine Reduction des Aldehyds
zu dem entsprechenden primären Alkohol stattfindet ^ — Eine ähnliche
Bildnngsweise der secundären Alkohole besteht in der Einwirkung von
Zinkalkylen (bezw. eines die Zinkalkyle erzeugenden Gemisches von
Halogenalkylen mit Zink und etwas Zinknatrium) auf den Ameisen-
säureester (H-CO-O-CgHg) und Zersetzung des Beactionsproduktes mit
Wasser^; man kann sich die Beaction in folgenden Phasen verlaufend
vorstellen:
H . Cf + Zn(C,H5), = H . CC 0 'Zn . CjHj ;
^OCjH» N).C,H5.
CjHjV CJB.g\ /CjHg
CjHsZn.O X- O.C,H» +C,H5.;Zn.C,H5 ==C,H5.Zn.O )C-^C,H5 + Zn< ;
>C< +H,0= >C< +ZnO + C,H,.
CH./ M).Zn.C,H5 C,H/ N)H
* LiKXEicAMH, Ann. 148, 249. * Linkemann, Ann. 161, 184.
* Fbibdkl, Ann. 124, 326.
* G. Waonbb, Ann. 181, 264. — Ber. 17 o, 314.
* G. Waqneb u. Sattzbff, Ann. 176, 360,
y. MsYEB u. Jacobson, org. Cheoi. I. 10
146 , Bildungsweisen der eimcerthigen
Wendet man in dieser Reaction ein Gemisch zweier verschiedener
Halogenalkyle mit Zink an ^, so treten beide Alkylradicale in das Molecül
des sich bildenden Alkohols ein; z. B. :
HCC + Zn(C,H5), = H.C^^OZnCjH»;
C,H5\ C,H,\ .CH,
aH. . Zn . 0 /C-0 . CoH. + CHg • Zn • CH» = C,Hj • Zn • 0->C— CHg + Zn< ;
>C< +H,0= >C< +ZnO + C,He.
CH,/ ^OZn.CjH. CHg-^ ^OH
7. Aus den mehratomigen Alkoholen kann man stets das einem
secnndären Alkohol von gleicher KohlenstoiBFzahl entsprechende Jodid
durch Erhitzen mit überschüssiger Jodwasserstofifsäure erhalten und letz-
teres nach Bildungsweise 1) in den Alkohol überfuhren. So gelangt
man vom
CH,(OH) CH3 CH,
Glycerin CH(OH) über CHJ zum secund. Propylalkohol CH(OH),
CH,(OH) CH, CH,
CH,(OH) CH, CH,
,, , . CH(OH) ^ djHJ , ^ , „ , , CH(OH)
vom Erythrit über 1 zum secund. Butylalkohol i
CH(OH) CH, CH,
CH,(OH) CH, CH,
C. Für tertiäre Alkohole. 8. Die Einwirkung der Zink-
alkyle (2 Mol.) auf Säurechloride (1 Mol.) fuhrt nach Zersetzung des
Reactionsproduktes mit Wasser zur Entstehung von tertiären Alkoholen
(BuTLEROw^. Die Wirkung des Zinkalkyls besteht wieder zunächst in
einer Addition:
CH,-C/^ + Zii(CH,), = CH,--C<^ . in - CH, ;
^Cl XJl
die Zersetzung dieses Additionsproduktes mit Wasser würde ein Keton
liefern (s. Kap. 11); bei längerer Einwirkung des Zinkalkyls erfolgt nun
aber ein Austausch des Halogenatoms gegen eine Alkylgruppe:
/CH, /CH,
CH,-C(^.Zn.CH, + Zn(CH,), = CH,-C(-O.Zn.CH, + ZnCl(CH,),
* Kanonnikoff u. Sattzbff, Ann. 176, 374.
* Zeitschr. Chem. 1864, 885; 1866, 614.
Ch'enxalkohole. 147
und jetzt entsteht bei der Zersetzung mit Wasser ein tertiärer Alkohol:
yCIL yCH,
[j— CvOZn-
CHs-a OZnCHg + H,0 = CHj-C^OH + ZnO + CH^.
Zur Vollziehung der ersten energisch verlaufenden Reactionsphase
lässt man das Säurechlorid unter starker Abkühlung zu dem Zinkalkyl
zutropfen; die zweite Phase bedarf zu ihrer Vollendung mehrwöchent-
lichen Stehens bei Zimmertemperatur. — Durch Anwendung verschiede-
ner Zinkalkyle in den beiden Beactionsphasen kann man Carbinole mit
zwei oder drei verschiedenen Alkylradicalen erhaltend — Auch hier
verläuft die Beaction nur bei Anwendung von Zinkmethyl und Zinkäthyl
normal (vgl. S. 145); bei der Einwirkung von Zinkpropyl erhält man
unter Abspaltung von Propylen secundäre Alkohole^.
Terdfire Alkohole können femer durch die Einwirkung von Zinkmethyl
oder Zinkäthyl (nicht Zinkpropyl etc.) auf solche Ketone erhalten werden,
welche keine Methylgruppen im Zusammenhang mit der Carbonylgruppe
enthalten*. Lässt man z. B. ein Gemisch von Dipropylketon CsH^'CO'CgH, mit
Jodäthyl und Zink einige Tage stehen und erwärmt dann zur Beendigung der Ein-
wirkung gelinde auf dem Wasserbade, so erhält man bei der Zersetzung des Reac-
tioosprodnktes mit Wasser das Aethyldipropylcarbinol:
>C0 + »CjHftJ + Zn, = Zn J, + >C< ;
C,H/ CjH/ ^OZnCgHs
XK + H,0 = ZnO + C,H« + >C<
C,H/ M).Zn.C,H5 CsH/ \0H
Neben den tertiären Alkoholen bilden sich Kohlenwasserstoffe der Aethylenreihe von
gleicher Kohlenstoffzahl.
Im Vorstehenden sind die Reactionen geschildert, durch welche
Grenzalkohole aus Verbindungen anderer Körperklassen erhalten werden
können. Diese Reactionen geben aber gleichzeitig die Möglichkeit, ver-
schiedene Alkohole in einander umzuwandeln. So lassen sich auf Grund
der Bildungsweise 2) (aus den Alkylenen) primäre Alkohole in secundäre
bezw. tertiäre ihnen isomere Alkohole überführen; denn aus den primären
Alkoholen werden durch Wasserabspaltung Alkylene erhalten(vgl. S. 152):
CH, . CH, . CH,(OH)-H,0 = CH, • CH : CH, ,
und diese Alkylene liefern nun bei der Wasseranlagerung nicht wieder den
primären Alkohol zurück, sondern einen secundären oder tertiären; z. B.:
CH,(OH) CH, CH3
! 1
CH, . ► CH >. ÖH(OH);
ÖHg CHs CH3
prim. Propylalk. Propylen secund. Propylalk.
« Pawlow, Ann. 188, 122. * Markownikow, Ber. 16, 2284.
■ Sattzbff mit Tschebotakeft, Gobtalofp, Barataepp, Ustinopp, J. pr. [2] 88,
193; 84, 468; Sokolofp, J. pr. [2] 80, 480.
10*
148 AUgemeifie Charakteristik der Gre/nxalkoliole,
CH3V /CH,(OH) CH3V CHsv /CHs
>C< - -V >C = CH, -^ >C< .
prim. Isobutylalk. Isobutylen tert. Isobutylalkohol.
— Eine andere Reactionsfolge gestattet die Umwandlung jedes Alkohols
in einen primären Alkohol der nächsthöheren Reihe; man hat zu diesem
Zweck an Stelle der Hydroxylgruppe des Alkohols zunächst die Cyan-
gruppe einzuführen (vgl. Kap. 8), aus dem Cyanid die Carbonsäure
darzustellen (vgl. Kap. 9) und diese nach Bildungs weise 4) durch die
Zwischenstufe des Aldehyds in den entsprechenden Alkohol zu ver-
wandeln :
C„H,„+,.(OH) -^ C„H,„+,.CN _-^ C„H,„^.,.CO.OH •
Alkohol Cyanid Carbonsäure
— v CnHgn^i-COH - ->. C„H2„^.,-CH,(0H).
Aldehyd Alkohol.
Durch fortgesetzte Anwendung dieser Reactionen könnte man vom Methyl-
alkohol ausgehend auf synthetischem Wege die ganze Reihe der normalen
primären Alkohole aufbauen; ein solcher Aufbau ist thatsächlich bis
zum normalen primären Hexylalkohol ausgeführt worden ^ — Auch- das
entgegengesetzte Problem — der Abbau eines Alkohols zu einem solchen
der nächstniedrigen Reihe — ist durch eine Combination von Reactionen
lösbar, wenn man von einem primären Alkohol ausgeht; man oxydirt
denselben zu der entsprechenden Carbonsäurc und verwandelt diese in
ihr Amid; aus den Säureamiden kann man nun durch Einwirkung von
Brom in alkalischer Lösung das Amin der nächstniedrigen Reihe
(s. Kap. 5) und aus letzterem nach Bildungsweise 3) den Alkohol ge-
winnen :
C„H,„^.,.CH,(()H) y C„H,„+,.CO.OH ^ C„H,„+,.CO.NH,
Alkohol Carbonsäurc Säureamid
> O.H,„+,.(NH») v C.H,„+..(OH).
Amin Alkohol.
Allgemeine Charakteristik der Grenzalkohole.
Die Alkohole sind neutral reagirende, farblose Verbindungen; die
niederen Glieder der Reihe sind mit Wasser mischbare, leicht bewegliche
Flüssigkeiten von charakteristischem Geruch und brennendem Geschmack.
Aus ihren wässerigen Lösungen können sie durch leicht lösliche Salze
(am besten Pottasche) abgeschieden werden. Die Löslichkeit in
Wasser nimmt mit wachsendem Kohlenstoffgehalt rasch ab; während
der primäre Propylalkohol noch in jedem Verhältniss mit Wasser
mischbar ist, erfordert der primäre normale Butylalkohol schon 12 Theile
Wasser zur Lösung. Die Alkohole von der 4. bis zur 11. Reihe sind
* 8. Lieben u. R088I, Ann. 168, 177; 169, 70. — Ropsi, Ann. 169, 79. — Libben
u. Janeczek, Ann. 187, 126.
Tabellarische Uebersicht über die normalen pri/niären Alkohole, 149
demnach ölige, mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeiten. Dann folgen
Verbindungen, welche bei gewöhnlicher Temperatur fest sind und aus
Aethylalkohol oder Aether krystallisirt erhalten werden können. Die
höchsten Glieder sind geschmack- und geruchlos. Durch den Eintritt
der Hydroxylgruppe in den Grenzkohlenwasserstoff ist die Flüchtigkeit
erheblich vermindert; die Alkohole sieden stets beträchtlich höher, als
ihre Stammkohlenwasserstoffe. Von der 16. Reihe ab können sie nur
noch im Vacuum unzersetzt destillirt werden. Die folgende Tabelle Nr. 3
giebt einige Eigenschafben der normalen primären Alkohole, soweit
dieselben bekannt sind, wieder:
Tabelle Nr. 3. Normal-primäre Alkohole^
Schmelzpunkt.
Siedepunkt.
, Specifischefl
Gewicht.
CH,(OH)
66 0
0.812]
C.H.(OH)
—1300»
78 0
0-806
C,H,(OH)
970
0-817
C«H,(OH)
—
117<>
0823
i 0
» ©
C,H„(OH)
—
138°
0-829
C,H.,(OH)
—
157<>
0-833
0 s
0 ?»
C,H„(OH)
1760
0-836
0 M
C,H„(OH)
1950
0-839
^^ i-ti
C,H,^OH)
~5<>
2130
0-842 J
C„H„(OH)
^70
231 0
0-839
o*
C.,H„(OH)
240
1430 1
0-831
9-1-
ii.
< ^^
C„H„(OH)
38 <»
167°
15 mm
0-824
0 g 0
ig
C„H„(OH)
i 50»
190 0
ö
0-818
1
—
0
CD M
*^ TT
C„H„(OH)
1 59<>
1
211« J
«
0-813 J
Es ist daraus ersichtlich, dass die Siedepunkts-Difierenz zweier auf
einander folgender Alkohole bis zur 10. Reihe eine ziemlich gleich-
bleibende ist (18 — 22^. Ueber die Aenderung der physikalischen Eigen-
schaften durch verschiedene Structur bei gleicher Kohlenstoffzahl giebt
die Tabelle Nr. 4 auf S. 150 Aufschi uss; sie umfasst die in der 3. bis
5. Reihe bekannten isomeren Alkohole und enthält in Columne I die
Siedepunkte, in 11 das specifische Gewicht bei 20® bezogen auf Wasser
von 4® (d Y)> iii HI den Brechungsindex (/i.) und in IV den Capillaritäts-
coefficienten (a*) beim Siedepunkt. Die Columne I zeigt, dass unter den
^ Zajider, Ann. 224^ 85. — Krafft, Ber. 16, 1714; 19, 2221; 28, 2360. — Weitere
literatnrangaben v^l. bei der Bpeciellen Besprechung der einzelnen Alkohole S. 154—169.
* Wboblewbky u. Olszewsky, Monatsh. 4, 338.
1 50 Tabellarische Vebersidä über die it
AlkohoU der 3. big 5. Iteihe.
ifiomeren Alkoholen stets der primäre normale deü höclisten Siedepunkt
besitzt, das8 der Siedepunkt sowohl mit grösserer Verzweigung der
Kohlenstoffkette als auch mit dem Hineinrücken der Hydroxylgruppe von
ilpm F.nr!« dor Kohlenstoffkette nach der Mitte sinkt. Aus den Co-
und IV lässt sich für die betreffenden Constanteu, so-
skannt sind, derselbe Schluss ziehen. Die Verbindung mit
inkte besitzt auch die grössere Dichte, grösseren Brechungs-
ere Capillarerhebung. Eine solche Proportionalität dieser
:t sich auch bei den meisten anderen Verbindungsgmppeii
ieder',
i. Die isomeren Alkohole der 3. bis 5. Reibe'.
! CH,-CH,.CH,iOH)
1 CH,.CH(OH)-CH.
I C,H,-CH,-CH,(OH|
C,Hi-CH(OH)-CH,
(CH,l,CHCri,!OH)
' (CH.i,C(OH)-CH,
0-815
0-810
l-383fi
1-8767
1-3971
1-3940
.... I C,Hs-CII,-CH, CH,(OH)
>l . . . : (CH,),CH-CH,-CH,(OH)
»rbinol. CH,-CH(C,H,).GH,(OH)
u-biDoI . C,H,-CH,-CH(OH)-CH,
■Icarbinol (CH,),CHCH(OH)-CH.
1 ... I C,Hs-CH(OH)-C,H.
;arbinol. Ii {CH,1,C(0H)-C,H,
n Alkohole, welche unter ihren Isomeren den niedrigsten
zen, zeigen im Gegensätze hierzu den hSchsten Schmelz-
in Tier Butylalkoholen ist bisher nur der tertiäre fest
; er schmilzt bei +25". Von den 7 Amylalkoholen er-
äre ebenfalls am leichtesten (bei — 12"), während das
' erst bei —134" fest wird. Auf den Schmelzpunkt
I erhöhend die Anhäufung von Methylgruppen im Moleciil
rläthol, S. 167).
^sche Verhalten der Alkohole wird hauptsächlich durch
fähigkeit der Hydroxylgruppe beeinflusst; das an
, Ann. 208, 276. — B. Schiff, Ann. 328, 89.
. 203, 1. 255. 363. — R. Schii-p, Ann. 228, 70. — Weitere literatur-
er Besprechung der einzelnen Alkohole S. 160 — 166,
Monateh. 6, 128.
Chemisches Verhalten der Alkohole, 151
Sauerstoff gebundene Wasserstoffatom ist^ wie schon öfter hervorgehoben
wurde, mannigfachen Austausches fähig. Die Alkalimetalle wirken unter
Wasserstoffentwickelung ein :
CjH^.OH + Na = C^HaONa + H,
und es entstehen so die Alkoholate, welche indess schon von Wasser
wieder in die Alkohole und Alkalien zerlegt werden:
CJIs-ONa + HjO = CjUgOH + NaOH
und daher keine echten Salze sind. — Bei der Einwirkung von Sauer-
stoffsäuren tritt das Wasserstoffatom mit der Hydroxylgruppe des Säure-
molecüls als Wasser aus, an. seine Stelle tritt das Säureradical, und
es bilden sich die Ester der Alkohole:
GjHjO- II + OH- NOj = H,0 -h CjHftONO,: Salpeterafiureester,
CjHsO' H + OH. C,H,0 = H,0 + CjHsO.CjHjO: Essigsäureester.
Dieselben Verbindungen entstehen unter Austritt von Chlorwasserstoff
und heftiger Reaction bei der Einwirkung von Säurechloriden:
CjHj.O. H + ClCjHjO = HCl + C.Hs • 0 - CjHsO.
Die Halogenverbindungen des Phosphors bewirken die Substitution der
Hydroxylgruppe durch ein Halogenatom:
CjHß.OH + PCI5 = C.HöCl + HCl + POCls,
SCjHjOH + PBrj = SC^Hs-Br + P(OH),;
die in dieser Reaction entstehenden Halogenalkyle bilden sich auch
beim Erhitzen der Alkohole mit concentrirten Halogen wasserstoffsäuren:
C.HjOH + HCl = CjHftCl + H,0,
CjHß.OH + HJ ^CaHj.J +H,0.
Die Berechtigung der schon von der Typentheorie (s. S. 55) einge-
f&hrten Auffassungsweise der Alkohole als „einfach alkylirtes Wasser",
C H
^ *°^yO, wird durch einigender eben behandelten Reactionen besonders
ersichtlich. Denn in der That ist ja der Reactionsverlauf mit den
Alkalimetallen, den Säurechloriden und den Halogenverbindungen des
Phosphors ganz analog bei der Anwendung von Wasser:
H,0 + Na =H.O.Na + H
HaO + ClCjHjO = HCl + HO-CjHjO
. H,0 + PCls = HCl + HCl + POCls
3H,0 + PBr, = 3 HBr + P(0H)3.
In dem einen Falle entstehen die Wasserstoffverbindungen:
H-ONa ^ CjHgONa
H ri * ^ ' ^^ anderen die Alkylverbindungen : p^xr** ni * ^
HBr cX'Br
152 Oiemiaches VerhaUm der Alkohole.
Die nahen Beziehungen zwischen ilem Wasser und dem Alkoholen treten «neb
in dem Umstand herror, dass die Alkohole — ebenso wie das Wasser — mit Salzen
2U krystollisirten Verbindungen Eosammeutreten können. Solche „KiTStatUlkohol'-
enthaltenden VerbinduDgen bilden sich z. B. mit Chlorcalcium (CaCl, + 4CH,0:
CuCIi 4- iCtlI,Oy, Chlorcalcium darf daher nicht ab EDtwOsserungsmittel für Alko-
hole benutzt werden.
Die Hydroxylgruppe der Alkohole kann auch gegen Ammoniakreste
ausgetauscht werden; erhitzt man die Alkohole längere Zeit mit Chlor-
-260", 80 bilden sich primäre, secundäre und
■OII + NH,= H,0 + C,H,.NH„
■OH + NH, = 2H,0 + (C4H,).NH,
■ OH + NH, = 9H,0 + (C.H^N.
rkung von wasserentzieheuden Agentien
äure, Chlorzink) tritt die Hydroxylgruppe mit
I Kohlenstoffatom befindlichen "Wasserstoffatom
bilden sich ungesättigte Kohlenwasserstoffe der
,-CH,-OH - H,0 = CH, : CH„
.CH^OH) - H,0 = CH,.OH:CH,;
tritt bei den secundären und tertiären Alkoholen
nären ein. Bei der Einwirkung der concentrirten
Ire Alkohole ist der Process nicht als einfache
eben, sondern verläuft unter intermediärer Bil-
änren (vgl. Kap. 13).
litteln werden die Alkohole sehr leicht ange-
Produkte sind bei den drei Alkoholklaasen ganz
►as Oxydationsmittel richtet seine Wirksamkeit
snige Kohlenstoffatom, welches schon im Molecfll
iff verbunden war. Aus einem primären Alkohol
daher, indem der Rest C„Hj,„^, unveritudert
lehyd :
DH,-OH + 0 = H,0 + C,H,B^.,-COH
ige CarboQSäure von gleicher Kohlen-
^■COH -f 0 = CaH,„^.,■C0■0H.
chenprodukte der Oxydation: Säureester, Acetale,
lären Alkohol "^"^'NCH^OH) dagegen en(-
Keton von gleicher KohlenstofFzahl :
:!H(OH) + 0 = H.O -f " " * ' V;o;
C„H,„ . ,/
Verschiedenes Verhalten der primären, secundären und tertiären Alkohole. 153
allein die weitere Einwirkung des Oxydationsmittels, welches nun aus der
beiderseits an Kohlenstoff gebundenen Carbonylgruppe = CO die Caiboxyl-
gruppe — CO -OH zu bilden strebt, muss zu einer Spaltung des Mole-
cüls führen; es können sich in diesem Falle nur solche einwerthige
Carbonsäuren (C^Hj^^j-CO-OH oder C^H^^^i-CO-OH) bilden, welche
weniger Kohlenstoffatome als die Ausgangssubstanz enüialten.
Bei den tertiären Alkoholen C^IL^^^j ^C(OH) endlich bewirkt die
Oxydation, wenn sie sich auf das mit Hydroxyl beladene Kohlenstoff-
atom richtet, sofort einen Zerfall der Kohlenstoffkette; ein Keton (z. B.
C BL
° °'*'^\C0) kann nur nach Loslösung eines Alkylrestes,, eine einwer-
thige Carbonsäure erst nach Loslösung zweier Alkylreste entstehen.
Primäre Alkohole also können durch Oxydation in Alde-
hyde und einwerthige Säuren von gleicher Kohlenstoffzahl,
secundäre zunächst in Ketone von gleicher und dann in ein-
werthige Säuren von niederer Kohlenstoffzahl übergeführt
werden; aus tertiären Alkoholen können nur Ketone und ein-
werthige Carbonsäuren von niederer Kohlenstoffzahl hervor-
gehen. Dieser Unterschied ist von grosser Wichtigkeit für die Dia-
gnose der Zugehörigkeit eines Alkohols zu einer der drei Klassen; er
wurde bereits zur Ableitung der Constitution der beiden Propylalkohole
(9. S. 70) benutzt.
Carbonsänren, welche mehr als zwei Sauerstoffatome enthalten, könnten sich
indesB auch unter Wahrung des gesammten Kohlenstoffgehalts aus secundfiren und
GH..
tertifiren Alkoholen bilden, z. B. aus >CH(OH) unter intermediärer Bildung von
cu/
CH,v CHgv
>C0 die Säure >C0 (vgl. Kapitel 11 über die Oxydation der Ketone).
CE/ COOH'^
CHgv vCOjH
— AIb eine Anomalie sei die Bildung von Isobuttersäure yC< bei der
CH,/ \h
CHgv yCHg
Oxydation des tertiären Butylalkohols >C<^ erwähnt^ ; sie ist wohl dadurch
CHg/ ^OH
CHg.
zu erklären, dass zunächst durch Wasserabspaltung das Isobutylen >C = Cllg
CH,/
entsteht, aus welchem sich nun durch Wasseranlagerung der primäre Alkohol
CHgx yCHg(OH)
^C<^ bilden kann, dessen normales Oxydationsprodukt die Isobuttersäure
ist Es bildet sich übrigens nur sehr wenig Isobuttersäure, die Hauptprodukte der
Oxydation sind der obigen Begel entsprechend Aceton CHg-CO'CHg und Essigsäure
CHgCOGH.
^ BuTLEBOw, ZtBchr. Chem. 1871, 484. Vgl. auch Ann. 180, 78.
™' einxelTien Glieder dfr Reihe.
iehungen sind wesentliche Unterschiede zwischeu
itet worden. Während sich z. B. die primäreD
beim Kochen mit Bariumoxyd zu Alkoholaten
\), liefern die tertiären Alkohole hierbei keine
imäre Alkohole werden am raschesten, tertiäre
bei der Einwirkung von Säuren In £ster (wie
Ihrt; erhitzt man einen Alkohol mit der äquiva-
eine Stunde auf 150" — 155" und titrirt hierauf
ire zurUck, so findet man, dass tod primäreo
r der Methylalkohol macht eine Ausnahme, s.
' — 26*/o, von tertiären aber nur 1 — 2''/g „esteri-
i). — In den niederen Reihen kauo man auch
die drei Klassen von einander unterscheiden:
durch Vermittelung der Halogeualkyle in die
indangen über:
- >- C„H,„^.,.J ,. C„H„^.,.NO,
Iten der letzteren gegen salpetrige Säure, wobei.
tr ausgeMirt werden wird, die primären und
Igen charakteristische und andersartige Farben-
en dagegen keine Färbung liefern.
zelnen Glieder der Eeihe.
CHjOH führt auch den Namen Holzgeist,
idukten der trockenen Destillation des Holzes
idet. Unter diesen vrarde er zuerst 1661 von
iwärtig wird er in erheblichen Mengen theils
Holz, theils ans der Rübenmelassenschlempe
nthetisch kann er auB dem Grubengas uiit«r
(i:
l + HCl; CH,-C1 + H-0H = CH,-0H + HC1
ibsolut reinem Methylalkohol aiu dem kftuf li^eu
den Alkohol iu Form eiaea Esters an eine oi^anische
lUB dem Ester wieder durch VerseiAing ab. Man 13b'
»laÄure in eiedendem Holzgeist; beim EIrkalten krystalJi-
COO CH,
I , welcher nun durch Kochen mit Wasser
COOCH,
daSure und reinen HethjUlkohol zerlegt wird'; leiderer
Pottasche oder Kalk entwüssert Statt des UialBinre-
r, 204.
>, 334 u. 187, 193.
. — Eklehhbvbb, Jb. 1874, &12.
MeihylalkohoL 155
estere kann man sich auch des Benzoösäureesters ^*^ oder Ameisensäureesters' zur
Reinigung bedienen. S. ferner die Angaben von Rbqnauld und Villgjean'.
Der Methylalkohol brennt mit blassblauer, nicht leuchtender Flamme;
er mischt sich mit Wasser in jedem Verhältniss; bei der Mischung
tritt Contraction ungefähr in demselben Mass wie beim Aethylalkohol
(s. S. 157) ein. Er wirkt berauschend, in concentrirtem Zustand giftig.
In seinen Umsetzungen zeigt er ganz das Bild eines primären
Alkohols (S. 151 — 152). Durch seine Stellung als erstes Glied der Reihe
wird indessen in einigen Fällen ein besonderes Verhalten bedingt. So
kann die bei seinen Homologen zur Bildung eines Alkylens fuhrende
Abspaltung von Wasser durch Austritt der Hydroxylgruppe mit einem
Wasserstoffatom des benachbarten Kohlenstoffatoms (vgl. S. 152) hier selbst-
verständlich nicht eintreten, da eben nur ein Kohlenstoffatom im Molecül
vorhanden ist. Die Einwirkung von warmer concentrirter Schwefelsäure
lässt daher — je nach den Bedingungen — Dimethyläther CHg-OCHg
oder Schwefelsäuremethylester S03(0-CH3)2 entstehen*; Erhitzen mit
Chlorzink liefert neben geringen Mengen von Dimethyläther und Hexa-
methylbenzol der Hauptsache nach gasformige gesättigte Kohlenwasser-
stoffe ^ — Da femer der Methylalkohol der einzige Alkohol ist, welcher
an das mit der Hydroxylgruppe verbundene Kohlenstoffatom noch drei
Wasserstoffatome gekettet enthält, so kann er im Gegensatz zu seinen
Homologen durch Sauerstoffzufiihrung zu diesem Kohlenstoffatom drei
Oxydationsproduxte von gleicher Kohlenstoffzahl liefern:
OH OH OH OH
cH . pOH ^ pOH . pOH
^H ^ ^ H ^ ^OH ' "^ ^OH
H H II OH
= H,0 + CH,0 r=H80 + H.CO.OH = 2H,0 + CO,.
(Formaldehyd) . (Ameisensäure) (Kohlensäure)
Unter allen Alkoholen besitzt der Methylalkohol die grösste Fähig-
keit zur Esterbildung; beim Erhitzen mit der äquivalenten Menge Essig-
säure auf 150 — 155® werden in der ersten Stunde 56 ^/^ esterificirt,
von seinen primären Homologen dagegen nur 46 — 47 ^o (s- S. 154)®.
Bemerkenswerth ist endlich der Zerfall des Methylalkohols in Kohlen-
oxid und Wasserstoff:
CH4O = CO + 2H8
beim üeberleiten über erwärmten Zinkstaub ^.
Aethylalkohol: C^H^O (Methylcarbinol : CHg-CH^lOH), Weingeist,
auch Alkohol schlechthin genannt). Die culturelle Wichtigkeit dieser
Verbindung ist zu bekannt, als dass es nöthig wäre, sie hier noch be-
sonders hervorzuheben. Die enormen Quantitäten, in welchen der Aethyl-
* Camus, Ann. HO, 210. « Kbamee u. Geodsky, Ber. 7, 1494 u. 9, 1928.
' Compt. rend. 09, 82. ^ Dumas u. P^ugot, Ann. 15, 12 u. 22.
* Lb Bbl u. Grbekb, Jb. 1878, 388. ® Mensohutkin, Ann. 195, 356.
^ Jahn, Ber. 18, 983.
156 Aethylalkohol (Vorkommen und Bildung),
alkohol durch menschliche Gewerbethätigkeit erzeugt wird, um in ver-
schiedenartigster Weise in das tägliche Leben einzugreifen , verdanken
ihre Entstehung einem Gährungsprocesse von Zuckerarten, welcher der
Hauptsache nach einen Zerfall derselben in Kohlensäure und Aethyl-
alkohol bewirkt, z. B.:
CeHijOe = 2C0, + 2C,HeO.
Seit den ältesten Zeiten schon ist dieser Process zur Herstellung geistiger
Getränke benutzt worden. Die Abscheidung wasserhaltigen Alkohols
aus dem Gährungsgemisch durch Destillation und die theilweise Ent-
wässerung des Alkohols gelang im Mittelalter; wasserfreien Alkohol
stellte zuerst Lowitz 1796 dar; die Zusammensetzung des Alkohols
stellte Saussube 1808 fest. Der Verlauf jenes Gährungsprocesses und
seine technische Ausbeutung wird später (s. S. 172 — 178) eingehender
besprochen. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass sich auf der Erd-
oberfläche bei der Zersetzung der organischen Materien auch oft ohne
menschliches Zuthun die Bedingungen der Alkoholentstehung durch
Gährung einstellen werden. Aus diesem Grunde wohl findet sich Alkohol
— freilich in minimalen und nur nach geeigneter Concentration durch
äusserst scharfe Reactionen (vgl. S. 159) nachweisbaren Mengen — im
Erdboden, in allen Wässern und in der Atmosphäre. Nur in sehr
reinen Quellwässem konnte kein Alkohol nachgewiesen werden, Regen-
wasser enthält ungefähr ein Millionstel, Schnee etwas mehr Alkohol
(MtTNTz)^. Erwähnt sei ferner das Vorkommen von Alkohol im Harn der
Diabetiker* und kleiner Mengen desselben im Steinkohlentheer'.
Der Aethylalkohol kann nach den allgemeinen Bildungsweisen 1 — 4)
erhalten werden. Ein Weg zu seiner Synthese aus den Elementen ist
schon S. 131 angegeben worden. Ein anderer Weg nimmt seinen Aus-
gangspunkt vom Acetylen CgHg, das durch directe Vereinigung von
EoÜenstoff und Wasserstoff erhalten wird, und führt über das durch
Wasserstoffaddition daraus erhältliche Aethylen C^H^ nach Bildungs-
weise 2) zum Alkohol (Fabaday, Bebthblot, de Wilde):
CH CH, CHjOSOgH CH,(OH)
,1 ^ r V I ^ I
CH CH] CHg CH3
Auch der stärkste Alkohol des Handels ist nicht ganz wasserfrei;
er enthält noch 0-5 — 2^/^^ Wasser. Um vollständig wasserfreien
(absoluten) Alkohol herzustellen, kocht man den käuflichen absoluten
Alkohol am Riickflusskühler eine Stunde lang mit so viel gebranntem
Kalk (in massig grossen Stücken), dass der Kalk nicht ganz von dem
Alkohol bedeckt ist, und destillirt dann aus dem Wasserbade ab*. Setzt
man hierbei etwas wasserfreien Aetzbaryt zu, so erkennt man den Punkt,
wo vollständige Entwässerung erreicht ist, an der Gelbfärbung des Alkohols,
^ Compt. rend. 82, 499. * Mabkowkixow, Ann. 182, 362.
' Witt, Ber. 10, 2227. ^ Erlemmeteb, Ann. leO, 249.
Aethylalkohol (Entwässerung, Eigenschaften). 157
da sich Aetzbaryt erst in ganz absolutem Alkohol unter Bildung von
Bariumalkoholat mit gelber Farbe löst^ Zur Entfernung der letzten
Wasserspuren eignet sich beim Aethylalkohol sowohl wie bei anderen
Alkoholen vortrefflich die wiederholte Destillation über kleinen Mengen
metallischen Natriums*. Um Alkohol auf einen Wassergehalt zu prüfen,
benutzt man das Wasserfreie Kupfersulfat; dasselbe behält beim Schütteln
mit wasserfreiem Alkohol seine weisse Farbe, während es sich mit
wasserhaltigem Alkohol blau färbt. Sehr empfindlich ist auch die Prü-
fung mit einer Lösung von flüssigem Paraffin in absolutem Alkohol oder
wasserfreiem Chloroform; fügt man zu derselben einige Tropfen eines
wasserhaltigen Alkohols, so findet sofort Trübung statt ^.
Der Alkohol ist eine leicht entzündliche, mit blassblauer nicht
leuchtender Flamme verbrennende, wasserhelle Flüssigkeit. Er wirkt
berauschend, in concentrirtem Zustand als tödtliches Gift. Er ist ein
Lösungsmittel für viele organische und auch manche anorganische Ver-
bindungen (Fette, Oele, Harze, Alkalien). Er ist sehr hygroskopisch
und mischt sich mit Wasser in jedem Verhältniss unter Contraction
und geringer Wärmeentwicklung; das Maximum der Contraction (3 — 4%)
tritt ein, wenn auf 1 Mol. Alkohol annähernd 3 Mol. Wasser kommen*;
52 Vol. Alkohol + 48 Vol. Wasser geben bei 20<^ statt 100 nur 96-3 Vol.
Mischung. Die Tabelle Nr. 5 (S. 158) zeigt das specifische Gewicht*
von Mischungen zwischen Alkohol und Wasser bei verschiedenen Tem-
peraturen, bezogen auf Wasser von 4^
Der Bestimmung des specifischen Gewichts mit Hülfe des Aräo-
meters bedient man sich im Handel allgemein, um den Alkoholgehalt
von wässerigem Alkohol zu ermitteln ^. Im Handel wurde der Alkohol-
gehalt bisher allgemein nicht nach Gewichtsprooenten, sondern nach
Volumprocenten angegeben. Zur Bestimmung dienen die „Alko-
holometer" von Tballbs: Aräometer, deren Scala nicht das specifische
Gewicht, sondern direct den Alkoholgehalt in Volumprocenten angiebt;
in ihnen ist ein Thermometer angebracht, damit man die Temperatur
bei der Messung erfährt und die Angabe des Alkoholometers nach be-
sonderen fiir diesen Zweck berechneten Tabellen auf die Normaltemperatur
von 15*/9®C. reduciren, aus der direct abgelesenen „scheinbaren Stärke"
die „wahre Stärke" berechnen kann. Die Alkoholometer müssen geaicht sein.
Neuerdings werden von den deutschen Behörden Gewichtsalkoholo-
meter* eingefiihrt, welche den Alkoholgehalt in Gewichtsprooenten der
Mischung bei der Normaltemperatur von 15® C. angeben.
^ Mendelejeff, Pogg. 188, 246. ' Lieben, Ann. 158, 151.
* Cbibmer, Ber. 17, 649.
* Meitdelbxeff, Ztachr. Cbem. 1866, 257. — Pogg. 188, 103, 230.
' Ausführliche Angaben über „Alkoholometrie") sowie die dabei zu benutzenden
Tabellen finden sich in Btohmann-Rebl, Technische Chemie (Braunschweig 1888)
Bd. I, S. 639—702; vgl. auch Ost, Techn. Chemie (Berlin 1890) S. 439.
* YgL F. Fischeb's Jahresber. d. ehem. Technologie 1889, S. 1096 ff.
158 JeihylfUkokol (BesHnvmung desseiben in Mischungen mit Wasser).
Tabelle Nr. 5.
10°
20»
30»
35
0-99113
0-98945
0-98680
»3
0 .9^409
0-98195
0-97892
95
0- 97316
0-97527
0-97U2
86
0-97263
0-96877
0-96413
15
0-96672
0-96185
0-95628
40
0-95998
0-95403
0-94751
B4
0-95174
0-9451 4
0-93813
39
0-94255
0-93511
0-92787
77
0-93251
0-92493
0-91710
40
0-921S2
0-91400
0-90577
48
0-91074
0- 90275
0-89456
42
0-89944
0-89129
0-88304
95
0-88790
0-87961
0-87125
20
0-87613
0-86781
0-85925
45
0-86427
0-85580
0-84719
0-85215
0-83967
0-82665
0-81291
0-79788
0-78945
0-83483
0-82232
0-80918
0-79553
0-78096
on niederea Alkoholgeliftlten ist nenerdings die Ermittelung
empfohlen, da diese bei geringem Alkoholgehalt dnitb
schiede relativ erhebliche Aenderungen erleidet. Zw
.läge dient das Stalagmometer; ein einfacher Appai*',
1 Constanten Volum enthaltene Tropfenzahl bestimmt wird '.
tstimmnng des Alkoholgehalts in solchen Flfissig-
ohol und Wasser noch andere Stoffe enthalten,
n, anszufiihren. In solchen Fällen besteht die zuverlSssigst«
tioD einer bestimmten Menge der eu untersuchenden
< Destillats und Ermittelung seines Alkoholgehalts dttrch
len Gewichts. Ausser dieser DeBtillationsmethodc
kop und das Vaporimeter für solche Zwecke verwendet.
!rem Instroment beruht darauf, daas der Siedepunkt der
ad Wasser niedriger liegt als der des Wassers, und mau
welchen eine alkoholhaltige Flüssigkeit zeigt, auf ibrra
.UD. Mit dem Vaporimeter misst man die Dampftension
»sigkeit; die Tension des Alkohols ist weit grösser ale
Ireicher die Flüssigkeit ist, nro so grösser ist ihre Dsmpf-
ck kann demnach, wenn er einmal für verschiedene Gf-
tlass dea Alkoholgehalts benutzt werden'.
, 2646, 2824.
'. Methoden and Beschreibung der Apparate s. tn Posts
inschweig 1881) S. 837—839; BeoKiuini'B chemisch- tecbn-
Aethylalkokol (qtuüitcUiver Nachweis, chemisdies Verlialten), 159
Zam qualitativen Nachweis des Aethylalkohols kann man sich oft mit
Voiiheil der Jodoformreaction von Lieben bedienen*. Sie beruht auf der Bildung
des leicht erkennbaren Jodoforms CHJg bei der Einwirkung von Jod in alkalischer
Lösung auf Alkohol. Man erwärmt die zu prüfende Flüssigkeit gelinde, fügt ein
Kömchen Jod und darauf eine gerade zur Entf^bung ausreichende Menge Kalilauge
hinzu; es bildet sich bei grösseren Mengen gleich ein hellgelber Niederschlag des
durch einen charakteristischen Geruch ausgezeichneten Jodoforms; bei grossen Ver-
dünnungen muss man bis zum nächsten Tage stehen lassen, um die aus mikroskopischen
sechsseitigen Tafeln oder sechsstrahligen Sternen bestehende Fällung zu erhalten.
Diese Reaction giebt noch einen Alkoholgehalt von 1 : 2000 an. Mit ihrer Hülfe hat
MvxTz den Alkoholgehalt der natürlichen Wässer (s. S. 156) nachgewiesen, indem er
aus einer Quantität von 15 Lit. zunächst 150 ccm überdestillirte, diese 150 ccm noch-
mals destillirte und nur die ersten 5 ccm auffing, mit welchen nun die Beaction
ansgeiilhrt wurde. Bei ihrer Anwendung muss man indess beachten, dass auch sehr
viele andere organische Verbindungen, wie z. B. Aldehyd, Aceton, Isopropylalkohol,
dieselbe Beaction zeigen; Methylalkohol, Aethyläther, Essigsäure, normaler Propyl-
alkohol liefern die Beaction nicht — Becht scharf ist auch der Alkoholnachweis
durch gelindes Erwärmen mit einigen Tropfen Benzoylchlorid', welches die
Bildung des durch seinen charakteristischen Geruch sich kundgebenden Benzo^säure-
äthylesters CtHs'O-CyHgO bewirkt; der Geruch tritt hervor, nachdem man das über-
schüssige Benzoylchlorid durch Zusatz von Kalilauge zersetzt hat. Doch ist auch hier
zu beachten, dass andere Alkohole Ester mit ähnlichem Geruch erzeugen. — Am
sichersten weist man den Aethylalkohol natürlich nach, indem man ihn als solchen
abscheidet und durch seinen Siedepunkt und Ueberfuhrung in andere charakteristische
Aethylverbindungen, wie z.B. Aethyljodid, Aethylnitrolsäure (Schmelzpunkt 81—82®,
8. Kap. 5), identificirt.
Das chemische Verhalten des Aethylalkohols bedarf nach der allge-
meinen Schildemng auf S. 151 — 154 nur einiger ergänzenden Angaben.
Wendet man Salpetersäure als Oxydationsmittel an, so bleibt — wohl
anter vorübergehender Bildung von Nitroderivaten — die oxydirende
Wirkung nicht bei der Bildung von Aldehyd und Essigsäure durch Oxy-
dation der —CHg-OH-Gruppe stehen, sondern sie erstreckt sich auch
auf die CHg-Gruppe; es bilden sich die Verbindungen:
CH,(OH) . CO.H . CHO • CHO , COH • CO,H . COjH - CO^H
Glykolsäure ' Glyoxal ' Glyoxylsäure ' Oxalsäure
Chlor und Brom wirken zunächst ebenfalls als Oxydationsmittel, dann
aber auf die Methylgruppe substituirend ; es entstehen die Halogen-
substitutionsprodukte des Aldehyds CClg-CHO (Chloral) und CBrg-CHO
(Bromal). Einwirkung von Jod s. oben. — Der Alkoholdampf ist bis
300® beständig; bei Glühhitze entstehen aus ihm Wasserstoff, Sumpfgas,
Aethylen, Acetylen und complicirtere Verbindungen (Benzol, Naphtalin
u. 8. w.)'. Von erwärmtem Zinkstaub wird er unterhalb der Glühhitze
in Aethylen und Wasser zerlegt, welch letzteres durch weitere Reaction
des Zinkstaubs zu WasserstoflF reducirt wird, bei Dunkelrothgluth da-
üntersochungsmethoden (Berlin 1888) II, 8. 745—750; Horn^s Anleitung zur chem.-
teduL Analyse organ. Stoffe (Wien 1890) S. 86—95.
* Ann. Suppl. 7, 218, 877.
' BxBTHXLOT, Compt rend. 78, 496. ^ Bebthelot, Ann. 81, 109,
160 Aethylalkohol (AlkohokUe),
gegen wird er glatt in Wasserstofif, Gmbengas und Kohlenoxyd ge-
spalten^:
C,H^O = H, + CH4 + CO.
unter den Alkoholaten ist das wichtigste das Natriumäthylat
CgHgONa, dessen alkoholische Lösung durch Auflösen von metallischem
Natrium in absolutem Alkohol erhalten wird. Concentrirt man dieselbe
durch Abdampfen im WasserstoflFstrom, so scheiden sich farblose durch-
sichtige Krystalle der Verbindung: CjHg'ONa + 2C3HgO ab; analog
zusammengesetzte krystallisirte Natriumalkoholate erhält man auch
aus dem Methyl-, Propyl- und Amylalkohol; durch weiteres Erhitzen
(beim Methylat auf 170^ beim Aethylat auf 200 <>) wird der Kry-
stallalkohol ausgetrieben, und es bleiben die alkoholfreien Alkoholate
zurück^. Ihre Lösungen röthen sich beim Stehen an der Luft, weil
eine langsame Oxydation unter Bildung von Aldehyd eintritt, welch
letzterer durch das Alkali in Aldehydharz verwandelt wird ; infolge dieser
Oxydirbarkeit können alkoholische Lösungen von Alkalien zuweilen als
B-eductionsmittel benutzt werden (z. B. bei der Beduction von Nitro-
verbindungen zu Azoxyverbindungen). — Bariumäthylat und Cal-
ci um äthylat bilden sich beim Erhitzen von absolutem Alkohol mit den
entsprechenden wasserfreien Oxyden'; Zinkäthylat ist noch nicht
bekannt*. — Durch seine Destillirbarkeit im Vacuum ist interes-
sant das Aluminiumäthylat AI (0- 03115)3; behandelt man Alu-
miniumfolie mit Jod und absolutem Alkohol, so erhält man unter
Wasserstoifentwickelung die Doppelverbindung AIJ3. AI (0 -03115)3, aus
welcher beim Erhitzen im Vacuum das Aluminiumalkoholat sich ab-
spaltet und als eine gelblichweisse bei 130® schmelzende Masse ab-
destillirt^. (Analog verhalten sich auch die Aluminiumverbindungen
anderer Grenzalkohole.)
Propylalkohole : OgHgO. Die Constitution der beiden bekannten
Propylalkohole ist schon früher (S. 70) eröi-tert worden. Sie ergiebt
sich unzweifelhaft aus dem verschiedenen Verhalten bei der Oxydation;
derjenige Alkohol, welcher hierbei in Propionaldehyd CHg -0113 -OHO
und Propionsäure CHj-CB^-COgH überfuhrbar ist, ist der primäre
Propylalkohol (Aethylcarbinol) CH3.CH3-OH3(OH); derjenige Alko-
hol, welcher zunächst Aceton CHg- CO -CHg und dann Säuren von niederer
KohlenstofFzahl liefert, ist der Isopropylalkohol (Dimethylcarbinol)
CH3.CH(OH)CH3 (vgl. S. 152—153).
Der primäre Propylalkohol ist zuerst von Chancel' 1853 als
Nebenprodukt der Alkoholgährung beobachtet worden. Die Antheile des
* Jahn, Ber. 18, 987.
> Fröhuch, Ann. 202, 294.
' Berthelot, Bull. 8, 389. — Destreh, Ann. eh. [5] 27, 5.
^ Demüth u. y. Meyer, Ber. 28, 398.
^ Gladrtone u. Tribe, Joum. Soc. 29, 158; 89, 1; 41, 5.
^ Ann. 161, 298; 8. auch Frrrio, Ann. 149, 318.
Fropylalkohole. 161
Rohspiritus , welche zwischen dem Aethylalkohol und Amylalkohol
destiUiren, bilden eine reiche Quelle für diesen AlkohoP, so dass man
zu seiner Gewinnung nicht auf die synthetischen Reactionen, nach denen
er erhalten werden kann*, zu recurriren braucht.
Der Isopropylalkohol dagegen, welcher 1855 von Berthelot^
aus Propylen nach Bildungsweise 2 (S. 143 — 144), 1862 von Friedel*
durch Reduction von Aceton erhalten war, und dessen Natur als erster
Repräsentant der secundären Alkohole von Kolbe^ erkannt wurde, kommt
unter den Produkten der Alkoholgährung nicht vor®. Man gewinnt ihn
am zweckmässigsten durch Behandlung des aus Glycerin leicht erhält-
lichen Isopropyljodids CHg-CHJ-CHg durch Kochen mit Bleihydroxyd
und Wasser^ (vgl. S. 143 u. 146). Sehr bemerkenswerth ist seine Bil-
dung in zwei Reactionen, welche bei normalem Verlauf den primären
Propylalkohol entstehen lassen sollten; aus GlycoljodhydrinCHgJ -0113(00!)
bildet sich durch Einwirkung von Zinkmethyl Zn(CH3)3 nicht nach der
Gleichung :
CHjCOHjCIIjJ + ZnCCIVa = CH^fOHjCHa.CHa + ZaJ(CIIs)
der primäre Alkohol, sondern infolge einer noch unerklärten Umlagerung
der Isopropylalkohol®; aus normalem Propylamin CHg-CH^-CHj'NHg
entsteht durch Einwirkung von salpetriger Säure (s. S. 144) neben pri-
märem Propylalkohol eine sehr erhebliche Menge von Isopropylalkohol^;
^ Krämer u. Pinner, Ber. 8, 77.
• LiNliBMANN, Ann. 148, 251; 161, 18. — Rossr, Ann. 169, 80. — Tollbns,
ZtBchr. Chem. 1870, 457 u. 1871, 249. — Sühorlehmer, Ztschr. f. Chcm. 1868, 49.
■ Ann. 94, 78.
^ Ann. 124, 324; vgl. auch Linnehann, Ann. 186, 88.
* ZtBchr. Chem. 1862, 687.
• Die entgegenstehende Behauptung Rabüteaü's (Compt. rcnd. 87, 500) ist
ntich freundl. Privatmittheilung von Herrn Dr. A. Bannow — dem langjährigen
Leiter der KAHLSAüM'schen Fabrik für Alkoholpräparatc in Berlin — unrichtig. Die
von Rabuteau für Isopropylalkohol gehaltene Fraction ist ein Hydrat des unreinen
norm. Propylalkohols (vgl. Jb. 1887, 1253), welches sich beim Entwässern mit Pott-
asche und Fractioniren schnell in norm. Propylalkohol und Isobutylalkohol spaltet.
Ebenso is^ auch Rabcteau's Behauptung, dass normaler Butylalkohol und normaler
Amylalkohol im Fuselöl enthalten seien, zu berichtigen. Nach den von Herrn Dr.
A. Banitow in grossem Massstabe ausgeführten Versuchen kommen von den Alko-
holen der ersten fünf Reihen im Fuselöl nur Aethyl-, norm. Propyl-, Isobutyl- und
die beiden primären Isoamyl- Alkohole (S. 164) vor. Die Behauptungen Trommsdorp s
(Tageblatt d. Naturforscher-Versammlg. Dresden 1868) und Butlbrow's (Ann. 144, 34)
aber das Vorkommen des tertiären Butylalkohols erklären sich nach den Versuchen
von Freund (J. pr. [2] 12, 25) durch Umwandlung des Isobutylalkohols in tertiäres
Batylchlorid bezw. Butyljodid (vgl. S. 163).
' Flawitzkt, Ann. 176, 380; Niedebist, Ann. 186, 391.
" BoTLEBOW u. OssoKiN, Ann. 146, 257.
* LimfEiiAiiN u. SiEBSCH, Ann. 144, 140; Linnemann, Ann. 160, 370; 161, 44;
Ber. 10, 1111; V. Meter u. Förster, Ber. 9, 535.
Y. Meyeh u Jacoiron, on?. Cl»cni. I .11
(Isopropjlcarbinol) , welcher bei der Al-
162 Butyhikokole.
vielleicht erklärt sich in diesem Falle die Eeaction durch einen theil-
weisen Zerfall des salpetrigsaareii Propylamius in Propjlen and Stick-
stoff:
CH,.CH,-CH,NH,-HNO, = CH,-CH:CH, + N, + 2H,0,
welchem eine Vereinigung des nascirenden Propylens mit Wasser zxx
Isopropylalkohol
CH,.CH:CH, + H,0 = CH,-CH(OHVCHs
rd in der That hei der Reaction reichlich gebildet.
b: C^H,„0. Den vier auf S. 141 entwickelten
lichkeiten entsprechend sind vier Butylalkohole
liesen ist der wichtigste der primäre Isobntvl-
eht und aus dem Fuselöl {dem Nachlauf der Spiri-
erhehlichen Mengen gewonnen werden kann'.
ergiebt sich daraus, dass er bei der Oxydation' in
len Essigsäure, Kohlensäure, Aceton) übergeht, deren
/CO.H
71 als der Formel CHj— CHC entsprechend
zugänglicli sind die Isomeren des Isnbutylalkobdls.
imäre Butylalkohol CHj-CHjCHjCH,(ÜH) kann
n normalem Buttersäureanhydrid •' oder — weit besser —
t'raldehyd* gewonnen werden. Diese Bildungsweise ist
le Constitution, da für die normale Buttersäure die
CH,-COj,H bereits S. 71 begi-ilndet ist. Für seine
en ist von grösserer Bedeutung die reichliche Bil-
ning des Glycerins CH3(0H)-CH(0H)-CH,(0H) durch
er durch die Bacterien, welche sich in einer wässrigen
niumtartrat hei Gegenwart von Nähraalzen entwickeln".
i secundäre Butylalkohol OH3CH,-CH(OH)-CH3
(1) kann nach der Bildungsweise 6) aus Aldehyd '
Bester*, nach 7) aus Erythrit' erhalten werden. Seine
)t sich ans dem Uebergang in ein Keton — das
DjHg-GOCHj — durch Oxydation». Er entsteht
e der secundäre Propylalkohol (vgl. oben) — in zwei
Chem. 98, IGT; Cbapmah u. Shith, Ber. 2, 127; K&Xmbr u.
8, 11.
7, 252; E. SCHMUW, Ber. 7, 1301-
n. lei, 178. — SiYTZBPP, Ztschr. Chem. 1870, 107.
I, Ann. 168, 137.
348. ' ViONA, Ber. 16, H3B.
181, 261. ' Kanhonniko w- u. Savtebff, Ann. 17B, 874.
LS5, 252; 138, 331; 183, 2T6; 8. auch Lieben, Ann. ISO, 106.
BiUylalkohole, 163
Reactionen, die eigentlich zur Bildung des primären normalen Alkohols
f&hren sollten, nämlich durch Einwirkung von Zinkäthyl auf Glycol-
jodhydrin ^ und durch Einwirkung von salpetriger Säure auf normales
Butylamin CHj-CHg-CHj'CHg-NHj*, bei letzterer Beaction neben dem
primären Butylalkohol.
Der tertiäre Butylalkohol (CH3)3COH (Trimethylcarbinol) wird
aus Acetylchlorid und Zinkmethyl nach Bildungs weise 8) erhalten '. Zu
seiner Darstellung kann man auch vom Isobutylalkohol ausgehen, indem
man diesen in Butylen überführt und an das Butylen durch Einwirkung
von Schwefelsäure Wasser addirt* (vgl. S. 144 u. 147). Auch folgender
Weg führt vom Isobutylalkohol zum Trimethylcarbinol; durch Erhitzen
mit concentrirter Salzsäure entsteht neben dem normalen Reactionsprodukt
CH3.CH/ ^ das tertiäre Butylchlorid CHg-CCl/ Z^ infolge der
Reactionen :
/CII3 /CH3
CH3— CH< =C1[3-C<; +HC1,
X!H,Cl ^CHj
+ HCl = CH3-CCK ;
CH, \CIIs
erhitzt man nun das Gemenge der Chloride mit Wasser auf 100^, so
wird das tertiäre Chlorid in den Alkohol übergeführt:
yCH. .CH3
CH,-CC1< + H,0 = HCl + CH, - C(0H/
^CH, \CH,
während das weniger reactionsfähige primäre Isobutylchlorid nicht an-
gegriffen wird*. — Das Trimethylcarbinol ist 1863 von Butleeow ent-
deckt und war der erste Repräsentant der von Eolbe prognosticirten
Klasse der tertiären Alkohole (vgl. S. 141 — 142). Seine Constitution er-
giebt sich daraus, dass die ihm zuertheilte Formel von den vier möglichen
Formeln die einzige ist, welche noch zur Verfugung steht, und aus der
Bildungsweise aus Zinkmethyl Zn(CH3)2 und Acetylchlorid CHg-COCl
(S. 146), welche die Gegenwart von drei Methylgruppen im Molecül be-
weist. Ueber sein Verhalten bei der Oxydation vgl. S. 153.
Amylalkohole: C^HigO. Für die fünfte Reihe lässt die Theorie
die Existenz der folgenden acht Alkohole als möglich vorhersehen:
1) CH,— CH,— CH,-CH,-CH,(OH)|
2) CH3-CH,-CH,-CH(OH)-CH3 i Derivate des normalen
8) CH8-CH,-CH(0H)-CH,-CH3 J A'entans.
^ BuTLBBow u. OssoKiN, Ann. 145; 263.
* V. Mevbb, Barbieri u. Fobstbb, Her. 10, 180.
* BuTLBROw, Ztfichr. Chem. 1864, 885; Ann. 144, 1.
* BoTLBBOW, Ztschr. Chem. 1870, 287; Ann. 180, 246.
* Fäeükd, J. pr. [2J 12, 87.
11
164 Amylalkohole.
/CHs
4) CH,~CH,~CH<
XJH^COH)
/GH,
6) CH8(0H)-CH,--CH<
6) CH3-CH(0H)-Ch/
XJHa
7) CHj-CHj-CCOHK
^ Derivate des Dimethyläthylmethans.
CH,v .CH,(OH)
\ Den
B J
8) yC<f > Derivat des TetrainethylinethaiiB.
Von diesen Alkoholen sind sieben bekannt; nur das Tertiäxbutylcarbinol
(Formel 8) ist noch nicht aufgefunden worden. Das grösste Inter-
esse unter ihnen beanspruchen die beiden primären Alkohole , welche
sich vom Dimethyläthylmethan ableiten: das optisch inactive Isobutylcar-
binol (Formel 5) und das Secundärbutylcarbinol (Formel 4), welch letzte-
res ein asymmetrisches Eohlenstoffatom aufweist und daher in optisch
activen Modificationen auftreten kann. Ein Gemisch dieser beiden Al-
kohole stellt den schon seit Scheele bekannten Gährungsamyl-
alkohol dar, welcher nächst dem Aethylalkohol der bei der alkoho-
lischen Gährung in grösster Menge sich bildende Alkohol ist und aus
dem Nachlauf der Spiritusdestillation — dem Fuselöl — abgeschieden
werden kann. In diesem Gemisch ist das Isobutylcarbinol der vorwiegende
Bestandtheil, das Secundärbutylcarbinol bildet nur etwa 10 — 20% des-
selben. Der Gährungsamylalkohol ist eine stark lichtbrechende ölige
Flüssigkeit von durchdringendem Geruch, welche bei 131 — 132® siedet;
infolge der Anwesenheit des optisch activen Amylalkohols lenkt er die
Polarisationsebene des Lichtes ab und zwar nach links. Das Einathmen
seines Dampfes bewirkt starken Hustenreiz, Kopfschmerzen und Schwindel.
Er wirkt viel stärker berauschend als der Aethylalkohol und ist der
verderblichste Bestandtheil des Branntweins. Man bezeichnet dieses Ge-
misch der beiden Amylalkohole auch wohl schlechtweg als „Amylalkohol^^
und Verbindungen, welche aus ihm gewonnen werden und daher gleich-
falls Gemische darstellen, als „Amylverbindungen". Die Trennung des
Gemenges in seine beiden Componenten ist eine sehr langwierige Operation.
Sie kann ausgeführt werden, indem man durch Einwirkung von concentrirter
Schwefelsäure das Gemisch der beiden Amylschwefelsäuren CjHj^-O-SOjH
herstellt und deren Bariumsalze durch fractionirte Krystallisation von
einander trennt (Pastbüb^); aus den Salzen werden dann durch Destil-
lation mit verdünnter Schwefelsäure die Alkohole regenerirt; das schwerer
lösliche Bariumsalz liefert den optisch inactiven Amylalkohol (Isobutyl-
^ Ann. 96; 255; s. auch Erlekmeyer u. Hell; Ann. 160, 275; Ley, Bot.
6, 1863.
Amylalkohole. 1 65
carbinol), das leichter lösliche den optisch activen Amylalkohol. Oder
man kann die Trennung darauf gründen, dass beim Einleiten von Chlor-
wasserstoff zunächst der inactive Alkohol in sein Chlorid verwandelt
wird (C^Hii-OH + HCl = CgHi^Cl + H^O), während der active Alkohol
bedeutend schwerer angegriffen wird (Le Bbl^).
Dass der inactive Gährungsamylalkohol die Constitution des
Isobutylcarbinols (CH3)jCH-CH3-CH2(OH) besitzt, beweist seine Syn-
these aus dem IsobutylalkohoP:
CHg CH3 CHg CHg CH3 CHg CHg CHg CHg CHg CHg CHg
CH —^ CH _). CH _). CH — > CH —^ CH
I I I I I I
CH,(OH) CH,J CHg.CN CH,.CO,H CHj-COH CHg.CHg(OH).
Der optisch active Gährungsamylalkohol' erweist sich ebenfalls
als primärer Alkohol, da er durch Oxydation in eine Säure von der Zu-
sammensetzung CjHjqOj (Valeriansäure) tibergeht. Unter den vier mög-
lichen Formeln von primären Alkoholen C^H^jO (No. 1, 4, 5 u. 8 auf
S. 163 — 164) ist nun diejenige des Secundärbutylcarbinols (No. 4)
CHg— CHgv •H
CHg^ \CHg(OH)
die einzige, welche ein asymmetrisches Kohlenstoffatom enthält und daher
die optische Activität im flüssigen Zustand erklärt (vgl. S. 77 — 82).
Diese Formel wird auch durch das Verhalten bei der Oxydation ge-
stützt; es entsteht eine Säure, welche höchstwahrscheinlich die Constitu-
tion der Methyläthylessigsäure:
CHg CHjv yli.
CHg/ XJO.OH
besitzt (vgl. Kap. 9). Der active Amylalkohol, wie er bisher erhalten
worden ist, scheint ein Gemenge der rechtsdrehenden und der links-
drehenden Modiflcation in wechselnden Verhältnissen zu sein, da sein
Drehungsvermögen je nach der Darstellung sehr wechselnde Werthe zeigte.
Erhitzt man ihn in Form des Natriumamylats einige Zeit, so wird das
Drehungsvermögen aufgehoben, und man erhält die — vermuthlich aus glei-
chen Theilen rechtsdrehenden und linksdrehenden Alkohols bestehende —
inactive Modification, aus welcher nun durch Zerlegung (vermittelst Pilzaus-
saat) wieder activer Amylalkohol — und zwar rechtsdrehender — gewonnen
werden kann. Die Bildung der inactiven Modification durch Erhitzen
der activen ist eine allgemein bei den im flüssigen Zustand optisch
* Bol]. [2] 26, 545; b. auch Jüst, Ann. 220, 148.
* Balbiavo, Ber. 9, 1437; s. auch Eblenubteb, Ann. Suppl. 6, 387.
* Lb Bel, Bull. 25, 545; 81, 104. Compt. rend. 87, 213. — Juot, Ann.
220, 146. — Lbt, Ber. 6, 1362.
166 Amylalkohole.
activen Substanzen zu beobachtende Erscheinung; sie findet ihre Er-
klärung in der Umwandlung der rechtsdrehenden und linksdrehenden
Modificationen in einander, welche ein Ende erreicht, wenn durch die
Anwesenheit von gleichen Mengen der entgegengesetzt activen Modifi-
cationen ein Gleichgewichtszustand geschaffen ist^
Der normale primäre Amylalkohol CHg-CHg-CHj-CHj -011,(011)
ist synthetisch ^ aus dem normalen Butylalkohol durch Vermittelung des
entsprechenden Cyanids und der Carbonsäure (s. S. 148) gewonnen;
hieraus ergiebt sich seine Constitution.
Secundärc Amylalkohole. Das Diäthylcarbinol CHs.Cn,.CH(OH).
CHs * CH, ist aus AmeisensSureester durch Einwirkung von Jodäthyl und Zink (S. 1 45)
erhalten und liefert durch Oxydation Difithylketon C2H5— CO— CjHj'. Das
Methylpropylcarbinol* und Methylisopropylcarbinol*'®
CHs • CH(OH) • CH, . CH, • CH, CH, • CH(OH) • CH(CH8>,
entstehen bei der Reduction der entsprechenden Ketone:
Methylpropylketon und Methylisopropylketon
Cllg • CO . CH, . CH, . CHj CH, • CO • CH(CH,),.
Beide enthalten asymmetrische Kohlenstoffatome, besitzen aber zunächst, da sie auf
synthetischem Wege gewonnen sind, kein optisches Drehungsvermogen (vgl. S. 82).
Doch ist es Lb Bel® gelungen, aus dem inactiven Methylpropylcarbinol die links-
drehende Modification abzuscheiden, indem er darin eine Aussaat von Penicillium
glaucum sich entwickeln Hess; über diese Methode zur Zerlegung inactiver Verbin-
dungen mit asymmetrischem Kohlenstoffatom vgl. Näheres bei „Weinsäure".
Der tertiäre Amylalkohol (CH8),C(0H) • CH, - CH, (Dimethyläthylcarbi-
nol, Amylenhydrat) kann aus Propionylchlorid mit Zinkmethyl''® gewonnen werden.
Bequemer ist seine Darstellung aus dem Amylen CgHjo, welches durch Wasserah-
spaltung aus dem Fuselöl erhalten wird und zum grossen Theil aus Trimethyläthyl-
äthylen (CH,),C = CH-CH, besteht (s. Kap. 13); durch Vermittelung von Schwefelsäure
geht es unter Wasseraddition in Dimethyläthylcarbinol über':
(CHs^C : CHCH, + H,0 = (CH,\C(OH) • CH, • CH,.
Der tertiäre Amylalkohol ist als Schlafmittel empfohlen worden'.
Hexylalkohole: Von den 17 der Theorie nach möglichen Alkoholen C^Hj^O
sind 13 bekannt. Erwähnt sei, dass sich ein Hexylalkohol im Weintreberfuseldl '^
findet; über seine Constitution lässt sich nur sagen, dass er ein primärer Alkohol ist,
da er durch Oxydation in eine Capronsäure CeH„02 übergeht Zwei primäre Hexyl-
alkohole ündensich als E^ter in der Natur. Der eine kann aus dem ätherischen Oel
der Samen von Heracleum giganteum gewonnen werden; da er auch aus der normalen
Capronsäure CH, • (CH,)4 • CO,H durch Reduction entsteht, so ist es der normale
* Vgl. VAN 't Hopp, Dix anndes dans ITiistoire d'une thöorie, p. 49—51.
* Lieben u. Rossi, Ann. 159, 70.
' Saytzefp u. Waoner, Ann. 175, 351. * Bielohoubek, Ber. 9, 924.
» MCnch, Ann. 180, 339. • Bull. 88, 106. Compt. rend. 89, 312.
^ Popow, Ann. 145, 292; Ermolaien, Ztschr. Chcm. 1871, 275.
* W18CHNEORAD8KY, Ann. 190, 328.
« Vgl. Pharmac. Centmlhalle, 28, 338; 29, 15; 80, 7, 68.
" Faqet, Ann. 88, 325.
HexykUkokole bis (Mylalkokole, 167
Hexylalkohol» CHj.CH,.CHj.CH,.CH,.CH2(0H). Ein anderer« kommt — an unge-
sättigte Säuren gebunden — im Römisch-Kamillenöl vor; er liefert durch Oxy-
CjHjv
dation Secundftrbutyl- Essigsäure: >CH-CH,*COsH; ihm ist daher die Formel:
CHj'CHjv
yCU ' CHj • CHjCOH) zu ertheilen. — Relativ leicht zugänglich ist femer der
normale secundäre HezylalkohoH, welcher aus dem Mannit — einem sechsatomigen
Alkohol CH^OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH,(OH) — durch Vermittelung
des secundären Hezy^jodids CeHi,J nach Bildungsweise 7) (S. 146) erhalten werden
kann. Er giebt bei der Oxydation ein Keton, dessen Constitution als Methylbutyl-
keton CHj'CO'CHj'CHj'CHj'CHj aus seinem Zerfall bei weiterer Oxydation in
Essigsäure und normale Buttersäure hervorgeht , und ist demnach als normales
Butylmethylcarbinol CH8CH(0H).CHa.CHa.CH,.CH8 aufzufassen.
Heptylalkohole: C^HieO: Der primäre normale Heptylalkohol wird
durch Reduction des Oenanthols — des durch Destillation von Ricinusöl leicht ge-
winnbaren normalen Aldehyds der 7. Reihe CHg^CCHglg-CHO — erhalten*. Ausser
ihm sind noch zwölf andere Heptylalkohole bekannt. Nur auf einen der tertiären
Alkohole — das Tertiärbutyldimethylcarbinol:
CHjv /CHj
CHs->C~C<-rpH),
CH/ ^CHj
welches aus Trimethylessigsäurechlorid und Zinkmethyl nach Bildungsweise 8) ent-
steht^, — sei noch hingewiesen, da dieser durch seine Constitution einige Beachtung
verdient. Er ist ein fünffach methylirter Aethylalkohol und führt daher auch die
Bezeichnung Pen tarn ethyläthol; die Anhäufung der Methylgruppen bedingt hier, wie
in den meisten anderen Fällen, Erhöhung des Schmelzpunkts; unter allen Heptyl-
alkoholen ist dieser der einzige, welcher krystalHsirt erhalten wurde; sein Schmelz-
punkt liegt bei +17^, er siedet schon bei 131^. Bemerkens werth ist auch seine
Neigung zur Bildung eines hochschmelzcnden Hydrats; schon in Berührung mit
feuchter Luft erstarrt der Alkohol zu dem Hydrat 2C7H18O + HjO, welches lange
bei 83^ schmelzende Nadeln bildet.
Oetylalkohole : C^HjgO: Der primäre normale Octylalkohol kommt in
Form von Estern in dem Oel der Früchte von Heracleum Sphondylium, Heracleum
giganteum und Pastinaca sativa vor und wird durch Verseifung dieser Oele gewonnen^.
Seine Constitution folgt daraus, dass er durch Oxydation die normale Caprylsäure
CHj-(CH,)e'CO'OH liefert — Ein secundärer normaler Octylalkohol — das
Mcthylhexylcarbinol CH3.CH(OH).(CH,)6.CH3 (Siedepkt 179.5«) — wird bei der
raschen Destillation von Ricinusölseife mit Aetzkali oder Aetznatron erhalten^. Durch
* Franchimont u. ZixcKB, Ann. 168, 193. — Müslinger, Ann. 185, 26. — Lieben
u. Jakegzek, Ann. 187, 135. — Frentzel, Ber. 16, 744.
* KöBiG, Ann. 196, 102. — P. v. Romburoh, Ber. 20 o, 375 u. 468; Rec. tiav.
chim. 1887, 150 u. 219.
' Erlexkeyeb u. Wanklyn, Ann. 185, 129. — Schorlehmer, Ann. 161, 272.
* Grihshaw u. Schorlehmer, Ann. 170, 148. — Schorlehmer, Ann. 177, 308.
— Gross, Ann. 189, 1. — Jourdan, Ann. 200, 102. — Krapft, Ber. 16, 1723.
^ Butlbrow, Ann. 177, 176; s. femer Bogoholez, Ann. 209, 78.
* ZiHCKS, Ann. 152, 1. — Möslimger, Ann. 185, 26. — Remesse, Ann. 166, 80;
171, 380.
' Boüis, Ann. 80, 304; 92, 395. — Neison, Joum. Soc. [2] 12, 507, 837. —
ScHOBLEMMXB, Ann. 147, 222; 152, 155.
168 Alkohole der höheren Reihen.
Oxydation liefert er ein Keton, dessen Constitution als normales Methylhezylketon
CH3 • CO • (CHj)6 • CHg sich aus dem Zerfall durch weitere Oxydation in Essigsäure und
normale Capronsäure CHg-CCHj^-COgH ergiebt.
Nonylalkobol : C9H20O bis Oetadeeylalkobol: Gi^B^O. — Die normalen
primären Alkohole mit 9, 10, 12, 14, 16 und 18 Kohlenstoffatomen
(Eigensch. s. Tab. 3 auf S. 149) sind von Krafft* durch Reduction der entsprechenden
Aldehyde dargestellt. — Ein normaler secundärer Alkohol mit 11 Kohlen-
stoffatomen, das Methylnonylcarbinol CHj -011(011). (CH,)8-CH8 (Siede-
punkt 228—229*^) ist durch Reduction des Kautenöls (normales Methylnonylketon
CHg- CO (0114)8.0118) erhalten«. — Alkohole mit 13, 15 und 17 Kohlenstoffatomen
sind bisher überhaupt nicht bekannt.
Der normale primäre Hexadecylalkohol oder Cetylalkohol (auch
Aethal genannt) CH3-(CHj5)j4-CH3. OH ist unter den höheren Alkoholen
der wichtigste, da er aus einem im Handel vorkommenden Naturprodukte,
dem Wallrath (s. Kap. 10), leicht gewonnen werden kann.'-* Der Haupt-
bestandtheil des Wallraths ist, wie Chevueul 1818 nachwies, der Pal-
mitinsäureester des Cetylalkohols CigHjj-O-CjgHjjO. Durch Kochen mit
alkoholischem Kali wird letzterer verseift:
CieHss'O'CjeHjjO + KOH = CiflHgj-OH + C^HgiOjK,
und es entsteht neben palmitinsaurem Kali der freie Cetylalkohol. Die
normale Structur des Cetylalkohols folgt aus seiner Bildung durch Re-
duction der Palmitinsäure, deren normale Structur später (Kap. 9) be-
gründet werden wird. — In untergeordneter Menge kommt auch der
Oetadeeylalkobol CjgHggO in Form von Estern im Wallrath vor*.
Diese höheren GUieder der Alkoholreihe erinnern in ihren äusseren Eigen-
schaften durchaus nicht mehr an die niederen. Es sind krystallisirbare,
geruchlose Körper, welche sich fettartig anfühlen.
Alkohole, welche noch reicher an KohlenstoJBF sind, finden sich in
den Wachsarten theils in freiem Zustande, theils in Form von Estern an
kohlenstofi*reiche Säuren gebunden (s. Kap. 10, Fettsäureester). Als Ccryl-
alkohol bezeichnet man einen zuerst aus chinesischem Wachs ^isolirten, bei
76 — 7 9° schmelzenden Alkohol C27Hg5(OH), welcher sich «auch imCamauba-
wachs® und Bienenwachs' findet, — als Myrlcylalkohol den Alkohol mit
30 KohlenstoflFatomen C3j,Hgj(0H), welcher am besten aus dem Camauba-
wachs®'® gewonnen wird (Schmelzpunkt 86®; spec. Gewicht beim Schmelz-
punkt 0-808®). Dem bei 85—85-5® schmelzenden Alkohol, welcher aus
dem Bienenwachs erhalten wird, wurde von Brodie ^® ebenfalls die Formel
C3^,H«^(0H) beigelegt, während Schwalb ' die Formel C3iH^,3(OH) für
» Ber. 16, 1714; 19, 2220; 28, 2360.
* G1B8ECKE, Ztschr. Chem. 1870, 431.
' Chevreül, Ann. eh. 7, 157; — Bebthelot und P6an, Ib. 1862, 413.
* Heintz, Ann. 84, 306; 92, 299. — Krafpt, Ber. 17, 1627.
^ Brodie, Ann. 67, 201.
® Stürcke, Ann. 228, 283. ' Schwalb, Ann. 285, 106.
Mabeelyke, Ztschr. f. Chem. 1869, 300. — Pievebling, Ann. 188, 344.
* Menschutkin, Ztschr. physik. Chem. 1, 619. *® Ann. 71, 147.
hidtistrie der Alkohole (Holzgeist), 169
wahrscheinlicher hält; vielleicht ist die Zusammensetzung der Bienen-
wachs-Bestandtheile eine mit der Gegend und dem Jahrgange wechselnde.
Alle diese Wachsalkohole sind primär, da sie in Carhonsäuren von
gleicher KohlenstofFzahl ühergef&hrt werden können; die Umwandlung
geschieht sehr glatt beim Erhitzen mit Natronkalk unter Wasserstoffent-
wicklung:
RCH,(OH) + NaOH = RCOONa + 2 Hj.
Bei quantitativer Messung des entwickelten Wasserstoffs kann diese
Reaction mit zur Ermittelung der Zusammensetzung der höheren Alkohole
benutzt werden^. — Auch die Wachsalkohole besitzen wahrscheinlich
normale Structur, da fast alle hochmolecularen, in der Natur vorkommen-
den Verbindungen der Fettreihe sich als normal constituirt erwiesen
haben. Ein endgültiger Beweis ihrer Structur steht indessen bislang
noch aus.
Industrielle Gewinnung und Verwerthung der
Grenzalkohole.
Din Hauptquelle für die Gewinnung des Methylalkohols liefert, wie
bereits erwähnt, die trockene Destillation des Holzes 2. Die Destillation
wird in eisernen Retorten ausgefiihrt; man erhält neben den entweichen-
den Gasen und der zurückbleibenden Holzkohle ein aus Holztheer und
einer wässrigen Flüssigkeit bestehendes Destillat. Die Ausbeute an
letzteren Produkten ist um so grösser, je niedriger die Temperatur bei
der Destillation gehalten, und je langsamer erhitzt wurde. Die wässrige
Flüssigkeit — der Holzessig — enthält den Methylalkohol neben Ace-
ton, Essigsäure und vielen anderen Verbindungen. Man destillirt den
Holzessig aus kupfernen Blasen, indem man die Dämpfe durch Kalkmilch
streichen lässt, wobei sie die Essigsäure abgeben, während Holzgeist, Aceton
und andere leicht flüchtige nichtsaure Verbindungen — wie Methylacetal,
AJlylalkohol, Ammoniak, Methylamin — weiter gehen. Dieser rohe Holz-
geist wird zur Reinigung zunächst mit Wasser verdünnt, wodurch ölige
Verunreinigungen ausfallen, und dann über Kalk der fractionirten
Destillation unterworfen. Zur völligen Reinigung dient Behandlung mit
schwachen Oxydationsmitteln und fractionirte Destillation aus Colonnen-
Apparaten. — Erhebliche Mengen von Methylalkohol werden auch aus
den Rückständen der Zuckerfabrikation gewonnen, indem man die Ab-
dampfungsprodukte der Melassenschlempe (d. i. der Rückstand, welcher
nach dem Vergähren der Melasse und dem Abdestilliren des entstandenen
Alkohols bleibt) der trockenen Destillation unterwirft.
Der rohe Holzgeist findet Verwendung zur Denaturirung des Spi-
ritus, der reine Methylalkohol wird vielfach in der Anilinfarben-Fabri-
^ Hell, Ann. 223, 269.
' Näheres vgl. Ost, Lehrbuch der techn. Chemie (Berlin 1890) S. 294.
170 i^f-i(iMÄreMn«rei.
kation (z. B. zur Heretellung von Dimethylanilin , Gumidin, Methjt-
Tiolett etc.) benutzt.
Für die Verwenilnng des Holzgeiats in der AniliDfubentechnik ut eine Prniniif
seines Reinlieitagradcs erforderlicli ; dieselbe hat sieb 2U eratrecken &Qf den Geball
an Methylalkohol, der Datürüch möglichst hoch seio soll, und auf den Gehalt an
Aceton, der möglichst gering sein muss, da das Aceton bei der Mcthylimng toh
aromatischen Ba^en besonders schSdlich wirkt Den Methylalkohol bestimmt man
durch UebcrfUhrung in Jodmethyl CH,J, indem man die zu untersnchende Probe
mit Jodphospbor und Jodwassersto^Snre digerirt, abdeatillirt und das gebildete Jod-
methyl in einer Measriihre auffttnjjt'. — Die Beatimmniig des Acetons gründet sich
auf die Ueberfahrbarkeit desselben in Jodoform durch alkalische JodlSsnng (s. S. 159).
Man mischt nach KbÄmkh' in einem Messcylinder von 50ccm Inhalt lOccm Doppel-
normalnatronlauge mit 1 ccm Holzgeist, filgt 5 ccm Doppelnonnaljoiliösung hinzu obA
schüttelt nach einigem Stehen mit 10 ccm alkoholfreiem Aether durch; nach dem Ab-
sitzen liest man das Volum der obenauf schwimmenden Aetherscbicht, welche du
gebildete Jodoform gelöst enthält, ab und verdunstet einen mit der Pipette abge-
zogenen aliquoten Theil derselben auf einem tarirten Uhrglase; dss zurückbleibende
Jodoform wird nach kurzem Stehen über Schwefelsäure gewogen ; 1 Mol- Aceton
(58 Th.) liefert 1 Mol. Jodoform (394 Th.). — Für grössere Acetongehalte ist nach
ViOHOH u. Aeacheqoenne * die anzuwendende Jodmenge zu erheben. — Auch katm
man derart verfahren, dass zu dem Gemisch von Holzgeist und Alkali ÜberschüMge
titrirte Jodlösung zugegeben, und dann nach dem AnsSuem der Ueberschuss der Jod-
lösung mit Natriumthioeulfat-Lösung zuruckütrirt wird'; 1 Mol. Aceton (58 Th.l
braucht 3 Mol. Jod (762 Th.) auf.
Die industrielle Erzeugung des Aethylalkohols — die Spfritns-
brennerel * — ist fiir das wirthschaftiiche Leben der Völker Ton einer
so eminenten Bedeutung, wie sie kaum irgend einer anderen, die Her-
stellung einer organischen Verbindung bezweckenden Industrie zukommt.
Sie ist ein landwirthschaflliches Geweibe, welches die Möglichkeit bietet,
aus Bodenarten, die für die Cultur der meisteu Feldfrüchte wenig ge-
eignet sind, noch reichen Gewinn zu ziehen; denn einerseits gedeiht der
wichtigste Rohstoff der Spritfabrikation — die Kartoffel — auch auf
Bodenarten, die den Anbau des Getreides kaum lohnen; andererseiti;
liefern die EUckstände der Brennerei (die Schlempe} werthvoUes Futter
zur Haltung eines grossen Viehstands, welcher durch die Prodaktiou von
Dünger dem Landwirth wieder ein Material zur Verbesserung seines
Ackers giebt. Die Erkenntniss dieser Vortheile für die Landwirthschaft
hat eine ausserordeutliche Steigerung der Spiritusproduktion, damit aber
auch ein Sinken des Preises und eine Zunahme des Branutweingenusses
im Gefolge gehabt, welche die ernstesten Besorgnisse fllr die Volkswobl-
fahrt hervorrufen muss. Die Eegierungen sahen sich veranlasst, die
' Kreli^ Bcr. e, 1310. — Grodzei u. KiaHBa, Ber. 7, 1*94; 9, 1926.
' Ber. 18, lOOO. ' Corapt rend. 110, 634 u. 642.
* MEHstHORR, Bor. 21, -■J.iee. — ViscEMT u. Delacbahai., BuII, [3] S, 681,
' Ausführliche Angaben s. in Maerckeii's Handbuch der Spiritusfabrieation.
4. Aufl. (Berlin 1886), und in dem Artikel „Alkohol" des encyklopädischcn Haiiii-
buchs d. techn. Chemie, herausgegeben von Stohhann u. Keht. (Braunschweig 1888>
femer in Osr's techn. Chemie (Berlin 1890) S. 435—466.
Spiritttsbrennerei (WirthsckafÜiche Bedeutung). 171
Spiritusfabrikatiou durch Erhebung von Steuern zu einer Einnahme-
quelle für den Staat zu machen, um gleichzeitig durch die mit der Be-
steuerung verbundene Preis-Steigerung auf einö Verminderung des Brannt-
weingenusses hinzuwirken. In den Budgets aller Culturstaaten spielt der
Ertrag der Branntweinsteuer eine erhebliche RoUe. In Deutschland
wurden 1887/88 ca. 3 058 000 Hektoliter Alkohol (auf absoluten Alkohol
berechnet) producirt; die Einnahme des Staates aus der Spiritus-Steuer
betrug ca. 116 Millionen Mark^
Welches die zweckmässigste Form der Spiritus -Besteuerung sei, ist eine viel-
umstrittene wirthschaftspolitische Frage von hoher Bedeutung. Bis 1887 erhob
Deutschland eine „Maischraumsteuer"; d. h. die Höhe der Steuer, welche eine
Brennerei zu entrichten hatte, richtete sich nach dem Fassungsraum ihrer Gährbottiche.
Diese Besteuerung veranlasste die Industrie natürlich, ihr Verfahren so einzurichten,
dass mit möglichst geringem Maischraum möglichst viel Spiritus erzeugt wird (Dick-
maischen). Die Steuer war ziemlich gering und betrug auf den Hektoliter 100 pro-
centigen Alkohol etwa 16 Mark. Seit 1887 besteht , nachdem die Absicht der B,c-
giemng, ein staatliches Monopol einzuführen, an der Stimmung weiter Kreise der
Bevölkerung und der Volksvertretung gescheitert war, ein neues Steuergesetz,
wonach nur noch in den kleineren landwirthschaftlichen Brennereien die Maisch-
raomsteuer, in den grösseren gewerblichen Brennereien dagegen eine in ihrer
Höhe entsprechende Fabrikatsteuer erhoben wird. Dazu kommt eine Ver-
brauchsabgabe von 50 bezw. 70 Mark for 1 Hektoliter abs. Alkohol; der niedere
Satz wird für die 4'/! 1 &uf den Kopf der Bevölkerung nicht überschreitende Pro-
duktion, der höhere Satz für das darüber hinaus producirte Quantum erhoben. Die
Einnahme des Staates aus der Spiritus-Steuer hat sich durch das neue Gesetz erheb-
lich vermehrt Ob eine Einschränkung des Branntweingenusses dadurch erreicht ist,
bedarf noch genauerer Feststellung. — Frankreich hat Fabrikat- und Verbrauchs-
steuer, Russland Fabrikatsteuer; in England wird eine hohe Verbrauchsabgabe
entrichtet, die Schweiz hat das Staats-Monopol eingeführt. — Ueber dieDcnaturi-
rnng des Spiritus, welcher steuerfrei bleiben soll, s. S. 179. —
Der industriell hergestellte Alkohol wird, wie bereits erwähnt, durch
einen Gährungsprocess von Zuckerarten^ gewonnen. Man pflegt unter
der Bezeichnung „Gährungen" gewisse Zersetzungsprocesse organischer
Substanzen zusammenzufassen, welche die Anwesenheit von bestimmten
an der Reaction scheinbar selbst sich nicht betheiligenden Stoflfen (Gäh-
rungserzeuger) zur Voraussetzung haben und die Eigenthümlichkeit be-
sitzen, dass eine verhältnissmässig sehr geringe Menge des betreifenden
Gährungserzeugers eine sehr grosse Menge des zu zersetzenden Stoffes
umwandeln kann*. Die Gährungserzeuger nennt man Fermente, und
man unt€rscheidet zwischen geformten und ungeformten Fermenten.
Erstere sind organisirte lebende Wesen (Mikroorganismen); sie ernähren
sich in der gährenden Flüssigkeit und pflanzen sich darin fort; ihre
Function beim Gährungsprocess hängt mit ihrem Lebensprocess unmittel-
bar zusammen, ihre Wirksamkeit erlischt mit dem Abstarben. Die unter
* Vgl. F. FiscHEit's Jahresber. d. ehem. Technologie 1889, 1105.
* Ausführlichere Behandlung der Gährungserscheinungen s. in Ad. Mayer's
L^rbuch der Gfthrungschemie. 3. Aufl. (Heidelberg 1879).
172 Spirittisbrennerei (Älkoholgährung der Zuckerarten).
der Einwirkung von organisirten Fermenten verlaufenden Gährungen
sind demnach physiologische Vorgänge. Dagegen sind die angeformten
Fermente, die man auch wohl Enzyme nennt, bestimmte chemische
Verbindungen, welche den Eiweissstoffen nahe zu stehen scheinen; ihre
Zusammensetzung indess ist noch nicht mit Sicherheit erkannt, ihre
Wirkungsweise ist vorläufig völlig räthselhaft. Zu ihnen gehört z. B.
die Diastase, deren verzuckernde Wirkung auf die Stärke gleich zu be-
sprechen sein wird.
Die Zersetzungen, welche durch geformte Fermente bewirkt werden,
sind in ihrem Verlauf ganz abweichend von denjenigen, welche durch
chemische Agentien herbeigeführt werden können; dagegen stehen die
Wirkungen der ungeformten Fermente den gewöhnlichen chemischen Um-
setzungen viel näher. Die Zersetzung des Zuckers z. B. in Alkohol und
Kohlensäure, wie sie durch die Lebensthätigkeit des Hefepilzes bewirkt
wird, — oder auch nur eine ihr ähnliche Zersetzung — kann auf rein
chemischem Wege überhaupt nicht eingeleitet werden^; dieselbe Wirkung
aber, welche die Diastase auf die Stärke ausübt, lässt sich dnrch Er-
wärmen mit verdünnten Säuren erzielen. Es erscheint demnach nicht
zweckmässig, zwei so durchaus verschiedenartige Erscheinungsgruppen
durch dasselbe Wort zu bezeichnen; rationeller ist es, die von Mikro-
organismen verursachten Zersetzungsprocesse als eigentliche „Gährungs-
erscheinungen" von den „chemischen Fermentwirkungen" zu unter-
scheiden.
Die geistige Gährung des Zuckers ist ein unter der Einwirkung
eines geformten Ferments verlaufender Process; ihr Zusammenhang mit
dem Leben eines pflanzlichen Organismus ist zuerst fast gleichzeitig
von Cagniaed de la Tour * und von Schwann ^ richtig erkannt worden
(1836). Doch haben die Beobachtungen dieser Forscher lange Zeit nicht
die ihnen gebührende Beachtung gefunden, da sie der von Liebig auf-
gestellten und eifing vertheidigten mechanisch-chemischen Gährungstheorie
entgegenstanden. Erst seit den umfassenden, von 1857 ab fortgesetzten
Untersuchungen Pasteub's * ist der ursächliche Zusammenhang zwischen
der Älkoholgährung und dem Lebensprocess des Hefepilzes (Saccharo-
myces) allgemein anerkannt. Finden sich Hefepilze in einer Flüssigkeit,
welche alle zu ihrer Ernährung nothwendigen Bestandtheile — Zucker,
anorganische Salze, stickstoffhaltige Verbindungen (Eiweissstoffe oder
Ammoniaksalze) — enthält, so tritt eine rasche Vermehrung der Pilze
und Älkoholgährung ein, vorausgesetzt dass die Temperatur nicht unter
* Die Alkoholbildung, welche nach Berthelot (Compt rend. 87, 951) in Glu-
kose-Lösungen unter dem Einfluss von Wechselströmen eintreten soll, bt bisher wohl
weder sicher genug erwiesen, noch als ein der Gährung analoger Vorgang erkannt.
« Ann. eh. [2] 68, 206.
» Pooo. 41, 184.
* Compt. rend. 45, 1032.
Spiriiusbrennerei (KartoffüspiHttLs). 173
+ 3 bis 4® und nicht über +40^ liegt. Die Zersetzung des Zuckers er-
folgt nicht streng nach der Gleichung:
CeHijOe -= 2C,HeO + 2 CO,,
bezw. Ci,H„On + HjO = 4C,HeO + 400,;
neben Alkohol und Kohlensäure sind kleine Mengen von Bemsteinsäure
(auf 100 Th. Zucker durchschnittlich 0-4 bis 0-7 Th.) und Glycerin (2-5 bis
3-6 ®^) normale Gährungsprodukte. Es entstehen ferner stets bei den
alkoholischen Gährungen der Praxis andere Verbindungen als Neben-
produkte: Homologe des Aethylalkohols, Fettsäuren, zusammengesetzte
Aether, Aldehyd. Man fasst diejenigen Nebenprodukte, welche höher
als der Aethylalkohol sieden und demnach bei der unten näher zu be-
sprechenden Destillation des Rohprodukts den Nachlauf bilden, gewöhn-
lich imter der Bezeichnung Fuselöl zusammen; die Fuselöle von ver-
schiedenem Rohmaterial sind verschieden zusammengesetzt; manche —
wie z. B. das Weinfuselöl — haben angenehmen Geruch und Geschmack
und ertheilen den sie enthaltenden Getränken (z. B. Gognac) ihren Werth,
andere Fuselöle — wie das Korn- und Kartoffelfuselöl — riechen widrig
und unangenehm. Die Bedingungen ihrer Entstehung sind noch nicht
klargestellt.
Als wichtigster Rohstoff der Spritbrennerei wurde oben die Kar-
toffel bezeichnet; es gilt dies wenigstens fär Deutschland, und die Ge-
winnung des Spiritus aus Kartoffeln sei daher zunächst besprochen.
Die Kartoffel enthält an sich nicht den Zucker, aus welchem durch
Gährung Alkohol erzeugt werden kann, wohl aber in grosser Menge ein
Material, welches leicht in gährungsfähigen Zucker übergeführt werden
kann. Es ist dieses das Stärkemehl (CQHjoOg)x, welches unter der
Einwirkung der Diastase — eines ungeformten Ferments^ das sich im
Malz (der keimenden Gerste) findet — in einen Maltose genannten Zucker
C„H„0„ (etwa 80 7^) und in Maltodextrin C33H33O31 (etwa 20 7^) zer-
fällt; ersterer ist direct gährungsfähig, während das Maltodextrin an
sich durch Hefe zwar nicht vergohren wird, bei der langen Dauer des
Gährungsprocesses aber durch eine Nachwirkung der noch vorhandenen
Diastase doch in eine gährungsfähige Zuckerart verwandelt zu werden
scheint und daher auch in die Gährung hineingezogen wird. Bei der
Spriterzeugung handelt es sich demnach zunächst um die Verzuckerung
der Stärke durch Diastase. Die Kartoffeln werden in geschlossenen
Apparaten mit gespanntem Dampf von 140 — 150^ behandelt, nach der
Dämpfung lässt man die Füllung plötzlich durch ein Ventil austreten;
der Druck gleicht sich nun mit dem der Atmosphäre aus, und aus dem
überhitzten Zellsafte der Kartoffel entwickelt sich gewaltsam Dampf,
wodurch die Kartoffeln in eine homogene dünnbreiige Masse verwandelt
werden. Es folgt nun die Einmaischung dieses stärkemehlhaltigen
Materials mit dem zur Verzuckerung dienenden Malz, welche in mit
Böhrwerken versehenen Apparaten (Maischbottichen) geschieht. Für die
Spirili*sbrennerei (KartofftUpirihie).
am günstigsten eine Temperatur von 60 — 62 *; sie kann
lendigt sein. Die Temperatur wird darauf entweder
selbst oder seltener in besonderen KuhlapparateD anf
setzt, und die Maische kann nun zur Gälming ange-
welchem Zwecke sie in den Gährbottichen mit der
on Hefe, die in den Brennereien jedesmal besonders
unstbefe), versetzt wird. Die Gäbrung bringt eine be-
ntwicklung mit sieb; es ist daher zweckmässig, die
Kühlvorricbtungen zu vergeben, um die Temperatur
en. Eine Temperatursteigerurig über 33** würde der
ier Hefe sebr nachtbeilig sein und die Älkoholausbeat*
en, dagegen gerade das Eintreten anderer Gährungs-
;en. Der Zucker erleidet nämlich unter dem Einfluss
erreger, als des Kefepilzes, die „Milcbsäuregährung'-
Ȋhrnng". In der Luft linden sich nun bekanntlich
n Mikroorganismen verbreitet; ea könnten daher leicht
nte der Milchsäure- und Buttersäuregährung in die
und, wenn sie darin günstige Lebensbedingungen vor-
"ungen, welche der Spiritusfabrikant natürlich zu ver-
eiten. Nun sind für die Entwickelung dieser fremden
höhere Temperaturen günstig; das Temperaturoptimuni
(lents liegt bei 40—50", dasjenige des Butter säur eferraents
ist daher namentlich in der ersten Zeit des Gälir-
^,ß die Maische noch viel unzersetzten Zucker enthält,
lerer Temperaturen zu vermeiden.
hrenen Maische sind nun neben den durch die Gährung
Bestandtheileii des Bohmaterials — Faaeni, Eiweiss-
j Salze u. s. w. — die Gährungsprodukte Alkohol,
nsäure und Glycerin in wässriger Lösung vorhanden.
it einer durch Gährung erhaltenen Flüssigkeit kann
.g von ]4 7o übersteigen, da in alkoholreicheren Flüssig-
;tliätigkeit der Hefe erlischt; auch ist der an&ngbche
Briiuntweinmaiscben niemals so gross, dass nach voU-
■ung diese Grenze erreicht ist. Durch einen Destil-
wird nun der Alkohol mit den anderen tlüchtigen
m den nichttlüchtigen Bestand theilen der vergobre-
xennt, und mau ist dabei natürlich bestrebt, ein
ten, welches die gesammte Menge des erzeugten Alko-
möglichst geringen Menge von Wasser enthält. Man
weck durch Apparate, in denen das Princip der Recti-
egmation angewendet wird. Die alkoholhaltigen Dämpfe,
Cheile des Apparats sich entwickeln, werden gezwuugeo,
leren Theile zu condensiren; die condensirte Flüssigkeit
ibströmenden Dampf von neuem zur Destillation gebracht;
i Destillation entwickelt sich ein alkoholreicherer Dampf
^ritusbrenner^ (Kartoffelspiritus). 175
als bei der ersten; vermittelst einer solchen mehrmaligen Wiederholung
von Condensation und Wiederverdampfung im gleichen Apparat gelingt
68, durch eine Operation einen ziemlich starken Alkohol {durchschnitt-
lich von 90 7o) a.u8 der Maische herauszudestilliren. Sehr gebräuchlich
i8thierfilrderinFig.56
abgebildete Apparat
von PisTOBius. Aus
der D es tillir blase A
gehen die Dämpfe in
die zweite Blase B,
aus letzterer in den
„Vorwärmer" D, wel-
cher aus zwei Ab-
theilnngen besteht;
die innere (C) enthält c |
Maische, durch die 1
äussere Abtheilung ^
streichen die Dämpfe, *
indem sie sich theil- 3
weise darin conden- 1
siren, und gelangen a
schliesslich in den S
,.Becken-Apparat" E, §
welchen sie in der g
Bichtuüg der Pfeile 2
durchströmen müssen ; I
hier findet wieder be- 8
trächtliche Condensa- 9:
tion statt , und die
condensirte Flüssig- *
keit fliesst theils zu- E
rück, theils wird sie
schon im Beckenappa-
rat durch den nach-
strömende n Dampf
wieder verdampft. Der
starke Alkoholdampf
geUogt endlich dordi
Aaa Kobr F in den
CoDdeosatiousapparat
Ist aas der Blase A
aller Alkohol ausgetrieben, so wird sie entleert und mit dem Inhalt der
Blase B gefüllt, während die Maische aus dem Vorwärmer C nach B ge-
Bchafft, und der Vorwärmer mit frischer Maische beschickt wird. — Die
durch Destillation vom Alkohol befreite Maische nennt man ,, Schlempe";
Spiritushrentierei (liectifieiTung des Itohapirüus).
176
sie enthält die Asche und die durch die Gährung nicht veränderten Nähr-
stofiFe der KartofiFel, ferner die nicht flüchtigen Gäbiuugsprodukte (Gly-
cerin, Bernsteinsäure) und wird als Tiehfutter benutzt.
Der „Bohspiritus", wie er auf diese Weise erhalteu wird, iet noch
von Fusel begleitet und muas daher für viele Zwecke — wie fÖr die
Darstellung besserer Trinkbranntweine, zum Verschneiden des Weines
— noch einer Bcinigung unterworfen werden'. Die Verwandlung in
„Feinsprit" wird nur ganz ausnahmsweise in den Brennereien selbst
ausgeführt; in der Kegel geschieht sie in besonderen Spiritus-Raftinerien,
welche an den grossen Handelsorten ihren Sitz haben. Zur Entfuselung
wird der Rohsprit zunächst, nachdem er durch Wasser bis zur Stärke
von etwa 50" j^ verdünnt ist, über Holzkohle flltrirt. Durch die Ver-
dünnung wird ein Theil der hochsiedenden
Beimengungen, welche in Wasser nicht lös-
lich sind, in feiuen Tröpfchen abgeschieden,
welche bei der Filtration an den Flächen und
in den Poren der Holzkohle hängen bleiben;
die Holzkohle wirkt ferner durch ihr Absorp-
tionsvermögen für übelriechende St^itfe, viel-
leicht auch dadurch, dass die an ihrer Ober-
fläche verdichtete Luftmenge Verunreinigungen
des Robspiritus durch Oxydation zerstört. Auf
die Filtration folgt eine sehr sorgfältige Recti-
fication, bei welcher zunächst ein aus dem sehr
leicht flüchtigen Acetaldehyd bestehender „Vor-
lauf" abgesondert wird; nach dem Vorlauf
fängt man hochgradigen Feinsprit {vou etwa
967J, dann Secundasprit (von 90—94%),
darauf schwächereu Sprit, welcher wieder iu
den Betrieb zurückkehrt, und endlich den
Nachlauf auf, welcher die hochsiedenden Bei-
mengungen (homologe Alkohole , Fettsäure-
est«r) enthält. Die zur Rectiflcation benutzten
Destillirapparate besteben stete aus einer De-
stillirblase , auf welche eine Rectificircolonne
von sehr mannigfaltiger Construction aufgesetzt
ist. Fig. 57 giebt eine gebräuchliche Ein-
richtung einer solchen Colonne wieder; sie
besteht aus einer grossen Zahl von einzelnen AbtJieilungen (zwei der-
selben sind in Fig. 57a in grösserem Massatab abgebildet), welche durch-
löcherte Böden besitzen; jede einzelne derselben ist — abwechselnd an
der rechten und linken Seite — mit einem Abflussrohr versehen, welches
Fig. 07. SpIrilm-KecUaclr-
' Ucber neuere VorschlSge zur Reinigung des Spiritus vgl. Chem. Indiutrie
Spirihtsbrennerei (Prüfung auf Fuselöl, Kombranntwein). 177
sich 80 weit über den Boden erhebt, dass immer nur eine dünne
Flüssigkeitsschicht auf demselben befindlich ist. Während der Destil-
lation bedecken sich die Böden mit condensirter Flüssigkeit, welche durch
den nachströmenden Dampf beständiger ßectification unterworfen wird.
Absoluter Alkohol wird im Grossen durch Entwässern von hoch-
gradigem Feinsprit mit Aetzkalk oder gewöhnlicher mit Chlorcalcium
hergestellt. Er findet Verwendung zur Darstellung von Lacken.
Um den rectificirten Alkohol auf einen Gehalt an Amylalkohol (Fuselöl)
zu untersuchen, spült man ein grosses Becheiglas mit etwa 5 com des Alkohols aus
und schwenkt es mehrmals in der Luft umher; der Aethylalkohol verdunstet dabei
sehr rasch und der etwaige Fuselgeruch macht sich deutlich bemerkbar. — Quan-
titativ kann man das Fuselöl auf capillarimetrischem Wege bestimmen durch Er-
mittelung der Steighöhe in capillaren Rohren oder durch Ermittelung der Tropfen-
z&hl im Stalagmometer ^ (vgl. S. 158). Gewöhnlich wird indees das Ver&hren von
RoESE-SrüTZER-RErrHEYER-HERZFELD angewendet, welches darauf beruht, dass Chloro-
form einem Gremisch von SO-procentigem Alkohol und Fuselöl das letztere beim
Schütteln entzieht und dadurch sein Volum vermehrt. In einem eigens dafür con-
Btruirten Apparat wird eine bestimmte Chloroformmenge mit 100 ccm des auf 30
Vol.-Proc verdünnten, zu untersuchenden Alkohols durchgeschüttelt, und die Zu-
nahme der Chloroformschicht, deren Absitzen man durch Zusatz von etwas verdünnter
Schwefels&ore erleichtert, abgelesen; eine Tabelle giebt an, welcher Fuselölgehalt
einer bestimmten Volumvermehrung entspricht'. — Der Gehalt an Fuselöl ist von
besonderer Wichtigkeit für die Trinkbranntweine wegen des nachtheiligen Einflusses,
welchen der Amylalkohol und die höheren Alkohole auf die Gesundheit ausüben.
Ein Grehalt von 3 ®/o Fuselöl wirkt entschieden giftig; die deutschen Trinkbrannt-
weine enthalten Indess höchstens 0*3— 0*6%, in der Regel bedeutend weniger^;
bei einem so geringen G«halt kommt die Schädlichkeit des Fuselöls gegenüber der
des Aethylalkohols selbst kaum mehr in Betracht.
Der Spritgewinnung aus Kartoffeln sehr ähnlich ist die Herstellung
von Alkohol aus Getreidearten (Kornbranntwein). Auch hier
geht man von einem stärkemehlhaltigen Material aus, dessen Stärkegehalt
zunächst durch Diastase verzuckert wird. In England wird fast aller
Alkohol aus Getreide gewonnen. Man verwendet nur selten eine Ge-
treidesorte allein; in England mischt man meist Gerste mit Weizen
oder Hafer, in Deutschland benutzt man vorzugsweise Roggen unter
Zusatz von Gerste („Kornbranntwein"); in Ungarn und Italien, besonders
aber in Amerika, wird Mais zur Spritbereitung angewendet. In Ost-
indien wird aus Reis der Arrac gewonnen.
Während bei der Alkoholgewinnung aus Kartoffeln und Getreide
ein stärkemehlhaltiger Rohstoff den Ausgangspunkt bildet, liegt der
Spiritusfabrikation aus Zuckerrüben ein zuckerhaltiges Ausgangs-
* J. Traube, Ber. 19, 892; 20, 2644.
* K&heres 8. in Hobm s Anleitang zur chem.-techn. Analyse organ. Stoflfe (Wien
1890) S. 95— -99. — Ausführliche Darlegung und Kritik der Methoden zur Untersuchung
dtt Bruintweins auf Fuselöl vgl. in den Arbeiten aus dem kais. Gesundheitsamte 4,
109 (von Sbll) und 6, 378 (von Windisch).
* Vgl. die Tabelle m den Arbeiten a. d. kais. Gesundheitsamte 4, 216—218.
V. Mkyee u. Jaoobsos, org. Chemie. I. 12
178 Spiritiisbretvnerei (Rühenspiritus, ObstbranntweinJ.
material zu Grunde. Die in der Zuckerrübe enthaltene Zuckerart —
der Rohrzucker C^^H^^O^^ — ist zwar an sich nicht gährungsfähig, wird
aber durch ein in der Hefe sich findendes ungeformtes Ferment, das
Invertin, in zwei gährungsf&hige Zuckerai*ten — Dextrose und Lävu-
lose — zerlegt (Inversion des Rohrzuckers, vgl. Näheres in dem Kap.
,, Zuckerarten"):
Cj,H„Oh + H,0 = CeH,,Oe + CeH^Oe
Dextrose Lfivulose.
Rübenspiritus wird in Frankreich im grössten Massstabe erzeugt. In
Deutschland stand der Benutzung der Rüben die nach dem Maischraum
sich richtende Besteuerung des Spiritus entgegen; es ist nicht möglich,
mit Rüben den Maischraum so hoch auszunutzen wie mit Kartoffeln.
Der Rübensprit ist schwerer zu reinigen als der Kartoffelsprit. — Hier-
her gehört femer die Verwerthung der Melasse — des bei der Rüben-
zuckerfabrikation bleibenden unkrystallisirbaren Rückstands, der noch
reichliche Mengen Rohrzucker enthält, — zur Gewinnung von Spiritus.
Das Fortbestehen dieser nicht unbedeutenden Industrie erscheint fraglich,
seitdem die Methoden zur Entzuckerung der Melasse sich immer
mehr Eingang in der Zuckertechnik verschaffen, und sich der Werth
der Melasse dadurch erheblich gesteigert hat.
Durch Vergähruiig der indischen Rohrzuckermelasse wird in den
englischen Colonien der durch sein eigenthümliches Aroma ausgezeichnete
Rum gewonnen. Im Anschluss daran sei die Erzeugung von Brannt-
weinsorten, welche durch ihren angenehmen Geschmack und ihr Aroma
geschätzt sind, aus Obst erwähnt. Im Schwarz wald wird in grossem
Umfang die Erzeugung von Kirschwasser aus der schwarzen Wald-
kirsche betrieben, in Böhmen fabricirt man den Sliwowitz aus Zwet-
schen, indem man den Fruchtbrei zugleich mit den gröblich zerkleinerten
Kernen der freiwilligen Gährung überlässt und darauf abdestillirt. —
Durch Destillation von Wein gewinnt man den Cognac; doch ist der
grösste Theil des gegenwärtig im Handel sich findenden Cognacs durch
Vermischen von Kartoffelsprit mit künstlichem Weinöl hergestellt. —
Der Alkoholgehalt der Trinkbranntweine ^ schwankt meistens zwischen
40 — 50 Vol.-Proc. , geht jedoch auch bis zu 70 ^/^ hinauf.
Die Gewinnung der alkoholhaltigen Getränke (Bier, Wein) durch
geistige Gährung ohne darauffolgende Destillation wird in dem Kapitel
„Nahrungs- und Genussmittel" (Band II) besprochen werden.
Bei weitem die grösste Menge des producirten Alkohols wird gegen-
wärtig vertrunken. Die Einschränkung des Branntweingenusses muss
als eine der wichtigsten Aufgaben bezeichnet werden, welcher sich im
Interesse der Volkswohlfahrt die Regierungen sowohl wie der Einzelne
^ Vgl. König, Chem. Zusammensetzung d. menschl. Nahrungs- u. Genussmittel,
3. Aufl. (Berlin 1889), I.
SpirituJbrennerei (Verwendung des Spirittts. DencUurirtmg). 179
zu widmen haben^. Wohl hat man dem Alkohol nützliche Wirkungen,
wie Erhöhung des Wärmegeflihls und der Leistungsfähigkeit, Förderung
der Verdauung zuschreiben wollen; man hat behauptet, dass durch die
bei der Verbrennung des Alkohols im Körper erzeugte Wärme dem
Arbeiter zum Theil Ersatz für wirkliche Nahrungsstofl'e geboten würde.
Aber wenn auch vielleicht derartige nützliche Wirkungen bei massigem
Alkoholgenuss in geringem Umfang zuzugeben sind, so verschwinden sie
völlig gegen die furchtbaren Folgen — Krankheiten, sittliche Verrohung,
Verarmung — , welche das gewohnheitsmässige Branntweintrinken heute
namentlich unter den niederen Klassen der civilisirten Nationen äussert.
Fast eben so sehr zu beklagen ist, dass auch uncivilisirte Völker-
schaften zum Branntweingenuss verführt und ihrem Untergange dadurch
nahe gebracht werden. Gegenwärtig gehen namentlich nach Afrika grosse
Mengen von Trinkbranntwein und bringen dort den Eingeborenen Ver-
derben.
Aber auch zu culturireundlichen gewerblichen Zwecken werden er-
hebliche Mengen Alkohol verwendet. Alkohol dient zur Herstellung von
Essig, als Lösungsmittel für Lacke, Firnisse, Farben, zur Darstellung
von Theerfarbstoffen und mehreren wichtigen pharmaceutischen Präpa-
raten, wie Chloroform, lodoform, Chloral, in den Haushaltungen zum
Brennen und Putzen, in Sammlungen zum Conserviren anatomischer
Präparate u. s. w.
Nur der zum Trinken bestimmte Alkohol soll versteuert werden, der für andere
Zwecke zu benutzende Alkohol ist steuerfrei, nachdem er durch gesetzlich vorge-
schriebene Zusätze zum Trinken untauglich gemacht, „denaturirt^' ist An das
Denaturirungsmittel muss die Anforderung gestellt werden, dass es den Alkohol un-
geniessbar macht, seine Verwendung zu technischen Zwecken aber nicht schädlich
beeinfluflst und sich femer nicht durch einfache Operationen wieder aus deui Alkohol
herausschaffen lässt In Deutschland ist auf 100 Liter Alkohol ein Zusatz von 2-5
Liter eines Gremisches aus 4 Th. Holzgeist und 1 Th. Pyridinbasen vorgeschrieben
(einigen Industrien ist die Benutzung bestimmter anderer Denaturirungsmittel gestattet);
dieses Denaturirungsmittel hat zu vielfachen Klagen Anlass gegeben, namentlich weil bei
der Verwendung des Spiritus zu Brennzwecken in den Haushaltungen der Greruch
der Pyridinbasen lästig empfunden wird. Doch scheinen diese Beschwerden allmählich
zu yerstammen, und sie haben in Deutschland zu einer Aenderung der Denaturi-
nuigByoraebriften nicht geftihrt'.
^ YgL aber die Alkoholfrage: Bukge, Lehrb. d. physiol. u. pathol. Chemie (Leip-
zig, 2. Aufl. 1889), p. 124.
" Vgl. Chem. Ztg. Rep. 1889, 152 u. 357. — F. Fischeb's Jahresber. d. ehem.
Technologie 1889, 593 ff.
t>^
12
Drittes Kapitel.
deren Alkylrest an Halogenatome
Sauerstoff gebunden ist.
Fluomlkylc. Einfache und gembchte Aether.
Mi DeraUSuTeester.)
(Ml wir Verbindungen kennten gelerut, dereu
Keste der Grenzkohlenwassei-stoffe (Älkvi-
B Hydroxylgruppe gebunden enthalten. Vun
[aun mau durch directen oder indirecten Au^-
eine grosse Zahl von anderen Verbinduiif!;eu
Alkylrest noch unverändert enthalten. Man
der Alkohole daher sämmtlich als „Alkyl-
n; sie zerfallen in folgende Gruppen;
^.Ikylrest an Halogenatome (oder an Fluor) ge-
dkyle.)
llkylrest an Sauerstoff gebunden ist. (AeÜier,
Llkylrest an Schwefel gebunden ist. (Mercap-
uren etc.)
llkylrest an Stickstoff gebunden ist. (Amine,
1 Wasserstoffe etc.)
Llkylrest an andere Metalloid -Atome gebunduii
n-, Bor-, Silicium- etc. -Verbindungen.)
.Ikylrest an Metallatome gebunden ist. {Metall-
;en.)
Igen sind die Halogenalkyle besonders wichtig,
den Alkoholen sehr leicht gewinnbar, auderer-
ingen fUhig sind, and man daher durch ihie
[n die verschiedenartigsten Yerbindungsformen
h rechtfertigt sich ihre Besprechung an erster
. Halogenalkyle.
etzung: C„H,„^,C1, C„H,„^,Br, C„H,„^,J.
I erhält die Halogenalkyle am leichtesten ans
en einwerthigen Alkoholen der G-renz-
der Hydroxylgruppe gegen Halogen,
ntweder durch Krhitzen der Alkohole mit
iter Wasserabspaltung :
I + HCI = It-OH + CaH„ + ,CI
Bildungsweisen der Halogenalkyle, 181
oder durch Einwirkung von Halogenverbindungen des Phosphors auf die
Alkohole bewirkt werden:
3CnH,^ + i. OH + P J3 = P(OH), + 3C^H,^ + iJ.
Während erstere ßeaction längeres Erhitzen erfordert, verläuft die Ein-
wirkung der Phosphorhalogen -Verbindungen heftig und fast momentan.
Beide Beactionen gestatten indess keine völlig quantitative üeberfiihrung
des Alkohols in Halogenalkyl ; der Umsetzung von Alkohol mit Halogen-
wasserstoff entgegen wirkt, wenn die Reactionsprodukte Wasser und
Halogenalkyl in beträchtlicherer Menge gebildet sind, die umgekehrte Um-
setzung:
CnH,„ + i. CI + H. OH = HCl + C^Ha^ + rOH;
es ist daher die Anwendung eines grossen Ueberschusses von Halogen-
wasserstoff erforderlich, um eine möglichst vollständige Umwandlung des
Alkohols zu erzielen. — Der glatte Verlauf der Eeaction zwischen
Phpsphorhalogen -Verbindungen und Alkoholen andererseits wird beein-
trächtigt durch Nebenreactionen, in welchen sich esterartige Verbindungen
der Phosphorsäuren bilden (vgl. S. 209), z. B.:
PClg + 3 Ca- OH = P(O.CjH5)8 + 3 HCl.
Für die Gewinnung der Chloride nach der ersten Methode hat
sich in der Methyl- und Aethyl-Reihe ein Zusatz von Chlorzink als be-
sonders vortheilhaft erwiesen; man löst das Chlorzink in dem betreffen-
den Alkohol auf, leitet Salzsäuregas bis zur Sättigung ein und erhitzt^
(vgl. die Darstellung des Chloräthyls, S. 188). In den höheren Reihen
bietet der Chlorzink-Zusatz keinen VortheiP; auch treten bei seiner An-
wendung leicht theilweise Umlagerungen ein, indem neben der Haupt-
reaction durch Wasserentziehung eine Bildung von Kohlenwasserstoffen
der Aethylenreihe stattfindet, an welche sich dann Anlagerung des Chlor-
wasserstoffs unter Entstehung eines isomeren Chlorids schliessen kann^,
z. B.:
C8H„.CH5,.CHj.OH-H,0 = CgHu-CHrCHg
C^HnCH: CH, + HCl = C^Hh • CHCl • CHj
(vgl- auch S. 163). — Derartige Umlagerungen treten auch häufig bei
der Gewinnung von Alkyljodiden aus Alkoholen und Jodwasserstoff ein.
Die Methode der Einwirkung von Phosphorhalogen -Verbindungen
wird besonders häufig zur Darstellung der Bromide und Jodide an-
gewendet. Es ist hierbei nicht nöthig, von den fertigen Brom- bezw.
Jodverbindungen des Phosphors auszugehen, sondern man kann die
Bildung und Zersetzung der Phosphorhalogen -Verbindung in einer und
derselben Operation bewirken, indem man zu dem Gemisch des Alkohols
^ Gbovbs, Ann. 174, 372. — Kbüqeb, J. pr. |2j 14, 195.
' Malbot u. Gentil, Ann. eh. [6] 19, 405.
' SaBOBLnoiBB, Ann." 177, 301.
182 Bildungsu^eisen der Halogenalkyle.
mit rothem Phosphor allmählich die nöthige Menge Brom bezw. Jod
zuf>, z. B.:
aCjHßOH + 8J + P = SCjHgJ + P(OHV
Aus mehrwerthigen Alkoholen erhält man durch Erhitzen mit
Jodwasserstoffen secundäre Alkyljodide, indem an Stelle einer mittel-
ständigen Hydroxylgruppe ein Jodatom tritt, während alle anderen
Hydroxylgruppen durch Wasserstoff ersetzt werden; aus dem Glycerin
OH2(OH).CH(OH)-CH2(OH) wird z. B. in dieser Weise Isopropyljodid
CHg-CHJ.GHg dargestellt (vgl. S. 146 u. 188).
Die Halogenalkyle werden ferner häufig durch Addition von
Halogenwasserstoff an Kohlenwasserstoffe der Aethylenreihe
gewonnen:
CH,:CH, + HBr = CHjCHjBr.
Die Homologen des Aethylens geben in dieser Beaction nicht primäre,
sondern secundäre oder tertiäre Halogenalkyle, da die Anlagerung so
erfolgt, dass das Halogenatom an das mit weniger Wasserstoff beladene
Kohlenstoffatom tritt, z. B.
CHs-CHiCHj + HJ « CHjCHJCH,;
(CH,),C : CH, + HCl = (CH3),CC1 • CH,.
Es beruht hierauf die schon öfter erwähnte Bildung von secundären
oder tertiären Halogenalkylen aus primären Alkoholen (vgl. S. 163 u. 181).
Von theoretischem Interesse ist endlich die Bildung von Ghlor-
alkylen und Bromalkylen durch directe Substitution der Grenz-
kohlen Wasserstoffe:
CH4 + Cl, = CHsCl + HCl;
CH8(CH,)3.CH,.CH3 + Br, = CHs.(CH,),.CHBr.CH8 + HBr.
Die Substitution wird durch Operiren im Sonnenlichte befordert. Als
Darstellungsmethode ist diese Bildungsweise nicht empfehlenswerth,
einerseits weil die reinen Grenzkohlenwasserstoffe kein leicht zugäng-
liches Ausgangsmaterial darstellen, andererseits weil die Chlorirung und
Bromirung nicht zu einheitlichen Produkten führt. Bei der Einfiihrung
von Chlor z.B. entstehen stets zugleich primäre und secundäre Chloride ^
aus normalem Pentan wird
CHjCH.CHjCH.CH.Cl und CHj-CHjCHjCHClOHs;
bei der Bromirung liefern die normalen Paraffine hauptsächlich secun-
däre Bromide von der Formel C^Hj^^j'CHBr-CHj (vgl. obige Gleichung)
neben anderen Produkten*. Auch geht die Substitution leicht über die
Bildung von Monosubstitutions-Produkten hinaus, namentlich wenn man
die Halogene auf die flüssigen Kohlenwasserstoffe wirken lässt und ihre
Einwirkung durch Gegenwart von Jod (s. S. 129) befördert; die Bildung
der höheren Substitutionsprodukte wird dagegen fast ganz vermieden,
wenn man die Halogene auf die Kohlenwasserstoffe in Dampfform ein-
^ ScHOBLEMMBB, Ann. 161, 268. ' Schorlemiob, Ann. 188, 249.
Allgemeine Charakteristik der Halogenalkyle, 183
wirken lässt. — Die Einführung von Jod in die Grenzkolilen Wasserstoffe
durch Substitution gelingt überhaupt nicht.
Allgemeine Charakteristik. Bis auf die drei bei gewöhnlicher
Temperatur gasforniigen Verbindungen Chlormethyl, Chloräthyl und Brom-
methyl sind die Halogenalkyle der niederen und mittleren Reihen ölige
Flüssigkeiten, welche in Wasser fast unlöslich, mit Alkohol und Aether
dagegen meist in jedem Verhältniss mischbar sind. Die höchsten Glieder
sind bei gewöhnlicher Temperatur feste Substanzen von salbenartiger Be-
schaffenheit; in kaltem Alkohol und Aether lösen sie sich kaum. Die
Halogenalkyle sind farblos, die Jodide färben sich indess durch geringe
Zersetzung leicht etwas röthlich. Sie besitzen meist einen angenehm süss-
lichen Geruch. Sie sind brennbar; Chlormethyl und Chloräthyl geben eine
grüngesäumte Flamme. Der Siedepunkt der Bromide liegt durchschnitt-
lich um 20 — 25®, derjenige der Jodide um 40 — 60® höher, als der Siede-
punkt der entsprechenden Chloride. Ebenso besitzen die Jodide das
höchste, die Chloride das geringste specifische Gewicht. Das specifische
Gewicht sinkt in den homologen Reihen mit zunehmendem Kohlenstoff?
gehalt, da der das specifische Gewicht erhöhende Einfluss des Halogen-
atoms um so mehr zurücktritt, je grösser das Molecül wird. Die folgende
Tabelle (Nr. 6 auf S. 184) enthält für eine Anzahl von Halogenalkylen
der ersten 8 Reihen die Siedepunkte und specifischen Gewichte.
Das Halogenatom besitzt in diesen Verbindungen eine verhältniss-
mässig grosse Beweglichkeit, vermöge welcher sein Austausch gegen
andere Atome oder Atomgruppen in einer Reihe von doppelten Um-
setzungen möglich wird. Diese Reactionsfahigkeit ist am grössten bei
den Jodiden (vgl. S. 123 u. 143), am schwächsten bei den Chloriden.
Während z. B. Jodäthyl schon in der Kälte mit alkoholischer Silber-
nitrat-Lösung einen Niederschlag von Jodsilber giebt und Bromäthyl
ebenfalls mit alkoholischer Silbernitrat-Lösung wenigstens beim Erwärmen
reagirt, tritt zwischen Chloräthyl und Silbemitrat in alkoholischer Lösung
selbst bei Siedehitze keine Umsetzung ein. Es verdient ferner bemerkt
zu werden, dass die Reactionsfahigkeit der Jodüre von analoger Structur
mit steigendem Moleculargewicht abnimmt, dass aber namentlich das
Hethyljodür allen seinen Homologen gegenüber eine bedeutend grössere
Reactionsfahigkeit besitzt; das Methyljodür reagirt in manchen Reactionen
etwa zehnmal rascher als das Aethyljodür ^.
Von den Umsetzungen der Halogenalkyle ist ihr Uebergang in
Alkohole durch Austausch des Halogenatoms gegen die Hy-
droxylgruppe schon bei den Bildungsweisen der Alkohole (S. 143) be-
sprochen. Hier sei nur noch hervorgehoben, dass dieser Austausch mit
' WiSLicEHüB, Ann. 212, 239. — Hecht, Combad u. BrOckkkb, Ztschr. f. physik.
Ghem. 4, 278, 631. — Mekschutkin, Ztschr. f. physik. Chem. 5, 589. — Vgl. femer
ober die relative Bestftndigkeit der Alkylbromide: Reusen und Hillybr, Jb. 1886,
625. — Lbkoefeld, Ber. 22 o, 298.
184
TabeUariscke Üebersicht über die Halogenalkyle,
Tabelle Nr. 6.
Formel
des
Alkyl-
restes
CHa
CJI,
Bezeichnung
des
Alkylrestes
Chlorid
Siede-
punkt
Specif.
Gewicht
Bromid
Siede-
punkt
Specif.
Gewicht
Jodid
Specif.
Gewicht
CH
CßHia
C7H1B
MethyP-5-*«-'^o . . .
Aethyl*-*-«"-"'*»'^^ . .
Propyl«-"»^-"*» . .
Isopropyl*"*-®'®*"-""*«-*^
Prim. norm. Butyl *•*•**•**•**
l8obutyl«-8-i»'"»*-*8 .
See- ßutyl "-»••" . .
Tert.-Butyl~-«*»8-«« .
Prim. norm. Amyl" .
Isoamyl*-"'"^-'* . . .
[(CH,),CH.CH,.CH,X]
Prim. norm. Hexyl**—^*
See. norm. Hexyl*®— ^®
CCH,.(CH,),.CHX.CH,]
Prim. norm. HeptyP«*» "•"
Prim. norm. Octyl *''****® .
- 23. 7<^ 0-952(0«)
+ 12. 2^0 -918(80)
4-46.5<>io-912(0<>)
36-50 0-882(0°)
78« 10-907(00)
68 • 50 0 • 895 (00)
550
1070
1010
0-866(00)
0-901(00)
0 • 893 (00)
1330 10-892(160)
1590 0-881(160)
1800 !o- 880 (160)
-f-4-50
38-40
710
600
1010
920
720
1290
1210
1560
1440
1790
1990
1
ii
t
1
732(00)
468 (I30)
383 (00)
340 (00)
305 (00)
204(160)
11-215(200)
1-246(00)
1-236(00)
1-193(00)
1-113(160)
1-116(160)
+450 12
-f- 72.30 ji
102-50 ,1
890 1
1300 I
1190 1
119—1200
1000
1560
1480
1820
168*
2010
2210
293 (180)
944 (I40)
786 (OOj
744 (00)
643 (00)
640 (00)
626 (00)
571 (00)
543 (00)
468 (00)
461 lOO)
453 (00)
386 (160)
345 (160)
Bezüglich der höheren Halogenalkyle sei hinzugefügt, dass Cetylbromid** CieH„Br
bei 150, Cetyljodid" bei 220, norm. Octadecyljodid*« CigHs^J bei 42— 43«, Myricyl-
chlorid*^-" (^HeiCl bei 64-50 „n^ Myricyljodid*^-" bei 69-5-70-50 schmilzt
Citate zu der Tabelle Nr. 6: * Vincent u. Dblachanal, Bull. 31, 11. —
* ViNüENT u. Cbappuis, Compt. rend. 101, 427. — * MERBttL, J. pr. [2] 18, 293. —
* PfiiBRAM u. Handl, Monatsh. 2, 644—650. — * Regnaült, Jb. 1863, 70. — * Lenne-
MANN, Ann. 136, 41; 160, 201, 212, 238; 161, 38. — ' Pierre u. Puchot, Ann. 163,
266, 275. — ö Brühl, Ann. 200, 179; 203, 13—15, 20—21. — » Zander, Ann. 214,
156—163. — *o K Schiff, Ann. 220, 98. — " Chancel, Bull. 39, 648. — " R. Meyer
u. Müller, Ber. 16, 1904. — " Brown, Jb. 1877, 22. — '* Lieben u. Rossi, Ann.
168, 160. — " LiNNEMANN, Auu. 161, 196; 162, 16; 192, 67. — " Wübtz, Ann.
93, 113. — " LuTNEs, Bull. 2, 3. — " Lieben, Ann. 150, 97. — " Würtz, Ann.
162, 23. — '0 BuTLEROw, Ann. 144, 5, 33. — '* Zalewrky, Ber. 5, 480. — " Malbot,
Bull. [3] 1, 603; 2, 136. — «' Puchot, Ann. eh. [5] 28, 544. — >♦ Eltekow, Ber. 8,
1244. — «* Reboul, Compt rend. 93, 70. — ** Roozeboom, Ber. 14, 2^96. — " Lieben
u. Rossi, Ann. 159, 72. — " Kopp, Ann. 96, 337, 345. — » Balbiano, Jb. 1876,
348. — «0 l^cHowicz, Ann. 220, 171. - " R. Schiff, Ber. 14, 2766. — " Mhnde-
lbjepp, Compt. rend. 61, 97. — *' Pelouze u. Cahoubs, Ann. eh. [4] 1, 21, 49. —
^ Lieben u. Janeczek, Ann. 187, 137. — '^ Franohimont u. Zincke, Ann. 163, 196.
— ■• Erlenmeyeb u. Wanklyn, Jb. 1861, 731; 1862, 480; 1864, 509. Ann. 135,
130. — " Schoblemmer, Ann. 161, 272; 188, 250; 199, 141. — " Morgan, Ann.
177, 305. — 80 DoMAC, Monatsh. 2, 310. — *o Hecht, Ann. 166, 148; 209, 311. —
*» Cboss, Ann. 189, 3. — ** Jourdan, Ann. 200, 102. — " Zincke, Ann. 162, 24. —
** Möslinoeb, Ann. 186, 55. — ** Fbidau, Ann. 83 , 9. — *• Schweitzbb, Ber. 17 c,
570. — *' Pieverling, Ann. 183, 346. — " Menschutein, Ztschr. f. physik. Chem.
6, 596. — *o Hell u. Hagele, Ber. 22, 503. — ^ Vgl. auch die Citate bei d. spec
Besprechung S. 187—189.
Chemisches Verhalten der Halogenalkyle. 185
ganz besonderer Leichtigkeit bei den tertiären Jodiden erfolgt^. Das
tertiäre Amyljodid z. B. geht schon durch ein- bis zweistündiges Schütteln
mit Wasser in der Kälte vollständig in den tertiären Amylalkohol über:
(CH,),CJ.C,H5 + H.OH = HJ + (CH3),C(0H).CjH5.
Andere doppelte Umsetzungen der Halogenalkyle werden durch die
folgenden Gleichungen wiedergegeben:
CAJ + NaOCHj = NaJ + CsH^OCH,;
„ +NaO.CO.CH3 = NaJ + C^Hs-OCOCHa;
„ +AgNO, =AgJ +C,H5.N0,;
2CjH6J + (AgO),SOs = 2AgJ + (CjH5.0)jS0,;
CjHs J + NH3 = C2H5 . NHj . H J ;
„ +KCN =KJ +CJH5.CN.
Diesen Beispielen könnten noch zahlreiche andere zugefügt werden; sie
werden indess genügen, um die grosse Bedeutung der Halogenalkyle für
die organische Synthese hervortreten zu lassen. Durch ihre Vermittelung
lässt sich eben gewissermassen der Alkylrest aus dem Molecül des Al-
kohols in beliebige andere Molecüle „transportiren".
Erw&hnt sei indees noch eine eigenthümliche doppelte Umsetzung, welche zwi-
schen tertiären Jodiden und primären Alkoholen sich vollzieht und in einem gegen-
seitigen Austausch des Jodatoms und der Hydroxylgruppe besteht^:
(CH3)gCJ + CHs-OH = (GH3)8C(OH) + CH3J.
Endlich sei noch an die Möglichkeit erinnert, das Halogenatom durch Reduction gegen
Wasserstoff auszutauschen (s. S. 123—124):
C2H5»J + H2 = CgHs'H -h HJ
and so zu den Stammkohlenwasserstoffen zurückzugelangen.
Wenn sonach die Halogenalkyle auch durch eine bemerkenswerthe
Reactionsfähigkeit ausgezeichnet sind, so können sie doch in dieser Be-
ziehung keineswegs mit den anorganischen Halogen-Verbindungen von
salzartigem Charakter gleichgestellt werden. Die doppelten Umsetzungen
der letzteren, wie z. B.:
KCl -h AgNOg = AgCl + KNOs
vollenden sich momentan beim Zusammenbringen der Reagentien; die
Beactionen der Halogenalkyle bedürfen stets einer längeren Zeit, um
vollständig zu Ende geführt zu werden. Der Grund für diese charakte-
ristische Verschiedenheit ist nach Abbhenius und Ostwald darin zu
suchen, dass^ne anorganischen Verbindungen zur Klasse der Elektrolyte
gehören, die Halogenalkyle dagegen Nichtelektrolyte sind. Elektrolyte
werden nach Abbheniijb in wässriger Lösung grösstentheils in ihre Jonen
gespalten; in einer Chlorkalium-Lösung existiren also nach dieser An-
schanung nur noch wenige Chlorkalium-Molecüle, die Mehrzahl ist schon
in isolirte Ealiumatome und Chloratome zerfallen (welche durch ihre elek-
trischen Ladungen in der Lösung existenzfähig erhalten werden), und
letztere sind daher sofort bereit, in Beaction zu treten. Die Molecüle
dee Halogenalkyls dagegen sind nicht in merklicher Menge in Jonen
^ K. Bausb, Ann. 880, 158.
186 Chemisches Verhalten der Halogenalhyle,
gespalten, im Laufe der ßeaction erst muss die Kraft überwunden wer-
den, welche den Alkylrest und das Halogenatom zu einem Molecüle ver-
einigt.
In allen bisher besprochenen Reactionen der Halogenalkyle findet
ein einfacher Ersatz des austretenden Halogenatoms durch ein anderes
Atom bezw. eine Atoragruppe statt, und der Alkylrest bleibt unverändert.
Das Halogenatom kann nun aber auch mit einem Wasserstoffatom des
Alkylrestes zusammen als Halogenwasserstoff austreten, wodurch die
Bildung eines ungesättigten Kohlenwasserstoffs der Alkylenreihe ver-
anlasst wird:
CH^CHgCl— HCl = CH, : CH^;
CH3 . CHJ . CHj-H J = CHs . CH : CH, ;
dieser ßeaction (vgl. Kap. 13) unterliegen die Jodide meist schon beim
Kochen mit alkoholischem Kali, die Chloride beim üeberleiten über
glühenden Kalk oder beim Erhitzen mit Bleioxyd auf 220 — 225 ^
Die Halogenalkyle mit gleichem Alkylrest, aber ungleichem Halogen-
atom können in einander übergeführt werden. So wird in den Jodiden
bei der Einwirkung von Chlor oder Brom das Jodatom durch Chlor bezw.
Brom verdrängt 1; Bromide werden zwar nicht durch Chlor ^, wohl aber
durch Antimonpentachlorid in Chloride verwandelt*:
2CsH5Br + SbClß = 2C,H5C1 + Br, + SbCl,.
Derartige Reactionen verlaufen zuweilen sehr glatt durch gegenseitigen
Austausch zwischen anorganischen Halogenverbindungen und Halogen-
alkylen ^. So eignet sich z. B. zur Ueberführung von Jodiden in Bromide
besonders gut Kupferbromid *, in Chloride Quecksilberchlorid ^ und Kupfer-
chlorid'^. Chloride werden meist durch Digestion mit Jodkalium, Jod-
natrium oder Jodcalcium® in die entsprechenden Jodide verwandelt.
Im Anschluss hieran sei der Reactionen gedacht, in welchen primäi^e
Halogenalkyle in isomere secundäre bezw. tertiäre übergehen (vgl. S. 181),
und demnach gleichsam eine Verschiebung des Halogenatoms von einem
Kohlenstoffatom zum anderen stattfindet. Dieser Umlagerungsprocess ist
eingehender an den Propyl Verbindungen untersucht worden; primäres
Propylbromid geht schon durch längeres Erhitzen auf 280^ zum grossen
Theil in Isopropylbromid über^, wahrscheinlich infolge der Reactionen:
CHs-CHj.CHjBr = CHs-CH : CH, + HBr = CHjCHBr-CH,;
ebenso® entsteht aus Isobutylbromid (CH3)3CH • CH^Br tertiäres Butyl-
bromid (CH3)2CBr • CH3. Die ümlagerung wird durch die Gegenwart
* R. Meyeb, J. pr. [2] 84, 104.
« LÖ8SEBN, J. pr. [2] 18, 421.
* S. hierüber Bsn, Ann. 226, 146; Köhklein, Ann. 226, 171.
* Oppenheiu, Ber. 8, 442.
^ Oppenheim, Ann. 140, 207; Liebem, Ann. 160, 100.
* Vgl. P. VAN BoMBüRGH, Ber. 16, 392; Henry, Bull, de Tacad. royale de Bel-
gique [8] 19, 848.
' Abonstein, Ber. 14, 607; 16, 891. ^ Eltbkovf, Ber. 8, 1244.
Einzelne Halogenalki/le. 187
von Bromaluminium sehr begünstigt*; das primäre Propylbromid ist dui'ch
4®/^ AlBrj bei gewöhnlicher Temperatur schon nach eintägigem Stehen
vollständig umgewandelt, bei Gegenwart von 10% AlBrg genügt fiint
Minuten langes Kochen*. (Das Bromaluminium bewirkt daneben Ab-
spaltung von BromwasserstofF und Grenzkohlenwasserstoffen.)
Die einzelnen Glieder: Chlormethyl CH3CI wird in Frankreich
aus der Schlempe der Rübenzuckermelassen (vgl. S. 169) fabrikmässig
hergestellt. Wird der Abdampfungsrückstand derselben der trockenen
Destillation unterworfen, so erhält man neben geringen Mengen von Theer
ein wässriges Destillat, dessen Hauptbestandtheile Methylalkohol, Ara-
moniaksalze und Salze des Trimethylamins N(CH3)g sowie anderer me-
thylirter Amine sind; letztere sind entstanden aus dem in den Rüben
enthaltenen Betain (s. d). Durch Erhitzen des salzsauren Trimethylamins
mit Chlorwasserstoff werden nun die Methylgruppen in Form von Chlor-
methyl vom Stickstoff abgespalten:
NCCHs^s.HCl + 3HC1 = SCHsCl + NH4CI.
Das Chlormethyl wird zur Flüssigkeit comprimirt und kommt, in stark-
wandigen länglichen Metallcylindern aufbewahrt, in den Handel'. Es
wird zur Kälteerzeugung verwendet (auch in der Medicin* zur Hervor-
bringung localer Anästhesie durch seine Yerdunstungskälte in Form
von „Eältetampons^*) und dient ferner zur Herstellung von reinem Chloro-
form*; fi-üher fand es auch vielfache Verwendung in der Anilinfarben-
technik, namentlich zur Darstellung des Methylgrüns, hat aber jetzt für
die Farbstoff-Fabrikation an Bedeutung verloren.
Auch andere Halogenalkyle sind zeitweise in der Anilinfarbenindustrie
verwendet worden — so das Chloräthyl, welches — obwohl bei ge-
wöhnlicher Temperatur eigentlich gasförmig — doch, in grösseren Mengen
verflüssigt, sich durch seine Verdunstungskälte in offenen Gefässen so
lange flüssig erhält, dass man bequem damit manipuliren kann, ferner
das Jodmethyl und Bromäthyl. Chloräthyl wird gegenwärtig wieder
in grossem Massstab fabricirt, da es zur Gewinnung von Aethylmercap-
tan, welches zur Herstellung des Schlafmittels „SulfonaP' dient, benutzt
wird (vgl. S. 213 u. 216). Die übrigen Halogenalkyle werden jetzt fast
nur Aar wissenschaftliche Zwecke (vgl. S. 185) und Heilzwecke dar-
gestellt. Jodmethyl, Bromäthyl, Jodäthyl gehören zu den unentbehr-
lichen Reagentien bei organisch-chemischen Arbeiten; Bromäthyl® (Aether
bromatus) wird neuerdings vielfach als Narcoticum — namentlich bei
zahnärztlichen Operationen — verwendet. Die wichtigsten Eigenschaften
der einzelnen Halogenalkyle sind in der Tabelle Nr. 6 auf S. 184 ent-
* RxKin.6 u. ScHBöTTBB, Ber. 12, 2279. ' Gustavson, Ber. 18, 958.
* ViNCEHT, Jb. 1878, 1185. ^ Vgl. Pharmac. Centralhalle 80, 85.
^ LüNOB, Schweiz. Ber. über die Klasse 45 der PariBer Weltausstellung 1889
rZüricfa, 1890X p. 42.
* Vgl. Pharmac Centralhalle 28, 272.
Darsteüung der wv-iUigsten HalogenaikyU.
halten ; es genüge daher hier die Äofdlirung der im Laboratorium ge-
blichen Darstellungsmethoden ftr die am häufigsten benutzten Ver-
agen dieser Gruppe, da daS' chemische Verhalten der einzeben
adungen keine besonderen Züge bietet, durch welche die allgemeine
kteristik (S. 183 — 186) zu ergänzen wäre.
>ftrstellung von Chloräthyl C,HjCl: Eio Gemisch von 1 Th. Chlomnl
Th. Alkohol (9S%) (e. S. 181), welches sich in einer mit Bückfluaskfihler m
len Retorte befindet, wird mit SalzsSuregas gesfittigt. Dfuin wird zum Kochro
; das ChlorSthyl entweicht durch den Kühler, w&hrend der Alkohol Eurflckdiesji:
ährt mit dem Einleiten von Chlorwaaaerstoff fort, bu lange noch ChlorSIhTl
^t. Letzteres wird durch lauwarmea Wasser gewaschen, dorch couc. Schwell
retrocknet und in einem mit einer KAltemiachuug mngebenen OeiSss coDdamrf
ventnelj, wenn man es in alknholiacher Lösung benutzen will, in Alkoliol iuf-
üD. — Da das Ghloräth;! zur Zeit technisch hergestellt wird und daher kinflicb
rd man indeas kaum mehr in die Lage kommen, es im Labor&toriuni selbst
len zu müssen.
)arstellung von BrumSthyl C,HsBr; Zu einem Gemisch von 10 g rulii^i
lor und 60 g Alkohol (95%) Ifisst man allmählich 60 g Brom unter Umschüttfln
bkiihlung fliessen. Nach einigen Stunden destillirt man das gebildete Brom-
lus dem Wssserbade ab; das Destillat wird znr Entfernung von etwas freiem
lind Alkohol mit schwacher SudaJSsung, dann mehrmals mit Wasser gewasebeo.
mit Chlorcalcium getrocknet und rectificirt.
L.uch aus Aethylschwefelsänre dnrch Einwirkung von Bromkalium ISsst ^cli
thyl vortheilhaft darstellen'; diese Daratellungsart wird besonders für dsa in
dicin zu verwendende BromSthyl empfohlen*.
)arBtellung von Jodäthyl C,HsJ: Zu einem Gemisch von 10 g rothem Phi»
ind 50 g Alkohol (95%) bringt man 100 g Jod in kleinen Portionen; iwh
^wSHetüudigem Stehen wird das Jodäthyl aus dem Waeserbade abdestilliil.
Waschen mit verdünnter Natronlaupi' und Wasser gereinigt, mit Chlorcaltinm
:net und rectificirt
0 ganz analoger Weise können normales Brom- und Jodpropyl, Broo-
odisobutyl, Brom- und Jodamyl aus den entsprechenden Alkoholen dw-
; werden; nach dem Zusammenbringen von Phosphor, Alkohol und Brom h(XK.
ird das Gemisch abdestillirt — bei den höheren über 100° siedenden Gliedern
ch nicht aus dem Wasserbade, sondern über freiem Feuer — , darauf dfc
nt durch Waschen und Recti&ciien gereinigt.
)arstellung von Jodisopropyl' CHs^CHJ-CHj: Den Ausgangspunkt büdrf
en> Falle daa Glycerin, welches durch Jodwasserstofi' in Isopropyljodid übeige-
vird. Als Zwischenprodukt bildet sich hierbei Äliyljodid CH,:GH.CH,J:
CH,(OH)-CH(OH)CH^OH) + 3HJ = 3H,0 + OH,J.GHJ-CH,J
= 3H,0 + J, + CH,:OH-CH^,
eses wird durch weitere Einwirkung der Jodwasseratof&äure unter intermedilnr
g von Propylenjodid in Isopropyljodid umgewandelt;
CH,:CH-CH,J + HJ = CH,-CHJCH,J,
CHs-Cnj-CHjJ + HJ = CH.CHJ.CH, + J,.
■flgt 5S Th. gelben Phosphor allmählich in kleinen Stücken in ein Oemeng«'
0 Th. Glycerin (spec. Gew. 1.25), 160 Tb. Wasser und SOO Th. Jod an '^^
Waobkb's Jahresber. 1878, 588. » Vgl. Pharmac. Centralballe Sl, l^''
Vgl. Markownikow, Ann. 188, S64. — Maibot, Ann. eh. [Gl IB, 345.
Fliuyralkyle. 189
destillirt darauf, so lange noch ölige Flüssigkeit übergeht; das Destillat ^ird zurück-
gegoesen und nochmals destillirt; mau wäscht es darauf mit Sodalösung und Wasser,
trocknet es mit Chlorcalcium und rectificirt.
Isopropjlbromid CH3 • CHaBr • CHg wird zweckmässig durch Einwirkung von
Brom auf Isopropyljodid gewonnen*.
In ähnlicher Weise, wie Isopropyljodid aus Glycerin, wird secundäresButyl-
Jodid' CHaCHjCHJ.CHs aus Erythrit, secundäres Hexyljodid» CHaCHjCH,.
CHs-CHJ-CHs aus Mannit dargestellt.
Fluoralkyle*: C,ft„^iFI.
Die Fluoralkyle, welche viel geringere Wichtigkeit als die Halogen-
alkyle besitzen, können durch Erwärmen der alkylschwefelsauren Salze
mit Fluorwasserstoff-Fluorkalium:
^nH.i„ + , O-SOsK + KPIHPI = C„H,„ + i Fl + K^SU^ + HFl
iKler durch Einwirkung von Jodalkylen auf Fluorsilber (in der Kälte
oder ganz gelinder Wärme):
C,H,„ + ,J + AgFl = C„H,^ + i -Fl + AgJ
erhalten werden. —
Fluormethyl: CHsFl ist ein farbloses Gas, welches bei einem Druck von
:{2 Atm. flüssig wird, und von dem sich 193 ccm in 100 ccm Wasser von 18*^ lösen.
— Fluoräthyl: CjHgFl wird unter gewöhnlichem Druck bei —32®, unter 8 Atm.
bei +19® flüssig und verwandelt sich bei rascher Veixiampfung vorübergehend in
eine schneeige Masse. Es riecht ätherisch, greift Glas nicht an; 100 ccm Wasser von
14® absorbiren 198 ccm, beim Erwärmen wird das Gas wieder ausgetrieben. Es ver-
brennt mit blauer Flamme unter Entwickelung von Fluorwasserstotf. Durch Kali-
lauge wird es bei 100® in Fluorkalium, Aether und Alkohol zerlegt. Auf Thiere
wirkt es in kleineren Mengen aufregend, in grösseren Mengen tödtlich. — Fluor-
propyl: CH3 • CH, • CHjFl ist ein ätherisch riechendes, mit leuchtender Flamme bren-
nendes Gas, dessen Mischung mit Sauerstoff mit violettrothem Lichte verpufft; es
verflüssigt sich gegen +2®. — Fluorisopropyl: (CH8)jCHFl verflüssigt sich gegen
— 5®. — Fluorisobutyl: (CH8)s ('H-CHjFl condensirt sich bei +16® zu einer wenig
angenehm riechenden Flüssigkeit und verbrennt unter Abscheidung von Buss und
Flosssänre.
IL Einfache und gemisehte Alkyläther.
Allgemeine Zusammensetzung: C^K^n ^ 3O.
Zusammensetzung, Constitution und Isomerien. Als Aether
bezeichnet man Verbindungen, welche durch Zusammentritt von zwei Mole-
» R. Meyer, J. pr. [2] 84, 105. * Lüyneö, Ann. eh. [4J 2, 407.
• Erlenkeyer u. Wanklyn, Ann. 186, 130. — Hecht, Ann. 186, 147; 209, 311.
— DoMAc, Monatsh. 2, 310.
* Dumas u. PtuaoT, Ann. 16, 59. — Fr^hy, Ann. 92, 247. — Younq, Joum.
Soc. 80, 489. — Seubert, Ber. 18, 2646. — Moissan, Compt rend. 107, 260, 992,
1155: Ann. eh. [6] 19, 266. — Collie, Joum. Soc. 1889 I, 110. — Meblans, Compt.
rend. 108, 352.
EinfarJie, und gemisehis Aether.
lesselben oder zweier verschiedener Alkohole unter Aus-
üs Wasser entstehen:
2C,H,0-H,0 = C^H,„0; Aethyläther;
0 + CHjO-H,0 = CjHgO; MethyläthylÄther.
, dass diese Verbindungen ebenso wie die Alkohole die
imensetzung (^uH^,, ^ jO besitzen milsseu, und Verbin-
ler Kohlenstoffzahl aus beiden Klassen demnach einandej-
r Grund dieser Isomerie ist bereits in der Einleituug
ickelt worden (S. 62 — 66). In den MolecOlen der
wir ein Sauerstoffatom einerseits an einen Älkjlrest.
ein Wasserstoffatom gebunden, in den Molecfilen der
s an Älkylreste gebunden:
■H: AethjUIkohol; CH,~0— CH,: Dimethyläther.
inen als Hydroxyde, die Aether als Oxyde der Alkyl-
werden :
H,n + iOH: Alkohol; (C„H,„^,),0: Aether.
beiden durch das Sauerstoffatom verknüpften Älkylreste
angleichartig sind, unterscheidet man „einfache" und
ether,
:he Älkylreste von gleicher Kohlenstoffzahl enthalten,
Btändlich einander isomer sein, wenn die Älkylreste
ictur besitzen:
,. CH,-CH,-CH,v {CH,),CH,
/ ' (CH,),CH/ ' (CH,),CH/
lei PropyliBopropylÜtheT DiUopropylSther.
:, welche Älkylreste von ungleicher Kohlenstoffzabl ent-
dieselbe Zusammensetzung und sind daher einander
e Summe der in den beiden Alkylresten enthalteDen
gleich bleibt:
hyUmyl-, Aethylbutyl-, DipropylSther.
der Isomerie bezeichnet man wohl auch als Meiamerie.
isen. Besonders beweisend filr die Constitution der
Bildung aus Natrinmalkobolaten und Haloge»-
mbom'):
CH,-ONi + J. C,H, = NaJ +CHb.OC,Hj.
; 81, 13. — Vgl. auch RBWut, Compt rend. 108, S9 «. 162. -
idigkeit dieser Reactiou in verschieden eu Ffillen e. Coiib*d u-
physik. Chem. 4, 631.
Bildungsweisen der AeÜier. 191
Nach dieser Reaction können sowohl einfache wie gemischte Aether er-
halten werden; sie wird besonders zur Gewinnung der einfachen Aether
aus den höheren Reihen und der gemischten Aether angewendet.
Die einfachen Aether der drei ersten Reihen ^ können in sehr bequemer
Weise durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf
die Alkohole dargestellt werden. Diese Reaction gehört zu den am
frühesten beobachteten Vorgängen der organischen Chemie; nach ihr
wurde bereits im 16. Jahrhundert Diäthyläther aus Weingeist dargestellt.
Ihre Erklärung hat in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts Discussionen
zwischen den hervorragendsten Chemikern hervorgerufen, welche auf die
Entwickelung der chemischen Theorien grossen Einfluss gehabt haben.
Man glaubte den Aetherbildungsprocess zunächst als in einer einfachen
durch die Schwefelsäure bewirkten Wasserentziehung bestehend auffassen
zu dürfen. Diese Ansicht wurde hinfällig, als es sich zeigte, dass alles
bei der Reaction gebildete Wasser zugleich mit dem Aether abdestillirt,
und dass man mit einer kleinen Menge Schwefelsäure eine unverhältniss-
mässig grosse Menge Alkohol in Aether verwandeln könne. Man schrieb
dann der Schwefelsäure eine „katalytische" Wirkung (Contactwirkung) zu,
womit eben nur der Mangel einer genügenden Erklärung zugegeben wurde.
Die Reaction wurde endlich durch Williamsou's ^ scharfsinnige und sorg-
faltige Versuche (1851) in abschliessender Weise aufgeklärt. Die Bildung
des Aethers aus Alkohol erkannte Williamson als in zwei einander
folgende Reactionen zerfallend; es entstehen zunächst aus Alkohol und
Schwefelsäure Aethylschwefelsäure und Wasser:
C,H».OH + OHSOfOH = C.HöOSOjOH + H,0;
die Aethylschwefelsäure reagirt dann auf neu zufliessende Mengen von
Alkohol unter Bildung von Aethyläther und Wiedererzeugung der Schwe-
felsäure:
CjHjO. SOj.OH + CjHj. OH = (C8H5),0 + OH- SO,. OH.
Würde nicht gleichzeitig die Schwefelsäure theilweise zu schwefliger
Säure reducirt werden, so könnte dieser continuirliche Aetherbil-
dungsprocess beliebig lange fortgesetzt werden, und die kleinste Menge
Schwefelsäure würde zur Umwandlung beliebiger Quantitäten von Alkoholen
aasreichen. — Der in den obigen Gleichungen angenommene Reactions-
verlauf wird besonders durch den Nachweis gestützt, dass bei der Ein-
wirkung von Schwefelsäure auf ein Gemisch von zwei Alkoholen (z. B.
Methyl- und Aethylalkohol) sich der gemischte Aether (Methyläthyläther)
neben den beiden einfachen Aethem (Dimethyl- und Diäthyläther) bildet'.
— Phosphorsäure und Arsensäure wirken der Schwefelsäure ähnlich.
Die ErklftruDg des Aetherbildungsprocesses war nicht die einzige Frucht jener
UntenocfaiiDgen Wiluaxson^s, welche vielmehr von grösster allgemeiner Bedeutung
^ YgL NoBTox u. pRBsooTT, Amer. ehem. Joum. 6, 241.
• Ann, 77, 87; 81, 73.
' Vgl. auch NoBTON u. Poescott, Amer. ehem. Joum. 6, 244.
192 Allgemeine Charakteristik der Aether,
für die Umgestaltung der theoretisch -chemischen Anschauungen wurden. Die Ent-
deckung, dass aus Kaliumäthylat und Jodäthyl der Aethyläther entsteht, und die
Auffindung der gemischten Aether brachten die lange umstrittene Frage nach dem
gegenseitigen Verhältniss von Alkohol und Aether zum Abschluss. Während man
vorher vielfach dem Alkohol und Aether Formeln mit gleich viel Rohlenstoffiitomen
zuertheilt hatte, konnte es nun nicht mehr zweifelhaft sein, dass die Formel des
Aethers doppelt so viele Kohlensto£6ätome aufweisen müsse als diejenige des Alkohols.
Die Richtigkeit des schon früher aufgetauchten Gedankens, dass Alkohole und Aether
als Abkömmlinge des Wassers amsusehen sein, wurde durch die neuen Thatsachen
auf's deutlichste erwiesen. Dies aber hatte wieder zur Folge, dass man die mole-
üulare Zusammensetzung des Wassers als der Formel H^O entsprechend anerkennen
musste. Die Durchfuhrung der Reform der Atomgewichte, welche schon mehrere
Jahre vorher von Gerhardt und Laurent angeregt war, wurde nun unabweisbar.
Aether bilden sich ferner bei der Einwirkung von trockenem Silber-
oxyd auf die Halogenalkyle ^ :
Ag,0 + 2C,H5J = 2AgJ -f. (C,H5),0.
Auch bei der Zersetzung der Halogenalkyle durch Erhitzen mit
Wasser unter Druck entstehen zuweilen Aether, wenn nur eine geringe
Menge Wasser zugegen ist:
2C,H6C1 -f- H,0 = C,H,C1 -t- CjH^OIi + HCl
= (OaH5),0 -\- 2 HCl.
Allgemeine Charakteristik. Der Dimethyläther ist bei gewöhn-
licher Temperatur ein Gas ; vom Diäthyläther aufwärts stellen die Aether
Flüssigkeiten dar, welche leichter als Wasser und darin nur wenig lös-
lich sind. Während die niederen Glieder der Alkoholreihe mit Wasser
sich in jedem Verhältniss mischen, giebt es keinen einzigen Aether, der
mit Wasser mischbar wäre. Es ist dies ein specieller Fall einer all-
gemeinen Erscheinung; die Gegenwart der Hydroxylgruppe — OH be-
dingt eine gewisse Löslichkeit in Wasser; wird aber das Wassei-stoff-
atom der Hydroxylgruppe durch Radicale ersetzt, so wird die Löslicb-
keit aufgehoben oder wenigstens erheblich vermindert (vgl. S. 200).
Die hochmolecularen Aether sind krystallisirbar. Der Siedepunkt des
Dimethyl- und Diäthyläthers liegt erheblich niedriger als der Siede-
punkt der entsprechenden Alkohole. Ueberhaupt siedet ein Aether,
welcher durch Eintritt einer Methyl-, Aethyl-, Propyl- oder Isopropyl-
Gruppe in die Hydroxylgruppe eines Alkohols entsteht, stets niedriger
als dieser Alkohol; durch den Eintritt von Isobutyl- Gruppen wird der
Siedepunkt des Alkohols nicht erheblich verändert, durch den Eintritt
von normalem Butyl oder von höheren Alkylresten dagegen wesentlich
erhöht. — Die folgende Tabelle Nr. 7 enthält oben die Eigenschaften
einiger einfacher Aether, unten einiger gemischter Aether, deren eines
Radical stets Aethyl ist.
1 WüETZ, Ann. eh. [3] 46, 222.
Tabellarische lieber sieht über die Alkyläther.
193
Tabelle Nr. 7
«
•
Siedepunkt
1
Spec.
Gewicht
C,H,0
Dimethyl-Aether *•'•*' . . .
—23.60
C4H.0O
Diäthyl- „ »-*"»7. .
+ 34-60
0-731(40)
C,H„0
Dipropyl- „ ^ ^ . . .
+ 90-7°
0-763(00)
C.H„0
Diisopropyl- „'*...
690
0-743(00)
C,H„0
Di-n-butyl- „ »-»0 . . .
1410
0-784(00)
C,H„0
Di-sec.-butyl-Aether" . .
1210
0-756(210)
C,H„0
Diisobutyl- „ »«" . .
1220
0-762(150)
C,oH„0
Diisoamyl- „ " . .
170—1750
0-799(00)
CjjHjgO
Di-sec-Hexyl- „ ^* . .
203—2080
—
C.,H„0
Di-norm.Octyl- „ " . .
280—2820
0-805(170)
Dicetylfither**: C82HaaO schmilzt bei
55
C,H«0
'«■•8
Siedepunkt
Spec.
Gewicht
C,H„0
C.Hj.O
C,H,«0
C.H„0
C^HigO
CgHigO
CgHggO
-methyl-äther*'-*^
+ 11
6.18
>»
>>
V
18
17.S>— 98
24
S5
15
63—640
540
920
78—800
1120
134—1370
1650
182—1840
0-739(200)
0-745(00)
0-769(0 0)
0-751
0-764(180)
0-790(160)
0-794(170)
-propyl- „
-isopropyl-ätber*® .
-norm. butyl-äther*o
-isobutyl-
-isoamyl-
-norm. hexyl-
-norm. heptyl- „
-norm, octyl- „
Aethylcetyläther'^rCigHjgO schmilzt bei 200.
Citate zu der Tabelle Nr. 7: ^ Erlenmeyer u. Kriechbaumer, Ber. 7, 699. —
' Reonault, Jb. 1863,, 70. — « E. Schiff, Ann. 220, 332. — * Squibbs, Chem. News 51,
66, 76. — * Cha>xel, Ann. 151, 304. — • Linnemann, Ann. 161, 37. — ' Zander,
Ann. 214, 163. — ^ Erlenmever, Ann. 126, 306. — * Lieben und ßossi, Ann. 165,
110. — *o Reboul, Compt. rend. 108, 39, 162. — ** Kessel, Ann. 175, 50. —
" WuKTz, Ann. eh. [3] 42, 153. — ** Würtz, J. pr. 68, 150. — '* Erlenmeyer und
Wanklyn, Ztschr. Chem. 1863, 282. — ^^ Möslinoer, Ann. 186, 56. — *« Fridau,
Ann. 83, 22. — " Williamson, Ann. 81, 77. — " Brühl, Ann. 200, 177. — " Mar-
KowsiKOw, Ann- 138, 374. — *o Ligg^jj ^ Rossi, Ann. 158, 167. — " Kopp, Ann.
64, 214. — " Rbboül u. Pruchot, Ztschr. Chem. 1867, 439. — " Guthrie, Ann. 105,
37. — •* Lieben u. Janeczek, Ann. 187, 139. — ^^ Cross, Ann. 189, 5. — *® Becker,
Ann. 102, 220. — " Vgl. ferner die Citate auf S. 194—198.
In ihrem chemischen Verhalten sind die Aether durch grosse Be-
ständigkeit ausgezeichnet. Alkalien und verdünnte Säuren, Phosphor-
pentachlorid in der Kälte wirken nicht ein; Natrium entwickelt keinen
Wasserstoff. — Beim Erhitzen mit angesäuertem Wasser findet
unter Wasseraufhahme Spaltung in zwei Molecüle Alkohol statt:
(C,H5),0 + HjO = 2CjH6 0H;
V. Mkyxii o. Jacobson, org. ChenL I. 13
194 Chemisches Verhalten der Aether,
sehr langsam tritt diese Alkoholbildnng auch schon bei gewöhiüicher
Temperatur ein; die Aether mit secundären Radicalen erleiden sie yiel
leichter als die Aether mit primären Radicalen ^ — Concentrirte
Schwefelsäure erzeugt in der Wärme mit den Aethem Aetherschwefel-
säuren :
(CjH5),0 + 2SO4HJ = 2C,H5.S04H + H,0.
Sättigt man die Aether bei 0® mit Jodwasserstoff, so werden sie in
Jodalkyle und Alkohole gespalten:
und zwar tritt bei gemischten Aethem das kohlenstoffarmere Radical an
Jod gebunden aus; die Spaltung erfolgt besonders leicht bei Aethem,
welche die Methylgruppe enthalten*. Auch Jodphosphonium bewirkt
schon in der Kälte Abspaltung von Jodalkylen aus Aethem. — Beim
Erhitzen mit starker Jodwasserstoffsäure werden beide Radicale in Jod-
alkyle übergeführt:
Durch Salpetersäure und Chromsäure werden die Aether zu denselben
Produkten oxydirt, wie die Alkohole mit gleichem Alkylrest. Dagegen
wirkt Chlor einfach unter Ersetzung von Wasserstoffatomen der Alkyl-
reste ein.
Einzelne GUieder. Dimethylftther (0113)20 wird aus Methylalkohol
und Schwefelsäure gewonnen; man hat vorgeschlagen, ihn, zur Kälte-
erzeugung zu benutzen'; doch hat er wohl kaum in grösserem Massstab
Verwendung gefunden. Bemerkenswerth ist sein Verhalten zu Chlor-
wasserstoff*; die beiden Gase vereinigen sich unter Contraction ; es ent-
steht eine flüssige Verbindung, welche bei —1^ siedet und sich dabei
theil weise, aber nicht vollständig dissociirt; von Wasser wird sie
sofort zersetzt. Ihre Analyse ergab auf die Formel (CH3)20.HC1 an-
nähernd stimmende Werthe (vgl. S. 58 Anm.).
Diäthyläther (Schwefeläther, auch Aether schlechthin genannt)
(C2Hß)20 ist in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entdeckt. Seine
Zusammensetzung wurde 1807 von Saussure und 1815 von Gay-Lussac
festgestellt. Er wird fabrikmässig^ aus Aethylalkohol und concentrirter
Schwefelsäure gewonnen (vgl. S. 191). Zu seiner Darstellung erhitzt man
eine Mischung von 5 Th. Alkohol (90^/^) und 9 Th. concentrirter Schwefel-
säure auf etwa 130 — 140^; es destillirt ein Gemisch von Aether, Wasser
und etwas Alkohol ab, und in demselben Mass lässt man in die er-
hitzte Flüssigkeit, deren Temperatur auf 130 — 150^ zu erhalten ist.
» Eltkkopp, Ber. 10, 1902. ' Silva, Ber. 8, 1352; 9, 852.
» Tellier, Arch. Pharm. [3] 10, 57. — Jb. 1877, 1157.
* Friedel, Ber. 8, 548, 642, 777, 1193, 1348.
^ Vgl. über die technische Darstellung: Stohmann-Kerl, Encjklop. Handb. der
techn. Chemie I., 8--16 (4. Aufl. Braunschweig 1888).
Diäthyläther (Darstellung, Prüfu/ng, Eigenschaften), 195
neue Mengen von Alkohol nachfliessen. Man kann im Ganzen etwa die
sechsfache Menge des ursprünglich in der Mischung enthaltenen Alkohols
umwandeln. Das Destillat wird zur Entfernung von Alkohol und von
schwefliger Säure mit alkalihaltigem Wasser, dann mit reinem Wasser
gewaschen, darauf mit Chlorcalcium getrocknet und rectificirt. Käuflich
sind verschiedene Aethersorten vom spec. Gew. 0-728, 0-722 und 0-720
(reiner Aether hat bei 15-6^ ein spec. Gew. von 0-718). — Der beige-
mengte Alkohol haftet dem Aether höchst hartnäckig an; man kann ihn
durch sehr oft wiederholtes Schütteln mit immer erneuten kleinen Mengen
von Wasser^ entfernen. Um ganz wasser- und alkoholfreien Aether zu
erhalten, lässt man nach dem Ausschütteln mit Wasser und dem Trock-
nen mit Chlorcalcium noch etwa 12 Stunden über dünnen Natrium-
scheiben oder Natriumdraht stehen und destillirt dann aus dem Wasser-
bade ab. — Auf einen Wassergehalt kann man durch Schütteln mit dem
gleichen Volum Schwefelkohlenstoff prüfen; bei wasserfreiem Aether tritt
keine Trübung ein. Ein Alkoholgehalt zeigt sich beim Schütteln mit
etwas essigsaurem Rosanilin; wasser- und alkoholfreier Aether färbt sich
nicht mit diesem Reagens^.
Der Aethyläther ist eine äusserst bewegliche Flüssigkeit von ange-
nehmem Geruch. Er erstarrt* bei —129^ krystallinisch und schmilzt
bei — 117-4 ^ Wasser und Aether lösen sich gegenseitig in gewissen
Mengen; bei 25® erfordert 1 Vol. Aether 11-1 Vol. Wasser zur Lösung 2;
umgekehrt können 100 Vol. Aether bei 12*' 2 Vol. Wasser lösen*. Sehr
reichlich löst sich Aether in starker Salzsäure auf; 1 Vol. 38-5procentige
Säure löst bei 10® 1-67 Vol. Aether*-^ (man darf daher stark salzsaure
Lösungen nicht ausäthern). — Der Aetherdampf bewirkt beim Ein-
athmen Bewusstlosigkeit. Aus diesem Grunde wurde Aether vor der
Einfuhrung des Chloroforms bei chirurgischen Operationen als Betäu-
bungsmittel angewendet.
Aether ist ein vortreffliches Lösungsmittel für sehr viele orga-
nische Verbindungen; wegen dieser Eigenschaft wird er bei der Dar-
stellung organischer Verbindungen sowohl im Laboratorium wie in der
Technik vielfach als Lösungsmittel — theils zum Krystallisiren, theils
zum Ausschütteln von wässrigen Lösungen oder Gemischen von wässrigen
und öligen Schichten (Ausäthern) — benutzt. Aber auch viele an-
organische Substanzen — so z. B. Jod, Chromsäure, Eisenchlorid, Queck-
silberchlorid, Quecksilberjodid, Zinnchlorür — lösen sich in Aether auf,
worauf man bei der Reinigung organischer Verbindungen durch Aether
stets Rücksicht nehmen muss. — Beim Manipuliren mit Aether muss
man wegen seiner Entzündlichkeit und der Eigenschaft seines Dampfes,
* Vgl. Lieben, Ann. Suppl. 7, 221.
* Vgl. über diese Prüfungen Squibbs, Chem. News 61, 69 u. 76.
* Olszewski, Monatsh. 6, 128. *• Napier, Bull. 29, 122.
* Dbapeb, Jb. 1877, 76.
13*
196 Diäthyläther (Verwendung im Laboratorium ufid in der Technik,
mit Luft ein heftig explodirendes Gemenge zu geben, vorsichtig ver-
fahren. Hat man ätherische Lösungen im Laboratorium abzudestillireii.
so destillirt man daher nicht über freiem Feuer, sondern aus einem
Wasserbade, das vor Beginn der Destillation mit warmem Wasser be-
schickt wird, und füllt, wenn während der Destillation das Wasserbad
sich zu sehr abkühlt, von Neuem warmes Wasser ein, welches an
einem entfernten Ort erwärmt wurde. Auf diese Weise vermeidet man
das Brennen von Flammen in der Nähe des Destillationsapparates,
welche eine Entzündung der Dämpfe verursachen könnten. Selbst-
verständlich hat man stets in Anbetracht der Flüchtigkeit des Aethei>
einen möglichst langen Wasserkühler anzuwenden. — Sehr häufig hat
man in einer grösseren Menge Aether eine verhältnissmässig kleine
Menge einer höher siedenden Flüssigkeit gelöst, welche nach dem Ab-
destilliren des Aethers für sich destillirt werden soll. Würde man nun
einen grossen Kolben anwenden, welcher die ganze Menge der ätherischen
Lösung fassen kann, so hätte man nach dem Verjagen des Aethers die
Flüssigkeit in einem unverhältnissmässig grossen Gefäss und würde
durch Umgiessen in ein Destillirgefäss von angemessener Grösse be-
trächtlichen Verlust erleiden. Man benutzt daher von vornherein einen
Siedekolben (s. Fig. 31, S. 103) von solcher Grösse, dass er voraussicht-
lich zur Aufiiahme der rückständigen Flüssigkeit passen wird, befestigt
im Hals desselben mittelst eines durchbohrten Korks einen Tropftrichter
mit Glashahn, steckt die Kugel des Siedekolbens in ein warmes Wasser-
bad und verbindet sein Abflussrohr mit einem Wasserkühler; nun lässt
man aus dem Tropftrichter die ätherische Lösung allmählich in den
Siedekolben fliessen in demselben Mass, als der Aether abdestillirt. So
gelingt es, ohne Verlust die im Aether gelöste Substanz nach dem Ab-
treiben des Aethers unmittelbar in einem für die weitere Destillation
passenden Gefäss zu erhalten.
Von technischen Verwendungen des Aethers sei seine Benutzung
zur Herstellung des Collodiums und zur Reinigung der Schiessbaumwolle
für die Darstellung von Sprengstoffen erwähnt.
Der Aethyläther tritt mit vielen anderen Substanzen zu Additions-
produkten zusammen. Mit Brom^ entsteht die Verbindung C^HjjjO.Br^,
welche unter 0^ zu einer chromsäureähnlichen Masse erstarrt und bei
+ 22^ wieder schmilzt. Mit vielen Metallbromiden und Metall-
chloriden bilden sich krystallinische Verbindungen^ (z.B. HgBr2.3C4Hi(,Ü.
AlBrg.C^HjoO, SnCl^.C^Hi^^O u. s. w.).
Aether, auf Platinschwarz getropft, entzündet sich. Wenn man
durch reinen Aether längere Zeit ozonhaltige Luft leitet oder ihn mit
Wasserstoffsuperoxyd anhaltend schüttelt, so bilden sich kleine Mengen
von Vinylalkohol CH2:CH(0H). Letzterer entsteht aber unter gleicb-
* ScHt'TZENBEROER, Anii. 167, 86.
* 8. Kuhlmann, Ann. 88, 107. — Nickles, Jb. 1861, 199, 593; 1864, 252.
Additionsprodukte, Oxydationsprodukte). 197
zeitiger Bildung von Wasserstoffsuperoxyd ^ auch schon bei der Einwirkung
des atmosphärischen Sauerstoffs auf den Aether:
CHj . CH,v _ CH, : CH . OH HO |^
CH,.CH
/- -T- -3 - ^ ^ CH-OH ^ HO
Vinylalkohol ist daher ein ständiger Begleiter des Aethers^
Man erkennt seine Gegenwart, wenn man ein klares Gemisch von 4-5
Yol. einer gesättigten Kaliumbicarbonatlösung und 1 Vol. gesättigter
yuecksilberchloridlösung mit dem Aether durchschüttelt, daran, dass sich
nach 10 — 20 Minuten in dem wässrigen Theil der Mischung ein weisser
amorpher Niederschlag (Vinylquecksilberoxychlorid HggClgOgCgHg) bildet.
Es sind häufig beim Abdampfen von Aether, welcher längere Zeit auf-
bewahrt war, heftige Explosionen vorgekommen^; dieselben sind wahr-
schemlich auf die Gegenwart des Wasserstoffsuperoxyds, welches bei der
Luftoxydation neben Vinylalkohol entstanden ist, zurückzuführen. Man
reinigt den Aether von Wasserstoffsuperoxyd, indem man ihn mit wäss-
riger schwefliger Säure schüttelt und dann von schwefliger Säure wieder
durch Schütteln mit Kalkmilch befi'eit. Den Vinvlalkohol entfernt man
durch Destillation des Aethers mit Phenylhydrazin, wobei er als Acetal-
dehyd-hydrazon zurückbleibt, oder auch durch wiederholtes Schütteln
mit Wasser oder obiger Quecksilberoxychloridlösung, ferner durch Be-
handeln mit Brom oder Kaliumhydroxyd.
Beim Einleiten von trockenem Ozon in absoluten Aether bildet eich Aethyl-
8uperoxyd* (CaHj^Os (Vj: ein dicker Syrup, der bei —40° nicht erstarrt und sich
mit Wasser unter Zerfall in Alkohol und Wasserstoffsuperoxyd mischt. Beim Erhitzen
destillirt es theilweise über, zuletzt aber tritt eine heftige Explosion ein. — Bei der
langsamen Verbrennung des Aethers — wenn man Aetherdampf mit Luft ge-
mengt über schwach glühendes Platin streichen lässt, wobei man im Dunkeln das
Auftreten einer mattblauen Flamme beobachtet, — erhält man durch Condensation
tler Verbrennungsprodukte eine saure Flüssigkeit: die sogenannte Aether- oder
Lampensäure. Sie ist ein Gemisch von verschiedenen Substanzen; Ameisensäure,
Essigsäure, Formaldehyd, Acetaldehyd sind in ihr enthalten, ferner eine eigenthümliche
krystallisirbare Substanz : das Hexaoxymethylenhyperoxyd^ (CHaO^Og -f SH^O,
dessen wiissrige Lösung mit Alkalien Wasserstoff unter gleichzeitiger Bildung von
Ameisensäure entwickelt und aus Jodkalium in schwefolsaurer Lösung Jod abscheidet.
Chlorderivate des Aethers^: Giesst man einige Tropfen Aether
in eine mit Chlor gelullte Flasche, so erfolgt Explosion. Leitet man
aber Chlor anfangs unter starker Abkühlung und im Dunkeln, später
* Vgl. dagegen Dinstän u. Dymond, Journ. Soc. 57, 574.
« Poleck u. Thümmel, Ber. 22, 2863.
' Vgl. Schab, Chem. Centralbl. 1887, 1100. — König, Landwirthschaftl. Versuchs-
Stationen 87, 1.
* Berthelot, Bull. 86, 72. ^ Legler, Ann. 217, 381; Ber. 18, 3343.
* Liebig, Ann. 1, 220. — Reonault, Ann. 34, 27. — .Malaoutj, Ann. 32, 15; Ann.
cL '3; 16, 5. — Lieben, Ann. 111, 121 ; 146, ISO; 178, 29. — Abeljanz, Ann. 164, 197. —
Jacobsen, Ber. 4. 215. — Natterer, Monatsh. 5, 491. — Wislicenus, Ann. 226, 261.
198 Diäthyläther (Chlorderivute),
bei höherer Temperatur in Aether ein, so findet eine ruhige Substitution
der Wasserstoifatome durch Chlor statt. Sehr merkwürdig ist die Reihen-
folge, in welcher die einzelnen Wasserstoflfatome substituirt werden.
Der zuerst entstehende Monochloräther (Sdpkt. 98®) besitzt die Con-
stitution CgH.-O-CHCl-CHg, wie aus dem durch Schwefelsäure bewirkten
Zerfall:
'\o + H,0 = CsHjOH + CHgCHO + HCl
CH,.CHCK
in Salzsäure, Alkohol und Aldehyd sich ergiebt. Das zweite Chloratom
tritt nun nicht etwa in die symmetrische Stelle der zweiten Aethylgruppe
ein; dem Dichloräther kommt vielmehr die Formel CHjCl-CHCl-O-C^Hg
(s. unten) zu. Auch die weiter eintretenden Chloratome suchen zunächst
stets die schon chlorirte Aethylgruppe auf; es entstehen Trichloräther
CHCl^-CHClO-CgHs, Tetrachloräther CClg-CHCl-OCj^Hß, Penta-
chloräther CClg-CClg-OCgHg. Auf die zweite Aethylgruppe erstreckt
sich die Substitution erst beim Arbeiten im directen Sonnenlicht. Man
erhält endlich den Perchloräther CgClg-O-CjClg! einen festen, stechend
nach Campher riechenden Körper vom Schmelzpunkt 69 ^ Von diesen
Chlorsubstitutionsprodukten des Aethers wird der Dichloräther häufiger
zu Synthesen angewendet. Er siedet unter geringer Zersetzung bei 140
bis 145® und besitzt bei 23® das specifische Gewicht 1-174. Die Stellung
der Chloratome in demselben ergiebt sich als obiger Formel entsprechend
g,us seiner Zersetzung in Alkohol und Chloraldehyd (CHgCl-COH) durch
Erhitzen mit Wasser:
CHsClCHClO.CsHj + H,0 = CH.Cl.CHCl.OH + CjH^.OH
= CHjClCHO + HCl -f- CA- OH.
Als Beispiel seiner Anwendbarkeit sei die Beaction mit über-
schüssigem Zinkäthyl erwähnt:
CjHj . 0 . CHCl C4H5 . 0 . GH . CjHj
I + ZnCCsHs), = ZnCl^ -f- I ;
CHjCl CHj.CjHg
die beiden Chloratome werden durch Aethylgruppen ersetzt, und es ent-
steht ein gemischter Aether: Aethyl-sec.-Hexyläther (auch Biäthyl-
äther = zweifach äthylirter Aether genannt; Siedepunkt 132®).
III. Alkylester der Mineralskuren.
Zusammensetzimg, Constitution und Eintheilung. Von den
Aethern, welche in ihrem Molecül zwei Alkoholreste durch ein«Sauer-
stofifatom verknüpft enthalten, unterscheidet man nach einem Vorschlage
von Gmelin diejenigen Verbindungen, in deren Molecül ein Sauerstoff-
atom mit einer Valenz einen Alkoholrest, mit der anderen einen Säure-
rest bindet, wie
^>0 ; >0 ; >0
NO/ NO/ CH,-CO/
Alkylesier der Mineralsäuren, 199
als Ester; im Sprachgebrauch wird diese zweckmässige Unterscheidung
freilich leider nicht immer festgehalten, wie die ihr widersprechenden
sehr gebräuchlichen Bezeichnungen Salpeteräther (für CjHg-O'NOg),
Essigäther (C^Hg-O-CO-CHj) u. a. zeigen. Die Ester können einerseits
als Alkoholabkömmlinge aufgefasst werden, welche das Wasserstoffatom
der alkoholischen Hydroxylgruppe durch ein Säureradical ersetzt ent-
halten, z. B. CgHß-O-NO, CaHßO-NOj (aus CJl^OB) u. s. w. Sie
können ebenso gut als Abkömmlinge der Säurehydrate angesehen werden
— entstanden durch Eintritt eines Alkoholradicals in die Hydroxylgruppe
des Säuremolecüls: NO-O-C^Hg (aus NO -OH), NOa-OC^Hß (aus NOgOH).
Der Alkylrest ist in ihnen auf gleiche Weise gebunden, wie das
Metallatom in den Salzen der Säuren; die Ester erscheinen gewisser-
massen als die „Alkylsalze" der Säuren. Diese Auffassung ihrer Con-
stitution findet ihre Begründung hauptsächlich in der Bildung der Ester
durch .doppelte Umsetzung zwischen Metallsalzen und Halogenalkylen:
SO,(O.Ag), + 2C^U,J = SOjCOCjHft), + 2AgJ.
Alle anderen Bildungsweisen und Reactionen stehen mit derselben im
besten Einklang, wie \mieji hervortreten wird.
Von mehrbasischen Säuren können sich mehrere Arten von Estern
ableiten,^ je nachdem die Hydroxylgruppen des Säuremolecüls sämmtlich
oder nur zum Theil esterificirt sind, z. B.:
so, und SO,
OCJI.a + 1. OH.
Im letzteren Falle, wenn nicht in alle Hydroxylgruppen Alkylreste ein-
getreten sind, enthalten die Verbindungen noch Wasserstoffatome, welche
durch Metallatome vertretbar sind. Sie besitzen demnach noch Säure-
charakter, man bezeichnet sie daher als „Estersäuren" und unter-
scheidet von ihnen die vollständig esterificirten Verbindungen als „neu-
trale Ester". Estersäuren und neutrale Ester stehen zu einander in
demselben Verhältniss, wie saure und neutrale Salze.
Blldungsweisen. Die Ester entstehen oft direct aus den Alko-
holen und Säurehydraten durch Wasserabspaltung, z. B.:
CgHsOit + OH- NO, = H,0 + C^ONO,.
Da indessen das in der Beaction entstehende Wasser umgekehrt wieder
eine Spaltung des Esters in seine Componenten:
CgH^ONO, + H,0 = CjHjOH + NO^OH
zu bewirken sucht, so erfolgt eine solche Esterificirung bei Anwendung
von äquivalenten Mengen niemals vollständig, sondern schreitet nur bis
zur Herstellung eines bestimmten Gleichgewichtszustandes zwischen
Alkohol, Säure, Ester und Wasser vor. (Näheres hierüber vgl. in Kap. 10,
3. Abschn. unter „Alkylester der Fettsäuren".) Ein Ueberschuss eines
der in Reaction tretenden Bestandtheile erhöht die Ausbeute. Aus
200 Alkylester der Mineralsäuren,
mehrbasischen Säuren entstehen in dieser Reaction hauptsächlich die
Estersäuren.
Der glatten Bildung von Estern aus Metallsalzen der Säuren
und Halogenalkylen:
As(0Ag)3 + 3JC2H5 = 3AgJ + Ab(O.CjH3)3
wurde bereits gedacht (S. 199).
Eine sehr gute Ge\vinnungsmethode der Ester stellt in vielen Fällen
die Wechselwirkung zwischen den Säurechloriden und Alko-
holen (bezw. Alkoholaten) dar:
SOCI2 + 20,115. OH = SOiO.C.Hß), -h 2 HCl,
POCI3 + aCjHß.OXa = PO(O.C,H5)8 + 3NaCL
Allgemeine Charakteristik. Die neutralen Ester sind meist
ölige, in Wasser gar nicht oder nur wenig lösliche Flüssigkeiten; auch
hier zeigt sich wieder der J^infiuss der Hydroxylgruppe auf die Löslich-
keit in Wasser (vgl. S. 192); während beide Componenten eines Esters
(wie z. B. NOg-OH und CgHg-OH) von Wasser in jedem Verhältniss
gelöst werden, ist der durch ihren Zusammentritt entstehende Ester
(CgHg-O-NOg), welcher eben keine Hydroxylgruppe mehr enthält, in
Wasser kaum löslich. Die Ester besitzen oft angenehmen Geruch und
sind in der Regel unzersetzt flüchtig. Dieser Umstand macht die Unter-
suchung der Ester wichtig für die Kenntniss der ihnen entsprechenden
Säuren. Denn da die Flüchtigkeit der Ester eine Moleculargewichts-
Bestimmung durch Dampfdichtemessung gestattet, so erfährt man durch
dieselbe, wie viele einwerthige Alkylgruppen in ein Säuremolecül einge-
treten sind, und kann demnach die Basicität der Säuren auf diesem Wege
ermitteln. Die Ester können mehr oder weniger leicht wieder in Alkohol
und Säure gespalten werden, z. B.:
dieser sogenannte Verseifungsprocess tritt zuweilen schon durch Ein-
wirkung von Wasser bei gewöhnlicher oder wenig erhöhter Temperatur,
stets beim Kochen mit Alkalien ein.
Die Estersäuren sind meist weniger beständig als die neutralen
Ester. Sie sind in Wasser l(")sliche, sauer reagirende Substanzen, welche
gewöhnlich schon beim Kochen ihrer wässrigen Lösung eine Zersetzung
in Alkohol und Säure erleiden. In Form ihrer Salze sind sie meist
beständiger. Die Estersäuren shid geruchlos und nicht unzersetzt flüchtig.
1. Ester der Sauerstoffsäuren des Chlors.
Die Ester der unterchlorigeii S»ureS wie ClOCHg, ClOO^H^,
entstehen beim Vermischen der Alkohole mit starker wässriger unter-
chloriger Säiu'e. Man lässt zweckmässig die unterchlorige Säure erst
* Sandmeyer, Ber. 18, 1767; 19, 857.
Ester der unterchlorigen Satire und> üeberchlorsäure, 201
während der Darstellung entstehen, indem man in ein Gemisch des
betreflfenden Alkohols mit Natronlauge unter Kühlung Chlor einleitet.
Arbeitet man mit Methylalkohol, so entweicht das Methylhypo-
chlorit Cl'O-CHg gasförmig; in einer Kiiltemischung kann es zu
einer gelben Flüssigkeit von durchdringendem Chlorgeruch condensirt
werden, welche bei +12^ (unter 726mm Druck) siedet und bei
der Entzündung sich unter äusserst heftiger Explosion zersetzt. Das
Aethylhypochlorit Cl-O-CgHg erhält man bei obiger Darstellung als
eine gelbe obenauf schwimmende Oelschicht; es besitzt einen starken
unterchlorigsäureähnlichen Geruch, greift die Athmungsorgane in hohem
Mass an und siedet unzersetzt bei 36^ (unter 752 mm Druck). Ange-
zündet verbrennt es rasch mit leuchtender grüngesäumter Flamme.
TJeberhitzt man aber den Dampf im ßeagensrohr, so findet heftige
Explosion statt, ebenso schon in der Kälte beim Eintragen von Kupfer-
pulver und durch die Wirkung des Sonnenlichtes. Aber auch im zer-
streuten Lichte hält sich das Aethylhypochlorit nur einige Stunden;
dann zersetzt es sich unter Selbsterhitzung und plötzlichem Aufsieden,
indem der grösste Theil sich verflüchtigt. — Mit schwefliger Säure ver-
einigen sich die Alkylhypochlorite zu Estern der Chlorsulfonsäure :
CHg.O.Cl + SO2 = Cllg.O.SOjCl.
Ester der Chlorsäure sind nicht bekannt.
Der Aethylester der Üeberchlorsäure CgHgOClOg entsteht
durch Destillation eines Gemenges von Bariumperchlorat und äthyl-
scliwefelsaurem Barium:
Ba(C104), + BaCSO^-Cgiya = 2BaS04 + 2CJH5.CIO4;
er ist eine farblose Flüssigkeit, welche im trockenen Zustand derart
explosiv ist, dass sie schon beim Umgiessen detonirt; unter einer dünnen
Wasserschicht lässt er sich aber unzersetzt bei 74® destilliren^
2. Ester der schwefligen Säure und der Schwefelsäure.
Die neutralen Ester der schwefligen Säure ^ S0(0 • Cj^Ha^^ ^ 1)2
werden durch Einwirkung von Alkoholen auf Thionylchlorid :
SO-Cla + 2C2H5.OH = 2HCI + S0(0 -0,115)8
oder auf Chlorschwefel (SgClg) erhalten. — Das Dimethylsulfit SO(0-CH3)2
siedet bei 121-5^ spec. Gew. bei 16-2ö : 1-046. Diäthylsulfit
SO(0-C2Hg)2 riecht pfefifermünzähnlich , siedet bei 161-3^ und besitzt
' RoscoE, Ann. 124, 124.
' EsEUfEN u. BoüiiUET, Ann. eh. [3] 17, 66. — Cariüs, Ann. 110, 209 ; 111, 93.
J. pr. [2] 2, 283. — Endemann, Ann. 140, 339. — Warlitz, Ann. 148, 72. —
Michaelis u. Wagneb, Ber. 7, 1074. — Päintz, Ann. 223, 374. — Geüthee, Ann.
L, 223.
Ester der sahwefligen und sekmtgen Säure.
>w>i no dft« «Tiec. Gew. 1-106. Es zerföllt bei 200*' in Schwefeldio^d
SO(OC,Hs), = SO, + (C,Hs),0.
liefert es in der Kälte das sehr unbeständige Raliumsalz
wefligen Säure:
<0 C,H,
+ C,H,-OH;
entacblorid entsteht das ebenfalls sehr zersetzliche Cblorid
CjHgO-SOCl, welches leicht in Schwefeldioxyd und Chlor-
C,H,-OSOCI = SO, + C,HjCI
iser in Alkohol , Salzsäure und schweflige Säure zer-
»< + H,0 =
SO^^ +H,0 = SO, + C,Hj-OH + HCl.
besprochenen Ester leiten sich von einer schwefligen Säure
.OH
Institution S0<; zuzuschreiben wäre. Die schwetlig-
\0H
Lgegen leiten sich von der isomeren Säure H — SO, — OH ab.
iprechenden Alkylderivate sind die Ester der Sullösäuren.
0-CjHj. (Näheres vgl. S. 223).
seleniiren Sgnre': Diathylselenit SeO(OC,H(), entsteht aowohl
d SeOCl, durch EiDwirkung von Natrium äthjlat, wie auch aus Jod-
jelenit (vgl. S. 226—227):
SeO(O-Ag), + 2J-C,H, = 2ÄgJ + SeO(0-C,H,),;
partieller Zersetzung bei 183 — 185°, besitzt das spec. Gew. l-<9
Wasser in aelenige Säure und Alkohol gespalten. Das Chlorid
ligen Säure C,H,-0-SeO-CI entsteht bei der Einwirkung von
f Selenylchlorid ; Schmelzpunkt: +10°, Siedepunkt: IIb".
sftureester: Von grosser Wichtigkeit sind die Ester-
ichwefelsäure oder AetherschwefelsSuren:
C„H,„^.,-0-SO,OH;
iht durch Mischen der primären Alkohole mit concentrJrter
gewonnen werden (secußdäre und tertiäre Alkohole liefern
ihwefelsäuren) :
B + ,-OH + OH. SO,. OH = H,0 + OnH,„ ^. ,OSO,OH;
3t niemals ganz vollständig* (vgl, S. 199); das Reactions-
u. Landmamn, Ann. 241, 150.
NEL, Adu. eh. 43, 77. — Milloh, Ann. eh. [3] 18, 227. — Bebthblot.
' Claessom, J. pr. [2] 10, 246.
Aetherschwefelsäuren. 203
gemisch enthält demnach stets neben der Alkylschwefelsäure noch Schwefel-
säure; die beiden Säuren sind indess leicht von einander zu trennen, da
alle Salze der Alkylschwefelsäuren — also auch die Calcium-, Barium-
und Blei-Salze — leicht in Wasser löslich sind. Man braucht daher
nur das saure Gemisch mit Calcium-, Barium- oder Bleicarbonat abzu-
sättigen, um die überschüssige Schwefelsäure in Form eines unlöslichen
Sulfats niederzuschlagen, während das entsprechende ätherschwefelsaure
Salz in Lösung bleibt. — Aetherschwefelsäuren können femer durch
Eintropfenlassen von Alkoholen in kalt gehaltene Chlorsulfonsäure ge-
wonnen werden^:
CjHj.OH + Ol. SO,. OH = HCl + CjHsOSOjOH.
Aethylschwefelsäure entsteht auch durch Zusammentritt von Aethylen
und concentrirter Schwefelsäure (vgl. S. 143):
CH,:CHa + OHSOjOH = CH, • CH, • 0 • SO, • OH.
Die freien Aetherschwefelsäuren erhält man aus ihren Barium-
salzen durch vorsichtiges Zersetzen mit der genau erforderlichen Menge
Schwefelsäure oder aus den Bleisalzen durch Zersetzen mit Schwefel-
wasserstoflF und darauffolgendes Eindunsten der Lösung im luftverdtinnten
Baum. Sie reagiren stark sauer und lösen sich leicht in Wasser. Ihre
wässrige Lösung zersetzt sich langsam beim Aufbewahren, rasch beim
Kochen in Schwefelsäure und den entsprechenden Alkohol:
CjHeO.SOj.OH + HÖH = CjHjOH + OH-SO^OH.
Die ätherschwefelsauren Salze sind meist leichtlöslich und gut
krystallisirbar. Ihre concentrirte Lösung erleidet bei anhaltendem Kochen
Zersetzung in Alkohol, Schwefelsäure und Sulfat, während die verdünnte
Lösung ohne Zersetzung gekocht werden kann. Durch Zusatz einer
kleinen Menge von Alkali oder Alkalicarbonat wird die Beständigkeit
der Lösungen erhöht. Sie sind mannigfacher Umsetzungen fähig, bei
welchen der Alkylrest in andere Verbindungsformen übertritt, z. B. :
C.Hs-OSOj.OK + KSH = C^HeSH -f KOSOjOK;
CsHgOSOjOK + KCN = CjHaCN -f KOSOjOK.
Sie wirken demnach genau wie die Halogenalkyle und sind, wie diese,
besonders geeignete Vermittler zur Uebertragung der Alkylreste. Als
solche haben namentlich die beiden ersten Glieder der Reihe in den
älteren Untersuchungen eine grosse Bedeutung gehabt; viele der wichtigsten
Methyl- und Aethylverbindungen sind zuerst mit Hülfe der methyl- und
äthylschwefelsauren Salze gewonnen worden. Gegenwärtig werden sie
weniger häufig benutzt; man verwendet zum Zweck der Alkylirung mei-
stens — in den höheren Reihen ausschliesslich — die modellieren Halogen-
alkyle (vgl. S. 185).
^ Claessoh, J. pr. [2] 19, 240 u. 245.
l Aethersdiicefelsäuren.
Aus den äth er schwefelsauren Salzen entstehen durch Kinwirkuii!.'
. Phosphorpentachlorid die Chloride der Aetherschwefelsäuren
r Chlorsulfousäureester': Cl-SOj-OC„Hj^^,. Dieselben bilden sJcL
im Eintropfen der Alkohole in die äiinivalente Menge Sulfiirj-l.
der Reactioii zwischen CMorsulfousäure und Alkoholen trete»
vemi während der Mischung nicht abgekühlt wird:
CI-SOj.OlI + C,Hs OH = 11,0 + CISO, 0-C,Hj.
iwefelsäurechlorid wird am bcijueinsten durch Vereinigung von
mit Chloi'sulfonsäure
CISO,OH + CH, ;CH, = ClSOj-O-CH.-ClIj
und bildet sicli auch reichlich durch Addition von Schwel'el-
^'drid zu Chloräthyl:
SO, + CiHjCl = ClSO,-OC,Hj.
loride sind stechend riechende Flüssigkeiten, welche sich nut
11 der Kälte langsam, mit Alkoholen augenbHcklich unter heftiger
; zersetzen.
lylachwefelsfiure' CUa'O.SO^-OlI ist eine Slartige Flüssigkeit, welilii'
cht adhürirt, bei —30° uitbt erstarrt uiiU in wasserfreiem Aotlier in jedeui
I löslich ist.
lylschwcfelsäure» CsH.vü-SU,-OiI. Ihre Salze wurden ewbon ItfOi'
'beobachtet. Diu freie Säure bililct ciuen in Wasser sehr leicht löslichen
B Kaliumsalz rVU'SO.K bildet wasserfreie monokliuc Tafclu uod l&üsicb
)-8 Tb. Wasser; das CaU'iumsalz (C,IU-SO,),Ca + 211,0 löst sich bei l^:
,, das Bariumaalz {C,HsSO,>,Ba + 211,0 in 0-92 Th. Wasser. — Dar-
Auf 355 g rohe Schwefelsäure giesst man vorsichtig 600 g absuluieu
Shrt darauf rasch durch, so dass eine Temperaturerhöhung auf etwa 80— JHi'
d erwärmt eiuige Zeit am RückHusskühler auf dem Wasserbade. Xav'i
rkaltcn verdllont man nun zunächst mit Eis, dann mit ziemlich viel Waaüi'i'
neidung von Temperatiu'erhöhung und neutraüsirt mit aufgeschlenimle"'
rbonat oder IJleicarbonat. Die filtrirte, das Calcium- oder Bleisalz ent-
lösung kann man durch vorsichtigen Zusatz von l\«numcarbonat bis zuni
kalischer Keaetion in eine Lösung des Kaliunisalzos. verwaudoln, welfh''
1 Filtration von dem niedergeschlagenen Carbonat trennt und nach Zu-
wenig überschüssigem Kaliumcarbouat (zur Erhöhung der Beständigkeit.
HiJiiüK, Ann. 88, 108. — Williamson. J. pr. 73, 74. — v. Praooi.DT, An"-
Itcr. 6, 505. — MClleh, Ber. G, 228. — Behbend, J. pr. [2] 15, 28. -•
J. pr. [2] 10, 231. '
His u. l'tuoQt, Ann. 15, 40. — Kane, Ann. 20, 190. — Cwesfo/j»!- P^-
). U
I. u. A. Sehulms, Pogg. 15, 20, — JUiichanp, Pogg. 32, 45i; 41, 5^5. -
Neutrale Ester der Schwefelsäure und Selensäure, 205
vgl. S. 203) bis zur Krystallifiation eindampft. — Das Aethylschwefelsäurechlorid
(Chlorsulfonsäureäthylester) Cl • SOj • 0 • CjHg siedet unter gewöhnlichem Druck bei
151 — 154^ unter geringer Zersetzung, im Vacuum ganz unzersetzt und besitzt bei 0°
das spec. Gew. 1-379.
Amylschwefelsäure: CgH,! • 0 • SO, • OH. Es sei daran erinnert, dass die
Trennung des Gährungsamylalkohols in optisch inactiven und activen Amylalkohol
durch die verschiedene Löslichkeit der Bariumsalzc der beiden Amylschwefelsäuren
bewirkt werden kann (vgl. S. 164).
Die neutralen Schwefelsäureester ^ 803(0 •Cj^Hg^^j)^ bilden sich
beim Erhitzen der Aetherschwefelsäuren:
/O.CH3
2S0j< = S0,(0H)2 + SOj(0 . CHs), ;
auch entstehen sie neben den Aetherschwefelsäuren in geringen Mengen
direet bei der Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf Alkohole,
femer unter anderen Produkten durch Einwirkung von Alkoholen auf
Chlorsulfonsäureester :
C,H5.0.S0,.C1 + CsHbOH = HCl + CjHgOSOj.O.CjHs.
Glatter bilden sie sich durch Umsetzung zwischen Silbersulfat und
Halogenalkylen. — Dimethylsulfat (CH3)2SO^ siedet unter geringer
Zersetzung bei 187— 188^ spec. Gew. bei 18<^ 1-327. Diäthyl-
sulfat (C3Hß)2S04 siedet bei 208^ und erstarrt bei — 24-5^; spec. Gew.
bei 19® 1-184. Es entsteht auch in grosser Menge beim Einleiten von
Schwetelsäureanhydrid in alkohol- und wasserfreien Aether:
SOs + OCCaHJj = SOsCO-C^H,),. ~
Diese Ester sind farblose, in Wasser unlösliche Oele von angenehmem,
pfeffermünzähnlichem Geruch; mit kaltem Wasser zersetzen sie sich sehr
langsam unter Bildung von Alkoholen und Aetherschwefelsäuren; beim
Erwärmen mit Alkoholen entstehen Aetherschwefelsäuren und Aether:
mit Ammoniak und Aminen reagiren sie heftig unter Bildung von äther-
schwefelsauren Aminsalzen.
SelensSnreester: Aus Selensäure und Alkohol ist die sehr unbeständige Aethyl-
selensäure CgIIg-O-SeOj'OH erhalten worden, deren Salze mit den entsprechenden
Sthjlfichwefelsauren Salzen zusaramenkrystallisiren können*.
3. Ester der Stickstoffsäuren.
Dlazoäthoxan^ (Aethylester der untersalpetrigen Säure?)
CgHj-O-N = N-O-CgHg entsteht durch Einwirkung von Jodäthyl auf das
Silbersalz der untersalpetrigen Säure AgjNgOg (Nitrosylsilber). Ob die
* Wethkrill, Ann. 66, 117. — Erlenmeyer, Ann. 162, 378. — Stempnewsky,
Ber. 11, 514. — Claesson, J. pr. [2] 19, 243 u. 255. — Claesson u. Lundvall, Ber.
18, 1699. — ViLLHSRS, Bull. 84, 26.
• Fabian, Ann. Suppl. 1, 244. ^ Zorn, Ber. 11, 1630.
206 Diaxoäthoxan, Älkylniirite.
Verbindung ein wirklicher Ester der untersalpetrigen Säure ist, muss
indessen als zweifelhaft bezeichnet werden, da es nicht gelungen ist,
durch Verseifung daraus wieder Hyponitrite zu regeneriren. Sie stellt
eine farblose, in Wasser unlösliche Flüssigkeit von angenehm ätherischem
Geruch dar, welche specifisch leichter als Wasser ist und schon bei ge-
ringer Temperaturerhöhung (45^) und durch mechanische Erschütterung
mit grösster Heftigkeit explodirt. Ihre Moleculargrösse ist durch die
Dampfdichte-Bestimmung (unter vermindertem Druck) festgestellt. Durch
Reduction wird sie in Stickstoff und Alkohol gespalten:
CjHg.ONiNOCjHs + 2H = Ns + 20^. OH.
Bei gelindem Erwärmen mit Wasser zersetzt sie sich unter Entwickelung
von Stickstoff und Bildung von Alkohol und Aldehyd:
Diese Zersetzungen, welche an das Verhalten der aromatischen Diazo-
verbindungen erinnern, machen die Structurformel C2Hg-0-N:N0-CjH5
sehr wahrscheinlich.
Ester der salpetrigen Säure (Alkylnitrite) C^Hj^^j-ONO:
Man erhält sie am besten direct durch Einwirkung von salpetriger Säure
auf die Alkohole, z. B. :
2CJH5.OH + NjOa = 2C2H5.ONO + HjO;
man leitet entweder gasförmige salpetrige Säure in den betreffeoden
Alkohol ein, oder man mischt den Alkohol mit Schwefelsäure, lässt
dieses Gemisch zu einer Natriumnitrit-Lösung fliessen und auf diese
Weise die salpetrige Säure sich in Gegenwart des Alkohols entwickeb.
Die Alkylnitrite entstehen auch zugleich mit den ihnen isomeren Nitro-
kohlen Wasserstoffen C^Hg^^j-NOg bei der Umsetzung zwischen Halogen-
alkylen und Silbernitrit (s. S. 253). Auch bei der Einwirkung von
Salpetersäure auf Alkohole bilden sie sich stets neben anderen Produkten,
da die Salpetersäure einen Theil des Alkohols oxydirt und hierbei selbst
zu salpetriger Säure reducirt wird, welch letztere nun mit einem an-
deren Theile des Alkohols den Salpetrigsäure-Ester bildet. — Die Alkyl-
nitrite sind leicht flüchtige Flüssigkeiten (Methylnitrit ist bei gewöhn-
licher Temperatur gasförmig) von augenehm obstartigem Geruch, welche
sich in Wasser nicht lösen und mit heller weisser Flamme verbrennen.
Durch Alkalien werden sie leicht zu Alkoholen und Nitriten verseift:
CjHsO-NO -h KOH = CjHßOH + KONO;
bei der Reduction liefern sie neben Alkoholen Ammoniak oder Hydro-
xylamin. Da sie ihre salpetrige Säure leicht abgeben, werden sie
in vielen Reactionen anstatt freier salpetriger Säure verwendet (z. B.
zur Darstellung von Nitroso- und Diazo-Verbindungen). Bemerkens-
werth ist, dass Amylnitrit die weniger kohlenstofifreichen Alkohole
ziemlich vollständig in ihre Salpetrigsäureester überführt; so setzen
Älkylnürate. 207
sich z. B. Amylnitrit und Methylalkohol mit einander in Amylalkohol
und Methylnitrit um^:
CsHu-ONO + CHg-OH = CftHu-OH + CHgONO.
Die Eigenschaften der einzelnen Alkylnitrite s. in der Tabelle Nr. 8 auf
S. 208. Aethylnitrit und Amylnitrit finden beschi-änkte Verwendung in
der Pharmacie.
Darstellung von Aethylnitrit*. Zu einer abgektlhlten Mischung von 32ccm
Alkohol und 32ccm Wasser gicbt man 13-5 ccm Schwefelsäure und verdünnt auf
120 0003; diese Mischung lässt man langsam zu einer von einer Kfiltemischung
umgebenen Losung von 34« 5 g Natriumnitrit in 120 com Wasser fliessen. Man
trocknet den abgehobenen Ester über Chlorcalcium und reinigt ihn eventuell durch
Destillation.
Darstellung von Amylnitrit'. Man fügt ein Gemisch von 30 Th. Schwefel-
säure and 30 Th. Amylalkohol zu einer Lösung von 21 Th. Natriumnitrit in 15 Th.
Wasser und destillirt
Ester der Salpetersäure (Alkylnitrate) C^Hg^^i-O-NOg: Die-
selben entstehen bei der Einwirkung von concentrirter Sailpetersäure auf
die Alkohole:
CnH,a + iOH + OH. NO, = H,0 + CnH,„ ^lONO,;
es ist indessen nothwendig, die störende Wirkung der salpetrigen Säure,
welche infolge von Oxydationswirkungen der Salpetersäure auftritt (vgl.
S. 206), zu verhindern; man setzt zu diesem Zwecke dem Gemisch von
Alkohol und Salpetersäure eine gewisse Menge von Harnstoff C0(NH2)a
zu, welch letzterer die salpetrige Säure infolge der Umsetzung:
CO(NH,), + 2HN0, = 3H,0 + CO, + 2N,
zerstört. Auch durch Eintropfen der Alkohole in ein mit Eiswasser ge-
kühltes Gemisch von Salpetersäure mit dem dreifachen Volum concentrirter
Schwefelsäure unter beständigem Umrühren können die Alkylnitrate ge-
wonnen werden. — Dieselben sind bewegliche, farblose Flüssigkeiten
von angenehmem Geruch; ihr Siedepunkt liegt bedeutend höher wie der-
jenige der entsprechenden Nitrite (s. die Tab. Nr. 8 auf S. 208). Angezündet
brennen sie mit weisser Flamme; über ihren Siedepunkt erhitzt, zersetzen
sie sich unter heftiger Explosion; man muss daher bei ihrer Destillation
vorsichtig verfahren und Ueberhitzung vermeiden. — Bei der Reduction
mit Zinn und Salzsäure liefern sie Hydroxylamin:
CjHj.ONO, + 3H, = CaHg.OH + OHNH, + H,0.
Methylnitrat: CHg-O-NO, ist eine Zeit lang für Zwecke der Parbenindustrie
in grossem Masastab gewonnen worden; seine technische Darstellung ist indess infolge
von mehreren verheerenden Explosionen wieder aufgegeben worden*.
» Beotoxi, Ber. 16, 786; 17 o, 251; 20 o, 209; 22 o, 240.
* DüxsTAN u. Dymond, Ber. 21 o, 515.
» Rexnard, Jb. 1874, 352.
* Vgl. Gibard, Chem. Centralblatt 1876, 561.
208 Tabdlarische UebersicIU über die Mkyl-NitrUe und -Nitrate.
Daratellang tod Äethylnttrat '. 200g reine S&lpetereäure vom spec.Gei.
1-4 werden mit 2 g salpcterBaurem Harnstoff aufgekocht, dano wieder abgekähli nn'i
mit l&Og abBolutcm Alkohol vermischt. Das Gemisch wird nach Zusatz von .^<>:
Harnstoff aus dem Wasserbade bis auf etwa ein Drittel abdt^tillin.
'"itand läaat man dann ein stets frisch bereitetes Gemisch von 4 T)i.
, Harnstoff aufgekochter Salpetersäure und 3 Th, Alkohol iu dcmsoll^ii
, als Flüssigkeit abdestillirt; der ursprüngliche Zusatz von Harnsluc
innung von 2 — R Kilo Aelhylnitrat aus. Letzteres scheidet man xa^
■ölhaltigen Destillat durch ZdebIz von Wasser ab, wäscht es mit Wa.4>«r
hlorealtium und rectificirt aus dem Wasserhade.
ieude Tabelle enthält die Siedepunkte und specifischeu Gc-
T Nitrite und Nitrate.
Tabe
He Nr. 8.
Nitrit.
Nitrat.
. Siede-
Spccifischcs
Siede- Specifisches
punkt
Gewicht.
punkt. Gewicht.
..... ,
—12"
^'^ -
-K66" ' 1-182(22°)
-1.15
+ 170
0-900(15-5")
87» 1-109(20»1
>rm.)-'— "■"
hl"
0-998 (0°)
110-5° 1058(20»J
■" . . .
45"
0-856(0")
101-5" 1-054(0'')
™»««,;
75"
0-911 (0»)
— —
67"
0-908(0»)
123° 1-015{20'')
-'*...
68» 0.898(0'')
— —
■i-"» . .
63» 0-892(0'')
— —
■">■■'—"■»' ,
94—95»
0-902
147-148»
0-999 (20 "J
!-" . . .
92"
0-903 (0")
-
-
.lyl-" . .
155»
0-894 (0»)
_
_
J-1-" . .
176"
0-862(17»)
^ 1 _
Cetylnitrat" erstarrt
bei -H
10—12».
i der Tabelle Nr. 8: ' Strökkii, Ann. 91, 82. — ' Dcma.s u. Pficioin.
■ ' C. Lea, Jb. 1862, 387, - ' Dl-mas u. Bopleav, Ann. eh. [2] 37.
US, Ann. 126, 71. — «Brown, Jb. 1856, 575. — ' Milios, Ann. 47.
Ann. 98, 367. — • Lüivenuebz, Ber. 23, 2180. — »° CAHorR.", C<m\'\.
— " Pkibkam und Hakdl, Monatsh. 2, 655, 658. — " Wallach uiil
14, 421. — "Silva, Bull. 12, 226. - " Bewtom, Ber. 19 c. 98; 20c.
- " Chai-man n. Smith, Ztechr. Chcm. 1868, 172; 1869. 433- -
Ann. ISO, 155. — " Balabu, Ann. 52, 315. — " Hjloeb, Jb. 1874,
iRiE, Ann. lU, 82. — "■ Chapman-, Ztechr. Cliem. 1866, 570; 1867,
HBit, Jb. 1847/48, 699. - " W. Hofmanx, J. pr. 45, 3,13. — »Wiiw-
- " Eichleb, Ber. 12, 1887. - " Chaih-i.,n, Ztschr. Cliem. 1871, <«!'■
. Thofpi, Jb. 1883, 853. — " Dcnmtan, Ber. 32 0, 345.
Ann. Siippl. 6, 220. — \'^\. auch Bektoni, Jb. 1876, 333.
Ester der Säuren des Phosphors. 209
4. Ester der Säuren des Phosphors und Arsens.
Die neutralen Ester der phosphorig:enSänre(Alk7lphosphite)^ P(0- €„112^^.1)3
entstehen durch Einwirkung von Phosphortrichlorid auf Natriumalkylate :
PCls + 3NaO.C^H,„ +1 = PCO-C^Hg^ + ^8 + 3NaCl.
Triäthylphosphit: PCO-CjHg)« siedet bei 191 <>, besitzt bei \b^ das spec. Gew. 1-075,
riecht angenehm ätherisch und geht leicht durch freiwillige Oxydation in Triäthjiphos-
phat: P0(0 -0,115)8 über. — Beim Eintragen von Phosphortrichlorid in Alkohole
entstehen sehr unbeständige Estersäuren', monalkylphosphorige Säuren
(C„H,„ + ,-0)P(OH)„z.B:
POlg + SOsHj-OH = (OaHa.O)P(OH)j + 20,H6.01 + HOL
Sie sind isomer mit den Phosphinsäuren (OnHj^ ^ j)PO(OH), (vgl. S. 265). — Ihre
Chloride*: (O^Han + ^ - 0)P01j bilden sich, wenn man Alkohole in die äquivalente
Menge Phosphortrichlorid einiliessen lässt:
P0l8 + OH-OA = HOl + PClsO-OsHg.
Das Aethoxylphosphordichlorid (Aethylphosphorigsäure-Ohlorid): P01j(0-02H5)
siedet bei 117° nnd wird von Wasser heftig unter Bildung von phosphoriger Säure,
Salzsäure und Alkohol zersetzt. — Diäthylphosphorige Säure*: (0sH5-0)jP-0H
entsteht durch Auflösen von Phosphoroxyd (P^Og) in Alkohol, wobei eine heftige, durch
starke Abkühlung zu mässigende Reaction eintritt; sie bildet eine farblose, schwach saure,
knoblauchartig riechende Flüssigkeit, deren Dampf giftig wirkt; im Kohlensäurestrom
siedet sie ohne Zersetzung bei 184 — 185**; ihr spec. Gew. beträgt 1-075 bei 15- 5^
Von Wasser wird sie leicht in Alkohol und phosphorige Säure zersetzt.
Ester der Unterphosphorsttnre'^, wie z. B. (0sHg)4Ps0e, sind durch Einwirkung
von Jodalkylen auf unterphosphorsaures Silber erhalten worden. Es sind dicke, farb-
lose Flüssigkeiten, welche nicht unzersetzt destillirt werden können und beim Kochen
mit Wasser in Alkohol, phosphorige Säure und Phosphorsäure zersetzt werden.
Ester der PhosphorsSnre^: Bei der Einwirkung von starker Phosphorsäure
oder von Phosphoroxychlorid (POOl,) auf Alkohole bilden sich je nach den Mengen-
verhältnissen und Bedingungen der Einwirkung Monoalkylphosphorsäuren
(CaHtB + i-0)PO(OH)„ Dialkylphosphorsäuren (O^Hsn + 1 • 0)jPO • OH oder Tri-
al ky Iphosphate (OqÜ^q ^. | - 0)gPO. Die Estersäuren sind syrupöse, geruchlose
Fläasigkeiten, ihre Salze sind krystallisirbar; die Salze der Dialkylphosphorsäuren sind
leichter löslich als diejenigen der Monoalkylphosphorsäuren. Die neutralen Ester,
welche auch durch Einwirkung von Halogenalkylen auf phosphorsaures Silber ent-
stehen, sind destillirbare Flüssigkeiten. Trimethylphosphat PO(0-OH8)8 siedet
bei lö7.2<>und besitzt d. spec. Gew. 1-2378 bei 0<>; Triäthylphosphat POCO-OÄ)«
siedet bei 215® und besitzt bei 12® das spec. Gew. 1-072.
^ Kailtok, Ann. 92, 348. — Zixmermakk, Ann. 175, 8. — Wichelhaüs, Ann.
SappL 6, 262. — Geuther, Ann. 224, 274. — Jahne, Ann. 266, 269.
' WüiETz, Ann. 58, 72. — Schiff, Ann. 108, 164.
' Menschütkik, Ann. 189, 343. — Ohambon, Jb. 1876, 205.
* Thorpe u. North, Joum. Soc. 57, 634.
* Sauger, Ann. 282, 8.
* Lassaigke, Ann. eh. 18, 294 (1820). — Pelouze, Ann. 6, 129. — Liebig, Ann.
6. 149. — VöQEU, Ann. 69, 180. — Olermont, Ann. 91, 375. — Schiff, Ann. 101, 306;
los, 334. — LmpRicHT, Ann. 184, 347. -- Geuther u. Brockhoff, J. pr. [2] 7, 101.
— Cabius, Ann. 137, 121. — Ohurch, Jb. 1865, 472. — Wichelhaus, Ann. Suppl.
6, 262.
T. MxTXB Q. Jacobson, org. Chem. L 14
210 Arsenigsäure-, Ärsensäure-, Borsäure-, Kieselsäure-Ester,
Aus pyTophoephorsaurem Silber und Jodfithyl ist Tetraäthylpjrophosphat
(C,H5'0)4P808 als eine z&he Flüssigkeit vom spec. Gew. 1'172 bei 17® erhalten.
Die neutralen Ester der arsenigren Säure ^ (OaHaQ ^. ^ • 0), As wurden aus
arsenigsaurem Silber und Halogenalkjlen erhalten , ebenso aus arsensaurem Silber
und Halogenalkjlen die neutralen Ester der ArsensSnre^ (0^11,^ ^. i-0)sA80.
Estersäuren, welche sich von der arsenigen Säure oder der Arsensäure ableiten, sind
nicht bekannt Triäthylarsenit kaiO'C^K^ siedet bei 165 — 166® und besitzt bei
0® das spec. Gew. 1'224. Triäthylarseniat AsO(0-C2H5)8 siedet unter 60 mm Druck
bei 149®; spec. Gew. bei 0®: 1-326.
5. Borsäureester^.
Die neutralen Alkylborate B(0 • CqHsq ^ i\ entstehen durch Einwirkung von
Bortrichlorid auf Alkohole, bei der Destillation von Borax mit ätherschwefelsauren
Salzen und durch Erhitzen von Borsäureanhydrid mit Alkoholen. Sie sind untersetzt
flüchtig (Trimethylborat siedet bei 65®, Triäthylborat bei 120®), brennen mit
grüner Flamme (es beruht hierauf der bekannte Nachweis der Borsäure durch Flammen-
färbung) und werden durch Wasser sofort in Borsäure und Alkohole zersetzt. Beim
Erhitzen mit Borsäureanhydrid liefern sie die nicht unzersetzt flüchtigen symposen
Alkylmetaborate: {BOCO-C^Hsa + OU-
6. Kieselsäureester®.
Bei der Einwirkung von Chlorsilicium auf Alkohole entstehen zugleich Tetra-
alkylsilieate Si(0 • CttHj^ + 1)4 und Hexaalkyldisilieate Si,0(0CnH,a + i)6; Tetra-
äthylsilicat siedet bei 165®, Hexaäthyldisilicat bei 235—237®. Durch Wasser wer-
den diese Ester allmählich unter Abscheidung von Kieselsäure zersetzt. Sie sind leicht
entzündlich, verbrennen mit glänzend weisser Flamme und besitzen angenehmen
Geruch. Aus den Tetraalkylsilicaten entstehen durch Erhitzen mit Siliciumchlorid
je nach den angewendeten Mengenverhältnissen die unzersetzt flüchtigen Chloride:
SiCl(0.C„H,a + i)8, SiCl,(O.CnH,„+i), oder SiCUO-C^Hs^ + »); bei der Ein-
wirkung von Alkoholen tauschen dieselben ihr Chlor wieder leicht aus, und es können
daher mit ihrer Hülfe gemischte Alkylsilicate, wie z. B. Si(0 • C2H5XO • CH,), erhalten
werden.
Ueber Ester der Kohlensäure vgl. d. Kapitel: „Kohlensäurederivate".
^ Crafts, Bull. 14, 99. — Schiff, Ann. 111, 370.
* Ebelhen u. Boüa^TET, Ann. 60, 251. — Rose, Jb. 1856, 574. — Schiff, Ann.
Suppl. 5, 154. — Fbanklakd, Ann. 124, 131.
* Ebelhen, Ann. 57, 331. — Klipfert, Ber. 8, 713. — Fmedel u. Cbaffts, Ann.
eh. [4] 9, 5. — Friedel u. Ladenbüro, Ann. 147, 362. — Cahoürs, Jb. 1874, 349, 497.
Uebersicht über die schwefelhaltigen Verbindungstypen. 211
Viertes Kapitel.
Alkylverbindungen, deren Alkylrest an Schwefel (Selen oder
Tellur) gebunden ist.
(Mercaptane, Sulfide', Snlfin Verbindungen, Di- und Polysulfide, Sulfozyde und Sulfone,
Sulfosäuren und Thiosulfosäuren, Thioschwefelsäuren, Sulfinsäuren.)
Uebersicht über die schwefelhaltigen Verbindungstypen:
Werden im SchwefelwasserstoflF nach einander die beiden Wasserstoflf-
atome durch Alkylreste vertreten, so entstehen die Verbindungsformen:
""""" " > und '''^''" " >
Die Verbindungen der ersteren Form können als Alkylsulfhydrate,
diejenigen der letzteren Form als Alkylsulfide bezeichnet werden,
entsprechend den anorganischen Schwefelwasserstoff- Abkömmlingen NaSH,
Natriumsulfhydrat, und NajS, Natriumsulfid. Man erkennt in ihnen sofort
die schwefelhaltigen Analoga der Alkohole und Aether; Alkylsulfhydrate
sind Thioalkohole, Alkylsulfide sind Thioäther; die Sulfhydrate werden
gewöhnlicher Mercaptane genannt (Begründung dieses Nafdens s. S. 214).
Entspricht nun auch die Constitution der Mercaptane und Sulfide
vollkommen derjenigen der Alkohole und Aether, und ist daher das
Verhalten der beiden Körperklassen in vielen Stücken ein gleichartiges,
so sind doch andererseits die schwefelhaltigen Verbindungen zu manchen
Umwandlungen fähig, welche an ihren sauerstoffhaltigen Constitutions-
Analogen nicht ausgeführt werden können. Diese Verschiedenheit ist
bedingt durch die Neigung der Schwefelatome, sich mit einander zu ver-
ketten, und durch ihre Fähigkeit, eine höhere Valenz anzunehmen. Beide
Umstände ermöglichen die Existenz von eigenartigen schwefelhaltigen
Verbindungsklassen, welche im Folgenden einer kurzen Uebersicht unter-
zogen werden sollen.
Wenn Alkohole oder Aether Oxydationswirkungen ausgesetzt werden,
so erstreckt sich die Oxydation sofort auf den Alkylrest; die Oxydations-
produkte — Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren — enthalten nicht mehr
denselben Alkylrest, welcher in der Ausgangssubstanz mit Sauerstoff in
Verbindung stand. Die entsprechenden Schwefelverbindungen dagegen
können infolge der erwähnten Umstände in eine Eeihe von Oxydations-
stiifen übergehen, welche den Alkylrest noch ganz unverändert enthalten;
die Wirkung des Oxydationsmittels richtet sich bei ihnen zunächst
lediglich auf das Schwefelatom bezw. das damit verbundene Wasserstoff-
atom. So entstehen durch gelinde Oxydation der Mercaptane die sehr
bestandigen Disulfide:
14*
212 Ueber sieht über die schwefelhaltigen Verbindungsiiff>en.
indem das Oxydationsmittel das Wasserstofifatom der SH-Gnippe ent-
fernt, und zwei Reste C^Hga^i'S — an einander kettet. Analoge Sa uei-
Stoffverbindungen C^Hg^ + i ' ^ — 0 • C^Hg^ ^ ^ wären bei den Valenz-
verhältnissen des Sauerstoffs allerdings noch denkbar, sind aber bisher
nicht erhalten worden. Sie w^ären als Alkylsuperoxyde zu bezeichnen
und voraussichtlich im Gegensatz zu den Disulfiden sehr unbeständige
Verbindungen, wie die entsprechende Wasserstoffverbindung, das Wasser-
stoffsuperoxyd HO — OH (vgl. auch Acetylsuperoxyd in Kap. 10).
Bei energischerer Oxydation der Mercaptane treten an das Schwefel-
atom, indem letzteres vier- oder wahrscheinlicher sechswerthig Trird.
Sauerstoffatome heran; es entstehen die Sulfon säuren:
IV 0 VI .0
CnH,n + 1 -Sfo > bezw. C„H,^ + ^ S^^O ,
Derivate der unsymmetrischen schwefligen Säure H — SOg — OH, in
welchen das an Schwefel gebundene Wasserstoffatom durch Alkylreste
vertreten ist.
Ebenso zieht das Schwefelatom der Sulfide bei energischer Oxydation
unter Annahme einer höheren Valenz — der Vier- oder wahrscheinlicher
der Sechswerthigkeit — Sauerstoffatome an sich; so entstehen die Sul-
fone:
bei gelinderer Einwirkung des Oxydationsmittels bleibt die Sauerstoff-
anlagerung nach Erreichung der Vierwerthigkeit auf der Stufe der
Sulfoxyde:
CnH.n + IV IV
S = 0
^n"2tt + 1
stehen.
Die Neigung des Schwefelatoms, höhere Werthigkeit anzunehmen,
kann nun nicht nur durch Heranziehung von Sauerstoffatomen, sondern
auch durch Anlagerung anderer Atome oder Atomgruppen befriedigt
werden. So entstehen aus Sulfiden durch Addition von Halogenalkylen
die durch besonders merkwürdige Eigenschaften ausgezeichneten S ulfin-
Verbindungen:
^nll2n + i\ /^nll2n + i
CmH2m + / H:Jl(Br,J).
Unter den schwefelhaltigen Verbindungen mit an Schwefel gebundenem
Alkylrest sind endlich die esterartigen Abkömmlinge solcher Säuren des
Schwefels, welche W^asserstoff an Schwefel direct gebunden enthalten,
zu nennen. Als Abkömmlinge der unsymmetrischen schwefligen Säure
H-SO^-OH wurden die Sulfonsäuren C^Hg^^^j-SOj-OH bereits erwähnt.
Mercapiane (Bildungsiveisen), 213
Von der unterschwefligen Säure HS- SOg- OH leiten sich die Alkylthio-
schwefelsäuren:
^nl^an + rS-SOj-OH,
IV VI
von der hydroschwefligen Säure H-SO-OH bezw. H-SOg-H die Alkyl-
sulfinsäuren:
rv VI
CnHjn + i-SOOH bezw. C^Hja + » • SO, ■ H
ab.
1. Hereaptane oder Alkylsulfhydrate, Thloalkohole.
Allgemeine Zusammensetzung: C^Hgn + i'SH.
Blldnngsweisen. Aus den entsprechenden Alkoholen können
die Mercaptane durch Austausch des Sauerstoffs gegen Schwefel
erhalten werden. Dieser Austausch wird hier, wie in vielen anderen
Fällen, durch Erhitzen mit Schwefelphosphor bewirkt (KEKULfi^). Doch
verläuft diese Umsetzung nicht glatt (das Mercaptan bildet sich dabei
durch weitere Zersetzung primär entstandener Alkylthiophosphate ^, und
die Reaction bildet daher nicht eine praktische Darstellungsmethode der
Ifercaptane.
Aus den Halogenalkylen erhält man die Mercaptane leicht durch
Einwirkung von alkoholischem Kaliumsulfhydrat:
CgHjCl + KSH = KCl + CjHsSH.
Nach dieser Reaction wird gegenwärtig Aethylmercaptan in sehr grossem
Massstabe fabrikmässig gewonnen (vgl. S. 216); man erhitzt zur Flüssig-
keit condensirtes Chloräthyl mit einer concentrirten Lösung von Kalium-
solfhydrat in stark wandigen, geräumigen Druckgefässen aus Metall im
Wasserbade und destillirt darauf das gebildete Mercaptan aus dem
Wasserbade ab.
Im Laboratorium bereitete man Mercaptan bisher meist durch
Destillation von ätherschwefelsauren Salzen mit wässrigem
Kaliumsulfhydrat:
CjHs.OSOjOK + KSH = CjHg.SH + SO^COK),.
Eis ist zweckmässig, in concentrirter Lösung und mit einem grossen
üeberschuss von Kaliumsulfhydrat zu arbeiten. Man braucht nicht von
reinen krystallisirten ätherschwefelsauren Salzen auszugehen, sondern
kann die erforderliche Lösung bereiten, indem man den betreffenden
Alkohol mit concentrirter Schwefelsäure mischt, nach dem Erkalten ver-
dünnt, mit Sodalösung schwach alkalisch macht, die alkalische Lösung
stark concentrirt und nun die grösste Menge des Glaubersalzes aus-
krystallisiren lässt. Die Mutterlauge, welche das ätherschwefelsaure
Natriumsalz neben Glaubersalz enthält, wird nun nochmals durch Ein-
^ Ann. 90, 311.
* Vgl Cabius, Ann. 112, 195; 119, 289. — Kovalewsky, Ann. 119, 303.
214 Mercapla^ie (allgemeine Charakteristik).
dampfen concentrirt, mit einer mit Schwefelwasserstoff gesättigten Lösung
von 1 Th. Kali in 2 Th. Wasser gemischt, und die Mischung destillirt^.
Theoretisch interessant (vgl. S. 222) ist die Bildung von Mercap-
tanen durch Reduction der Alkylsulfochloride*:
CjHj.SOsCl + 6H = CjHfiSH + 2H,0 + HCl.
Allgemeine Charakteristik. Die Mercaptane sind flüchtige Flüssig-
keiten (Methylmercaptan ist bei Zimmertemperatur gasförmig), deren
Siedepunkt erheblich niedriger liegt, als derjenige der entsprechenden
Alkohole. In Wasser sind sie kaum löslich, in Alkohol und Aether leicht
löslich; die hochmolecularen Glieder sind krystallisirbar. Die Mercaptane
— namentlich diejenigen der niederen Reihen — besitzen einen höchst
widerwärtigen und durchdringenden Geruch. Vom Aethylmercaptan reicht
noch eine Quantität von yfi/^ 7.^.^ ^^^^/^ °^g zur Geruchswahmehmung aus^;
diese Menge ist etwa 250 mal geringer als die kleinste durch die Spek-
tralanalyse erkennbare Natriummenge.
Die Mercaptane besitzen schwachen Säurecharakter, welcher auf der
Vertretbarkeit des Wasserstoffatoms der SH-Gruppe durch Metallatome
beruht; man nennt die so entstehenden Salze* „Mercaptide". Die
Mercaptide der Alkalimetalle, wie CgHg-SNa, sind in Wasser leicht
löslich; infolge ihrer Bildung lösen sich daher die Mercaptane in wäss-
rigen Alkalien auf und werden aus dieser Lösung durch Ansäuern wieder
gefällt. Dies Verhalten unterscheidet sie scharf von den Alkoholen,
welche zwar auch ein durch Metallatome vertretbares Wasserstoffatom
besitzen, deren saure Natur aber nicht ausreicht, um die in Wasser
unlöslichen Glieder — wie z. B. den Amylalkohol — in Alkalien lös-
lich zu machen. Die Mercaptide der Alkalimetalle sind indess nicht
sonderlich beständig; durch viel Wasser werden sie in der Kälte theil-
weise, beim Kochen mit Wasser vollständig in freies Mercaptan und
Alkali zerlegt; auch Schwefelwasserstoff treibt aus ihnen die Mercap-
tane aus.
Besondere Neigung besitzen die Mercaptane zur Bildung von Salzen
mit den Schwermetallen. Mit Quecksilberoxyd entstehen in leb-
hafter Reaction die meist aus Alkohol krystallisirbaren, farblosen Queck-
silber mercaptide:
2C2H6.SH + HgO = H,0 + (CjHsS^^Hg.
Von diesem Verhalten rührt der Name Mercaptan (Corpus mercurio
aptum) her. Analoge Verbindungen mit anderen Schwermetallen bilden
sich beim Vermischen der Mercaptane mit essigsauren Metallsalzen in
alkoholischer Lösung. Die Blei- und Kupfersalze sind meist gelb ge-
färbt. Von Salzsäure werden diese Mercaptide zu Metallchlorid und
* Klasün, Ber. 20, 3407. « Voot, Ann. 119, 152.
' E. Fischer u. Penzoldt, Ann. 239, 131.
* Vgl. besonders Klason, J. pr. [2] 16, 193. Ber. 20, 3410.
Einzelne Mercaptane. 215
Mercaptan zersetzt. Beim Erhitzen zerfallen die meisten Mercaptide
in HetaUsulfid und Alkylsulfid^:
(CH3.S),Pb = PbS + (CH8),S,
die Quecksilbermercaptide dagegen in Quecksilber und Alkyldisulfid^:
(C,Hö.S),Hg = Hg + (C,H,.S),.
Mit alkoholischen Lösungen von Quecksilberchlorid bilden die Mercap-
tane schwer lösliche Verbindungen von der Formel (C^Hg^ ^ j • S)HgCL
Concentrirte Schwefelsäure^ erzeugt aus den Mercaptanen keine den
Aetherschwefelsäuren analoge Verbindungen, sondern oxydirt sie zu Disul-
fiden, wie (023^5)283. In letztere gehen sie häufig auch schon durch
Oxydation an der Luft — namentlich in Gegenwart von Ammoniak —
über, femer durch Einwirkung von Jod auf ihre Natriumsalze*:
2C,Ha.S.Na + 2J = 2NaJ + (CjEgS),
und durch Einwirkung von Sulfurylchlorid ® :
2C8H5.SH + SOjCl, = 2HC1 + SOj + (CjHj.S),.
Oxydation mit Salpetersäure fahrt zu den Alkylsulfonsäuren:
C.Hg.SH + 30 = CjHg.SOsH.
Einzelne Glieder. Methylmercaptan CHg-SH kann nach den
angegebenen allgemeinen Bildungs weisen erhalten werden®. Es bildet
sich ferner bei der Gährung des Eiweisses, ist daher ein Bestandtheil des
menschlichen Darminhalts und der Darmgase und bedingt, neben Skatol,
wohl wesentlich den Gestank der Excremente^. Ein interessantes Derivat
desselben, das Perchlormethylmercaptan® CClg-SCl, muss noch Er-
wähnung finden. Es entsteht neben Chlorschwefel durch Einwirkung
von Chlor auf Schwefelkohlenstoff bei Gegenwart einer Spur von Jod.
Es ist ein gelbes Oel von äusserst unangenehmem Geruch, siedet unter
geringer Zersetzung bei 149® und besitzt bei 0® das spec. Gew. 1-722.
Beim Erhitzen mit Wasser wird es in Kohlensäure, Salzsäure und
Schwefel zersetzt:
CCla-SCl + 2H,0 = COs + 4HC1 + S,
von Salpetersäure zu Trichlormethylsulfonsäurechlorid CClg-SOgCl (s.
S. 223) oxydirt. Wichtig ist seine Ueberflihrbarkeit in Thiocarbonyl-
chlorid CSClj durch Eeduction (Darstellung des Thiophosgens, s. d. Kap.
, Kohlensäure-Derivate**) :
CCI3.SCI + 2H = 2HC1 + ClCSCl.
> Klabon, Ber. 20, 3412. * Otto, Ber. 18, 1289.
* Erlenmeyer u. Lisekko, Jb. 1861, 590.
^ KekulA IL LiNNEMANN, Adh. 128, 277.
* CouHAJST u. V. HicHTER, Bsr. 18, 3178.
® Greooby, Ann. 16, 239. — Obermeyer, Ber. 20, 2918. — Klabon, Ber. 20, 3408.
^ M. Nbncki u. Siebbr, Monatsb. 10, 526. — L. Xencki, Monatsh. 10, 862.
» Rathke, Ann. 167, 195. — Klason, Ber. 20, 2376.
216 SiUfide,
Aethylmercaptan CgHg-SH wurde als erster Repräsentant derMer-
captane 1833 von Zeise^ entdeckt. — Kühlt man seine Mischung mit Wasser
unter 8® ab, so bilden sich farblose Krystalle desHydratsCjHgS + lSHjO;
das Quecksilbermercaptid (CjjH5S)2Hg bildet farblose Blättchen vom
Schmelzpunkt 76®, das Bleimercaptid (CjHß-S)3Pb einen gelben krystal-
linischen Niederschlag vom Schmelzpunkt 150°; die durch Fällung mit
Quecksilberchlorid in alkoholischer Lösung entstehende Verbindung C^Hg -
SHgCl krystallisirt in hübschen farblosen Blättchen. — Das Aethylmer-
captan wird gegenwärtig in grossem Massstabe hergestellt, da es zur
Gewinnung des Schlafnaittels „Sulfonal" (s. d.) gebraucht wird. Seine
Fabrikation geschieht an möglichst abgelegenen Orten, da der furchtbare
Geruch des Mercaptans noch in weiter Entfernung von der Fabrik die
grössten Belästigungen der Anwohnerschaft hervorruft.
Ueber die Eigenschaften der Mercaptane siehe femer die Tabelle
Nr. 9 auf S. 221.
2. Alkylsulflde oder Thioäther.
Allgemeine Zusammensetzung: (C^Hgn ^. 1)28.
Die Sulfide können aus den entsprechenden Aethem durch Be-
handlung mit Schwefelphosphor erhalten werden*. Man stellt sie durch
doppelte Umsetzung von Halogenalkylen oder alkylschwefelsauren Salzen
mit Kaliumsulfid dar:
2C,H6. J + K,S = 2KJ + (CjH^),»;
2C,Hö.0.S0,.0K + KjS = 2K0.S0,.0K + (C,H5),S.
Im letzteren Falle ist es wieder zweckmässig, mit einem erheblichen
Ueberschuss von Kaliumsulfid zu arbeiten; die Darstellung ist ganz
analog derjenigen der Mercaptane (s. S. 213), nur wendet man statt der
ganz mit Schwefelwasserstoff gesättigten Kalilauge eine zur Hälfte ge-
sättigte Lauge (KSH + KOH = KgS + H^O) an^
Aus den erwähnten Bildungsweisen ergiebt sich die Constitution
der Sulfide ohne Weiteres als analog derjenigen der Aether. Es war
vorauszusehen, dass ebenso, wie es neben einfachen auch gemischte
Aether giebt, zu den einfachen Sulfiden eine Reihe von gemischten
Sulfiden, welche zwei verschiedene Alkylradicale enthalten, treten werde.
Dieselben werden durch Einwirkung von Halogenalkylen auf die Natrium-
verbindungen der Mercaptane*:
C^HfiSNa + CH5J = NaJ + C.H^.SCHs
oder durch Destillation der Mercaptane in alkalischer Lösung mit äther-
schwefelsauren Salzen 5:
CaH^OSOj-OK + CHa-SK = CHg-SCÄ + KOSOjOK
erhalten.
^ Ann. 11, 1. — s. femer Liebig, Ann. 11, 14. — Reonault, Ann, 84, 25. —
Klabon, J. pr. [2] 15, 193.
* Kekülä, Ann. 90, 311. ^ Klason, Ber. 20, 3412.
* Kbüoer, J. pr. [2] 14, 206. * Klason, Ber. 20, 3413.
Sulfinverbindimgen. 217
Die Sulfide sind mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeiten von wider-
wärtigem Geruch. Während der Siedepunkt der Aether oft erheblich
niedriger als derjenige der entsprechenden Alkohole liegt, sieden die
Sulfide stets beträchtlich höher als die entsprechenden Mercaptane (vgl.
die Tabelle Nr. 9 auf S. 221). Die Sulfide sind indifferente Verbindungen,
in denen kein durch Metallatome vertretbarer Wasserstoff vorhanden ist,
wie ihre Constitution es voraussehen lässt. Dagegen vereinigen sie sich
mit verschiedenen Halogenverbindungen der Metalle zu gut krystallisir-
baren Verbindungen^, wie z. B. (C2H5)2S.HgCla , (CH3)3S.HgJ2 etc. —
Auch mit Brom und Jod liefern sie krystallinische Additionsprodukte*
(^nHan + JaS-Brj, und (C^H2„^i)2S.Jjj. — Bei der Einwirkung von con-
centrirter Salpetersäure entstehen aus den Sulfiden die Nitrate der
Sulfoxyde (C^^Hg^ ^j)2SO.HN03, bei stärkerer Einwirkung die Sulfone
(CiAn + 1)2^02.
3. SalfinTerbindangen.
Als SulfinTerbindungen bezeichnet man eine Gruppe von mit
merkwürdigen Eigenschaften begabten Verbindungen, denen einwerthige
aus einem Schwefelatom und drei Kohlenwasserstoffradicalen bestehende
Complexe:
^n"an + i\ IV
^'m"8m + 1 y S —
gemeinsam sind. Diese Complexe spielen in ihnen die Rolle von stark
basischen Radicalen; ihre Verbindungen mit Halogenatomen oder Säure-
sind neutrale, krystallisirbare Salze; die Verbindungen mit Hydroxyl:
(CnHjn + 1 )8S • OH
"^ind in Wasser lösliche Basen, welche den stärksten anorganischen
Basen — den Alkalien — gleichen (s. S. 218).
Den Ausgangspunkt zur Gewinnung dieser von v. Oefele^ 1864 ent-
deckten Verbindungen bilden die Sulfinjodide:
welche leicht durch Addition von Halogenalkylen zu Alkylsulfiden ent-
stehen, 2. B.:
(C,H5),S + CjH,. J = (C,Hs),SJ-,
diese Addition vollzieht sich zuweilen schon in der Kälte, oder man
unterstutzt sie durch Erwärmen. Man erhält die Sulfinjodide ferner
durch Erhitzen von Halogenalkylen mit Schwefel* oder mit Schwefel-
* 8. besonders Lom, Ann. 87, 369; 107, 234; ferner Blomstrand, J. pr. [2]
W, 190; 88, 345 u. 497.
* Cahoübs, Ann. 186, 355. — Patein, Bull. 50, 202.
^ Ann. 182. 82.
* Ejjkoer, Ber. 10, 1880. — Masson u. Kibkland, Journ. Soc. 1889 I, 185.
218 Sulfinverbindungm,
metallen^, wie Na^S, CdS, As^Sj (z. B. aus Jodmethyl Trimethylsulfin-
jodid). Bei der Destillation zerlegen sie sich wieder in Halogenalkjie
und Alkylsulfide. — Aus den Jodiden kann man durch doppelte Um-
setzung eine Reihe von anderen Salzen^ herstellen:
(CHs^SJ + AgCl = AgJ + (CH3),SC1,
(CH^SJ + AgNO, - AgJ + (CH3),S.N03 etc.
Digerirt man die wässrige Lösung der Jodide mit feuchtem Silber-
oxyd, so erhält man die Lösungen der Sulfinhydroxyde:
(CH^SJ + Ag.OH = AgJ + (CH8)8S.0H
als stark alkalisch reagirende Flüssigkeiten, aus welchen durch Ein-
dampfen im Vacuum die Basen in zerfliesslichen Krystallen erhalten
werden können. Dieselben fallen aus den Lösungen der Schwermetall-
salze die Metalloxyde, sie treiben das Ammoniak aus seinen Salzen aus.
sie ziehen an der Luft begierig Kohlensäure an und erinnern demnach
in allen Stücken an das Verhalten der Alkalien.
Die Sulfinjodide mit gemischten Alkylresten gehen unter verschiedenen Be-
dingungen leicht in solche Sulfinjodide über, welche gleichartige Reste enthalten^.
So erhält man z. B. schon beim Erwärmen einer wässrigen Lösung von Diäthyl-
methylsulfinjodid auf dem Wasserbade Trimethylsulfinjodid. Es beruht dies auf einer
Beihe von Spaltungen und Wiedervereinigungen. Es spaltet sich z. B. zunächst
AcgMeSJ (Ae = CjHg; Me = CH3) theilweise in Ae^S und MeJ und theilweise in
AeMeS und AeJ; nun entsteht aus AeMeS + MeJ : AeMe^SJ; letzteres zerföUt
einerseits in AeMeS und MeJ, andererseits in McgS und AeJ; und endlich vei*einigen
sich Me^S und MeJ zu McgSJ.
In den obigen Formeln sind die Sulfinverbindungen von vierwerthigem
Schwefel abgeleitet und als atomistische Verbindungen aufgefasst. Nach
ihrer Entstehungsweise aus Sulfid und Halogenalkyl und im Hinblick
auf den Zerfall in die beiden Componenten durch Erhitzen könnte man
auch geneigt sein, sie als Molecularverbindungen :
anzusprechen. Aber diese Auffassung würde den merkwürdigen che-
mischen Charakter der Verbindungen ganz unerklärt lassen. Es ist
schon schwer zu begreifen, dass durch moleculare Aneinanderlagerung
von zwei in Wasser unlöslichen flüssigen Verbindungen, wie Methylsulfid
und Jodmethyl, ein leicht lösliches krystallisirbares Salz, das Trimethyl-
sulfinjodid, entstehen soll. Noch grössere Schwierigkeiten würde aber
das Verständniss der freien Basen bieten; erschiene doch das stark
basische Trimethylsulfinhydroxyd als eine Molecularverbindung der beiden
indifferenten Verbindungen Methylsulfid und Methylalkohol:
(CHs),S, CHs-OH.
^ Klinoer, Ber. 15^ 881. — Klinoeb u. Maassen, Ann. 252, 256.
* s. besonders Dehn, Ann. Suppl. 4, 90—100. — Brown u. Blaikib, J. pr. [2,
28, 395. — DoBBiN u Massou, J. pr. [2] 81, 37. — Patein, Bull. 49, 678; 60, 201:
[3] 2, 159; 8, 164.
' Klinger u. Maassen, Ann. 252, 241.
DisiUfide und Polysulfide. 219
Es liegt auf der Hand^ dass eine solche Auffassung nicht zutreffend sein
kann. Für die Beurtheilung der Constitution der Sulfinverbindungen
ist ferner von Bedeutung die Entscheidung der Frage, ob aus Aethyl-
sulfid und Jodmethjl einerseits und aus Methyläthylsulfid und Jodäthyl
andererseits identische oder verschiedene Verbindungen entstehen. Als
Molecularverbindungen müssten die beiden Beactionsprodukte:
(C,H,),S, CH,J und '\s, CHsJ
c,h/
verschieden sein; als atomistische Verbindungen des vierwerthigen Schwe-
fels erhalten beide die Formel:
CHgV
C,H,/
und ihre Gleichheit erscheint bei Voraussetzung der Gleichheit der vier
Valenzen des Schwefels als theoretische Forderung. Diese Frage ist
von EiiiNGEB und Maassen ^ zu Gunsten der Identität entschieden worden.
Definitiv ist das Problem der Constitution der Sulfinverbindungen damit
freilieh nicht zum Austrag gebracht, da ein gegenseitiger Austausch der
Alkylgruppen zvrischen den Sulfiden und Halogenalkylen nicht ganz un-
denkbar erscheint.
4. Dlsulfide und Polysalfide.
Die Alkyldisulfide, C^H^„^.i-S-S-C„H2„^i, entstehen bei der De-
stillation von ätherschwefelsauren Salzen mit Kaliumdisulfid*:
2CjH6.0.S0,0K 4- KjSj = (C^HaS), 4- 2K0.S0,0K,
ebenso bei der Umsetzung von Halogenalkylen mit Kaliumdisulfid^, femer
aus den Mercaptanen durch Oxydationswirkungen verschiedener Art
(Einwirkung von Luft, von Jod auf die Natriummercaptide, von conc.
Schwefelsäure, von Sulfiirylchlorid, vgl. S. 215). Gemischte Alkyldisulfide
können durch Einwirkung von Brom auf ein Gemenge zweier Mercaptane
erhalten werden*, z. B.
CjHs.SH + CßHiiSH + Bfj = 2HBr + CjUs-SSC^Hh.
Die Disulfide sind in Wasser kaum lösliche Flüssigkeiten von un-
angenehmem Geruch und sieden bedeutend höher als die zugehörigen
Mercaptane und Sulfide (vgl. Tab. Nr. 9 auf S. 221). Durch Reductions-
mittel werden sie leicht in Mercaptane zurückgeführt:
• CjHs.S.SCjHft + 2H«2C,H5.SH;
fast augenblicklich findet diese Reduction beim Erwärmen mit einer
alkoholischen Lösung von Einfach-Schwefelkalium statt ^:
(CjHbS), + 2K,S =- 2C2H6.SK + KÄ.
* Ann. 848, 193; 252, 241.
' Zeisb, Ann. 11, 1. — Moun, Ann. 32, 267. — Cahours, Ann. 61, 92.
» Milch, Ber. 19, 3131. * Otto u. Eössikq, Ber. 19, 3132.
^ Otto u. Rössiko, Ber. 19, 3129.
220 Sulfoxyde und Sulfone.
Durch Oxydation mit verdünnter Salpetersäure liefern die Disulfide
Thiosulfonsäureester (vgl. S. 224):
VI
CjHö — S ^3^5 — SO2
I 4- 20= I
C2H5 — S ^2^5 — S.
Polysnlflde^: Bei der Einwirkung von Chlorschwefel (SjCl,) auf Mercaptane
entstehen gelbliche nicht unzersetzt destillirbare Oele von höchst widerwärtigem Cre-
ruch, welche wahrscheinlich Tetrasulfide darstellen:
2CgHßSH + ClÄ =- 2HC1 + C^H^ • S4 • CjHg.
Erhitzt man die so erhaltene Methylverbindung im Vacuum, so geht Metfayltri-
sulfid CHj-Sa'CHj als schwach gelbes Oel vom spec. Gew. 1-216 (bei 0®) über; es
siedet im Vacuum bei 62°, bei gewöhnlichem Druck unter geringer Zersetsning
bei 110 \
5. Sulfoxyde und Sulfone ^
Sulfoxyde C^Hg^^i-SO-C^Hg^^i (von Sä.ytzeff 1866 entdeckt):
Bei der Einwirkung von concentrirter Salpetersäure auf die Sulfide ent-
stehen die Nitrate der Sulfoxyde {C^Hgn^ 1)280. HNOg; aus diesen un-
beständigen Nitraten werden die Sulfoxyde selbst zuweilen schon durcli
Wasser, in anderen Fällen durch Bariumcarbonat oder andere Carbonate
in Freiheit gesetzt. Es sind dies farblose, geruchlose, neutral reagirende
Verbindungen, welche nicht unzersetzt destillirbar sind ; sie sind in Alkohol
und Aether leicht löslich, die niederen Glieder lösen sich auch in Wasser;
durch Reductionsmittel (nascirender WasserstoflF), ebenso durch Phosphor-
pentachlorid werden sie leicht wieder in die Sulfide zurückverwandelt.
Methyl- und Aethylsulfoxyd sind dicke Flüssigkeiten, welche in der
Kälte erstarren; Schmelzpunkte der höheren Sulfoxyde s. in der Tabelle
Nr. 9 auf S. 221.
Sulfone C„H2^^.i-S02-C„H2„^i (1864 entdeckt durch v. Obfele):
Sie entstehen durch Oxydation der Sulfide oder Sulfoxyde vermittelst
rauchender Salpetersäure oder Kaliumpermanganat. Sulfone bilden sich
ferner bei der Einwirkung von Halogenalkylen auf die Natriumsalze der
Sulfinsäuren (vgl. S. 226):
CHß.SOjNa + Br.C,H5 = NaBr + CHs-SOjCaHs.
Es sind farblose, geruchlose, krystallisirbare und unzersetzt destillirbare
Verbindungen von grosser Beständigkeit. Die niederen Glieder sind in
Wasser löslich. Durch nascirenden Wasserstoff un# durch Phosphor-
pentachlorid werden die Sulfone im Gegensatz zu den Sulfoxyden nicht
verändert. — Schmelzpunkte und Siedepunkte einzelner Sulfone s. in
der folgenden Tabelle:
* Klason, J. pr. |2] 15, 214. — Ber. 20, 3413.
' V. Oefele, Ann. 182, 86. — Saytzefp, Ann. 189, 354; 144, 148. — Beck-
mann, J. pr. [2] 17, 439. — Wissinger, Ber. 20 o, 364. — Grabowsey, Ann. 176, 348.
— Otto, Ber. 18, 1278.
Tabellarische üebersicht über die Schwefdverhindungen der Alkylreste. 221
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6
Citate zu der Tabelle Nr. 9: * ELlason, Ber. 20, 3408. — ' Beckmann, J.
pr. [2] 17, 439. — ■ Cahoues, Ann. 61, 92. — * Pierre, Ann. 80, 128- — ' Saytzeff,
Ann. 139, 354; 144, 148. — • Lov^, Ber. 17, 2820, 2823. — ' Kanonnikow, J. pr.
[2] 31, 342. — « Nasini, Ber. 16, 2882. — » BöiraBR, Ann. 223, 348. — ^^ Prinz,
Ann. 223, 374, 878. — " Römer, Ber. 6, 784. — " Cahoues, Compt. rend. 76, 133.
— *• Spring u. Legros, Ber. 16, 1940. — " Sprino n. Winssinoer, Ber. 16, 329. —
" Winssinoer, Jb. 1887, 698. — "Claus, Ber. 6, 659; 8, 532. — " Grabowsky u.
Sattzeff, Ann. 171, 251; 176, 348. — "Hümann, Ann. 96, 256. — *^ Reymann, Ber.
222 StUfosäuren,
7, 1287. — *° DoBBiN, Joum. Soc. 57, 639. — "^ Kbutzsch, Ann. 52, 317. — " Balabd,
Ann. 52, 313. — *» Kopp, Ann. 95, 346. — •* v. Oefkle, Ann. 132, 86. — »• Spruio
u. WiNssiNGEB, Ber. 17, 538. — '• Henby, Jb. 1847/48, 699. — "^ Erlenveter und
Wanklyn, Ann. 136, 150. — " Möslinger, Ann. 185, 59. — " Fridau, Ann. 83, 16.
— '<* Pieverlino, Ann. 183, 349. — ** Winssinoer, Jb. 1887, 1280. — " Regnault,
Ann. 34, 24. — " vgl. ferner die Citate auf S. 214—216.
6. SalfosSuren und Thiosulfosäuren.
Die AlkylsnlfosSuren (oder Alkylsulfonsäuren) C^Hj^^^-SOj-SH
entstehen durch Oxydation der Mercaptane mit Salpetersäure^:
CjHftSH + 0, = CjHsSOjH;
ihre Alkalisalze bilden sich bei der Einwirkung von Halogenalkylen ^
oder alkylschwefelsauren Alkalien' auf Alkalisulfite:
CjHj. J + KSOaK = KJ + CsHft.SOsK,
C,H5.S04Na + Na.SOjNa = Na,S04 + CjHjSOsNa,
ihre Ester bei der Einwirkung von Halogenalkylen auf Silbersulfit*:
2C,H5.J + AgSOj-OAg = CjHftSOj.O.CgHj.
Die Sulfonsäuren sind sehr stark saure , beständige Verbindungen;
sie lösen sich sehr leicht in Wasser, sind meist krystallisirbar, aber sehr
zerfliesslich. Durch Kochen mit Alkalien oder mit Säuren werden sie
nicht verändert. Phosphorpentachlorid erzeugt aus ihnen die Alkyl-
sulfochloride * C^Hj^ ^ j • SOgCl : unzersetzt siedende Flüssigkeiten,
welche sich mit Wasser wieder langsam zu den Sulfosäuren , mit Alko-
holen (bezw. Alkoholaten) zu ihren Estern umsetzen. Durch nascirenden
Wasserstoff (Zink und Salzsäure) werden die Chloride wieder zu den
Mercaptanen reducirt:
CjHftSO.Cl + 6H = CsH^.SH + 2H,0 4- HCl.
Die Bildung der Sulfosäuren durch Oxydation der Mercaptane im
Verein mit der Rückflihrbarkeit ihrer Chloride in die Mercaptane zeigt,
dass in ihren Molectilen der Alkylrest direct — ohne Vermittelung von
Sauerstoffatomen — am Schwefel haftet. Die Bildung eines Chlorids
durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid und die Umsetzungen dieses
Chlorids in die freie Säure bezw. ihre Ester zeigt die Gegenwart einer
Hydroxylgruppe an. Diese Hydroxylgruppe kann nicht im Alkylrest
enthalten sein, da dann die Bildung aus Halogenalkylen und Sulfiten
unverständlich wäre, sondern sie muss ihren Sitz am Schwefel haben.
Die Constitution der freien Säuren ist demnach durch die Formel:
Cn^su + 1 • SOj • OH,
diejenige der Ester durch die Fonnel:
^ Löwio u. Weidmann, Kopp, Ann. 85, 846.
' &RAEBE, Ann. 146, 37. — Strecker, Ann. 148, 90. — Bender, Ann. 148, 96.
— CoLLMANN, Ann. 148, 101. — Hemilian, Ann. 108, 145.
' Fr. Mater, Bei*. 28, 908. * Kurbatow, Ann. 178, 7.
^ Carius, J. pr. [2] 2, 262.
SiUfosäuren, 223
wiederzugeben. Letztere sind isomer mit den aus Thionylchlorid und
Alkoholen entstehenden Schwefligsäureestem (S. 201—202) C^Hg^ ^ ^ -O-SO-
O-C^Hg^^j, welche beide Alkylreste an Sauerstoff gebunden enthalten,
während in den Sulfonsäureestem nur der eine mit Sauerstoff, der andere
mit Schwefel verbunden ist. Dieser Constitutionsunterschied prägt sich
besonders deutlich in dem Verhalten bei der „Verseifung" durch kochende
Alkalien oder Säuren aus; nur die an Sauerstoff gebundenen Alkylreste
werden hierdurch in Form von Alkoholen abgespalten, während die
Bindung des Alkylrestes an Schwefel jenen Angriffen widersteht. Die
Schwefligsäureester werden demnach vollständig zu Alkoholen und schwef-
liger Säure verseift:
SOCO.CjHj) + 2H,0 = SO(OH)a 4- 2 OH- CA,
aus den Sulfonsäureestem aber wird nur ein Alkylrest abgespalten:
CÄSOjO.CiHj + H,0 = CsHftSOjOH + OHCA;
es entstehen die Sulfonsäuren, welche durch kochende Alkalien und
Säuren nicht verändert werden.
Die im Vorstehenden begründete Auffassung der Sulfonsäuren ist
von Wichtigkeit fiir die Frage nach der Constitution der schwefligsauren
Salze. Wenn Sulfonsäuren und ihre Ester aus schwefligsauren Salzen
durch Austausch der Metallatome gegen Alkylreste entstehen (s. S. 222),
so drängt sich die Ansicht auf, dass die Metallatome in den Sulfiten
auf dieselbe Weise gebunden sind, wie die Alkylreste in den Sulfon-
säureestem, d. h. dass eines derselben direct an dem Schwefelatom, das
andere durch Vermittelung von Sauerstoff daran haftet:
Na-SO,-ONa;
wahrscheinlich wird auch der freien schwefligen Säure nicht die den
sogenannten Schwefligsäureestem entsprechende Formel OH -SO -OH,
sondern die unsymmetrische den Sulfonsäureestem entsprechende Formel
H-SOj-OH zugeschrieben werden müssen.
Methylsulfonsäure ^ CHj-SOgH ist ein farbloser Syrup, der sich
oberhalb 130^ zersetzt. Ein besonderes Interesse bietet ihre 1845 von
KoLBE ausgeführte Synthese aus den Elementen; durch Einwirkung von
Chlor auf feuchten Schwefelkohlenstoff (vgl. S. 215) erhält man das
Trichlormethylsulfochlorid CCI3SO2CI:
CS, + loci + 2H,0 = CCljSOgCl + 4HCi + SCI,.
Dieses Chlorid — campherartige, leicht sublimirende Krystalle von charak-
teristischem durchdringendem Geruch, welche bei 135® schmelzen und
bei 170® sieden, — liefert bei der Zersetzung mit Wasser die Trichlor-
methylsulfosäure CClj-SOgH, welche mit 1 Mol. H^O in zerfliesslichen
* KoLBE, Ann. 54, 1 45. — Muspratt, Ann. 65, 259. — Loew, Ztschr. Chem. 1869,
92. — NrraACK, Ann. 218, 283. — Mo. Govan, J. pr. [2] 30, 280. — Bassett, Jb,
1886, 1534.
224 Thiostäfosäuren,
kleinen Prismen krystallisirt. Durch Reduction der letzteren mit nas-
cirendem Wasserstoff entsteht nun unter Bildung der Zwischenstufen
CHCI3J.SO3H und CiEIgCl-SOgH endlich die Methylsulfosäure CH3.SO3H.
Aethylsulfonsäure^ C2H5 • SO9H : zerfliessliche , kr jstalliniflche Masse ; das
Chlorid CjHg.SOgCl siedet bei Hl« und besitzt bei 22-5« das spec. Gew. 1-35T:
der Aethylester CgHg • SO, • OCjHg siedet bei 203° und besitzt bei 0" das spec.
Gew. 1-171.
Die ThlosulfonsSuren C^Hg^^i-SO^-SH enthalten an Stelle der
Hydroxylgruppe der Sulfosäuren eine Sulfhydryl-Gruppe. Ihre Salze
bilden sich bei der Einwirkung von Schwefelkalium auf die Sulfochloride*:
CjHftSOjCl + K,S = KCl + CsHjSO.SK;
diese Reaction besteht indess nicht in einem einfachen Austausch des
Chloratoms gegen die Gruppe — SK, sondern es bildet sich zunächst
unter Abscheidung von Schwefel sulfinsaures Salz:
CgHgSOjCl + KjS = CjHj.SOjK + KCl + S,
welches dann erst durch Wiederaufiiahme des Schwefels in thiosulfon-
saures Salz übergeht:
CjHgSOjK + S = CjHg.SOjSK.
Die Ester der Thiosulfonsäuren» C^Hj^^^i-SOg-SC^Hj^^i ent-
stehen aus den Salzen durch Einwirkung von Halogenalkylen:
CjHj.SOsSK + Br.CjHs = KBr + CjHs • SO, • SC.Hg ;
mit ihnen sind identisch die Oxydationsprodukte, welche aus den Alkyl-
disulfiden (vgl. S. 220) bei der Oxydation mit verdünnter Salpetersäure
durch Aufnahme von zwei Sauerstoffatomen sich bilden:
C,H5 — S C,H5 — SO,
1+20= I .
C,H6 — S CjHg — S
Man bezeichnet sie daher auch als Alkyldisulfoxyde. Es sind Flüssig-
keiten von höchst unangenehmem Geruch, welche für sich nicht ohne
Zersetzung flüchtig sind, wohl aber mit Wasserdämpfen. Durch Kalium-
sulfid in alkoholischer Lösung werden sie zu Mercaptiden und thiosul-
fonsauren Salzen verseift:
C,H5 • SO, • SCjHg + K,S = C,H5*S0, 'SK + KS'CjHj,
von Zinkstaub in Sulfinsäuren und Mercaptane zerlegt:
2C,H5.SO,.SC,H5 + 2Zn = (CjHg-SOs^Zn + Zn(S.C,H5),.
^ Fr. Mayes, Ber. 28, 908. — Franchimont u. Klobbie, Reo. trav. chim. 6, 275.
" Spring, Ber. 7, 1162.
' Löwio u. Weidmann, Kopp, Ann. 85, 343. — Lueaschewicz, Ztscbr. Cham.
1868, 641. — Pauly u. Otto, Ber. 11, 2073. — Otto, Ber. 15, 121. — Otto u.
BÖB8ING, Ber. 19, 3131.
Älkylthioscfiwefelsäuren. 225
7. Alkylthioseh wefelsäuren \
Allgemeine Zusammensetzung: C^Hg^^i-S-SOg-SH.
Durch Digeriren von thioschwefelsaurem Natrium mit Halogenalkylen
sind eine Reihe von Natriumsalzen der Alkylthioschwefelsäuren er-
halten worden:
NaOSOgSNa + BrCgH^ = NaBr 4- NaO • SO, • SCjHß ;
das äthylthioschwefelsaure Natrium (BuNTE'sches Salz) entsteht
auch durch Einwirkung von Jod auf ein Gemenge von Natriumsulfit und
Natriummercaptid :
NaOSOj.Na + J, + NaSCA = 2NaJ + NaO-SOj.SC.Hj,.
Diese Salze sind in Wasser und Alkohol löslich und krystallisiren sehr
schön. Sie gleichen in ihrer Constitution den ätherschwefelsauren Salzen :
CgHj • Ov CjHft • S\
>SOj >S0,
NaCK NaO/
fithjlschwefels. Natrium äthylthioschwefels. Natrium.
Dem entsprechend zersetzen sie sich in angesäuerter Lösung leicht in
Mercaptan und Schwefelsäure:
0H.S0,.SC,H5 4- H,0 = OH- SO,- OH + SHCaHg.
Beim Erhitzen zerfallen die Natriumsalze in Alkyldisulfide, Schwefel-
dioxyd und Natriumsulfat:
2C,H5.S.SO,.ONa = (CjH^.S), + SO, + SO^CONa),. '
8. Alkylsulfinsäuren^
Allgemeine Zusammensetzung: C^Hgn^i-SOgH*
Als SalflnsSaren bezeichnet man eine Reihe von Säuren, welche
um ein Sauerstoffatom ärmer sind als die entsprechenden Sulfonsäuren.
Ihre Zinksalze werden aus den Chloriden der letzteren durch Austausch
des Chloratoms bei der Einwirkung von Zinkstaub unter Wasser gewonnen:
2C2H5.S0,C1 + 2Zn = (CjHs • SO,)gZn 4- ZnCl,;
sie entstehen ferner durch Einwirkung von Schwefeldioxyd auf Zinkalkyle:
(C,Hg)8Zii + 2S0, = (CaH5.S0j),Zn.
Die Bildung der Sulfinsäuren aus den Sulfonsäuren durch Vermitte-
lang der Sulfochloride erfährt die einfachste Deutung, wenn man in
den Sulfinsäuren einem Wasserstoffatom denselben Platz zuweist wie der
Hydroxylgruppe in den Sulfosäuren:
>0 yO ^0
C„H,„ + ,.S^0 ; C,H,„ + ,.S^O; C^H^ + ,.S^O
Salfonsäure Sulfonchlorid Sulfinsäure.
» BüMTE, Ber. 7, 646. — Spring, Ber. 7, 1162. — Spring u. Legros, Ber. 15,
1938. — Farbenfabr. vorm. Bater u. Co., D. P. 46333; Ber. 22 o, 115.
« HoBSON, Ann. 102, 72; 106, 287. — Wischin, Ann. 189, 364. — Pauly,
Ber. lO, 941. — K. Otto, Ber. 18, 1278. — Claesson, J. pr. [2] 15, 222.
V. M Kirnt n. Jacobson, org. Chem. I. ^^
226 Sulfinsäuren.
Diese Auffassung findet ferner eine Stütze in der Bildung von Sulfonen
aus den Salzen der Sulfinsäuren durch Einwirkung von Halogenalkylen:
CjH^-^SO,— Na + CjHgBr = NaBr + CjH,— SOj-CjHg.
An den aromatischen Sulfinsäuren (s. dort) sind indess Beobachtungen
gemacht, welche zeigen, dass die Sulfinsäuren auch im Sinne der von
vierwerthigem Schwefel abgeleiteten Formel:
.0
R-SC
reagiren und den Sulfonen isomere Ester von der Structur R-SO — O-C^Hg
bilden können.
Die freien Sulfinsäuren der aliphatischen Reihe sind syrupartig, in
Wasser leicht löslich und leicht zu den Sulfosäuren oxydirbar.
Die Sulfonsäuren sind Abkömmlinge der Schwefelsäure, in denen
eine Hydroxylgruppe des Schwefelsäurehydrats durch einen Kohlenwasser-
stofirest vertreten ist; ebenso können die Sulfinsäuren von dem Hydrat
der schwefligen Säure abgeleitet werden:
/OH .R
\0H \0H
Schwefelsäurehydrat. Sulfonsäure.
/OH /R
so/ ' S0,<
^H \H
Schwefligsäurehydrat. Sulfinsäure.
Selen- und Tellur-Verbindungen.
Aus Kaliumhydroselenid (KHSe) und äthylschwefelsaurem Calcium ist das
Aethylselenmercaptan CaHj'SeH als eine flüchtige Flüssigkeit von widrigem
Geruch erhalten, welche lebhaft mit Quecksilberoxyd reagirt ^ — Genauer untersucht
sind einige Selenide' fC„Hs„ ^ i)aSe, welche durch Destillation von Selenkalium KjSe
mit ätherschwefelsauren Salzen erhalten werden. Methylselenid (CH3)jSe siedet bei
58^, Aethylselenid (CaHs^Se bei 108°. Mit concentrirter Salpetersäure liefern sie die
Nitrate der Selenoxyde (C„H2a ^ jl^SeO-HNOg, aus deren Lösungen Salzsäure die
Chloride (CnHjn ^ jl^SeClj niederschlägt. Mit Halogenalkylen treten sie zu Selenin-
verbindungen wie z. B. (CaHjlgSeJ zusammen, welche sich den Sulfin Verbindungen
analog verhalten. — Aus Kaliumdiselenid KjScj und ätherschwefelsauren Salzen ent-
stehen Alkyldiselenide 0^11211 + i • Se • Se • CßH^n + 1 , welche bei der Oxydation mit Sal-
petersäure den Sulflnsäuren analog zusammengesetzte Se leninsäuren CnH,n^, -SeOjH
liefern.
Selenverbindungen, welche den Sulfonen entsprechen, sind nicht bekannt, ebenso-
wenig die den Sulfosäuren entsprechenden Alkylselenosäuren CflHjn ^ j • SeOjH. Die
Alkylverbindungen, welche aus selenigsaurem Silber und Halogenalkylen entstehen,
sind — abweichend von den in der entsprechenden Reaction gebildeten Schwefel-
* Siemens, Ann. 61, 360.
- LöwiG. PoQo. 87, 552. — Jor, Ann. 86, 35. — Wöhler u. Dean, Ann. 97, 5.
Rathke, Ann. 152, 210, 216. — Jackson, Ann. 179, 1. — Pibveruno, Ann. 185, 331.
Seleri' und Tellur -Verbindungen, 227
VI
Verbindungen — nicht als Alkylselenosäureester C^Hj^ ^.i'SeOg-OCaHgn + 1, sondern
IV
als Ester einer symmetrischen selenigen Säure CnHjn^. i-OSeO-0-CnHjQ ^ i anzu-
sprechen, da sie vollständig in Alkohol und selenige Säure verseifbar sind (vgl.
S. 202 und 222 — 223) *. Demzufolge besitzen wahrscheinlich die Selenite die von den
Sulfiten abweichende Constitution:
I IV I
MeO.SeOOMe.
Tellurmercaptane sind nicht bekannt. — Telluride* (CnH2n^i)8Te ent-
stehen durch Destillation von Tellurkalium KgTe mit ätherschwefelsauren Salzen.
Aethyltellurid (CgH^laTe siedet bei 137 «5^ Durch Oxydation mit Salpetersäure
liefern die Telluride die Nitrate der Telluroxyde (0^11,^ ^. iljTeO • HNOj ; aus den
Losungen derselben schlägt Salzsäure die Chloride (C^H^^ ^ J^TeCla nieder, und aus
letzteren erhält man durch Silberoxyd die wasserlöslichen, alkalisch reagirenden freien
Oxyde (CnHj„ ^ j ),TeO. — Den Sulfin Verbindungen entsprechende Tellurverbindungen
sind durch Addition von Halogenalkylen zu Telluriden darstellbar; Triäthyltellur-
chlorid (CjHslaTeCl entsteht auch durch Einwirkung von Zinkäthyl auf Tellurtetra-
chlorid; es schmilzt bei 174*^, das entsprechende Bromid bei 162^, das Jodid bei 92 ^
Fünftes Kapitel.
Alkylverbindungeiiy deren Alkylrest an Stickstoff
gebunden ist.
(Amine. — Quatemäre Ammonium Verbindungen. — Hydrazine und Tetrazone.
Hydroxylamin-Derivate. -^ Carbylamine. — Nitroparaffine.)
Uebersicht über die wichtigsten Verbindungsformen mit
an Stickstoff gebundenen Alkylresten: In den Estern der Stick-
stoffsäuren (S. 205 ff.) lernten wir schon stickstoffhaltige Alkyl Verbindungen
(wie z. B. CgHßO-NOg) kennen, in welchen indess der Alkylrest nicht
direct, sondern erst durch Vermittelung eines Sauerstoffatoms an das
Stickstoffatom gebunden ist Den Gegenstand dieses Kapitels bilden
solche Alkylverbindungen, welche ihren Alkylrest in unmittelbarer Bin-
dung mit Stickstoff enthalten.
Die wichtigsten dieser Verbindungen leiten sich von der einfachsten
Wasserstoffverbindung des Stickstoffs, dem Ammoniak, durch Vertretung
der Wasserstoffatome mittelst der Kohlenwasserstoffreste ab. Man be-
zeichnet sie als Amine und unterscheidet — je nachdem ein, zwei oder
alle drei Wasserstoffatome substituirt sind — primäre, secundäre
' Michaelis u. Landhakn, Ann. 241, 150.
• WöHLEH, Ann. 85, 111; 84, 69. — Mallet, Ann. 79, 223. — Wöhler u.
Dea>', Ann. 98, 233; 97, 1. — Heeren, Jb. 1861, 565. — Becker, Ann. 180, 263.
— MAJiai^AKDT U. MiCBAELIS, BCT. 21, 2042.
15*
228 Uebersicht über die Stickstoffverbindungen der Alkylreste,
und tertiäre Amine; auch nennt man die drei Klassen zuweilen Amid-
basen, Imidbasen und Nitrilbasen:
CjHj) CjHft) CjHg)
h) Hl C,HhI
primftres Amin secuudflres Amin tertiäres Amin
od. Amidbase od. Imidbase od. Nitrilbase.
In diesen Aminen besitzt das Stickstoffatom ebenso wie im Ammoniak
die Fähigkeit, aus dem Zustand der Dreiwerthigkeit in den der Fünf-
werthigkeit überzugehen. Dies äussert sich zunächst in der Neigung
zur Bildung von Salzen, welche — analog dem Salmiak — von fiinf-
werthigem Stickstoff abzuleiten sind, wie z. B.:
C,H,\v .H
H/ \C1
Ferner wird dadurch die Existenz von Verbindungen bedingt, welche
von dem hypothetischen Ammoniumhydroxyd:
V
H4I N-OH
durch Substitution seiner vier an Stickstoff gebundenen Wasserstoff-
atome deriviren:
oh'
c,h,)n<
Man bezeichnet diese besonders stark basischen Verbindungen, ans
welchen durch Austausch des Hydroxylwasserstoffatoms gegen Säurereste
Salze entstehen, als quaternäre Ammoniumbasen.
Das Ammoniak war bis vor Kurzem die einzige bekannte Wasser-
stoffverbindung des Stickstoffs; jetzt steht ihm zur Seite das von Cubtius
entdeckte Diamid:
HjN-NHj.
Die organischen Abkömmlinge dieses Diamids, welche ein Wasserstoff-
atom:
CjHßNH.NH,
oder mehrere durch Kohlenwasserstoffreste vertreten enthalten, sind schon
viel länger bekannt, als das Diamid selbst. Die Existenz dieser „Hy-
drazine" genannten Verbindungen war einer der Anlässe für die viel-
fachen, endlich von Erfolg gekrönten Bemühungen zur Auffindung des
Stamrakörpers NHj-NHj.
Bei den basischen Stickstoffverbindungen sind ferner die Alkyl-
derivate des Hydroxylamins zu erwähnen, wie z.B.:
CHa\ H\ G,H,\.
h)N; h)N; H^N.
OH/ CH3.O/ CgHj.O^
Alkylamine. 229
Zu den Alkylabkömmlingen des Ammoniaks gehören endlich noch
die Carbylamine (Isonitrile, Isocyanide) — Verbindungen, in welchen
an ein StickstoflFatom ein Alkylradical gebunden ist, während die übrigen
Valenzen des Stickstoffatoms durch ein Kohlenstoffatom gesättigt sind:
in _ V
CnH,n + iN=C= oder C^H^^ + i-N^a
Den Ammoniakabkommlingen gegenüber stehen die nicht basischen
Nitroverbindungen, welche von der Salpetersäure OH-NOg abgeleitet
werden können. Sie enthalten an Stelle der Hydroxylgruppe einen Alkyl-
rest und sind demnach durch die allgemeine Formel:
auszudrücken.
1. Alkylamine.
Allgemeine Zusammensetzung: C^Hg^^gN.
Die Entdeckung der aliphatischen Amine verdanken wir Wuetz^,
welcher 1848 als erste Repräsentanten der primären Amine das Methyl-
amin und Aethylamin gewann. Kurze Zeit darauf (1850) lehrte A. W. Hof-
mann* die unter den unten folgenden Bildungs weisen zuerst besprochene
Keaction kennen, welche die Kenntniss der secundären und tertiären
Amine und der quaternären Ammoniumverbindungen erschloss. Seine
klassischen Untersuchungen sind für die Chemie dieser Körpergruppe
von grundlegender Bedeutung.
Die Constitution der Amine kann nach den unten angegebenen
Bildungsprocessen nicht zweifelhaft sein. Aus dem Ammoniak durch
Austausch der Wasserstoffatome gegen Alkylreste entstehend, sind sie
eben als dem Ammoniak ganz analog gebaut aufzufassen, zumal auch
das Verhalten in mancherlei Reactionen zeigte, dass der Alkylrest in
ihre Molecüle unverändert eingetreten ist; so lässt sich z. B. das
Aethylamin CgH^-NH, durch salpetrige Säure in den Aethylalkohol
CjHg-OH zurückführen, und aus dem Trimethylamin (CH3)gN lassen sich
durch Erhitzen des salzsauren Salzes alle drei Methylgruppen in Form
von Chlormethyl CHj-Cl wiedergewinnen.
£ntstehungswelsen und Darstellungsmethoden. 1. Durch
directe Einführung von Alkylresten in das Ammoniak (A. W.
Hofmann). Der Ersatz der Ammoniak- Wasserstoffatome durch Alkylreste
erfolgt, wenn man auf wässriges oder alkoholisches Ammoniak die
Halogenalkyle in der Wärme einwirken lässt. Das Halogenatom tritt mit
einem Wasserstoffatom des Ammoniaks als Halogenwasserstoff aus, und
an die Stelle des letzteren tritt der Alkylrest; so entsteht ein Molectil
Alkylamin und ein Molecül Halogenwasserstoff, welche sich mit einander
zu einem Salz vereinigen:
1- C^H,„^.,.Br + NH, = C^H.n + j.NHj.HBr.
» Ann. 71, 380; 76, 317. « Ann. 78, 91; 74, 159; 78, 253; 79, 16.
230 Oleichzeüige Bildg, v. prim,, secund., tert, Aminen w. Amrnonmmverhindgn.
Aber die Reaction bleibt nicht bei der Bildung des primären Amins
stehen, vielmehr reagirt nun das Halogenalkyl auf das aus dem Salz
durch noch vorhandenes Ammoniak frei gemachte primäre Amin in der-
selben Weise wie vorher auf das Ammoniak:
und es bildet sich das secundäre Amin, aus welchem nun durch weitere
Einwirkung des Halogenalkyls :
3. CaH,„ + 1 . Br + (C^H,„ + J,NH = (C„H,„ ^,\^, HBr
das tertiäre Amin entsteht. Endlich vereinigt sich das tertiäre Amin
mit Halogenalkyl zu einem quaternären Ammoniumsalz:
4. C^Hja + 1 • Br + (CnHjn ^ i),N = (CnHjn + i)4NBr.
Diese vier Reactionen ^ verlaufen bei Anwendung von primären Halogen-
alkylen (C^Hg^^j-CH^Br) meist neben einander, und man erhält daher
ein Gemisch von Amidbasen, Imidbasen, Nitrilbasen und quaternären
Ammoniumbasen, deren Trennung gleich besprochen werden wird. Es
hängt von der Natur des einzuführenden Alkylrestes ab, welche Reactions-
phase besonders bevorzugt ist^. Bei den Jodiden der tertiären Alkohole
versagt die Reaction, da dieselben durch Ammoniak in Jodwasserstoff
und Alkylene GJ3^^ gespalten werden.
Statt der Halogenalkyle kann man sich auch der Alkylester von
Mineralsäuren', z. B. in vielen Fällen mit Vortheil der Alkylnitrate,
bedienen :
CjHg.ONO, + NH, = CjHsNHj.HNOj etc.
Aus den Alkoholen direct* erhält man die Amine durch Erhitzen
mit Chlorzinkammoniak auf 250 — 260^, z. B.:
(C,Ho)OH 4- NHj = (C,H^)NHa + H,0,
2(C4He)On + NHg = (CJIgljNH -h 2HjO,
3(C,H«)0H + NH3 = (CJl9)3N + 3H,0.
Quaternäre Ammoniumverbindungen bilden sich in diesem Falle nicht.
Nach diesen auf der directen Einführung der Alkylreste in das
Ammoniak beruhenden Methoden erhält man also meist ein Gemisch
von primären, secundären und tertiären Aminen und eventuell auch von
quaternären Ammoniumverbindungen, welche nun von einander zu trennen
sind. Die Trennung der Ammoniumbasen von den Aminen ge-
lingt sehr leicht, da ihre Salze im Gegensatz zu den Aminsalzen von
^ Ueber d. Theorie des Vorgangs vgl. Malbot, Ann. eh. [6] 18, 451.
* Vgl. hierüber Malbot, Compt. rend. 104, 64, 998; 105, 574. — Jahk, Monatsh.
8, 165. — v. D. Zande, Rec. trav. chim. 8, 202.
^ Vgl. z. B. Lka, Jb. 1861, 493; 1862, 331. — Erlknmeyeh u. Carl, Jb. 1875,
617. — Clabsson u. Lundvall, ßer. 18, 1699. — Wallach u. Schulze, Ber. 14, 421.
— Dovillier u. Büisine, Ann. eh. [5] 28, 321. — Duviluer u. Malbot, Ann. eh. [6]
10, 284.
* Merz u. Gasiorowsky, Ber. 17, 623.
TYennung der primären, secund,, tertiären Amine u. Ammoniumverbindgn. 231
Alkalien nicht zerlegt werden; man braucht daher nur das Salzgemenge
mit einer Alkalilösung zu destilliren, um sämmtliche Amine (neben dem
nicht in Reaction getretenen Ammoniak) im Destillate anzusammeln^
während die nicht flüchtigen Ammoniumverbindungen als Salze im Rück-
stand bleiben. Die einzelnen Amine der drei Klassen nun von einander
durch fractionirte Destillation zu trennen ist praktisch in vielen Fällen
kaum ausfllhrbar, selbst wenn zwischen ihren Siedepunkten nicht un-
erhebliche Differenzen bestehen; man muss daher für die Trennung der
Amine 1 meist Methoden anwenden, welche auf dem verschiedenartigen
chemischen Verhalten der Amid-, Iraid- und Nitrilbasen beruhen.
Ein allgemein brauchbares Verfahren zur Erreichung dieses Zieles
lässt sich kaum angeben; man muss vielmehr die Trennungsmethode
den einzelnen Fällen anpassen. Für die Aethylbasen führt z. B. folgen-
der von A. W. HoFMANN^ vorgeschlagener Weg zum Ziel. Man bringt
das Gemenge der wasserfreien Amine mit trockenem Oxalsäurediäthyl-
ester 0203(0-02115)2 zusammen; hierdurch entsteht aus dem Aethylamin
Diäthyloxamid :
CA(0-C,H5)j + 2NHa.CaHß = 2CJII5.OH + CACNH.CjHg),,
aus dem Diäthylamin Diäthvloxaminsäureester:
/N(C,H5),
während das Triäthylamin überhaupt unverändert bleibt und daher beim
Erwärmen des Reactionsgemisches direct abdestillirt werden kann. Von
jenen beiden Reactionsprodukten kann nun das Diäthyloxamid, da es
fest ist, leicht durch Absaugen des öligen Antheils rein erhalten werden ;
durch Destillation mit Kali wird daraus das Monoäthylamin unter gleich-
zeitiger Bildung von Kaliumoxalat regenerirt:
CACNH-CgHs)^ + 2K0H = C^O^COK), + 2NH,CaHß.
Aus dem öligen Antheil erhält man durch Rectificiren und Waschen
mit Wasser reinen Diäthyloxaminsäureester, welcher durch Destillation
mit KaU in oxalsaures Kalium, Alkohol und Diäthylamin zerfallt:
\(C H )
C,0,<^^ * * ' + 2K0H = CA(OK), + OH.CjHa + NHCCgHs)^.
Eine andere, namentlich für die Reindarstellung secundärer Amine
wichtige Trennungsmethode, bei welcher freilich die primären Amine
verloren werden, beruht auf der Einwirkung von salpetriger Säure
auf die Amine (Hjbintz*). . Aus primären Aminen erzeugt salpetrige
Säure unter Stickstoffentwickelung Alkohole, z. B.:
CH^NH, + NOjH = C4H5OH + N, + H,0,
» Vgl. Malbot, Ann. eh. [6] 13, 527.
* Ber. 8, 109 u. 776. — Vgl. ferner Wallach, Ann. 184, 64.
' Ann. 188, 319; vgl. auch Geutheh, Ann. 128, 153.
232 TVennung der primären, secundären und tertiären Amine.
aus secundären Aminen dagegen die Nitrosoamine (vgl. S. 238 — 239):
(CH,),NH + NO,H = (CHsljNNO + H,0;
tertiäre Amine bleiben der Hauptmenge nach unverändert, ein Theil
derselben geht indess unter Abspaltung einer Alkylgruppe (in Form von
Aldehyd) ebenfalls in das Nitrosoderivat des secundären Amins übe^^
Wenn man daher das Gemenge der Basen in salzsaurer Lösung mit einer
concentrirten Lösung von Natriumnitrit behandelt, so wird das primäre
Amin zerstört. Das secundäre Amin wird in Form seines Nitrosamins
erhalten; letzteres — in den höheren Reihen ein in der salzsauren Flüssig-
keit kaum lösliches Oel — wird durch Abheben (eventuell Ausäthem)
oder in den niederen Beihen auch durch Destillation mit Wasserdampf
isolirt; aus dem Nitrosamin kann nun durch Erwärmen mit concentrirter
Salzsäure die secundäre Base in reinem Zustand wiedergewonnen werden:
(CH8),N.N0 + 2HC1 = (CH8)8NH.HC1 + NOCl.
Das tertiäre Amin ist zum Theil in das secundäre übergeführt worden,
zum grössten Theil aber in der salzsauren Lösung unverändert als Chlor-
hydrat vorhanden und kann daher aus letzterer, nachdem das Nitrosamin
entfernt ist, durch Destillation mit Alkali rein erhalten werden.
In vielen Fällen kann die Trennung der primären, secundären und tertiären
Basen mit Vortheil auf das verschiedenartige Verhalten zu Acetylchlorid oder
Essigsäureanhydrid gegründet wefden. Primäre und secundäre Basen gehen in
ihre Acetylderivate über:
R.NHj + ClCO-CHg = R.NHCO^CHa -f HCl,
Ra:NH + ClCOCHj = RjiN.CO.CHs + HCl;
tertiäre Basen liefern keine Acetylderivate , sondern gehen einfach bei Anwendung
von Acetylchlorid und darauffolgender Behandlung mit Wasser in ihre salzsauren,
bei Anwendung von Essigsäureanhydrid in ihre essigsauren Salze über. Wenn nun,
wie z. B. bei den aromatischen Aminen (vgl. Bd. II), jene Acetyl Verbindungen in
kaltem Wasser kaum oder schwer löslich sind, so kann man die in Wasser löslichen
Salze der tertiären Amine leicht davon trennen und erhält die letzteren nach dem
Zersetzen mit Alkali sofort rein; aus den Acetyl Verbindungen gewinnt man durch
Verseifung (Abspaltung der Acetylgruppe unter Ersatz derselben durch Wasser-
stoÜ) ein Gemisch der primären und secundären Amine zurück, aus welchem das
secundäre Amin dann durch Vermittelung des Nitrosamins rein abgeschieden wer-
den kann.
Endlich sei erwähnt, dass in manchen Fällen die tertiären Basen, da sie schwer
lösliche saure Ferrocyanide bilden, durch Fällung mit Ferrocyankalium in saurer
Lösung von den übrigen Basen getrennt werden könnend
Für die Reindarstellung der tertiären Amine ist ihre Gewinn-
barkeit aus den leicht in reinem Zustand erhältlichen quatemären Ammo-
niumverbindungen von Bedeutung. Wenn man die freien Ammonium-
hydroxyde destillirt, so spalten sie ein tertiäres Amin ab, z. B.:
(CH3)^N . OH = (CHs^aN + CH3 . OH.
* Privatmittheilung von Dr. A. Bannow.
• E. Fischer, Ann. 190, 185.
Bildungsweisen primärer Amine. 233
Dieses Verfahren kann auch zur Gewinnung gemischter Amine dienen^;
so spaltet sich z. B. das Hydroxyd der aus Triäthylamin und Jodmethyl
entstehenden Ammoniumverbindung im Sinne der Gleichung (vgl. S. 246):
(C,H6),(CH,)N.0H =. (C,H5WCHs)N + C^ + H,0.
2. Durch Einführung von Alkylresten in Ammoniakderi-
Tate. Einige wichtige Bildungsweisen primärer Amine gehen von stick-
stoffhaltigen Verbindungen aus, welche an ihrem Stickstoffatom ein durch
Metallatome vertretbares Wasserstoffatom enthalten und beim Kochen
mit Säuren oder Alkalien den Stickstoff leicht als Ammoniak abgeben;
man lässt auf ihre Metallverbindungen ein Halogenalkyl wirken und er-
setzt auf diese Weise das Wasserstoffatom (bezw. Metallatom) durch
einen Alkylrest; führt man jetzt die Spaltung mit Säuren oder Alkalien
aus, so erhält man statt des Ammoniaks ein einfach alkylirtes Ammoniak.
Die Isocyansäure z. B., 0 = C = NH, zerfällt leicht in wässriger
Lösung in Kohlensäure und Ammoniak:
CO : NH + H, 0: = CO^ + HjNH;
destillirt man ihr Kaliumsalz CO:NK mit ätherschwefelsauren Salzen,
oder setzt man ihr Silbersalz CO-NAg mit Alkyljodiden um, so erhält
man die Isocyansäureester, wie z. B. CO:N*C3H5, welche nun beim
Kochen mit Kali primäre Amine liefern:
CO : N.CjHj + H, 0 = CO, + HjNC.Hj.
Diese Entstehungsweise ist besonders von historischem Interesse; sie
fahrte zur Entdeckung der Amine durch An. Wüetz* (1848), — Bei
glattem Verlauf sollten sich bei dieser Reaction nur primäre Basen
bilden; es treten indess auch hier secundäre und tertiäre Basen als
Nebenprodukte auf^.
Bei der Einwirkung von Halogenalkylen auf Cyansilber CNAg ent-
stehen die Isonitrile, z.B. CijzN — CjH^; diese spalten sich bei Berüh-
rung mit Säuren in Ameisensäure und primäre Amine ^:
CNCgH, + 2H,0 = HCOOH + H^N-CsH,.
Besonders geeignet zur Darstellung von primären Aminen hat sich
das leicht zugängliche Phtalimid NH:C202:CßH^ erwiesen (Gabeiel^).
Vermischt man dasselbe in absolut-alkoholischer Lösung mit alkoholischem
Kali, so scheidet sich das Phtalimidkalium NK : CgOj : C^H^ ab, welches
leicht mit Halogenalkylen doppelte Umsetzungen eingeht, z. B.:
CeH^ : C,0, : NK + CJM = K J + CeH^ : C,0, : NC^H^.
* A. W. HoFMANN, Ann. 78, 281. — V. Meyer und Lecco, Ann. 180, 184. —
Lo6.«cK, Ann. 181, 878.
« Ann. 71, 330; 76, 317.
' Silva, Bull. 8, 363. — Heiktz, Ann. 129, 34. — A. W. Hofhanm, Ber. 16, 762.
♦ Gaütieb, Ann. 146, 122; 149, 159. * Ber. 20, 2224.
234 Büdungsweisen primärer Amins,
Die 80 erhaltenen Alkylphtalimide spalten sich, mit rauchender Salzsäure
erhitzt, in Phtalsäure und primäre Amine:
CcH, : CjO, : NC^Hs + 211,0 = CaH^CCO.H), + H.NCaH^.
3. Durch Reduction von Nitroverbindungen (Zinin). Von den
Halogenalkylen ausgehend, kann man auch durch Vermittelung der aus
ihnen durch Einwirkung von Silbernitrit entstehenden Nitroverbin-
dungen:
C.Hß.J + AgNOa = AgJ + CaH^NO,
zu den primären Aminen gelangen^; in diesen Nitroverbindungen haftet
das Stickstoflfatom direct am Alkylrest; bei der Reduction (mit Eisen und
Essigsäure) entsteht daher das entsprechende primäre Amin (vgl. S. 254),
z. B. Aethylamin aus Nitroäthan:
C.Hfi . NOg + 6H = C JI5 . NH, + 2HjO.
4. Aus Verbindungen mit mehrfach an ein Kohlenstoffatom
gebundenem Stickstoff durch Wasserstoffzufuhr. Eine Gruppe
weiterer Bildungsweisen beruht auf der Zuftihrung von Wasserstoflfatomen
zu solchen Stickstoffverbindungen, deren Stickstoffatom durch mehrere
Valenzen an ein und dasselbe Kohlenstoffatom gebunden ist. So werden
z. B. aus den Säurenitrilen(Alkylcyanide, vgl. S. 292ff.) C^Hgn + i-C^N
durch Reduction mit Zink und Salzsäure (öder Schwefelsäure) die pri-
mären Amine von gleicher Kohlenstoffzahl erhalten, z. B.:
CH3.C N + 4H = CHa-CH^NH,.
Diese von Mendius^ entdeckte Reaction ist freilich mehr von theo-
retischem als von praktischem Interesse, da einerseits die Nitrile der
Fettreihe nicht ganz leicht zugänglich sind, und andererseits die Reduc-
tion mit Zink und Salzsäure nur massige Ausbeuten liefert. — Bessere
Resultate erhält man bei Ausführung der Reduction durch Natrium in
alkoholischer Lösung^; bei Anwendung dieses Reductionsmittels bietet
die MENDiüs'sche Reaction namentlich zur Gewinnung der Amine aus
den höheren Reihen einen recht vortheilhaften Weg^
Praktisch von grösserer Wichtigkeit ist die Reduction der aus
I den Ketonen und Aldehyden durch Einwirkung von Hydroxylamin
oder Phenylhydrazin (CßH--NH-NHj) äusserst leicht erhältlichen Oxime
V. Meyee's oder der Hydrazone E. Fischer's:
! (CH3), : CO + n,.NOH = HjO + (CII3), : C : N-OH;
I CHs • CHO + H,N . XII • CeHfi = Wfi + CH3 • CH : N • NH • Cß^,
Diese Verbindungen liefern, wie Tafel ^ zuerst bei den Hydrazonen, dann
H. Goldschmidt ^ bei den Oximen fand, bei der Behandlung mit Natrium-
» V. Mever, Ann. 71, 25. « Ann. 121, 129.
' Ladenbukq, Ber. 18, 2956; 19, 782. * Kilvpft und Moye, Ber. 22, 811.
* Ber. 19, 1924; 22, 1854. « Ber. 19, 3232; 20, 728.
Bildufi{i8 weisen primärer Amine, 235
amalgam und Eisessig in alkoholischer Lösung primäre Amine (aus den
Hydrazonen entsteht gleichzeitig Anilin):
(CH8)2C:N.OH + 4H = (CH8),CH(NH4) + H^O;
CHsCH-.NNH.CeHs + 4H = CHgCHjlNH,) + NKs-CeH^.
5. Durch Abbau der Amide der Carbonsäuren. Eine eigen-
thümliche, von A, W. Hofmann ^ entdeckte Reactionsfolge fuhrt von den
Carbonsäuren zu primären Aminen, welche an Stelle der in den
Ausgangssubstanzen befindlichen Carboxylgruppe die Amidgruppe ent-
halten und daher um ein Kohlenstoffatom ärmer als die letzteren
sind. Die Carbonsäuren werden zunächst in ihre Amide übergeführt
(s. Kap. 10 Abschn. 5), z. B. Essigsäure CHg-COOH in Acetamid CHg-
CO-XH^; die Säureamide werden in Brom gelöst, und diese Lösung wird mit
Kalilauge bis zur Entfärbung vermischt, dann mit überschüssiger Kalilauge
destillirt. Das nun übergehende primäre Amin wird in Salzsäure auf-
gefangen; es ist ganz frei von secundären und tertiären Basen, enthält
aber Ammoniak beigemengt; von letzterem trennt man es, indem man
das durch Eindampfen der salzsauren Lösung erhaltene Chlorhydrat-
gemenge mit absolutem Alkohol auszieht, wobei der Salmiak ungelöst
bleibt, das Chlorhydrat des Amins aber in Lösung geht.
Die Einwirkung der alkalischen Bromlösung auf das Säureamid er-
zeugt hierbei zunächst ein monobromirtes Amid (vgl. Kap. 10 Abschn. 5):
CHa.QO.NH, + Brj + KHO = CHaCONHBr + KBr + H^O.
Aus dem Bromamid entsteht dann durch Entziehung von Bromwasser-
stoflf ein Isocyansäureester :
CHa-CO.NHBr-HBr = COiNCHj,
welcher nun durch weitere Einwirkung des Aetzkali in schon früher
(S. 233) besprochener Weise zerfällt:
COiNCHs + H2O = CO2 + HjNCHa.
Diese Reaction liefert in den niederen Reihen vortreffliche Aus-
beuten, weniger gute in den höheren, da hier neben den Aminen be-
trächtliche Mengen der entsprechenden Nitrile gebildet werden 2; dieselben
entstehen durch eine Einwirkung der alkalischen Bromlösung auf die
Amine im Sinne der Gleichung (vgl. S. 295):
CyHisCHjNH, -f 4Br = 4HBr + C^Hi^C N.
Die Ausbeute an Amin in den höheren Reihen wird zuweilen besser,
wenn man — anstatt das Amid zunächst in Brom zu lösen und dann mit
Kali zu behandeln — das Amid in einer alkalischen Lösung von unter-
bromigsaurem Kali löst und darauf einen überhitzten Dampfstrom hin-
durchleitet'.
» Ber. 16, 762. « Ber. 17, 1406 u. 1920.
• HoooEWERF und V. DoRP, Rec. trav. chim. 6, 376.
236 Allgemeine Charakteristik der Amine.
Unter der grossen Zahl von Methoden, welche sonach für die Ge-
winnung der aliphatischen Amine zur Verfugung stehen, ist indess keine
derart expeditiv, dass sie die Gewinnung grösserer Mengen von reinen
Basen im Laboratorium zu einer leichten Arbeit macht. Auch in den
Katalogen der Präparatenfabriken sind die aliphatischen Amine mit sehr
hohen Preisen ausgezeichnet. Im Gegensatz zu den aromatischen Basen
gehören noch immer die Amine der aliphatischen Beihe zu den schwer
beschaffbaren Materialien.
Allgemeine Charakteristik. Die kohlenstoffärmsten Amine sind
bei gewöhnlicher Temperatur Gase, welche dem Ammoniak durch ihren
Geruch und durch die Bildung weisser Nebel mit den Dämpfen flüch-
tiger Säuren, sowie auch sonst in jeder Hinsicht zum Verwechseln
gleichen. Ebenso wie das Ammoniak, lösen sie sich leicht in Wasser zu
einer stark alkalisch reagirenden Flüssigkeit; vom Ammoniak unter-
scheiden sie sich durch ihre Brennbarkeit Dieser Umstand hat zu ihrer
Entdeckung gefuhrt; als Wuetz die Zersetzung des Cyansäureäthyl-
esters durch Kali untersuchte, glaubte er geraume Zeit, dass das sich
in dieser Reaction entwickelnde Gas nichts anderes als Ammoniak sei,
bis er durch einen Zufall die Brennbarkeit des vermeintlichen Ammoniaks
beobachtete^. — Die kohlenstoflfreicheren Glieder sind Flüssigkeiten,
welche leichter als Wasser und darin löslich sind, die höchsten Glieder
sind fest; mit zunehmender Kohlenstoffzahl nimmt die Löslichkeit in
Wasser ab und der ammoniakähnliche Geruch tritt zurück; die höchsten
Glieder sind geruchlos und in Wasser unlöslich. Die folgende Tabelle
Nr. 10 (S. 237) enthält die physikalischen Constanten einiger Amine.
Eine Bestimmung der Basicität, gegründet auf die Messung der
elektrischen Leitfähigkeit, ist für die Alkylamine der ersten fünf Reiben
ausgeführt worden; die Basicität wurde bedeutend grösser als diejenige
des Ammoniaks gefunden^. Aus vielen Metallsalzlösungen fallen die
Amine die Metalloxyde. Ihre Chlorhydrate sind meist in Wasser leicht
löslich und lösen sich auch in Alkohol (Trennung von Salmiak, vgl.
S. 235). Mit Platinchlorid und Goldchlorid bilden sie gut krystallisirbare
Doppelsalze von der allgemeinen Zusammensetzung:
(AmHCl),PtCl4 und AmHCl.AuCls (Am = Amin),
welche sich zur Identificirung der Amine meist als sehr geeignet er-
weisen.
Das chemische Verhalten ist für die drei Klassen von Aminen in
den meisten Reactionen ein verschiedenes. Die tertiären Amine er-
weisen sich gegenüber vielen Reagentien indifferent, durch welche die
primären und secundären Amine, da sie noch an ihrem Stickstoffatom
vertretbare Wasserstoffatome enthalten, leicht verändert werden. Während
* Vgl. A. W. HoFMAKX, Nekrolog auf Wurtz, Ber. 20 o, 932.
* Vgl. Ostwald, J. pr. [21 33, 352.
Tabellarische Uebersicki über die Alkylamine.
237
Tabelle Nr. 10.
Alkylrest.
Primäres Amin.
(Methylamin etc.)
Schm.-
ponkt
Siede-
punkt.
Specifiacbes
Gewicht.
Methyl- ^ — ••e.ii.it.so.sr.ss
Aethyl-^ — 6.ii'is.2a.s5'So<37.52
Propyl- **-"""^**' . .
Isopropyl- »•"•"•»»•»5-M.61
Prim. norm.-butyl- "— •^
Isobutyl- »-"•"-»•**. . .
Sec-biityl-*»"
Tert.-butyl-»»» ....
JgQ^IUy]. 6.11.i5.S0— S4.87-^0
Prim. DOTm.-hezyl- **•**•*•
-heptyl- "•»*•*»
II
56
6S
-octyl-
U.>9.49 — 46
Prim. norm.-duodecy !-**•*' .
-tridecyl-** . . .
-tetradecyl-*'. .
j'
n
Prim. norm.-hexadecjl-^^
„ -heptadecyl- ^*'**
»»
49<>
— 6<>
-hl9ö
490
32<>
63<>
46«'
95«
129*^
1550
180<^
248<»
265<»
187<*i *^°
835-340«
0-699 (—11«)
0-708 (—2«)
0-728(0«)
0-690(18«)
0-755(0«)
0-736(15«)
0-700(15«)
0-750(18«)
Secundäres
Amin.
(Dimethylamin etc.)
Siede- Specifisches
punkt.
+ 7«
56«
98«
84«
160«
136«
187«
Gewicht.
Tertiäres Amin.
(Trimethylamin etc.)
Siede-
punkt.
Specifisches
Gewicht.
297<
0.686(-6«)
0.711( + 15«)
0-756 (0«)
0-724 (15«)
0-782 (0«)
Dimyricyl-
amin(?)"
(CaoHeOaNH
schmilzt bei 78«
+ 3-5«
90«
156«
215«
187«
235«
260«
366«
0-662(-5«)
0-735(+15«)
0-771 (0«)
0-791 (0«)
0-785 (21«)
Tricetylamin*«
(CieH,3),N
schmilzt bei 39«
Citate zu der Tabelle Nr. 10: ' Vgl. die Citate auf S. 241—244. — « Vincent
u. Chappuis, Compt rend. 101, 427; 103, 379. — • A. W. Hopmann, Ber. 22, 699. —
* OuDEMANs, Kec. trav. chim. 1, 56. — ■ Brühl, Ann. 200, 185. — « Mendius, Ann.
121, 129. — ' SiERSCH, Ann. 144, 137; 148, 263. — * Silva, Ztschr. Chem. 1869,
638. — • LiNNEUANN, Ann. 161, 44; 162, 19. — *« Wallach u. Schulze, Ber. 14, 421.
— " A. W. Hopmann, Ber. 16, 762. — " Topsoe, Jb. 1883, 618. — " Römek, Ber.
6, 1101. — " Zandeb, Ann. 214, 171. — " Gautier, Ann. 149, 159. — ^« H. Gold-
scHMLDT, Ber. 20, 728. — " Lieben u. Rossi, Ann. 158, 172; 166, 113. — " V. Meyer,
Bakbieri u. Forster, Ber. 10, 130. — *' Linnbmann u. Zotta, Ann. 162, 3. —
•« ZüBLiN, Ber. 10, 2083. — •* Hughes u. Römer, Ber. 7, 511. — »• Merz u. Gasiorowski,
Ber. 17, 623. — •• Ladenburg, Ber. 12, 949. — ^ Reimer, Ber. 3, 756. — ■* Malbot,
Compt. rend. 104, 63, 228, 366, 998; 105, 574. Ann. eh. [6] 13, 474. — " Reymann,
Ber. 7, 1289. — " A. W. Hopmann, Ber. 7, 510. — *« Brauner, Ann. 192, 65. —
» RiTDXEFP, Ber. U, 988, 1938. — »« Wubtz, Ann. 71, 330; 76, 317. — " Brazier
Q. Go8si*eth, Ann. 76^ 253. — " Anderson, Ann. 105, 335. — ^' Schwanert, Ann.
102, 225. — •* Berthelot, Ann. 87, 372. — ■* v. d. Zande, Rec. trav. chim. 8, 202.
— »• Thomas, ebenda 9, 69. — " Hesse, Müller, J. pr. 70, 60, 66; 71, 479. —
« A. W. Hopmann, Ann. 79, 20. — »« Silva, Ztschr. Chem. 1867, 457. — *« Bell,
Ber. 10, 1867. — *' Frentzel, Ber. 16, 744. — " Petersen, Ann. 101, 310; 102,
312. — *• HoooEWERP u. V. Dorf, Rec. trav. chim. 6, 386. — ** Renesse, Ann. 166,
85. — *» EicHLER, Ber. 12, 1885. — *• Lutz, Jb. 1886, 1402. — *' Krafft, Ber. 23,
2360. — ** Krafft u. Moye, Ber. 22, 811. — *« Turpin. Ber. 21, 2486. — *« Fridau,
Ann. 83, 25. — " Pievbrling, Ann. 183, 351. — " Tafel, Ber. 19, 1924. — " Vin-
cent, Compt rend. 103, 694. — ** Sachtleben, Ber. 11, 733. — ** Franchimont, Rec.
tiav. chim. 2, 332, 338.
238 Verschiedenes Verhalten der pritnären, secundären u. tertiären Aniifie,
z. B. Essigsäureanhydrid (CHg-C0)20 auf tertiäre Amine nicht ein-
wirkt, tritt beim Vermischen desselben Reagens mit primären und
secundären Aminen lebhafte Erwärmung ein, indem die Acetylgruppe
(CHgCO-) an Stelle von WasserstofiFatomen eingeführt wird.
Schwefelkohlenstoff wirkt auf primäre und secundäre Amine im
Sinne der Gleichungen:
.NH-CÄ
CS, + 2NH,.C8H5 = ds
\sH.NHaCaH5
CSj + 2NH(CA), = CS
\SH . XllfC JI,)j
unter Bildung von Aminsalzen der Alkylsulfocarbaminsäuren. Von diesen
zeigen die aus primären Aminen hervorgegangenen ein charakteristische^
Verhalten bei der Einwirkung von entschwefelnden Agentien (Metall-
salzen); sie liefern unter Abspaltung von Schwefelwasserstoflf ein Senföl
(C,H3„^,.N:CS), z. B.:
/NII.C,H,
CS
\SH.NH,.C,H.
= CSiNCgHg + SH, + NHj.CjHs.
Diese Senföle sind durch einen charakteristischen, noch in äusserst ge-
ringen Mengen wahrnehmbaren Geruch ausgezeichnet. Man kann sich
daher ihrer Bildung zur Prüfung auf die primäre Natur eines Amins
bedienen. Als entschwefelndes Agens wendet man bei dieser „Senf-
ölprobe" A. W. Hofmann's ^ Quecksilberchlorid in alkoholischer Lösung
oder Eisenchlorid * an.
Ebenfalls ausschliesslich den primären Aminen eigen ist die Isoni-
trilreaction A. W. Hofmanx's^ Erwärmt man ein primäres Amin in
alkoholischer Lösung mit Aetzkali und einigen Tropfen Chloroform, so
bildet sich ein Isonitril (Carbylamin, vgl. S. 251):
CjHft.NHj, + CHCI9 + 3K0H = CA- NC + 3KC1 + aHgO;
auch von diesen Isonitrilen geben sich noch sehr geringe Mengen durch
ihren furchtbar heftigen Geruch zu erkennen.
Für secundäre Amine ist charakteristisch das schon S. 231 — 232 er-
wähnte Verhalten gegen salpetrige Säure; während primäre Amine
von salpetriger Säure in die Alkohole verwandelt, tertiäre Amine über-
haupt nicht leicht von salpetriger Säure verändert werden, gehen die
secundären Amine in die von Geütheb* entdeckten Nitrosoamine, wie
{CH3)2N-NO, über; es sind dies gelbliche Flüssigkeiten, welche mit
Wasserdämpfen unzersetzt flüchtig sind und meist auch für sich ohne
^ Ber. 8, 107. * Weith, Ber. 8, 461. « Bor. 3, 767.
* Ann. 128, 151.
Nitrosoamine, Nitroamine, Dinitroalkylsäuren, Sulfa7ninsäuren. 239
Zersetzung destillirt werden können. Mit concentrirter Salzsäure regene-
riren sie die secundären Amine, von Zinkstaub und Essigsäure in alko-
holischer Lösung werden sie zu Hydrazinen reducirt^, z. B.:
(CgHslgN-NO + 2H, = (CaHjljN.NH, + H^O.
Es ist bisher nur in einem Falle constatirt worden, dass der Bildung des
Nitrosamins die Bildung eines Nitrits vorausgeht. Das Düsopropylamin bildet ein
woblkrystallisirbares salpetrigsaures Salz (C8H7)2NH.;HNO,, welches in kalter wäss-
riger Lösung beständig ist und erst in kochender Lösung sich langsam in das Nitroso-
amin umwandelt. Das normale Dipropjlamin liefert dagegen mit salpetriger Säure
schon in der Kälte das Nitrosamin*.
Die Nitrosoamine bilden sich auch beim Erhitzen der Nitrate der secundären
Amine' auf etwa 150*^:
(CHs^jNH.HNOa = (CH8)8N.NO + H,0 + 0.
Auch Nitro d eri vate ^ der primären und secundären Amine, wie z. B.
CH3'NH(N02), (CH8)2N-N02, sind bekannt. Die Monoalkylnitroamine sind aus
den Monoalkylurethanen, wie CHg-NH« CO • OCHg, oder Dialkyloxamiden, wie
CO— NH . CH3
zu erhalten ; diese Verbindungen liefern mit reinem Salpetersäurehydrat
CO— NH.CH3,
C0-N(N0,)CH3
behandelt Nitroverbindungen, wie CH3 • NCNO^) • CO • OCH3 oder | ,
C0-N(N0»)CH3
auB welchen nun durch Ammoniak das Nitroamin als Ammoniumsalz abgespalten wird;
beim Rochen mit Alkohol giebt das Ammoniumsalz das Ammoniak ab und hinter-
lässt das freie Nitroamin. Die Monoalkylnitroamine besitzen saure Eigenschaften und
gehen bei der Behandlung mit Jodalkylen und Kalilauge in Dialkylnitroamine
(z. B. (CHgjjN'NOj) über. Letztere werden auch direct bei der Einwirkung von
raachender Salpetersäure auf verschiedene Säurederivate der secundären Amine er-
halten, z. ß. auf das aus Benzolsulfochlorid CoHg-SOaCl und Dimethylamin ent-
stehende Benzolsulf osäuredimethylamid CeHB>S02-N(CH3)2; sie werden von Zinkstaub
and Essigsäure zu Hydrazinen (wie (CHj^jN-NHj) reducirt.
An dieser Stelle seien ferner einige Verbindungen von noch nicht aufgeklärter
Stmetur erwähnt, welche den Nitroaminen isomer sind und jedenfalls auch Alkylreste
direct an Stickstoff gebunden enthalten. Es sind dies die Dinitroalkylsäuren^,
welche durch Einwirkung von Stickoxyd auf Zinkalkyle erhalten sind. Aus Zink-
Sthvl und Stickoxyd z. B. bildet sich zunächst eine Verbindung von dinitroäthyl-
sanrem Zink und Zinkäthyl (CaH6N202)2Zn 4- ZniC^K^^j aus welcher man bei der Zer-
setsEung mit Wasser unter Aethan-Entwickelung das basische Zinksaiz C2H5N2O2 • Zn(OH)
erhält; letzteres liefert, in wässriger Lösung mit Kohlensäure zersetzt, das neutrale
Zinksaiz (C2H5N202)2Zn. Aus dem Zinksalz sind nun andere Salze darstellbar.
Die freie Säure ist sehr unbeständig; ihre verdünnte wässrige Lösung kann zwar
ün Yacnum destillirt werden, doch zersetzt sie sich allmählich schon in der Kälte,
sie riecht stechend und röthet Lakmus. Dass in diesen Verbindungen der Alkylrest
am Stickstoff haftet, ergiebt sich daraus, dass bei der Reduction mit nascirendeni
^ E. Fischer, Ann. 199, 808.
* V. D. Zande, Rec. trav. chim. 8, 207. ^ P. v. Romburgh, ebenda 5, 246.
* Frakchdcont, Rec trav. chim. 2, 121, 343; 3, 427. — Franchimont u. Klobbie,
ebenda 7, 343; 8, 295. — v. Romburgh, ebenda 3, 9. — Thomas, ebenda 9, 69.
* Frankland, Ann. 99, 342. — Zückschwerdt, Ann. 174, 302. — Zorn, Ber.
16, 1007. — Frankland u. Graham, Joum. Soc. 87, 570.
240 Chemisches Verhalten der Amine.
Wasserstoff die Hälfte des Stickstoffs als Ammoniak, die andere Hftlfte aber als
primäres Alkylamin abgespalten wird; ebenso erzeugt die Einwirkung von alkoho-
lischem Kali Alkjlamin neben salpetersaurem Salz. Vielleicht ist die Constitution
<JNÜ p TT T^ 1^ Qu
oder '^ V y
OH ^CK
auszudrücken.
Die Nitrosoamine und Nitroamine sind Aminderivate der salpetrigen Sftore bezw.
Salpetersäure; von den Aminen leiten sie sich ab, indem ihre am StickstofißEttom noch
disponiblen Wasserstoffatome durch die Radicale jener Säuren (NO — , bezw. NOj— i
ersetzt werden. Auch von der Schwefelsäure giebt es ähnlich constituirte Amin-
derivate^, wie z. B.:
,NH.C,H, /NCCH«), /N(CH,\
SO / , so/ , S0,< ;
^OH \C1 ^N(CH3>,
Aethjlsulfamin- Dimethvlamido- Tetramethyl-
säure sulfurylchlorid sulfamid
sie werden durch Einwirkung von Sulfurylchlorid oder Schwefelsäureanhydrid anf
primäre und secundäre Amine erhalten.
Der oben erwähnten Reactionen kann man sich bedienen, um durch
qualitative Prüfungen festzustellen, ob ein Amin ein primäres, secun-
däres oder tertiäres sei. Dieselbe Frage kann nach A. W. Hofmanx
allgemein beantwortet werden, indem man die Anzahl der Methylgruppen
bestimmt, welche dem fraglichen Amin noch zugeführt werden können.
Man behandelt die Base mit Methyljodid so* lange, bis man sie in ein
quaternäres Ammoniumjodid — erkennbar an seiner Unzerlegbarkeit durch
Kalilauge — übergeführt hat. Aus der quantitativen Analyse des letzteren
ergiebt sich nun die Anzahl der eingeführten Methylgruppen; waren drei
Methylgruppen zur Bildung des Ammoniumjodids nötiiig, so lag eine
primäre Base vor, bei zwei Methylgruppen eine secundäre; genügte eine
Methylgruppe, so war das Amin ein tertiäres. Auf diese Weise ist z. B.
zuerst nachgewiesen worden, dass die aus der Häringslake erhaltene
Base CgHgN nicht, wie man ursprünglich glaubte, Propylamin CjH^-NHj,
sondern vielmehr Trimethylamin (CH3)3N ist^.
Zu interessanten Verbindungen fuhrt die Einwirkung der Halogene^
(in alkalischer Lösung, z. B. in Form von Chlorkalk angewendet) auf
die primären und secundären Amine; die am Stickstoff haftenden Wasser-
stoffatome werden durch Halogenatome substituirt; es entstehen demnach
organische Abkömmlinge des Chlorstickstoffs (bezw. Brom- oder Jodstick-
stoffs), wie CH3.NCI2, (C5Hii)2NCl, C^Hß-NBra etc. Dieselben besitzen
nicht die heftig explosiven Eigenschaften dieser ihrer Stammkörper; von
den Chlorderivaten können sogar einige ohne Zersetzung destillirt werden;
• R. Behrend, Ann. 222, 116. — Beilstein u. Wieoand, Ber. 16, 1264. —
Franchimont, Rec. trav. chim. 8, 417.
• Winkler, Ann. 98, 326.
• WüRTz, Ann. 76, 319, 327. — Tscherniak, Ber. 9, 143. — Kohler, Ber. 12,
770. — A. W. HoFMAXN, Bei«. 15, 767; 16, 558. — Raschid, Ann. 280, 222. -
Pierson u. Heümann, Ber. 16, 1047. — Berg, Compt. rend. 110, 862. Bull. [3] 8, 685.
Chemisckes Verhalten der Amine, 241
sie stellen Oele von höchst stechendem Geruch dar. Dass in diesen Ver-
bindungen die Halogenatome am Stickstoff haften ^ beweist die Um-
setzung des Aethyldichloramins mit Zinkäthyl zu Triäthylamin :
CjHsNCl, + ZnCCaH^), = ZnCl, + N(C,H5)8. —
Die Chlorderivate entwickeln beim Erwärmen mit concentrirter Salzsäure
Chlor unter Rückbildung des halogenfreien Amins:
CftHiiNHCl -f 2HC1 = Clj + C8HiiNH,.HCl.
Die Bromderivate der höheren primären Amine gehen bei Einwirkung
von Natronlauge unter Bromwasserstoffverlust in Nitrile über:
C7H,5.CH,.NBr8-2HBr = C.HjßCN.
Die Oxydation der Amine ^ führt zur Abspaltung des Alkylrestes
vom Stickstoffatom; der Alkylrest wird zu dem entsprechenden Aldehyd
oder der Carbonsäure oxydirt; so entsteht z. B. Acetaldehyd aus Aethyl-
amin, Ameisensäure aus Trimethylamin.
Eine Abtrennung des Kohlenwasserstoffrestes tritt auch bei der
Einwirkung hoher Temperaturen auf die Haloldsalze der
Amine 2 ein; ein Alkylrest tritt mit dem Halogenatom als Halogen-
alkyl aus:
N(C,H5)3.HC1 = NHCCjH»), + CH^Cl,
NH(C,H,)a.HCl = NH,(C,H5) + C.HsCl,
NH,(C,H6).HC1 = NH, + CHjCl.
Auf diesem Verhalten beruht die technische Gewinnung des Chlormethyls
aus rohem Trimethylamin (s, S. 187).
Die einzelnen Glieder. Für die Darstellung der Methyl- und
Aethylamine in grossem Massstab ^ benutzt man (in der Kahlbaum'-
schen Fabrik zu Berlin) ausschliesslich die Methode der Einwirkung von
Ammoniak auf die entsprechenden Chloride und Bromide. Vom Ammo-
niak werden die Rohbasen getrennt, indem man ihre mit Hülfe von
sehr wenig Wasser geschmolzenen Chlorhydrate vom Salmiak absaugt.
Die Beingewinnung der primären Basen geschieht durch wiederholtes
Umkrystallisiren der Chlorhydrate resp. Oxalate; dies Verfahren ist nur
anwendbar, wenn man grosse Mengen zur Verfügung hat, giebt dann
aber die besten Resultate. Aus den hierbei bleibenden Rückständen
werden die secundären und tertiären Basen vermittelst des Trennungs-
verfahrens mit salpetriger Säure abgeschieden (vgl. S. 231 — 232).
Methylamin CHg-NH^ ist nach fast allen S. 229 — 235 ange-
fahrten allgemeinen Bildungsweisen erhalten worden; zu seiner Dar-
stellung im Laboratorium eignet sich besonders die Einwirkung von
Brom auf Acetamid (CHj-CO-NH^) in alkalischer Lösung (S. 235). Er-
* Wallach u. Claiben, Ber. 8, 1237.
» A. W. HoFMANN, Jb. 1860, 343.
• Privatmittheilang von Dr. A. Bannow.
V. MsYXK Q. JA00B80H, org. Chem. I. 16
242 Methylamin und Dimethylamin.
wähnt sei femer seine Bildung beim Ueberleiten eines Gemisches von
Blausäuredampfund Wasserstoff über auf 110^ erhitztes Platinschwarz ^ :
HCN + 4H = CHjNH,
und durch Reduction des Chlorpikrins * (CClg-NOj):
CCla-NO,- + 12H = CHa-NH, + 3HCI + 2H,0.
Letztere Reaction eignet sich auch zur Gewinnung der Base im Grossen.
Methylamin findet sich natürlich gebildet in Mercurialis annua und perennis
vor^ und entsteht sehr häufig bei Zersetzungsprocessen von natürlichen
Stoffen, z. B. aus Morphin, Kreatin, Sarkosin etc.; es beruht dies darauf,
dass in den Molecülen dieser Stoffe Methylgruppen an Stickstoff gebunden
enthalten sind, welche nun bei der Zersetzung zugleich mit dem Stick-
stoffatom abgespalten werden. Auch unter den Destillationsprodukten
des Holzes und der Knt)chen findet sich das Methylamin, ferner in der
Häringslake *. — Das Methylamin ist ein farbloses Gas, das dem Ammo-
niak sehr ähnlich, zugleich aber etwas fischartig riecht; ein Volum
Wasser löst bei 12-5« 1150 Vol., bei 2b^ 959 Vol. Methylamin. Von
dem Ammoniak unterscheidet es sich wesentlich dadurch, dass es
Aluminiumhydroxyd aufzulösen vermag, und durch seine Brennbarkeit;
bei der Verbrennung einer wässrigen Methylaminlösung bildet sich
Blausäure :
CHjNHj + 0, = 2H,0 + HCN.
Methyldichloramin CHj-NClj siedet bei 59 — 60^; Methyldijodamin
CHj-NJg ist ein granatrothes Pulver. — Methylnitramin* CH3-NH(N02)
schmilzt bei 38^ und liefert ein beim Erhitzen heftig explodirendes
Kaliumsalz: CHg-NKNOg.
Dlmethylamin (CHg)jNH findet sich in der Häringslake und bildet
sich bei der Fäulniss von Fischen®. Kleinere Mengen gewinnt man vor-
theilhaft aus dem durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Dimethyl-
anilin leicht erhältlichen Nitrosodimethylanilin ^ (CH3)2N-CgH4-NO, wel-
ches sich durch Kochen mit Alkalien in Dimethylamin und Nitroso-
phenol spaltet®:
NOCeH^NCCHg), + HgO = NOCeH^-OH + HNCCHj),.
Das Nitrosophenol bleibt an Alkali gebunden zurück, während das
Dimethylamin entweicht und in Salzsäure aufgefangen werden kann. —
^ Debus, Ann. 128, 200. ' Geisse, Ann. 109, 282.
* £. Schmidt, Ann. 198, 73.
^ ToLLENS, Ztschr. Chem. 1866, 516.
° Franchimont u. Klobbie, Bec. trav. chim. 7, 353; 8, 295.
^ Bocklisch, Ber. 18, 87 n. 1924.
' Die hier der Uebeisichtlichkeit wegen beibehaltene ältere Formulirung des
Xitrosodimethylanilins nnd Nitrosophenols entspricht nicht mehr der heutigen Anffimmmg
ihrer Constitution (vgl. Bd. II).
® Baeyeb u. Cabo, Ber. 7, 964.
Trimethylamin. 243
Auch das im Handel vorkommende sogenannte „Trimethylamin**, welches
grosse Mengen von Dimethylamin enthält (vgl. unten), kann zweckmässig
zur Gewinnung des Dimethylamins dienen^. Bemerkenswerth ist die
Löslichkeit des salzsauren Dimethylamins (und Diäthylamins) in Chloro-
form*, durch welche es leicht von dem in Chloroform unlöslichen Sal-
miak getrennt werden kann.
Dimethyljodamin' (CH8)gNJ entsteht bei der Einwirkung von Jod und
Natronlauge auf salzsaures Dimethylamin als schwefelgelber, leicht zersetzlicher Nie-
derschlag. — Dimethylnitrosamin* (CHg)jN • NO wird aus seiner wässrigen
Loeung durch Kaliumcarbonat als gelbliches Oel abgeschieden, siedet bei 149^ und
besitzt schwach basische Eigenschaften; das Chlorhydrat (CH8)sN • NO . HCl scheidet
sich beim Einleiten von Salzsäuregas in die ätherische Lösung in weissen Krystallen
ab und wird durch Wasser und Alkohol wieder zersetzt. — Dimethylnitramin^
(CH3),\.N0j schmilzt bei 57 «, siedet bei 187<>und ist in Wasser und Aether leicht
löslich.
Trimethylamin (CH3)3N ist in der Natur ziemlich verbreitet; so
hat man es z. B. in Chenopodium vulvaria®, in Crataegus oxyacantha^
und anderen Pflanzen aufgefunden. Wichtig ist sein reichliches Vor-
kommen in der Häringslake^. Auch aus Wein erhält man beim Destil-
liren mit Natronlauge Trimethylamin®. Seine Bildung (aus Betain) bei
der trockenen Destillation der Rübenzucker-Melassenschlempe ist bereits
früher erwähnt (S. 187). Das durch diesen Process gewonnene und in
den Handel gebrachte „Trimethylamin" besteht indessen zum grössten
Theil (etwa 50 ^o) ^tus Dimethylamin, enthält femer Mono-methyl-, -äthyl-,
-propyl- und -butylamin und nur etwa S^o Trimethylamin^". Es ist daher
keine geeignete Quelle zur Darstellung von reinem Trimethylamin. Letz-
teres gevrinnt man im Laboratorium am besten durch Destillation von
Tetramethylammoniumhydroxyd ^^ :
(CH,),N.OH = CH,(OH) + NCCHs),,
dessen Jodid das leicht rein erhältliche, schwer lösliche Hauptprodukt
der Einwirkung von Jodmethyl auf Ammoniak bildet. Das unreine tech-
nische Trimethylamin ist, wie schon erwähnt, werthvoll fiir die Gewinnung
von Chlormethyl und Ammoniak (S. 187). Auch hat man vorgeschlagen,
es für die Gewinnung von Kaliumcarbonat aus Chlorkalium nach einem
dem Ammoniaksodaprocess analogen Verfahren zu benutzen ; doch dürfte
dieser Vorschlag bisher kaum ausgeftihrt sein. — In concentrirtem Zu-
stand riecht das Trimethylamin dem Ammoniak äusserst ähnlich, in der
^ DuviLUER a. BuisiNE, Ann. eh. [5] 28, 317.'
> R. Behkend, Ann. 222, 119. ^ RASCHia, Ann. 289, '^^^•
* Renouf, Ber. 18, 2170.
^ FiLANCHnfOHT, Rcc trav. chim. 2, 121, 843; 8, 427. — v. Rombüboh, ebenda 8, 9.
* Debsaiohbs, Ann. 81, 106. ^ Wicke, Ann. 91, 121.
* Wertbeim, Jb. 1851, 480. — Winkler, Ann. 98, 321. — Bogklisch, Ber.
18. 1922.
^ Ludwig, J. pr. 108, 46.
^<* Vgl. DovauER u. BuieiNE, Ann. eh. [5] 28, 298.
16*
244 Aetkylamine, Septadecylamin,
Verdünnung aber höchst widerwärtig; man empfindet daher , während
man mit dieser Base arbeitet, den Geruch nicht gerade besonders un-
angenehm, wohl aber einige Zeit darauf, da der in der Verdünnung an
faule Fische erinnernde Geruch den Fingern und Kleidern äusserst hart-
näckig anhaftet.
Trimethylamin vereinigt sich mit Schwefelkohlenstoff unter Wärmeent-
wickelung zu einer bei 125^ schmelzenden Verbindung N(CHg)3 . CSg, welche sich mit
verdünnten Sfiuren zu Salzen vereinigt, von concentrirten Säuren und Alkalien aber
in ihre Bestandtheile zerlegt wird^
Aethylamin CjHg-NHj unterscheidet sich, wie das Methylamin,
vom Ammoniak durch sein Lösungsvermögen für Aluminiumhydroxyd*.
— Aethyldichloramins-*: CaHg-NClg siedet bei 88 — 89« und besitzt
bei 15« das spec. Gew. 1.230. — Aethylni tramin« C2H3-NH(N02)
schmilzt bei + 3 «.
Diäthylamin: (C2H,)2NH. Für seine Darstellung im Laboratorium
geht man zweckmässig vom Diäthylanilin C^Hg • N(C2Hß)j aus , indem
man dasselbe entweder zu Nitrosodiäthylanilin N0-CgH4-N(C3Hg)2 nitro-
sirt® oder zu Dinitrodiäthylanilin (N02)2CßH3-N(C2H.)2 nitrirt'; beide
Produkte spalten beim Kochen mit Alkalien Diäthylamin unter Bildung
von Nitrosophenol NOCeH^-OH bezw. Dinitrophenol (N02)aCgH3(OH)
ab. — Von den Eigenschaften des Diäthylamins ist hervorzuheben, dass
es unter allen Aminen der Methyl- und Aethylreihe das einzige ist, wel-
ches zur Erstarrung gebracht werden konnte®; es schmilzt zwischen — 50^
und —40^ — Diäthylnitrosamin (Nitrosodiäthylin)» (C2H5)2N-NO
ist in Wasser ziemlich löslich, siedet bei 177*^ und besitzt bei 17,5^ das
spec. Gew. 0-951.
Triäthylamin ^^ (C2Hß)3N ist im Gegensatz zu den bisher beschrie-
benen Aminen in Wasser nur wenig löslich.
Ueber die physikalischen Eigenschaften dieser und der homologen
Amine s. d. Tabelle Nr. 10 auf S. 237.
Das Septadecylamin^^ CjyHjgNHj ist unter den bisher darge-
stellten primären Aminen das kohlenstoflPreichste. Es wurde aus dem
Amid der Stearinsäure Ci^Hgg-CO-NHj durch Einwirkung von alkali-
scher Bromlösung erhalten. Es ist geruchlos ^ in Wasser unlöslich und
mit Wasserdämpfen nicht flüchtig. Eine Abnahme der Basicität gegen-
über den niederen Aminen tritt an demselben nicht hervor; das Septa-
decylamin reagirt in alkoholischer Lösung stark alkalisch und zieht aus
der Luft begierig Kohlensäure an. Sein Chlorhydrat ist in Alkohol
^ Bleunard, BulL 33, 13. * E. Meyer, J. pr. 67, 147.
' WüBTz, Ann. 76, 327. * Tscherniak, Ber. 9, 146.
* Franchtmont u. Rlobbie, Rec. trav. chim. 7, 356.
« A. Kopp, Ber. 8, 621. ' v. Romburgh, Ber. 16, 1496.
« A. W. Hopmann, Ber. 22, 705. « GfeUTHER, Ann. 128, 151.
^^ A. W. Hopmann, Ann. 78, 91, — Lea, Jb. 1862, 331.
" TuRPiN, Ber. 21, 2486.
QucAemäre Ammoniumverbindungen (Bildungsiveisen). 245
leicht löslich, aber in Wasser unlöslich, während die Chlorhydrate der
niederen Amine meist zerfiiesslich sind.
2. QuaternSre AmmoniamTerbindungeii«
Die Jodide der quaternären Ammoniumverbindungen (entdeckt von
A. W. Hofmann ^) entstehen durch Vereinigung von tertiären Aminen
mit Alkyljodiden (oft schon bei gewöhnlicher Temperatur), z. B.:
(CH3),N + CH3J = (CH3),NJ;
sie bilden sich daher häufig auch direct bei der Reaction zwischen Al-
kyljodiden und Ammoniak (s. S. 229 — 230).
Auch andere Salze können zuweilen direct aus den tertiären Aminen
durch Addition* gewonnen werden, z. B. das Tetramethylammoniumnitrat
aus Trimethylamin und Methylnitrat ^:
(CHgisN + CHj-ONO, = (CH8)4N.O.NO,;
Trimethylamin und Chlormethyl bilden unter Wärmeentwickelung das
Chlorid (0113)4X01, dagegen reagiren Trimethylamin und Chloräthyl bei
gewöhnlicher Temperatur auch unter einem Druck von 50 Atmosphären
nicht auf einander*.
Meist geht man indessen von den Jodiden zur Gewinnung der übri-
gen Salze aus, indem man sie doppelten Umsetzungen mit Silbersalzen
unterwirft; durch Digeriren ihrer Lösung mit Chlorsilber z. B. erhält
man die Chloride:
(CH3)4NJ + AgCl = (CH3)4NC1 -f AgJ,
mit Silbercarbonat die Carbonate, mit Silbersulfat die schwefelsauren
Salze u. s. w. — Alle diese Salze, welche meist gut krystallisirbar sind,
zerfallen beim Erhitzen^ unter Rückbildung der tertiären Amine, z. B.:
(CHg^.NJ = (CHa^aN + CHgJ;
bei den Haloldsalzen gemischter Ammonium Verbindungen, welche Methyl-
gmppen enthalten, verläuft diese Spaltung — wenigstens der Hauptmenge
nach — stets derart, dass sich eine Methylgruppe vom StickstofiFatom
abtrennt^, z. B.:
(CH3)(C,iy,NCl = (C,H,)3N -f CH3CI.
Die Jodide vereinigen sich mit Jod zu intensiv geförbten Trijodiden, Penta-
jodiden, Hepta- und Enneajodiden^, wie z. B. (CHg^^NJ.Jj, (CH5)4NJ.2Jj etc.
» Ann. 78, 257; 79, 16.
* üeber das Verhalten verschiedener tertiärer Amine gegen Halogenalkyle
«namentlich Chloralkyle) vgl. Malbot, Ann. eh. [6] 13, 544. — Ueber die Geschwin-
digkeit der Vereinigung von Triäthylamin mit verschiedenen Brom- und Jodalkylen
vgl. MsHscHUTCiir, Ztschr. f. physik. Chem. 5, 589; 6, 41.
' DuviLLiEB XL BuisiNE, Ann. eh. [5] 23, 322, 331.
* Vincent u. Chappuis, Compt. rend. 102, 436.
* Lawson u. Collie, Joum. Soc. 1888 I, 624. * Lossex, Ann. 181, 377.
^ Vgl. Weltzien, Ann. 91, 33; 99, 1. — Müller, Ann. 108, 1. — Dobbin u.
Ma80ON, Joum. Soc. 1886 I, 846. — Geuther, Ann. 240, 66.
246 Quatemäre Ammoniumverbindungen (Verhalten
Da die Ammoniumhydroxyde an Stärke den Alkalien nahezu
gleich kommen, so kann man sie aus den Salzen nicht durch Kali oder
Natron in Freiheit setzen; diese Unzerlegbarkeit der Salze durch Alka-
lien wird zur Trennung der Ammoniumverbindungen von den Aminen
benutzt (vgl. S. 230 — 231). Dagegen erhält man eine Lösung der Am-
moniumhydroxyde, wenn man die Lösung der Jodide mit feuchtem Silber-
oxyd digerirt:
(CH8)4NJ + Ag.OH = (CH8)4N.OH + AgJ.
Diese Lösungen zeigen ganz das Verhalten der alkalischen Laugen;
sie bläuen Lakmus , ziehen begierig Kohlensäure aus der Luft an, ätzen
die Haut und vermögen die Fette zu verseifen. Durch Eindunsten im
Vacuum erhält man daraus die Hydroxyde als weisse, krystallinische,
zerfliessliche Massen. Es darf indess nicht unerwähnt bleiben, dass
Analysen der freien Hydroxyde bislang nicht vorliegen, dass demnach
die Annahme einer Hydroxylgruppe vorläufig noch eine durch das Ver-
halten der Basen freilich sehr wahrscheinlich gemachte Hypothese ein-
schliesst.
Beim Erhitzen^ zersetzen sich die Hydroxyde unter Bildung ter-
tiärer Basen (vgl. S. 232 — 233); das Tetramethylammoniumhydroxyd
liefert hierbei neben Trimethylamin Methylalkohol:
(CH8)4N.OH = (CH8)3N + CHgOH,
während die homologen Verbindungen ein Alkylen und Wasser abspalten :
gemischte Ammoniumhydroxyde, welche Methylgruppen enthalten, zer-
setzen sich — im Gegensatz zu den Haloldsalzen (s. S. 245) — stets so,
dass die Methylgruppe am Stickstoff haften bleibt:
(CHsXCjH^UCsHiON.OH = (CH8XC,H5)(CöHn)N + C^H^ + H,0.
Der im Vorstehenden durchgeführten Auffassung dieser Verbindungen
als wahrer Ammoniumabkömmlinge, welche sich von fiinfwerthigem Stick-
stoff ableiten, könnte die Ansicht gegenübergestellt werden, sie seien
moleculare Verbindungen von tertiären Aminen mit Alkylhalogenen bezw.
Alkylestem oder Alkoholen, z. B.:
(CH8)8N, CHgJ; (CHsljN, CHg-ONOg; (CH8)8N, CHj-OH
(vgl. die Sulfinverbindungen S. 218 — 219). Diese Ansicht würde indess
von dem chemischen Charakter der Verbindungen keine Rechenschaft
geben; es ist nicht einzusehen, wie durch moleculare Anlagerung des
indifferenten Jodmethyls an das stark basische Trimethylamin ein
neutral reagirendes Salz entstehen soll. Zudem ist der Nachweis er-
bracht, dass aus Dimethyläthylamin (CH3)2(C2Hg)N und Jodäthyl einer-
seits und aus Diäthylmethylamin (CH3)(C2Hg)2N und Jodmethyl anderer-
* A. W. Hofmann, Ber. 14, 494.
und Constitution). 247
seits ein und dasselbe quatemäre Jodid entsteht, was nur mit der
V
atomistischen Auffassung (CH3)2(C3Hg)2NJ in Einklang zu bringen ist^
Die eben erwähnte Identität der auf verschiedenen Wegen erhaltenen Ammo-
niumjodide erscheint, wenn man in Speculationen über die räumliche Anordnung der
StickstofiFValenzen eintritt, zunächst auffällig. Für die fünf StickstofFvalenzen ist eine
vollkommen gleichartige Vertheilung im Räume, wie man sie bei den Kohlenstoff-
valenzen annimmt, — derart, dass jede Valenzrichtung mit jeder anderen den gleichen
Winkel bildet, — nicht denkbar. Die denkbar einfachste Vertheilung wird- durch
das folgende Schema:
wiedergegeben, wonach drei Valenzrichtungen in einer durch den Mittelpunkt des
Stickstoffiitoms gehenden Ebene gleichförmig vertheilt sich befinden, die beiden an-
deren senkrecht sni dieser Ebene angenommen werden. Man wird geneigt sein, die
drei ersteren den bei Verbindungen vom Typus des Ammoniaks befriedigten Valenzen
zuzuschreiben, die beiden letzten denjenigen Valenzen, welche erst beim Uebergang
in Ammonium Verbindungen wirksam werden. Zur Erklärung der Identität jener
beiden Reactionsprodukte ist dann offenbar die Annahme nöthig, dass die mit den
einzelnen Valenzen verbundenen Radicale ihre Plätze vertauschen können. Versuche,
ob sich die nach jener stereochemischen Anschauung möglich erscheinenden Iso-
merien — sei es auch nur auf mikroskopisch-kiystallographischem Wege — nach-
weisen lassen, sind von Le Bel' angestellt, bisher aber mit unsicherem Erfolg.
3. Hydrazine und Tetrazone ^.
Die aliphatischen Abkömmlinge des Diamids Nflg-NH^ sind schwie-
riger zugänglich und daher auch weniger untersucht als die im 2. Bande
zu besprechenden äusserst wichtigen aromatischen Hydrazine. Sie sind
von E. FiscHKB entdeckt, welcher sie aus den Nitrosoaminen durch
Reduction mit Zinkstaub und Essigsäure erhielt:
(CH8),N.N0 + 2H, = (CH3),N.NH, -h H,0.
Aus dieser Bildungs weise ergiebt sich ihre Constitution; in den Nitroso-
aminen muss man die Nitrosogruppe an Stickstoff gebunden annehmen,
da sie durch Abspaltung derselben so äusserst leicht in die secundären
Amine zurückgeführt werden können (s. S. 239) und demnach die Alkyl-
reste gewiss noch unverändert enthalten; demnach werden auch in den
^ V. Hbteb u. Lecco, Ann. 180, 173; vgl. auch Lossen, Ann. 181, 364. —
Ladenburo u. Stbuve, Ber. 10, 43. — V. Meyeb, Ber. 10, 309, 964, 1292. — Laden-
BüBO, Ber. 10, 561, 1152, 1634.
* Compt. rend. 110, 144.
» E. PrecHER, Ann. 199, 281; Ber. 17, 2841. — Renoüf, Ber. 18, 2171. —
T. BrOniho, Ann. 268, 5.
248 Hydrazine und
durch Reduction daraus entstehenden Hydrazinen die beiden Stickstoff-
atome an einander haften, und es bleibt nur die Wahl zwischen den
Formeln :
in ni V m
(CH3),N-NH, und (CHg^NH-NH
(im letzteren Falle wäre die Constitution der Nitrosoamine durch die
(CH3)2N=^N
Formel \n/ auszudrücken). Der zweiten Formel widerspricht
das Verhalten der secundären Hydrazine gegen Halogenalkyle; aus Di-
äthylhydrazin und Jodäthyl z. B. entsteht durch Addition ein Salz, welches
ganz den Charakter einer quaternären Ammoniumverbindung (ünzerleg-
barkeit durch Kali, Bildung eines leicht löslichen alkaliähnlichen Hydroxyds
mit Silberoxyd) besitzt. Es steht dies nur mit der ersten Formel in
Einklang, welche neben einem primär gebundenen ein tertiär gebundenes
Stickstoffatom aufweist und demnach die Bildung einer Ammoniumver-
(C2HJ3--N— NH3
bindung ■ durch Fixirung eines Molecüls Halogenalkyl
möglich erscheinen lässt.
Die secundären Hydrazine (C^H2^^j)2N-NH2 sind ammoniakalisch
riechende, stark basische, in Wasser leicht lösliche und hygroskopische
Flüssigkeiten. Mit salpetriger Säure liefern sie unter Entwicklung von
Stickoxydul secundäre Amine:
(C,Hß),N.NHj + HNO, = N,0 + H,0 + (C.HJjNH.
Wie alle Hydrazine sind sie leicht oxydirbar und daher kräftige Re-
ductionsmittel. FEHLiNG'sche Lösung wird indess erst in der Wärme
reducirt.
Quecksilberoxyd oxydirt die secundären Hydrazine zu Tetrazonen:
2(CH,)aN.NH, + 4HgO = 2Hg,0 + 2H,0 + (CH3),NN = N.N(CH,V
Diese merkwürdigen Verbindungen, deren Zusammensetzung allgemein
durch die Formel R^N^ auszudrücken ist, sind ölige, stark basische
Substanzen, welche mit Wasserdämpfen leicht flüchtig sind, bei höherem
Erhitzen sich unter Verpuffen zersetzen und Silberlösung schon in der
Kälte reduciren. Ihre Salze sind in Wasser leicht löslich, aber sehr
unbeständig; beim Kochen ihrer Lösung entweicht die Hälfte des Stick-
stoffgehalts als freier Stickstoff, während gleichzeitig Amine und Alde-
hyde sich bilden.
Nach der oben für secundäre Hydrazine angegebenen Darstelluugs-
methode lassen sich primäre Hydrazine nicht gewinnen, da Nitroso-
derivate primärer Amine nicht existiren. Zu ihrer Darstellung geht man
.NH.CH3
von einfach oder zweifach alkylirten Harnstoffen, z. B. CO^
.NH.C2H5 ^NHj
oder C0<(^ , aus; durch Einwirkung von salpetriger Säure liefern
Tetraxme. 249
.N(NO)-C,H,
diese Harnstoffe Nitrosoverbindungen, wie z. B. C0<^ ,
welche bei der Reduction durch Zinkstaub und Essigsäure in Hvdrazin-
.N(NH,).C,H,
harnstoffe C0<^ übergehen; aus letzteren erhält man durch
Spaltung mit rauchender Salzsäure die primären Hydrazine:
• 4
.N(NH,).C,H5
CCK + H,0 = CO, + (NHj).NH.C,H, + NKj-CaH^.
■2**6
Die primären Hydrazine sind ebenfalls ammoniakalisch riechende,
in Wasser leicht lösliche und sehr hygroskopische Flüssigkeiten. An
feuchter Luft bilden sie dicke Nebel; sie wirken stark ätzend und zer-
stören Kork und Kautschuk in kurzer Zeit. FEHLiNö'sche Lösung
reduciren sie schon in der Kälte. Mit Säuren bilden sie zwei Reihen
von Salzen, z. B. CaHgNH.NHg.HCl und C2H5.NH.NH2.2HCI.
Methylhydrazin CHg-NH-NH, siedet bei 87<*; Dimethylhydrazin
(CHjljNNH, siedet bei 63« und besitzt bei l\^ das spec. Gew. 0-801. — Tetra-
methyltetrazon (CH8),N4(CH8\ siedet bei 130^ —
Aethylhydrazin CjHs-NH-NH, siedet unter 709 mm Druck bei 99 -5^
Diäthylhydrazin (CaHslseNNH, bei 96 — 99^ Te traÄthy 1 te trazon
(CjHj^NJCjHß), zersetzt sieb bei 135 — 140<>. Das Triäthylazoniumjodid
(CjHe^sNJ-NH, liefert bei der Beduction mit Zinkstaub und verdünnter Schwefel-
säure Tri&thylamin neben Jodwasserstofisäure und Ammoniak.
Durch Erwärmen der Hydrazine mit pyroschwefelsaurem Kalium erhält man
die Kaliumsalze von Hydrazinsulfonsäuren, wie z. B. (CH3)2N • NH • SOsK,
welche beim Kochen mit Säuren wieder in die Hydrazine und Schwefelsäure ge-
spalten werden. Aus dem äthylhydrazinsulfonsaurem Kalium CsHg-NH-NH'SOgK
ist durch Oxydation mit Quecksilberoxyd das Kaliumsalz der Diazoäthansulfo-
säure C^H^ • N = N • SOgK — ein beim Erhitzen heftig vcrpufiFendes farbloses Salz —
erhalten worden. Es gehört in eine Verbindungsklasse, welche in der aromatischen Reihe
ausderordentlich wichtig und gut gekannt ist, — zu den Diazo Verbindungen,
welche die Gruppe — N==N — einerseits an Kohlenstoff gebunden enthalten. In der
Fettreihe ist dieses Salz bisher die einzige Verbindung von solcher Constitution (die
Diazofe ttsäuren [s. dort] enthalten die Gruppe — N = N — beiderseits an dasselbe
Kohlenstoffatom gebunden).
4. ilkylderiyate des Hydroxy lamins ^
Von dem Hydroxylamin NHg'OH können sich Alkylderivate ableiten, indem
entweder an Stickstoff haftende oder an Sauerstoff haftende Wasserstoffatome oder
beide zugleich durch Alkylreste vertreten werden. Die Verbindungen, welche durch
Eintritt von Alkylresten in die Hydroxylgruppe entstehen, gehören zwar eigentlich
nicht in dieses Kapitel, da sie eben nicht ihr Alkyl direct an Stickstoff gebunden
«enthalten. Allein des Zusammenhangs wegen seien alle alkyltrten Hydroxylamine
an dieser Stelle besprochen.
* LossEN u. Zanni, Ann. 182, 223. — GttRKE, Ann. 205, 273. — Petraczek,
Bcr. 16, 827. — Bewad, Ber. 21 o, 479; 22 o, 250. — Lossen, Ann. 262, 222 u.
229. — DiTTRiCH, Ber. 28, 599. — Behrend u. Leüchs, Ann. 257, 203, 239.
250 Alkylderivate des Bydroxylamins,
Die einfach alkyiirten Hydrozylamine sind nicht durch directe Alkylirung des
Hydroxylamins erhalten, sondern durch Alkylirung von Hydrozjlaminderivaten und
darauffolgende Spaltung. Man kann z. B. zu ihrer Gewinnung von dem aus
Benzaldehyd und Hydroxylamin :
CeHs-CHO + H.NOH = CeHs-CHiNOH + H,0
leicht erhältlichen Benzaldoxim ausgehen; äthylirt man dasselbe und spaltet das
Aethylderivat mit Salzsäure, so entsteht unter Rückbildung von Benzaldehyd ein
Aethylhydroxylamin ;
CeHft.CHrNOCjHs 4- H,0 = CeHgCHO + HjNOCsHß.
Dass in letzterem die Aethylgruppe an Sauerstoff gebunden ist, geht mit grosser
Wahrscheinlichkeit daraus hervor, dass beim Erhitzen der Verbindung mit Salzsäure
die Aethylgruppe leicht (schon bei 150**) als Chloräthyl abgespalten wird:
HjNOCjjHß + HCl = HjNOH + C^Cl;
nach allen Erfahrungen werden an Stickstoff gebundene Alkylgruppen weit schwie-
riger losgerissen. Die derart constituirten Alkylhydroxylamine NHj-OR (a-Mono-
alkylhydroxylamine) kann man auch als Alkoxylamine bezeichnen. Isomere Ver-
bindungen (/?-Monoalkylhydroxylamine), deren Alkylrest fester gebunden ist, entstehen,
wenn man die aus Isobenzaldoxim und anderen Isooximen (vgl. Bd. n) erhältlichen
Oximäther, welche den Alkylrest an Stickstoff gebunden enthalten, spaltet, z. B.:
/N-CHa
CeHs . Clt<^l + HjO = CeHß . CHO + OH • NHCCH,).
Eingehender als die Alkylderivate sind die Benzylderivate des Hydroxylamins (s. Bd. H)
untersucht.
Das Chlorhydrat des Methoxylamins CH, • 0 • NH, . HCl schmilzt bei 148 bis
149^, dasjenige des isomeren (?-Methylhydroxylamins CHg«NH(OH).HCl bei 85 bis
90 ^ — Aethoxylamin CjH^-O'NHj ist eine wasserhelle, brennbare, in Wasser
lösliche Flüssigkeit von starkem, aber nicht an Ammoniak erinnerndem Geruch und
alkalischer Reaction; es siedet bei 68^ und besitzt bei 75^ das spec. Gew. 0-883;
das Chlorhydrat schmilzt bei 128 ^ — Die Alkoxylamine reduciren zwar Silberlösung,
aber im Gegensatz zum Hydroxylamin nicht alkalische Kupferlösung.
Ae thoxy 1 äthy lamin (a -Di äthylhydroxylamin)C2H5-NH-0-CjH5 ist durch
Aethylirung des Aethoxylamins mittelst Bromäthyl erhalten worden. Bis ist eine
farblose Flüssigkeit, welche in Wasser löslich, aber nicht in jedem Verhältniss da-
mit mischbar ist, besitzt einen an Häringslake erinnernden Geruch, siedet bei 83^.
hat bei 0^ das spec. Gew. 0-829 und reducirt Silberlösung. Von seinen Salzen
ist das bei 112° schmelzende saure Oxalat NHCC^Hß) • 0 • CjHg . C^H JO4 am leichtesten
krystallisirt zu erhalten. Beim Erhitzen mit concentrirter Salzsäure entsteht Chlor-
äthyl und Aethylamin.
Trialkylderivate eines isomeren Hydroxylamins Hj^N— 0, wie z. B.
(CjH5)8^Nl^0, entstehen nach Bewad durch Einwirkung von Zinkalkylen auf Xitro-
parafEne und Zersetzung des Reactionsprodukts mit Wasser; die Reaction verläuft
in den Phasen:
^ /0-Zn-C,H,
C,H,-N^ + 2Zn(C,H5), = CH^-NZI^J^
^ ^o'Zn-CjHj
(CA),N(0-Zn.C,H8), -f 4H2O = 2Zn(OH)2 + 2C,He + (C.H^^aNCOH),,
(CA),X(OH), = H,0 -|-(C2H,)3NO.
Carhylamine (Bildungsweisen und Verhcdt&n). 251
Dass die so entstehenden Verbindungen alle drei Alkylgruppen direet an Stickstoff
gebunden enthalten, ergiebt sich daraus, dass sie durch nascirenden Wasserstoff zu
tertiären Aminen reducirt werden. In ihrer Constitution entsprächen sie demnach
den später zu beschreibenden Phosphinoxyden und Arsinoxyden (s. S. 265 — 266, 271).
Sie sind ölige, farblose, in Wasser wenig losliche Substanzen, welche unzersetzt sieden,
mit Säuren sehr hygroskopische Salze liefern und Silber-, Quecksilber- und Kupfer-
salze reduciren. Triäthylhydroxylamin (C2H5)8NO (besser als Triäthyl-
aminoxyd zu bezeichnen) siedet bei 154—157* und besitzt das spec. Gew. 0-893
bei 0«.
5. Carbylamine (Isonitrile, Isocyanide) ^
Allgemeine Zusammensetzung: C^Hg^^^j-NC.
Die Carbylamine wurden 1866 von Gautiee entdeckt, welcher sie
durch Einwirkung von Alkyljodtiren auf Cyansilber erhielt. Lässt man
1 Molecül Jodalkyl auf 2 Molecüle Cyansilber wirken, so entsteht eine
Doppelverbindung des Carbylamins mit Cyansilber ^r
CjHjJ + 2AgCN = AgJ + CjHsNC.AgCN,
welche bei der Destillation mit Cyankalium zersetzt wird, indem das
Carbylamin überdestillirt. — Fast zu gleicher Zeit erhielt A. W. Hof-
mann die Carbylamine durch Einwirkung von alkoholischem Kah auf das
Gemisch primärer Amine mit Chloroform (CHCI3) (vgl. S. 238):
OjK^N H, 4- '■: C HCig^ + 3K0H = 3KC1 + 3HjO + C.Hg.NC.
Sie entstehen ferner meist als Nebenprodukte bei der Darstellung von
Alkylcyaniden (Nitrilen) durch Destillation von ätherschwefelsauren Salzen
mit Cyankalium oder durch Einwirkung von Halogenalkylen auf Cyan-
kalium (vgl. S. 293).
Die Carbylamine sind flüchtige Flüssigkeiten von fürchterlichem Ge-
ruch; sie sind leichter als Wasser und etwas darin löslich. Sie zeigen
basische Natur; durch Einleiten von ChlorwasserstoiBf in ihre ätherische
Lösung erhält man Verbindungen, wie z. B. 2CH3-NC.3HC1; diese Ver-
bindungen sind indess nicht gegen Wasser beständig, da die Carbylamine
von wässrigen Mineralsäuren äusserst rasch in Amine und Ameisen-
säure:
zerlegt werden. Unter gewissen Umständen erhält man als intermediäre
Produkte dieser Zersetzung alkylirte Formamide (CHO-NHE), z. B.:
C3H,.NC + H,0 = C3H7.NH.C/ .
Letztere entstehen auch bei der Einwirkung von Essigsäure; das Carbyl-
» Gautieb, Ann. 146, 119, 124; 149, 29, 155; 151, 239; 152, 222. — A. W.
HoFXA?iN, Ann. 144, 114; 140, 107; Ber. 8, 766. — Liübawin, Ber. I80, 407.
• E. Meyer, J. pr. 68, 285.
252 Carhylamine (Constitution),
amin wirkt in dieser Reaction gleichsam als wasserentziehendes Agens
und. fuhrt die Säure in das Essigsäureanhydrid über, z. B.:
CH3 . NC 4- 2 CH3 . CO . OH = CH3NH . CHO + (CH, • C0),0.
Gegen Alkalien sind die Carhylamine sehr beständig. Mit Quecksilber-
oxyd liefern sie unter anderen Oxydationsprodukten Isocyansäureester :
CHg.NC + 0 = CHa-NrCO.
Die Carhylamine sind isomer mit den später zu besprechenden
Alkylcyaniden oder Nitrilen; sie führen daher auch die Bezeichnungen
Isocyanide oder Isonitrile. Die Isomerie der beiden Körperklassen
wird durch die Formeln:
CnH»„ + rNC und C„H,„^rC N
Isonitrile Nitrile
ausgedrückt. In beiden Fällen besteht das Molecül aus einem Alkylrest
und einer einwerthigen, aus einem KohlenstoflF- und einem Stickstoffatom
bestehenden Gruppe (Cyangruppe). Während aber in den Isonitrilen der
Stickstoff dieser Gruppe an den Alkylrest gebunden ist, wird bei den
Nitrilen der Ä.lkylrest vom Kohlenstoffatom festgehalten. Diese Deutung
des Constitutionsunterschiedes wird durch das Verhalten der Isomeren
geboten. Es wird bei der Besprechung der Nitrile hervortreten, dass
in ihren Zersetzungen der Alkylrest mit dem Kohlenstoff der Cyangruppe
zusammen bleibt, während das Stickstoffatom — frei von Kohlenstoff-
atomen — als Ammoniak austritt. Umgekehrt wird bei den Isonitrilen
der Stickstoff in Verbindung mit dem Alkylrest als primäres Amin ab-
gespalten, während sich andererseits eine nur ein Kohlenstoffatom ent-
haltende Verbindung — die Ameisensäure — bildet (s. S. 251). Auch die
Bildung der Isonitrile nach der HoFMANN'schen Reaction aus den pri-
mären Aminen, welche schon die Combination des Alkylrestes mit dem
Stickstoff enthalten, einerseits und einer Monocarbonverbinilung — dem
Chloroform — andererseits stützt diese Auffassung. Ueber die Art der
Bindung des isolirt stehenden Kohlenstoffatoms in den Isonitrilen bestehen
verschiedene Auffassungen; einige nehmen an, das Kohlenstoffatom fungire
darin zweiwerthig:
in n
CnHi n + 1 — N = C ,
andere sehen in den Isonitrilen Verbindungen mit zwei ungesättigten
Kohlenstoffvalenzen :
III IV
CnH,„ + i--N = C<;
am gebräuchlichsten ist die Ableitung von fünfwerthigem Stickstoff im
Sinne der Formel:
V
CnH2n ^ 1 — N=hC.
Methylcarbylamin CHj-NC siedet bei 60^ und löst sich bei 15® in etwa
10 Theilen Wasser. Aethylcarbylamin CjHg-NC siedet bei 78**, Isopropyl>
carbylamin (CHgjjjCHNC bei 87% Isobutylcarbylamin C4H9.NC bei 114
bis 117<> (spec. Gew. bei 4° 0-787), Isoamylcarbylamin CöH^-NC bei 137^
Nitroparaffifte (Bildung). 253
6. AlkylnltroYerbindungen (Nitroparafftne) ^
Allgemeine Zusammensetzung: C^Hg^^j-NC.
Entstehung und Constitution. Als Nitrokörper bezeichnet man
Verbindungen, welche das einwerthige Radical der Salpetersäure NOjt
III /O V ^0
— N< I oder —NC
enthalten. In der aromatischen Eeihe bilden sich Verbindungen, in
deren Molecülen dieses Radical an Kohlenstoflfatome gebunden ist, sehr
leicht direct durch die Einwirkung der Salpetersäure auf die Kohlen-
wasserstoffe (oder ihre Abkömmlinge) unter Wasseraustritt, z. B.:
CeHe + OH. NO, = CeHß.NOj + H^O.
In der Fettreihe indess kannte man lange Zeit hindurch kaum analoge
Nitroverbindungen. Erst 1872 wurden Nitroderivate der fetten Kohlen-
wasserstoffe von V. Meyeb^ erhalten, gleich darauf auf anderem Wege
von H. KoLBE*.
Die Salpetersäure übt eine „nitrirende" Wirkung auf aliphatische
Verbindungen nur in seltenen Fällen — vorzugsweise bei solchen Ver-
bindungen, die tertiäre Wasserstoffatome enthalten (z. B. CHCI3, Chloro-
form) und darin dem Benzol ähnlich sind, — aus. Zur Gewinnung der
Nitroderivate muss man daher meist einen anderen Weg einschlagen.
Es sind wiederum die Jodsubstitutionsprodukte der Kohlenwasserstoffe,
durch deren Vermittlung die Darstellung der Nitrokörper ermöglicht
wird. Behandelt man sie mit Silbemitrit, so wird das Jodatom gegen
die Gruppe NOj ausgetauscht, z. B.:
C,HeJ + AgNOs = AgJ + CHöNOj.
Man lässt das Jodalkyl allmählich zu etwas mehr als der äquivalenten
Menge trockenen und fein gepulverten Silbemitrits, das zweckmässig mit
etwa dem gleichen Volum Sand gemengt wird, zufliessen; die Reaction
verläuft meist ohne äussere Wärmezufuhr sehr lebhaft und wird schliess-
lich durch Erwärmen auf dem Wasserbade zu Ende geführt. In der
Methanreihe bildet sich faöt ausschliesslich Nitromethan, in den höheren
Seihen aber entstehen stets gleichzeitig die den Nitrokörpern isomeren
Salpetrigsäureester, z. B. aus Jodäthyl Nitroäthan CgHg-NOg und Aethyl-
nitrit CjHg-O'NO. Da die Nitrokörper viel höher sieden als die isomeren
Alkylnitrite, so sind sie leicht von denselben zu trennen. — Die Reac-
tion verläuft sehr glatt bei Anwendung der primären Halogenalkyle aus
den drei ersten Reihen; weniger gute Ausbeuten werden bei der Dar-
stellung der secundären Verbindungen erzielt; bei der Einwirkung von
* Siehe besonders V. Meyer (mit StCbeb, Tschebkiak, Demole, Locher u. A.),
Ajih. 171, 1; 175, 88; 180, 111.
• KoLBE, J. pr. [2] 5, 427.
254 Nitroparafßne (CofisHttUion).
Silbemitrit auf tertiäre Halogenalkyle werden nur geringe Mengen der
Nitroverbindungen erhalten, die Bildung "der Nitrite überwiegt hier
bedeutend.
Der Constitutionsunterachied zwischen Nitrokörpem und Salpetrig-
säureestern wird durch die Formeln:
CHg— NO, und CHs-O-NO
ausgedrückt. In den Nitroverbindungen haftet das Stickstoffatom der
NOg-Grruppe unmittelbar an einem Kohlenstoflfatom , in den Salpetrig-
säureestem ist die NO-Gruppe durch Vermittelung eines SauerstoflFatoms
an den Kohlenwasserstofirest gebunden. Die Berechtigung dieser Auf-
fassung ergiebt sich aus dem Verhalten der beiden Verbindungsklassen;
die Alkylnitrite (s. S. 206) sind wahre Ester, welche durch Alkalien oder
Säuren in Alkohole und salpetrige Säure gespalten, „verseift" werden
können. Diese „Verseifbarkeit" kommt den Nitroverbindungen nicht zu,
da sie eben nicht esterartige Verbindungen sind. — Aus den Alkylnitriten
wird bei der Reduction leicht unter Rückbildung von Alkohol das Stick-
stoffatom von dem Kohlenwasserstoffrest losgelöst. Bei der Reduction der
Nitroverbindungen dagegen bleiben der Kohlenwasserstoffrest und das
Stickstoffatom zusammen; es entstehen glatt — z. B. bei der Einwirkung
von Eisen und Essigsäure unter lebhafter Reaction — die primären
Amine:
CjHß.NOj + 6H = CjHg.NH, + 2HjO.
Dieses Verhalten ist vollkommen analog demjenigen der aromatischen
Nitroverbindungen, welche zweifellos die Nitrogruppe — NOg an Kohlen-
stoffatome gebunden enthalten. Die Auffassung dieser aliphatischen Ver-
bindungen als wahrer Nitroverbindungen
C,H5-N< I oder C^H^-NC
^0 ^0
erscheint demnach genügend gestützt, zumal sie auch den Bildung weisen
und dem sonstigen Verhalten derselben durchaus gerecht wird. Von
einigen Chemikern sind andere Auffassungsweisen vorgebracht worden;
bezüglich derselben und ihrer Widerlegung muss auf die Originalliteratur ^
verwiesen werden.
Allgemeine Charakteristik. Das Nitromethan und seine Homo-
logen (Nitroparaffine) sind farblose, in Wasser fast unlösliche, unzer-
setzt destillirbare Flüssigkeiten von eigenthümlich angenehmem Geruch.
Die niederen Glieder sind schwerer als Wasser; mit steigendem Molecular-
ge wicht nimmt das specifische Gewicht ab ; Nitrobutan ist bereits leichter
als Wasser.
* Geuther, Ber. 7, 1620. — Göttino, Ann. 248, 104. — V. Meyer, Ber. 8, 30;
Ber. 20, 531 (Anm.). Ann. 244, 222. — Sokolow, Ber. 21c, 710. — Kissel, Ber.
16, 727, 1575; 17 o, 166.
Nitroparaffine (Säurenatur), 255
Das chemische Verhalten dieser Nitrokohlenwasserstoife ist sehr
eigenartig. Von besonderem Interesse ist zunächst die Fähigkeit der
Salzbildung, welche den primären und secundären Verbindungen zu-
kommt, während sie den tertiären abgeht. Die primären und secun-
dären Nitroparaffine besitzen den Charakter von Säuren, sie lösen sich
in wässrigen Alkalien und werden von Säuren aus diesen Lösungen
wieder ausgefallt. Man erhält die Natriumsalze (wie z. B. CjjH^Na-NOg),
wenn man die alkoholische Lösung des Nitrokörpers mit alkoholischer
Natronlauge versetzt, als weisse Niederschläge; bei starkem Erhitzen
zersetzen sich dieselben unter VerpufFung; ihre wässrige Lösung giebt
mit vielen Metallsalzen Niederschläge oder charakteristische Färbungen.
Die Ealiumsalze lassen sich nicht in analoger Weise gewinnen; alkoho-
lisches Kali erzeugt in den Lösungen der Nitrokörper nicht eine Fällung
des Kaliumsalzes, sondern bewirkt eine weitergehende Zersetzung (s.
S. 257, Nitrolsäuren). — Bemerkenswerth ist der auffallende Unterschied,
welcher zwischen der aus Natriumnitromethan und Quecksilberchlorid
entstehenden Quecksilberverbindung und der analog dargestellten Queck-
silberverbindung des Nitroäthans besteht ; die Methan Verbindung ist gelb
und durch ungeheuer explosive Eigenschaften ausgezeichnet, während
die Aethanverbindung weiss und durchaus nicht explosiv ist. Die Aethan-
verbindung konnte daher analysirt werden; sie besitzt die Zusammen-
setzung HgCl(C3jH^-N02), während die Methanverbindung vermuthlich
chlorfrei und nach der Formel Hg(CH2-N02)2 zusammengesetzt ist. —
Hervorzuheben ist femer die Abnahme der sauren Eigenschaften bei
den NitroparafGnen mit steigendem Molecularge wicht; die kohlenstoff-
reicheren Nitroverbindungen — wie Nitrobutan, Nitropentan — lösen
sich erst bei andauerndem Schütteln in Alkalien auf.
Die Säurenatur der Nitroparaffine beruht auf der Vertretbarkeit
derjenigen Wasserstoffatome, welche an dem gleichen Kohlenstoffatom
wie die Nitrogruppe haften. Die stark elektronegative Natur der Nitro-
gruppe beeinflusst diese in ihrer Nähe befindlichen Wasserstoffatome
derart, das letztere — obwohl an Kohlenstoff gebunden — die Eigen-
schaft der Vertretbarkeit durch Metallatome in ähnlichem Grade er-
langen, wie sie dem Hydroxyl- Wasserstoffatom der Sauerstoffsäuren zu-
kommt. Ein solcher „acidificirender** Einfluss wird, wie später bei der
Beschreibung anderer Verbindungsgruppen hervortreten wird, häufig auf
an Kohlenstoff gebundene Wasserstoffatome durch benachbarte negative
Gruppen ausgeübt. Die Richtigkeit dieser Erklärung, nach welcher
beispielsweise dem Natriumnitroäthan die Formel:
. CH3.CHNa.NO,
zukommt, erhellt daraus, dass ein Nitrokörper eben am gleichen Kohlen-
stoffatom neben der Nitrogruppe noch Wasserstoffatome enthalten muss,
um saure Eigenschaften zu besitzen. Im Gegensatz zu den primären
und secundären, durch die Gruppen:
C-CH,.NO, und C-CH(N02)-C
256 Nüroparaffine (Bromderivate).
charakterisirten Verbindungen, geht den tertiären Nitroverbindungen:
C X-NO,
C
yVj ^^^«7
welchen solche Wasserstoflfatome fehlen, auch- der Säurecharakter ab.
Auch in anderen Beactionen erweisen sich die in der unmittelbaren
Nähe der Nitrogruppe befindlichen Wasserstoffatome als besonders leicht
vertretbar. Fügt man zu der alkalischen Lösung der Nitrokörper Brom,
so erhält man bereits in der Kälte Bromsubstitutionsprodukte. Dass die
Bromatome an das die Nitrogruppe tragende Kohlenstoflatom treten, geht
einerseits aus der Umsetzung des Monobromnitroäthans mit ZinkäthyP
in secundäres Nitrobutan:
2CH8-CHBr.NOs + Zn{Qfi^\ = ZuBr, + 2CHj • CH(NO,) • CjM^.
andererseits aus dem Umstand hervor, dass stets ebensoviele Bromatome
aufgenommen werden können, als Wasserstoffatome in der Wirkungs-
sphäre der Nitrogruppe befindlich sind. In das Nitromethan CHj-NOg
treten ein, zwei oder drei Bromatome:
CHjBrNOa CHBr.NO, CBrj.NO,,
in alle übrigen primären Nitroparaffine ein oder zwei Bromatome:
CH3 . CHBr . NOj CH3 . CBr, • N0„
in die secundären Verbindungen endlich tritt nur ein einziges Brom-
atom ein:
CH8.CBr(N0j).CH3.
Das Verhalten dieser Bromnitroverbindungen gegen Alkalien bietet eine
schlagende Bekräftigung der oben entwickelten Erklärung für den Säure-
charakter der Nitroverbindungen. Nur diejenigen unter ihnen, welche
noch nicht allen mit der Nitrogruppe am gleichen Kohlenstoffatom be-
findlichen Wasserstoff durch Brom vertreten enthalten, besitzen saure
Eigenschaften. Das Dibromnitromethan CHBrg'NO, ist daher das einzige
Dibromnitroderivat, das in Alkalien löslich ist. Die Monobromderivate
der primären Nitroverbindungen:
yC-CHBrNOj
sind noch in Alkalien löslich, aber bei den secundären Verbindungen
ist schon nach Aufnahme eines Bromatoms
yC-CBr(NO,)-C(^
die Säurenatur aufgehoben.
Sehr merkwürdig ist die Zersetzung, welche die primären Verbin-
dungen beim Erhitzen mit Säuren^ erleiden; der Stickstoff wird als
^ Bewad, Ber. 21 o, 481; 22 o, 251.
* Preibisch, J. pr. [2] 7, 480; [2] 8, 316. — V. Meyer u. Locher, Ann. 180, 163.
Nitroparaffvne (Einwirkung von salpetriger Säure), 257
Hydroxylamin abgespalten, während andererseits die Fettsäure von
gleichem Kohlenstoffgehalt entsteht:
CH,.CH,.NO, + H,0 = HjN.OH + CHsCOOH;
beim Nitromethan wird die zuerst gebildete Ameisensäure H-CO-OH
gleich weiter in Kohlenoxyd und Wasser zerlegt. — Secundäre Nitro-
verbindungen werden beim Erhitzen mit Säuren völlig verharzt.
Die Verschiedenartigkeit in dem Verhalten der primären, secun-
dären und tertiären Nitroverbindungen, welche schon bei den bisher be-
sprochenen Reactionen hervorzuheben war, tritt besonders bei der Ein-
wirkung der salpetrigen Säure zu Tage. Dieselbe führt bei den
primären und secundären Verbindungen zu ganz eigenartigen und fun-
damental von einander verschiedenenen Körperklassen, während unter
gleichen Bedingungen die tertiären Nitroverbindungen eine Reaction mit
der salpetrigen Säure überhaupt nicht eingehen.
Vermischt man die Lösung einer primären Nitroverbindung in Kali-
lauge mit einer Nitritlösung und fagt nun Schwefelsäure zu, so tritt eine
blutrothe Färbung ein, welche aber verschwindet, sobald die Flüssig-
keit sauer wird. Es ist eine wasserlösliche Säure entstanden, welche
sich aus der Lösung mit Aether ausschütteln lässt. Man nennt die so
entstehenden Säuren „Nitrolsäuren" und schreibt ihnen die Constitution :
xN-OH
zu; diese Formel wird durch alle weiter unten folgenden Umsetzungen
gestützt, besonders aber durch eine andere Bildungsweise der Aethylnitrol-
säure, welche in der Einwirkung von Hydroxylamin auf Dibromnitroäthan:
.Br, .N.OH
CH3.OC + HjN-OH = 2HBr + CH,.C<f
besteht. Ihr Bildungsprocess aus salpetriger Säure ist demnach durch
die Gleichung:
.H, .N.OH
CH,.C<f + ON-OH = H,0 + CH,.C<f
wiederzugeben. Die Nitrolsäuren entstehen ferner aus den Nitroäthanen
durch Einwirkung von alkoholischem Kali und in geringen Mengen über-
haupt stets bei der Einwirkung alkalischer Lösungen, — offenbar indem
ein Theil der Nitroverbindungen unter Bildung von Alkalinitrit zersetzt
wird, welch letzteres nun auf den unzersetzten Theil reagirt. — Die
Nitrolsäuren sind farblose, in Wasser leicht lösliche, stark sauer reagirende
nnd süss schmeckende Verbindungen, welche oft prächtig krystallisiren.
Sie sind besonders charakterisirt durch die intensiv blutrothe Färbung
der Lösung ihrer Alkalisalze, welche indess in reiner Form bisher ebenso-
wenig wie die Schwermetallsalze (intensiv gefärbte, sehr zersetzliche Nieder-
schläge) erhalten werden konnten. — Beim Erhitzen zerfallen die Nitrol-
V. Mkykr u. Jacobson, org. Chem. I. IT
258 Verschiedenes Verkalten der prim., seattnd. m. iert. Nitrojxtraffine g^en
säuren uater atürmisclier Entwickeinng von Gasen — Stickstoff und Stick-
stoffdioxyd — und Zuritcklassung von Fettsäuren:
A'.OH
2CH,-C/^ =2CH,C0-0H+ NO, + 3N;
^NO,
dieselbe Zersetzung erleiden sie bei längerem Aufbewahren schon in
der Kälte. Beim Erhitzen mit Wasser oder Säuren liefern sie gleich-
falls Fettsäuren unter gleichzeitiger Entwickeinng von Stickoxydul, welche-,
"■"•"■""•"'■"'ich ans den primär gebildeten Spaltnngsprodukten, salpetriger
Hydroxylamin, entsteht:
-N-OH
m,-Cf + 2H,0 = CH,-CO.OH + H-KOH + HNO,,
\no,
h,n-oh + hno, = n,0 -h 2h,0.
der Beduction der Nitrolsäuren werden die entsprechenden
gebildet, indem der Stickstoff — je nach den Bedingungen —
■ak, Hydroxylamin oder salpetrige Säure abgespalten wird.
Redaption der NitrolsSureQ mit Natriumamalgam entstehen in geringer
Dl zwei SauerBtoffatome ärmcreD AzaurolaSuren': intensiv geärbtr.
tum lösliche Verbindungen. Ihre Umsetzungen sind genauer an der
Isäure CjH,N,0 (oder wahrscheinlicher CjHgHjO,! untersucht; es «ini
i ein Viertel des Stickafofe in irgendwelcher Form abgespalteu und eine
tiindung, das Leukazon CjHjNbO, gebildet; letzteres besitzt sowohl
: sauren Charakter und aehliesst sich hierin, wie auch in seinen Löalich-
saen, den AmidosSuren an, indem es in Wasser und Alkohol leicht los-
er unlöslich ist. Die Constitution dieser Verbindungen ist noch nichi
mau eine secundäre Nitroverbindung in gleicherweise, wie
ir die primären Verbindungen angegeben ist, mit nascireiider
Säure behandelt, so ist der Reactionsverlauf ein ganz anderer,
uern scheiden sich nach vorübergehender intensiver Blaufsr-
'Se, in Wasser nicht lösliche Verbindungen ab, welche keinen
[ter besitzen. Diese „Pseudonitrole" genannten Verbin-
1 isomer mit den Nitrolsäuren; man fasst sie gewöhnlich als
iverbindungen auf, z. ß.:
CHj^ ^NO
OH,/ \\0,'
■etirt demnach ihre Bildung durch folgende Gleichung:
(CH,),C H (NO,) -H OH- NO. = HjO -)- (CHj),C{N0XNO,).
mitrole bilden sich nun auch bei der Einwirkung von Slick-
i auf die Oxiuie der Ketone^ z. B.:
yNO
KCH,),C:N-OH -H 3N,0. = 4(CHAC< + 2H,0 + 2N0.
^NO,
iVEii und CoNSTAii, Ann, 214, 328.
HOLi., Ber. 31, 508. — Inaugural-Diss, Basel. 1890.
salpetrige Säure. (Nitrolsäuren und Pseudonitrole.) 259
Diese Bildungsweise legt eine andere Auffassung ihrer Constitution^
nahe; sie könnten Salpetersäureester der Oxime:
(CH8)jC = N— 0— NOj
sein; ihre Entstehung aus den secundären Nitroverbindungen könnte in
folgenden zwei Phasen verlaufend gedacht werden:
(CH8),CH.N< ' + HNO, = (CH3),CH.N<
\0 X)H
/O-NOg
(CH8)jCH . N< — HjO = (CH8)2C : N-0 • NO,.
\0H
Der letzteren Auffassungsweise kann man im Hinblick auf zahlreiche
Erfahrungen, welche die Existenzfähigkeit von Verbindungen mit an
Kohlenstoff gebundener Nitroso- Gruppe ( — NO) überhaupt zweifelhaft
machen, den Vorzug geben. — Die Pseudonitrole sind besonders durch
die Eigenschaft charakterisirt, beim Uebergang in den flüssigen Aggregat-
zustand — sei es durch Schmelzung oder durch Lösung — eine intensiv
blaue Färbung anzunehmen; sie besitzen einen stechenden Geruch; sie
werden beim Erwärmen mit Säuren oder Alkalien, auch bei der Ein-
wirkung von Reductionsmitteln unter Abspaltung von Sauerstoffverbin-
dungen des Stickstoffs zersetzt.
Tertiäre Nitroverbindungen werden durch nascirende salpetrige Säure
nicht verändert.
Einerseits die charakteristischen und noch bei sehr geringen Mengen
deutlich wahrnehmbaren Farbenreactionen, welche die Einwirkungspro-
dukte der salpetrigen Säure auf die primären und secundären Nitro-
paraffine auszeichnen, und die Indifferenz der tertiären Verbindungen
andererseits können zu einer Diagnose der primären, secundären und ter-
tiären Alkoholradicale verwendet werden (vgl. S. 154). Man destillirt das
zu prüfende Jodür mit Silbernitrit, schüttelt das Destillat mit einer Auf-
lösung von Ealiumnitrit in concentrirter Kalilauge, verdünnt nun mit Wasser
und setzt tropfenweise verdünnte Schwefelsäure zu. Erhält man eine ßoth-
farbung (Nitrolsäurebildung), welche immer wieder bei Zusatz von Alkali
eintritt und durch Ansäuern aufgehoben wird, so lag ein primäres Jodür
vor; eine Blaufärbung (Pseudonitrolbildung), welche sich beim Schütteln
mit Chloroform der Chloroformschicht mittheilt, zeigt ein secundäres
Jodür, das Ausbleiben jeder Färbung ein tertiäres Jodür an. Diese
Methode ist indess nur bis zur 5. Reihe anwendbar; es genügen hier
0-3 — 0-5g Jodür zur Prüfung; in den höheren Reihen ist die Bildung
der Nitroverbindungen ein zu wenig glatter Process, um zu einer sicheren
Diagnose dienen zu können.
» V. Meyer, Ber. 21, 1294.
17
260 Einzelne Nitroparaffine.
Einzelne Glieder.
Nitromethan CHg'NOj siedet bei 101^; es bildet sich auch durch Einwirkung
von Kaliumnitrit auf chloressigsaures Kalium^:
CHjClCO.K -f- KNO, + H,0 = CH,(NO,).CO,K + KCl -f- H,0
= CHsNO, + KHCOj + KCl.
Methylnitrolsäure CH(: N-OH)- NO, schmilzt bei 64^ — Beim Erwärmen mit
alkoholischem Natron geht das Nitromethan in das Natriumsalz der Methazonsfture*
CÄNjOj über.
Nitroäthan: CgHs-NO,; Siedepunkt 113— 114^ spec. G^ew. bei 0<>: 1-080.
Aethylnitrolsäure CHj. C(: N- OH). NO, schmilzt bei 81 — 82» unter völliger
Zersetzung.
Nitropropan: CHs-CHj-CHjNO,; Siedepunkt 125—127»; spec. Gew. bei 0»:
1.085. Propylnitrolsfiure C,H5 • C(: N • OH) • NO, schmilzt bei 60». — Isonitro-
propan: (CH,),CH - NO, ; Siedepunkt 117—119»; spec. Gew. bei 0»: 1.033. Propyl-
pseudonitrol (CH8),:C:N,0, schmilzt bei 76».
Prim. norm. Nitrobutan«: CHg.CHj.CHjNO,; Siedepunkt 151— 152»; spec.
Gew. bei 0»: 0.995. — Prim. Isonitrobutan : (CH,),CH.CH,.NO,; Siedepunkt
137—140»; spec. Gew. bei 0»: 1008. — See. Nitrobutan CjHg • CH(N0,)CH8 siedet
bei 138». Butylpseudonitrol CjHj.CC : N80,)CH, schmilzt bei 58». — Tertiäres
Nitrobutan (CHglaC-NO, siedet zwischen 110 und 130».
Prim. Isonitropentan (CHg),- CH-CH,- CH,- NO, siedet zwischen 150 und
160». — Amylpseudonitrol C,H6.C(:N208)C,H5 schmilzt bei 63».
Prim. norm. Nitrooctan* CHg.CCHj^CHg.NO, siedet zwischen 205 u. 212».
Sechstes Kapitel.
Verbindungen der AlkylreBte mit den übrigen Metalloiden.
(Verbindungen mit den Elementen der Stickstoffgruppe: Phosphor, Arsen, Antimon
und Wismuth. — Verbindungen des Bors. — Verbindungen mit den Elementen der
Siliciumgruppe: Silicium, Germanium und Zinn.)
1. Yerbindnngen des Phosphors.
Der Phosphor bildet mit den Alkylradicalen eine Reihe von Ver-
bindungen, welche zum gasförmigen Phosphorwasserstoff (PH,) in der-
selben Beziehung stehen wie die Amine und Ammoniumverbindungen
zum Ammoniak. Es sind dies die Phosphine und die qnatemären
PhosphoniumTerbindangen , wie z. B.:
CH3.PH, (CH3),PH {CU,\P (CH3),P(0H)
primäres, secundäres, tertiftres Phosphin; qnatemfires
Phosphoninmhy droxyd .
* KoLBE, J. pr. [2] 5, 427. — Pbeibisch, J. pr. [2] 8, 310.
2 Lecco, Ber. 9, 705. -- Kimich, Ber. 10, 140.
8 ZüBLiN, Ber. 10, 2083. * Eichler, Ber. 12, 1888.
Alkylverbindungen des Phosphors, 261
Die Existenz der Alkylverbindungen des Phosphors hat zuerst
Thänabd^ 1845 bei einer Untersuchung über die Einwirkung des Chlor-
methyls auf Phosphorcalcium nachgewiesen. Ihre nähere Kenntniss aber
verdankt man fast ausschliesslich A. W. Hofmann, welcher — zum Theil
in Gemeinschaft mit Cahoubs — diese organischen Phosphorverbindungen
in eingehendster Weise untersuchte.
Der Unterschied, welchen die Stammkörper PH, und NH3 in ihrem
chemischen Charakter zeigen, findet sich theilweise in ihren Alkyl-
derivaten wieder. Von dem stark basischen Ammoniak leiteten sich
durch den Eintritt der Alkylradicale Verbindungen ab, welche die
Muttersubstanz an Basicität noch übertrafen. Aus dem kaum basischen
Phosphorwasserstoflf, dessen Verbindungen mit Säuren, wie PH^J, schon
durch Wasser zerlegt werden, dagegen erzeugt der Eintritt einer Alkyl-
gruppe eine ebenfalls noch schwache Base; denn auch die Salze der
primären Phosphine sind gegen Wasser noch unbeständig. Aber mit
der wachsenden Anzahl der eintretenden Alkylreste wird dieser Unter-
schied mehr und mehr verwischt. Die quaternären Phosphonium-
hydroxyde sind wieder Verbindungen von durchaus alkali- ähnlichem
Charakter, welche den Ammoniumhydroxyden an Basicität kaum nach-
stehen. In diesen Erscheinungen zeigt sich aufs Neue der elektropositive
Charakter der Alkylgruppen, welcher schon aus den enorm basischen
Eigenschaften der Sulfinhydroxyde und Ammoniumhydroxyde gefolgert
werden konnte und noch des Oefteren bei der Kenntnissnahme anderer
Verbindungsgruppen zu Tage treten wird.
Entstehungsbedingungen der Phosphine und Phosphonium-
verbindungen: Während die directe Einwirkung von Halogenalkylen
auf das Ammoniak im Allgemeinen zur Bildung sämmtlicher Alkylirungs-
stufen des Ammoniaks f&hrt (vgl. S. 229 — 230), entstehen durch un-
mittelbare Wechselwirkung zwischen Phosphorwasserstoff und
Halogenalkylen immer nur tertiäre Phosphine und quaternäre
Phosphoniumverbindungen*. Will man die Verbindungen nach dieser
Reaction gewinnen, so ist es am zweckmässigsten, Phosphoniumjodid
mit dem entsprechenden Alkohol in geschlossenen Bohren auf 160 — 180^
zu erhitzen'; der Alkohol setzt sich mit Jodphosphonium in Phosphor-
wasserstoff, Jodalkyl und Wasser um, z. B.:
PH4J + CHa.OH> PH, + CH3J + H,0,
und Phosphorwasserstoff und Jodalkyl wirken nun auf einander ein.
Tertiäre Phosphine werden femer durch die Wechselwirkung
zwischen Phosphortrichlorid und Zinkalkylen* erhalten, z. B.:
2PCla + 3(C,He),Zn = SZnCl, 4- 2P(C,Hö),;
^ Compt rend. 21, 144; 25, 892.
* Drechsel u. F1NKEL8TEIN, Ber. 4, S54. — A. W. Hofmann, Ber. 4, 872.
• A. W. HopMAKN, Ber. 4, 205.
^ Cahoürs u. Hofmann, Ann. 104, 1.
262 Bildungsweisen der Pkospkine und PhosphoniumKerhinduugen.
das Phosphin bildet mit dem gleichzeitig entst«heiideii Chloi'zink eine
Doppelverbindung und wird darauB durch Destillation mit Alkali ab-
ätzt man in dieser Beaction das Zinkalkyl darch ein Quecksilberalkvl.
ur ein Chloratom des Phosphortrichlorida aasgetanscht', z. B.:
PCls + HgtCH,), = PCl,(:CjH^) + HgCl(C,H,).
primären und secundären Phosphine dagegen bilden sich
inauder, wenn man Jodphosphoiiium in Gegenwart eiaes Metall-
- am besten Ziukoxyd — auf Jodalkyle bei 100 — 150" wirisen
In dieser Eeaction entstehen keine tertiären und quatemären
jngen, und sie bildet demnach ein Complement zu der erst-
m Beaction zwischen Phosphoniumjodid und Alkoholen.
Beindarstellung der einzelnen Älkylirungsprodukte aus den
LSgemischen ist daher hier viel einfacher als die entsprechende
bei den Stickstoffverbindungen, da bei der Darstellung von
sich ja in einer und derselben Reaction meist die Repräseu-
iller vier Klassen bildeten. Es bedarf nur einer Trennungs-
ftlr primäre und secundäre Phosphine, und andererseits einer
für tertiäre Phosphine und quatemäre Phosphoniumverbindungen.
grUndet sich darauf, dass die Salze der primären Phosphine
sser unter Abscheidung des freien Phosphins zerlegt werden,
e der secundären Phosphine dagegen gegen Wasser beständig:
;ztere beiiiht wieder auf der ünzerleglichkeit der Phosphoninm-
urch Alkalien im Gegensatz zu der Zerlegbarkeit der tertiären
isalze und ist demnach ganz analog der Trennung der Amine
Ammonium Verbindungen (vgl. S. 230 — 231).
braucht kaum noch bemerkt zu werden, dass aus den primären
undären Phosphinen auch die höher alkylirten Verbindungen
inwirkung von JodaUtyl gewonnen werden können, und die*e
auch zur Darstellung gemischter Phosphine' und Phi>s-
aibasen dienen kann;
(C,H,)PH, + CH,J = (CH,XC,H,)PH.HJ;
(C.H.1,P + CH,J = (CH,XC«H,1.PJ.
einfaches Verfahren zur Gewinnung der Phosphoniumrer-
;en besteht endlich in der Digestion von gewöhnlichem oder
Phosphor mit Jodalkylen bei 180" durch 24 Stunden*; die Re-
erläuft nach der Gleichung:
2P + 7C,H.J = P(C,ll5i,Js -I- P(C,H.V»^
ildung von PolyJodiden; behandelt man das Beactionsprodidit
CHAEM», Ber. 18, 2174.
W. HoFSANN, Ber. 4, 430, 605; Ö, 292.
;1. auch Collie, Joum. Soc. 1886. I, 714.
Charakteristik der Phosphine, 263
mit Schwefelwasserstoff, so wird das PolyJodid P(C2H5)4J3 zu dem Tetra-
äthylphosphoniumjodid P(C2Hß)4J reducirt, welches aus seiner Lösung
auf Zusatz von Pottasche ausfällt, während das PolyJodid ^{C^^^\J^
durch Schwefelwasserstoff in Triäthylphosphinoxyd (CgHßjgPO übergeflihrt
wird, welch letzteres in Lösung bleibt (vgl. S. 266).
Charakteristik der Phosphine und Phosphoniumverbin-
dungeu: Die Phosphine sind farblose. Verbindungen, mit Ausnahme
des gasförmigen Methylphosphins bei gewöhnlicher Temperatur flüssig
(s. die Tabelle Nr. 1 1 auf S. 264), in Wasser unlöslich. Sie besitzen einen
durchdringenden, betäubenden Geruch, welcher indess in grosser Verdün-
nung bei einigen durchaus nicht unangenehm ist; so hat der Geruch des
Triäthylphosphins in verdünntem Zustande die grösste Aehnlichkeit mit
dem der Hyacinthe^. Die Phosphine besitzen nicht alkalische Reaction;
mit Säuren treten sie zu Salzen zusammen, welche in Wasser meist
leicht löslich und den Salzen der Amine analog zusammengesetzt sind
(z. B. (C3H7)3P.HJ). Dass die Salze der primären Phosphine von Wasser
zersetzt werden, diejenigen der secundären und tertiären Phosphine
gegen Wasser beständig sind, ist bereits hervorgehoben worden (S. 262).
Die tertiären Phosphine sind durch das Bestreben ausgezeichnet,
unter Aufnahme von anderen Elementen in Verbindungen des fünf-
werthigen Phosphors überzugehen. So addiren sie die Halogene, um
Verbindungen wie z. B. P(C2Hg)3Cl2 zu bilden. Von besonderer Schön-
heit sind die Phosphinsulfide^ wie (C2Hg)3PS; sie bilden sich unter
Wärmeentwickelung, wenn man in die ätherische Lösung der Phosphine
Hchwefelblumen einträgt, krystallisiren prachtvoll, sind farblos, in reinem
Wasser löslich, in alkalischem Wasser aber viel weniger löslich. (Tri-
methylphosphinsulfid schmilzt bei 105®, Triäthylphosphinsulfid
bei 94®.)
Gleichfalls höchst charakteristische Verbindungen entstehen durch
Zusammentritt mit Schwefelkohlenstoff^; die Constitution dieser Ver-
eis
bindungen ist wohl durch Formeln, wie ^^ \ ^ tt auszudrücken.
S : C P(C2H5)g,
Die Reaction zwischen den tertiären Phosphinen und Schwefelkohlenstoff
ist so energisch, dass man sie durch Anwendung von Lösungsmitteln
(Alkohol oder Aether) massigen muss; die Additionsprodukte stellen
schöne rothe, der Chromsäure ähnliche Krystalle dar und sind in Wasser
unlöslich. Ihre Bildung erfolgt so leicht und augenblicklich, dass man sich
vortheilhaft des Schwefelkohlenstoffs als Reagens auf die Phosphine und
umgekehrt der tertiären Phosphine als Reagens auf Schwefelkohlenstoff
bedient. Die Verbindungen sind ziemlich veränderlich und gehen leicht
in die entsprechenden Phosphinsulfide über; so z.B. die Methylverbindung
» A. W. Hopmann, Ann. 104, 10.
■ Ebenda p. 23 u. 32. — Ann. Suppl. 1, 21.
' A. W. UoFHANN, Ann. Suppl. 1, 26 u. 59.
Phosphotiiumverbindungen.
264
schon bei längerem Stehen ihrer ätherischen Lösung, die Aethyherbinduiif
beim Kochen der alkohohschen Lösung mit Silberoxyd:
(C,H,),P.CS, + 2Ag,0 = (C,Hst,PS + CO, + Ag,S + Äg,.
(Die CSj-Verbindung des Triäthylphosphins schmilzt bei 95°.)
Von den Aminen durcbaua verschieden erweisen sich die Phosphine
durch ihre leichte Oxydirbarkeit. Alle Phosphine ziehen mit grösster
Begier den Sauerstoff der Luft an sich und müssen daher im Wasser-
stoffstrom destillirt werden. Einige derselben erwärmen sich an der
8 sie sich von selbst entzünden. lieber die Oxrda-
iten.
Tabelle enthält die Siedepunkte einiger Phosphine:
Tab
eile Nr.
11.
Siedepunkt des
en 1 secuiii]. terÜKren
PhoRphins.
0
+ 25-
+ 41«
0
85»
128»
Das apecifische Gewicht ist
D
118»
beim Trittthylphosphin m
0
0-812 bei 15°, beim normalen
u
210-215°
ca. 300°
Octylphösphin' zn 0-821 b«
^
_
17° gefunden.
il"
-
-
Iren Fhosphoniumverbindungen', wie (CH,)^?^
entspreche nden Stickstoffverbindungen analog. Die
h Alkalien nicht zerlegt, wohl aber erhält man die
iroxyde, (CH3),P-0H etc., wenn man die Lösung der
xyd digerirt. Es sind dies leicht lösliche, stark alka-
erbindungen, welche begierig Eohleusäure anziehen,
, kurz in allen Stücken den Ammoniumhydroxyden
ihrem Verhalten unter dem Einflüsse der Wärme
lieh von letzteren; sie gehen hierbei nicht wieder in
)hine über (vgl. S. 246); vielmehr verharrt das Phos-
tand der Fünfwerthigkeit, indem unter Abspaltung
irasserstoffs die Phosphinoxyde (vgl. S. 265—266) ent-
CC,Hi)<P-OH = C,H, + {C,H,),P.O.
rodnkte der Phosphine; PhosphinsSuren and Phos-
T dem oxydirenden Etnflnss der rauchenden Salpeter-
in. lOS, 65.
FMANN, Ann. 104, 15. — Cahour?, Ann. ISS, 329. — CouiEi
S36 u. 714. — Letts n. Collie, Jb. 1888, 1609. — Masson u.
1889. I, 126, 138.
Phosphinsäuren. 265
säure geht der PhosphorwasserstoflF H3P in Phosphorsäure (0H)3P : 0
über; es werden die drei Wasserstoffatome zu Hydroxylgruppen oxydirt,
und gleichzeitig vertauscht das Phosphoratom unter Anlagerung eines
Sauerstoffatoms den Zustand der Dreiwerthigkeit mit demjenigen der
Fünfwerthigkeit Ganz analog sind die Veränderungen, welche starke
Salpetersäure an den Phosphinen hervorbringt; die Alkylreste bleiben
am Phosphoratom haften, während die Wasserstoffatome zu Hydroxyl-
gruppen werden, und ein Sauerstoffatom behufs Erlangung der Fünf-
werthigkeit angelagert wird. So entsteht aus dem
CH«V CHg\
primären Phosphin: H-^P — >- eine zweibasische Säure: OH-^P=0,
h/ ob./
CH3V CH3V
secundär. Phosphin rCHg-^P — > eine einbasische Säure: CH3-^P=0,
H/ OHX
CHjv CH3V
tertiären Phosphin: CH3--7P — >- eine nicht saure Verbindung: CHg-^P=-=0.
CH3/ CH3/
Die Säuren, welche aus den primären und secundären Phophorbasen
sich bilden, bezeichnet man als Phosphinsäuren^ (Mono- und Di-
alkylphosphinsäuren), die Oxydationsprodukte der tertiären Phosphine
als Phosphinoxyde.
Die Monoalkylphosphinsäuren (wie (C3Hß)(OH)2PO) sind farblose,
krystallinische, in Wasser und Alkohol lösliche, sehr beständige Ver-
bindungen, welche zum Theil unzersetzt flüchtig sind. Ihre Lösung
röthet Lakmus und besitzt einen angenehm sauren Geschmack. Sie
bilden zwei Reihen von Salzen, wie (CH3)HMe^P03 und (CH3)MejP03.
Sie sind isomer mit den Monoalkylestem der phosphorigen Säure (s. S. 209):
P(0H)g(0-CH3) und unterscheiden sich von diesen — entsprechend ihrer
Constitution — durch die Unverseifbarkeit. (Methylphosphinsäure
(CH3)H3P03 schmilzt bei 105^ Aethylphosphinsäure (C2Hß)H3P03
bei 440.)
Die Dialkylphosphinsäuren (wie (CH3)2(OH)PO) sind ebenfalls
farblose Verbindungen, welche zum Theil ohne Zersetzung destillirt
werden können. Die in Wasser leicht lösliche Dimethylphosphinsäure
(CH3)^(0H)P0 ist krystallisirt erhalten und schmilzt bei 76®, die Homo-
logen sind nur als Syrupe erhalten worden; von der Propylreihe auf-
wärts sind sie in Wasser unlöslich. Sie bilden nur eine Reihe von
Salzen (wie (CH3)3AgP02).
Bei der Behandlang mit Phosphorpentachlorid werden die Hydroxylgruppen
dtirch Chlor ersetzt Es entstehen die Phosphinsänrechloride — schön krystal-
lisirt«, unzersetzt flüchtige Verbindungen, welche mit Wasser wieder die Säuren
regeneriren. (Methylphosphinsäurechlorid (CH,)ClaPO schmilzt bei 32^, siedet bei
163»; Dimethylphosphinsfturechlorid (CHa)aClPO schmilzt bei ÖB'^ und siedet
b« 204«.)
* A. W. HoFMAMK, Ber. 6, 104; 6, 303. — Fossek, Monatsh. 7, 26.
266 Phosphinoxyde.
Von den Phosphinoxyden sind nur die beiden ersten Glieder
untersucht Das Trimethylphosphinoxyd^ (CH3)3PO schmilzt bei 137
bis 138« und siedet bei 214— 215^ Das Triäthylphosphinoxyd-
(C3Hg)3PO erhält man aus dem Triäthylphosphin durch Oxydation an der
Luft, mit Salpetersäure oder mit Quecksilberoxyd; auch kann es ge-
wonnen werden, indem man Phosphor mit Jodäthyl auf 175 — ISO'
24 Stunden erhitzt und das Reactionsprodukt mit Alkohol zersetzt (vgl.
S. 262 — 263). Es krystallisirt in feinen farblosen Nadeln, schmilzt bei 53-
und siedet völlig unzersetzt bei 243 ^ Es ist geruchlos, sehr zerfliess-
lich, in Wasser sehr leicht löslich, ebenso in verdünnten Säuren, wird
aber aus der wässrigen Lösung durch Kalilauge gefällt. Mit Metallsalzen
vereinigt es sich zu krystallisirten Verbindungen, wie z. B. 2{G^'E^\V0.
ZnJg. Selbst durch Natrium kann das Triäthylphosphinoxyd nicht zu
Triäthylphosphin reducirt werden.
•
2. Yerbindungen des Arsens.
Die wichtigsten Arbeiten über die Alkylverbindungen des Arsens
rühren von Bunsen her; ihm gelang es zuerst, der Schwierigkeiten und
Gefahren Herr zu werden, welche die Untersuchung dieser Körper bietet.
Das dritte Element der Stickstoffgruppe zeigt bezüglich seiner Alkyl-
verbindungen schon bedeutende Abweichungen von dem typischen Ele-
mente der Gruppe. Den primären und secundären Aminen und Phos-
phinen entsprechende Arsine, wie etwa:
CHa\ ^ CH,\
H )A8 und CH3-7A9,
sind überhaupt an sich nicht bekannt, nui* solche Derivate derselben
kennt man, in denen die Wasserstoffatome durch elektronegative Elemente
substituirt sind, wie:
CHaX CHg\ CHg\ CHas. /CHj
Cl /As; ^^->A8: CHa-)Asr >Aa-0-As<
Den tertiären Arsinen, wie z. B.:
CHsX
CH3-)As,
CHg/
deren Constitutions- Analoga in der Stickstoff- und Phosphor-Eeihe kriit-
tige Basen waren, geht die Fähigkeit der Salzbildung durchaus ab.
Erst die Beladung des Arsenatoms mit vier Alkylgruppen, wie sie in
den quaternären Arsoniumverbindungen :
CHaX /CHa
CH3-)A8<
Cli/ \0H
* Collie, Journ. Soc. 1888, I, 636.
' A. W. Hofmann, Ann. Siippl. 1. 7. — Pebal, Ann. 120, 194. — Carii'?'
Ann. 137, 117. — Grafts u. Silva, Ztschr. Chem. 1871, 359. — Masson u. Kibklasd,
Journ. Soc. 1880 I, 141.
Di4Ükylverbindungen des Ärsetis, 267
eiutritt, fuhrt wieder zu Verbindungen, deren chemischer Charakter den
analog gebauten Stickstoff- und Phosphor- Abkömmlingen in jeder Be-
ziehung gleicht. Auch ausser diesen Tetraalkylverbindungen sind zahl-
reiche von funfwerthigem Arsen derivirende Verbindungen bekannt, wie
die Halogenverbindungen:
(CHs)A8Cl4, (CH8),A8Cl8, (CH3)8A8C1,
und die den Phosphinsäuren entsprechenden Arsinsäuren:
CHa . AßO(OH)j, (CHg)^ AsO • OH.
Die Dialkylderlyate sind unter den Alkylverbindungen des Arsens
die wichtigsten, und unter diesen wieder die Repräsentanten der Methyl-
reihe, welche man auf Berzelius' Vorschlag ihres ekelerregenden Ge-
ruchs wegen als Eakodyl-Yerbindungen zu bezeichnen pflegt (von
xaxcidijg: stinkend). Schon 1760 wurden diese Körper von Cadet,
welcher bei der Destillation von Arsenik mit essigsaurem Kali eine
schwere, furchtbar riechende und an der Luft rauchende Flüssigkeit er-
hielt, beobachtet; aufgeklärt wurde ihre Zusammensetzung erst in den
Jahren 1837 — 1843 durch Bünsen's mühe- und gefahrvolle Untersuchung ^,
deren Bedeutung für die Entwickelung der chemischen Theorien schon
im allgemeinen Theile (S. 53) kurz berührt wurde. Bunsen zeigte, dass
ein Radical von der Zusammensetzung AsCgH^ — das Kakodyl-Radical
— der gemeinsame Bestandtheil zahlreicher Verbindungen sei, welche
er durch mannigfache Reactionen aus Cadet's Flüssigkeit gewinnen
konnte. Dieses Radical, für welches auf den folgenden Seiten zuweilen
das Zeichen „Kd" gebraucht werden wird, wurde dann später vouKolbe^
als einwerthiger Dimethylarsenrest (CH3)2As — erkannt (s. S. 269).
Kakodyloxyd Kd^O (Dimethylarsenoxyd: {CH3)2As--0 —
As(CH3)2) ist der Hauptbestandtheil jener schweren öligen Flüssigkeit
Cai>et's, welche man neben einer wässrigen Schicht durch Destillation
gleicher Theile von arseniger Säure und Kaliumacetat erhält und welche
den Ausgangspunkt zur Bereitung der Kakodylverbindungen bildet. Seine
Entstehung wird durch die Gleichung:
AflaOg + 4CH3.CO,K = A8aO(CH8)4 + 2K2CO3 + 200,
erläutert. Jene Flüssigkeit enthält auch etwas freies Kakodyl (Kdg);
destillirt man sie mit eoncentrirter Salzsäure und Quecksilberchlorid, so
erhält man reines Kakodylchlorid KdCl, welches nun durch Destillation
mit Kali das reine Kakodyloxyd liefert^. Kakodyloxyd ist eine farblose,
schwere, in Wasser unlösUche Flüssigkeit, welche gegen 150^ unzersetzt
siedet, etwas unterhalb — 23^ krystallinisch erstarrt und bei 15^ das
specifische Gewicht 1-462 besitzt. Es riecht betäubend und furchtbar
widerlich ; das Einathmen erzeugt starke Uebelkeiten und auf der Nasen-
» Ann. 24, 271; 81, 175; 87, 1; 42, 14; 46, 1. » Ann. 76, 30.
* Bajcyer, Ann. 107, 282.
268 Kakodylverbindtmgen,
schleimhant einen unerträglichen Geiz. Es bat grosse Verwandtscluil^
zum Sauerstoff, erhitzt sich, mit diesem Gase in Berührung, momentan
bis zur Entzündung und reducirt Quecksilberoxyd und Silberoxyd; an
der Luft raucht es nicht und entzündet sich nicht von selbst. Es be-
sitzt neutrale Geaction, verhält sich aber wie etn basisches Metalloxril.
welches sich mit Säuren zu Salzen umsetzt, z. B.:
Kd,0 + 2HC1 = 2KdCl -H H,0.
LS Kakodylchlorid KdCl (Dimethylarsenchlorid: (CHg^AsCI).
nach letzterer Beaction entsteht, riecht noch viel durchdringender
ft noch viel unangenehmere physiologische Wirkungen hervor. E*
[falls farblos, flüssig, in Wasser unlöslich, erstart nicht bei — ih".
uuzersetzt etwas Ober 100* und verbrennt — an der Lufi erhitzt
fahler Flamme. Im Chlorgas entzUndet es sich von selbst. Mit
hloriden bildet es Doppelsalze, wie z. B. 2KdCl.PtCl^.
.kodylcyanid KdCy kiystallisirt in grossen Priamen, Bchmilzt bei 33",
ii etwa 140° uDzersetzt, ist in Waaser wenig löeliclt und besitzt beispiellw
igenBcIiaften. — Kakodylaulfid Kd,S: wasserhelles Ool von höchst widrigem
das bei —40" nocb nicht erstarrt. — Kakodyldisulfid Kd,S,: fcrblow.
he, bei 50" schmelzende Tafeln.
ikodylsäure KdO(OH) (Dimethylarsinsäure: (C^),A8<^ )
t aus dem Kakodyloxyd durch langsame Oxydation an der Lnl)
roh Oxydation mit Quecksilberoxyd unt«r beträchtlicher Wärtneeot-
ng , auch durch Oxydation des freien Eakodyb und anderer
Iv er bin düngen. Sie stellt eine zerfliessliche , krystallinische, ge-
i Substanz dar, ist sehr beständig, löst sich leicht in Wasser zu
auer reagirenden Flüssigkeit und wirkt giftig*. Ihre Salze, wie
[dO-OAg, sind in Wasser meist löslich. Von einer Reihe von
ionsmitteln, wie z. B. phosphoriger Säiu-e und Zinnchlorür, wird die
Isäure zu Kakodyloxyd, von Schwefelwasserstoff zu Kakodylsiilfid
;, Bei der Einwirkung von Phosphorpen tachlorid wird ausser
droxylgmppe auch das doppelt gebundene Sauerstoffatom durcli
r setzt:
(CHAÄ6< + 2PCIi = (CHAAsCl, + 2P0CI, + HCl.
\0H
IS Kakodyltri Chlorid» KdClj (Dimethylarsentrichlorid),
in dieser Reaction wie auch durch directe Vereinigung aus dem
lorid und Chlor:
(CH,),AsCl + CI, - (CH,),ABCi,
;, krystallisirt in durchsichtigen Säulen und zerfällt schon hei
" in Chlormetbyl und Monomethylarsendichlorid:
(CH,),AbC1, = 0H,C1 + (CHjlAaCl,.
,EBAUN u. SiJrOLTz, Ber. 12, 22. ' Baei-eb, Ann. 107, 26S.
Kakodylverbindungen. 269
A8(CH3),;C1
+ Zn
As(CHg)jCl
Es verhält sich wie ein wahres Säurechlorid, denn mit Wasser regenerirt
es sofort unter Salzsäureabspaltung die Kakodylsäure.
Das freie Kakodyl — das allen diesen Verbindungen gemeinsame
Badical, mit seinesgleichen zu einem Doppelmolecül vereinigt, — lässt sich
aus manchen derselben abscheiden, indem man durch Einwirkung von
Metallen den damit verbundenen Bestandtheil fixirt; so entsteht es aus
dem Kakodylsulfid und dem Kakodylbromid durch Erhitzen mit Queck-
silber; zu seiner Darstellung eignet sich am besten die Einwirkung von
Zink auf das Kakodylchlorid (bei 90 — 100^. Im Momente der Ab-
scheidung vereinigt sich der einwerthige Rest (CH3)2As — mit einem
gleichartigen:
AsCCHa^
= ZnCla + I
AsCCHj),;
denn der Dampfdichte-Bestimmung zufolge hat die entstehende Verbin-
dung die Moleculargrösse As^C^Hjg und kann demnach als Bis-dimethyl-
arsen bezeichnet werden. Sie stellt ein wasserhelles , dünnflüssiges,
stark lichtbfechendes Liquidum dar, ist selbstentzündlich, siedet bei etwa
170^ und erstarrt bei — 6^ zu grossen Krystallen. Durch Einwirkung
von Jodmethyl ensteht einerseits Kakodyljodid, andererseits Tetramethyl-
arsoniumjodid (identisch mit dem Reactionsprodukt aus Jodmethyl und
Arsennatrium, s. S. 270 — 271):
(CH8),A8.A8(CH8)8 + 2CH3J = (CH3)4A8J + JAsCCHg),;
die Bildung des Tetramethylarsoniumjodids in dieser Reaction beweist,
dass der Kakodylrest AsC^Hg ausschliesslich Methylgruppen enthält und
demnach als Dimethylarsen aufzufassen ist. Aus dem freien Kakodyl
bildet sich bei langsamem Luftzutritt wieder das Kakodyloxyd, durch
Auflösen von Schwefel das Kakodylsulfid, durch Einwirkung von Chlor-
wasser das Kakodylchlorid:
Kd, + O = Kd,0
Kd, -h S = KdjS
Kd, + Clj = 2KdCl.
Die wunderbare Analogie, welche die Verbindungen dieses com-
plexen Badicals bezüglich ihrer Zusammensetzung mit den Verbindungen
anorganischer Elemente zeigen, wie sie z.B. aus der Zusammenstellung:
Hj Wasserstoff Kd^ Kakodyl
H,0 Wasserstoffoxyd KdgO Kakodyloxyd
HCl Chlorwasserstoff KdCl Kakodylchlorid
erhellt, finden wir heute an unzähligen, leichter zugänglichen Verbin-
dongsgruppen wieder. Aber die merkwürdige Leichtigkeit, mit der dieses
Radical aus seinen Verbindungen sich abscheiden und — einmal ab-
geschieden — wieder durch einfache Reactionen, gerade wie ein anorga-
nisches Element, in jene Verbindungen sich zurückführen lässt, werden
es begreiflich machen, wie sehr die Aufdeckung dieser einfachen Ver-
270 Monoalkylverhindungen des Arsens.
hältnisse durch Bdnsek's denkwürdige Untersuchung seinerzeit daiu
beitragen musste, eine einheitliche Auffassung der anorganischen na<l
organischen Verbindungen herbeizuführen.
Die dem Kakodyl entsprechende Aethylverbindnng', da» Bis-
diäthjUraen (CiH,)jÄa ■ Ab(C,H5), entsteht neben anderen AethyMerivatcn des
Arsens bei der Einwirkung von Jodäthyl auf Asennatrium; es siedet bei 185— ISti'
und liefert durch Oxydation die Difithylarsinsäurc (Aethylkakodylsfiure.
(C,HAA80(0H).
'tonoalkylderlrate. Ihre Eenntniss verdankt man in erster Reibe
SB, welcher die Monomethylreihe des Arsens eingehend untersuchi«-.
ler Eakodylreihe gelangt man zu den Monomethylderivaten durch
hon früher (S. 268) erwähnte Zersetzung des Kakodyltrichlorids in
nethyl und Monomethylarsendichlorid :
(ClPAAsCl, = CH,C1 + CH.-AsCI,.
)ie analoge Aethyherbindnng ist durch Wechselwirkung zwischen
chlorür und Quecksüheräthyl:
AsCl, + Hg(C,H,), = Aä{C,Hs)a, + HgCKC,H,)
en*. — Methylarsinsäure CH3-AsO(OH)j entsteht aus arsenigsaureui
1 durch Einwirkung von Jodmethj'l^r
NajAsO, + CHsJ = NaJ + CH, - ABO(ONa),.
[ethylareendichlorid* CHj-AbCI,: Siedepunkt 133°; es Tei«intgt sich mir
bei niederen Temperaturen zu dem krystalliairten Methylaraentetraphlorid
sC\f, welches aber achon unter 0° nach der Gleichung:
(CHjlAsCl, = CH.Cl + AsCl,
Das Dichlorid zersetzt sich nicht mit Wasser, durch Behandlung mit Kn-
■bonat aber liefert es das Methylarsenoxyd (CH,)AsO (farblose KryBtalle.
iser löslich, nicht unzersetat flüchtig, SchmelzpuDkt 95"). Daa Methylarsen-
(CHjlAsS (kry stall iniach, urlöslich In Wasaer, Schmelzpunkt 110°) entstellt
n Dichlorid durch Einwirkung von Schwefelwasseratoff. MethylarainsSur«
sO(OH), kryaUllisirt aus Alkohol in grossen Blattern und ISst sich leicht in
■ zu einer stark sauren Flüssigkeit; von eoncontrirter Jodwasserstofbfiure wirf
«ethylarsentetrajodid (CH^UsJ, übergeführt.
.ethylarsendichlorid C,H,-AsCl, siedet bei 156", besitzt nur achwachen Ge-
übt aber sehr heftige physiologische Wirkungen aus; durch Oxydation niii
rs-fture entsteht daraus die Aethylarsinsäure C,Hs- AsO(OH),.
'rl- und TetraalkylderlTRte". Die tertiären Arsine können
; den tertiären Phosphinen durch Wechselwirkung zwischen Arsen-
r und Zinkalkylen gewonnen werden:
aAsCl, + 3Zn(C,H,) = 3ZnCl, + 2As(C,H.),.
fitstehen femer bei der Einwirkung von Jodalkylen auf Arsen-
Lakdoi.t, Ann. 89, 319; 92, 365. * La Coste, Ann. 206, 33.
G. Mt:vEH, Ber. 16, U40. — Klikueh u. Kredtz, Ann. 249, 147.
Baever, Ann. 107. 272.
Lanoolt, Ann. 89, 301; 92. 370. — CAuorRs n. Elcbe, Ann. 92, 361. -
1», Ann. 132, 192; Compt. rend. 76, 753. — A. W. Hofmass, Ann. 10», 357.
7H- und Tetraalkylverlnndungen des Arsens. 271
natrium (neben Dialkyl- und Tetraalkylverbindungen). Erhitzt man ge-
pulvertes Arsen oder Arsenzink mit Jodalkylen, so erhält man die qua-
ternären Arsoniumjodide, wie z. B. {C2Hß)4AsJ, in Form von kry-
stallisirten Doppelverbindungen mit Arsentrijodid bezw. Zinkjodid; durch
Digestion mit Kalilauge wird das quaternäre Jodid aus diesen Doppel-
verbindungen in Freiheit gesetzt. Aus den quatemären Arsonium-
jodiden kann man die tertiären Arsine durch Destillation über festem
Kalihydrat gewinnen und umgekehrt die tertiären Arsine durch Addition
von Jodalkylen:
(CH,),Aß + CH»J = (CH,)4A3J
in quaternäre Verbindungen überfuhren.
Die tertiären Arsine unterscheiden sich von den tertiären Aminen
und Phosphinen, wie schon früher (S. 266) bemerkt, durch das Fehlen der
basischen Eigenschaften; den Phosphinen gleichen sie durch ihre Ver-
bindungsfähigkeit; schon an der Luft gehen sie unter Sauerstoffaufnahme
in Arsinoxyde, wie (C2Hg)gAsO, über; mit Schwefel vereinigen sie sich
zu den schön krystallisirenden Arsinsulfiden, wie (CH3)3AsS.
Triäthylarsin (CaH5)3A8: farblose, unangenehm, riechende, in Wasser unlös-
liche Flüssigkeit vom specifischen Gewicht 1-151 bei 17^ welche an der Luft raucht,
ohne sich aber zu entzünden. — Triäthylarsinsulfid (GsH5)sAsS: säulenfSrmige
Krystalle, in warmem Wasser löslich, geruchlos, Schmelzpunkt etwas über 100^.
Die quaternären Arsoniumjodide sind farblose, wasserlösliche,
gut krystallisirbare, den Alkalijodiden ähnliche Verbindungen; mit Jod
vereinigen sie sich zu braunen krystallisirten Trijodiden, wie {CH3)4AsJ. Jg
(vgl. S. 245); diese Trijodide zersetzen sich beim Erhitzen in Dialkyl-
arsenjodide und Jodalkyl:
(CH8)4AsJ8 = (CH8),AsJ -h 2CH,J.
Aus den Arsoniumjodiden erhält man durch Umsetzung mit Silbersalzen
die entsprechenden Chloride, Sulfate etc. — alles salzartige, lösliche
Verbindungen, den entsprechenden Stickstoffverbindungen durchaus ähn-
lich. Silberoxyd erzeugt aus den Lösungen der Jodide die stark alkali-
schen Lösungen der Arsoniumhydroxyde, wie (CgHJ^As-OH.
Von den quatemären Arsoniumsalzen ausgehend, kann man durch einfache
Keactionen einen der Alkylreste nach dem anderen von dem Arsenatom abspalten^:
(CHs)4AsCl > (CH3)3As
-«- '
(CHjlsAsCl, >- (CHs^jAsCl
-<—
(CH3)jAsCl8 >- (CH8)AsCl,
-*— — '
(CH8)AsCl4 >- AsClj.
Die von dreiwerthigem Arsen sich ableitende (rechts geschriebene) Verbindung geht
durch Aufnahme von zwei Atomen Chlor stets in die von fünfwerthigem Arsen sich
^ Baeter, Ann. 107, 276.
272 Alkylverhindungen des Antimons.
ableitende (links geschriebene) über, letztere wiederum in der Wärme durch Ab-
spaltung von einem Molecül Chlormethyl (vgl. S. 270) in eine Alkjlverbindung des
dreiwerthigen Arsens, bis man endlich zu dem Arsen trichlorid gelangt, dem die
Fähigkeit durch weitere Aufnahme von Chlor in ein Peutachlorid sich zu verwandeln
nicht mehr zukommt (Die experimentelle Durchfiihrung obiger Beactionen zeigt
indess bislang noch eine Lücke; die Verwandlung des Trimethylarsens durch sein
Chlorid in das Dimethylarsenchlorid [Rakodjlchlorid] ist noch nicht ausgeführt.)
Die Angabe von Cahoubs^ über die Existenz eines Pentamethyl-
arsens As(CH3)g dürfte kaum aufrecht zu erhalten sein.
3. Verbindungen des Antimons ^
Die Tri- und Tetraalkylverbindungen sind ausführlich untersucht worden. Die
tertiären Stibine erhält man aus Antimontrichlorid und Zinkalkylen (2SbCl, +
aZnCCjHß), = 2Sb(CjHB)3 + SZnClj), ferner durch Einwirkung von Jodalkjlen auf
Antimonkalium oder Antimonnatrium. Trimethylstibin (CH3),Sb siedet bei 81^
und besitzt bei 15^ das spec. Grew. 1*523*, Triäthylstibin (C,Hg)8Sb siedet bei
159^ und besitzt bei 16^ das spec. Gew. 1*324. Es sind zwiebelartig riechende,
in Wasser kaum lösliche Flüssigkeiten, welche sich an der Luft von selbst entzünden.
Sie besitzen eine ausserordentliche, an das Verhalten stark elektropositiver Metalle
erinnernde Verbindungsfähigkeit; mit den elektronegativen Elementen vereinigen sie
sich zum Theil unter Feuererscheinung; mit Chlor und Schwefel treten sie z. B. zn
Verbindungen, wie (CH,)3SbCls und (CH,)BSbS, zusammen, welche den Salzen eines
zweiwerthigen Metalls vergleichbar sind. Der metallische Charakter der tertiären
Stibine geht so weit, dass sie aus rauchender Salzsäure Wasserstoff entwickeln, um
in die eben erwähnten salzartigen Chlorverbindungen überzugehen:
Sb(CjHß)3 + 2 HCl = Sb(C,H5)3Cl. + H,.
Die wässrige Lösung der Sulfide föUt, wie die Lösung eines Alkalisulfids, die Metall-
salze; man kann sie daher zweckmässig zur Darstellung der anderen Salze benutzen;
so entstehen z. B. durch Umsetzung mit Kupfersulfat die Sulfate:
Sb(C,H5),S + CuSO^ = CuS + Sb(C,H3)8S04;
aus den Sulfaten kann man durch Baryt die die Basis dieser Salze darstellenden
Stibinoxyde, wie (CsH5)sSbO, in Freiheit setzen, welche auch durch langsame
Oxydation der Stibine an der Luft entstehen. Es sind dies in Wasser lösliche Sub-
stanzen, welche Säuren neutralisiren und Metalloxyde fällen.
Die quaternären Stiboniumjodide, wie (C2H5)4SbJ, entstehen durch Ad-
dition der Jodalkyle zu den tertiären Stibinen und können in derselben Weise, wie
die Ammonium-, Phosphonium-, Arsoniumjodide in andere Stiboniumsalze und in die
alkaliähnlichen Stiboniumhydroxyde, wie (C2H5)4Sb(0H) , verwandelt werden. Die
Analogie dieser Körper mit den entsprechenden Verbindungen des Stickstofis, Phos-
phors und Arsens ist so vollständig, dass eine nähere Charakteristik unnütz erscheint
Die Existenz der von Buckton beschriebenen Pentaalkylverbindungen
muss als durchaus zweifelhaft bezeichnet werden.
^ Ann. 122, 388.
* C. Löwio u. Schweitzer, Ann. 75, 315. — Landolt, Ann. 78, 91; 84, 44;
J. pr. 84, 328. — C. Löwig, Ann. 88, 323. — Cramer, Jb. 1865, 590. — Berl^
Ann. 97, 816. — R. Löwio, Ann. 07, 322. — Merck, Ann. 07, 329. — S. Fried-
LÄNDER, J. pr. 70, 449. — Bückton, Jb. 1860, 371. — A. W. Hofmann, Ann. 103,
357. — Strecker, Ann. 105, 306.
Älktßverbindungeii des Wisniuths. 273
4. Alkylyerblndungen des Wismuths^
Das Wismuth weist bezüglich des Verhaltens seiner Alkylverbin-
dungen von den übrigen Elementen der Stickstofifgruppe nicht unerheb-
liche Unterschiede auf. Die Alkylreste haften am Wismuthatom
weit weniger fest, als z. B. am Phosphoratom; schon durch wenig
energische Agentien werden sie losgerissen; so entwickelt das Wismuth-
trimethyl mit concentrirter Salzsäure Methan:
BKCHj), + 3HC1 = BiCIs + 3CH4,
und aus dem Wismuthtriäthyl wird schon durch Kochen der alkoholi-
schen Losung mit Schwefel unter Abspaltung der Aethylgruppen Schwefel-
wismuth gebildet, während doch die analogen Verbindungen des Phos-
phors, Arsens und Antimons Schwefel unter Bildung der Sulfide, wie
(CjH5)3PS etc., fixiren. In diesem Verhalten, wie auch in anderen Re-
actionen, zeigt es sich, dass das mit drei Alkylresten beladene
Wismuthatom keine Neigung besitzt, in den Zustand der Fünf-
werthigkeit überzugehen. In der That fehlt den tertiären Bis-
muthinen auch die all den anderen bisher besprochenen Verbindungen
von analoger Zusammensetzung gemeinsame Fähigkeit, die Jodalkyle
zu addiren. Tetraalkylverbindungen des Wismuths vom Typus
der Tetralkylammoniumverbindungen existiren nicht.
Die Trialkjlbismathine entatehen durch Emwirkung von Jodalkylen auf
Wismutbkalium oder besser durch Umsetzung zwischen Zinkalkylen und Wismuth-
bromid :
2BiBra + 3Zn(C,Ha), = 2Bi(CjH5)g + SZnBr,.
Unter ihnen ist das Wismuth trimethyl Bi(CH8)8 am beständigsten; es ist eine
leicht bewegliche, in Wasser nicht lösliche Flüssigkeit von sehr unangenehmem Ge-
racfa, welche an der Luft raucht ohne sich indess zu entzünden, im indifferenten Gas-
strom bei 110^ siedet, beim Erhitzen an der Luft aber heftig explodirt und bei 18^
das spec. Gew. 2-30 besitzt Das Wismuthtriäthyl Bi(C,H6)a (spec. Gew. 1-82)
zersetzt sich, auf 150^ erhitzt, unter starker Detonation und kann daher nur im
Inftyerdünnten Raum destillirt werden; es siedet unter 79 mm Druck bei 107^; es
entzündet sich an der Luft von selbst. Die homologen Verbindungen entflammen
gleichfalls an der Luft; sie können selbst im luftverdünnten Raum nur unter partieller
Zersetzung destillirt werden.
Durch Einwirkung Ton Chlor oder Brom auf die tertiären Bismuthine entstehen
Dialkylwismuthchloride bezw. -bromide:
(CHjlsBi + Gl, = (CH3),BiCl + CHjCl;
es sind dies feste, zum Theil krystallisirbare Verbindungen, welche sich an der Luft
leicht entzünden. Mit Chlorwismuth und Bromwismuth setzen sich die tertiären
Bismuthine in die an der Luft beständigen Monoalkyldichloride bezw. -bro-
mide am:
(C,H5)8Bi + 2BiBr9 = aCjHsBiBr,.
* Breed, Ann. 82, 106. — Dünhaupt, Ann. 02, 371. — Marqüardt, Bor. 20,
J516; 21, 2035.
V. MsrsR Q. Jacobson, org. Chem. I. 18
274 Älkylverbindungen des Bors,
Die entsprechenden Dijodide erhält man durch Erhitzen der Bismuthine mit Jod-
alkylen:
(CHjlaBi + 2CH3J = CHjBiJ, + 2C8He-
Die diesen Halogenderiyaten entsprechenden SauerstofFverbindungen werden
durch Zersetzung ihrer Bromzink-Doppelverbindungen mit Natronlauge gewonnen.
Dimethylwismuthhydroxyd (CHa)2Bi(0H) und Monomethylwismuthoxyd
(CHs)BiO sind weisse Pulver ^ die sich mit grösster Leichtigkeit an der Luft
entzünden.
5. Alkylyerbindungen des Bors^
Trialkylborine entstehen durch Einwirkung von Zinkalkylen auf BorsSure-
trialkylester (vgl. S. 210) oder auf Bortrichlorid, z. B.:
2B(O.C,H5)3 + eZnCCHs), = 2B(CH8), + 6Zn< ;
XJHs
2BC1, + SZnCCjHj), = 2B(C,H6), + aZnCl».
Bormethjl B(CH9), ist ein farbloses Gas von unerträglich stechendem Geruch, das
sich bei +10® unter drei Atmosphären condensirt; an der Luft entzündet es sich nnd
verbrennt mit glänzend grüner Flamme. Boräthjl B(C,H5)s siedet bei 95®, besitzt
bei 23® das spec. Gew. 0-696 und ist ebenfalls selbstentzündlich; concentrirte Salz-
säure zersetzt es langsam unter Entwickelung von Aethan.
Es sind ferner die Verbindungen: B(C,H5)j(0 • CgHs) (Siedepunkt 102 ®i,
B(C,H5),(0H), B(C,H,)(0.C,H5)(0H), B(C,H,)(0 • C,H,), und B(C,H,)(0H)8 Oeicht
sublimirbar) bekannt.
6. Terbindungen der Alkylradicale mit den Elementen der
Silielumgruppe.
Ä. Verbindungen des Siliciums*.
Das Silicium besitzt dieselbe Werthigkeit wie der Kohlenstoff; es
gehört zu derselben Gruppe des periodischen Systems und steht dem
Kohlenstoff in dieser Gruppe am nächsten. Unter allen Elementen ist
es dasjenige, welches die grösste Äehnlichkeit mit dem Kohlenstoff be-
sitzt. In seinen Verbindungen mit den organischen Radicalen geben sich
diese nahen Beziehungen der beiden Elemente besonders deutlich zu er-
kennen; aus der Vereinigung von Silicium- mit Kohlenstoff- Atomen gehen
Verbindungen hervor, welche denjenigen der Kohlenstoffatome unter
einander in mancher Beziehung ähnlich sind. Das Siliciumtetraäthyl
z. B., Si(C2Hg)^, entspricht in seiner Constitution einem Kohlenwasser-
stoff C(C2Hg)^ aus der neunten Eeihe der Grenzkohlenwasserstoffe; und
diese Analogie tritt nicht ganz allein beim Anblick der Formeln hervor,
sondern sie erstreckt sich bis zu einem gewissen Grade auf das Ver-
halten der Verbindungen. In dem Molecül jenes „Silicononans" und
anderer Alkylsiliciumverbindungen haftet das Siliciumatom an den Kohlen-
* Frankland, Ann. 124, 129; Jb. 1876, 468.
' Friedel u. Grafts, Ann. 127, 31; 136, 203; 138, 19. — Feiedel u. Laden-
BÜRO, Ann. 147, 363; 150, 259; 203, 242. — Ladenbcro, Ann. 164, 300; 173, 143.
Vergleichbarkeit von Süiciurn" und Kohlenstoff -Verhindimgen, 275
Stoffatomen mit ähnlicher Festigkeit, wie die Eohlenstoffatome einer
Eohlenstoffkette an einander; zu seiner Abtrennung bedarf es der kräf-
tigsten Oxydationswirkungen. Das Siliconan lässt sich wie ein Paraffin
chloriren und in eine dem Nonylchlorid CgH^gCi entsprechende Verbin-
dung SiCgHigCi tiberflihren. Letztere ist ein wahres Alkylchlorid; sie
tauscht bei der Einwirkung von essigsaurem Eali ihr Ghloratom gegen
die Gruppe — O-CO-CHj aus, und es entsteht der Essigester eines Grenz-
alkohols der neunten Reihe SiC3Hig(0-CO-CH3), welcher aber in seinem
Molecül an Stelle eines Eohlenstoffatoms ein Siliciumatom enthält. Durch
Verseifung des Esters erhält man diesen Silicononylalkohol SiC8Hjg(0H)
selbst, eine Verbindung, welche in der That durch ihr Verhalten an die
Alkohole erinnert.
WöHLBB hat zuerst die Vergleichbarkeit von Siliciumverbindungen
und Eohlenstoffverbindungen betont und auf die Möglichkeit hingewiesen,
dass „ähnlich, wie es beim Eohlenstoff der Fall ist, eine besondere
Chemie des Siliciums in Aussicht stehen^' könnte^. Das Verdienst, ein
grösseres Vergleichungsmaterial herbeigeschafft zu haben, gebührt vor
Allem Fbiedel und Ladenbubg. Ihre mühevollen Untersuchungen haben
wohl erkennen lassen, dass in den Molecülen der Eohlenstoffverbindungen
Eohlenstoffatome durch Siliciumatome ersetzt werden können, ohne dass
dadurch eine wesentliche Veränderung im Charakter der Verbindungen
einträte. Andererseits aber treten doch so viele durchgreifende Ver-
schiedenheiten in den Verbindungen der beiden Elemente hervor, dass
man von einer weitgehenden Analogie nicht sprechen kann. (So ist z. B.
die in ihrer Zusammensetzung der Oxalsäure CgH^O^ entsprechende
Siliciomverbindung, die Siliciumoxalsäure SijHjO^, eine amorphe, in
Wasser unlösliche Substanz, welche selbst durch die schwächsten Basen
unter Wasserstoffentwickelung zerlegt wird; vgl. auch Silicopropion-
säure, S. 277).
Bildungsweisen. Den Ausgangspunkt zur Gewinnung der Silicium-
alkylverbindungen bildet die Einwirkung der Zinkalkyle theils auf die
Halogenverbindungen des Siliciums, theils auf die Eieselsäureester. Erstere
Reaction besteht in einem Austausch der Chloratome gegen Alkylreste:
SiCU + 2Zn(CjH,), = Si(C,H5), -f 2ZnCl2;
2SiHCl3 + aZnlCally),» = 2SiH(C8H7)3 + SZnCl,;
/SiCl» /Si(C,H,)3
0< + SZnfCjHg)^ = 0< + SZnClg;
\SiCl3 N>i(C,H,),
I + BZiKCaHft), = I + 3ZnJ,;
SiJ, SiCCHs),
doch verlaufen diese Processe in der Eegel keineswegs ganz normal;
so entsteht z. B. aus Siliciumchloroform und Zinkpropyl (2. Gleichung)
* Ann. 127, 268.
18
276 AUcylverbindungen des Süiciu/ms,
nicht nur Siliciumtripropyl, sondern in erheblicher Menge auch Silicium-
tetrapropyL — Die Reaction zwischen den Eieselsäureestern und Zink-
alkylen wird durch Zusatz von Natrium erleichtert; sie besteht in einem
Austausch der Oxalkylgnippen (0-CjHg) des Esters gegen die Alkylreste
der Zinkverbindung; aus Kieselsäureätiiylester Si(0-C2Hß)^ (vgl, S. 210)
und Zinkäthyl entstehen so successive die Verbindungen:
(O.CA), \0'C,B,),
(Cä)e
Si=(CA)4;
OCH
daneben bildet sich aber durch weitergehende Beduction auch Silicium-
triäthylwasserstofif SiH(C2H5)3.
Methyl Verbindungen:
Siliciumtetramethyl SiCCHg)* siedet bei 30—31^ — Orthosilicoessigfither
OH, >Si(0 '02115)8 (aus Kieselsäurefithylester und Zinkmethyl) ist eine in Wasser un-
lösliche Flüssigkeit, welche bei 146—151^ siedet und bei 0° das spec. Gew. 0*928 zeigt.
Aethyl Verbindungen:
Siliciumtetraftthyl (Silicononan) SiCCjHs)^ (aus SiCl4 und ZnCOjHs),): farb-
lose, in Wasser unlösliche Flüssigkeit, welche bei 151—153^ siedet und bei 0^ das
spec. Gew. 0*834 besitzt; es wird weder von rauchender Salpetersäure, noch von
rauchender Schwefelsäure in der Kälte* angegri£fen. Das durch Ohlorirung daraus
entstehende Silicononylchlorid Si(0aH5)3(09H401) ist nicht frei von höheren Ohlor-
derivaten erhalten worden; der Silicononylessigester Si(C,H5)8(C,H4*0*CO*CH5)
ist eine farblose Flüssigkeit von schwach ätherartigem Geruch, welche zwischen 208
und 214^ siedet, der Silicononylalkohol Si(C2Hß)8(C2H4 • OH) eine campherartig
riechende Flüssigkeit, die in Wasser unlöslich ist, gegen 190^ siedet und mit Natrium
Wasserstoff entwickelt (Entstehung dieser Verbindungen s. S. 275.)
Hexaäthylsilicium (C8H6)8Si— Si(02H5)8 : farbloses Oel vom Siedepunkt
250—253^, welches aus Siliciumhezajodür und Zinkäthyl erhalten wird.
Triäthylsiliciumwasserstoff (Silicoheptan) (C2H5)8SiH: farblose, ander
Luft beständige Flüssigkeit von petroleumähnlichem Geruch; Siedepunkt 107®, spec
Gew. bei 0® 0*751; da ein Wasserstoffatom direct an Silicium gebunden ist, ist die
Verbindung nicht so indifferent wie das Silicononan; von rauchender Salpetersäure
wird sie mit explosionsartiger Heftigkeit zersetzt — Derivate des Triäthyl-
silicols oder Silicoheptylalkohols (CsH6)3Si(OH) : Der Aethyläther
(C2H5)3Si(0 * OjHß) entsteht aus Kieselsäureäthylester und Zinkäthyl und stellt eine
farblose', bei 153® siedende Flüssigkeit dar (spec. Gew. bei 0® 0-840). Durch Ein-
wirkung von Acetylchlorid bildet sich daraus nach der Gleichung:
(C2H5)8Si.OC2H5 + OlOO.OHg = (C2H8)8Si01 + OjHs.O.CO.CH,
das Ohlorid (C2H5)8Si01 — eine farblose, an der Luft rauchende Flüssigkeit vom
Siedepunkte 143*5® und dem spec. Gew. 0*925 (bei 0®). Das Bromid (02Ha),SiBr
entsteht direct durch Bromirung des TriäthylsiliciumwasserstofiGs und siedet bei 161®.
Aus dem Ohlorid erhält man durch Zersetzung mit wässrigem Ammoniak den
Silicoheptylalkohol Si(02H5)3(OH) selbst — eine farblose, zähe, in Wasser unlös-
liche Flüssigkeit von starkem Oamphergeruch, welche bei 154® siedet und bei 0® das
spec. Gew. 0*871 zeigt Er verhält sich ganz ähnlich einem wahren Alkohol; Acetyl-
chlorid wirkt heftig unter Salzsäureentwicklung auf ihn ein, Natrium entwickelt
Älkylverbindtmgen des Germaniunis» 277
WaBseiBtoff unter Bildung eines Natriumalkoliolats, Phosphoraftureanliydrid und con-
centrirte Schwefelsäure entziehen ihm Wasser und erzeugen den entsprechenden
Aether: das Silicoheptyloxyd (CjH5)8Si— 0— Si(CjH5)8. Letztere Verbindung ent-
steht auch aus Silicinmozychlorür (SisOCl«) und Zinkäthyl (s. Gleichung auf S. 275);
sie stellt eine fast geruchlose Flüssigkeit vom Siedepunkt 231^ und dem spec. Gew.
0-859 (bei 0") dar.
Diäthylsiliciumdiäthyläther (C,H6),8i(0 • CaHg),, aus Kieselsäureäthylester
and Zinkäthyl erhältlich, ist eine fiurblose, angenehm riechende Flüssigkeit, welche
bei 155 -8® siedet und bei 0° das spec. Gew. 0-875 besitzt. Sie wird durch Erwärmen
mit JodwasserstofiFsäure in das Diäthylsiliciumoxyd (CaHg)2SiO übergeführt — ein
zähflüssiger Syrup, welcher bei sehr hoher Temperatur 'unzersetzt siedet, bei —15®
nicht fest wird und in Wasser unlöslich ist.
Monoäthylsilicium- triäthyläther oder Orthosilicopropionsäure-
&thylester CsHb-SICO-CsHs), kann aus Kieselsäureäthylester und Zinkäthyl oder
aus Triäthylkieselsäurechlorid (SiCl(0 • CsH^),, s. S. 210) und Zinkäthyl erhalten werden;
er riecht angenehm nach Campher, siedet bei 158 '5® und besitzt bei 0® das spec.
Gew. 0-921. Der entsprechende Methylester CjHj-SiCO-CHg)^ (Siedepunkt 125
bis 126®; spec. Gew. bei 0® 0*975) entsteht aus Kieselsäuremethylester und Zinkäthyl.
Aus diesen Estern erhält man durch Einwirkung von Acetylchlorid (oder Benzoyl-
Chlorid):
C,H5-Si(0.C,H5)3 + SCHsOCl - CjHg-SiCls + SC^nfi^'C^U,
das Aethylsiliciumtrichlorid OsHg-SiCls, eine an der Luft stark rauchende
Flüssigkeit. Bei der Zersetzung mit Wasser liefert sie eine weisse, amorphe, in
Wasser unlösliche, in Kali lösliche, kieselsäureähnliche Substanz, welche die Zusam-
mensetzung der Silicopropionsäure C2H5 -810(011) besitzt, der aber in Anbetracht
ihrer Eigenschaften wohl zweifellos ein höheres Moleculargewicht zuzuschreiben ist.
Von der Kieselsäure unterscheidet sie sich durch ihre Verbrennlichkeit und Unlös-
lichkeit in Sodalösung.
Propylverbindungen sind von Pape^ beschrieben.
B. Verbindungen des (Germaniums*.
An die Alkylverbindungen des bekanntlich erst vor wenigen Jahren
entdeckten Germaniums knüpft sich ein besonderes Interesse, weil ihre
Existenz von Menbelejeff' schon vor der Entdeckung dieses Elemente
Forausgesagt wurde. Bei der Aufstellung seines periodischen Systems
machte er darauf aufmerksam, dass jene Elemente der grossen — je
1 7 Elemente umfassenden — Perioden, von denen schon damals Verbindungen
mit den Eohlenwasserstoffresten bekannt waren, sämmtlich den paaren
Beihen des Systems angehören, während von den (Jliedem der unpaaren
Seihen derartige Verbindungen nicht erhalten waren*. Auf diese Regel-
mässigkeit sich stützend, behauptete er, dass das damals noch unbekannte
Element der Siliciumgruppe vom ungefähren Atomgewicht 72, für welches
er unter der Bezeichnung „Ekasilicium" eine ausführliche Charakteristik
entwarf, ebenso wie das Silicium und Zinn flüchtige Alkylverbindungen
liefern würde, da es zu einer paaren Beihe gehört. Fünfzehn Jahre
darauf entdeckte Cl. Winkleb das Germanium und fand an demselben
> Ann. 222, 359. * J. pr. [2] 86, 204.
' Ann. Suppl. 8, 202. « Ebenda p. 152.
278 Älkylverhindungen des Zinns,
die Fähigkeit zur Bildung von Älkylverhindungen ehenso, wie alle anderen
von MENDELEJiEaPF dem Ekasilicium prognosticirten Eigenschaften auf.
Während es bislang noch nicht gelungen ist, eine Alkylverbindung des
derselben Gruppe, aber einer unpaaren Reihe angehörenden Titans,
welches in anderen Beziehungen mit dem Silicium so grosse Aehnlichkeit
zeigt, zu isoliren^ konnte das Germaniumäthyl Ge(G,Hg)^ durch
Wechselwirkung zwischen G^rmaniumchlorid und Zinkäthyl
GeCU + 2Zn(C5,H5), = GeCCgHg)^ + 2ZnCI,
erhalten werden. Es ist eine farblose, nicht selbstentztindliche Flüssig-
keit von lauchartigem Geruch. Auch seine physikalischen Constanten
bestätigen die Prognose Mendelejeff's. Es sollte bei 160^ sieden und
eine Dichte von ungefähr 0-96 besitzen. Sein Siedepunkt ist wirklich
zu 160^ gefunden worden; das specifische Gewicht ist nicht genau be-
stimmt, doch erkennt man an seinem Verhalten in Mischung mit Wasser,
dass es nur wenig leichter als Wasser ist.
C. Verbindungen des Zinns ^
Als vierwerthiges Element bildet das Zinn mit den Alkylresten Ver-
bindungen, deren Zusammensetzung ganz analog derjenigen des Sili-
ciums und Kohlenstoffs ist:
Sn(C,H,), Si(C,H,), C(C.H,),
Zinntetraäthyl, Siliciumtetraäthyl, Kohlenstofftetraäthyl.
Allein jene Aehnlichkeit der Eigenschaften, welche zwischen Silicium-
und Kohlenstoff -Verbindungen von gleichartiger Structur in mancher
Beziehung besteht, weisen die Alkylabkömmlinge des Zinns im Vergleich
mit den analog gebauten Verbindungen jener beiden zu derselben Gruppe
gehörigen Elemente nicht mehr auf. Die mehr metallische Natur des
Zinns äussert sich auch darin, dass die Bindung zwischen Zinnatomen
und Kohlenstoffatomen nur eine lockere ist. Siliciumalkylverbindungen
lassen sich [chloriren und bromiren wie Kohlenwasserstoffe; das ganze
die einwertlugen Wasserstoffatome tragende Atomgerüst hält der Ein-
wirkung der Halogene Stand. Derartige Eingriffe vertragen die Alkyl-
derivate des Zinns nicht; an der Stelle, wo Zinnatome mit Kohlenstoff-
atomen in Bindung stehen, erleiden sie Spaltung, und die Alkylgruppen
lösen sich nach einander vom Zinnatom ab:
Sn(C,H,)4 + J, = Sn(C,Hs),J + J-C^H«,
Sn(C,H5),J + J, = SnrC2H5)jJ5, + J-CjHs,
SnCCjHjljJa + 2 J, = SnJ* + 2J.CJH5.
* C AHOURS, Ann. 122, 63. — Schümann, Ber. 21, 1080. — Paternö u. Pebatones
Ber. 22. 467.
* Löwig, J. pr. 67, 385. — Fhankland, Ann. 85, 832 ; 111, 44. — Franxland u.
Lawrence, Joum. Soc. 86, ISO. — Bückton, Ann. 109, 225; 112, 223. — CABorBs
u. RiCHE, J. pr. 67, 149. — Cahoürs, Ann. 114, 244, 354; 122, 48. — Strecker,
Ann. 128, 365. — Kulmiz, Jb. 1860, 375. — Ladenburo, Ann. Sappl. 8, 68. —
Lettö u. Collie, Jb. 1886, 1600.
Alkylverbindungen des Zinns. 279
Selbst concentrirte Salzsäure bewirkt schon bei 80 — 90^ — wenn auch
langsam — eine Abtrennung der Alkylgruppen:
Sn(C2Hß)4 + HCl = Sn(CjH5)8Cl + HCjHj.
Es sei daran erinnert, dass auch bei den Elementen der Stickstoflfgruppe
mit wachsendem Atomgewicht sich eine ähnliche Abnahme in der Haft-
energie der Alkylgruppen zu erkennen gab; die Bindung der Alkyl-
gruppen an Stickstoff- und Phosphor-Atomen ist nur durch sehr heftige
Beactionen zu lösen, von den Arsenatomen lösen sich die Alkylreste
schon unter der Einwirkung des Chlors ab, bei den Wismuthverbindungen
führt selbst concentrirte Salzsäure schon die Trennung herbei.
Die grosse Mehrzahl der Alkylverbindungen des Zinns leitet sich
von vierwerthigem Zinn ab, enthält nur ein Atom Zinn im Molectil und
kann demnach auf den Typus des Zinntetrachlorids bezogen werden
Im Zinntriäthyl nimmt man ein sechs werthiges Doppelatom:
^n-Sne
an, da die Dampfdichtebestimmung einen der Molecularformel Sn2(C2Hg)g
entsprechenden Werth ergeben hat^. Endlich giebt es eine Verbindung
(Zinndiäthyl , s. S. 280), in welcher das Zinn zweiwerthig, wie im Zinn-
chlorür, zu fungiren scheint.
Bildungsweisen. Man erhält Alkylverbindungen des Zinns durch
Einwirkung von Alkyljodiden auf fein vertheiltes Zinn oder auf die
Legirungen des Zinns mit Natrium oder mit Zink. Aus Jodalkylen und
reinem Zinn entstehen vorwiegend Verbindungen, in denen an ein Zinn-
atom zwei Alkylreste und zwei Jodatome gekettet sind, wie Sn(C2Hg)2 Jg ;
dieselben Verbindungen erhält man bei Anwendung von Legirungen des
Zinns mit wenig Natrium. Arbeitet man aber mit natriumreicheren
Legirungen, so bilden sich hauptsächlich Tri- und Tetraalkylderivate, wie
(C3H5)3SnJ und (C2H5)^Sn. Die Zinntetraalkyle kann man auch vortheilhaft
durch Einwirkung von Zinkalkylen auf trockenes Zinnchlorür erhalten:
2SnCl8 + 4Zn(C,H5), = Sn + SnCCjHs)^ + iZnClCC^Hj);
sie entstehen auch aus obigen Jodverbindungen durch Austausch der
Jodatome gegen Alkylreste bei Behandlung mit Zinkalkylen; durch
letztere Reaction wird die Gewinnung von Verbindungen mit verschie-
denen Alkylresten ermöglicht, z. B.:
(C,H,)jSnJ, + ZnCCHs), = (CHjljSnCCHe)^ + ZriJ^.
Methyl Verbindungen:
Zinntetramethyl Sn(CH3)4 ist eine farblose, ätherartig riechende, in Wasser
nnloeliche Flüssigkeit, welche bei 78^ siedet und bei 0*^ das spec. Gew. 1'314
besitzt. — Zinntrimethyljodid SnCCHglaJ ist ebenfalls farblos und flüssig, riecht
stechend, siedet bei 170^ und besitzt bei 0^ das spec. Gew. 2*143. Kali erzeugt
daraus das Hydroxyd (CHglgSnCOH), eine mit Wasserdämpfen flüchtige, krystal-
* Wünschenswerth wäre freilich noch eine sicherere Begründung dieser Molecular-
formel durch Anstellung von Dampfdichtebestimmungen bei verschiedenen Tem-
peraturen oder etwa nach Beckmann's Siedemethode (vgl. S. 50—52).
280 Älkylverhindungen des Zinns,
linische Verbindung, welche etwas in Wasser, leichter in Alkohol löslich ist und
stark alkalische Reaction besitzt. Sie neutralisirt die Säuren unter Bildung Ton
meist leicht löslichen Salzen, wie [Sn(CH8)3]jS04. — Zinn dimethyl Jodid Sn(CH8)aJ,
bildet gelbe, schön ausgebildete, prismatische Krystalle, ist in warmem Wasser be-
trächtlich löslich, schmilzt bei 30^ und siedet bei 228 ^ Ammoniak scheidet daraus
das Oxyd (CH8)gSnO als einen weissen, amorphen, in Wasser unlöslichen Nieder-
schlag ab. Das Oxyd löst sich leicht in Säuren auf, und es entstehen krystallisir-
bare Salze, wie z. B. das Chlorid Sn(CH8),Cl, (Schmelzpunkt 90 ^ Siedepunkt 188
bis lOO'^) oder das Acetat Sn(CH8),(0 • CO • CHj), etc.
Aethyl Verbindungen:
Zinntetraäthyl Sn(C2HB)4 ist eine farblose Flüssigkeit von sehr schwachem
ätherartigen Geruch, welche bei —13^ noch nicht erstarrt, bei 181^ siedet und bei
23^ das spec. Gew. 1-187 besitzt.
Zinntriäthyl -Verbindungen. Das Jodid (C^HglgSnJ ist eine farblose, in
Wasser wenig lösliche Flüssigkeit von stechendem Geruch, welche bei 231^ siedet
und bei 22° das spec. Gew. 1-833 zeigt. Durch Zersetzung mit Aetzkali erhält
man daraus das Hydroxyd (C8H5)8Sn(OH), eine in glänzenden Prismen krystalli-
sirende Substanz, welche bei 44^ schmilzt, bei 272° unzersetzt siedet, mit Wasser-
dämpfen leicht flüchtig ist und sich in Wasser leicht zu einer stark alkalisch reagi-
renden Flüssigkeit löst Durch Neutralisation mit Säuren sind daraus die verschiedenen
Salze darstellbar: das Chlorid (C8H5)8SnCl (Oel von höchst durchdringendem Geruch,
das in der Kälte erstarrt), das Bromid (CsHs),SnBr (Siedepunkt 222—224°), das
Sulfat [Sn(C8H5)8lsS04 (schöne farblose Prismen, in kaltem Wasser wenig löslich) etc.
— Das freie Zinntriäthyl (CjHglg^Sn— Sn^(C8H8)8, das Radical dieser Ver-
bindungen, enthält man aus dem Jodür durch Einwirkung von Natrium:
(C8H,)8SnJ (CjHs^jSn
-f Na^ = 2NaJ-f |
(CjHs^jSnJ (CjH^lgSn
— ein Vorgang, welcher ganz ähnlich der Abscheidung des Kakodyls aus seinen Ver-
bindungen ist (s. S. 269). £s ist eine penetrant riechende Flüssigkeit, welche bei
etwa 270° siedet und bei 0° das spec. Gew. 1-412 besitzt; die Molec'ulargrösse
ist durch Bestimmung der Dampfdichte festgestellt. Schon die Einwirkung des Jods
löst die Bindung zwischen den beiden Zinnatomen:
(C,H,),=Sn-Sn:_(C,H8)8 + J, = 2(C,H5)8SnJ.
Zinndiäthyl-Verbindungen. Das Jodid (CgHg^gSnJ, krystallisirt in farb-
losen Prismen, ist geruchlos, in kaltem Wasser wenig, in heissem erheblich löslich,
schmilzt bei 44-5° und siedet bei 245°. Das Oxyd (CaH5)8SnO entsteht daraus durch
Zersetzung mit Ammoniak, stellt eine weisse amorphe Masse dar, ist in Wasser
unlöslich, löst sich aber leicht in Säuren unter Bildung krystallisirbarer Salze auf.
Das Chlorid (CjHg^aSnCIj bildet farblose Krystalle, siedet bei 220° und ist in
Wasser ziemlich löslich. — Taucht man in die Lösung eines Zinndiäthyl-Salzes Zink-
streifen, so scheidet sich ein dickes, schweres, gelbliches Oel ab; diese Substanz be-
sitzt die Zusammensetzung des freien Zinndiäthyls Sn(C8H5)s, doch ist ihre Mole-
culargrösse nicht bestimmt. Beim Erhitzen auf etwa 150° zersetzt sie sich in metalli-
sches Zinn und Zinntetraäthyl; an der Luft zieht sie rasch Sauerstoff an und verwandelt
sich in das Oxyd (CsHg^aSnO. Mit den Halogenen verbindet sie sich augenblicklich
unter Bildung der entsprechenden Salze (CjHß)jSnCl8, (CjHg^jSnBrj oder (CjHjljSnJ,.
Ueber Propyl-, Butyl- und Amyl-Verbindungen des Zinn's liegen
Untersuchungen von Cahour-s *, Cahours u. Demarcay * und Gbimm • vor.
* Compt. rend. 76, 135. — J. pr. [2] 8, 396.
» Compt. rend. 88, 1112; 89, 68. • Ann. 92, 384.
Metaüorganische Verbindungen. 281
Siebentes Kapitel.
Die Verbindungen der Alkylreste mit den Metallen.
(VerbinduDgen der Alkalimetalle, der Metalle aus der Magnesium- und
der Aluminiumgruppe und des Bleis.)
Auch eine grössere Zahl der Metalle vermag mit den Alkylresten
zn Verbindungen zusammenzutreten. Es ist bereits bemerkt worden
(S. 277), dass die Fähigkeit zur Bildung solcher „metallorganischer"
Verbindungen in einem gewissen Zusammenhang mit der Stellung der
Metalle im periodischen System steht.
Der Entdecker der „Organometalle" ist Feankland; ihm verdankt
man auch in erster Eeihe ihre eingehende Untersuchung, welcher sich
erhebliche Schwierigkeiten in der Selbsten tzündlichkeit einiger, in der
giftigen Wirkung anderer Verbindungen dieser Gruppe entgegenstellten.
Allein nicht nur für die Kenntniss dieser Gruppe bieten die Abhand-
lungen \ in denen Fbankland die Besultate seiner Forschungen mit-
theilte, ein Interesse. In ihnen ist zum ersten Mal der Gedanke voll-
kommen deutlich ausgesprochen, dass den einzelnen Elementen eine
bestimmte Sättigungscapacität zukommt. Der Grundsatz der heute gel-
tenden Valenzlehre war damit aufgestellt, und eine bedeutungsvolle Um-
wandlung der theoretisch chemischen Anschauungen eingeleitet.
Bei der Besprechung jener Verbindungen, welche die Elemente der
Stickstoff- und Siliciumgruppe mit den Alkylresten eingehen, zeigte es
sich bereits, dass diese Reste an den Atomen der dem metallischen Cha-
rakter zuneigenden Elemente (wie Wismuth und Zinn) weit weniger fest
haften, als an den Atomen der Elemente von ausgeprägt elektronegativer
Natur (vgl. S. 273 und 278), Es lässt sich hiemach schon voraussehen,
dass in den Alkylverbindungen der stark elektropositiven Metalle die
Bindung eine noch losere sein wird. Diese Erwartung wird durchaus
bestätigt; bei den Alkylabkömmlingen mancher Metalle, wie z. B. der
Zinkverbindungen, bewirkt schon die Einwirkung des Wassers eine Zer-
setzung unter Abspaltung des Kohlenwasserstoffrestes:
Andere, wie z. B. die Quecksilberverbindungen, sind zwar gegen Wasser noch
beständig, aber auch sie gehen mit der grossten Leichtigkeit Umsetzungen
ein, bei welchen sich der Kohlenwasserstoffrest von dem Metallatom trennt.
rHese Beweglichkeit der Alkylreste bedingt eine ausserordentliche Eeac-
tionsfahigkeit der metallorganischen Verbindungen; wir besitzen in ihnen i
die wirksamsten Vermittler zur Uebertragung von Kohlenwasserstoffresten.
*
* Ann. 85, 329; 96, 28.
282 Bedeutung der Organometalle für die Vaienxbestimmung.
Namentlich die Zinkalkyle leisten durch die Leichtigkeit, mit welcher nie
ihre Alkylreste in die Molecille der mit ihnen in Wechselwirkung ge-
brachten Verbindungen wandern lassen, für die Synthese organischer
Verbindungen die werthvollsten Dienste (vgl. z. B. S. 124, 126, 145 bis
147, 161).
Das3 solche Verbindungen, welche an ein Metallatom zugleich Alkyl-
reste und Hydroxylgruppen gekettet enthalten, wie z. B.
C,H,-Hg-OH,
au Basicität den Hydroxyden der betreffenden Metalle weit überlegen
sind und alkaliähnlichen Charakter zeigen, kann kaum mehr befremden:
geht doch selbst der durchaus elektronegative Schwefel durch eine entspre-
chende Befriedigung seiner Valenzen, wie] sie in den Sulfinhydroxyden
(CjH,),— S-OH
stattfindet, in eine Basis von der Stärke des Aetzkalis über.
Ein erhebliches Interesse bieten diejenigen Verbindungen, welche
durch ausschliessliche Sättigung der Valenzen eines Metallatoms mit ein-
werthigen Alkylresten zu Stande kommen, wie z. B. Hg{C,H5}j, auch in
theoretischer Beziehung. Da sie unter allen Verbindungen der Metalle
die flüchtigsten sind, ist bei ihnen die Moleculargewichtsbestimmung
durch DampfdJchtemessung schon bei verhältnissraässig niederen Tem-
peraturen ausführbar. Die DurchMhning dieser Bestimmung giebt nun
sofort ein Urtheil über die Valenz der betreffenden Metalle; denn diese
Verbindungen enthalten in ihrem Molecül neben dem Metallatom nur
die einwerthigen Alkylreste; und die Zahl der einwerthigen Grupi>en.
welche ein Elementaratom zu binden vermag, ist ja das Mass fflr die
Valenz desselben. Die Bedeutung der Organometalle für die Valenz-
bestimmung wird freilich in manchen Fällen durch den Umstand erheb-
lich beeinträchtigt, dass die Dämpfe dieser Verbindungen oft schon bald
oberhalb des Siedepunktes eine tiefgreifende Zersetzung erleiden {vgl. die
Aluminiumverbindungen, S. 288) und infolgedessen einer genauen Dichte-
bestimmung zum Theil nicht zugänglich sind. In anderen Fällen aber
haben sich die Organometalle als Mittel zur Valenzbestimmnng vortrefflicli
bewährt; so konnte z. B. die Fähigkeit des Bleis, vierwerthig aufzutretpu,
durch die Dampfdichtebestimmung des Bleitetra methyls sicher begründet
werden.
1. YerMndungen der Alkalimetalle'.
Die Isolirung von Alkylverbindungen des Natriums und Kaliums
i^t zwar nicht gelungen, doch besitzt man sehr bestimmte Anzeichen
ihrer Existenz. Natrium und Kalium lösen sich in Zinkalkylen nnter
Abscheidung der äquivalenten Menge Zink auf. In diesen Lösungen
' Wanilvn, Ann. 107, 125; 108, 67; 111, 234; 140, 211. Zeitochr. Chem.
Älkylverhindmigen der Alkalimetalle, des Berylliums und Magnesiums, 283
scheinen neben unverändertem Zinkalkyl die Alltylverbindungen der Alkali-
metaUe zu bestehen. Sie zeigen einige eigenthümliche Reactionen. So
absorbiren sie Kohlensäure unter Bildung von Alkalisalzen der Fettsäuren
CHa-Na + CO2 = CHgCOgNa.
Aus der Lösung von Natrium in Zinkäthyl scheiden sich Krystalle von
der Zusammensetzung NaCjHg + Zn(C2H5)2 ab, welche bei 27^ schmelzen
und sich schon bei wenig stärkerem Erwärmen unter Zurücklassung von
Zink und Natrium zersetzen.
3. Yerbindnngen mit den Metallen der Hagneslumgruppe.
A. Verbindungen des Berylliums^.
Alkylverbindungen des Berylliums sind durch Einwirkung von metallischem
Beryllium auf Quecksilberalkyle erhalten worden. Sie werden von Wasser augen-
blicklich zersetzt:
BeCCjHß), + 2H,0 = Be(OH), + C^U^.
Berylliumftthyl BeCCgHJ, siedet bei 185 — 188°, raucht heftig an der Luft und
entzündet sich bei wenig erhöhter Temperatur. Berylliumpropyl Be(C3H7)s siedet
bei 244— 246^
B. Verbindungen des Magnesiums^
Die Alkylverbindungen des Magnesiums sind nicht näher untersucht. Man er-
hält die Methyl- und Aethylverbindung (MgCCHj^j und MgfCjHj),) unter leb-
hafter Beaction bei der Einwirkung von Magnesiumfeile auf die entsprechenden Jod-
alkyle. Es sind sehr flüchtige, stark riechende Flüssigkeiten, welche sich an der
Luft entzünden und Wasser sofort unter Abscheidung von Magnesia zersetzen.
C. Verbindungen des Zinks,
Bildungsweisen. Die Alkylverbindungen des Zinks werden durch
die Einwirkung der Jodalkyle auf Zin;kfeile erhalten. Die Reac-
tion geht schon beim Erwärmen unter gewöhnlichem Druck vor sich,
wenn das Zink angeätzt ist'; noch rascher verläuft sie, wenn man die
anzuwendenden Zinkfeilspähne vorher mit Yg ihres Gewichts an Kupfer-
pulver (durch Beduction von Kupferoxyd mit Wasserstoflf gewonnen)
unter Erwärmen gemischt hat*. Auch Zusatz von etwas Zinknatrium*,
von etwas fertigem Zinkäthyl® oder von Natriumamalgam und einigen
Tropfen Essigäther^ wirkt befördernd. Beim Erhitzen des Gemisches im
Wasserbade am Bückflusskühler bildet sich zunächst ein Alkylzinkjodid,
wie z. B. (C3H5)ZnJ; wird nun das Reactionsprodukt destillirt, so zer-
* Cahoubs, Compt. rend. 76, 1383.
' Hallwacus u. S<niAFARiK, Ann. 109, 206. — Cahours, Ann. 114, 240.
^ Pebal, Ann. 118, 22; 121, 105.
* Gladstoke u. Tribe, Joum. Soc. 86, 569.
^ Beilstein u. Alexejeff, Bull. 2, 51. — Rieth u. Betlsteiv, Ann. 128, 245;
ld6, 248.
* Bathke, Ann. 162, 220. ^ Ladenburo, Ann. 178, 147.
284
Zinkalkyle,
setzt es sich unter der Einwirkung der höheren Temperatur in Jodzink
und die Dialkylverbindung des Zinks:
<C,H5 /CjHg
= Zn< + ZnJ,.
J X5,H,
Die Zinkalkyle bilden sich femer durch Erhitzen der Queck-
silberalkyle mit gekörntem Zink in geschlossenen Eöhi'en auf etwa
130^ z.B.:
HgCCjH,), + Zn = Zn(C,H,), + Hg.
Diese Methode eignet sich namentlich far die Gewinnung der höheren
Homologen von der Propylreihe aufwärts^.
Darstellung von Zinkäthyl: In einem mit Bückflusskühler verbundenen,
vorher mit Kohlensäure gefüllten Kolben werden 100 g feine Zinkfeile mit 100 g
Jodäthyl unter Zusatz einer kleinen Menge fertigen Zinkäthyls zusammengebracht;
vom oberen Ende des Kühlers geht ein Gasleitungsrohr ab, welches, um die Luft
abzuschliessen, unter Quecksilber taucht. Man erhitzt nun im Wasserbade zum mas-
sigen Sieden. Die Reaction tritt ein und macht sich durch die Entwickelung von
brennbaren Gasen bemerkbar; sie ist nach einigen Stunden beendet Dann wird die
Reactionsmasse aus dem Oelbade in einem trockenen Kohlensäurestrom abdestillirt.
Das überdestillirte Zinkäthyl wird durch Rectificiren in einer Kohlensäure -Atmo-
sphäre* gereinigt
Bei allen mit Zinkalkylen vorzunehmenden Manipulationen muss
man, um Entzündungen zu verhüten, den Luftzutritt verhindern. Alle
GefUsse sind daher mit Kohlensäure zu fällen. Das Umgiessen von einem Geftss in
ein anderes bewerkstelligt man, während ein Gehülfe in verticaler Richtung einen
Gummischlauch hält, durch welchen aus einem Kohlensäureentwickelungsapparat ein
kräftiger Gasstrom gesandt wird, am unteren Ende dieses Schlauchs, so dass die über-
zufüllende Flüssigkeit stets von dem Kohlensäurestrom getroffen wird.
Eigenschaften und Yerhalten. Die Zinkalkyle sind farblose
Flüssigkeiten, welche sich an der Luft sofort entzünden und einen wid-
rigen Geruch besitzen. Die folgende Tabelle enthält die physikalischen
Constanten der bisher dargestellten Glieder:
Tabelle Nr. 12.
Siedepunkt | ^Ö^t^
Gewicht
ZinkmethyP . . .
Zinkäthyl* . . . .
ZinkpropyP . . .
ZinkisobutyF . . .
Zinkisoamyl^ . . .
46«
118<^
140—150°
165— 167<>
220^
1.886(10.5*)
1.182(18'^)
1-022
* Franklaxd u. Düppa, Ann. 130, 118. — Cahours, Compt rend. 76, 751. —
Marquardt, Ber. 21, 2037.
* Vgl. hierzu Kaulfuss, Ber. 20, 3104.
■ Framkland u. Düppa, Ann. 180, 119. * Franklaxd, Ann. 96, 39.
* Cahours, Compt. rend. 76, 351. — Schtscherbakow, Ber. 14, 1710. — Pape,
Ber. 14, 1878.
® Cahours, Compt. rend. 77. 1406. — Gazzarolli u. Popper, Ann. 223. 168.
Zinkalkyle; Cadmiumalkyle. 285
Auf ihre ausserordentliche Eeactionsfäliigkeit ist schon hingewiesen
worden (s. S. 282), Von Wasser werden sie sofort unter Bildung von
Zinkhydroxyd und Entwickelung von Grenzkohlenwasserstoffen zersetzt:
Zn(CjHa)j + 2Hj|0 = Zn(OH), + 2C,H«.
— In Berührung mit Chlor entzünden sich die Zinkalkyle; ebenso wir-
ken Brom und Jod mit der grössten Heftigkeit; mässigt man die Re-
action durch Anwendung stark abgekühlter ätherischer Lösungen, so ver-
läuft sie nach der Gleichung:
ZnCCjHjlj + 2 Jj = ZnJj + 2C2H0J.
Bei langsamem Luftzutritt^ zu den Lösungen der Zinkalkyle in indifferenten
Lösungsmitteln scheiden sich weisse Niederschlfige ab; der aus Zinkmethyl ent-
stehende Niederschlag besteht nach Butterow' hauptsächlich aus der Verbindung
CHj-ZnCO-CHj) und wird von Wasser in Zinkhydrozyd , Methan und Methylalkohol
zersetzt:
Zn< +2HjO = Zn(OH), + CH4 + CH8.0H.
\O.CH3
An dem Ozydationsprodukt des Zinkäthyls ^ wurde indess neuerdings ein durch-
aus abweichendes Verhalten beobachtet; es liefert bei der Zersetzung mit verdünnter
Schwefelsäure kein Aethan; dagegen scheidet es aus angesäuerter Jodkaliumlösung
bei Luftabschluss reichlich Jod aus. Dies Verhalten wird besser durch die Consti-
O-Zn-CjHs
tutionsformel | interpretirt, welche auch die explosiven E^enschaften
O-CH,
der Verbindung erklärt; die Zersetzung durch Wasser könnte nach der Gleichung:
O-Zn.CjH^ OH:
I +1= ZnO + 2CJH5OH
o-c.iaj H
verlaufen.
Schwefel wirkt bei massigem Erwärmen auf eine ätherische Lösung von Zink-
äthjl lebhaft ein; es bildet sich ein weisser flockiger Niederschlag, den Fkanklamd
für Zinkmercaptid Zn(S-C9H5),(?) hält.
Ueber die durch Einwirkung von Stickozyd auf die Zinkalkyle entstehenden
Dinitroalkylsäuren vgl. S. 289.
D. Verbindungen des Cadmiums.
Das CadmiumäthyH CdCCsH^), ist in analoger Weise, wie das Zinkäthyl,
durch Erhitzen von Cadmium mit Jodäthyl, aber nur in unreinem Zustand erhalten
worden.
E. Verbindungen des Quecksilbers.
Entstehnngsweisen. Die Jodalkyle reagiren auf metallisches Queck-
silber schon bei gewöhnlicher Temperatur; es entstehen Quecksilber-
» Fraxkland, Ann. 95, 42. * Ztschr. Chem. 1864, 402.
' B. Dexuth u. Y. Meyeb, Ber. 28, 394.
* Wakklyn, Jb. 1866, 553.
286 Quecksilberalkyle,
alkyljodide^, wie CH^-HgJ, Aus diesen kann man die Dialkyl Verbin-
dungen, wie Hg(CH3)2, durch Destillation mit Cyankalium:
2HgJ(CH,) + 2KCy = Hg(CH,), + 2KJ + Cy^ + Hg
oder besser durch Einwirkung von Zinkalkylen:
2C8H5.Hg J-f ZnrCjHslsj = 2Cia^'HgC^U^ + ZnJ,
gewinnen^. Man sollte erwarten, unter Benutzung letzterer Reaction
auch zu gemischten Alkylverbindungen gelangen zu können, z. B, :
2C,Hß.Hg.J + ZnCCHj), = 2C5,H5.Hg.CH8 + ZnJ,.
Allein die Isolirung solcher Verbindungen mit zwei verschiedenen Alkyl-
resten ist nicht geglückt; sie scheinen sich bei der Destillation in ein
Gemenge von zwei Verbindungen mit gleichartigen Resten umzu-
wandeln *
2 CH, . Hg. C,H, = HgCCHs), + Hg(C,H,),.
Auch die Chloratome des Quecksilberchlorids können durch Ein-
wirkung von Zinkalkylen gegen Alkylreste ausgetauscht werden; je nach
den zur Wirkung kommenden Mengen kann sich der Austausch auf ein
Chloratom oder auf beide erstrecken**^:
2HgCl2 + ZnCCjHg)^ = 2HgCl(C2H8) + ZnCL,;
HgCl, + Zn(C A), = Hg(C,H,)2 + ZnCl,.
Am leichtesten erhält man die Dialkylverbindungen des Quecksilbers
durch die Einwirkung von Jodalkylen auf flüssiges Natriumamalgam
(1 Theil Na auf 500 Theile Hg) bei Gegenwart einer geringen Menge
Essigäther*; die Ursache des befördernden Einflusses, welchen die
Gegenwart von Essigäther auf die Reaction ausübt, ist nicht aufgeklärt.
Allgemeine Charakteristik. Die Quecksilberalkyle sind farblose,
in Wasser nicht lösliche Flüssigkeiten, welche im Gegensatz zu den
Zinkalkylen an der Luft beständig sind. Sie besitzen nur schwachen
Geruch, sind aber gefährliche Gifte; das längere Einathmen ihrer Dämpfe
hat furchtbare Wirkungen im Gefolge ; besondere Vorsicht erheischt das
Arbeiten mit dem leicht flüchtigen Quecksilbermethyl.
Wie die Zinkalkyle sind auch die Quecksilberalkyle leicht zum Aus-
tausch ihrer Alkylgruppen geneigt; aber ihre Wirkung ist weit weniger
energisch; während z. B. das Phosphortrichlorid unter der Einwirkung
des Zinkäthyls alle drei Chloratome gegen Aethylgruppen auswechselt,
bleibt die Wirkung des Quecksilberäthyls nach dem Ersatz des ersten
Chloratoms stehen (vgl. S. 261—262):
2PC18 + aZnCCaHs)^ = 2P(C,H5)3 + aZnCl«;
PCI3+ Hg(CaH5)2= PCy.CHj), 4- HgClCCjH^).
Bei vielen Synthesen, für welche die Zinkalkyle zu heftig wirken, leisten
daher die Quecksilberalkyle vortreffliche Dienste.
* Frakkland, Ann. 85, 361. — Strecker, Ann. 92, 75.
* Buckton, Ann. 108, 103; 109, 218. » Frankland, Ann. 111, 57.
* Frankland u. Duppa, Ann. 180, 104. — Chapman, Ztschr. Chem. 1866, 376.
Queoksilberalkyle. . 287
Von Wasser werden die Queoksilberalkyle nicht zersetzt. Auch ver-
dünnte Säuren wirken nur wenig ein, concentrirte Säuren aber lösen in
der Wärme eine Alkylgruppe unter Ersatz durch den Säurerest ab:
HgCCjHs), + HCl = HgrC,H,)Cl + C^He-
2KgiC,U,\ + H,S04 = [Hg(C,H,)iS04 + 2C,He.
Selbst Essigsäure wirkt in analoger Weise ein^:
HgfCHa), + C,H,0, = Hg(CH3).C,H30, + CH,.
Die Einwirkung von Chlor steigert sich bei einigen Quecksilberalkylen
bis zur Entzündung; die gemässigte Einwirkung von Brom oder Jod ver-
läuft im Sinne der Gleichung:
Hg(C,H,), + J, = HgCC^y + CjHjJ.
Die in diesen Reactionen durch Abspaltung einer Alkylgruppe ent-
stehenden Verbindungen — meist gut krystallisirbare Substanzen — sind
als salzartige Abkömmlinge von Basen zu betrachten, welche an ein
Quecksilberatom eine Alkylgruppe und eine Hydroxylgruppe gekettet ent-
halten, wie z. B. CgHß — Hg — OH. Man erhält diese Basen aus den
Halogenverbindungen durch Schütteln mit feuchtem Silberoxyd. Sie sind
in Wasser leicht löslich und reagiren stark alkalisch; ihre Lösung fühlt
sich schlüpfrig an und fällt die Lösungen der Salze der Schwermetalle.
Sie entstehen auch bei der Behandlung der Quecksilberalkyle mit Ka-
liumpermanganat^, indem ein Alkylrest aboxydirt und durch die Hydro-
xylgruppe ersetzt wird, während der zweite Alkylrest unverändert am
Quecksilberatom haften bleibt.
Einzelne Glieder:
QaecksilbermethyP HgCOHs), siedet bei 93 — 96^ und besitzt das spec.
Grew. 3«069. — Quecksilbermethyljodid CHj'HgJ krystallisirt in weissen perl-
mutterglfinzenden Blättchen und ist in Wasser unlöslich; bei 143^ schmilzt es und
Bublimirt zugleich. — Das Nitrat CHg'Hg-O-NOj ist in Wasser leicht, das Ac etat
CHj.Hg-O.CjHjO (Schmelzpunkt U2— 143^; kaum löslich.
Quecksilberäthyl* Hg(C2H5)2 siedet bei 158—160*^ und besitzt das spec.
Gew. 2-444. — Quecksilberäthylchlorid CjHj-HgCl bildet silberglänzende
Blättchen, ist in Wasser kaum löslich und sublimirt schon bei 40^, ohne vorher zu
schmelzen.
Von den höheren Homologen* sind Glieder der Propyl-, Butyl-, Amyl- und
Octyl-Reihe untersucht worden. Von der 5. Reihe an aufwärts sind die Quecksilber-
alkyle nicht mehr unzersetzt flüchtig.
» Otto, Ztschr. Chem. 1870, 25.
« Seidel, J. pr. [2] 29, 134.
* Franklakd, Ann. 85, 361. — Buckton, Ann. 108, 103. — Strecker, Ann. 92,
79. — Otto, Ztschr. Chem. 1870, 25.
* BüCKTOx, Ann. 109, 218; 112, 220. — Strecker, Ann. 92, 75. — Dünhaüpt,
Ann. 92, 379.
* Caboubs, Compt rend. 76, 134, 748; 77, 1405. — Franklaxd u. Düppa, Ann.
130, 110. — Eichler, Ber. 12, 1879.
288 ^ Alkylverbindungen des Ahrniimtmis und ThcUliums,
3. Yerbindungen mit den Metallen der Aluminiiungruppe.
A. Verbindungen des Alumininms^
Bei längerer Digestion von Aluminium mit Jodfithjl in der Wärme erhält man
eine unzersetzt siedende Doppelverbindung von Jodaluminium mit Aluminiumäthyl,
aus welcher durch Einwirkung von Zinkäthyl das Aluminiumäthyl entsteht Bequemer
gewinnt man die Alkylverbindungen des Aluminiums durch Erhitzen der Quecksilber-
alkyle mit Aluminiumschnitzeln auf 100—130^:
nschnitzem auf 100—130*»:
3Hg(C,H8)8 + 2A1 = 3Hg + 2A\iC^U^\.
alkyle sind ablöse Flüssigkeiten. In Bc
Die Aluminiumalkyle sind ablöse Flüssigkeiten. In Berührung mit Luft ent-
flammen die Methyl- und Aethylverbindungen; die homologen Verbindungen rauchen
an der Luft, ohne sich aber bei gewöhnlicher Temperatur zu entzünden. Von Wasser
werden sie sofort mit grösster Heftigkeit unter Abscheidung von Thonerde zersetzt.
Bei der Discussion über die Valenz des Aluminiums hat man der Frage, ob die
Moleculargrösse dieser Verbindungen der Formel Al^Rg oder AIR, entspricht, lebhaftes
Interesse zugewandt Ihre Entscheidung durch Bestimmung der Dampfdichte stosst
indess auf Schwierigkeiten, da der Dampf dieser Verbindungen schon bald oberhalb des
Siedepunktes Zersetzung erleidet Es ist daher nicht gelungen, für die Molecular-
formel AIR, und damit für die Dreiwerthigkeit des Aluminiums auf diesem Wege
einen entscheidenden Beweis zu erbringen. Wohl aber konnte durch die am Alumi-
niummethyl angestellten Dampfdichtemessungen die Formel Al^Rg als unzutreffend
erwiesen werden; denn schon bei einer den Siedepunkt des Aluminiummethyls nur
um 10^ übersteigenden Temperatur zeigt der Dampf dieser Verbindung eine kleinere
Dichte, als der Formel A],(CHg)8 entsprechen würde.
Ein endgültiger Beweis, dass das Aluminium organische Verbindungen von der
Formel AIR3 bildet, wurde dann durch die Dampfdichtebestimmung des Aluminium-
Acetylaoetons (vgl. Acetylaceton) erbracht.
Aluminiummethyl AICCHg), siedet bei 127—129^ und erstarrt wenige Grade
über 0^ zu prachtvollen grossen Tafeln. Aluminiumäthyl A1(C2H5)3 siedet bei
195—2000 und erstarrt nicht bei — IS*».
B. Verbindungen des Thalliums*.
Bei der Einwirkung von Zinkäthyl auf eine ätherische Lösung von Thallium-
trichlorid entsteht Thalliumdiäthylchlorid Tl(08Hg),Cl, eine in seideglänzenden
Schuppen krystallisirende, in heissem Wasser und Alkohol lösliche Substanz, welche
bei plötzlichem Erhitzen verpufft Durch Umsetzung mit Silbersalzen erhält man
daraus andere Salze wie Tl(CsH5)2J, Tl(C3Hg)2N08 etc. Die diesen Verbindungen zn
Grunde liegende Base T](CsH5)s*0H lässt sich nicht aus dem Chlorür durch Ein-
wirkung von Silberoxyd, wohl aber aus dem Sulfat durch Behandlung mit Barium-
hydrozyd gewinnen ; sie reagirt stark alkalisch, absorbirt aber nicht Kohlensäure. —
Versuche zur Darstellung eines Thalliumtriäthyls TlCCsHg), sind resultatloe
verlaufen.
* BüCKTON u. Odling, Ann. Suppl. 4, 109. — Hallwachs u. Schafabik, Aud.
109, 207. — Cahoürs, Ann. 114, 242; Compt rend. 76,, 135, 752; 77, 1406. —
Louise u. Roux, Compt rend. 106, 73, 602; 107, 600. — F. Quincke, Ztschr. f. physik.
Chem. 3, 164.
* Hartwig, Ann. 176, 257. — Hansen, Ber. 8, 9.
Alkylverbindun^en des Bleis, . 289
I
4. Yerbindniigen des Bleis ^
Während unter den anorganischen Verbindungen des Bleis diejenigen
die beständigsten sind, welche das Metall im Zustand der Zweiwerthig-
keit enthalten, fungirt dieses Element in allen seinen Alkylverbindungen
vierwerthig. Zwei Wege sind zur Gewinnung von Bleialkylderivaten ein-
geschlagen worden. Der eine besteht in der Einwirkung von Jodalkylen
auf Bleinatrium und fuhrt zu verschiedenen Ergebnissen je nach dem
Natriumgehalt der angewandten Legirung; lässt man z. B. Jodäthyl auf
eine Legirung von 1 Th. Natrium mit 3 Th. Blei wirken, so erhält man
das Bleitriäthyl, welchem wohl — analog der entsprechenden Zinnver-
bindung — die freilich noch nicht durch eine Moleculargewichtsbestim-
mung gestützte Formel: Pb2(C2H5)ß = (C2Hß)3Pb— Pb(C2Hß)3 zu geben
ist; dagegen entsteht durch Einwirkung von Jodmethyl auf eine aus 1 Th.
Natrium und 5 Th. Blei bestehende Legirung eine Tetraalkylverbindung,
das Bleitetramethyl Pb(CH3)^, dessen Formel durch die Dampfdichte-
bestimmung begründet worden ist. Der zweite Weg besteht in der Ein-
wirkung von Zinkalkylen auf Chlorblei ; er führt im Sinne der Gleichung:
Cl '
2PbCL + 4Zn(CjHß)2 = 4Zn/ + Pb + FbCCgHj)^
unter Abscheidung von metallischem Blei zu den Tetraalkylverbindungen ;
der Vorgang entspricht durchaus der Bildung der Zinntetraalkylderivate
aus Zinnchlorür (s. S. 279), wie überhaupt zwischen den Alkylverbin-
dungen des Zinns und Bleis eine weitgehende Aehnlichkeit besteht.
Die so erhaltenen Alkylderivate des Bleis sind farblose Flüssig-
keiten von eigenthümlichem Geruch, welche von Wasser nicht zersetzt
werden und darin unlöslich sind. Durch Einwirkung der Halogene oder
der concentrirten Säuren werden sie in salzartige Verbindungen über-
geführt, welche sich von einem einwerthigen Bleitrialkylradical, wie z. B.
—FmCfi^)^, ableiten:
Pb(CH3)4 + Jj = CH,J -h PbCCHs^gJ;
Pb(C,H5\ + HCl = C,He + Pb(C,Il5)3Cl ;
PbjCC.Hg)« + Cl, = 2Pb(C5,H6)3Cl.
Die diesen Salzen entsprechenden Hydroxyde, wie Pb(CHg)3-0H besitzen
stark alkalische Reaction und charakteristischen Geruch.
Methylverbindnngen. Bleitetramethyl PbCCHs)^ siedet bei 110^, besitzt
bei 0* das spec. Gew. 2*034 und riecht schwach nach Himbeeren. Das Jodid
Pb(CH,),J bildet lange farblose Nadeln, ist in Wasser schwer, in Alkohol leicht lös-
lich and riecht stechend. Durch Destillation mit Kali erhält man daraus das Hy-
droxyd Pb(CHj)3'0H als ein nach Senf riechendes Oel, welches zu prismatischen
Xadeln erstarrt
* Löwio, Ann. 88, 318. — Klippel, J. pr. 81, 287. — Buckton, Ann. 109, 222;
113, 226. — Cahoürs, Ann. 122, 65. — Bütlerow, Ztschr. Chem. 1863, 498. —
Fraxklasi> u. Lawrance, Joum. Soc. 86, 244.
V. Mxm n. jAOOBfloar, org. Chem. I. 19
Uebergajig von den Älkolioiderivaien xu den
Aethylverbindaugen. Bleitri&thyl Pb/C,H,1, siedet nicht i
aitzt bei 10° das spec. Gew. 1171, scheidet aua Silberlösuog Silber aus und ab-
Horbirt an der Luft SauerstoB und Kohlensäure, um daa Carbonat [Pb<CsH()i~tCi',
zu bilden. Bleitetrafithyl PhCCjHs», siedet nur unter vermindertem Druck ohnp
Zersetzung, kann indess mit Wasserdampf deaUUirt werden und besitzt Aaa spec.
Gew. 1-62.
Achtes Kapitel.
aii£ zu den Carbonsfturen , Aldehyden nnd Ketonen.
IMe Alkylcyanide oder mtrile der Fettsäuren.
äen vorhergehenden Kapiteln sind im Anschluss an die Alkohole
Qzreihe diejenigen Verbindungen behandelt worden, welche die
jener Alhohole — die Alkylreate — noch unverändert and in
mit den verschiedenen Elementen enthalten. Die Beibe der
igen Abkömmlinge der Grenzkohleawasserstoffe wäre damit er-
bis auf zwei später zu besprechende Gruppen von Verbindungen.
urch Einführung der Alkylreste in Cyanverbindangen and in die
! des hypothetischen Kohlensäurehydrats CO{OH)j oder seiner
/OH NH,
C0< und COC . entstehen.
gieht nun noch einige grosse und wichtige Verbindungsklassen,
ils einwerthige Abkömmlinge der GrenzkohlenwasserstoflFe ange-
erden können, wenn sie freilich auch eine andere Auffaasungs-
ulassen. Es sind dies die gesättigten einbasischen Carbon-
, deren Molecüle durch Zusammentritt der einwerthigen Car-
Lppe — CO-OH mit einem Alkylrest entstehen:
CH,-COOH
C,H,— CO-OH
C,H,-COOH etc.,
lie Aldehyde, welche durch die Vereinigung eines Alkylrests
einwerthigen Gruppe — COH charakterisirt sind:
CH,— COH
C^H,-COH etc.,
lieh die Ketone, deren typisches Constitutionsmerkmal in der
einwerthige Kohlenwasserstoffreste gebundenen zweiwerthigen
— CO — gegeben ist:
CH,— CO-CH,
C3H5— CO— CjHj etc.
sieht man diese Verbindungen auf die Kohlenwasserstoffe von
r Kohlenstoffzahl, so erscheinen sie als mehrwerthige. Verbin-
Carbonsäuren, Aldehyden und Keto7ien, 291
düngen. Die Essigsäure CH3-C03H z. B. — als ein Derivat des Aethans
angesehen — ist eine dreiwerthige Verbindung, denn es bedarf der Sub-
stitution dreier WasserstoflFatome, um vom Aethan zur Essigsäure zu
gelangen:
CHg-CHg - >- CHb-CC
Aethan Essigsfiure.
Ebenso ist der Acetaldehyd CHg-COH ein zweiwerthiges Derivat des
Aethans, das Aceton CHj-CO-CHj ein zweiwerthiges Derivat des Propans,
Leitet man aber diese Verbindungen von denjenigen Kohlenwasser-
stoffen ab, deren Beste sie in Verbindung mit den ihr charakteristisches
Verhalten bedingenden Gruppen — CO^H, — COH und =C0 enthalten,
80 erscheinen sie als einwerthige Substitutionsprodukte. Aus dem Methan
entsteht die Essigsäure, wenn ein Wasserstoffatom durch die Carboxyl-
gruppe vertreten wird:
der Acetaldehyd gleichfalls noch Ersatz eines Wasserstoffatoms durch
die Gruppe — COH:
CH4 —->' CH3.COH.
Auch das Aceton kann als einwerthiges Methanderivat aufgefasst werden ;
es steht zum Methan in ähnlichen Beziehungen, wie der Dimethyläther
(CHj-O-CHg) oder das Dimethylsulfon (CHg-SOj-CHg); eine zweiwerthige
Gruppe — CO — vertritt in zwei Molecülen Methan je ein Wasser-
stoffatom:
CH4 CHjx
> >C0.
CH, CH,/
Die Einreihung der genannten Verbindungsklassen unter die ein-
werthigen Abkömmlinge der Kohlenwasserstoffe verdient aus zwei Gründen
den Vorzug. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die für das
chemische Verhalten massgebenden Gruppen nur je einmal im Molecül
der betreffenden Verbindungen vorkommen. Ferner tritt von diesem
Gesichtspunkte aus die Bedeutung einiger wichtiger genetischer Be-
ziehungen besser hervor, welche jene Körpergruppen mit den Alkoholen
der Grenzreihe verknüpfen.
Aus einem Alkohol lässt sich nämlich die den gleichen Alkylrest
enthaltende Säure, der entsprechende Aldehyd und das Keton durch
eine Folge von einfachen Reactionen erzeugen. Ersetzt man die Hydroxyl-
gruppe durch Halogen und tauscht dann das Halogenatom des Halogen-
alkyls durch doppelte Umsetzung mit Cyankalium gegen die Cyangruppe
aus, z. B.:
CHsOH. > CHj.J >- CH,CN,
so gelangt man zu den als„Alkylcyanide*^ oder „Nitrile" bezeichneten
VerbH}dungen, welche unter der Einwirkung von Säuren oder Alkalien
. . . ♦ 19*
292 Die Alkylcyanide oder
leicht ihren Stickstoffgehalt als Ammoniak abgeben, indem dabei die
Cyangruppe — CN in die Carboxylgruppe — CO2H übergeht:
CHj.C^N + 2HjO = CHa-Cf + NH,.
Aus dem Methylalkohol ist so die Methylcarbonsäure (Essigsäure) ent-
standen. Aus letzterer bildet sich der eine Methylgruppe enthaltende
Aldehyd:
CHs-CHO
bei der Destillation ihres Calciumsalzes mit ameisensaurem Calcium, das
zwei Methylgruppen enthaltende Keton:
CHa-COCHj
bei der Destillation ihi-es Calciumsalzes für sich.
In dieser von den Alkoholen zu kohlenstoffreicheren Verbindungen auf-
steigenden Beactionsfolge, welcher eine sehr allgemeine Anwendbarkeit zu-
kommt, treten die Alkylcyanide als Zwischenglieder von besonderer Be-
deutung hervor. Einerseits noch in allernächstem Zusammenhang mit
den Alkoholen stehend, gewissermassen ihre Blausäure-Ester darstellend,
besitzen sie andererseits schon das ganze Kohlenstoffgerüst der dem
Alkohol um ein Kohlenstoffatom überlegenen Säure. Ihre Besprechung
bilde daher den Uebergang von den Alkoholen und ihren nächsten Ab-
kömmlingen zu den Carbonsäuren.
Die Alkylcyanide oder Nitrile der Fettsäuren.
Allgemeine Zusammensetzung: C^Hg^^j-CN.
Nomenclatur und Constitution. Bei der Benennung der durch
Vereinigung eines Alkylrests mit der Cyangruppe entstehenden Verbin-
dungen kann man entweder ihre Beziehungen zu den Alkoholen oder
diejenigen zu den Carbonsäuren hervorheben. Als Alkohol- Abkömmlinge
angesehen, werden sie als Alkylcyanide bezeichnet, z. B. die Verbin-
dung CHg-CN als Methylcyanid oder Cyanmethyl. Andererseits stellen
sie die Nitrile der Fettsäuren dar, denn man bezeichnet allgemein
als Nitrile solche Säureabkömmlinge, welche anstatt der Carboxylgruppe
— COjH die Cyangruppe — CN enthalten. Das Methylcyanid CHj-CN
ist demnach das Nitril der Essigsäure und kann auch Acetonitril ge-
nannt werden, das Aethylcyanid CgH^-CN ist Propionitril etc.
Als erstes Glied in der Reihe der in Rede stehenden Verbindungen
erscheint, wenn man für dieselben die Auffassung als Nitrile zu Grunde
legt, der Cyanwasserstoff oder die Blausäure H-C^N, welche das Nitril
der Ameisensäure H-CO-OH darstellt. Betrachtet man sie als Alkyl-
cyanide, so beginnt die Reihe erst mit dem Methylcyanid oder Aceto-
nitril CHj'CN. In diesem Kapitel soll im Sinne der letzteren Auffassungs-
weise nur das Acetonitril und seine Homologen besprochen werden. Die
Blausäure wird später im Zusammenhang mit anderen Cyanverbindungen
behandelt werden.
Mtrile der Fettsäuren. 293
Die Alkylcyanide sind mit den schon früher (S. 251 — 252) be-
sprochenen Isocyaniden oder Isonitrilen (Carbylaminen) isomer. Dass
sie, wie diese, einen Alkylrest und eine Cyangruppe an einander ge-
bunden enthalten, folgt daraus, dass sie aus den Jodalkylen durch Aus-
tausch des Jodatoms gegen die Cyangruppe entstehen:
CjHb. J + KCN = KJ + CjH5.CN.
Der Alkylrest haftet an dem Kohlenstoffatom der Cyangruppe; die Be-
gründung dieser Annahme wurde schon bei der Besprechung der Iso-
nitrile gegeben. Bei der Abspaltung des Stickstoffs bleiben sämmtliche
Eohlenstoffatome des Nitrils bei einander:
CjHgCN + 2H,0 = CHg.COjH + NH,
— ein Verhalten, welches unverständlich wäre, wenn nicht schon in dem
Molecül des Nitrils die Bindung zwischen dem Alkylrest und dem Kohlen-
stoffatom der Cyangruppe:
CjH^-C— N
bestände.
Entstehungsweisen. Um von den Alkoholen zu den zuge-
hörigen Cyaniden zu gelangen, bedient man sich als Zwischenglieder
entweder der Halogenalkyle oder der alkylschwefelsauren Salze.
Erstere gehen mit Cyankalium die schon mehrfach erwähnte doppelte
Umsetzung:
CH3. J + kCN = K J + CHgCX
ein^. Diese Umsetzung erfolgt in der Regel nicht, wenn man trockenes
Cyankalium und das Jodalkyl auf einander wirken lässt, wohl aber bei
Anwesenheit von wässrigen Alkoholen^. In einigen Fällen tritt die Re-
action der wässrig-alkoholischen Lösung des Jodalkyls auf das Cyan-
kalium schon bei gewöhnlicher Temperatur ein, in anderen Fällen muss
man längere Zeit am Rückflusskühler kochen oder in zugeschmolzenen
Bohren auf höhere Temperatur erhitzen. Statt des Cyankaliums ist für
die Verwandlung des tertiären Butyljodürs in das entsprechende Cyanür
mit Vortheil das Doppelsalz von Cyankalium und Cyanquecksilber
KjHgCy^ angewendet worden^.
Aus den alkylschwefelsauren Salzen erhält man die Nitrile durch
Destillation mit Cyankalium^:
CjHs.iOSÖaK + K. CN = C2H5.CN + K,S04.
EiS entstehen hierbei neben den Nitrilen geringe Mengen der Isonitrile;
zur Entfernung der letzteren wird das Reactionsprodukt mit wenig Salz-
saure geschüttelt, wodurch die Isonitrile sofort in Ameisensäure und
' WiLLiAMSON, J. pr. 61, 60. ' Henry, Compt. rend. 104, 1181.
• Bi"TLEBOw, Ann. 170, 154.
* Pblovze, Ann. 10, 249. — Fbankiand u. Kolbe, Ann. 66, 297. — Lücse-
M4X«, Ann. 148, 252.
294 Bildmigsu'eisen der
Amine zerlegt werden (vgl. S. 251), während die Nitrile erst bei höherer
Temperatur von verdünnten Säuren angegriffen werden.
Aach durch Einwirkung von Chlorcyan oder Cyan auf Zinkalkyle^ entstehen
Nitrile:
2CN.C1 + ZnCCjHs), = ZnCl, + aCjHß.CN
CN
2 I + Zn(C,Ha)j = Zn(CN), + 2CjH5.CN.
CN
Diesem synthetischen Weg zur Gewinnung der Nitrile gegenüber
stehen die Methoden zur Umwandlung der Säuren in Nitrile von
gleicher Eohlenstoffzahl. Man verwandelt die Säure in ihr Amid
(vgl. Kap. 10, Abschn. 5), z. B. Essigsäure CHg-CO-OH in Acetamid
CHj-CO'NHj, und destillirt das Amid mit einem wasserentziehenden Mittel :
CHj.CO.NHj-HsO = CHa-CN.
Es ist dies der am häufigsten eingeschlagene Weg zur Darstellung der
Nitrile. Als wasserentziehendes Mittel wendet man in der Regel Phos-
phorsäureanhydrid an^; Phosphorpentachlorid wirkt häufig am besten;
auch Phosphorpen tasulfid^ bewirkt die Umwandlung, indem als Zwischen-
produkt ein Thioamid entsteht, welches bei der Destillation Schwefelwasser-
stoff abspaltet:
CHb.CSNHj-HjS = CH3.CN.
In einer einzigen Operation gelangt man von den Säuren zu den
entsprechenden Nitrilen bei der Destillation mit Schwefelcyan-
kalium. Diese Beaction vollzieht sich in zwei Phasen; es bildet sich
zunächst das Amid und Kohlenoxysulfid :
CH3.CO.OH + CS:NH = CHg.COOm, + COS,
und diese beiden Beactionsprodukte wirken nun zum Theil auf einander
weiter nach der Gleichung:
CH3.CO.NH, + COS = CHg.CN + CO, + H,S
ein*. Man erhält im Destillat ein Gemenge des Amids und Nitrils.
Die Beaction verläuft zwar in der Fettreihe durchaus nicht glatt, bietet
aber den Vortheil, dass man rasch von den Säuren zu den zugehörigen
Nitrilen gelangt.
Man erhält femer die Nitrile, wenn man durch ein hellrothglühen-
des, mit Bimsteinstückchen gefülltes Bohr eine Fettsäui-e destillirt und
gleichzeitig einen massigen Strom von Ammoniak durch die Bohre leitet.
Durch eine solche Aufeinanderwirkung von Fettsäuren und Ammoniak
bei hoher Temperatur erklärt sich das reichliche Vorkommen der Nitrile
im Thieröl: dem Produkte der trockenen Destillation von Knochen*.
* Gal, Ann. 147, 126. — Frankland u. Graham, Journ. Soc. 1880. I, 740.
* Dumas, Malaouti u. Lebi^nc, Ann. 64, 332. — Bückton n. Hofmann, Ann.
100, 130. — Krafft u. Stauffer, Ber. 15, 1728. ,
' Henry, Ann. 152, 148. * Letts, Ber. 5, 669. — Mehlis, Ann. 185, 367.
* Weidel u. C1AMICIAN, Bor. 13, 83.
Alkyleyanide, 295
Auch das Vorkommen des Acetonitrils im Steinkohlentheerbenzol ^ ist
wohl hierauf zurückzuführen.
Auch von den Aldehyden kann man auf einfache Weise zu den
Xitrilen von gleicher Kohlenstoffzahl gelangen*. Durch Einwirkung
von Hydroxylamin entstehen aus den Aldehyden die Aldoxime, z. B.:
C^Hia-CHO + HjNOH = H,0 + C^Hia-CH : NOH,
und diese werden durch Essigsäureanhydrid unter Wasserentziehung in
Nitrile übergeführt:
Endlich können Nitrile auch durch Abbau kohlenstoflfreicherer Ver-
bindungen gewonnen werden. Bei der Einwirkung von alkalischer
Bromlösung auf Säureamide^ entstehen die um ein KohlenstoflFatom
ärmeren Nitrile, z. B. aus Nonylsäureamid CgHj^-CONHj das Octonitril
CyHjg-CN. Die Reaction durchläuft die früher (S. 235) bei der Amin-
darstellung eingehender besprochenen Phasen; es bildet sich das um ein
Kohlenstoffatom ärmere Amin C^H^ß-CHg-NIIg, welches von alkalischer
Bromlösung in das Nitril übergeführt wird:
C^HisCHjNHj + 2Brj + 2 Na OH = C^His.CHjNBr, + 2XaBr + 2H,0,
C,H,5CH,.XBr, + 2Na.0H = C^HißCN + 2NaBr + 2Ufi.
Letztere Reaction — die üeberführung eines primären Amins in
das Nitril von gleicher Kohlenstoffzahl* durch Einwirkung
von Brom in alkalischer Lösung — kann auch für sich allein aus-
geführt werden. Nur in den höheren Reihen — etwa von der fünften
Reihe an aufwärts — ist die Nitrilbildung auf diesem Wege eine be-
trächtüche. Die Reaction ist zur Darstellung der Nitrile nicht besonders
vortheilhaft, oft aber sehr willkommen, um die Beziehungen in der
Constitution von Verbindungen aus verschiedenen Reihen zu einander
hervortreten zu lassen. ,
i . . * .
Erwähnt sei schliesslich die Bildung von Nitrilen bei der Oxydation
von Leim^ und Caseln® und beim Glühen der abgedampften Melasse-
schlempe ^.
Allgemeine Charakteristik. Die Nitrile der niederen Reihen sind
farblose, unzersetzt siedende Flüssigkeiten von nicht unangenehmem
Geruch; sie werden von Wasser in beträchtlicher Menge aufgenommen.
Mit steigendem Moleculargewicht nimmt die Löslichkeit in Wasser ab.
Die Nitrile der höheren Reihen sind krystallisirbar und in Wasser kaum
loslich. Die folgende Tabelle Nr. 1 3 giebt eine Uebersicht über die physi-
* VracENT u. Delachanal, Bull. 33, 405.
* Lach, Ber. 17, 1572. ^ A. W. Hofmanx, Ber. 17, 1406.
* A. W. HoFMANX, Ber. 17, 1920. * Schlieper, Ann. 59, 15.
* GrcKELB ERGER, Ann. 64, 76.
' Vincent, Bull. 31, 156.
Chemisdies Verhalten der Älkyhyanide, 297
H. 0
CH,.C =N + „/ " = NH, + CHj-cC ^ •
Die Verseifung geht sowohl durch die Einwirkung der Alkalien wie auch
verdünnter Säuren in der Wärme leicht von Statten.
Während bei der Verseifung die dreifache Bindung zwischen Kohlen-
stoff und Stickstoff vollständig aufgehoben wird, findet bei einer grossen
Zahl anderer Reactionen nur eine theilweise Lösung statt. Die dreifache
Bindung geht in die doppelte oder einfache über, und die dadurch frei
werdenden Valenzen sättigen sich durch Anlagerung anderer Atome.
So entstehen durch Aufnahme der Elemente eines Molecüls
Wasser die Amide der Carbonsäuren:
/O
CHg.C^N + HsO = CHs-C/
Die Beaction erfolgt beim Erhitzen mit Wasser^ auf 180^ Bei niederer
Temperatur (etwa 40^ lässt sie sich rasch durch die Einwirkung des
Wasserstoffsuperoxyds bei Gegenwart von etwas Kalilauge ausführen^, z. B.
CsHii-CN + 2H,0, = C5H,i.C0.NHa + H,0 + 0,.
Beim Erhitzen mit organischen Säuren' entstehen in ganz ähnlicher Reac
tion secundäre Sftureamide, z. ß.:
CHb-CN + OHCOCH, = CHsCONHCO-CHa,
Diacetamid
beim Erhitzen mit Säureanhydriden^ tertiäre Säureamlde:
/CO-CHa /CO-CHs
CHb-CN + 0< = CH3.CO.N/
\CO.CHs ^CO-CHg.
Schwefelwasserstoff wird unter Bildung der Thioamide auf-
genommen**®:
CHg . CN + H,S = CH3 . CS . NH,.
Chlorwasserstoff®-^ vereinigt sich mit den Nitrilen zu Verbin-
dungen, welche wohl als Imidchloride (vgl. Kap. 10) aufzufassen sind:
XI
CHs-C^N + HCl = CHg.CC
^NH.
Lieitet man Chlorwasserstoff in das Gemisch eines Nitrils mit
einem Alkohol®, so bildet sich das salzsaure Salz eines Imidoäthers
(vgl. Kap. 10), z. B.:
* £koleb, Ann. 149, 305. ' Radziszewski, Ber. 18, 355.
* Gautier, Ann. 150, 187. * Wichelhaus, Ber. 3, 847.
* Gautter, Ann. 142, 289. • Bernthsen, Ann. 192, 46.
' Michael u. Wiko, Ber. 18 c, 378.
» PiKXEB u. Klein, Ber. 10, 1889. — Pinner, Ber. 16, 1645.
298 Ckernisckes Verhalten der ÄlkylGyanide.
CHs.C=N + OH. CA + HCl = CHj.CC .HCl.
^O.C.Ha
Während sich Chlorwasserstoff mit den Nitrilen im Verhaltniss
gleicher Moleciile vereinigt, werden von einem Molecül der Nitrile mit
derselben Leichtigkeit zwei Molecüle Bromwasserstoff^ fixirt:
.NH,
CH3.C=N + 2HBr = CHj-C
^r/'
\
Br,.
Auch viele Chlorüre, wie z. B. Borchlorid, Zinnchlorid, Antimonchlorid, Alu-
miniumchlorid, Goldchlorid, gehen mit den Nitrilen additioneile Verbindungen ein^'^
Die Einwirkung des Broms^ erscheint ebenfalls zunächst als ein Additionsvor-
gang CjHj • CN + Brj = CgHgNBrj. Sie besteht aber in der Substitution eines
Wasserstoffieitoms und darauffolgender Anlagerung der entstandenen Bromwasser-
stofFsfiure:
/Br
CaH,.CN + Br, = C^H^BrCN + HBr = C^H^Br-C/
^NH.
Chlor^ substituirt bei der Einwirkung auf PropionitrU zwei WasserstofiBBttome:
CjHa-CN + 2Clj = CjHbCIj.CN + 2HC1.
Nascirender Wasserstoff wird von den Nitrilen unter Bildung
von primären Aminen fixirt (Mendiüs®, vgl. S. 234), z. B.:
CaHg.C^N + 4H = CjHsCHjNHg.
Hydroxylamin^ lagert sich an die Nitrile unter Bildung der Amid-
oxime (vgl. Kap. 10) an:
.NOH
CHgC^N + HaN-OH = CHg.CC
^NHj.
Von besonderem Interesse sind die namentlich von E. v. Meyeb
studirten und aufgeklärten Vorgänge, in welchen sich mehrere Molecüle
der Nitrile an einander lagern. Durch Polymerisirung können ent-
weder je zwei Nitrilmolecüle:
2C2H5.CN = CgHioNj, dimoleeulares Cyanäthyl,
oder je drei Nitrilmolecüle zusammentreten:
3C2H5.CN = CoHijNg, trimoleculares Cyanäthyl oder Kyanäthin.
Auch verschiedenartige Nitrilmolecüle können sich mit einander ver-
einigen ®, z. B. :
2CaH5.CN + CHs-CN = CßHigNa.
* Enoler, Ann. 149, 306. — Henry, Bull. 7, 85.
* Gautier, Ann. 142, 289.
^ Henke, Ann. 106, 280. — Genvreshe, Bull. 49, 341.
* Engler, Ann. 133, 137; 142, 65. * Otto, Ann. 116, 195.
* Ann. 121, 129.
^ Tiejiann, Ber. 17, 128. — Nordmann, Ber. 17, 2746.
® RiEss u. E. V. Meyer, J. pr. [2] 31, 112. — E. v. Meyer, J. pr. [2] 30, 189.
Polymere AUcylcyanide. 299
Die dimolecularen Nitrile sind indiflFerente, die trimolecularen Nitrile
stark basische Verbindungen.
Die Bildung dieser dimolecularen und trimolecularen Verbindungen
rindet unter der Einwirkung des Natriums auf die Alkylcyanide statt.
Die dimolecularen Verbindungen^ entstehen, wenn man die Einwirkung
bei Gegenwart von absolutem Aether vor sich gehen lässt. Die schon
viel länger bekannten trimolecularen Verbindungen*, welche auch
Kyanalkine genannt werden, bilden sich, wenn man die trockenen
Cyanalkyle ohne Lösungsmittel zu metallischem Natrium fliessen lässt;
auch entstehen sie beim Erhitzen der Cyanalkyle mit trockenem Na-
triumäthylat auf 140^. Nur die Cyanide der primären Alkylreste (also
z. B. nicht das Isopropylcyanid (CH3)3CH-CN) können in Kyanalkine
übergeführt werden.
Die Bildung dieser Verbindungen geht unter Entwickelung von Kohlenwasser-
stoffen der Methanreihe und Bildung von Cyannatrium vor sich. Es scheinen dabei
zunächst Natriumverbindungen der Cyanalkyle zu entstehen, welche zwar bisher nicht
i.<olirt werden konnten, für deren Existenz man aber Anzeichen besitzt. So entsteht
z. B. bei der Einwirkung von Natrium auf ein Gemisch von Cyanmethyl und Jod-
äthyl das Butyronitril — ein Vorgang, welcher sich am besten durch Reaction des
Jodäthyls auf Natriumcyanmethyl:
CjHj.J + NaCHj.CX = XaJ 4- C^Ha-CH^CN
deuten läset. Der Entstehungsprocess der dimolecularen Nitrile kann hiemach in
folgende Reaetionen zergliedert werden. Während ein Atom Natrium einem Molecül
des Alkylcyanide die Cyangruppe zur Bildung von Cyannatrium entnimmt, verdrängt
ein anderes Atom Natrium in einem zweiten Molecül des Cyanids ein Wasserstoffatom,
welches sich mit der von der Cyangruppe getrennten Alkylgruppe zu einem Paraffin
vereinigt:
Naa + 2CH8.cn = NaCN + CH3.H + CH,Na.CN.
Das derart entstandene Natriumcyanalkyl vereinigt sich nun mit einem dritten
Molecül Cyanalkyl zu der Natrium verbindunii^ des polymeren Cyanids:
CHjNaCN + CH3.CN = C.H^NaNj,
aus welcher bei der Zersetzung des Reactionsproduktes mit Wasser das dimoleculare
Nitril abgeschieden wird:
C^HsNaNj + H,0 = NaOH + C^HeN^.
Der Bildungsprocess der trimolecularen Nitrile ist noch nicht klar gelegt.
Die dimolecularen Nitrile sind als Imidonitrile von Keton-
säuren (vgl. dort) aufzufassen, z. B. das dimoleculare Cyanäthyl als
das Imidonitril:
C,H,~C=NH ^ ^ . , . ., C,H,.C = 0
I der Propionylpropionsäure : 1 ;
CH,-CH— CN CH, . CH • CO^H
* E. V. Mn-EB, J. pr. [2] 37, 481 5 38, 336; 39, 188, 544. — Holtzwart,
J. pr. [2] 38, 343 ; 39, 230. -- Wache, J. pr. [2] 39, 245. — Hanriot u. Boüveaült,
Bull. [3] 1, 170, 548.
' Frankland u. Kolbe, Ann. 66, 269. — AI. Bayer, Ber. 2, 319. — E. v. Meyer,
J. pr. [2] 22, 261; 27, 152; 37, 396; 39, 194, 262. — Troeoer, J. pr. [2] 37, 407.
300 Polymere Alhyleyanids.
der Bildungsprocess seiner Natriumverbindung durch Vereinigung von Na-
triumcyanäthyl mit Cyanäthyl ist bei dieser Auffassung leicht verständlich:
CaH.C^-N C,H5.C = N.Na , ^ C,H5-C = NH ^^
= I (oder: | r);
+ CHs • CHNa . CN CH,- CH • CN CHg-CNa-CN
ihre Richtigkeit ergiebt sich aus dem Verhalten der dimolecularen Nitrile.
Bei der Behandlung mit concentrirten Säuren wird nämlich in der Kälte
nur die Hälfte des StickstofiFgehaltes abgespalten, indem an Stelle der
NH-6ruppe ein Sauerstoffatom tritt:
C,H5-C=NH C,H5~-C = 0
I +H,0= I +NH3;
CHs-CH-CN CH3-CH-CN
es entsteht das Propionylpropionsäurenitril, welches durch concentrirtes,
wässeriges Ammoniak wieder in das Imidonitril zurückverwandelt werden
kann. Bei erhöhter Temperatur aber bewirkt die Einwirkung von starken
Säuren vollständige Verseifung; es bildet sich Propionylpropionsäure:
I 4-3H,0=2NH3+ I
CHs-CH . CN CH,-CH • CO,H
welche indess unter den Reactionsbedingungen gleich durch Kohlensäure-
abspaltung das Diäthylketon liefert:
CjH,-CO CjHs-CO
I ^ = CO, + I .
CH3 — CH'COjH CH3 — CHj
CjHö-CO-CgHfi
Die trimolecularen Nitrile, die Kyanalkine, sind Ab-
kömmlinge desPyrimidins — einer Verbindung, deren Molecül einen
ringförmigen Complex von vier Kohlenstoffatomen und zwei Stickstoft-
atomen enthält:
CH
II Pyrimidin.
CH
N
So ist z. B. das Kyanäthin Cj^H^^Ng als Amido-methyl-diäthyl-Pyrimidin
CjHjj
CH,-C
'S
1 II
NH3-C C-C,H,
N
aufzufassen. Die Begründung dieser Auffassung, sowie eine eingehen-
dere Schilderung der Kyanalkine wird bei der Besprechung der Pyrimi-
dine (s. Band II) gegeben werden.
Zusammeiisetxung de?' Fettsäuren, 301
Neuntes Kapitel.
Die gesättigten einbasischen Carbonsäuren
oder Fettsäuren.
Allgemeine Zusammensetzung: C^ß^ifi^-
Zusammmensetzung, Nomenclatur, Constitution, Isomerien.
Diejenigen organischen Säuren, deren saure Natur auf das Vorkommen
der Gruppe: — CO -OH in ihrem Molecül zurückzufuhren ist, werden als
Carbonsäureu bezeichnet; diese Gruppe ist zuerst von Baeyer^ als
selbstständiges Radical aufgefasst und mit dem Namen „Carboxyl*- be-
legt worden. Je nach der Anzahl der in einem Molecül enthaltenen
Carboxylgruppen unterscheidet man einbasische Carbonsäuren oder
Monocarbonsäuren, zweibasische Carbonsäuren oder Dicarbon-
säuren etc. Die in diesem Kapitel zu besprechenden Säuren enthalten
eine Carboxylgruppe in Verbindung mit einem Alkylrest, sie sind die
Monocarboxyl - Substitutionsprodukte der Grenzkohlenwasserstoflfe (vgl.
S. 290 — 291) und daher als die gesättigten einbasischen Carbon-
säuren oder Alkylcarbonsäuren zu bezeichnen. Gewöhnlich aber
werden sie unter dem Sammelnamen „Fettsäuren" zusammengefasst,
da einige Säuren dieser Reihe zu den Fetten in naher Beziehung stehen.
Als Monocarboxyl-Derivate der Paraffine besitzen sie die allgemeine
Formel :
CmH2m + rCO • OH = C^ + iHg^ + gOg ;
setzt man in diesem Ausdruck n für (tw + I), so gelangt man zu der
einfachen Formel:
welche von allgemeiner Gültigkeit für die empirische Zusammensetzung
der Fettsäuren ist.
Das erste Glied der Reihe wäre, wenn man die Auffassung als Al-
kylcarbonsäuren streng durchführen wollte , die Methylcarbonsäure
CHj-COjH, Es wird indessen allgemein als Anfangsglied der Fettsäure-
reihe die Ameisensäure H-CO-OH hingestellt, welche als eine Wasser-
stoff-Carbonsäure betrachtet werden kann, und deren Zusammensetzung
CHjOg ja ebenfalls der allgemeinen Formel C^H^j^Oj entspricht. Ihr
reihen sich dann die Verbindungen:
CHj-CO-OH . . . Methylcarbonsäure,
CgHß-CO'OH . . . Aethylcarbonsäure,
CjHy-CO-OH . . . Propylcarbonsäure etc.
an. Derartige rationelle, die Constitution ausdrückende Bezeichnungen
* Ann. 135, 307.
302 Constitution der Fettsäuren
sind indess nur für solche Säuren üblich, welche lediglich auf syntheti-
schem Wege erhalten worden sind. Die meisten Fettsäuren stehen in
nahen Beziehungen zu Naturstoflfen oder Industrieprodukten und werden
mit Namen belegt, welche an diese Beziehungen erinnern, z. B.:
Ameisensäure .... GRfi^,
Essigsäure CgH^Oj,
Buttersäure .... C^H^OgT^^^-v.
Valeriansäure .... CgH^^Og \
etc. (vgl. auch die Tabelle Nr. 14 auf S. 312).
Der Beweis für die Richtigkeit der Ansicht, dass in dem Molecül
der Fettsäuren die Vereinigung einer Alkylgruppe mit einer Carboxyl-
gruppe vorliegt, wurde bereits im allgemeinen Theil (S. 67 — 69) für
das zweite Glied der Reihe — die Essigsäure CgH^Og — gefuhrt. Es
wurde an dem Verhalten dieser Verbindung nachgewiesen, dass von den
vier Wasserstoffatomen ihres Molecüls eines in Form einer Hydroxyl-
gruppe vorhanden ist, die drei anderen aber an ein und dasselbe Koh-
lenstoffatom gebunden sind. Die hiernach allein mögliche Structurformel
einer Methylcarbonsäure:
fand weiterhin ihre Begründung in der schon oft erwähnten, von Fbank-
LAND und KoLBE^ entdeckten S}Tithese der Essigsäure, welche — vom
Methylalkohol ausgehend — die Hydroxylgruppe desselben unter Be-
nutzung verschiedener Zwischenstufen (vgl. S. 291 — 292) durch eine Car-
boxylgruppe ersetzt:
CHarOH) >- CH,rCN) v CHjrCOjH).
Da alle anderen Säuren dieser Reihe sich der Essigsäure durchaus
analog verhalten nnd durch ähnliche Reactionen gewonnen werden können,
so darf die Auffassung derselben als Alkylcarbonsäuren oder Monocar-
boxyl-Substitutionsprodukte der Paraffine als sicher begiündet angesehen
werden.
Die Fettsäuren sind ausgeprägte einbasische Säuren, d. h. in
ihrem Molecül ist ein Wasserstoffatom vorhanden, das durch Metall-
atome vertreten werden kann, und nach dessen Vertretung Salze ent-
stehen, aus welchen durch Wasser die Säure nicht wieder abgeschieden
wird. Man wird von vornherein das durch die Art seiner Bindung vor
den übrigen ausgezeichnete Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe:
CHa-CO-OH*
als das vertretbare anzusprechen sich für berechtigt halten; doch mag
diese Annahme noch bewiesen werden. Das Silbersalz der Essigsäure
CjHgOgAg erhält im Sinne derselben die Constitutionsformel: *
CHgCO-OAg,
> Ann. 66, 297.
und ihrer Salze. 303
während ausserdem nur noch die Formel:
CHjAg-COOH
denkbar erscheint. Bei der Einwirkung von Jodäthyl:
C,H,0, Ag + C,H, j; - AgJ + CHsOa.CjHs
wird das Silberatom gegen die Aethylgruppe ausgetauscht. Die ent-
stehende Verbindung — der Essigsäureäthylester — kann nun nicht
die Formel:
CHj(CjH6).C0.0H
besitzen, denn letztere ist identisch mit der Formel der normalen But-
tersäure :
GUg • CHj • GH] • COjH ,
welche aus Propyljodid in bekannter Weise:
CHj.CHjCHj.J >- CHb-CHjCHjCN >- CHg-CHjCHj.COjH
gewonnen werden kann und ganz andere Eigenschaften besitzt. Dagegen
stimmt die aus der zu beweisenden Annahme sich ergebende Formel:
CH3.CO.O.C2H5,
nach welcher die Aethylgruppe an Sauerstoff gebunden ist, vollkommen
mit dem Verhalten des Essigsäureäthylesters tiberein, besonders mit
seiner leichten Spaltbarkeit in Essigsäure und Aethylalkohol :
CHa-CO-ÖCÄ + H-;OHj = CH3.CO.OH + CgHs-OH,
wie auch mit seiner Bildung aus Acetylchlorid und Aethylalkohol:
CH,.CO.:Ci: + CjHs.O.jH = HCl + CHj.COO.CjHg.
Die Fähigkeit der Salzbildung beruht demnach bei den organischen
Garbonsäuren, gerade so wie bei den anorganischen Sauerstoffsäuren, auf
dem Vorhandensein der Hydroxylgruppe. Die Molecüle der organischen
Carbonsäuren wie der anorganischen Sauerstoffsäuren können als Wasser-
molecüle angesehen werden, deren eines Wasserstoffatom durch ein sauer-
stoffhaltiges Radical ersetzt ist:
NO,. CHs-COv
>0 >0
H/ H/
Salpeters&ure, Essigsäare.
Diese sauerstoffhaltigen Badicale besitzen elektronegativen Charakter und
bedingen durch denselben die leichte Austauschbarkeit des unvertreten
gebliebenen Wasserstoffatoms gegen die elektropositiven Metallatome.
Auch die Alkohole konnten in ähnlicher Weise vom Wassertypus abge-
leitet werden:
>
auch bei ihnen konnte constatirt werden, dass das Hydroxyl-Wasserstoff-
atom durch Metallatome vertretbar ist (vgl. S. 151). Allein sie enthalten
304 Säiireradicale (Am/
statt jener sauerstoffhaltigen elektronegativen Radicale ein Kohlenwassei-
stoäi'adical von elektropositivem Charakter, und daher sind die an SteSk
der Wasser Stoffatome eintretenden Metallatome nnr lose gebtmdea. Die
Ketallverbindungen der Älkoliole werden schon durch Wasser in Alkoki
und Basis zerlegt:
C,H,.0N8 -F HÖH = C,H,-OH + Na-OH;
sie sind keine wahren Salze. Aus den Metallrerbindungen der oi^a-
niscben Carbonsäuren dagegen scheidet Wasser die freie Säure ebenso-
wenig ab, wie aus den Salzen der Mineralsäuren; sie besitzen durchaus
salzartigen Charakter.
Jene sauerstoffhaltigen Radicale, deren Vereinigung mit der Hydro-
xylgruppe das Säureniolecüt darstellt, bleiben bei einer grossen Zahl vfm
ReactioTien in ihrem Zusammenhang bestehen und treten UDverändert
in die Molecüle von Abkömmlingen der Säure ein {vgl. Kap. 10). Es
hat sieb daher fllr die Benennung der Säurederivate das BedOrfniss nach
einer besonderen Bezeichnungsweise dieser Radicale herausgestellt. Man
bildet ihre Bezeichnungen aus der Endung „yl" und dem Stamm des
Namens der zugehörigen Säure; wo diese Nomenclatur zn VerwecLs-
lungen zwischen dem Säureradical und einem Alkohob-adical Änlass
geben könnte, charakterisirt man das Säureradical durch die Endung
„oyl", während das Alkoholradical die Endung „yl" beibehält. Wir
haben also für das Radical
der Ameisensäure : HCO — die Bezeichnung: Formyl,
„ E'isigsäure: CHg'CO — „ „ Acetyl,
„ Propionsäure: C^H^-CO — „ „ Propionyl,
„ Buttersäure; CgH^-CO— „ „ Butyryl,
„ Valeriansäure:C^Hg-CO — „ „ Valeryl oder Pentoyl,
„ Capronsäure: CjHj,CO— „ „ Caproyl oder Hexoyl etc.
Allgemein bezeichnet man die einwerthigen Säurereste als „ Acyl-Radicale'' '■
Im Vorstehenden sind die organischen Säuren zunächst als Car-
boxyl-Substitutionsprodukte der Kohlenwasserstoffe aufgefasst, dann ist
ihre Ableitung vom Wassertypus erläutert worden, Sie können noch
unter einem dritten Gesichtspunkte betrachtet werden, von welchem aus
ihre Beziehungen zu dem hypothetischen Hydrat der Kohlensäure:
/OH
cfo
M>H
hervoi-treten. Denkt man sich in letzterem eine Hydroxylgruppe durch
Wasserstoff oder einen Alkylrest ersetzt, so gelangt man zu den Formern
der Fettsäuren:
/H /CH, /0,H,
C^O C(=0 CfO e
^OH; ^OH; H)H
cfo
^OH;
' LiEBKmuHH, Ber. 21, 3372.
Isomerie in der Fettsäure-Reihe. 305
Von diesem Gesichtspunkt aus ist zuerst die Constitution der organischen
Säuren richtig erfasst worden; es war Kolbb \ welcher 1859 diese Auf-
fassung der Wissenschaft zuführte.
Die Isomerien, welche in der Reihe der Fettsäuren möglich sind,
lassen sich am einfachsten übersehen, wenn man letztere als Carboxyl-
Snbstitutionsprodukte der Paraffine:
betrachtet. Da für die einwerthige Carboxylgruppe nur die Structur:
-Cf
möglich ist, so werden alle Isomeriefälle durch die Structur des mit der
Carboxylgruppe verbundenen Alkylrestes bedingt; ihre Zahl muss ebenso
gross sein, wie für alle anderen Monosubstitutionsprodukte der Paraffine,
z. B. f&r die einwerthigen Alkohole:
C„H,„ + ,(0H).
Für ein Glied der Fettsäure-Reihe sind daher stets ebenso
viele Isomeriefälle möglich, wie für das um ein Kohlenstoff-
atom ärmere Glied der Alkohol-Reihe. Für die drei ersten Glieder
giebt es also nur eine Structurmöglichkeit:
H-COsH, CHa-COgH, CH,-CH,-COjH;
den beiden Propylalkoholen entsprechen zwei Säuren der vierten Reihe
(Propylcarbonsäuren, Buttersäuren) :
CHa-CHs-CH,— CO,H und >CH— CO,H,
CH3/
den vier Butylaikoholen vier Säuren der fünften Reihe (Butylcarbon-
sänren, Valeriansäuren):
CH8-CH,-CH>-CH,-C0aH, 'NcH-CHj-COaH,
CH3/
CH3 — CHjv CHjv yCHa
>CH-CO,H, >C<
CU/ CH/ XJOjH.
Vorkommen und Entstehungsweisen.
Fettsäuren finden sich zuweilen in freiem Zustand in der Natur.
Viel häufiger aber begegnet man ihnen in Form von Estern — Ver-
bindungen, in welchen das Hydroxylwasserstoffatom der Säure durch
Alkoholreste vertreten ist, und welche leicht durch Verseifung in Säure
und Alkohol gespalten werden können, z. B.:
C8H,.CO.O.C8H„ + HaO = CjH,.CO.OH + CsH^OH.
Besonders verbreitet sind die Glycerinester (Glyceride) der Fettsäuren;
sie leiten sich von einem dreiatomigen Alkohol, dem Glycerin C3Hß(OH)3,
1 Ann. US, 293.
V. Mmymm. o. Jaoobsom, org. Chemie. I. 20
Büdungsweiaen der
ab and bilden einen Hanptbestandtbeil der meietea päanzlicben imd
thierischen Fette. .
Fettsäuren entstehen femer häufig in Gährungeprocessen, so die
Essigsäure aus dem Äetbjlalkohol , Buttersäure und Capronsänre bei
der Öährung von müchsaurem Kalk.
Für die künstliche Gewinnung der Fettsäuren stehen eine grosse
17. LI — jj Methoden zu Gebote.
Debergang von den Alkoholen zu den um ein Kohlenstoff-
eicheren Säuren: Die vdchtigste der hierzu dienenden Beac-
- die Verseifung der Cyanide zu Carbonsäuren durch
i mit Alkalien oder Säuren — ist schon mehrfach besprochen
291—292, 296—297); es genügt daher hier, an diese Keaction
lem. Zur Verseifang der Nitrile eignet sich in manchen Fällen
re gut Erwärmen mit einem Gemisch von 3 Vol. concentrirter
Isäure und 2 Vol. Wasser auf etwa 100*".
■ser Uebergang lässt sich indess auch durch andere Reactionen
telligen, welche zwar wegen ihres wenig glatten Verlaufs keine
te Bedeutung für die Darstellung der Fettsäuren besitzen, aber
inder interessant und lehrreich für die Beurtheilung ihrer Con-
sind.
der Einwirkung von Kohlenoxyd auf erhitzte Aetz-
n oder Natriumalkoholate* entstehen die Alkalisalze der
ren, so aus Aetzkalt:
CO + HOK = H-CO-OK
" ameisensaures Kalium, aus Natriummethylat:
CO + CH.-ONa = CHi-CO-ONa
' essigsaures Natrium, aus Natriumätbylat propionsaures Natrinin.
höheren Eeihen verläuft die Reaction viel comphcirter.
3 in dieser Reaction sich fettaaure Alkalisalze aus AJkoholaten
Ig-O-Na) durch Aufnahme von Kohlenoxyd bilden, so entstehen
den Natriumalkylen {wie CjHj-Na) durch Aufnahme von
säure» {vgl. S. 282—283):
C,H,.Na + CO, = C,H,CO,Nft.
Aus den primären Alkoholen von gleicher Kohlenstoff'
tstehen die Fettsäuren durch Oxydation, z. B.:
CH,.Cn,-CH,.OH + 0, = CHj.CH,.COOH + H,0.
Veg bietet für manche Fettsäuren eine gute Darstellungsmethode;
lationsmittel wird in der Regel ein Gemisch von Kaliumbichroioat
BCKDKTa u. Otto, Ber. 10, 262.
EETHBLOT, Cotupt. KüA. 41, 955. — Geuther, Ann. 202, 288. — Vgl. ferner
Ann. 218, 56.
'^AKKLYH, Ann, 107, 125; 111, 234. — Winkltb u. Scbkkk, Ann. Sappl. 6, 120.
Fettsäuren. 307
und verdünnter Schwefelsäure angewendet. Die Gruppe — CH2(0H) geht
durch diese Eeaction in die Carboxylgruppe — CO -OH über; eine Zwischen-
stufe in dem Oxydationsprocess stellen die durch die Gruppe — COH
charakterisirten Aldehyde dar:
CHaCHjCHjCOH) -^ — >- CHj.CH.CHO >- CHjCHaCOCOH);
Alkohol Aldehyd Säure
selbstverständlich können daher Fettsäuren auch durch Oxydation der
Aldehyde von gleicher Kohlenstoffzahl erhalten werden.
Die Oxydation der Alkohole liefert als Nebenprodukte Sftureester, durch Wech-
selwirkung zwischen der entstandenen Säure und dem noch unveränderten Alkohol sich
bildend; so entsteht z. B. aus Butylalkohol der Buttersäurebutylester C4H70-0 -04119;
femer treten Verbindungen vom Typus der Acetale, wie OHg -011(0 «02115)5 (vgl.
Acetale) auf, welche ihre Entstehung der Wechselwirkung zwischen Aldehyd und
Alkohol verdanken. Da sowohl die Ester wie die Acetale in Alkalien nicht löslich
sind, so sind die in Alkali löslichen Fettsäuren leicht von ihnen zu trennen. Zu-
weilen erweist es sich zweckmässig, die Oxydation derart zu massigen, dass die
SSureester als Hauptprodukt entstehen, und aus letzteren dann durch Verseifiing erst
die Fettsäuren zu gewinnen ^.
3. Auch ausSäuren gleicherKohlenstoffzahl, welche anderen
Reihen angehören^ können die Fettsäuren durch geeignete Eeactionen
erzeugt werden. Aus den ungesättigten einbasischen Carbonsäuren (Säuren
der Oelsäure-Reihe) entstehen sie durch Wasserstoffzufuhr (mittelst Natri-
nmamalgam), z. B. Propionsäure aus Akrylsäure*:
CHj : OH.OOjH + H, = OH, • OH, • 00,H.
Aus Oxysäuren gehen sie ebenfalls durch einen Reductionsprocess hervor,
welcher in dem Ersatz der Hydroxylgruppen durch Wasserstoff besteht;
so kann z. B. durch Erhitzen mit Jodwasserstoff die
OH3 OHj
Milchsäure: OH(OH) in Propionsäure: OH,
I I
OOH, OOjH
übergeführt werden*.
4. In den bisher angeführten Processen entstehen Fettsäuren aus Ver-
bindungen von gleicher oder geringerer Kohlenstoffzahl. Von erheblicher
Bedeutung sind einige Bildungsprocesse von Fettsäuren durch
Spaltung von Verbindungen höherer Kohlenstoffzahl. Die wich-
tigsten unter diesen gehen vom Acetessigester und der Malonsäure aus.
Der Acetessigester CHg-CO-CHjCOg-CjHj (vgl. das Kapitel
„Ketonsäuren") wird durch concentrirte alkoholische Kalilauge haupt-
sächlich im Sinne folgender Gleichung:
CH,.CO.:CH,.CO,. OjHg + 2K0H = OHs-OO-OK + OH^-OO-OK + O^Hg-OH
gespalten; unter Abspaltung der Aethylgruppe wird er zu Acetessig-
1 Vgl. PiEBBE u. PucHOT, Ann. eh. [4] 28, 366; 29, 229.
* TjxKKiuxSy Ann. 126, 317. ' Lautemann, Ann. 113, 219.
20*
308 Bildungsweisen der
säure CHj-CO-CHg-COjH verseift, welch letztere weiter in zwei Molecüle
Essigsäure zerfällt Nun besitzen die Wasserstoflfatome der Methylen-
gruppe ( — CHj — ) im Acetessigester die Eigenschaft, durch Metallatome
vertreten werden zu können, und die so entstehenden Metallverbindungen
gehen doppelte Umsetzungen mit Halogenalkylen ein:
CH,.CO.CHNa.CO,.C,Ha + JCjHa = NaJ 4- CH,.C0.CH(CsHß).C0,.CjH5.
In dieser Weise können leicht mono- und dialkylirte Acetessigester, wie
CH3-CO-CH(C2H,).C03.C2Hß oder CH3.CO-C{C3Hß)2C03C2H5, gewonnen
werden, deren Zersetzung durch concentrirtes alkoholisches Kali nun
ganz analog der Zersetzung des Acetessigesters verläuft:
CH, . CO . jCHCCgHj) . COjj . iCÄ + 2 KOH = CHa • CO • OK+CH,(C,HJ - CO,K+ C^H. • OH;
CH3 . CO . iCCCjjHft), . COg . C,Hö + 2 KOH = CHj • CO • OK + CH(C,H5), - COjK+CjHs • OH.
Während vorher aus einem Moleciil Acetessigester zwei Molecüle Essig-
säure entstanden, bildet sich jetzt nach der Alkylirung neben einem
Molecül Essigsäure ein Moleciil einer einfach oder zweifach alkylirten
Essigsäure.
Diese früher sehr wichtige Fettsäure-Synthese besitzt den Nachtheil,
dass neben der ,, Säurespaltung" des alkylirten Acetessigesters stets noch
eine andere Zersetzung — die sogenannte „Ketonspaltung" — unter
dem Einfluss des Alkalis eintritt (Näheres vgl. im Kapitel „Ketonsäuren").
Sie ist jetzt durch die nun zu besprechende Malonsäureester-Methode
sehr zurückgedrängt worden.
Die Malonsäure COgH-CHg-COgH spaltet, wie alle Dicarbonsäuren,
welche zwei Carboxylgruppen an dasselbe Kohlenstoffatom gebunden
enthalten, beim Erhitzen leicht Kohlensäure ab, um in eine Monocarbon-
säure — die Essigsäure — überzugehen:
CÖ8HCHj.C0,H— CO, = HCHj.COjH
^
CHß • COjH.
/CO,C,H,
In dem Malonsäureester CHo^ besitzen die Wasser-
\C03-C,H,
Stoffatome der Methylengruppe, ebenso wie die entsprechenden Wasser-
stoffatome des Acetessigesters, die Eigenschaft, durch Metallatome ver-
treten werden zu können. Unter Benutzung der so entstehenden Natrium-
verbindungen des Malonsäureesters können diese Wasserstoffatome wieder
gegen Alkylreste ausgetauscht werden; man gelangt so zu Monalkyl-
oder Dialkylderivaten des Malonsäureesters:
/CO2 • 02115 yOOj • C9H5
CH8-CH< (CH3)2 = C<
^COjCjHs XJOj.CsHb
welche bei der Verseifung die einfach oder zweifach alkylirten Malon-
säuren :
xCOgH /COjH
CHs-CH< (CH3)2=C<
XJOjH NjOjH
Fettsäuren. 309
liefern. Diese Alkylderiyate der Malonsäure spalten in der Hitze, ebenso
wie die Malonsäure selbst, ein Moleciil Kohlensäure ab und gehen in die
entsprechenden AlkylderiTate der Essigsäure:
CH, . CH, . CO,H (CH3),CH • CO,H
über.
Acetessigester und Malonsäureester sind leicht zu beschaffende
Materialien; infolge der Verwendbarkeit beliebiger Halogenalkjle lassen
sich die besprochenen Reactionen in mannigfacher Weise variiren. Der
durch diese Reactionen gebahnte Weg zur Darstellung der Essigsäure-
Homologen von der allgemeinen Formel CH^R-COgH und CHRg-COgH
(R = Alkyl) ist daher sehr häufig betreten worden.
Aus gesftttigten Dicarbonsäuren, welche nicht, wie die Malonsäure
und die alkylirten Malonsäuren, ihre beiden Carbozylgruppen an ein und
dasselbe Kohlenstoffatom gebunden, sondern durch eine grössere Zahl von
Kohlenstoffifttomen getrennt enthalten, lassen sich durch partielle Kohlensfiure- Ab-
spaltung Monocarbonsäuren zwar nicht direct durch Erhitzen, aber auf andere Weise
gewinnen. So wird z. B. aus
CH,~COjH CHg
Bernsteinsfture | die Propionsäure |
CH,— COjH CH,— COjH
erhalten, wenn man ihre Lösung in Gegenwart von Uranoxydsalzen dem Sonnen-
lichte aussetzt^. Von grösserem praktischen Interesse ist es, dass sich eine solche
partielle Kohlensäure -Entziehung durch Erhitzen der Bariumsalze mit Natrium-
methjlat (CH,-ONa) bewirken lässt^
Ketone liefern bei der Oxydation unter Spaltung der
Kohlenstoffkette ein Gemisch von Fettsäuren niederer Kohlen-
stoffzahl (vgl. Kap. 11), z. B.:
CioHjiCHjCOCHj + 80 = CioHjiCOOH + HO-COCHg.
Diese Eeaction bietet namentlich für die höheren Fettsäuren zuweilen
eine gute Darstellungsmethode, wenn man, wie in dem in der Gleichung
gewählten Beispiel, ein Keton der Oxydation unterwirft, das in zwei
weit auseinander liegende und daher leicht zu trennende Glieder der
Fettsäure-Reihe zerfällt; als Oxydationsmittel wird das Gemisch von
Kaliumbichromat und verdünnter Schwefelsäure verwendet. Auf diese
Reaction lässt sich ein Abbau der normalen Fettsäuren zu den
um ein Kohlenstoffatom ärmeren Gliedern gründen. Destillirt
man z. B. das Calciumsalz der 16 C- Atome enthaltenden Palmitinsäure
CH3-(CH2)j^-C03H (= CißHggOg) mit Calciumacetat, so erhält man ein
Keton CH3-(CH2)j^-C0-CHg, welches nun bei der Oxydation die Säure
mit 15C-AtomenCH3-(CH2)i3-COjjH(=CißH3o02) neben Essigsäure liefert «
(Tgl. S. 335—336).
Die Säuren der Oelsäure-Jßelhe zerfallen beim Schmelzen mit Kali
in Fettsäuren von niederer Kohlenstoffzahl. Der Zerfall tritt meist an der
> Seekamp, Ann. 133, 253. ^ Mai, Ber. 22, 2136.
» Vgl. Krafft, Ber. 12, 1667, 1668.
310 Allgemeine Charakteristik der Fettsäuren,
Stelle der doppelten Bindung ein; bo bilden sich z. B. aas einem Molecül Crotonsänre
CHg— CH = GH— COtH zwei Molecüle Essigafture; Näheres s. in dem Kap. „unge-
sättigte Säuren''.
Allgemeine Charakteristik.
Die niederen Glieder der Fettsäure-Reihe sind bei gewöhnlicher
Temperatur bewegliche Flüssigkeiten von stechendcitoi Geruch, welche in
der Kälte krystallinisch erstarren; sie lösen sich letcht in Wasser und
reagiren stark sauer. Die mittleren Glieder sind ölige Flüssigkeiten
von unangenehmem Geruch, in Wasser weniger löslich. Die höheren
Glieder sind bei gewöhnlicher Temperatur fest, geruchlos und in Wasser
nicht löslich. Sie besitzen nicht mehr saure Eeaction, bilden aber
ebenso wie die niederen Glieder Salze. Sämmtliche Fettsäuren sind in
Alkohol und Aether leicht löslich. Die niederen Glieder sind mit Wasser-
dämpfen leicht flüchtig; auch für sich können die Säuren der niederen
Reihen destillirt werden, während die kohlenstoflfreicheren Säuren — etwa
von der zwölften Reihe ab — nur im luftverdünnten Raum ohne Zer-
setzung übergehen.
Die Tabelle Nr. 14 auf S. 312 giebt eine Uebersicht über die physi-
kalischen Eigenschaften der wichtigsten Fettsäuren. Man ersieht daraus,
dass das speciflsche Gewicht mit steigendem Moleculargewicht fallt. Die
Säuren der niederen Reihen haben ein verhältnissmässig hohes speci-
fisches Gewicht; bei der Kleinheit ihrer Atomzahl ist die Gegenwart
von zwei Sauerstoffatomen in ihrem Molecül ein Umstand, welcher ihre
Eigenschaften in hohem Grade beeinflussen muss. Die höheren Glieder
aber besitzen in ihrem Molecül eine so grosse Zahl von Kohlenstoff-
atomen und Wasserstoffatomen, dass der Einfluss des Vorhandenseins
zweier Sauerstoffatome zurücktreten wird; sie nähern sich in ihren physi-
kalischen Eigenschaften den Paraffinen. — Eine eigenthümliche Regel-
mässigkeit, die auch bei anderen Verbindungsklassen zuweilen beobachtet
wird, tritt bei der Betrachtung der Schmelzpunkte der Säuren von der
8. bis 20. Reihe hervor. Beim Aufsteigen von einer Reihe zur nächst^
höheren flndet man ganz regelmässig abwechselnd ein Sinken und Steigen
des Schmelzpunktes. Eine Säure mit einer paaren Anzahl von Kohlen-
stoffatomen schmilzt stets höher als die nächste zwar um ein Kohlen-
stoffatom reichere, aber einer unpaaren Reihe angehörige Säure; dagegen
steigen innerhalb der paaren Reihen einerseits und der unpaaren Reihen
andererseits die Schmelzpunkte constant mit wachsendem Kohlenstoff-
gehalt.
Bezüglich der Affinitätsgrösse besteht zwischen dem ersten Gliede
— der Ameisensäure — und den Homologen ein grosser Abstand; die
Ameisensäure ist etwa 12 mal stärker als die Essigsäure. Die aus dem
elektrischen Leitvermögen abgeleiteten Affinitätsconstanten der ersten
Glieder zeigen folgende Verhältnisse (Ostwald):
Chemisches VerhaUen der Fettsäuren, 311
för Ameisensäure 0-02140
Essigsäare 000180
Propionsäure 0-00184
Buttersäure 0-00149
Isobuttersäure 0-00144
Valeriansäure 0-00161
Gapronsäure 0-00145.
Die zahlreichen chemischen Umwandlungen, welche die Fettsäuren
eingehen können, beruhen zum Theil auf der Reactionsfähigkeit ihrer
Hydroxylgruppe. Von der Salzbildung durch Vertretung des Hydroxyl-
waÄserstoflFatoms ist schon die Rede gewesen (S. 302 — 303). Wie durch
Metallatome, so kannjenes Wasserstoffatom auch durch Alkylreste vertreten
werden; es entstehen so die Ester der Fettsäuren, wie CHj-CO-O-CaHg.
Dieser Esterificirungsprocess tritt z. B. ein, wenn man auf ein Ge-
misch der Fettsäure mit einem Alkohol concentrirte Schwefelsäure oder
Salzsäure einwirken lässt:
CH,-CO.OH + OH.CjHg = HjO + CHs-CO-O-C.Hj.
Die Hydroxylgruppe der Säuren wird ferner ebenso leicht wie die
Hydroxylgruppe der Alkohole bei der Einwirkung von Halogenverbin-
dnngen des Phosphors durch Halogenatome ersetzt, z. B.:
3CH3.CO.OH + PCls = SCHa-CO-Cl + P(0H)8;
so entstehen die Säurechloride (bezw. -bromide und -Jodide).
Auch gegen die Amidgruppe kann sie leicht ausgetauscht werden.
Die Säureamide bilden sich direct aus den Ammoniumsalzen der Säuren
durch Wasserabspaltung beim Erhitzen, z. B.:
CHj.CO.O-NH^-HjO = CH,.CO.NHj.
Bei der Einwirkung von Schwefelphosphor wird die Hydroxylgruppe
in die Sullhydrylgruppe verwandelt; es bilden sich die Thiosäuren,
z. B. aus Essigsäure CHg-CO-OH die Thioessigsäure CHg-CO-SH.
Das Calciumsalz einer höheren Fettsäure, mit ameisensaurem Calcium
destillirt, liefert den Aldehyd von gleicher Kohlenstoffzahl, indem die
Hydroxylgruppe durch Wasserstoff ersetzt wird, die Gruppe — CO -OH
demnach in — COH übergeht:
CHs-CO-Öca + H-iCO-Oca = CHs-CO-H + CaCOg.
(ca= V2Ca.)
Bei der Destillation des Calciumsalzes einer Fettsäure für sich oder mit
dem Calciumsalz einer anderen Alkylcarbonsäure findet ein Ersatz der
Hydroxylgruppe durch einen Alkylrest statt; so entstehen die Ketone:
2CH3.CO.Oca = CHj-COCHs + CaCOs;
CHsCO- Öca; + CjHb -CO-Oca. = CH^COCgHe + CaCOa-
Eine Reduction der Carboxylgruppe zur Methylgruppe lässt sich bei
\
312
Tabellarische Uebersicht über die Fettsättren,
Tabelle Nr. 14. ^
Zu-
Bammen-
setzung
CH,0,
C4Hg02
CftHioOj
CeHijOj
CgHjeO,
CgHigOg
CijH,40j|
CjgHjgO,
CjgHggOj
C14H48O2
CJ7H64OJ1
Name
Ameisensäure
Essigsäure
Propionsäure
Buttersäure (norm.) . .
Isobuttersäure
Valeriansäure (norm.) .
Isovaleriansänre
Methjläthylessigsäure .
Trimethylessigsäure . .
Capronsäure (norm.) . .
Oenanthylsäure (norm.)
Caprylsäure „
Pelargonsäure „
Caprinsäure „
ündecylsäure' „
Laurinsäure „
Tridecylsäure „
Myristinsäure „
Pentadecylsäure „
Palmitinsäure „
Margarinsäure „
Stearinsäure „
Nondecylsäure „
Arachinsäure ,,
Behensäure
Lignocerinsäure
Hyänasänre
Cerotinsäure
Melissinsäure
Structur des mit
der Carboxyl-
gruppe verbun-
denen Restes
H—
CHs-
CH3 — GHg
CHj — (CHj)^ —
(C!H,),=-CH-
CH,-(CH,),-
(CH,),— CHCH,
CHjv
>CH-
c.h/
(CH,),^J-
CH,-(CH,),-
CH,-(CH,),-
CHj — (CHj)e —
CHg — (0114)7 —
CHg — (CH2)8 —
CHj — (CHj)9 —
CHj — (CHj)io —
CHg— (CHJ),l—
CH8— (CHjJig—
CHg — (CHg\g —
CHg— (CH2)i4—
CHg— (CHg)i5—
CHg— (CHg)!^—
CHg-(CH,)„-
CHg— (CH2)i8—
Schmelz-
punkt
+ 8.8«
+ 16. 5<»
4 bis -2«
+ 35-4«
— 1.5»
—10.5«
+ 16-5«
+ 125«
+31-4«
28«
44«
40-5«
64«
51«
60« ,
60«
68«
66-5«
75«
75«
80«
85—90«
78«
90«
/
Siede-
punkt
101«
118«
141«
162«
154«
185«
174«
177«
164«
205«
223«
236«
186«
200«
212«
225«
286«
248«
257«
268«
277«
287«
298«
g
B
B
Specifisches
Gewicht
1
^l
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
231 (10«) -
052(16-5«)
018(0«)
978
965
956
947
>»
»
»I
)f
941 (21«)
905 (50«)
945(0«)
931 „
911 (20«)
911 (12«)
980 (87^
875
862
853
845;
r
B
g-
B
er
^ Ueber d. physik. Constanten der Fettsäuren vgl. besonders Zaitder, Ann. 224,
56. Krafft, Ber. 15, 1687. — S. femer die Citate bei d. spec. Besprechung der
Säuren S. 313—339.
■ Die Bezeichnungen „Undecylsäure, Tridecylsäure u. s. w." sind die in der
Literatur gebräuchlichen; sie sind daher hier beibehalten, obwohl sie eigentlich irra-
tionell sind. Denn in der sogenannten Undecylsäure ist gar kein Undecylradical Cj^H^
enthalten; sie sollte vielmehr als Decylcarbonsäure CjoHgi-COgH oder als Undecoyl-
säure CnlIgiO-OH bezeichnet werden.
Chemiacfies Verhalten der Fettsäuren. 313
den kohlenstoffreichen Fettsäuren durch fortgesetztes Erhitzen mit Jod-
wasserstoffsäure und Phosphor bewirken (vgl. S. 124):
CjftHjj.CO.OH + 6HJ = CijHji.CHa + 2H,0 + 6J.
Eis entsteht so das Paraffin von gleicher Eohlenstoffzahl.
Die besprochenen Beactionen stellen Umwandlungen der Carboxyl-
'gmppe dar; der mit der Carboxylgruppe verbundene Alkylrest wird durch
dieselben nicht verändert. Der letztere Theil des Fettsäuremolecüls tritt
dagegen in Beaction bei der Einwirkung der Halogene. Chlor und
Brom bewirken eine Substitution von Wasserstoffatomen des Alkyl-
restes, während die Carboxylgruppe intact bleibt:
CH3.CO.OH -r Clj = CHjClCOOH 4- HCl;
CH,.CHj.CO.OH + Br, = CHj.CHBr.COaH + HBr.
Es muss endlich an diejenigen Beactionen erinnert werden ^ bei
welchen eine Loslösung der Carboxylgruppe von dem Alkylrest
stattfindet. Die Produkte dieser Processe sind Kohlenwasserstoffe der
Grenzreihe; die Beactionen sind daher schon bei den Bildungs weisen der
Paraffine besprochen. Die Abspaltung der Carboxylgruppe kann durch
Glühen der Alkalisalze mit Natronkalk oder Aetzbaryt bewirkt werden
(vgl. S. 125):
CH,. CÖONä + NaÖ. H = CHs-H + Na^COa;
CH,
an Stelle der Carboxylgruppe tritt Wasserstoff, und es entsteht der um
ein Kohlenstoffatom ärmere Kohlenwasserstoff. Sie erfolgt femer bei der
Elektrolyse der Fettsäuren^ oder ihrer Salze in wässriger Lösung;
aus ihren Anionen, wie CHg — COg — , löst sich Kohlensäure ab, und der
freiwerdende Alkylrest vereinigt sich mit einem gleichartigen zu einem
Paraffin ; aus einer Säure mit n C- Atomen wird daher ein Paraffin
mit 2 (n — 1) C-Atomen, aus Essigsäure (CjH^Og) Aethan (C^Hg), aus Pro-
pionsäure (CjHgOg) Butan (C^Hj^) etc. (vgl. S. 126—127). Daneben aber
findet eine Einwirkung des Anions auf das Lösungswasser statt, z. B.
2CH,.C0.0- + HaO = 2CH,.C0.0H + 0;
der infolgedessen frei werdende Sauerstoff verbrennt einen Theü des
Anions vollständig zu Kohlensäure und Wasser. Die Homologen der
Essigsäure liefern bei der Elektrolyse ferner Kohlenwasserstoffe der
Aethylenreihe, welche um ein Kohlenstoffatom ärmer sind. So entsteht
Aethylen (CjHJ aus Propionsäure, Propylen (CgHg) aus Buttersäure.
Die einzelnen Glieder.
AmelsensSure: CILO« = H— Cc Die Ameisensäure ist eine
^ ' \0H.
der am längsten bekannten organischen Säuren; schon im 17. Jahr-
* KoLBE, Ann. 69, 257. — Bourqoin, Ann. eh. [4] 14, 157. "— Jahx, Wibdem.
Ann. 37, 408. — Bükoe, Ztschr. f. physik. Chem. 5, 192.
314 Ameisensäure (BildtmgsprocesseJ.
hundert machte man die Beobachtung, dass in den Ameisen eine eigen-
thümliche Säure enthalten sei. Von diesem Vorkommen hat die Säure
ihren Namen erhalten; doch begegnet man ihr auch sonst häufig in der
Natur, so findet sie sich z. B. in Raupen^ und in den Brennnesseln'
(das eigentliche Gift der Nessel-Brennhaare ist indessen nicht Ameisen-
säure, scheint vielmehr eine enzym-ähnliche Substanz^ zu sein). In jedem
rohen Honig kann Ameisensäure nachgewiesen werden^; sie gelangt in
denselben durch den Stachel der Bienen.
Sehr zahlreich sind die Beactionen, durch welche eine künstliche
Bildung der Ameisensäure bewirkt werden kann. Der Cyanwasserstoff
H-CN ist das Nitril der Ameisensäure und geht demgemäss durch „Ver-
seifung" (vgl. S. 296 — 297) unter der Einwirkung von Säuren oder Al-
kalien in Ameisensäure über*:
H.C=N + 2HjO = H.C<f + NHs,
Der Methylalkohol CHg-OH liefert durch Oxydation Ameisensäure, indem
als Zwischenstufe der Formaldehyd CH^O entsteht. — Chloroform CHCI3
giebt beim Erwärmen mit Alkalien® die ameisensauren Alkalien:
CHClg + 4K0H = 3KC1 + CHO-OK + 2H,0;
Chloral spaltet sich bei der Einwirkung wässriger Alkalien in Chloroform
und ameisensaures Salz^:
CCls-COH + HOK = CC1,H + HCOOK.
Von besonderem Interesse sind eine Anzahl von Reactionen, in denen
die Ameisensäure aus anorganischen Materialien hervorgeht. Es
ist bereits die von Berthelot® entdeckte Bildungsweise der ameisensauren
Alkalien bei der Einwirkung von Kohlenoxyd auf befeuchtete Alkali-
hydrate erwähnt worden (S. 306); diese Reaction:
CO + KOH = HCOOK
erfolgt sehr langsam schon bei gewöhnlicher Temperatur; auch bei 100®
erfordert sie noch verhältnissmässig lange Zeit; dagegen wird bei 160**
trockenes Natriumhydroxyd sehr leicht in Natriumformiat übergeführt®;
besonders günstig verläuft der Process, wenn man das Aetznatron in Form
von lockerem Natronkalk, das Kohlenoxyd feucht anwendet und die Tem-
peratur auf etwa 200® (aber nicht über 220®) steigert^®. Die Bildung der
Ameisensäure ist dann eine so rasche und reichliche, dass man daran
denken könnte, auf diesen Weg eine fabrikmässige Darstellung zu
gründen.
» Will, Jb. 1847/48, 546. • Gorup, J. pr. 48, 191.
* Haberlandt, Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 93 (L Abth.), 180.
* A. Vogel, Ber. 15, 2271. * Geiger, Ann. 1, 54. — Pklouze, Ann. 2, 84.
* Dumas, Ann. eh. 56, 120. ' Liebig, Ann. 1, 198.
8 Ann. 97, 125. — Ann. eh. [3] 61, 463. » Geüther, Ann. 202, 317.
" Merz u. Tibirioa, Ber. 13, 23.
Ameisensäure (Büdungsprocesse), 315
Wie in dem eben besprochenen Process Ameisensäure durch Zu-
sammentritt von Kohlenoxyd und Wasser
/ H /H
\ OH \0H
erzeugt wird, so kann man sie sich aus der Kohlensäure durch An-
lagerung von Wasserstoff:
<
0 .H
+ H, = C0<
\0H
hervorgehend denken. Die Ameisensäure kann als das erste Reductions-
produkt der Kohlensäure aufgefasst werden; vielleicht besitzt sie in
dieser Eigenschaft eine hervorragende Bedeutung als Zwischenglied in
den chemischen Metamorphosen des Pflanzenorganismus, welche ja in
einem Reductionsprocess der Kohlensäure zu complicirteren Kohlenstoflf-
verbindungen bestehen. Jedenfalls ist die Thatsache, dass ein solcher
Reductionsprocess der Kohlensäure wirklich ausführbar ist, von ausser-
ordentlicher Wichtigkeit. Der Nachweis desselben gelang zuerst Kolbe
und Schmitt^; sie liessen Kalium unter einer mit lauwarmem Wasser
abgesperrten und mit Kohlensäure fortwährend gefüllt gehaltenen Glas-
glocke in dünner Schicht ausgebreitet stehen; nach 24 Stunden hatte
sich das Kalium in ein Gemisch von Kaliumbicarbonat und Kalium-
formiat umgewandelt:
2K + 2C0, + HjO = KHCOs + HCOjK.
Ameisensäure entsteht femer, wenn man Natriumamalgam auf eine
Lösung von kohlensaurem Ammon * oder auf Lösungen von Bicarbonaten ^
einwirken lässt, auch wenn man Wasser unter Einleiten von Kohlensäure
elektrolysirt*.
Erhitzt man Schwefelkohlenstoff mit Wasser und Eisenfeile auf 100^, so
bfldet sich ameisensaures Eisenozydul'.
Wenn die Ameisensäure eben als das erste Reductionsprodukt der
Kohlensäure aufgefasst wurde, so erscheint sie demgemäss, wenn man
umgekehrt den Process der Oxydation complicii'terer organischer Sub-
stanzen zu Kohlensäure ins Auge fasst und ihn in einzelne Phasen zer-
legt denkt, als die letzte Etappe auf dem Wege zur völligen Verbren-
nung. Die Kohlensäure kann als das letzte, die Ameisensäure als das
vorletzte Oxydationsprodukt organischer Substanzen bezeichnet werden.
In der That begegnet man der Ameisensäure sehr häufig bei der Oxy-
dation organischer Stoffe; so ist sie u. a. bei der Oxydation von Zucker,
Stärkemehl, Holzfaser, Alkohol mit Braunstein und Schwefelsäure® er-
halten worden.
» Ann. U9, 251. * Maly, Ann. 136, 119. » Ballö, Ber. 17, 7.
* Roter, Compt rend. 70, 731. * Loew, Ber. 13, 324.
* DObereiner, Ann. 3, 144. — Gmeli», Pooo. 16, 55. — Liebiq, Ann. 17, 70.
316 Am&isensäwe (Darstellung),
Alle bisher erwähnten Bildungsweisen der Ameisensäure werden
indess zu ihrer Darstellung gegenwärtig nicht benutzt. Die zweck-
mässigste Darstellungsmethode der Ameisensäure gründet sich
auf die Zersetzung der Oxalsäure in Kohlensäure und Ameisen-
säure:
CO. OH H
I =1 + CO..
CO. OH CO. OH
Diese Zersetzung kann durch directes Erhitzen der Oxalsä^ire für sich ^,
aber nur unvollkommen, bewirkt werden; sie erfolgt auch schon bei ge-
wöhnlicher Temperatur, wenn man eine wässrige Lösung von Oxalsäure
in Gegenwart von etwas üranoxyd dem Sonnenlichte aussetzt*. Ausser-
ordentlich glatt aber vollzieht sie sich, wenn man Oxalsäure mit Gly-
cerin^ oder einem anderen mehratomigen Alkohol* auf etwa 100*^ er-
hitzt. Die Bolle des mehratomigen Alkohols besteht bei diesem Process
darin, dass er mit der aus der Oxalsäure abgespaltenen Ameisensäure
einen Ester bildet, welcher in einer späteren Phase des Processes die
Ameisensäure unter Rückbildung des Alkohols wieder austreten lässt.
Erhitzt man z. B. Glycerin C3Hg(0H)g mit krystallisirter Oxalsäure CjH^O^
+ 2H2O, so spaltet sich die Oxalsäure in Kohlensäure, welche entweicht,
und Ameisensäure, welche vom Glycerin gebunden wird, und es destillirt
Wasser mit nur wenig Ameisensäure ab:
CsH^COH)« + C,0,H, + 2H80 = C,H,jgg^^^^ + CO, + 3H,0;
trägt man nun aufs Neue krystallisirte Oxalsäure ein, so spaltet sich der
Glycerin-Ameisensäureester unter der Einwirkung des in der Oxalsäure
enthaltenen Krystallwassers :
in Ameisensäure, welche abdestillirt, und Glycerin, welches zurückbleibt
und nun wieder im Stande ist, die durch Zersetzung der Oxalsäure ent-
stehende Ameisensäure als Ester zu binden. Bei dem Zusatz einer
neuen Menge Oxalsäure wiederholt sich derselbe Vorgang, und so fort;
es ist daher ersichtlich, dass eine geringe Menge Glycerin ausreicht, um
eine grosse Menge Oxalsäure in dieser Weise zu zersetzen; die Wir-
kungsweise des Glycerins ist ganz ähnlich derjenigen der Schwefelsäure
bei dem Bildungsprocesse des Aethers (vgl. S. 191). (Statt des Glycerin-
monoformins Cs^e/OH^ ^^^ vielleicht das Diformin CJjHjIqJt. '* als
Zwischenprodukt anzunehmen ^.)
* GrAY-LussAc, Ann. eh. [2] 46, 218. — Lorin, Compt. rend. 98, 1145.
' Seekamf, Ann. 122, 113.
' Berthelot, Ann. 98, 139. * Lorin, Ann. eh. [4] 29, 867.
^ V. EoMBURQH, Compt. rend. 93, 847.
Ameisensäure (Darstellung und Eigenschaften), 317
Darstellung der Ameisensfture^ Man fügt zu Glycerin, welches bei 175®
entwässert wurde, die gleiche Menge krystallisirter Oxalsäure und erhitzt allmählich
auf 100 — 105®; unter lebhafter Kohlensäure-Entwickelung destillirt eine sehr ver-
dünnte Ameisensäure über; nach Beendigung der lebhaften Kohlensäure-Entwickelung
lässt man auf etwa 50® erkalten, fügt wieder die gleiche Menge krystallisirter Oxal-
säure zu und erhitzt von Neuem auf 100 — 105® bis zum Nachlassen der Kohlensäure-
Entwickelung, wobei man nun eine stärkere Säure als Destillat auffängt; nach dem
Erkalten kann eine neue Menge Oxalsäure zugegeben, und beliebig lange in dieser
Weise fortgefahren werden. Bei den späteren Zusätzen wird die abdestillirende Säure
stärker; man erhält im Mittel eine Säure von etwa 56®/o, entsprechend dem Aeqni-
valentverhältniss CHsOa + 2H,0.
Arbeitet man mit entwässerter Oxalsäure, so erhält man eine Säure von durch-
schnittlich 88—92 ®/o.
Für die Darstellung sehr reiner Ameisensäure empfiehlt es sich, das Glycerin
durch Mannit zu ersetzen.
Um aus verdünnter Säure die wasserfreie Säure zu gewinnen, bereitet man
durch Neutralisation ndt kohlensaurem Blei das ameisensaure Blei und erhitzt das
scharf getrocknete Salz im Schwefel wasserstrom auf 130®, wobei die wasserfreie
Säure übergeht, während Schwefelblei zurückbleibt*. Dieses Verfahren ist indess
unbequem und liefert keine gute Ausbeute; auch ist die erhaltene Säure durch übel-
riechende Produkte verunreinigt. Viel besser ist es, die verdünnte Säure zunächst
durch Destillation unter Verwerfung der zuerst übergehenden schwächeren Säure
auf eine Stärke von etwa 75®/o zu bringen (vgl. unten) und in dieser Säure dann
unter Erwärmen entwässerte Oxalsäure aufzulösen; beim Erkalten krystallisirt nun
wasserhaltige Oxalsäure aus, und man erhält beim Destilliren der davon abgegossenen
Flüssigkeit fast wasserfreie Ameisensäure. — Verdünnte Säure lässt sich femer durch
Destillation mit concentrirter Schwefelsäure unter vermindertem Druck verstärkend
Man hat dabei zu beachten, dass die Quantität der Schwefelsäure stets niedriger
bemessen wird, als dass sie mit dem Wasser, welches die Ameisensäure enthält, das
Hydrat H^SO« -f- H,0 bilden könne, und dass die Temperatur niemals über 75 ® steige.
Die wasserfreie Ameisensäure ist eine farblose, schwach rauchende
Flüssigkeit von stechendem Geruch; sie ist eine der ätzendsten Sub-
stanzen; ein Tropfen, auf eine weiche Stelle der Haut gebracht, ver-
ursacht unerträgliche Schmerzen und schliesslich die Bildung einer
schmerzhaft eiternden Wunde; ihre physikalischen Constanten siehe in
der Tabelle Nr. 14 (S. 312). — Wässrige Ameisensäure verhält sich
beim Sieden wie wässrige Mineralsäuren; man erhält, ob man von
schwächerer oder stärkerer Säure ausgeht, durch wiederholte Destillation
eine Säure von bestimmter Concentration und constantem Siedepunkt;
die Zusammensetzung dieser constant siedenden wässrigen Säure ^ ist vom
Druck abhängig; bei gewöhnlichem Druck enthält sie 77-57o Ameisen-
saure und siedet bei 107-1 ^ — Ameisensäure wirkt kräftig anti-
septisch ^
Die Salze der Ameisensäure (Formiate)® sind alle in Wasser löslich und
meist gut krystallisirbar. Das Raliumsalz CHOjK ist an der Luft zerfliesslich
» VgL LoMN, Ann. eh. [4] 29, 367. — Jb. 1875, 505. — Bull. 37, 104.
* LiEBiQ, Ann. 17, 69. ' MAanENNE, Bull. 50, 662.
* BoscoE, Ann. 125, 320. * Jodin, Compt. rend. 61, 1179.
* SoucHAY u. Groll, J. pr. 76, 470. — Barfoed, Ztschr. Chem. 1870, 272.
318 Ameisensäure (Salze, chemisches VerhaUen).
und krystallisirt schwierig, leichter krjetallisirt das ebenfalls in Wasser leicht lös-
liche Natriumsalz GHO,Na. Das Bariumsalz (GHO,)sBa löst sich in 4—5 Tk,
das Calciumsalz (CHOs),Ca in 8—10 Th. kalten Wassers; das Magnesiumsalz
(CH0,)8Mg + 2H,0 ist in etwa 13 Th. Waaser löslich. Das Bleisalz (CHOj,Pb
löst sich in 63 Th. Wasser von 16® und in ö»/« Th. Wasser von 100®; dieses in
kaltem Wasser schwer lösliche Salz eignet sich besonders zur Charakterisirung der
Ameisensäure; wo Ameisensäure nachgewiesen werden soll, führt man sie am besten
in das Bleisalz über und analysirt dieses. Das Silbersalz CHOgAg wird beim Ver-
mischen von concentrirten Lösungen der ameisensauren Alkalien mit Silbemitrat
als weisser krystallinischer Niederschlag erhalten, zersetzt sich aber wegen des Reduc-
tionsvermögens der Ameisensäure (s. unten) sehr leicht unter Abscheidung von metal-
lischem Silber; aus demselben Grunde geht auch dasQuecksilberozydsalz (CH08),Hg
schon bei geringer Erwärmung in das Quecksilberoxydulsalz (CH0s)sHg2 über,
und letzteres scheidet beim Erwärmen seiner Lösung Quecksilber ab.
Die Salze der Ameisensäure werden beim Erhitzen zer-
setzt^. Die Alkalisalze liefern bei raschem Erhitzen unter Luftabschluss
auf über 400*^ unter Entwickelung von WasserstoflF reichlich oxalsaure
Salze:
CO.ONa
2H.C0.0Na = H, -f- |
COONa;
bei niederer Temperatur entstehen hauptsächlich Carbonate; die Salze
der alkalischen Erden scheinen beim Erhitzen unter allen Umständen
nur kohlensaure Salze zu liefern.
Ein Uebergang von Ameisensäure in Oxalsäure findet auch bei
massiger Einwirkung von Salpetersäure statte
Von allen ihren Homologen ist die Ameisensäure durch ihre leichte
Oxydirbarkeit scharf unterschieden; sie wird mit grösster Leichtigkeit
zu Wasser und Kohlensäure oxydirt:
H.CO.OH + 0 = CO, + H80
und wirkt daher kräftig reducirend; aus Silberlösungen fällt sie beim
Erwärmen metallisches Silber; Quecksilberoxyd scheidet beim Erhitzen
mit Ameisensäure metallisches Quecksilber ab; Quecksilberchlorid wird
zunächst zu Chlorür, dann zu Metall reducirt. In diesen Keactionen
verhält sich die Ameisensäure ähnlich wie ein Aldehyd; und in der
That enthält ja ihr Molecül die Aldehydgruppe — CHO; die Ameisen-
säure kann als der Aldehyd der Kohlensäure aufgefasst werden:
OHCOH OHCOOH
Ameisensäure Kohlensäure.
Eine charakteristische Eeaction der Ameisensäure ist endlich der
unter der Einwirkung wasserentziehender Körper eintretende Zerfall in
Kohlenoxyd und Wasser; beim Erwärmen mit concentrirter Schwefel-
säure wird sie glatt nach der Gleichung:
H.CO.OH = CO + HjO
zersetzt.
* DuHAs u. Stas, Ann. 35, 138. — Merz u. Weith, Ber. 15, 1507.
* Ballö, Ber. 17, 9.
Essigsävre (Vorkommen und BUdtmg), 319
Fein vertheiltes Ehodium zersetzt unter Wärmeentwickelung beliebige
Mengen von Ameisensäure in Wasserstoff und Kohlensäure; ebenso
wirken Ruthenium und Iridium, dagegen nicht Platin und Palladium ^
Dieselbe Zerlegung wird durch die Spaltpilze des Flussschlammes aus-
geführt 2.
EssIgsBare: C^H^Oj = CS^-G^ (acidum aceticum — von acetum,
Essig). Schon im Alterthum kannte man die Essigsäure in der Form
des Weinessigs; die Alchemisten lehrten, sie durch Destillation in
reinerem Zustande zu erhalten. Um das Jahr 1 700 fand Stahl Methoden
auf, um concentrirte Essigsäure zu gewinnen, und entdeckte die Ent-
zündlichkeit der starken Säure. Ihre Zusammensetzung wurde erst 1814
von Bebzelius ermittelt.
Die Essigsäure findet sich in Pflanzensäfken theils frei, theils in
Form von Salzen; ihre Ester bilden häufig einen Bestandtheil der vege-
tabilischen Oele. In kleiner Menge ist sie in thierischen Secreten neben
anderen flüchtigen Fettsäuren enthalten, so im Harn ', in der Galle *, in
den Faeces*. Sehr häufig tritt sie als Produkt von Gährungs- oder
Fäulniss-Processen auf.
Künstliche Bildungsweisen der Eissigsäure sind schon unter den all-
gemeinen Bildungsweisen der Fettsäuren besprochen (S. 306 — 310). Er-
wähnt sei noch ihre Bildung durch Oxydation von Acetylen®, welche
eine Synthese aus den Elementen (vgl. auch S. 131) darstellt:
CHi CH + H,0 + 0 = CHs-CO-OH;
eine solche Oxydation erleidet das Acetylen langsam, wenn es mit Luft
gemischt über Kalilauge dem zerstreuten Lichte ausgesetzt wird, voll-
standiger, wenn man es in wässriger Lösung mit Chromsäure behandelt.
Die Darstellung der Essigsäure gründet sich theils auf ihre
Bildung durch Oxydation des Aethylalkohols, theils auf ihre Entstehung
bei der trockenen Destillation des Holzes. Die Einzelheiten dieser in-
dustriell ausgeführten Processe werden später beschrieben (s. S. 339 — 343).
Die wasserfreie Essigsäure ist bei gewöhnlicher Temperatur
eine farblose Flüssigkeit; sie erstarrt unterhalb +16^ zu farblosen
glanzenden Krystallblättem und wird daher auch „Eisessig" genannt.
Sie riecht stechend imd ätzt die Haut; mit Wasser, Alkohol und Aether
ist sie in jedem Verhältniss mischbar; über ihre physikalischen Con-
stanten vgl. d. Tabelle Nr. 14 (S. 312). Ihr Dampf lässt sich entzünden
und brennt mit hellblauer Flamme. Sie ist sehr hygroskopisch. Sie be-
sitzt ein erhebliches Lösungsvermögen für viele organische Verbindungen
^ DxYiLLB a. DsBRAT, Compt. rend. 78, 1782.
' Hoppe-Sbti£r, Ztschr. f. physiol. Chem. II, 566.
• THijDicHtnf, Jb. 1870, 918. * Doqiel, Ztschr. Chem. 1867, 509.
' Bmeqeb, Ber. 10, 1028. • Bebthelot, Bull. 14, 113.
320
Essigsäure (Eigenschaßen),
und wird daher oft als Krystallisationsmittel benutzt. Auch manche
anorganischen Körper, wie z. B. Phosphor und Schwefel, lösen sich in
Eisessig; Chlorwasserstoff, Brom Wasserstoff und Jodwasserstoff werden
in sehr beträchtlicher Menge von Eisessig absorbirt.
Beim Mischen der wasserfreien Essigsäure mit Wasser tritt Er-
höhung der Temperatur und Contraction des Volums ein; das specifische
Gewicht steigt mit wachsender Verdünnung bis zu einem Maximum
(1-0748 bei 15% welches bei einem Verhältniss von 77 Th. Eisessig auf
23 Th. Wasser — entsprechend dem Hydrat CgH^Og + H^O (vgl. S. 321)
— erreicht wird; bei stärkerer Verdünnung sinkt das specifische Gewicht
nun wieder:
Tabelle Nr. 15.
Specifisches Gewicht der wässrigen Essigsäure^ (bei 15^).
100 o/o
Essigsäure:
1-055
50%
Essigsäure:
1-062
90 „
11
1-071
40 „
)i
1-052
80 „
11
1-075
30 „
11
1-041
70 „
11
1073
20 „
11
1-028
60 „
11
1069
10 „
11
1-014
Man kann daher den Gehalt einer wässrigen Essigsäure nicht durch
das Aräometer ermitteln; man flihrt zu diesem Zwecke eine Titration
mit Normalalkali aus; bei hochconcentrirter Säure kann man auch durch
die Bestimmung des Erstarrungspunktes ^ den Wassergehalt sehr scharf
ermitteln:
Tabelle Nr. 16.
Erstarrungspunkt der wässrigen Essigsäure.
0<*/o Wasser
10
2-0
2-9
3-8
4-8
5-6
6-5
74
11
11
11
11
11
11
11
11
11
11
11
11
11
11
11
11
+ 16-70
+ 14-8<»
+ 13-25°
+ 11.950
+ 10-50
+ 9-40
+ 8-20
+ 7-10
+ 6-250
8-30/0 Wasser
91 „
9-9„
10.8,,
13.0,,
15. 8„
17-4,,
19-4,,
11
11
11
11
11
11
11
+ 5.30
4- 4-30
+ 3-60
+ 2-70
— 0-20
— 2-60
— 5-1«
— 7.40.
Bei weiter steigendem Wassergehalt sinkt der Erstarrungspunkt bis
zu einem Minimum von etwa —24^, welches bei einem Gehalt von 37
bis 38 ^/o Wasser (entsprechend dem Hydrat C^H^Oj + 2HgO) erreicht
wird ; bei noch grösserer Verdünnung steigt der Erstarrungspunkt wieder*.
— Wässrige Essigsäure giebt bei der Destillation stets ein wasserrei-
cheres Destillat, während eine stärkere Säure zurückbleibt; es existirt
keine wässrige Essigsäure, welche bei constanter Temperatur ohne Aen-
derung ihrer Zusammensetzung siedet; die Essigsäure weicht demnach
» OuDEMANS, Jb. 1866, 302. > Rüdobff, Ber. 3, 390.
' Grimaux, Compt. rend. 76, 486.
Essigsäure (Salze). 321
in dieser Hinsicht von den Mineralsäuren und der Ameisensäure (vgl.
S. 317) ab^
Aus dem umstand, dass das Dichtigkeitsmaximum der wässrigen
Essigsäure bei einer Zusammensetzung eintritt, welche ziemlich genau
der Formel CgH^O, + H^O entspricht, könnte man folgern wollen, dass
dieses Monohydrat der Essigsäure eine bestimmte chemische Verbindung
— etwa von der Constitution:
/OH
(Orthoessigsäure, s. Kap. 10, Abschn. 3) — sei. Die Unrichtigkeit einer
solchen Annahme geht aber schon daraus hervor, dass die dem Dichte-
maximum entsprechende Zusammensetzung von der Temperatur abhängig
ist; bei 0** entspricht das Maximum einem Gehalt von 80 — 82 %> l>ei 15*^
einem Gehalt von 77— SO^o- tei 40® einem solchen von 75 — 77^0 Essig-
säure ^
Die Salze der Essigsäure werden Acetate genannt. Die neu-
tralen Salze sind in Wasser sämmtlich löslich (schwer löslich sind in der
Kälte das Quecksilberoxydul- und Silbersalz); man gewinnt sie durch
Neutralisation der Essigsäure mit den Metalloxyden oder den Garbonaten
in wässriger Losung. Wasserfreie Essigsäure oder in Alkohol gelöste
Elssigsäure zersetzen die Alkalicarbonate nicht; es wird im Gegentheil eine
alkoholische Lösung von essigsaurem Eali beim Einleiten von Kohlensäure
unter Abscheidung von Kaliumcarbonat und Freiwerden der Essigsäure
zersetzt'. Es beruht dies auf der bei doppelten Umsetzungen stets
herrschenden Neigung zur Bildung unlöslicher Salze. Die Kohlensäure
treibt in alkoholischer Lösung die Essigsäure aus, damit aus dem in
Alkohol löslichen Kaliumacetat das in Alkohol unlösliche Kaliumcarbonat
entsteht.
Kalinmacetat C^HsKOa ist sehr zerfliesslich, löst sich bei 2^ in 0*531 und
bei 62^ in 0*203 Theilen Wasser und ist auch in Alkohol leicht löslich. Einfach-
saures Kaliumacetat CaH^KOs + C^Hß^ krystallisirt aus der Lösung des nor-
malen Acetats in Essigsäure; es schmilzt bei 148^ und zersetzt sich bei etwa 200®
unter Abgabe von wasserfreier Essigsäure. Auch ein zweifachsaures Kalium-
acetat C,H,KOs + 2CaH40, (Schmelzpunkt 112 <>) ist erhältlich. Die theoretische
Erklärung dieser fibersauren Sabse einer einbasischen Säure bietet Schwierigkeiten;
man mufis sie als Molecularverbindungen zwischen dem neutralen Salze und der
freien Säure auffassen, wenn man sie nicht etwa von polymeren Essigsäuren, wie
CH3 tCx OH
z. B. ^ >^ » ableiten wüL
CH,— -^^^-OH
Natriumacetat CgHsNaO, krystallisirt aus wässriger Lösung mit 3 Mol.
Wasser; es löst sich bei gewöhnlicher Temperatur in etwa 3 Th. Wasser unter
beträchtlicher Temperaturemiedrigung; auch in Alkohol ist es ziemlich leicht lös-
lich. £e schmilzt gegen 100^ in seinem Krystallwasser zu einer farblosen Flüssig-
^ BoscoB, Ann. 126, 323. ' Ocdbmans, Jb. 1866, 302.
' PsLOVZB, Ann. 6, 260.
V. Mktxb XL Jaoobboh, org. Chem. L 21
322 Essigsäu/re {ScUxe).
keit, welche in hervorragendem Grade die Erscheinung der Ueberschmelzung zei^t;
IftBst man sie vorsichtig erkalten, so kann sie selbst bei 0^ noch flüssig erhalten
werden; sie erstarrt dann aber sofort unter beträchtlicher Temperaturerhöhung bei
Berührung mit einem Krystall des Salzes. Erhitzt man das geschmolzene wasser-
haltige Salz weiter, so wird das Krystallwasser ausgetrieben und es scheidet sich
festes wasserfreies Salz ab. Letzteres schmilzt dann für sich bei höherer Temperatur
(319^), ohne sich zu zersetzen. Das wasserfreie Natriumacetat, welches nach
dem Erstarren der Schmelze eine grobblättrige krystallinische Masse darstellt, zieht
begierig Wasser an und wird daher oft bei organisch -chemischen Reactionen als
wasserentziehendes Mittel angewendet. — Auch saure Natriumacetate^ wie
CjHgNaOj -f- CjH^Oj und CjHgNaOg + 2C,H408 sind bekannt.
Das Ammoniumacetat C2Hs(NH4)02 wird durch Einleiten von Ammoniak in
Eisessig als zerfliessliche krystallinische Masse gewonnen; es dient zur Darstellung
von Acetamid (s. Kap. 10, Abschn. 5); beim Verdampfen der wässrigen Losung ver-
flüchtigt sich Ammoniak und Essigsäure.
Calciumacetat (CsH80,)tCa + 2HsO und Bariumacetat (C,HBO,),Ba -t- H,0
sind in Wasser leicht löslich.
Neutrales Bleiacetat (Bleizucker) (CsH30,)tPb + 3H,0 gewinnt man
durch Auflösen der berechneten Menge Bleioxyd in Essigsäure; es krystallisirt in
monoklinen Prismen oder Tafeln, reagirt schwach sauer, ist giftig und besitzt einen
unangenehm süssen Geschmack. Es löst sich bei gewöhnlicher Temperatur in 1-5,
bei 40^ in 1 und bei 100^ in 0-5 Th. Wasser und ist auch in Alkohol ziemlich
löslich (bei 19** in 15 — 16 Th. SOprocentigem Weingeist). Seih Krystallwasser ver-
liert das Salz über Schwefelsäure und auch beim Erhitzen auf etwa 100^; das
wasserfreie Salz schmilzt oberhalb 200® und wird bei stärkerem Erhitzen zersetzt.
Aus der Lösung des neutralen Bleiacetats erhält man durch Behandlung mit Blei-
ozyd basische Bleisalze^ Das einfach-basische Bleiacetat Pb(0H)-C,H,02
(= PKC^HgO,), + PbO -f- H,0) ist In Wasser sehr leicht lösKch. Das zweifach-
basische Bleiacetat Pb(CtH80g)2 + 2 PbO entsteht durch Behandlung des neutralen
Acetats mit überschüssiger Bleiglätte oder durch Eingiessen von Bleizuckerlösang in
überschüssiges Ammoniak; es ist schwerer löslich; bei 20® bedarf es zur Lösung
18 Th., bei 100® 5V, Th. Wasser. Der officinelle Bleiessig ist eine Lösung
der basischen Bleiacetate. Die Acetate des Bleis sind im Laboratorium wichtige
Beagentien; man benutzt sie z. B., um organische Säuren aus Reactionsgemischen in
Form unlöslicher Bleisalze niederzuschlagen. In der Technik dienen sie zur Be-
reitung des Chromgelbs, des Bleiweiss und anderer Bleipräparate.
Neutrales Kupferacetat Cu(C2HsO,)2 + H^O bildet blaugrüne monokline
Säulen und löst sich in 13*4 Th. kaltem, in 5 Th. kochendem Wasser; auch in
Alkohol löst es sich. Basische Kupferacetate (wie Cu(OH)(C,H,0,) oder
2Cu(C,H302)s + CuO) entstehen durch Einwirkung von E^igsäure auf Kupfer bei
Luftzutritt; sie werden gewöhnlich Grünspahn genannt und finden als Farben
Verwendung. Das Schwein furter Grün besteht aus Doppelsalzen von essig-
saurem und arsenigsaurem Kupfer, welche wohl je nach der Bereitungsweise wech-
selnde Zusammensetzung besitzen.
Mercuriacetat oder essigsaures Quecksilberoxyd Hg(CsHsOg)t bildet glänzende
Tafeln und löst sich in 4 Th. Wasser von 10®. Mercuroacetat oder essigsaures
Quecksilberozydul Hg2(C8H302), löst sich dagegen erst in 133 Th. Wasser von 12®.
Silberacetat C^HgAgOg bildet, aus kochendem Wasser krystallisirt, glänzende
Nadeln, beim Vermischen der concentrirten Lösung von essigsauren Salzen mit
* Lescoeür, Compt. rend. 78, 1046. — Villiebs, Bull. 29, 153; 30, 153, 175.
* Löwe, J. pr. 98, 391.
Essigsäure (Salxe; chemisches Verhalten), 323
SUbemitrat fällt es als krystallinischer Niederschlag aus; 100 Th. Wasser lösen bei
20<^ 1-04 Th., bei 80^ 2-52 Th. des Salzes. Beim Erhitzen hint«rlässt es, wie alle
Silbersalze organischer Säuren, reines metallisches Silber.
Aluminiumacetate: Ein neutrales Aluminiumacetat ist in festem Zustand nicht
isolirbar. Wenn man eine Lösung von Aluminiumsul&t mit Bleizucker umsetzt, vom
Bleisulfat abfiltrirt und das Filtrat zur Ausfüllung des als Sulfat gelöst gebliebenen
Bleis mit Schwefelwasserstoff, darauf zur Entfernung der Schwefelsäure mit essigsaurem
Barjrt behandelt, so erhält man eine Lösung von essigsaurer Thonerde. Diese
Losung trübt sich beim Erhitzen — besonders leicht bei Gegenwart von anderen Salzen
— unter Abscheidung eines sehr voluminösen basischen Salzes (vgl. auch Eisenacetate) ;
auf dieser Eigenschaft beruht die Anwendung der essigsauren Thonerde als Beiz-
oiittel in der Färberei. Man tränkt die zu färbenden Stoffe mit einer Lösung von
efisigsaurer („holzsaurer") Thonerde, welche durch Umsetzung von essigsaurem Kalk
mit Aluminiumsulfat gewonnen wird, trocknet und dämpft sie; die Essigsäure ver-
flüchtigt sich beim Dämpfen, und die zurückbleibende Thonerde vereinigt sich bei
dem nun folgenden Färben mit dem Farbstoff zu einem unlöslichen „Farblack". —
Das officinelle Präparat — Liquor aluminii acetici — wird hergestellt, indem man
in eine mit Essigsäure versetzte Lösung von Aluminiumsulfat Calciumcarbonat ein-
trftgt und nach 24 Stunden vom Calciumsulfat abfiltrirt
Eisenacetate: Das neutrale Ferriacetat^ erhält man, wenn man Eisen-
hydrozyd, das in der Kälte durch Ammon gefällt und mit heissem Wasser aus-
gewaschen ist, in heisser Essigsäure löst und die blutrothe Lösung vorsichtig auf
dem Wanerbade eindampft, als schwarze spröde Masse. Vermischt man die Lösung
von Eisenozydsalzen mit essigsauren Salzen, so erhält man eine dunkelrothe Lösung ;
beim Kochen der genügend verdünnten Lösung wird alles Eisen niedergeschlagen
(vgl. oben Aluminiumacetate); man bedient sich dieses Verhaltens des Aluminium-
nnd Eisenaoetats bekanntlich in der analytiBchen Chemie zur Trennung des Aluminiums
und Eisens von Mangan, Zink, Kobalt und Nickel. Eine Lösung von reinem Ferri-
aoetat bleibt indessen beim Kochen klar; es ist die Gegenwart anderer Salze, welche
die besprochene Abscheidung des Eisenoxyds bedingt. — Ferroacetat FeCCjHgOs),
-H 4HtO bildet grünlichweisse, sehr lösliche Nadeln.
Bezäglich des chemischen Verhaltens der Essigsäure ist der allge-
meinen Schilderung der Fettsäuren (S. 311 — 313) kaum etwas hinzuzu-
fügen. Interessant ist die glatte »Spaltung der Essigsäure in Methan
and Kohlensäure:
CHsCO.H = CH^ + COj,
welche sie erleidet, wenn man sie in Form des Calciumsalzes unter der
Einwirkung der Spaltpilze des Flussschlammes gähren lässt^. Hin-
gewiesen sei femer auf die ausserordentlich grosse Beständigkeit der
Essigsäure; ihr Dampf bleibt selbst beim Durchleiten durch ein roth-
glühendes Bohr zum grossen Theil unangegriffen. Auch gegen kräftig
oxydirende Mittel ist sie sehr widerstandsfähig; die Oxydation com-
plicirterer Verbindungen bleibt daher in vielen Fällen bei der Bildung
der Essigsäure stehen , und letztere tritt sehr häufig als Oxjdations-
produkt auf. Infolge dieser Widerstandsfähigkeit benutzt man den Eis-
essig auch in der Begel als Lösungsmittel für Chromsäure, wenn es sich
' REimTZEB, Monatsh. 3, 256.
' Hofpb-Sbtler, Ztschr. f. physiol. Chem. 11, 561.
21
324 Essigsätire (Nachweis).
darum handelt, in Wasser nicht lösliche Verbindungen mit Chromsäure zu
oxydiren.
Erystallinische Additionsprodukte der Essigsäure mit Brom und
Brom wasserstoff sind von Steiner^ und von Hell und Mühlhaüser* beschrieben.
Für den Nachweis der Essigsäure kann man sich der intensiven
Färbung ihres Eisenoxjdsalzes (s. S. 323) bedienen; mischt man die neu-
trale Lösung eines Acetats mit Eisenchlorid, so nimmt die Flüssigkeit
eine tiefrothe Färbung an, die aber beim Kochen unter Abscheidung
eines braungelben flockigen Niederschlags verschwindet. Auch an dem
charakteristischen, lieblichen Geruch des Essigsäureäthylesters, welcher
sich bildet, wenn man essigsaure Salze mit einem Gemisch von etwa
gleichen Raumtheilen concentrirter Schwefelsäure und Alkohol gelinde
erwärmt, kann man sie erkennen. Sehr empfindlich ist die sogenannte
„Kakodylprobe" ; erhitzt man ein Alkaliacetat mit Arsenigsäureanhydrid,
so tritt der durchdringende Geruch des Kakodyls auf (s. S. 267). Es ist
indessen zu bemerken, dass andere Fettsäuren sich den erwähnten
Eeagentien gegenüber ähnlich verhalten. Ist man zweifelhaft, ob Essig-
säure oder eine andere Fettsäure vorliegt, so entscheidet man diese
Frage am einfachsten durch die Darstellung des Silbersalzes und die
Bestimmung seines Silbergehalts durch Glühen einer abgewogenen Probe
im Porzellantiegel und Wägung des Glührückstands (vgl. S. 26). Essig-
saures Silber enthält 64-67 «^ Silber.
Der Silbersalze bedient man sich auch häufig zur Prüfung, ob eine einheitliche
SSure oder ein Säuregemisch vorliegt. Man neutralisirt die zu prüfende Substanz
mit Ammoniak und fällt die Lösung firactionirt mit Silbemitrat aus; war die Sfture
einheitlich, so müssen alle Fractionen denselben Silbergehalt aufweisen; lag ein Ge-
misch vor, so enthalten die ersten Fractionen die schwerer löslichen Silbersalze, die
letzten Fractionen die leichter löslichen, und man findet daher bei der Analyse der
einzelnen Fractionen verschiedenen Gehalt an Silber (vgl. auch S. 327).
Propionsäure (Aethylcarbonsäure, Methylessigsäure):
CgHßOjj = C2H5CO2H. Die dritte Säure der Eeihe CJBi^jO^ ist 1844 von
Gott-lieb' entdeckt worden; er gewann sie aus Bohrzucker durch
Schmelzen mit Aetzkali und nannte sie Metacetonsäure. Später erhielt
die Säure den Namen Propionsäure, weil sie in der Fettsäure -Reihe
die erste Säure von fettähnlichen Eigenschaften ist {n^tSrog der erste
und nimv fett) ; aus ihrer wässrigen Lösung wird sie durch Chlorcalcium
und andere leicht lösliche Salze als obenauf schwimmende ölige Schicht
abgeschieden, und ihre Alkalisalze fühlen sich fettig an.
Die Propionsäure ist nach fast allen allgemeinen Bildungsweisen
der Fettsäuren (vgl. S. 306 — 309) erhalten worden. Erwähnt sei ihre
Bildung in Gährungsprocessen, so aus äpfelsaurem ^ und milchsaurem Kalk'
durch Spaltpilzgährung. Sie ist femer im Holzessig (vgl. S. 169 u. 343)
* Ber. 7, 184. « Ber. 10, 2102; U, 241; 12, 735. » Ann. 62, 121.
* Fitz, Ber. U, 1896.
* Stbecker, Ann. 02, 80. — Fitz, Ber. 12, 479; 17, 1190.
Propionsäure, Buttersäuren. 325
neben anderen Fettsäuren enthalten^; in dem Theer aus Colophonium
findet sich verhältnissmässig viel Propionsäure neben geringen Mengen
anderer Fettsäuren'. In dem Saft des Fruchtfleisches von Gingko biloba
kommt sie neben anderen Fettsäuren vor'.
Zur Darstellung der Propionsäure kann man sich der Yerseifung
des Cyanäthjls^ bedienen; am bequemsten erhält man sie — auch in
grösserem Massstab — durch Oxydation von normalem Propylalkohol mit
Chromsäure-Gemisch ^. Auch die Eeduction von Milchsäure mit Jod-
wasserstoff (vgl. S. 307) ist als Darstellungsmethode empfohlen^.
Die Salze der Propionsäure' sind sämmtlich in Wasser löslich. Das
Bariumsalz (CgHgOiJsBa krystallisirt mit 1 Mol. Wasser in grossen Prismen und
lost sich zu 54'l®/o in Wasser von 12^ Von dem Silbersalz C^Hfi^kg lösen
100 Th. Wasser bei 20® 0-836 Th., bei 80® 2-03 Th.
Buttersänren C^HgO^. Den beiden Structurmöglichkeiten:
CH..CH,.CH,.CO,H und 'NcH-COsH
entsprechend, sind zwei Säuren von der Zusammensetzung C^HgOj be-
kannt, welche man als normale Buttersäure und Isobuttersäure von
einander unterscheidet. Ihre Constitution ergiebt sich aus ihren syn-
thetischen Bildungs weisen; diejenige Säure, welche aus dem normalen
Propyljodid durch Vermittelung des Cyanids:
CHa-CHjCHjJ >- CHaCHjCHjCN >- CH,.CH,.CH,.CO,H
gewonnen werden kann®, ist die normale Säure; die in gleicher Weise
aus dem Isopropyljodid erhältliche Säure ^:
(CH,),CHJ >- (CH8)>CH.CN - )- (CHa)8CH.C0,H
ist die Isobuttersäure. (Aus der Structur der beiden Buttersäuren wurde
auch diejenige der zugehörigen Alkohole abgeleitet, vgl. S. 162).
Die normale Buttersäure CBLj-CHj-CHj-COgH (Propylcarbon-
säure, Aethylessigsäure) wurde 1814 von Chevreül ^® in der Butter
aufgefunden; sie ist darin in der Form ihres Glycerinesters
C^^^{0'GO'C^Ky)^ enthalten; doch kommen daneben auch homologe
Säuren vor (vgl. Capronsäure, Caprylsäure, Caprinsäure) , und die Rein-
darstellung der Buttersäure aus Butter ^^ ist daher nicht leicht. Auch
^ ANDERSON, Jb. 1866, 310. — Barr£, Compt. rend. 68, 1222. — Kbämer u.
Obodzki, Ber. 11, 1856.
' Renabd, Compt rend. 103, 157. • ' B6champ, Compt rend. 58, 135.
* Ybjjxxlajxv u. Kolbe, Ann. 65, 300. — Linnemakn, Ann. 148, 253. — Beckubts
u. Otto, Ber. 10, 262.
• PiERBE u. PucHOT, Ann. eh. [4] 28, 71. • Freund, J. pr. [2] 5, 446.
' Wriohtson, Ann. 90, 45. — Strecker, Ann. 92, 86. — Fitz, Ber. 11, 1896;
13, 1312; 14, 1084. — Pierre u. Puchot, Ann. eh. [4] 28, 81. — Raupenstrauch,
Monatsh. 6, 687. — Mixter, Ber. 20 c, 208. — Renard, Compt rend. 104, 913.
' Linnexann u. Zotta, Ann. 161, 175.
» Markownikow, Ann. 138, 361. ^^ Ann. eh. [2] 23, 23.
" Lerch, Ann. 49, 216. — Grünzweig, Ann. 162, 215.
326 Buttersäuren.
in anderen thierischen Fetten und pflanzlichen Oelen finden sich Ester
der Buttersäure. Freie Buttersäure kommt in vielen thierischen Secreten
vor, so im Schweiss*, in den Fäces*, in der Flüssigkeit, welche die
Laufkäfer von sich geben'.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Entstehung der Butter-
säure in Gährungsprocessen. Aus Rohrzucker* bildet sie sich
durch die sogenannte ,,Btittersäuregährung", welche man einleiten kann,
indem man zu einer mit Weinsäure gekochten Zuckerlösung nach einigen
Tagen faulende Stoffe (Käse oder Fleisch) zusetzt und das Gemenge
mehrere Tage bei 25 — 35*^ sich selbst überlässt; um die bei der Gäh-
rung entstehenden Säuren zu binden und das Gemisch während der
Gährung neutral zu erhalten, setzt man ihm Kreide oder Zinkoxyd zu.
Man benutzt diese Bildung zur Darstellung der Buttersäure^ Der
' Process der Buttersäurebildung durch Gährung des Rohrzuckers zei'fallt
in mehrere Phasen; der Rohrzucker wird zunächst invertirt:
die entstandene Glykose CgH^jOg zerfällt in zwei Molecüle Milchsäure
CjHgOj, und letztere geht nun unter Entwickelung von Wasserstoff und
Kohlensäure in Buttersäure über:
2C,He08 = CäO, + 2C0, + 2H,.
Zweckmässiger ist es nach Fitz, anstatt der faulenden Stoffe zur
Einleitung der Gährung ein reines Ferment zu verwenden. Eine sehr
gute Darstellungsmethode der Buttersäure besteht in der Verwendung
von Kartoffelstärke als Gährmaterial und einer minimalen Spur des
Bacillus subtilis (einer bestimmten Form aus der Gruppe der Spaltpilze
[Schizomyceten]) als Gährungserreger ; man erhält das mit geringen
Mengen von Nährsalzen (Kaliumphosphat, Magnesiumsulfat, Salmiak)
und mit Calciumcarbonat versetzte Gährgemisch auf einer Temperatur
von 35 — 40 <^. Auch aus Glycerin, Mannit, Dulcit und anderen Verbin-
dungen bildet sich die Buttersäure durch Spaltpilzgährung®.
Buttersäure wird auch im Grossen durch Gährung gewonnen, und
zwar vortheilhaft aus Traubenzucker mit faulendem Limburger Käse.
Bei den Gährungsprocessen bilden sich daneben stets Essigsäure und
Capronsäure; zur vollständigen Reinigung verwandelt man die oberfläch-
lich fractionirte Buttersäure am besten in den Aethylester, welcher durch
fractionirte Destillation aus Colonnenapparaten gereinigt wird. Aus dem
reinen Ester erhält man durch Verseifung mit Kalkmilch das Kalksalz,
aus letzterem durch Zersetzung mit Salzsäure die reine Buttersäure ^.
* Schottin, Jb. 1852, 704. » Brieoer, Ber. 10, 1028.
* Pelouze, Compt. rend. 43, 123.
* Pelouze u. G^lis, Ann. eh. [3] 10, 434.
* Benscu, Ann. 61, 174. — Grillone, Ann. 165, 127. — Peibram, Jb. 1879, 614.
* Fitz, Ber. 9, 1348; U, 42.
' Privatmittheilung von Dr. A. Bannow (vgl. auch Ber. 19, 2552).
Buttersäuren. 327
Buttersäure bildet sich auch häufig in Fäulnissprocessen, so aus
Fibrin^ und Caseln^, hierauf ist ihr Vorkommen im Limburger Käse
zurückzufuhren ^. Zuweilen entsteht sie durch Oxydation complicirterer Ver-
bindungen, so z. B. aus Coniin durch Einwirkung von Chromsäure* und
bei der Oxydation von EiweissstoflFen mit Braunstein und Schwefelsäure*.
Bei der Gewinnung der Fettsäuren aus Naturprodukten, Gährungsgemischen
oder Oxydationsgemischen erhält man häufig ein Gemenge homologer Säuren,
weiches in die einzelnen Componenten zu zerlegen ist. Man kann hierbei
zuweilen zum Ziel kommen, wenn man einen Theil des Säuregemenges mit Alkali
neutralisirt, dann den Best zufugt und nun das Ganze destillirt; es bleibt im Allge-
meinen die weniger flüchtige Säure als Salz gebunden zurück, während die leichter
flüchtige Säure abdestillirt, und durch Öftere Wiederholung der Operation kann man
eine ziemlich vollkommene Trennung erreichen; es ist indessen zu bemerken, dass
Essigsäure wegen der Neigung zur Bildung saurer Salze nicht durch die homologen
Säuren ausgetrieben wird^ — Zweckmässig ist auch die Trennung durch fractionirte
Destillation mit Wasser; umgekehrt, wie bei Anwendung des vorigen Trennungs-
princips, gehen hierbei zunächst die Säuren mit höherem Molecularge wicht, dann
diejenigen mit niederem über'; die auffallende Erscheinung, dass die höher sieden-
den Säuren bei der Wasserdampf-Destillation früher als die niedriger siedenden
fibergehen, hängt wohl damit zusammen, dass die Säuren mit wachsendem Molecular-
gewicbt in Wasser immer weniger löslich werden. — Für kleine Mengen ist die
fractionirte Sättigung mit Silbercarbonat empfehlenswerth; man erhält zunächst die
Silbersalze der kohlenstofi&eicheren Säuren^. — Ueber die Trennung der nichtflüch-
tigen Säuren s. S. 334—335.
Die synthetischen Bildungsweisen der Buttersäuren bestehen in der
Anwendung der allgemeinen Bildungsreactionen der Fettsäuren; sie bieten
für die Gewinnung der normalen Buttersäure keinen vortheilhaften Er-
satz gegenüber der Darstellung durch Gährung.
Die Isobuttersäure (CH3)2CH-C02H (Isopropylcarbonsäure,
Dimethylessigsäure) ist als Gährungsprodukt nicht beobachtet worden.
Sie findet sich frei in reichlicher Menge im Johannisbrod — der Frucht
von Ceratonia Siliqua L. — und kann daraus durch Destillation mit
Wasser erhalten werden®; in Form von Estern kommt sie im Römisch-
CamillenöP^ und im CrotonöP^ vor; die Arnicawurzel enthält Isobutter-
säure frei und als Ester ^*. Auch in den Fäces ist Isobuttersäure nach-
gewiesen worden ^^ Zu ihrer Darstellung eignet sich die Oxydation
» WuRTz, Ann. 52, 291. * Iuenko, Ann. 63, 268.
' Iuenko n. Laskowski, Ann. 65, 85.
* Blyth, Ann. 70, 89. — Geünzweio, Ann. 162, 217.
^ GucKELBERGEB, Ann. 64, 89.
* LdEBio, Ann. 71, 355.
^ Fitz, Ber. 11, 46. — Hecht, Ann. 209, 319.
^ Eblenmeteb u. Hell, Ann. 160, 296. Anm.
* Rei>tenbacher, Ann. 57, 177. — Geünzweio, Ann. 162, 219.
*• Röbig, Ann. 195, 92. ** Schmidt u. Behbendes, Ann. 191, 101.
" SwEL, Ann. 170, 345.
*' Bbieoeb, Ber. 10, 1028.
328 BiUtersäuren.
des Isobutylalkohols ^ oder die Verseifung des aus Isopropyljodid erhält-
lichen Isopropylcyanids*.
Beide Buttersäuren sind ölige Flüssigkeiten von höchst unange-
nehmem, ranzigem Geruch. Ihre physikalischen Constanten siehe in der
Tabelle Nr. 14 S. 312. Während die normale Buttersäure sich in jedem
Verhältniss mit Wasser mischt, erfordert die Isobuttersäure bei 20® 5 Th.
Wasser zur Lösung'; aus der wässrigen Lösung werden die Säuren
durch leicht lösliche Salze ausgeschieden.
Unter den Salzen der beiden Buttersäuren* nehmen die
Calciumsalze'^ ein besonderes Interesse in Anspruch. Das normale
Calciumbutyrat Ca(C4H702)2 ist durch die Eigenschaft charakterisirt,
dass seine Löslichkeit in Wasser mit steigender Temperatur von 0® bis
60« abnimmt; 100 Th. Wasser lösen bei 0^ 20-06 Th., bei 60« 15-01 Th:,
bei 100® 16-13 Th. des wasserfreien Salzes; beim Erhitzen der kalt ge-
sättigten Lösung scheidet sich daher ein Theil des Salzes aus; sowohl das
bei höherer wie bei niederer Temperatur sich ausscheidende Salz enthält
ein Molecül Krystallwasser. Das Calciumisobutyrat krystallisirt bei
niederen Temperaturen mit 5 Mol., gegen 80® mit 1 Mol. Wasser; die Lös-
lichkeit nimmt mit steigender Temperatur von 0® bis 80® stetig zu; bei 0®
lösen 100 Th. Wasser 20-34Th. des wasserfreien Salzes, bei 80® 28- 18 Th.,
bei 100® 25-11 Th. Höchst merkwürdig ist die von Eblenmeyeb®
beobachtete Erscheinung, dass das normale Butyrat bei langem Auf-
bewahren seiner Lösung theilweise in Isobutyrat übergeht. — Von dem
normalen Silberbutyrat AgC^H^Oj lösen 100 Th. Wasser bei 20®
0-48 Th., bei 80® 114 TL, von dem Silberisobutyrat lösen 100 Th.
Wasser bei 20® 0-96 Th., bei 80® 1-90 Th.^
Bezüglich des chemischen Verhaltens der beiden Buttersäuren sei
die Verschiedenheit in der Einwirkung von Oxydationsmitteln hervor-
gehoben. Die normale Säure liefert bei der Oxydation mit Salpeter-
säure kleine Mengen von Bemsteinsäure ^, von Chromsäure wird sie zu
Kohlensäure und Essigsäure oxydirt®. Die Isobuttersäure enthält ein
„tertiär" gebundenes Wasserstoflfatom:
C^CH;
c/
derartig gebundene WasserstoflFatome besitzen die Eigenschaft, durch
* PiEBRE u. PucHOT, Ann. eh. [4] 28, 366. — Linnemasn, Ann. 162, 8.
' Markownikow, Ann. 138, 361. * Linnemann, Ann. 162, 9.
* Pelouze u. G6hs, Ann. 47, 248. — Maäkownikow, Ann. 138, 369. — Lnnrs-
HANK u. ZoTTA, Ann. 161, 176. — Grükzweio, Ann. 162, 202, 210. — Mixtes, Der.
20 c, 209.
" Hecht, Ann. 213, 65. — Sedutzkt, Monatsh. 8, 568. — Chancbl u. Pasmem-
tieb, Compt. rend. 104, 474. — Le Cbatelieb, ebenda, 679.
* Ann. 181, 126. ' Raupenstbauch, Monatsh. 6, 589.
^ Eblenmeteb, Siegel u. Belli, Ann. 180, 209.
* Hecht, Ber. 11, 1058. — Gbünzweig, Ann. 162, 200.
Valeriansäuren. 329
Oxydationsmittel leicht in die Hydroxylgruppe übergeführt zu werden.
r>ie Isobuttersäure liefert sonach bei der Oxydation mit Ealiumperman-
gaxia.t in alkalischer Lösung Oxyisobuttersäure ^ :
(CHa),C(OH) - COJI ;
bei kraftigerer Oxydation — mit Chromsäure — liefert sie Aceton neben
viel Kohlensäure und Essigsäure ^.
Yaleriansäaren* Die Theorie lässt die Existenz von vier Säuren
der fünften Reihe voraussehen:
CH.V
1. CH,— CH,-CH,— CH,-CO,H 2. )>CH-CH,~CO,H
Propylessigsäure CHj'^^
Isopropylessigsäure
CHj — CHjv OHgv
3. >CH— COjH 4. CHs-^C-COjH
CH/ CH,/
Methyläthylessigsäure Trimethylessigsäare.
Sie sind sämmtlich bekannt und eingehend untersucht.
1. Normale Valeriansäure oder Propylessigsäure CHg-CHj-
CHg-CHj-COjH ist sjrnthetisch nach den folgenden Reactionen erhalten
worden, welche über ihre Constitution keinen Zweifel lassen: aus nor-
malem Butylalkohol durch Vermittelung des Butyljodids und Butylcyanids ^,
aus einem Gemisch von Jodäthyl und /3-Jodpropionsäure durch Jod-
entziehung mittelst molecularen Silbers^:
CHs-CH,. :J + J. CH,.CH,.CO,H + Agj = 2AgJ + CH8.CHj.CH,.CH,.CO,H,
mittelst der Malonsäureester- Synthese (S. 308) aus Propylmalonsäure
durch Kohlensäure-Abspaltung^:
yCO,H
CHj • CH) • CHj • CH<f — COj ^ CH3 • CH^ • CH2 • CHg • COjH.
\CO,H
Die letztgenannte Reaction oder auch die Reduction von Lävulinsäure *
CHj-CO-CHg-CHg-COjH mit Natriumamalgam in saurer Lösung:
CHsCOCHjCHsCOsH + 4H = CH,.CH,.CHj.CH,.CO,H + H,0
dürften für die Darstellung der Säure am geeignetsten sein. Normale
Valeriansäure ist femer im rohen Holzessig enthalten^, und sie bildet
sich aus milchsaurem Ealk durch Spaltpilzgährung ®. Ihr Geruch ist
dem der Buttersäure ähnlich. Ihr Calciumsalz Cb{G^'H^O^\ H-HgO zeigt
ähnliche Löslichkeitsverhältnisse wie das normale Calciumbutyrat; es ist in
* R. Meteb, Ann. 219, 240.
» Popow, Ztschr. Chem. 1871, 4. — E. Schmidt, Ber. 7, 1363. — Gbünzweio
Ann. 162. 209.
' Lieben u. Bossi, Ann. 159, 58. * v. Schheideb, Ztschr. Chem. 1869, 842.
^ FOkth, Monatsh. 9, 308.
* ELehber u. T0LLBN8, Ann. 206, 223. — Wolff, Ann. 208, 109.
' KsAMEB u. Groäzei, Bct. 11, 1358. * Fitz, Ber. 13, 1309; 14, 1084.
330 Valeriansäuren.
kaltem Wasser leichter löslich als in heissem, und seine kaltgesättigte
Lösung scheidet daher beim Erwärmen Krystalle ab; 100 Th. Wasser
lösen bei 0° 10-27 Th., bei 60<> 7-29 Th. Von dem Silbers alz
CgH^OgAg lösen 100 Th. Wasser bei 20 ^ 0-30 Th., bei 70 ^ 0-64 Th.
2. Isovaleriansäure oder Isopropylessigsäure (CH3)2CH-CHj-
COgH. Der synthetisch aus dem IsobutylalkohoP :
(CHj),CH.CH,.OH >- (CH8),CH.CH,.CN >- (CH5),CH.CH,.C0,H
/CO,H
und der aus der Isopropylmalonsäure (CH3)2CH«CH<^ durch Koh-
M50,H
lensäure- Abspaltung^ entstehenden Säui-e muss die Constitution der
Isopropylessigsäure zukommen. Sie besitzt einen starken unangenehmen
Geruch. Ihr Bariumsalz (C5Hg02)2Ba krystallisirt in schmalen Prismen
oder dünnen Blättchen; das Silbersalz C^HgOgAg bildet glänzende
Blättchen, 100 Th. Wasser lösen bei 20^^ 0-25 Th., bei 80^ 0-49 Th.
Die Salze dieser Säure zeigen, wie die Salze vieler höherer Fettsäuren,
die Eigenschaft, beim Aufwerfen auf Wasser mit grosser Geschwindigkeit
zu rotiren.
Diese Säure findet sich in der Wurzel des Baldrian ^ (Valeriana
officinalis) und wird aus derselben durch Destillation mit Wasser erhalten.
Von diesem Vorkommen rührt der Name Valeriansäure her. Die so
gewonnene Säure zeigt gegenüber dem polarisirten Lichtstrahl ein
schwaches Drehungsvermögen, vermuthlich, weil ihr eine gewisse Menge
der unter 3. zu beschreibenden isomeren activen Valeriansäure beige-
mengt ist. Verwandelt man sie in das Bariumsalz, reinigt dieses durch
Krystallisation und scheidet dann wieder die Säure ab, so erhält mau
eine optisch inactive Säure, welche vollkommen identisch mit der syn-
thetischen Isopropylessigsäure ist.
Man erhält diese Säure femer durch Oxydation des Gährungsamyl-
alkohols*, sie entsteht aus dem inactiven Amylalkohol (vgl. S. 164 — 165):
"^NcHCHjCHjOH — ^ 'NcH-CHaCO-OH,
während der active Amylalkohol die unter 3. zu besprechende active
Valeriansäure liefert.
Das Ammonium- und das Zinksalz der Isovaleriansäure finden als
Arzneimittel Verwendung.
^ Erlenmeter u. Hell, Ann. 160, 268. — £. Schmidt cl Sachtleben, Ann.
193, 91. ~ Sedlitzkt, Monatsh. 8, 564.
■ Conrad u. Bischoff, Ann. 204, 151.
^ Grote, Berz. Jb. 11, 225. — Trohmsdorf, Ann. 4, 229. — Erlexmeyeh u. Heix,
Ann. 160, 271.
* DüMAs u. Stab, Ann. 35, 143. — Pierre u. Puchot, Ann. eh. [4] 29, 229. —
Stalmann, Ann. 147, 129. — Erlenmeter u. Hell, Ann. 160, 275. — Laworow u.
Jarukowitsch, Jb. 1864, 337. — Duolaux, Compt. rend. 105, 171.
Valeriansäure^i. 331
3. Methyläthylessigsäure NCH-COgH. Diese Säure kann
mittelst der Acetessigester-Synthese * oder mittelst der Malonsäureester-
Synthese* durch successive Einflihrung der Methyl- und Aethyl-Gruppe
gewonnen werden. Sie findet sich femer in dem ätherischen Oele der
Früchte von Angelica Archangelica K Sie besitzt einen schwachen baldrian-
artigen Geruch. Charakteristisch ist ihr Bariumsalz {C5H^02)2Ba,
welches nicht krystallisirt erhalten werden konnte, sondern beim Ein-
dampfen der Lösung als farblose gummiähnliche Masse zurückbleibt;
ihr Silber salz CgH^OgAg ist leichter löslich als das isovaleriansaure
SUber; bei 20 ^ lösen 100 Th. Wasser M8 Th., bei 80^ 2-40 Th.
Die Methyläthylessigsäure ist unter den Valeriansäuren die einzige,
welche ein asymmetrisches Kohlenstofi'atom enthält:
C,H/ ^CO,H ;
nach der Theorie von Le Bel und van 't Hoff kommt ihr demnach
die Fähigkeit zu, in optisch activen Modificationen aufzutreten; die auf
synthetischem Wege erhaltene Säure aber ist ein Gemisch der beiden
entgegengesetzt drehenden Modificationen und daher inactiv (vgl. S. 82).
Dagegen erhält man aus dem optisch activen Gährungs-Amylalkohol
durch Oxydation eine optisch active — und zwar rechtsdrehende —
Valeriansäure*. Dieselbe ist wohl noch niemals ganz rein und frei
von inactiver Säure erhalten worden. Sie ist höchstwahrscheinlich die
active Modification der Methyläthylessigsäure; wenigstens deuten die
Eigenschafben der freien Säure und ihrer Salze darauf hin; ein sicherer
Nachweis steht aber noch aus. Er wäre zu erbringen, indem man die
synthetische inactive Methyläthylessigsäure in die activen Modificationen
zerlegt und letztere mit dem Oxydationsprodukt des reinen activen Amyl-
alkohols vergleicht. Auch für die endgültige Begründung der Constitu-
tionsformel des activen Amylalkohols (vgl. S. 165) wäre die Lösung
dieser Aufgabe von grosser Wichtigkeit.
4. Trimethylessigsäure (CH3)3C-C02H ist aus dem tertiären
Butyljodid durch Vermittelung des Cyanids^:
(CH,),CJ >- (CH3)3C.CN > (CHa)aC.CO,H,
ferner durch Oxydation des Pinakolins« (vgl. Kap. 11) (CH3)3CCO(CH3)
erhalten worden. Sie ist die einzige unter den vier Valeriansäuren,
> Savr, Ann. 188, 259. — £. Schmidt, Ann. 208, 262.
' CoKBAD n. Bischoff, Ann. 204, 148. — Sedlitzkt, Monatsb. 8, 570.
' R. MOlleb, Ber. 14, 2476.
* Franklakd u. Duppa, Ann. 145, 92. — Pedleh, Ann. 147, 243. — Erlen-
«VER u. Hell, Ann. 160, 282, 287. — Conrad u. Bischoff, Ann. 204, 157.
* BuTLEBOW, Ann. 165, 322; 170, 151; 173, 355.
* Friedel u. Silva, Compt rend. 77, 48. — S. Reformatzky, Ber. 23, 1596.
332 VcUeriansäuren.
welche bei gewöhnlicher Temperatur fest ist (vgl. Tabelle Nr. 14 auf
S. 312); es zeigt sich hierin wieder, dass die Anhäufung von Methylgruppen
(vgl. S. 167) eine Erhöhung des Schmelzpunkts bewirkt. Ihr Geruch ist
nicht sehr unangenehm und erinnert an den der Essigsäure und gewöhn-
lichen Yaleriansäure. Ihr Bariumsalz {G^B^O^^Bsl krystallisirt mit
5 Mol. Wasser.
Es sind hier nun noch eine Reihe von Beobachtungen der Valerian-
säuren in der Natur und von Zersetzungs-Reactionen natürlicher Stoffe
zu erwähnen, in welchen Yaleriansäuren sich bilden. Die erste Beobach-
tung einer Valeriansäure rührt von Chevbeül her, er fand sie 1817 in
der aus dem Delphinthran erhältlichen Seife, ein Jahr später in den
Beeren von Vibumum opulus auf. Valeriansäure findet sich unter den
Fäulnissprodukten des Caselns ^ und entsteht bei der Oxydation von
Eiweisskörpem ^. Diese und ähnliche Angaben ' stammen aus einer Zeit,
in der man noch nicht die Existenz von isomeren Valeriansäuren kannte.
Die Frage, welche der vier jetzt bekannten Säuren in jedem einzelnen
Falle vorgelegen hat, kann erst durch eine Wiederholung der Unter-
suchungen entschieden werden.
Die Säuren toh der sechsten bis zar zehnten Seihe. In den
höheren Reihen entspricht die Zahl der bekannten Säuren nicht mehr
der Anzahl der möglichen Isomeriefalle. Von den acht möglichen Säuren
der Zusammensetzung CqH^2^2 ^^^^ sieben, von den siebzehn möglichen
Heptoylsäuren C^Hj^Oj sechs mit Sicherheit bekannt. Unter diesen
Säuren verdienen diejenigen mit normaler Structur eine besondere Be-
achtung, da man ihnen häufig in der Natur begegnet; nur diese Säuren
seien im Folgenden besprochen. Sie wurden zuerst von Chevbeül als
Componenten der in der Kuhbutter und Ziegenbutter enthaltenen Ester
beobachtet*; von diesem Vorkommen haben die Säuren der 6., 8. und
10. Reihe die Bezeichnungen Capronsäure, Caprylsäure und Caprinsäure
(capra: die Ziege) erhalten. Sie finden sich auch im Käse*, im Cocos-
nussöl •, in verschiedenen Fuselölen ^ (Oenanthäther, s. S. 333) theils frei,
theils in Form von Estern. Verbindungen, welche gliederreiche Kohlen-
stofFketten in ihrem Molecül enthalten, — wie z. B. die Oelsäure — liefern
häufig diese Säuren bei der Oxydation ®.
Normale Capronsäure: CqR^^Oq = G}I^'{CH^\'CO^'R. Die nor-
^ Iljenko, Ann. 55, SO; 63, 269. ' Guckelberqer, Ann. 64, 70.
' H. Meter u. Zenker, Ann. 65, 328. — Moro, Ann. 56, 330. — Scthkedrr-
MANN n. Wikkler, Ann. 51, 824.
^ Vgl. Lerch, Ann. 49, 212. ^ Iljenko n. Laskowski, Ann. 65, 78.
• Fehlikg, Ann. 53, 399. — Goroey, Ann. 66, 290.
^ Müller, J. pr. 56, 106. ~ Wethbrill, Jb. 1853, 441. — Fehlino, Jb. 1853,
441. — RowNEY, J. pr. 66, 246. — Perrot, Ann. 105, 66. — A. Fischer, Ann. 118,
307. — Grimm, Ann. 157, 264.
^ Vgl. Redtenbacher, Ann. 59, 50. — ArzbXcher, Ann. 73, 199. — Gerhabd,
Ann. 67, 245. — Limpach, Ann. 190, 267.
Capronsäure, Oenanihylsäure, Caprylsäure. 333
male Stmctur dieser Säure wird durch ihre Synthese aus normalem
Amylalkohol^:
gewährleistet. Aus den Blüthen von Satyrium hircinum*, aus den
Früchten von Heracleum spondylium' ist eine Capronsäure gewonnen,
welche wohl gleichfalls als die normale betrachtet werden kann. Be-
sonders wichtig ist ihre Entstehung bei der Buttersäure -Gährung des
Zuckers (bezw. des milchsauren Ealks, vgl. S. 326); sie bildet sich
stets in beträchtlicher Menge neben der Buttersäure, und daher ist die
rohe „Gährungsbuttersäure** die beste Quelle fiir die Gewinnung der
Capronsäure*. Bei der Oxydation mit Salpetersäure wird die normale
Capronsäure in Bemsteinsäure und Essigsäure gespalten^.
Oenanthylsäure C7H14OJ (Heptoylsäure). In dem „Oenanthäther" (von
otpog, Wein) — der Substanz, welche den charakteristischen Geruch aller Weine
bedingt, — vermutheten Liebio u Pelouze* den Aethylester einer Säure Ci4HseO]
(nach der alten FormuUrung). Die Namen mehrerer Verbindungen, deren Formeln
nach der alten Bezeichnungsweise 14 Aequivalente Kohlenstoff, nach der neuen
7 Atome Kohlenstoff aufweisen, wurden dann von dem Stamme „Oenanth^' abge-
leitet Diese Namen haben sich erhalten, obgleich später nachgewiesen wurde, dass
der Oenanthäther aus Estern kohlenstofireicherer Säuren — nämlich der Caprylsäure
und Caprinsäure — besteht ^ — Die normale Oenanthylsäure CHj(CH2)5-CO,H
ist synthetisch aus dem normalen Hezylalkohol durch Vermittelung des Hezylcyanids
gewonnen^. Sie hat sich als identisch erwiesen mit der Säure, welche durch Oxyda-
tion des Oenanthols* CeHij-COH (vgL Kap. 11) — eines Aldehyds, welcher bei der
Destillation des Ricinusöls entsteht — oder auch durch directe Oxydation des Rici-
nusdb ^® gebildet wird. Die Oxydation des Oenanthols stellt die beste Methode zur
Gewinnung der Oenanthylsäure dar.
Normale Caprylsäure: CgHi^O, = CHg • (CH,)e • CO,H. Ihr Vorkommen in der
Butter, im Käse, im CocosnussÖl, im Weinfaselöl ist schon erwähnt worden (S. 832).
Am besten stellt man sie aus dem Cocosöl dar. Sie ist femer aus dem Octylalkohol
des Heracleumöls durch Oxydation erhalten ^^. Ihre normale Structur ergiebt sich
daraus y dass ihr Nitril nach der HoFMAKN^schen Reaction (vgL S. 295) durch Abbau
des normalen Pelargonsäureamids mit alkalischer Bromlösung entsteht ^'.
Normale Pelargonsäure CgHigOg = CH, • (CH,)7 • COjH findet sich unter den
fluchtigen Bestandtheilen des Krauts von Pelargonium roseum ^'. Sie kann auch aus
^ LiEBEK u. Rossi, Ann. 169, 75; 165, 118.
' CHAüTAJtD, Compt. rend. 68, 689. ' Zincke, Ann. 152, 18.
* Sticht, Jb. 1868, 522. -- Freund, J. pr. [2] 3, 224. — Liknemann, Ann.
160, 225. — Grillone, Ann. 165, 132. — Lieben u. Rossi, Ann. 170, 84. — Kottal,
Ann. 170, 95.
' Erlekmbtbr, Siegel u. Belli, Ann. 180, 215.
* Ann. 19, 241. ' A. Fischsb, Ann. 118, 307.
* Franchimont, Ann. 166, 237. — Lieben u. Janeczek, Ann. 187, 139.
^ BussT, Ann. 60, 249. — Grdishaw u. Schorlehmeb, Ann. 170, 187. —
MiBLis, Ann. 185, 358. — Krafft, Ber. 15, 1717.
»• TiLLEY, Ann. 39, 160; 67, 105. — Wahlfobss, Ber. 21 o, 711; 22 c, 437.
" Zincke, Ann. 162, 8. — Renesse, Ann. 171, 380.
" A. W. HoFMANH, Ber. 17, 1406.
'• Pless, Ann. 59, 54. Anm. — Beromann, Ber. 17 o, 276.
334 Pekergonsäure, Caprinsäure.
dem Cyanid des Octylalkols (aus Heracleumöi) durch Verseifung gewonnen werden^;
am besten erh< man sie durch Schmelzen dnr Uudecylensäure CH, «(0112)7 -CH: GH-
COjH mit Kalihjdrat'; letztere zerfällt hierbei in Pelargonsäure und Essigsäure
(vgl. S. 809 — 310). Die normale Structur dieser Pelargonsäure ergiebt sich aus ihrer
Bildung durch Einwirkung von normalem Heptyljodür auf Natriumacetessigester und
GOCH,
Spaltung des so erhaltenen Heptylacetessigesters ^ | , femer
GH, • (GHs)e • GH • GO, • GjHj
daraus, dass man bei successivem Abbau mittelst der HoFMAKN'schen Reaction (vgl. S. 295)
schliesslich von ihrem Amid aus zu dem Nitril der normalen Gapronsäure ^ gelangt
Normale Gaprinsäure: GjoHjoO, = GHj'(GHj)8-G02H. Ihre normale Structur
wird durch die Synthese aus normalem Octyljodür und Acetessigester sicher gestellt \
Als Quelle zur Darstellung wird das Fettsäuregemisch empfohlen, welches beim An-
säuern von etwa acht Tage alten (vergohrenen) Wollwaschwässern ausfällt*.
Die Säuren toh der elften bis zar zwanzigsten Seihe. Wäh-
rend bisher für die Säuren aller Reihen — mit Ausnahme der Oenanthyl-
säure — Beobachtungen ihres Vorkommens in der Natur angeführt werden
konnten, sind von der 10. Eeihe an aufwärts fast ausschliesslich die Säuren
mit einer paaren Anzahl von Kohlen Stoffatomen in Naturprodukten auf-
gefunden worden. Die Angaben, dass eine Säure der 11. Reihe (Umbellul-
säure) C^iBl^2^2 ^^ ^^^ T!!(\iss von Umbellularia California vorkomme^,
eine Säure der 15. Reihe (Lactarinsäure) Cj^HgoOg sich in Pilzen^ (Aga-
ricus integer und Lactarius piperatus), eine Säure der 17. Reihe CjyHg^Og
sich im Leichenwachs ® finde, stehen ganz vereinzelt gegenüber der grossen
Zahl von Beobachtungen, welche die ausserordentliche Verbreitung der
Säuren mit 12, 14, 16, 18 und 20 Kohlenstoffatomen in der Natur dar-
thun. Als Glyceride bilden diese Säuren den Hauptbestandtheil der
meisten pflanzlichen und thierischen Fette. Die Fette stellen daher auch
das Material zur Gewinnung jener Säuren dar; man „verseift" dieselben
durch Kochen mit alkoholischem Kali, wobei die Glyceride in Glycerin
und fettsaures Alkali gespalten werden, z. B.:
OCOCisHgi OH
C3H,O.CO.CiöH3i+ 3K'0H = CjHgOH + 3 CisHji • CO - OK,
O-COC^Hsi OH
und scheidet aus dem fettsauren Alkali (der „Seife", vgl. S. 337) die freie
Fettsäure durch eine Mineralsäure ab. Da viele Fette auch das Glycerid
der Oelsäure enthalten, so erhält man die festen Fettsäuren oft mit
der flüssigen Oelsäure vermischt. Man trennt sie von letzterer durch
Abpressen.
Trennung der höheren Fettsäuren von einander: Man wird aus den
Fetten zunächst in der Regel ein Gemenge mehrerer homologer Säuren gewinnen.
' Franchimoht u. Zinckb, Ann. 164, 833. ' BLbafpt, Ber. 15, 1691.
' JoüBDAN, Ann. 200, 107. * A. W. Hofmann, Ber. 17, 1406.
* GüTHZErr, Ann. 204, 5. • A. u. P. Büisine, Compt rend. 105, 614.
^ Stillmann u. O'Neill, Ber. 15, 2919.
® Thörnkb, Ber. 12, 1635. — Chutt, Bull. [3] 2, 153.
^ Ebert, Ber. 8, 775.
Normale Slructur der natürlich vorkommenden höheren Fettsäuren, 335
Um hieraus die einzelnen Säuren rein abzuscheiden, bereitet man nach Hetmtz ^ eine
kaltgesättigte Lösung des Fettsäuregemenges in Alkohol und fällt sie in der Hitze
fractionirt mit einer alkoholischen Lösung von Magnesiumacetat (oder auch Blei-
acetat') aus; es scheiden sich zunächst die Magnesiumsalze der kohlenstofireicheren,
dann diejenigen der kohlenstoffilrmeren Säuren ab. Nach jedesmaligem Filtriren eines
Niederschlags stumpft man im Filtrat die freie Essigsäure mit etwas Ammoniak ab
und fügt dann erst eine neue Menge Magnesiumacetat zu; wenn letzteres keinen Nieder-
schlag mehr erzeugt, kann man zuweilen noch mit einer concentrirten wässrigen
Lösung von Bariumacetat weitere Portionen ausfällen. Die einzelnen Niederschläge
werden mit kochender verdünnter Salzsäure zersetzt, man bestimmt den Schmelz-
punkt der freien Säuren und krystallisirt die Säuren von annähernd demselben
Schmelzpunkt wiederholt aus Alkohol um. Erst wenn der Schmelzpunkt bei weiterem
Umkrystallisiren sich nicht mehr ändert, und durch partielle Fällung mit Magne-
sinmacetat nicht mehr Säuren von verschiedenem Schmelzpunkt entstehen, ist die
SSare als rein zu betrachten.
Die in den Fetten enthaltenen Säuren besitzen sämmtlich normale
Structnr. Es geht dies fiir die Säuren bis zur 18. Reihe daraus her-
vor, dass man durch einen schrittweisen, von der Stearinsäure
^18^603 ~ ^17^36 'CO -OH ausgehenden Abbau', bei welchem man
stets den Complex — CHg-CO-OH durch die Gruppe — CO -OH ersetzt,
endlich zu der Caprinsäure gelangt, für welche die normale Structur
erwiesen ist (s. S. 334). Destillirt man nämlich das Bariumsalz der Stearin-
säure mit Bariumacetat, so erhält man ein Keton Cj^Hgß-CO-CHg:
C„H„.C0-;0ba + ba0.C0iCH8 = BaCOg + CiyHgj.COCHa,
und dieses Eeton wird bei der Oxydation derart gespalten, dass aus dem
Reste — CO-CHg Essigsäure, aus dem Reste CjyHgg aber eine 17 Kohlen-
stoffatome enthaltende Fettsäure Cj^Hj^Og = Ci^Hgj-CO-OH entsteht. Es
ergiebt sich hieraus, dass jenes Keton neben der Carbonylgruppe (CO) eine
Methylengruppe (CH^) enthalten muss, dass seine Formel in Ci^Ögg-CHg«
CO-CHg, diejenige der Stearinsäure in CigHjj-CHj-CO-OH aufgelöst
werden darf. Aus jener Säure der 17. Reihe nun kann in gleicher
Weise das Keton Ci^Hjj-CO-CHg und durch Oxydation desselben eine
Säure der 16. Reihe CißHgj-CO-OH erhalten werden, welche sich als
identisch mit der in der Natur vorkommenden Palmitinsäure erweist.
Diese Reactionen erlauben nun wieder, die Formel der Säure der 17. Reihe
in Cj^Hjj-CHg-CO-OH und diejenige der Stearinsäure demgemäss in
CjjHj, 'CHj-CHj-COjH weiter aufzulösen. Durch eine ganz analoge
Reactionsfolge kann nun die Palmitinsäure CjgHggOg mit der Myristin-
Bänre Cj^HggOg, die Myristinsäure mit der Laurinsäure CigHj^Og,
und letztere endlich mit der Caprinsäure Cj^Hg^Og verknüpft werden.
Ee darf daher der Stearinsäure die Structurformel:
C9H1Q • CHg • CHj • CH] • CHg • CH2 • CH] • CH^ • CH2 • COjH
beigelegt werden, in welcher der noch nicht aufgelöste Rest CgH^g die
Reiche Structur wie in der Caprinsäure CgH^g-CO-OH besitzen muss.
* J. pr. 66, 1. " Pkbal, Ann. 71, 144. ^ Krafft, Ber. 15, 1706.
336 Laurinsäwre, Myvistinaäure,
Da nun diese Caprinsäure mit der normalen Caprinsäure identisch ist,
so ist die normale Structur für die Stearinsäure und sämmtliche in
obiger Eeactionsfolge enthaltenen Zwischenglieder erwiesen. — Für die
in der Natur vorkommende Säure mit 20 Kohlenstoffatomen — die
Arachinsäure — ist der Nachweis femer dadurch geliefert, dass aus
der Stearinsäure CiyHgg-CO-OH durch die Zwischenstufe des Aldehyds
CjyHgg'COH der normale Octadecylalkohol Cj^Hj^-CHj- OH, aus letzterem
das Jodid CjyHjg-CHgJ dargestellt wurde, und mittelst dieses Jodids
durch die Acetessigester-Synthese die normale Octadecylessigsäure:
C17H35 • CH] • CHji • COjH
synthetisch gewonnen wurde, welche sich als identisch mit der natür-
lichen Arachinsäure erwies ^.
Die zwischen die natürlich gebildeten Fettsäuren sich einschaltenden Glieder
mit 11, 13, 15, 17' und 19^ C-Atomen sind künstlich nach den bei dem Stnictor-
nachweis benutzten Reactionen gewonnen. Sie besitzen an sich kein besonderes
Interesse und seien daher nicht einzeln besprochen. Ihre physikalischen Constanten
sowie auch diejenigen der natürlichen Säuren sind in der Tabelle No. 14 (S. 312)
enthalten.
Laur in säure CisHs^O, bildet als Glycerid einen Hauptbestandtheil des Lor-
beerfetts' und wird am bequemsten durch Verseifung des im Handel befindlichen
Lorbeerols (des offidnellen Oleum lauri unguinosum, durch Auspressen der Früchte von
Laums nobilis hergestellt) gewonnen ^ Sie findet sich femer in dem Fette der
Pichurimbohnen ^, im Cocosöl ^, im Fanykallak-Fett ', im Dikabrot ^ — den ölreicfaen
Mandeln von Mangifera Gabonensis, welche an der westafrikanischen Küste eines
der vorzüglichsten Nahrungsmittel der Eingeborenen darstellen, — femer im Wallrath \
Myristinsäure O14HS8O, wird am besten aus der Muskatbutter* — dem festen,
durch Auspressen der Nüsse von Myristica moschata erhaltenen Oel, dessen Haupt-
bestandtheil das Glycerid der Myristinsäure (Myristin) bildet — gewonnen, oder
aus dem Fett der Früchte anderer Myristica- Arten *®. Kleine Mengen ihres Glycerids
finden sich in der Butter und im Wallrath ". Auch das Dikabrot ^, das Oel Ton
Canarium commune ^ und das Oel der Erdmandeln ^' enthalten die Myristinsäure als
Glycerid.
PalmltlnsSure G^^fi^ ^^^ Stearinsäure Cj8^6^2 ^^^ unter
den höheren Fettsäuren bei weitem die wichtigsten. (Physik. Constanten ^'
vgl. in der Tabelle Nr. 14 auf S. 312.) Ihre Glyceride, gemischt mit
dem Glycerid der Oelsäure, sind die wesentlichsten Bestandtheile der
thierischen Fette. Aus letzteren wird industriell als Kerzenmaterial ein
Gemisch von Palmitinsäure und Stearinsäure (Stearinkerzen) erzeugt. Die
^ Schweizer, Ber. 17 c, 569. ' Kbafft, Ber. 12, 1664, 1668.
' Marsson, Ann. 41, 329. ^ Kbafft, Ber. 12, 1665.
' Stahmer, Ann. 53, 390.
• GöROEY, Ann. 66, 303. — Oudemans, J. pr. 81, 375.
' Oudemans, J. pr. 81, 356; 99, 409. » Hbintz, J. pr. 66, 43.
* Plaitair, Ann. 37, 152. — Krapft, Ber. 12, 1669.
^^ Uricoechea, Ann. 91, 369. — Reiher u. Will, Ber. 18, 2011. — Nobbdlixoer,
Ber. 18, 2617.
" Heintz, J. pr. 66, 38. " Hell u. T^'ERDOHEoorF, Ber. 22, 1744.
^' lieber d. Schmelzpunkte vgl. Reissert, Ber. 23, 2248.
Palmitinsäure, Stearinsäure. 337
genauere Kenntniss dieser Säuren verdankt man in erster Reihe der aus-
föhrlichen Untersuchung der Fette durch Heentz^.
Die Palmitinsäure ist auch im Pflanzenreiche verbreitet. Das
Palmöl enthält ihr Glycerid; hieraus wurde die Säure zuerst rein isolirt*
und hat von diesem Vorkommen ihren Namen erhalten. Das , Japanische
Pflanzenwachs" besteht fast ausschliesslich aus dem Glycerid der Pal-
mitinsäure und bildet, das beste Ausgangsmaterial zu ihrer Gewinnung^.
Myrica cerifera enthält viel freie Palmitinsäure neben dem Glycerid*.
Das Glycerid findet sich ferner im Cocosnussöl* und im chinesischen
Talg* (aus den Früchten von Stillingia sebifera).
Als Ester des Cetylalkohols findet sich die Palmitinsäure im Wall-
rath', als Ester des Myricylalkohols im Bienenwachs®; sie bildet femer
einen Hauptbestandtheil des Leichenwachs®. Erwähnt sei endlich ihre
Entstehung beim Erhitzen von Cetylalkohol mit Kalikalk ^^ (vgl. S. 169)
und beim Schmelzen von Oelsäure mit Aetzkali^^
Zur Gewinnung der Stearinsäure kann man die „Stearinsäure"
des Handels benutzen, welche ein Gemenge von Palmitinsäure und
Stearinsäure darstellt; man fällt die heisse alkoholische Lösung von
4 Theilen derselben mit einer heissen alkoholischen Lösung von 1 Theil
Magnesiumacetat; es wird fast reine stearinsaure Magnesia nieder-
geschlagen, aus welcher die freie Säure durch kochende Salzsäure ab-
geschieden, darauf durch Umkrystallisiren aus Alkohol gereinigt wird. Ein '
gutes Ausgangsmaterial stellt auch die aus Westafrika stammende
„Sheabutter" — ein Pflanzenfett — dar^^; dasselbe enthält von Fett-
säuren ausschliesslich die Stearinsäure, daneben nur noch die leicht durch
Abpressen von der Stearinsäure zu trennende Oelsäure.
Von grosser Wichtigkeit sind die Salze der Palmitinsäure und
Stearinsäure; ihre Alkalisalze sind in den „Seifen" enthalten, und
zwar in den weichen Seifen die Kalisalze, in den festen Seifen die
Natronsalze. Diese Alkalisalze der höheren Fettsäuren sind in Wasser
leicht löslich; in verdünnter Lösung aber erleiden sie eine theilweise
Spaltung; es entsteht einerseits freies Alkali, andererseits ein schwer-
lösliches saures Salz, welches sich abscheidet und mit dem Wasser
einen starken Schaum bildet. In diesem Verhalten ist die reinigende
Wirkung der Seifen begründet; das freie Alkali wirkt auf die fettartigen,
dem zu waschenden Objecto anhaftenden Körper lösend ein, der Schmutz
wird dadurch losgelöst, und der Seifenschaum trägt durch Einhüllen des-
» J. pr. ee, 1. 2 Fr^jjy^ Ann. 36, 44.
' Stahmeb, Ann. 43, 335. — Kraftt, Ber. 21, 2265. — Hell u. Jordanoff,
Ber. 24, 938.
* Chittenden u. Smith, Ber. 18 o, 62. * Oudemans, J. pr. 81, 375.
* Maskel^-ne, J. pr. 65, 287. ^ Heintz, J. pr. 66, 19.
® Beodie, Ann. 71, 151. — Nafzoer, Ann. 224, 251.
» Ebert, Ber. 8, 775. " Dumas u. Stas, Ann. 35, 210.
" Varrentbapp, Ann. 35, 210. ** Oudemans, J. pr. 89, 215.
V. Mbtsr a. jAOonaoN, org. Chem. I. 22
338 Margarin-, Arachin-, Behen-, Lignocerin-j Hyänasäure.
selben zu seiner Entfernung bei. Die fettsauren Alkalien sind auch in
Alkohol löslich. Die Salze der alkalischen Erden und der Schwer-
metalle sind in Wasser unlöslich, zum Theil in Alkohol löslich. Die
ßleisalze, welche auch direct durch Kochen der Fette mit Bleioxyd
und Wasser erhalten werden können, bilden die sogenannten „Pflaster**.
Als Margarinsäure ist in den älteren Untersuchungen der Fette eine Säure
der 17. Eeihe C17HS4O2 beschrieben worden. Heintz^ zeigte, dass diese sogenannte
Margarinsäure ein Gemisch von Palmitinsäure und Stearinsäure ist. Die normale
Fettsäure der 17. Reihe (Schmelzpunkt 60°) wurde dann künstlich* erhalten (vgl.
S. 335). Merkwürdig ist, dass sie später doch in der Natur — nämlich im Leichen-
wachs — aufgefunden worden ist*. — Neuerdings ist eine bei 55° schmelzende, viel-
leicht damit isomere Säure C17H84OS (Daturinsäure) aus dem Oel der Samen von
Datura stramonium abgeschieden^. — Unter den Säuren der 18. Reihe verdient
noch Erwähnung die synthetisch mittelst der Malonsäureester- und Acetessigester-
Synthese durch zweimalige Einfährung des Octylradicals erhaltene Dioctyl essig-
saure (Isostearinsäure)* (C8Hi7),CH • COjH = CiaHg^Os; sie unterscheidet sich
von der Stearinsäure durch den weit niedriger liegenden Schmelzpunkt 38-5°.
Arachinsäure CjoH^qOj wird aus dem ErdnussÖl — dem Oel der Früchte
von Arachis hypogaea — gewonnen^. Sie findet sich ferner im CacaoöF und in
dem Fett aus den Fruchtkernen von Nephelium lappaceum^.
Die SSuren mit mehr als 20 KohleDstoffatomen. Eine Säure der 22. Reihe
CS2H44OS ist im BehenÖl aufgefunden^ und daher Behensäure genannt worden; in
geringer Menge findet sie sich auch im RüböP°. Sie entsteht ferner durch Reduction
^ der Erucasäure** C28H42O2 (vgl. Kap. 16) und besitzt daher höchstwahrscheinlich nor-
male Structur. Unter 60 mm Druck siedet sie bei 306 °.
Als Lignocerinsäure wird eine bei 80^ schmelzende Säure der 24. Reihe
C94H48O2 bezeichnet, welche sich in fireiem Zustande im Buchenholztheer- Paraffin
findet*'. Als Glycerid kommt sie im Erdnussöl vor*'. — Säuren von derselben Zu-
sammensetzung, aber niedrigerem Schmelzpunkt sind aus dem Oel der Früchte von
Gingko biloba (Gingkosäure *^), aus dem Camaubawachs *^ und durch Oxydation von
Paraffin'® erhalten worden.
Eine Säure der 25. Reihe CjgHsoOg ist bei der Untersuchung des Fetts, wel-
ches den Inhalt der Analdrüsentaschen einer kranken Hyäne bildete, beobachtet und
daher Hyänasäure genannt worden*^; das Fett enthielt die Glyceride der Hy&ua-,
Palmitin- und Oelsäure.
Unter den höchsten Fettsäuren ist von erheblichem Interesse die-
jenige, welche in freiem Zustande einen Hauptbestandtheil des Bienen-
wachses (vgl. Kap. 10, Abschn. III) bildet. Sie ist Cerotinsäure ^^ genannt.
Ihre Zusammensetzung hat noch nicht mit voller Sicherheit ermittelt
^ J. pr. 00, 1. > Heintz, Ann. 102, 257. — Krapft, Ber. 12, 1672.
* Ebert, Ber. 8, 775. * G6rard, Compt. rend. 111, 305.
* GüTHZEiT, Ann. 204, 11. — Conrad u. Bischoff, Ann. 204, 165.
* Gössmann, Ann. 89, 1. — Schweitzer, Ber. 17 c, 569. — Kreilino, Ber. 21, 880.
^ Traub, Ber. 10, 1103. « Oudemans, Ztschr. Chem. 1807, 256.
» VöLCKER, Ann. 04, 342. ^^ Rejmer u. Will, Ber. 20, 2389.
" Reychler, Bull. [3] 1, 296. — Stohmann, J. pr. [2] 42, 378.
" Hell u. Hermanns, Ber. 13, 1713. " Kreiling, Ber. 21, 880.
" Schwarzenbach, Jb. 1857, 529. " Stürcke, Ann. 223, 307.
" Pouchet, Ber. 7, 1453. " Cariüs, Ann. 129, 168.
" Brodie, Ann. 07, 185.
Gerotitisäure. 339
werden können; sie gehört wahrscheinlich der 26. oder 27. Reihe an^
Die geringe Differenz, welche sich für die procentische Zusammensetzung
der Säuren Cg^H^jOg und CgyHg^Og ergieht:
^26^62^8 C27H54O2
C 78-78 79-02
H 13-00 13-17,
wird es begreiflich erscheinen lassen, dass diese Frage noch nicht end-
gültig erledigt worden ist. In der Zusammensetzung der Salze sind die
Differenzen zwar etwas grösser, z. B. :
(CMH„0,\Pb (C,;H5s08),Pb
C 62-58 63-21
H 10-23 10-30
Pb 2076 20- 19,
aber doch nicht gross genug, um die Entscheidung der Frage erheblich
zu erleichtern. Für die Formel CggHggOg spricht der Umstand, dass
alle genauer untersuchten natürlich vorkommenden höheren Fettsäuren
eine gerade Zahl von Kohlenstoffatomen aufweisen, für die Formel
C27H54O3 andererseits der verhältnissmässig niedere Schmelzpunkt (T8^),
welcher — bei Annahme normaler Structur — auf die Zugehörigkeit
zu einer unpaaren Reihe hindeutet (vgl. S. 310). — Die Cerotinsäure
findet sich femer als Cerylester im chinesischen Wachs ^ und im WoU-
schweiss'; auch bei der Oxydation von Paraffin* mit Chromsäure oder
verdünnter Salpetersäure ist sie erhalten worden.
Melissinsäure CsoH^qO, ist aus dem Myricylalkohol CsoHegO durch Schmelzen mit
Kali- oder Natronkalk erhalten' (vgl. S. 169). Auch findet sie sich frei im Bienenwachs*.
Unter den mit Sicherheit bekannten Fettsäuren ist die kohlenstofireichste die
Dicetyl essigsaure' (CieH88)9CH'C02H = CaiHegO,, welche mittelst der Malon-
säureester-Sjnthese durch zweimalige Einführung des Cetjlradicals erhalten ist; sie
ist in Alkohol sehr schwer löslich und schmilzt bei 69 — 70^.
Industrielle Bedeutung und Gewinnung der Fettsäuren.
Das erste Glied der Fettsäure-Reihe — die Ameisensäure —
ist, obwohl ihre Darstellung aus Kohlenoxyd und Aetzalkalien (S. 314)
einerseits, aus Oxalsäure und Glycerin (S. 316 — 317) andererseits leicht
ausfuhrbar und ergiebig ist, bislang nicht Gegenstand ausgedehnterer
technischer Gewinnung geworden.
Die Gewinnung von Flüssigkeiten, welche £sslgsSure® enthalten,
ist dagegen schon in früherer Zeit in grösserem Massstab betrieben
^ Nafzoeb, Ann. 224, 248, 256. > Bbodie, Ann. 67, 199.
* BcisiNE, Bull. 42, 201. *• Gill u. Meusel, Ztschr. Chem. 1869, 65.
* Beodie, Ann. 71, 149. — Pievehlino, Ann. 183, 353. — StCrcke, Ann. 223, 295.
* Nafzoeb, Ann. 224, 249. ^ Guthzeit, Ann. 206, 366.
* Näheres über die Technologie der Essigsäure vgl. in Ferd. Fischer's Hand-
buch der chem. Technologie (Leipzig 1889) S. 590 — 597. — Osx's Lehrb. d. techn.
Chem. (Berlin 1890) S. 295 u. 466. — Artikel „Essigsäure" in Stoumann-Kerl's ency-
klopäd. Handb. d. techn. Chem. Bd. II (Braunschweig 1889).
22*
340 Essiggährung,
worden. Handelte es sich früher hauptsächlich um die Herstellung von
Flüssigkeiten, welche nur wenige Procente Essigsäure enthalten und
als Speiseessig (Tafelessig) zur Verwendung bei der Zubereitung von
Speisen, zum Conserviren von Früchten, Fleisch etc. bestimmt waren,
so ist in neuerer Zeit daneben auch die Gewinnung der concentrirten
Essigsäure und vieler essigsaurer Salze von erheblicher Bedeutung ge-
worden.
Der Speiseessig wird durch Oxydation von verdünntem Aethyl-
alkohol hergestellt. Die Reaction:
CHsCHjOH + 0, = CH3.CO.OH + H,0
kann im Laboratorium unter der Wirkung mannigfacher Oxydations-
mittel — wie Chromsäure-Gemisch, Braunstein und Schwefelsäure, Ozon
— ausgeführt werden. Auch der SauerstoflF der Luft bewirkt diese
Oxydation in Gegenwart von Platinmohr oder platinirter Holzkohle schon
bei wenig erhöhter Temperatur. Allein diese Methoden haben sich nicht
flir die industrielle Essigsäure-Gewinnung bewährt, da nach ihnen der
Alkohol zum grossen Theil nur bis zum Acetaldehyd oxydirt wird.
Wenn man durch alkoholische Gährung erhaltene geistige Flüssig-
keiten, wie Bier oder Wein, an der Luft stehen lässt, so werden sie
bekanntlich sauer. Es beruht dies darauf, dass aus der Luft Pilzkeime
(von Mycoderma aceti, Essigpilz) in die Flüssigkeit gelangen, welche
an der Oberfläche der Flüssigkeit die Oxydation des Alkohols durch Ueber-
tragung des Luftsauerstoffs bewirken und damit die sogenannte „Essig-
gährung"^ einleiten; diese Pilzkeime finden in jenen Flüssigkeiten die
zu ihrer Entwickelung nothwendigen Bestandtheile (Phosphate, StickstoflF-
verbindungen) vor, während letztere in reinem wässrigen Alkohol fehlen.
Im Gegensatz zu jenen alkoholhaltigen Flüssigkeiten bleibt daher reiner
verdünnter Alkohol an der Luft unverändert; es bedarf des Zusatzes
der flir den Pilz nothwendigen Nährstoffe, um die Essiggährung zu er-
möglichen. Diese Essiggährung nun bietet den Weg, welcher
sich als praktisch brauchbar für die Oxydation des Aethyl-
alkohols zu Essigsäure in industriellem Massstab erweist. Je
nach dem der Essiggährung unterworfenen Ausgangsmaterial bezeichnet
man das gewonnene Produkt als Weinessig, Bieressig, Obstessig
(aus vergohrenen Fruchtsäften) oder Branntweinessig. Man unter-
scheidet zwei Verfahrungsweisen in der industriellen Ausfuhrung der
Essiggährung; das ältere „französische oder Orl6ans-Verfahren*%
welches hauptsächlich zur Erzeugung des Weinessigs aus Wein oder
Weinabfällen in Frankreich dient, und die „Schnellessigfabrikation",
welche in Deutschland zur Erzeugung von Branntweinessig sehr ver-
breitet ist.
Bei dem Orl6ans-Verfahren benutzt man Fässer aus Eichenholz
von 2 bis 4 Hektoliter Capacität; diese w^erden zunächst zu ein Drittel mit
^ Vgl. Pasteur, Bull. 1861, 94.
Orl6ana - Yrrfahrm. Schneilessig ■ Verfahren. 341
fertigem heissem Essig beschickt, um das Holz einzusäuern. Nun werden
in Zwischenräumen von je 8 Tagen je 10 Liter Wein zugegeben, bis das
Fass etwa zur Hälfte oder zu zwei Drittel angefllllt ist. Darauf wird
der fertige Weinessig abgezogen, aber nicht ToUständig; man lässt einen
Tbeil im Fasse zurück, weil die Gegenwart von fertiger Essigsäure noth-
wendig für den normalen Verlauf der Essiggährnng ist, und Itkgt nun
von neuem alle 8 Tage 10 Liter Wein zu. Ein Fass kann mehrere
Jahre in Oebraach bleiben, bis endlich eine gründliche Reinigung noth-
wendig wird. — Die Essigbildung verläuft nach diesem Verfahren sehr
langsam. Eine von Pastecb^ vorgeschlagene Verbesserung des Verfahrens
besteht darin, daas man auf eine flache Schicht einer Nährlösung, welche
27o Alkohol, 1^0 Essigsäure und eine kleine Menge von Nähraalzen
enthält, den EssigpUz aussäet, und nun, nachdem der Essigpilz in leb-
hafte Entwickelung gerathen ist, täglich gewisse Mengen von Wein
(oder Alkohol, mit Alkohol vermischtes Bier) zugiebt. Wenn die Säuerung
nacMässt, zieht man den gesammten Essig ab und sammelt den Pilz,
um ihn zu waschen und zu neuen Operationen zu benutzen.
Das Frincip des 182S von Schützenbaoh erfiindenen Schnellessig-
Verfahrens beruht darauf, dass das in Essig zu verwandelnde „Essig-
gut" in möglichst innige Berührung mit
der atmosphärischen Luft gebracht wird,
indem man es in dünnen Strahlen einem
aufsteigenden Luftstrom entgegenrinnen
läSBt. Es geschieht dies in den „Essig-
sttodem" oder „Essigbildern", von denen
eine grössere Zahl sich in der „Essig-
stnbe" befindet, deren Temperatur auf
etwa 25" gehalten wird. Die Construction
dieser Essigbilder erhellt aus Fig. 58. In
die Wandung des Holzfasses A, welches
eine Weite von 1 — 2 m, eine Höhe von
2 — 5 m besitzt und zwei Siebböden B und C
enthält, sind etwa 20 — 30 cm hoch Über
dem unteren Siebboden eine Beihe von p^ 5g Eeaiguider
Loftzuglöchem (a) gebohrt. Auf den un-
teren Siebboden B werden Bnchenholz-Hobelspähne gehäuft, welche den
Baum des Essigbilders bis etwa 15 — 20 cm unter dem oberen Band
anftUlen. Der obere Siebboden C ist von zahlreichen Löchern von der
Weite eines Gänsekiels, femer von drei grösseren Bohrlöchern durch-
setzt; durch die engeren Löcher hängen kurze BindiUden an Knoten herab,
in die drei weiteren Löcher sind Qlasröhreu (A) eingesetzt. In die Mitte des
Deckels D ist ein rundes Loch eingeschnitten; durch dieses wird das
Essiggut aufgegeben, tropft dann an den Bindfäden herab auf die Holz-
> Compt. rend. 66, SB.
342 Schnellessig- Verfahre
epähne und durchsickert diese, wobei die Essigbildung erfolgt. Der ge-
bildete Essig gelangt in den Eaum unter dem Siebboden B und i\e^iX.
daraus continuirlich durch den Schwanenhals E ab. Der Flüssigkeit ent-
gegen strömt Luft durch die Zuglöcher a ein und tritt durch die Glas-
röhren b und die Oeffnung im Deckel D aus ; durch die im Innerea des
Essigbilders sich entwickelnde Wärme wird der aufsteigende Lnftstrom.
win in niner Esse, unterhalten.
Essigbilder werden vor dem Gebrauch „eingesäuert", indem
■men Essigsprit hineingiesst und sie nun 24 Stunden bedeck't
sat. Darauf kann der Betrieb beginnen, bei welchem eshaupi-
auf geregelte Luftzufuhr, geregeltes Aufgiessen des Essiggnte^.
äsige Benetzung der Holzspähne und Einhalten der richtigen
tur ankommt. Die Temperatur muss durch eingesetzte Thermo-
obachtet und durch Vermehrung oder Verminderung des Ess^is-
er der Luftzufuhr regulirt werden; sie soll etwa 35* betrsgeu:
rer Temperatui' ist der Verlust durch Verdunstung zu gros*.
ärer Temperatur wird die Oxydation zu langsam; sie hört bei
haupt auf. Als ,, Essiggut" gieht man eineu 6 — lOprocentigen
F, welcher mit 20''/u fertigem Essig, zuweilen auch mit Bier
zauszug — als Nährstoff fili' den Pilz — versetzt wird. Letz-
atz ist indessen unnöthig und sogar wenig empfehlenswerth. da
ildung schleimiger, im Betrieb sehr hinderlicher Absätze Ania-is
e Buchenholzspähne reichen als Näiirboden für den Pilz voll-
aus. Stärkerer Alkohol ist nicht verwendbar, weil er den Essif-
et. Die Oxydation wird in der Regel nicht in einem Essig-
tu Ende geführt, sondern man lässt den noch stark alkohot-
Ablauf des ersten Ständers einen zweiten und eventuell noch
Ständer passiren, bis man einen nur noch einige Zehntel Procent
enthaltenden Essig erhält. Vollständig darf man den Alkohol
i'diren, weit der Essigpilz bei Abwesenheit von Alkohol die
■e zu Kohlensäure und Wasser verbrenut. Infolge theilweiser
ung und anderer Umstände arbeitet man gewöhnlich mit einem
■on 20 — 25%; doch kann der Verlust bei unregelmässigem Be-
mentlich wenn die Essigbilder zu heisa werden, bedeutend grösser
:öreud auf den Betrieb wirken auch zuweilen die Essigaale
la aceti), Fadenwürmer von 1 — 2 mm Länge, welche oft massen-
reten, fast niemals ganz fehlen und dem Essigpilz den Saner-
Luft streitig machen.
iVeinessig enthält 6— ß^/o Essigsäure, daneben die mineralischen
leile des Weines und Bouquetstoffe , welche ihm angenehmen
[nd Geschmack verleihen und ihn als Speiseessig besondere be-
;hen. Er ist gelb oder röthlich gefärbt. Branntweinessig
'enig fremde Stoffe und ist farblos, doch wird er in der Regel
brannten Zucker (Zuckercouleur) gefärbt, um ihn dem Weinessig
;u machen; sein Essigsäuregehalt beträgt 3 — 8*'/,,.
Holx€ssig, 343
Der durch Essiggährung erhaltene Essig wird fast ausschliesslich
als Speiseessig, femer bei der Herstellung von Bleiweiss verwendet. Um
concentrirtere Essigsäure und essigsaure Salze zu gewinnen, bedient
man sich des Holzessigs. Schon bei der Besprechung der Holzgeist-
Gewinnung (S. 169) ist erwähnt worden, dass durch trockene Destil-
lation des Holzes neben Theer ein wässriges Destillat gebildet wird,
welches ausser anderen Verbindungen erhebliche Mengen von Essig-
säure enthält. Der Säuregehalt dieses Holzessigs ist bei der Verarbei-
tung von Laubhölzeni grösser, als bei der Verarbeitung von Nadelhölzern ^.
Indem man den Holzessig destillirt und die Dämpfe durch Kalkmilch
streichen lässt, erhält man eine Lösung von essigsaurem Kalk, welche
nun in eisernen Pfannen eingedampft wird. Die sich hierbei als Schaum
abscheidenden Phenole und theerigen Verunreinigungen werden abge-
schöpft. Der trockene, grau gefärbte holzessigsaure Kalk kommt unter
der Bezeichnung „Weisskalk" in den Handel und wird namentlich in
grosser Menge aus Nordamerika eingeführt. Zur Gewinnung von con-
centrirter wässriger Essigsäure wird er mit concentrirter Salzsäure, unter
Vermeidung eines Säure-Ueberschusses , aus kupfernen Blasen destillirt;
die erhaltene Säure wird dann durch Destillation über Kaliumbichromat
oder Kaliumpermanganat, am besten aus Silberretorten, gereinigt. Reiner
Eisessig wird aus Natriumacetat, das durch Krystallisation gereinigt,
dann entwässert wird, gewonnen, indem man dasselbe mit concentrirter
Schwefelsäure destillirt.
Ausser der Essigsäure sind im Holzessig noch die folgenden Säuren nachge-
wiesen worden: Ameisensäure, Propionsäure (in verhältnissmässig erheblicher Menge),
normale Buttersäure und Valeriansäure , Crotonsäure und Angelicasäure •; ferner
findet sich darin Valerolacton.
Die Gewinnung der Essigsäure aus Holz ist gegenwärtig viel be-
deutender, als die Darstellung durch Essiggährung. Freie Essigsäure
findet Vei*wendung in der Pharmacie und in der Farben -Industrie.
Grosse Mengen von essigsauren Salzen, namentlich des Thonerde-, Eisen-
und Chromsalzes, werden in der Färberei verbraucht.
Von den Homologen der Essigsäure finden die Buttersäure und Valeriansäure
beschränkte Verwendung zur Gewinnung von Esteni für Parfumerie - Zwecke (vgl.
Kapitel 10, Abschn. III.).
Unter den höheren Fettsäuren sind wieder die Palmitinsäure
und Stearinsäure Gegenstand einer bedeutsamen Industrie. Sie werden
in grossen Mengen gewonnen, um als Material für Kerzen verwendet zu
werden. Man stellt sie durch Verseifung der Fette dar; die Processe,
welche die Industrie hierzu anwendet, werden bei der Technologie der
Fette (vgl. Kap. 21) eingehender besprochen werden.
^ Sempp, Ber. 18, 60.
• Andersov, Jb. 1860, 310. — Barr£, Compt. rend. 08, 1222. — Krämer u.
Gbodzki, Ber. U, 1356.
Uebersüfhl üba- die durch Veränderung
Zehntes Kapitel.
Derivate der Fetta&uren.
(Uebereicbt über die SSurederivate. S&urechloride. SSureaobjdiide. Ester. Tbki-
Bäoren. SSureamide. Amidcbloride, Imidchloride, Imidoätber und Thioamide. Ami-
dine und Amidoiime,)
Uebersicht Ober die Säurederivate.
den Alkoholen sahen wir eine grosse Zahl von Yerbindungs-
E^apitel 3 — 7) dadurch hervorgehen, daas entweder nur das
»ffatom der Hydroxylgruppe oder die Hydroxylgruppe ganz
lere Atome bezw. ßadicale ersetzt wurde. Analoger Verände-
id die Carbonsäuren fähig und werden dadurch ebenfalls znm
it einer grösseren Anzahl von Körpergruppen.
Umwandlung eines Alkohols in ein Halogenalkyl :
CHj-OH _>. CH,C1
der Uebergang der Carbonsäuren in ihre Halogenide:
CH,.CO OH > CH,-C0-C1.
Beziehungen der Alkohole zu den Aethem;
C,H,,
C,Ha OH >- >0
h wieder in dem Verhältniss von Säurehydraten und Säure-
len:
CH,.C0,
CH,-C0-0H ^ >0.
CH.-CO/
Ester, welche man von den Alkoholen durch Vertretung deä
rasserstofiatoms mittelst der Säureradieale ableiten kann, lassen
;leichem Recht als Säurederivate anprechen, entstanden durch
jn Alkoholradicalen in die Hydroxylgruppe der SäuremolecUle:
CH,-C00H >. CH,.COO-C,H,,
durch Combination der Alkoholradicale mit Schwefelatomen eot-
Mercaptanen, Sulfiden und Disulfiden:
C,H.v C,H.-S
C,Hj-SH, )S, t
C,H/ C,H5-S
)g die Thiosäuren, Thiosäureanhydride und Disulfide
eradicale:
CH,-CO, CH,-CO-S
CH,-CO-SH, >S, I ■
CH.CO/ CH,-CO-S
der Carboxylgruppe entstehenden Säurederit?ate. 345
In demselben Verhältniss wie ein Alkohol zu dem entsprechenden
primären Amin:
CjHjOH ^ CjHsNH,
steht die Carbonsäure zu ihrem Säureamid:
CHj.COOH ► CHj-CONH,.
In den erwähnten Verbindungsformen findet sich das Säureradical
(der „Acylrest", vgl. S. 304), dessen Verbindung mit der Hydroxylgruppe
das Molecül des Säurehydrats darstellt, unverändert wieder. Wie die
Derivate der Alkoholradicale unter dem Sammelnamen der Alkylverbin-
dungen zusammengefasst werden konnten, so ist für alle obigen Körper-
gruppen die allgemeine Bezeichnung „Acylverbindungen" zutreffend.
Als Säurederivate pflegt man aber noch eine Reihe von Verbindungs-
klassen zu bezeichnen, welche das unveränderte Säureradical nicht mehr
enthalten, welche sich vielmehr von den Carbonsäuren ableiten, indem
auch das Sauerstoffatom des Acylrestes durch andere Atome oder Gruppen
vertreten wird. Hierher gehören:
die Amidchloride, wie CHgCCl^-NH,
Imidchloride, „ CHj.CClrNH
Thioamide, „ CH3.CSNH3
.NH
Imidoäther, „ CILc/
\o-c,
/NH
Amidine, „ CH3-C<f
H5
' ^\nH3
.N-OH
Amidoxime, „ CH3-C<f^
\nh,
AU' diesen Verbindungen ist ein dreiwerthiges Radical von der allge-
meinen Zusammensetzung:
CnHan + i-C—
gemeinsam, von welchem das Säurehydrat selbst sich durch Hinzutritt
eines Sauerstoffatoms und einer Hydroxylgruppe ableitet:
Für die Nomenclatur der zu jenen Gruppen gehörigen Verbindungen er-
weist es sich oft als zweckmässig, sie auf diese dreiwerthigen Radicale
zu beziehen. Man charakterisirt letztere durch die Endung „enyl^^^; es
wird also
das Radical: HC^- als Methenyl
„ „ CHg-C= „ Aethenyl
fj
„ C2H5-C= „ Propenyl etc.
•.I
:'J
* Vgl. A. W. HoFKANK, J. pr. 97, 270. Anm.
346 Halogenide der Säureradicals.
bezeichnet; die Verbindung H-C<^ erhält den Namen Methenyl-
\NH.
.N-OH
amidin, CHj-C^ Aethenylamidoxim etc.
Die Berechtigung, alle diese Körpergruppen als Säurederivate im
engeren Sinne zusammenzufassen, ergiebt sich aus den genetischen Be-
ziehungen, welche zwischen ihnen und den Säurehydraten bestehen. Aus
den Säurehydraten meist durch einfache Reactionen darstellbar, lassen
sich alle jene Verbindungen unter Au&ahme von Wasser derart spalten,
dass das Säurehydrat wieder zurückgebildet wird. Die folgenden Glei-
chungen stellen diesen Vorgang der „Verseifung" in einigen Fällen dar:
CHgCOCl + HÖH = HCl + CHgCOOH
CHsCO. CHsCOOH
>0 4-H0H= +
CHgCO/ CHj.CO.OH
CHa.CO.OCjHB -f HÖH = CHj-CO-OH + OHCjHs
CHa-CONH, + H-OH = CH3.CO.OH + NHj
>NH .0
CHs-Cf + 2H,0 = CHs-C/ + NH3 + OHCjHj
^OCjHs \0H
^^" >^
CH3.CC + 2Hj,0 = CHj-Cf + 2NH3.
^NHj \0H
Diese Rückbildung der Säuren wird bei einigen Verbindungen, z. B.
den Säurechloriden und vielen Anhydriden, schon durch die Einwirkung
des Wassers in der Kälte, in allen anderen Fällen durch Erhitzen mit
Alkalien oder Säuren bewirkt.
I. Halogenide der Säureradieale.
A. Chloride: C^Hg^ + i-COCl.
Bildnngs weisen. Eine allgemeine, zuerst von Cahoüks^ 1846 in
der aromatischen Reihe benutzte Methode zur Umwandlung von Carbon-
säuren in ihre Chloride besteht in der Einwirkung von Phosphor-
pentachlorid auf das Säurehydrat. Auch in der Fettsäurereihe ist
dies Verfahren für die höheren Glieder (Laurinsäure etc.), deren Chloride
hoch genug sieden, um sich leicht von dem gleichzeitig entstehenden
Phosphoroxy Chlorid trennen zu lassen, mit Vortheil verwendbar, z. B. :
CnHjg.COOH'y.PCls = C„Hj3.C0.Cl + POCI3 + HCl.
Man bringt Phosphorpentachlorid und die zerriebene Säure in äqui-
valenten Mengen zusammen, unterstützt die Reaction durch kurzes Er-
* Ann. 00, 255; 70, 39.
Säurechlwide. 347
wärmen auf dem Wasserbade und verjagt das Phosphoroxychlorid
durch Erhitzen im luftverdünnten Raum (zuletzt unter ca. 15 mm Druck
bis gegen 150^); der Rückstand besteht aus fast reinem Säurechlorid,
welches eventuell noch durch Destillation im Vacuum völlig gereinigt
werden kann^
Die ersten Fettsäurechloride gewann Gerhardt' 1858 durch die Einwirkung von
Phosphoroxychlorid auf die Alkalisalze der Säuren:
POCla -f 2KO.CO.CH3 = POsK + KCl 4- 2C1.CO.CH8
— eine Methode, welche heute kaum noch angewendet wird.
Zur Darstellung der niederen Fettsäurechloride (Acetylchlorid, Pro-
pionyl Chlorid) benutzt man gegenwärtig allgemein die Einwirkung von
Phosphortrichlorid^ auf die Säurehydrate, z. B.:
SCHj.CO-OH + 2PCls = SCHsCOCl + 3HC1 + PA-
Die Einwirkung wird durch gelindes Erwärmen eingeleitet und verläuft
ruhig. Aus dem Reactionsprodukt gewinnt man das Chlorid durch Ab-
destillireu, während die phosphorige Säure im Rückstand bleibt. Liegt
der Siedepunkt des darzustellenden Chlorids dem des Phosphortrichlorids
(79^ nahe, so dass eine Trennung von etwas unverbrauchtem Phosphor-
chlorür durch Rectificiren nicht angeht, so verwendet man zweckmässig
einen massigen Ueberschuss des Säurehydrats, damit sicher alles Phos-
phorchlorür zersetzt wird.
Darstellung von Acetylchlorid CHg-CO-Cl: Man giebt in der Kälte zu
T Th. Eisessig 6 Th. Phosphor trichlorid , erwärmt gelinde auf etwa 40® und wartet
ab, bis die nun eintretende Salzsäure-Entwickelung nachlässt. Darauf destillirt man
das Acetylchlorid ab und reinigt es durch einmalige Kectification ; sein Siedepunkt
liegt bei 51 ^ Da das Acetylchlorid, wie alle Säurechloride, aus der Luft begierig
Wasser anzieht, um in Essigsäure und Salzsäure überzugehen (vgl. S. 348), ver-
hütet man zweckmässig während der Darstellung den Zutritt feuchter Luft, indem
man es in einer Vorlage auffängt, welche mit der äusseren Luft nur durch ein Chlor-
calciurarohr communicirt.
Säurechloride entstehen auch direct durch Wasserentziehung aus
Säurehvdraten und Chlorwasserstoff:
CHsCO. OH + iiCl = HjO + CHs-COCl,
wenn man in ein Gemisch des Säurehydrats mit Phosphorpentoxyd Chlor-
wasserstoff einleitet*. Die Constatirung dieser praktisch bedeutungslosen
Bildungsweise ist in theoretischer Beziehung wichtig; denn es ergiebt
sich daraus eine Erklärung für die sehr häufig angewendete Methode,
eine Carbonsäure in Ester überzuführen, indem man in ein Gemisch der
Säure mit einem Alkohol Chlorwasserstoff einleitet; vermuthlich bildet
sich hierbei infolge der wasserentziehenden Wirkung des im Ueberschuss
verwendeten Alkohols zunächst das Säurechlorid als Zwischenprodukt
(vgl. Abschn. III dieses Kapitels).
* Krafft u. Büboer, Ber. 17, 1378. ^ ^^^ gV, 63.
« BfecHAMP, J. pr. 65, 495; 68, 489. — Thorpe, Journ. Soc. 37, 186.
* Friedel, Compt. rend. 68, 1557. — : Demole, Ber. 10, 1790.
-t-
348 Chloride und Bromide
Allgemeine Charakteristik. Die Reihe der Säurechloride fängt
erst mit dem Acetylchlorid CHj-COCl an, denn alle Versuche zur Ge-
winnung eines Formylchlorids H-CO-Cl sind bisher erfolglos geblieben;
dasselbe scheint nicht existenzfähig zu sein; in den Reactionen, welche
zu seiner Bildung führen sollten, erhält man statt dessen Eohlenoxjd
und Salzsäure: HCO-Cl = CO + HCl.
Das Acetylchlorid und seine niederen Homologen sind bewegliche farb-
lose Flüssigkeiten von sehr stechendem Geruch, welche an der Luft stark
rauchen, da die Luftfeuchtigkeit sie unter Bildung von Salzsäure zersetzt
(vgl. unten). Sie sind unzersetzt destillirbar. Wie der Siedepunkt der
Alkylchloride weit unter demjenigen der entsprechenden Alkohole liegt,
so sind auch die Säurechloride stets weit leichter flüchtig als die zuge-
hörigen Säurehydrate; der Eintritt des Chloratoms an Stelle der Hydroxyl-
gruppe führt in beiden Fällen eine erhebliche Herabsetzung der Siede-
temperatur herbei. Die hochmolecularen Säurechloride sind selbst im
Yacuum nicht mehr ganz ohne Zersetzung destillirbar; sie sind krystal-
lisirbar, in kaltem Aether und Ligroln leicht löslich und rauchen schwach
an der Luft. In Wasser sind die Säurechloride als solche nicht löslich ;
sie werden indess vom Wasser rasch unter Bildung von Salzsäure und
dem zugehörigen Säurehydrat zersetzt, und es entstehen somit beim Ver-
mischen der niederen Chloride mit Wasser, da die entsprechenden Hy-
drate in Wasser löslich sind, klare Lösungen. Siedepunkt und spec. Gew.
einer grösseren Reihe von Säurechloriden s. in der Tabelle Nr. 17 auf
S. 352.
Das chemische Verhalten der Säurechloride ist besonders charak-
terisirt durch die ausserordentlich leichte Beweglichkeit des Chloratoms.
Wasser zersetzt die niederen Glieder augenblicklich und mit explosions-
artiger Heftigkeit:
CHj-CO-Cl 4^^ iÖ^ OH = CHsCOOH + HCl;
wie sich hier neben Salzsäure das Säurehydrat bildet, so entsteht bei
der Zersetzung mit Alkoholen ein Säureester:
CH,.CO. 01 + HOC2H5 = CHaCOOCjHs 4- HCl.
Ammoniak wirkt ebenfalls lebhaft ein und bewirkt die Bildung des
Säureamids :
CH3.CO.CI + NH, = CHj-CONH, + HCL
Mit den Salzen organischer Säuren tritt leicht Reaction unter Bildung
eines Anhydrids ein:
CHjCO. Cl + NaOCOCHj = NaCl + CHgCO OCO-CH,.
Diesen Reactionen könnte eine grosse Zahl anderer angereiht wer-
den, in denen ebenfalls das Säureradical durch Vermittelung des Chlo-
rids in neue Verbindungsformen übergeführt wird. Durch diese Reactions-
fahigkeit gewinnen die Säurechloride für die Zwecke der Synthese eine
ähnliche Bedeutung, wie sie den Halogenalkylen zukommt (vgl. S. 185),
der Fßttsäuren. 349
Wie die letzteren als Transporteure der Alkoholradicale (Alkylirungs-
mittel) eine vielseitige Verwendung finden, so sind die Säurechloride
vortreflfliche üeberträger der Säureradieale (Acylirungsmittel). Gegenüber
den Säurechloriden erscheinen die Halogenalkyle fast träge; denn wäh-
rend die Alkylirungsprocesse mit Hülfe der letzteren meist erst in der
Wärme eintreten und längerer Zeit zu ihrer Vollendung bedürfen,
tritt die Acylirung durch die Säurechloride in der Eegel schon bei ge-
wöhnlicher Temperatur ein und ist in kurzer Zeit beendigt. An dem
elektropositiven Alkylrest haftet das elektronegative Chloratom weit fester,
als an dem elektronegativen Säureradical.
unter den Fettsäurechloriden ist das wichtigste Glied das Acetyl-
chlorid (Darstellung s. S. 347, physikal. Eigensch. s. Tabelle Nr. 17 auf
S. 352); es ist eines der am häufigsten gebrauchten organischen Eeagentien.
Man bedient sich desselben namentlich, um rasch zu entscheiden, ob eine
Verbindung von noch unbekannter Constitution acylirbare Wasserstoff-
atome enthält oder nicht. In allen Alkoholen und Phenolen wird das
Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe, in den Mercaptanen das Wasser-
stoffatom der SH-Gruppe, in den primären und secundären Aminen der an
Stickstoff gebundene Wasserstoff bei der Behandlung mit Acetylchlorid
durch die Acetylgruppe ersetzt, indem gleichzeitig Chlorwasserstoff austritt.
Verbindungen dagegen, welche den Sauerstoff ätherartig, den Schwefel
sulfidartig, den Stickstoff tertiär gebunden enthalten, sind gegen Acetyl-
chlorid indifferent. So kann die rasch und mit einer kleinen Substanz-
menge auszuführende Prüfung des Verhaltens gegen Acetylchlorid oft
wichtige Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Constitutionsfrage liefern.
B. Bromidei: C„H2„^.i.C0Br.
Die Sfiurebromide besitzen viel geringere Wichtigkeit als die Säurechloride; sie
werden nur selten angewendet. Man gewinnt sie ebenfalls durch Einwirkung von
Phosphorverbindungen des Broms auf die Sfiurehydrate. Aehnlich wie bei der Dar-
Stellung der Bromalkyle, braucht man nicht fertigen Bromphosphor anzuwenden, son-
dern kann denselben während der Reaction entstehen lassen, indem man Brom zu
einem Gremisch des Säurehydrats mit rothem Phosphor langsam zuiliessen lässt.
Acetylbromid CHa-COBr siedet bei 81<>; Propionylbromid CjHsCOBr
siedet bei 104^ und besitzt bei 9*5^ das spec. Gew. 1*52.
Eine gewisse Bedeutung besitzen die Säurebromide für die Gewinnung der
durch Brom substituirten Fettsäuren. In den Bromiden lassen sich die Wasserstoff-
atome des Alkylrestes viel leichter substituiren, als in den Säurehydraten. Um also
z. B. Brompropionsäure, CHg-CHBr^COsH, zu gewinnen, bromirt man zweckmässig
Propionylbromid, CHj'CHj'COBr, statt der Propionsäure selbst*. Die Bromide wer-
den f&T diesen Zweck nicht rein dargestellt; man lässt zu dem Gemisch von Säure-
* RiTTBB, Ann. 95, 208. — Gal, Ann. 129, 53. — Sestini, Bull. 11, 468. —
HjLxbiot, Ann. eh. [5] 17, 83. — Lobrt de Bruyn, Rec. trav. chim. 3, 387. —
B^^HAJfP, J. pr. 68, 492.
» Hell, Ber. 14, 891; 21, 1726. — Urech, Ber. 13, 1688. — Volhard, Ann.
242, 161.
350 Jodide und Anhydride
hydrat und rothem Phosphor successive so viel Brom tropfen, dass sich zunächst das
Bromid bildet, und dann die Substitution durch Brom eintritt (vgl. d. Kap. ,,Halogen-
derivate der Carbonsfiuren").
C. Jodide^: C^Ha^ + i'COJ.
Die Säurejodide sind nur wenig untersucht; man erhält sie durch Einwirkung
von Jodphosphor auf die Säureanhydride oder die Alkalisalze der Säuren. Es sind
schwere, an der Luft rauchende Flüssigkeiten; von Wasser uud Alkohol werden sie
analog den Chloriden und Bromiden zersetzt. Acetyljodid CHg-COJ siedet bei 108®
und besitzt bei 17^ das spec. Gew. 1-98.
Die Säurecyanide, wie Acetylcyanid CHj^CO-CN, werden als Nitrile von
»-Ketonsäuren, wie CHj^CO-COjH, später besprochen werden.
II. SSnreai^ydride.
Bildungsweisen. Anhydride der Fettsäuren wurden zuerst von
Gerhabdt* im Verlauf seiner wichtigen Untersuchungen über die wasser-
freien organischen Säuren (1853), die ihn zur Aufstellung der Typen-
theorie (vgl. S. 54 — 55) führten, und von Chiozza^ gewonnen. Geb-
HABDT benutzte zu ihrer Darstellung hauptsächlich die Einwirkung des
Phosphoroxychlorids auf die im Ueherschuss angewendeten Alkalisalze
der Säuren (vergl. S. 347). Man kann sich diese Reaction in zwei Processe
getrennt denken; zunächst entsteht nach der Gleichung:
POCl, + 2KO.CO.CH3 = PO3K + KCl + 2C1.C0.CH,
das Säurechlorid, und dieses wirkt nun auf den noch unangegriffenen
Theil des Salzes unter Bildung des Anhydrids ein:
CH3CO.OK + Cl. GOCH, = KC1+ CHsCO.O.COCH,.
Gegenwärtig bereitet man zur Gewinnung der Anhydride meist zunächst
das reine Säurechlorid und lässt letzteres in einer besonderen Operation
auf das entwässerte Natriumsalz der Säure einwirken (vgl. S. 351 die Dar-
stellung des Essigsäureanhydrids).
Auch durch Wechselwirkung zwischen Säurechlorid und Säurehydrat:
CHj-COOH + Gl. GOCH, = HCl + GHaCOOCOCH,
entstehen die Anhydride; dieser Process erfordert indessen lange Eiu-
wirkungszeit und erfolgt auch dann nur unvollständig*.
Für die Gewinnung der Anhydride ist femer empfohlen worden das
Ueberleiten von Phosgen (COClj) über die erhitzten Alkalisalze der Fett-
säuren*:
2GH3.GO.ONa + GOGl, = (GH,.GO),0 + GO, + 2NaGl
* Guthrie, Ann. 103, 335. — Gahoübs, Ann. 104, 111.
> Ann. 87, 57 u. 149. » Ann. 84, 107; 85, 229; 86, 259.
* Vgl. Anschütz, Ann. 226, 5.
* Hentschel, Ber. 17, 1285. — Hofmann und Schoetensack, Ber. 17o,
der Fettsäuren. 351
und die Reactioii der Säurechloride auf das Bleinitrat^:
2CH8.CO.C1 + PbCNOs), = (CH8.C0),0 + PbCl, + N.O* + 0.
Durch directe Wasserentziehung aus den Säurehydraten mittelst
Phosphorpentoxy d :
2CH,.C0.0H = (CH8C0),0 + H,0
entstehen die Anhydride zwar, aber nur in sehr geringer Ausbeute^.
Gemischte Säureanhydride', welche zwei verschiedene Säure-
radicale enthalten, können durch die Einwirkung des Chlorids einer
Säure auf das Salz einer anderen Säure:
C^H^OOK + Cl.COCH, =KC1 + " " \o
C,H,0 /
oder auch durch kurzes Erhitzen von Essigsäureanhydrid mit einer
höheren Fettsäure:
C,H,0. C,H,Ov
>0 + CsH^OOH = >0 + CjHjOOH
erhalten werden.
Ueber Anhydride, welche neben Fettsäureradicalen die Radicale
anorganischer Säurto enthalten, wie z. B. Si(0-C2HgO)^, Kieselessig-
säureanhydrid, vgl. die Original-Literatur*.
Darstellung von Essigsäureanhydrid: Man Iftsst zu 1 Th. entwässertem
und fein gepulvertem Natriumacetat 1 Th. Acetylchlorid unter Kühlung zutropfen,
erwärmt dann zunächst einige Zeit gelinde und destillirt darauf das Anhydrid auf
dem Sandbade oder mit freier Flamme ab; aus dem Destillat gewinnt man durch
Bectificiren reines Essigsäureanhydrid, dessen Siedepunkt bei 136° liegt.
Allgemeine Charakteristik. Das Anhydrid der Ameisensäure
konnte bisher ebenso wenig wie das Chlorid (vgl, S. 348) gewonnen werden.
Die Anhydride der Essigsäure und ihrer niederen Homologen sind farb-
lose, destillirbare Flüssigkeiten von scharfem Geruch; die hochmolecularen
Anhydride sind feste Substanzen. Die Anhydride sind unlöslich in
Wasser, löslich in Aether. Ihr Siedepunkt liegt höher als derjenige der
entsprechenden Säurehydrate. Die Tabelle Nr. 17 auf S. 352 enthält
die physikalischen Eigenschaften mehrerer Säurechloride und Säure-
anhydride.
Die gemischten Anhydride, wie CiHsO'O'CeHijO, besitzen keinen constanten
Siedepunkt; sie zersetzen sich bei der Destillation in Anhydride mit gleichen Radicalen.
Die Säureanhydride sind gegen Wasser ziemlich beständig, und ihre
Beständigkeit wächst mit zunehmendem Moleculargewicht. Essigsäure-
* Lachowicz, Ber. 17, 1281; ^8, 2990. i
* Gal und £tabd, Ber. 9, 444. I
■ Tassinari, Ber. 11, 2081. — Autenribth, Ber. 20, 3187.
* ToMiiASi, Ber. 7, 826. — Menschutkin, Ann. 183, 317; 186, 254. — Käm-
u. Carius. Ann. 181, 165. — Friedel u. Ladekbüro, Ann. 145, 174. — Ber- '
TRAKO, Bull. 88, 252.
352 Tahell Uebersicht über d. Chloride u. Anhydride der Fettsäuren.
Tabelle Nr. 17.
Name der entspre-
chenden Sfiure
Formel
des Sfiureradi-
cals R.
Säurechlorid: R-Cl
Schmelx^
punkt
Siede-
punkt
Specifisches
Gewicht
Essigsäure *•'••••
Propionsäure *■•—" . . .
Norm. Buttersäure *•*•*•"
Isobuttersäure *•••"•" . .
Isovaleriansäure *•'*** . .
Oenanthsäure*'*" . . . .
Caprylsäure*
Pelargonsäure '•*••" . .
Caprinsäure'
Laurinsäure '^
Myristinsäure '^
Palmitinsäure •0-". . . .
Stearinsäure»«
CHaCO-
CtH^CO-
CsHy.CO-
C^Hj.CO-
C,Hi,.CO-
C,H,5.C0.
CgH^CO-
CgHjg • CO-
C„H.,.CO-
Cl7^86*C^"
Arachinsäure" CigHsgCO-
Lignocerinsäure " . . . .
Co«H« • CO*
'88* »47
— 170
— 1«
+ 12°
4-230
66—67«^
48— 50<>
-I- 51 «
78 <>
101«
92 <>
1150
83 0
98 «»
114«
1.105(20«)
1-065
1-028
1018
0-989
»
»
n
Säureanhydrid; R^O
Schm.-
punkt
»>
01
168« 5
ö
pr
192-5«
215
Siede-
punkt
Specifisches
Gewicht
+ 5
-f 64-
136«
167«
192«
182«
215«
1.080(15«!
1017 (15«)
0-978(12.5«)
0-958(16 -5^
268—271« 0-932(21«)
Citate zu der Tabelle Nr. 17: * Brühl, Ann. 20S(, 1. — » Thorpe, Joum.
Soc. 37, 188. — ' Krafpt u. Koenio, Ber. 23, 2384. — * Burcker, Ann. eh. [5J
26, 468. — ' LiNNEHANN, Ann. 161, 179. — « Markowhikopp, Ztschr. Chem. 1866,
501. — ^ BtcHAMP, J. pr. 68, 492. — « Kopp, Ann. 04, 293. — • Kahlbaum, Ber.
16, 2481. — *« LiMPRiCHT u. V. UsLAR, Auu. 04, 322. — " Pbrkin, Joum. Soc. [2]
13, 10. — »» LiNXEMANN, Ann. 148, 257. — *' Gerhardt, Ann. 87, 156. — " Tobn-
NiES u. Staub, Ber. 17, 850. — " Orr, Ann. 227, 62. — " Chtozza, Ann. 84,
106; 85, 231. — " Malbrba, Ann. Ol, 102. — »« Mehlis, Ann. 185, 371. —
" Cahours, Jb. 1850, 402. — »« Khafft u. Bürger, Ber. 17, 1378. — " Viluär,
Ber. 0, 1932. — " Tassinari, Ber. 11, 2031. — " Hell u. Hermanns, Ber.
13, 1720.
anhydrid hält sich in kaltem Wasser einige Zeit, und erst allmählich
löst es sich darin unter Bildung von Essigsäure auf:
(CaHsO^O + H,0 = 2 CjHsO - OH
— eine Umwandlung, die beim Erwärmen mit Wasser fast augenblick-
lich eintritt. Aber die höheren Anhydride, wie Isobuttersäure-, Pelargon-
säure- Anhydrid etc., können selbst längere Zeit mit siedendem Wasser
behandelt werden, ohne vollständig in das Säurehydrat überzugehen;
auch von den Lösungen der Alkalicarbonate werden diese Anhydride nur
Anhydride der Folsäuren. 353
langsam angegriffen ^ Von wässrigen Alkalien werden die Anhydride
rasch zersetzt unter Bildung der Salzlösung der entsprechenden Fett-
säure. Auch beim Erwärmen mit wasserfreien Metalloxyden (BaO, PbO etc.)
bilden sich die entsprechenden Salze der Fettsäuren*:
(C,H,0),0 + BaO = BaCOCaHaO),.
Bei der Wechselwirkung mit Alkoholen bilden sich die Säureester ^:
(C,H80),0 + CjHsOH = CjH,0.0.CjH5 + CjHjO.OH;
analog wirken die Säureanhydride auf die den Alkoholen entsprechenden
Verbindungen der aromatischen Reihe — die Phenole:
CeH^OH + (C,HsO),0 = CeHj.O.CtHsO + 0^0- OH;
in die Hydroxylgruppe wird ein Acylrest eingeführt; diese Acylirung
wird befördert durch Zusatz des wasserfreien Natriumsalzes der ent-
sprechenden Fettsäure.
Ammoniak zersetzt die Anhydride unter Bildung der Säureamide:
(C8H30),0 4- 2NH8 = CjHaO.NHj + CjHjOONH^;
ebenso wirken die Anhydride auf diejenigen Amine ein, deren Ammo-
niakwasserstoffatome noch nicht vollständig durch Kohlenwasserstoff-
radicale ersetzt sind:
(CHj^jNH + (C,H80),0 = (CH,>jN.C,H,0 + CjHjOOH;
an Stelle eines Ammoniakwasserstoffatoms tritt ein Acylrest.
Durch diese Beactionen reihen sich die Säureanhydride den Säure-
chloriden als Ueberträger der Säureradieale (Acylirungsmittel) an (vgl.
S. 348 — 349); wie die letzteren, besitzen die Anhydride — unter ihnen
besonders das Essigsäureanhydrid — als Beagentien in den organischen
Laboratorien eine grosse Wichtigkeit; auch sie werden vielfach benutzt,
um auf die Gegenwart acylirbarer Wasserstoffatome in Verbindungen
von noch unbekannter Constitution zu prüfen. Von den meist sehr
heftig reagirenden Chloriden unterscheiden sie sich durch die weit
mildere Art ihrer Wirkung.
Unter den übrigen Beactionen der Säureanhydride ist noch ihr
Verhalten gegen Halogen wasserstoffsäuren und Halogene bemerkenswerth*.
Chlorwasserstoff führt eine Spaltung in Säurechlorid und Säurehydrat
herbei:
C,H,Ov
>0 + HCl = CtHsOOK + CjjHsO.Cl.
CjHsO/
Chlor und Brom* substituiren mit grosser Leichtigkeit ein Wasser-
stoffatom des Anhydrids; die hierdurch frei werdende Halogenwasserstoff-
*-Vgl. Chiozza, Ann. 85, 230. — Ott, Ann. 227, 62. — Autenrieth, Ber. 20, 3188.
* BicHAJfP, Ann. eh. [5] 12, 507. — Lachowicz, Ber. 18, 2905.
^ ' Ueber den zeitlichen Verlauf dieser Reaction vgl. Menschütkin, Ztschr. f. physik.
Chem. 1, 611.
* Gal, Ann. eh. [3] 66, 187. * Urbch, Ber. 18, 1687.
y. Mktxe q Jacobson , org. Cbem. I. 23
354 Superoxyde der Säweradicale.
säure wirkt nun aber weiter auf das substituirte Anhydrid in obigem
Sinne, so dass der Gesammtvorgang Termuthlich durch die Gleichung:
C2HgO\ CjHgO V
>0 + Cl, = >0 + HCl = CjHaOCl + CsHjCIOOH
CjHeO/ C.HjClO/
ausgedrückt wird. Dieses Verhalten ist von Bedeutung für die Gewinnung
der chlorirten und bromirten Fettsäuren (vgl. das Kapitel „Halogen-
derivate der Carbonsäuren").
Endlich sei noch daran erinnert, dass Säureanhydride mit Natrium-
amalgam zu Aldehyden und Alkoholen reducirt werden können (vgl. 8. 1451
Superoxyde der Säureradieale.
Durch Behandlung einiger Säureanhydride in ätherischer Losung mit Barium-
superoxyd hat Brodie' die dem Wasserstofisuperoxyd entsprechenden Acylsuperoxyde
gewonnen. Das Acetylsuperoxyd, (CgHgOjsO,, ist eine dicke, äusserst stechend
riechende und höchst unbeständige Flüssigkeit; es ist nur im Dunkeln einige Zeit
haltbar, beim Erhitzen explodirt es mit grösster Heftigkeit. Es giebt ausserordentlich
leicht Sauerstoff ab; wie das Wasserstofi&uperoxyd bleicht es Indigolosung, macht
Jod aus Jodkalium frei, verwandelt Ferrocyankalium in Ferricyankalium; dagegen
reducirt es nicht Uebermangansäure.
III. Alkylester der Fettsäuren.
Blldungsprocesse und Darstellungsmethoden. Durch direct^
Wechselwirkung zwischen den Säuren und Alkoholen bilden sich Ester.
z. B.:
CHj.CO.OH + OHCjHs = CH, • CO • 0 • CjHj + HgO.
Diese Reaction ist indessen niemals vollständig; denn zwischen den Pro-
dukten derselben — dem Ester und Wasser — spielt sich der umge-
kehrte, die Wiedererzeugung der ursprünglichen Stoflfe bewirkende Vor-
gang ab:
CHsCOOCjHj + H,0 = CHgCO-OH + CH^-OH.
Die Reaction schreitet daher nur vor, bis ein bestimmter Gleichgewichts-
zustand zwischen den vier Componenten des Systems — freie Säure,
freier Alkohol, Ester und Wasser — hergestellt ist, der dadurch bedingt
wird, dass in gleichen Zeiträumen die Bildung und Zersetzung des Esters
in gleichem Masse stattfindet. Diesem „Grenzzustand" nähert sich
das System so langsam, dass es möglich wird, durch Titration der freien
Säure in Proben, welche nach bestimmten Zeitabschnitten entnommen
werden, den zeitlichen Verlauf der Reaction — die Geschwindigkeit
der Esterbildung — zu verfolgen. Die ausführliche Untersuchung
des Esterificirungsprocesses in dieser Richtung ist von grosser Bedeutung
für die Erforschung der Gesetze der chemischen Dynamik geworden.
Berthelot und P£an de St. Gilles* unterwarfen zuerst 1862—1863
* Pogg. 121, 382.
* Ann. eh. [3] 65, 885; 66, 5, 110; 68, 225.
Esterbildung. 355
die fisterbildung einem umfassenden Studium. Bezüglich des Grenz-
zustands stellten sie fest, dass der Einfluss der chemischen Natur der
Säure und des Alkohols auf denselben nur sehr gering ist; das Gleich-
gewicht ist bei Anwendung äquivalenter Mengen von Säure und Alkohol
erreicht, wenn ungefähr zwei Drittel der Säure esterificirt sind ; um diesen
Mittelwerth schwanken die Beträge des Grenzwerths für die verschiedenen
Combinationen von gesättigten einwerthigen Säuren und Alkoholen nur
wenig. Auch von der Temperatur ist der Grenzwerth ziemlich unab-
hängig; dagegen wird er wesentlich beeinflusst durch das Mengen ver-
hältniss der in Reaction gebrachten Stoffe. Fügt man zu 1 Aeq. Säure
mehr als 1 Aeq. Alkohol, so werden mehr als zwei Drittel der Säure
esterificirt; der Grenzwerth steigt, so dass bei Anwendung eines genügen-
den Ueberschusses von Alkohol die gesammte Säuremenge, und umgekehrt
bei Anwendung eines gewissen Säureüberschusses die gesammte Alkohol-
menge in Ester verwandelt werden kann. Der Grenzzustand wird femer
verschoben, wenn ein grösserer oder geringerer Theil der Mischung gas-
förmig werden kann. Arbeitet man in zugeschmolzenen Röhren, so wird
der Grenzwerth um so höher, je grösser der Gasraum im Verhältniss
zu dem von dem flüssigen Gemisch eingenommenen Räume ist.
Auf die Geschwindigkeit der Esterbildung ist die Temperatur von
grossem Einfluss; Erhöhung derselben bewirkt wesentliche Beschleunigung.
Die Geschwindigkeit ist femer wesentlich abhängig von dem Volum, welches
dem Gemenge zu Gebote steht. Sie wird sowohl durch Verdünnung
des Gemenges mit einem indifferenten Lösungsmittel verringert, wie auch
bei höheren Temperaturen durch Vergrösserung des verfügbaren Dampf»
raums.
Den Einfluss der chemischen Constitution auf die Geschwindigkeit
der Esterbildung hat Menschutkin^ zum Gegenstand interessanter Untersuchungen
gemacht. Die Anfangsgeschwindigkeit wird durch diejenige Säuremenge (in Procent«n
der geflammten angewendeten Menge) gemessen, welche am Ende der ersten Stunde
der Einwirkung von molecularen Quantitftten Alkohol und Sfiure bei 154^ esterificirt
ist. Es zeigte sich, dass die primären normalen Alkohole die gleiche Beactions-
geschwindigkeit besitzen mit Ausnahme des seinen Homologen an Reactionsföhigkeit
äberlegenen Methylalkohols (vgl. S. 155). Secundäre Alkohole werden langsamer
esterificirt, und noch bedeutend langsamer tertiäre Alkohole; bei letzteren lassen sich
indessen nicht so genaue Zahlen erzielen, da sie bei 155^ schon theil weise in Alkylene
und Wasser zerfallen. Einige Zahlen, welche die Anfangsgeschwindigkeit bei der
Esterifidrung verschiedener Alkohole mit Essigsäure wiedergeben, mögen die Verhält-
nisse erläutern:
Primäre Alkohole: Secundäre Alkohole:
Methylalkohol 55-6 | Dimethylcarbinol
Aethylalkohol 46-95
Propylalkohol 46-92
Butylalkohol 46-85
Octylalkohol 46-59
Methyläthylcarbinol . .
Hexylmethylcarbinol
Isopropylmethylcarbinol
Diäthylcarbinol . . .
26-58
22-59
21*19
18-95
16-93
* Ann. 106, 334; 107, 193. — Ann. eh. [5], 23, 14.
23*
356 Darstellung der Ester.
Tertiäre Alkohole:
Trimethjlcarbinol 1-43
. 0-81
. 1-04
. 2. 15
. 0-86
Aethyldimethylcarbinol
Diäthjlmethylcarbinol .
Propyldimethjlcarbinol
Isopropyldimethjlcarbinol
In ähnlicher Weise beeinflusst die Natur des in der Säure mit der Carboxyl-
gruppe verbundenen Alkylradicals den Gang der Esterificirung; die Säuren mit pri-
märem Kadical haben die grösste, die Säuren mit tertiärem Radical die kleinste An-
fangsgeschwindigkeit; die folgenden Zahlen beziehen sich auf die Esterificirung mit
Isobutylalkohol:
Säuren mit prim. Radical: Säuren mit secund. Radical:
Ameisensäure 61*7 Isobuttersäure 29-0
Essigsäure 44-4 Methyläthylessigsäure . . 21 -5
Propionsäure 41 -2
Buttersäure 33*3
Capiylsäure 30-9
Säuren mit tert. Radical: i
Trimethylessigsäure 8'3
Dimethyläthyl essigsaure . . . 3*5
Heptylsäure 0-45
Decylsäure 0-49
Für die Darstellung der Ester, bei welcher es ja darauf an-
kommt, aus äquivalenten Mengen der Säure und des Alkohols eine mög-
lichst grosse Estermenge zu erzielen, ergiebt es sich aus Obigem als
zweckmässig, den der Esterificirung entgegenwirkenden Einfluss des durch
die Reaction gebildeten Wassers aufzuheben. Man setzt daher dem Ge-
menge aus Alkohol und Säure (bezw. einem Salze derselben) concentrirte
Schwefelsäure als wasserentziehendes Mittel zu.
Ein anderes, sehr häufig angewendetes Esterificirungsverfahren be-
steht in dem Einleiten von Chlorwasserstoff in die alkoholische Losung
der Säure bis zur Sättigung; nachdem man einige Stunden digerirt hat,
fällt man den Ester mit Wasser aus. Das Salzsäuregas wirkt hierbei
wahrscheinlich nicht durch Wasserentziehung; vielmehr scheint zunächst
aus dem Säurehydrat und Chlorwasserstoff das Säurechlorid zu entstehen.
CHgCOOH + HCl = CHjCOCl + HjO.
Es ist ja schon erwähnt (S. 347), dass der Eintritt dieser Reaction
unter der wasserentziehenden Einwirkung des Phosphorpentoxyds wirk-
lich constatirt ist. Hier wird der im Ueberschuss vorhandene Alkohol
*
die Rolle des wasserbindenden Mittels spielen. Das Säurechlorid findet
sich nun einem Gemisch von Wasser und Alkohol gegenüber, und setzt
sich sofort nach seiner Entstehung theilweise mit dem Alkohol in den
Ester:
CHs-COCl + OHCjHb = HCl + CHsCOO.CjHg,
theilweise mit dem Wasser in Säurehydrat um:
CHgCO-Cl + OH-H = HCl + CHgCO-OH,
Mgenschaflen der Fettsäurealkylester, 357
welch letzteres nun wieder von neuem in Reaction tritt ^. So wird der
grösste Theil der Säure in kurzer Zeit in Ester umgewandelt. Man be-
dient sich dieser Methode, wenn es sich um eine möglichst vollständige
Esterificirung der Säure mit einem weniger kostbaren und daher im
Ueberschuss verwendbaren Alkohol handelt, also hauptsächlich zur Dar-
stellung von Methyl- und Aethylestern.
Ester können ferner direct durch Wechselwirkung zwischen Säure-
chloriden und Alkoholen (s. obige Gleichung) oder durch Einwirkung
von Halogenalkylen auf die Salze der Säuren:
CHaCOOAg + J.CjHj = AgJ -h CHaCO.O.CjHa
in glatter Weise erhalten werden.
Allgemeine Charakteristik. Die Ester der niederen und mittleren
Keihen sind farblose, unzersetzt flüchtige Flüssigkeiten^ welche meist
einen sehr angenehmen, fruchtähnlichen Geruch besitzen. Manche der-
selben werden daher zu Parfumeriezwecken als Fruchtäther verwendet.
Die hochmolecularen Ester sind krystallisirbar. Die niederen Glieder
sind in Wasser etwas löslich, aber nicht damit mischbar (vgl. S. 192
u. 200); die höheren Glieder sind in Wasser unlöslich; in Alkohol und
Aether sind die Ester löslich.
In Bezug auf ihre physikalischen Eigenschaften sind die
Fettsäureester wohl eingehender untersucht als irgend eine andere Ver-
bindungsgruppe ^. Sie sind leicht in grösseren Mengen gewinnbar und
rein darstellbar; ihre Isomerieverhältnisse bieten viele Anhaltspunkte zur
Erörterung des Zusammenhangs zwischen physikalischen Eigenschaften
und chemischer Constitution.
Fettsäurealkylester sind stets nach der allgemeinen Formel C^H^nOg
zusammengesetzt, sie sind daher isomer mit den Fettsäuren von gleicher
Kohlenstoffzahl, z. B.:
CHjCHj.CO.OH CHg-COOCHa
Propionsäure. Essigsfturemethylester.
Fettsäureester können, wenn sie Alkylreste von gleicher Kohlenstoffzahl ent-
halten, durch verschiedene Structur derselben unter einander isomer sein :
CH3 . CH, . CH, . CO . 0 . CH, . CHj . CH, CH3 • CH, • CH, • CO • 0 • CHCCH,),
Bnttersäure- propylester. Buttersäure- isopropy lester.
(CH8),CH . CO . 0 . CH(CH3),
Isobuttersäure-ißopropylester.
Enthalten sie bei gleicher Gesammtzahl der im Molecül vorhandenen
Kohlenstoffatome Alkylreste von verschiedener Kohlenstoffzahl, so beruht
* Vgl. Friedel, Compt. rend. 68, 1557. — Sapper, Ann. 211, 208.
' Vgl. z. B. Kopp, Ann. 05, 313. — Elsässer, Ann. 218, 302. — Schitmann,
WiEDEM. Ann. 12, 40. — Gartenmeister, Ann. 283, 249; Ztschr. f. physik. Chem. 6,
530. — Schiff, Ann. 220, 106. — Winkelmank, Wiedem. Ann. 23, 203.
358 Esterverseifung,
die Isomerie auf der verschiedenen Vertheilung der Kohlenstoffatome zu
beiden Seiten der den Alkylrest der Säure mit dem Alkybrest des Al-
kohols verbindenden Mittelgruppe — CO-0 — (Metamerie, s. S. 190);
z. B. :
H-COO-C.H, CHa -COO-CjHj CjHs-CO.O-CH,
Ameisensäurepropylester. Essigsäureäthylester. Propionsäuremethylester.
In welcher Weise diese verschiedenartigen Ursachen der Isomerie
ihren Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften geltend machen, wird
erst später (s. Bd. II, Anhang) eingehender besprochen werden. Hier
mögen nur die Schmelzpunkte, Siedepunkte und spec. Gewichte einer
grösseren Zahl von Estern zusammengestellt werden; Tabelle Nr. 18 auf
S. 359 enthält die Constanten für die Aethylester von verschiedenen
Säuren, Tabelle Nr. 19 auf S. 360 für die Essigsäureester verschiedener
Alkohole.
An dem chemischen Verhalten der Ester ist ihre Verseifbar-
keit in erster Linie hervorzuheben; unter Fixirung eines Molecüls
Wasser können sie wieder in die Säure und den Alkohol zerfallen, aus
welchen sie durch Entziehung eines Wassermolecüls darstellbar sind, z. B. :
CHs-CO-OCaHs + H,0 = CHaCOOH + OHCÄ.
Bei den niederen Gliedern erfolgt diese Spaltung langsam und theilweise
schon durch die Einwirkung des Wassers in der Kälte; lässt man sie
feucht einige Zeit stehen, so werden sie in Folge dessen sauer. Voll-
ständige Verseifung wird durch Erwärmen mit wässrigen und alkoho-
lischen Alkalien oder mit Säuren erzielt.
Setzt man zu einem Gemisch eines Esters mit Wasser eine Säure oder Bas^,
so wird die Spaltung in grösserem oder geringerem Grade beschleunigt; den zeitlichen
Verlauf derselben kann man leicht durch die Titrirung der freien Säure (bezw. des
freien Alkalis) in Proben, welche man nach bestimmten Zeitabschnitten entnimmt,
verfolgen. Die Geschwindigkeit, mit welcher verschiedene Säuren und Basen diese
Verseifung bewirken, ist ein Mass für ihre chemische Verwandtschaft; die zeitliche
Verfolgung der Esterverseifung kann daher zur Bestimmung der Affinitäts-
Coäfficienten von Säuren und Basen benutzt werden. Man hat sich fiir diesen
Zweck hauptsächlich des Methylacetats CHa-CO-O-CHg (Methylacetat-Methodet
und auch des Essigäthers CH3 • CO • 0 • CaHj bedient ^
Durch Erhitzen mit gasförmigen HalogenwasserstofFsäuren werden die Ester
derart gespalten, dass sich freie Säure und die Halogenverbindung des Alkoholrest4>s
bildet, z. B.:
CHa.COOCjHß + HCl = CH,.CO.OH + CjHöCl.
Die Einwirkung der einzelnen Halogen wasserstofiBäuren findet um so geschwinder statt, je
grosser ihr Molecularge wicht ist; Jodwasserstoff zerlegt also die Ester am schnellsten,
Fluorwasserstoff am langsamsten*. Für die Darstellung der Ester durch Einleiten
von Salzsäuregas in ein Gemisch von Säure und Alkohol (vgl. S. 356) ergiebt sich
mithin, dass man die Einwirkung des Chlorwasserstofis nicht zu lange ausdehnen darf.
* Näheres hierüber siehe in Ostwald's Lehrb. d. allgemeinen Chemie (Leipzig,
1886) Bd. n, S. 621—622, 803—810, 819—820.
* Sappeb, Ann. 211, 178.
Tabellarische Uebersicht über die Aethylester der Fettsäuren.
359
Tabelle Nr. 18.
Aethylester
der
Formel
der
SSure.
^chmelzpuDkt
Siedepunkt | Spec. Gew.
des Esters.
AmeiseoBSure
Essigsäure
Propionsäure
Norm. Buttersfiure ....
Isobuttersäure
Norm. Yaleriansäure . . .
Isovaleriansäure
Norm. CaproDsäure ....
,, Oenanthsäure . . .
Capiylsäure ....
Pelargonsäure . . .
Caprinsäure ....
HCOall
CHgCOjH
CgHs-COgH
CsHyCOjH
jj
C4HQ • COjH
»
?j
n
CgHii -COgH
C7Hi5«C02H
CaFI^COjH
CgHjg'COgH
Laurinsäure CnHjg'COgH
Myristinsäure
Palmitinsäure
CioHm • COoH
'18 "»7
Stearinsäure
Arachinsäure
CikH.i «COaH
'15*^81
C»7H«K'C02H
'17 "85
OiqH«o * OOg H
'19**89
Behensäure a,H«.CO,H
Lignocerinsäure CJ3H47CO2H
'81**43
Cerotinsäure
Melissinsäure
^26^53*^^2^
C29H59 • CO9H
— 10^
+ 110
+ 240
+ 33—340
49-50
48—490
55 0
59—600
730
+ 550
77-50
98-80
120-90
110-10
144.70
134.30
166-60
187-10
205-80
227—2280
243-2450
2690
ca. 2950
0-944(00)
0-925
0-911
0-900
0-890
0-894
0-885
0-889
0-886
0-884
0.865(17-50)
0-862
0-867(190)
0-864 (flüssig)
»>
»
»>
»
»>
»
)>
?>
»>
295—298 0
(unter 100mm Druck)
305—310"
(unter 20 mm Druck
4
Die Ester der Säuren, welche verschiedenen Klassen angehören, zeiget in Bea^jig
auf den Wideretand , den sie der Vereeifung entgegensetzen, oft auffällige Unter-
schiede. Während einige (z. B. Acetessigester CHg-CO-CHj-CO-OCjHs) schon, in
der Kälte durch ganz schwache wässrige Alkalilaugen nach kurzer Zeifr^ vollständig
zerlegt werden, werden andere (z. B. Tetramethylbernsteinsäureester C2H5-C02-
C(CH,),-qCHs),.C05,.C8H5) selbst durch Digestion mit alkoholischem Kali auf dem
Wasserhade nur äusserst langsam gespalten.
Durch Einwirkung von Ammoniak gehen die Ester in Säureamide
über, z. B. :
CHa-CO-OCjHs + NHg = CHs-CO-NH, + C^H^-OH.
Chlor wirkt leicht auf die Ester ein und bildet Substitutionsprodukte;
^\ Vollendung der Chlorirung im directen Sonnenlichte werden in den
360 Tabellarische üehersicht Über die Essigsäureester der Orenxalkohole.
Tabelle Nr. 19.
Essigsäureester
des
Formel
des
Alkohols.
Schmelzpunkt
Siedepunkt 1 Spec. Gew.
des Esters.
Methylalkohol
Aethylalkohol
Propylalkohol
Isopropylalkohol . . . .
Norm. Butylalkohol . .
Isobutylalkohol ....
See. Butylalkohol . . .
Tert „
Norm. Amylalkohol . .
Isoamylalkohol
Norm. Hexylalkohol .
Heptylalkohol .
Octylalkohol . .
CHs-OH
CjHjOH
C,H,.OH
»
C^H.OH
.V
CsH„.OH
J1
»
»>
>»
Decylalkohol
I
C.H„.OH
C,H,..OH
C,H„.OH
C.»H.,.OH
'I0*^tl
„ Dodecylalkohol . . Oi^H^s
„ Tetradecylalkohol . C^fHig
„ Cetylalkohol . . . . , CigHjj
,y Octadecylalkohol . CigHs,
OH
OH
OH
OH
+ 12— IS«»
49.5®
57-3«
77.5«
101. 8<»
ca. 90 <»
124. 5<>
116. 3®
111—1130
93—960
147. 6«
1390
169. 2®
19130
210-00
125—1260
1510
1760
2000
222—2230
?
B
ö
e
o
0-964(00)
0-925
0-909
0-916
0-902
0.892
0-892
0-895
0 884
0-890
0-889
0.885
Zur Kennzeichnung der hochmolecularen Ester sei den Tabellen hinzugefügt,
dass der Dodecylester der Palmitinsäure Ci^Hsi-CO-O-CisH^s bei 4lo, der
Tetradecylester CijHai • CO - 0 • C14H29 bei 480, der Hexadecylester (Cetylester)
CiöHsi • CO . 0 . CieHas bei 53— 540, der Octadecylester CuHeiCO.O-CigH,, gegen
590 schmilzt. Diese Ester zerfallen bei der Destillation in Palmitinsäure und ein
Alkylen, z. B.:
^is^n'^^'^'^ifi^ii = CiöHji-CO'OH + C19H3«.
Im Yacuum sind sie zum Theil noch unzersetzt destillirbar ^.
niederen Estern sämmtliche WasserstoflFatome durch Chlor ersetzt; es
entstehen so Perchlormethylformiat, Cl^CO-O-CClj und ähnliche Ver-
bindungen^.
Einzelne Glieder. _
Essigsäureäthylester CHg-CO-O'CjHß ist unter dem Namen
,,Essigäther'' seit langer Zeit bekannt und findet Verwendung in der
Medicin (Aether aceticus), femer seines angenehmen, erfrischenden Geruchs
' Kbafft, Ber. 16, 3019.
* Cahoübs, Ann. 64, 315. — Henbt, Ber. 6, 739.
ENT8CHBL, J. pr. [2J 36, 99, 209, 805, 468.
— Malaouti, Ann. 32, 35.
Einzelne Fettsäurealkylester, 361
*
wegen für Parfumeriezwecke, als Zusatz zu Fruchtsäften, Weinessig, Spiri-
tuosen u. s. w. Er dient femer zur Darstellung des Acetessigesters,
welcher neuerdings fabrikmässig für die Herstellung des Antipyrins ge-
wonnen wird. Siedepunkt und spec. Gew. s. in der Tabelle Nr. 19
S. 360; Essigäther löst sich in etwa 17 Th. Wasser.
Darstellung von EssigätherM Zu einem Gemisch von 50 ccm conc. Schwefel-
sfinre und 50 ccm Alkohol, welches auf 130 — 140° erhitzt wird, lässt man allmählich
eine Mischung von gleichen Raumtheilen 98proc. Essigsäure und Alkohol fliessen,
indem man die Temperatur auf 130—140° constant erhält. Es destillirt nun con-
tinairlich Essigäther, gemengt mit Wasser, Alkohol und Essigsäure. Die geringe
Menge Schwefelsäure genügt zur Darstellung grösserer Quantitäten des Esters, da
sie — ähnlich, wie beim Aetherbildungsprocess (vgl. S. 191) — immer wieder rege-
nerirt wird:
CjHß . OH + H,S04 = CjHs . 0 - SOjH + H,0 ,
CAOSOjH + OHCOCH, = CjHg.O.CO.CHj + HjSO*.
Aus dem Destillat scheidet man den Essigäther durch Schütteln mit conc. Sodalösung
ab, trocknet ihn mit Chlorcalcium und reinigt ihn durch Bectificiren.
Von den mittleren Fettsäureestern kommen einige natürlich ge-
bildet als Bestandtheile ätherischer Oele vor, soz. B. Essigsäureoctyl-
ester CHg-CO-O-CgHi^, Capronsäureoctylester Cf^K^^CO-O-C^B.^^
und Buttersäurehexylester CjHy-CO-O-CgHjj im Heracleumöl *,
Buttersäureoctylester CgH^-CO-O-CgHi^ im Oel der Früchte von
Pastinaca sativa®. Caprinsäure-isoamylester CgHjg-CO-O-CjHjj ist
ein Hauptbestandtheil des Weinfuselöls (Oenanthäther , vgl. S. 333)*.
Andere werden künstlich für Parfumeriezwecke gewonnen (Fruchtäther);
so findet der Essigsäureisoamylester CHg-CO-O-CgHjj als Birnöl,
Buttersäureäthylester CgH^-CO-O-C^Hg als Ananasöl, Isovalerian-
säure-isoamylester C^Hg-CO-O-CßH^j als Apfelöl Anwendung.
Aus höheren Fettsäureestern besteht der Walrath — ein Fett,
welches sich in besonderen Höhlen im Kopfe verschiedener Wale (nament-
lich von Physeter macrocephalus) findet und nach dem Tode der Thiere
aus dem flüssigen Walrathöl auskrystallisirt, in welchem es während des
Liebens in Folge der thierischen Wärme gelöst war. Es wird zur Her-
stellung von Kerzen verwendet. Sein Hauptbestandtheil ist der Pal-
mitinsäurecetylester OißHgj-CO-O-CigHjg (Schmelzpunkt 53-5^;
daneben finden sich in kleinerer Menge andere hochmoleculare Fett-
säureester*.
Die Ester der höchsten Fettsäuren und Alkohole sind wesent-
liche Bestandtheile der Waehsarten. Das Bienenwachs® — die Sub-
stanz der Wandungen der Bienenzellen, welche durch Ausschmelzen der
* Vgl. Markownikoff, Ber. 6, 1177. — Papst, Bull. 83, 350.
' ZnrcKE, Ann. 162, 1. — Fbanchimont u. Zincke, Ann. 163, 193.
* Renesse, Ann. 166, 80. ^ Grimm, Ann. 167, 264.
* Chevbbul, Ann. eh. 7, 155. — Heintz, Ann. 92, 291.
* Bbodib, Ann. 67, 180; 71, U4. — Nafzoeb, Ann. 224, 225. — Schwalb,
Ann. 236, 106. — A. u. P. Buisinb, Bull. [3] 3, 867.
362 Wachsmim,
vom Honig befreiten Waben mit Wasser erhalten wird und hauptsäch-
lich zur Kerzenfabrikation Verwendung findet, — lässt sich durch Kochen
mit Alkohol in einen leicht löslichen Theil (Cerin) und einen fast un-
löslichen Theil (Myricin) zerlegen. Ersterer besteht hauptsächlich aus
freier Cerotinsäure (vgl. S. 338 — 339), letzterer aus Estern, und zwar
wesentlich aus dem Palmitinsäureester des Myricylalkohols (Cg^jHgj(OH)
oder C3iHg3(OH)?, vgl. S. 168). Daneben enthält das Bienen wachs aber
auch Kohlenwasserstoffe, welche wahrscheinlich höhere normale Glieder
der Paraffinreihe (Cg^Hß^ und Cg^H^J darstellen, Alkohole mit 24 bis
27 Kohlenstoffatomen und eine Säure, welche der Oelsäure-Beihe an-
zugehören scheint und als der Träger der specifischen Eigenschaften des
Wachses, namentlich des Geruchs, angesehen werden darf.
Auch ausser dem Bienenwachs begegnet man häufig natürlich gebildeten Pro-
dukten von wachsartiger Beschaffenheit, welche zum Theil ähnliche Bestandtheile wie
das Bienenwachs enthalten.
Das chinesische Insektenwachs, welches von der Wachsschiidiaus Coccns
ceriferus abgesondert wird, besteht fast ausschliesslich aus Cerotinsäure-Cerylester
GgeHja'CO'O'CaTHfts (Schmelzpunkt 82 ®)^ Wesentlich abweichend in seiner Zu-
sammensetzung ist das von den Cocheniileläusen producirte Coccerin', welches
Ester mehratomiger Alkohole und Säuren enthält.
Unter den Pflanzenwachsen^ bildet das Carnaubawachs^, welches die
Blätter der Camauba (Copemicia cerifera Mart.), einer Palme, überzieht und in Bra-
silien gewonnen wird, einen bedeutenden Handelsartikel. Dasselbe enthält von Alko-
holen hauptsächlich den Myricjlalkohol CsoH^i'OH — daneben einen Alkohol
CjyHgj'OH und einen zweiwerthigen Alkohol Cj5H5o(OH)2 — theils frei, theils in
Form von Estern, — von Säuren die Cerotinsäure CjjHg^Oj, eine Säure Cf^U^fi^ und
eine Oxysäure CjiH^jOg; auch ein Kohlenwasserstoff ist darin aufgefunden.
Das japanische Pflanzenwach s^ wird aus dem Glycerid der Palmitinsäure
gebildet und gehört daher mehr zu den Fetten, als zu den Wachsarten. Ebenso ent-
hält das Myrthenwachs^ (aus der Frucht von Myrica cerifera) das Glycerid der
Palmitinsäure neben freien Fettsäuren.
Opiumwachs ^, welches sich auf der Samenkapsel des Oelmohns (Papaver
somniferum) nach dem Abfallen der Blumenblätter bildet, scheint hauptsächlich aus
Palmitinsäurecer^'^lester zu bestehen; daneben enthält es den Cerotinsäurecerylester.
Orthoalkylester der Fettsäuren^.
Ab Orthosäuren bezeichnet man Trihydroxyl Verbindungen, welche man sieh
aus den Säuren durch Zutritt eines Wassermolecüls entstehend denken kann:
> Brodie, Ann. 67, 199.
* Liedermann, Ber. 18, 1975; 19, 328. — Lieberuann u. Bergaht, Ber. 20, 959.
» Vgl. J. König, Ber. 3, 566.
* B^RARD, Bull. [1] 9, 41. — Story Maskelyne, Jb. 1869, 784. — Pieverijno,
Ann. 183, 344. — Stürcke, Ann. 223, 283.
* Sthamer, Ann. 43, 835. • Moore, J. pr. 88, 301. ' Hesse, Ber. 3, 637.
® WiLLiAMsoN u. Kay, Ann- 92, 346. — Ladenbüro u. Wichelhaus, Ann.
162, 164. — Bassett, Ann. 132, 54. — Sawitsch, Jb. 1860, 391. — Geuthkr,
Ztschr. Chem. 1871, 128. — Stapfp, ebenda, 186. — Deutsch, Ber. 12, 117. —
Pinner, Ber. 16, 356, 1644. — Arnhold, Ann. 240, 192. — Hulleman, Reo. trav.
chim. 8, 386.
Orthoalkylester der Fettsäuren. 363
.0 /OH
R.C<C +H,0 = R.C(OH.
Die Orthosäuren selbst sind nicht beständig (vgl. S. 321), wohl aber ihre Ester:
/OR
R.C(OR.
^OR
Die Ester der Orthoani eisensäure können durch Einwirkung von Chloroform
(nicht von Jodoform^) auf Natriumalkoholate erhalten werden:
CHCI3 + SNaOCgHs = 3NaCl + CH(O.C8H5)3;
in analoger Weise bildet sich dreibasischer Essigäther aus Trichloräthan CH^'OCls:
CHs-CCla + SNa.O.CjHs = 3NaCl + CHg • C(0 • CiH,),.
Sehr glatt entstehen die Orthoester femer, wenn man das Chlorhydrat eines Imido-
äthers (vgl. S. 374) mit überschüssigem Alkohol stehen lässt:
.NH äO'C,U,\
H.Cf .HCl + 2CaH5.0H = H-CC + NH3.HCI;
^O-CaH^ ^OCjHs
mit Hülfe dieser Reaction lassen sich auch „gemischte" Orthoester mit verschiedenen
Alkylresten gewinnen, z. B.:
.NH y(O.C,H,),
H.C< .HC1 + 2C4H90H = HCf + NHg.HCl.
^OC^H, ^OC^Hs
Die Orthoester sind farblose Flüssigkeiten von angenehmem Geruch; in Wasser
sind sie kaum löslich. Von Chlorwasserstoff werden sie in einbasische Ester, Halo-
genalkyl und Alkohol zerlegt:
H.C(0.CjH6)3 + HCl = H.CO. 0. CA + CjH^.Cl + CjHaOH.
Es sind fast ausschliesslich die Orthoameisensäureester untersucht. Ortho-
amei8en8äure-methyIesterH.C(0.CH3\ siedet bei 101— 102 <* und besitzt bei 23 <^
das spec. Gew. 0.974; Orthoameisensäure-äthylester H.C(0.CjH5)3 siedet bei
145— 146^
IV. Thlosäuren C^Ha^^i-COSH.
Man gewinnt die von Kekül^ entdeckten Thlosäaren durch Erhitzen der ent-
sprechenden Sauerstofisäuren mit Phosphorpentasulfid ■ oder durch Einwirkung von
Säurechloriden auf Kaliumhydrosulfid':
CH3.CO.CI + K.SH = CH3.CO.SH + KCl.
Aach entstehen sie beim Zerlegen der Phenolester mit alkoholischem Kalium-
hydrosulfid^:
CH3.CO.O.C3H6 + KHS = CH3.CO.SK + OH-CeHj.
Die Thiosäuren sind farblose Flüssigkeiten von höchst unangenehmem Geruch,
welche niedriger sieden und in Wasser weniger löslich sind als die entsprechenden
Sauerstoffsäuren. Ihre Alkalisalze sind krystallisirbar und in Wasser löslich; ihre
Schwermetallsalze sind meist schwer löslich in Wasser und zersetzen sich leicht unter
Bildang von Schwefelmetallen. Bemerkens werth ist das Verhalten der Thiosäuren
bei der Elektrolyse*; an der Katode tritt Wasserstoff, an der Anode das der Thio-
* Vgl. GoRBOFF n. Kessler, J. pr. [2] 41, 248.
* Rekul£, Ann. 00, 309. ' Jacqübmin u. Vosselmann, Compt. rend. 49, 371.
* KcKüL^ ZtBchr. Chem. 1867, 196. ^ Bunge, Ber. 3, 297.
364 Thiosäuren und ihre Derivate,
säure entsprechende Disulfür — entstanden durch die Vereinigung von zwei Yom
Wasserstoffatom losgerissenen einwerthigen Resten — auf:
+ Elektrode — Elektrode
CHj.COSH CHj.COS- H
+
CH,.CO.SH CH,.CO.S- H
^8
CHa-COS
I + H,
Die alsThioameisensäure beschriebene, in sehr geringer Menge durch starkes
Erhitzen von Bleiformiat im Schwefelwasserstofistrom erhaltene, lange weisse Nadeln
bildende Verbindung^ gab bei der Analyse Zahlen', welche weder unter einander
noch auf die Formel der Thioameisensäure stimmen. Durch Einwirkung von Schweiel-
phosphor auf Ameisensäure erhält man Thioameisensäure nicht*.
Thioessigsäure« CHj-CO-SH siedet bei 93% besitzt bei 10<» das spec. Gew.
1»074 und wird bei —17° nicht fest.
Anhydride der ThlosUaren (Acylsulfidc), wie (CH3-C0)tS, entstehen aus den
Säureanhydriden durch Einwirkung von Schwefelphosphor, femer durch Einwirkung
der Säurechloride auf die Bleisalze der Thiosäuren:
2CHs.C0Cl + P^SCOCHg), = PbCl, -h 2(CH3.CO)S.
Von Wasser werden sie sehr langsam in Thiosäure und Sauerstoffisäure zerlegt:
CHs-COv
>S + H,0= CHs-COSH +CH,.CO.OH.
CHjCCK
Acetylsulfid^ (CH,* 00)28 ist eine hellgelbe, in Wasser untersinkende Flüssig-
keit von höchst unangenehmem und durchdringendem Geruch, welche unter gewöhn-
lichem Druck bei 157 — 158° nicht ganz unzersetzt, unter 20 mm Druck bei 66—67°
siedet.
Die Blsnlfide, wie CHj-COS.SCOCHg, sind in Folge der Tendenz der
Schwefelatome, sich mit einander zu vereinigen, viel beständiger, als die ihnen in der
Constitution entsprechenden Superoxyde der Säureradieale (vgl. S. 354). Ausser durch
Elektrolyse der Thiosäuren (vgl. oben) gewinnt man sie durch Einwirkung von Jod
auf die Salze der Thiosäuren:
2CH3.CO.SNa + Jj = (CHa-COS), + 2NaJ.
Acetyldisulfid* CHj-CO-S-S-CO-CHa bildet grosse, farblose Krystalle,
schmilzt bei 20°, riecht nur schwach und ist in Wasser unlöslich.
Die Alkylester der ThlosSaren erhält man durch Einwirkung der Sänrechlo-
ride auf Mercaptide*:
2CH3.COCI + PbCS-CHj), = PbClj + 2CHa.C0.S.CH„
* WöHLER, Ann. 91, 125. — Limpricht, Ann. 97, 361.
' HüRST, Ann. 126, 68.
* Kekdl£, Ann. 90, 309. — Ulrich, Ann. 109, 273. — Jacqüeion u. Vossrl-
MANx, Compt rend. 49, 371. — Lukaschewicz, Ztschr. Chem. 1868, 642.
* Nach unveröffentlichten Beobachtungen von S. H. Davies.
* Kekül£ u. Linnemann, Ann. 123, 279. — Beckmann, J. pr. [2] 17, 465.
* MicHLER, Ann. 176, 182. — Lukaschewicz, Ztschr. Chem. 1868, 642. —
Obermeyer. Ber. 20, 2920.
Säureamide, 365
durch Zusammenreiben von Phenolestern mit Natriummercaptiden unter Aether':
CHs.COO.CßHß + NaSCjHg = CHa.CO.S.CjH^ + NaO-CeH^,
endlich durch Spaltung der alkylirten Thioanilide (vgl. S. 376 u. Band II) mit Mineral-
sauren':
/S • CjH5 /S • CjHg
CH,.C< +HjO + HCl = CHjCC + CeHjNHj.HCl.
Es sind lauchartig riechende farblose Flüssigkeiten ; von concentrirter Kalilauge wer-
den sie in Fettsfiuren und Mercaptane gespalten.
Thioessigsfiuremetbjlester CHj-CO-S-CHs siedet bei 95 — 96<>, Thio-
essigsäureäthylester CHsCOS-CjHg bei 115— 117^
Ausser den besprochenen Thiosliuren, welche die Gruppe — G^ enthalten,
\SH
erscheinen noch ihnen isomere Thiosäuren mit der Gruppe: — C^ ^^d Dithio-
säuren mit der Gruppe: — C^ denkbar. Ein thiopropionsaures Natriumsalz, wel-
chem die Formel C,Hß«CS(ONa) + H,0(??) zugeschrieben wird, ist durch Kochen von
Pjropionitril mit alkoholischem Natriumhydrosulfid im Schwefel wasserstoflfstrom er-
halten*. Dithiosfiuren der Fettreihe sind bisher nicht beschrieben, wohl aber solche
der aromatischen Reihe (vgl. Bd. II).
y. Amlde der FettsSuren.
Diejenigen. Ammoniakderivate; welche durch Einfuhrung von Kohlen-
wasserstofiresten an Stelle der Ammoniakwasserstoffatome entstehen, wur-
den als Amine (vgl. S. 227) bezeichnet; ihnen gegenüber stellt man als
Amide solche Verbindungen, welche aus dem Ammoniak durch Ein-
führung von Säureradicalen gebildet werden. Auch unter den Amiden
lassen sich je nach der Zahl der verdrängten Wasserstoffatome pri-
märe, secundäre und tertiäre Amide unterscheiden:
H| H| CHsCOl
Hm CHaCO^N CHaCO^N.
CH3.COJ CHaCOj CHgCOJ
Die secundären und tertiären Amide, welche sich verhältnissmässig schwer
bilden und wenig beständig sind, stehen an Wichtigkeit weit hinter den
primären Amiden zurück. Von den primären und secundären Amiden
leiten sich nun femer noch Alkylderivate ab, indem die nicht durch
Saurereste vertretenen Wasserstoffatome gegen Kohlenwasserstoffreste aus-
getauscht werden:
H) CH,l CHs]
CHj^N CHa^N CHaCOm.
CH3.COJ CHaCOj CHa-CO.
Den quaternären Ammoniumverbindungen entsprechende Verbindungen der
Säureradicale sind nicht bekannt.
* Skifsrt, J. pr. [2] 31, 462. ' Wallach u. Bleibtreu, Ber. 12, 1062.
» DuPRÄ, Bull. 29, 304.
366 Säureamide,
Bildnngswelsen der primSren Sftnreamide und ihrer Alkylderl-
yate. Die Amide entstehen beim Erhitzen der Ammoniamsalze der
entsprechenden Säuren durch Abspaltung von einem Molecül Wasser^:
CH,.C0 0.NH4-H,0 = CHaCO.NHj.
Das Wasser wirkt indessen dem Vorschreiten dieser Reaction wieder ent-
gegen, indem es mit dem Säureamid die umgekehrte Reaction, welche
zur Rückbildung des Ammoniumsalzes filhrt, eingeht:
CHaCONH, + H,0 = CHg • CO • 0 • NH^.
Der Process ist demnach vergleichbar der Bildung von Estern aus Säure
und Alkohol; auch hier nähert sich die Reaction einem Grenzzustande,
welcher bei einer Temperatur von 155® erreicht ist, wenn 80 — 85 ^/^
des Ammoniumsalzes in Amid übergeführt sind. Wie bei der Esteri-
ficirung (vgl. S. 354—^356) ist die Anfangsgeschwindigkeit der Amidbil-
dung für die Säuren mit primärem Alkylrest grösser, als für diejenigen
mit secundärem Alkylrest, von allen einbasischen Säuren am grössten für
die Ameisensäure*.
Man bedient sich dieser Bildung sehr häufig zur Darstellung der
Fettsäureamide; die trockenen Ammoniumsalze der Fettsäuren, welche
sich durch Abdampfen der wässrigen Lösung ihrer Dissociirbarkeit wegen
nicht gewinnen lassen, werden bereitet, indem man in die wasserfreie
Säure trockenes Ammoniakgas einleitet oder sie mit gepulvertem Ammo-
niumcarbonat neutralisirt. Bei der directen Destillation des Ammonium-
salzes zerfällt ein grosser Theil wieder in Ammoniak und freie Säure;
man erhält daher zunächst einen aus zurückgebildeter Säure bestehen-
den Vorlauf, dann das viel höher siedende Amid; man kann den Vor-
lauf wiederum mit Ammoniak sättigen und durch nochmalige Destil-
lation einen weiteren Theil der Säure in ihr Amid verwandeln u. s. f.^.
Weit zweckmässiger aber ist es, das Ammoniumsalz vor der Destil-
lation zunächst im geschlossenen Rohr 5 — 6 Stunden auf ungefähr 230°
zu erhitzen; die Amidbildung ist dann schon weit vorgeschritten, und
durch Destillation des Rohrinhalts erhält man in der Regel sofort 70
bis 80 7o <i6r theoretischen Ausbeute ; in den höheren Reihen kann man
auch nach dem Erhitzen im geschlossenen Rohr einfach das auskrystal-
lisirte Amid von der Lösung des unveränderten Ammoniumsalzes durch
Absaugen trennen*. — Statt des Ammoniumsalzes der Fettsäure ver-
wendet man zuweilen ein Gemenge ihres Natriumsalzes mit der äqui-
valenten Menge Salmiak'' ^.
Aus den Säureestern erhält man die Amide durch Digestion
mit wässrigem Ammoniak:
CHaCOOCjHj + NHj = CHg.CO.NH, + OH.C,Hg.
' Kündig, Ann. 105, 277. * Mbnschutkin, J. pr. [2] 20, 422, 442, 445.
' Vgl. Keller, J. pr. [2] 31, 363. • A. W. Hopmann, Ber. 15, 979.
* Petersen, Ann. 107, 331.
Büdungaweisen, 367
Bei den in Wasser ziemlich löslichen Estern — wie Ameisensäure- und
Essigsäureester — verläuft die Reaction schon bei längerem Stehen in
der Kälte einigermassen glatt; bei den höheren Estern muss man in ge-
schlossenen Röhren erhitzen und erhält nur unbefriedigende Ausbeuten ^
Sehr glatt bilden sich die Amide aus den Säureanhydriden oder
Säurechloriden durch Einwirkung von Ammoniak:
CH.COv CHjCONH,
>0 + 2NH, = +H,0
CHj.CO^ CH,.CO.NH,
CHgCOCi + 2NH8 = CHj.CONH, + NH^Cl;
namentlich für die Amide hochmolecularer Carbonsäuren ist die Dar-
stellung mit Hülfe der Chloride die geeignetste'.
Alle bisher erwähnten Reactionen können auch zur Darstellung
alkylirter Amide dienen, wenn man anstatt des Ammoniaks sich pri-
märer oder secundärer Amine bedient, z. B.:
H . CO . OH . NH(C,H6), = H • CO • N(C,Hß)j + H,0
CH, . CO . 0 . CjHj + NHjfCHj) = CH, • CO • NHCCHg) + OH • C.H^
CH, . COCl + 2 NHCCH,), = CH, • CO • NCCHg), + NH(CH,\ . HCl.
Unmittelbar aus den Säuren erhält man die Amide (neben Nitrilen)
durch Destillation mit Rhodankalium in massiger Ausbeute':
CHg.CO.OH + NH : CS = CHg-CO-NH, + COS.
Bessere Ausbeuten werden erzielt, wenn man Rhodanammonium (1 Mol.)
mit der wasserfreien Säure (27^ Mol.) längere Zeit unter Rückäuss bei
schwacher Siedehitze digerirt*.
Wie die Nitrile durch Wasserentziehung aus den Amiden ent-
stehen (s. S. 294), so können sie umgekehrt durch Wasseranlagerung
wieder in die Amide übergehen. Diese Wasseranlagerung kann durch
Lösen in concentrirter Schwefelsäure, durch Schütteln mit concentrirter
Salzsäure bewirkt werden ; besonders leicht geht sie unter der Einwirkung
Yon WasserstoflFsuperoxyd in alkalischer Lösung* bei etwa 40® vor sich:
CsH.jCN + 2H,0, = CftHn-CONH, + 0, + H,0.
Von Beactionen, welche zur Bildung alkylirter Säureainide führen^ sei
femer erwähnt die Einwirkung von Fettsäuren auf Isocyansäureester* und auf Car-
bylamine' (vgl. S. 251—252):
CHj.COOH + CgHg.NiCO = CH3.CO.KH.CjH5 + CO,
C:^N.CH, + 2CH8.CO.OH = CHO-NHCH, + (CH3.C0),0,
* A. W. Hofmann, Ber. 15, 978. Vgl. ferner: Bonz, Ztschr. f. physik. Chem.,
2, 865.
' Rbafft u. Stauffeb, Ber. 15, 1728.
• Lbtts, Ber. 5, 669. — Hemilian, Ann. 178, 7. — A. W. Hofmann, Ber. 15,
978. Anm. — MEHLis, Ann. 185, 367.
* J. Schulze, J. pr. [2] 27, 512. ^ Radziszewski, Ber. 18, 355.
• WuBTz, Ann. eh. [3] 42, 53. ' Gactieb, Ann. 151, 240.
368 Charakteristik der Säureamide.
die Einwirkung von Chloral auf Amine':
CClgCHO + NHjCjH, = CHCls + HCONHCjHß
und die merkwürdige BscEKANN^sche Umlagerung von Ketozimen mit tertiären
Wasserstoffatomen unter dem Einfluss des Acetylchlorids (vgl. Kap. 11, Oxime)':
(CHa) jCH-C-CHlCHa), = (CH8),CH - CO • NH - CHCCHgls.
kOH
Allgemeine Charakteristik. Die primären Amide der Fettsäuren
sind feste krystallisirbare, farblose Substanzen; nur das erste Glied — •
das Formamid — ist bei gewöhnlicher Temperatur flüssig. Die niederen
Glieder sind in Wasser ausserordentlich leicht löslich, an der Luft zer-
fliesslich und können unzersetzt destillirt werden (das Formamid zersetzt
sich bei der Destillation unter gewöhnlichem Druck theilweise in CO
und NH3); sie zeigen in der Kegel einen charakteristischen, unange-
nehmen Geruch, welcher aber nur von Verunreinigungen herrührt. Reines
Acetamid ist fast geruchlos*. Mit steigendem Kohlenstoffgehalt nimmt
die Löslichkeit in Wasser ab; die hochmolecularen Amide sind in Wasser
kaum löslich; in Alkohol und Aether lösen sie sich. Während die pri-
mären Amine stets viel leichter flüchtig als die ihnen entsprechenden
Hydroxylverbindungen — die Alkohole — sind, sieden die Amide stets
weit höher als die zugehörigen Säuren. Die Tabelle Nr. 20 auf S. 369
enthält die Schmelzpunkte und Siedepunkte mehrerer Fettsäureamide.
In ihrer Constitution zwar den primären Aminen vergleichbar, sind
die primären Säureamide in ihrem chemischen Charakter durchaus
andersartig. Beim Eintritt eines Alkylrestes in das Ammoniakmolecül
bUeb die basische Natur der Stammverbindung erhalten; die Alkylamine
erwiesen sich als kräftige Basen von alkalischer Eeaction. Mit dem
elektronegativen Säureradical dagegen tritt in das Ammoniakmolecül ein
Factor, welcher dem basischen Charakter entgegenwirkt; die Säureamide
sind daher indifferente Verbindungen von neutraler Eeaction. Freilich
vollständig wird der basische Theil des Molecüls — die -NHj-Gruppe —
durch den Acylrest nicht paraly sirt. Die Säureamide besitzen noch die
Fähigkeit, sich mit starken Säuren zu lockeren Verbindungen zu ver-
einigen. So bildet das Acetamid mit concentrirter Salzsäure die Verbindung
CHgCO-NHg.HCl, welche bei längerem Stehen über Aetznatron in die
Verbindung 2(CH3-C0-NH2).HC1 übergeht*; letztere erhält man direct in
langen spitzen Nadeln beim Einleiten von Chlorwasserstoff in eine alko-
holisch-ätherische Lösung des Amids ®. Mit Salpetersäure entsteht das Nitrat
CHg-CO-NHg.HNOg , welches aus Aether und Chloroform krystallisirt
erhalten werden kann ^•®. Diese Verbindungen reagiren stark sauer und
* A. W. Hofmann, Ber. 5, 247.
' V. Meter u. Warrinqton, Ber. 20, 500.
^ G. Hofmann, Ann. 250, 315. — Bonz, Ztschr. f. physik. Chem. 2, 867.
* Pinner u. Klein, Ber. 10, 1896. * Strecker, Ann. 103, 321.
^ Franchimont, Rec. trav. chim. 2, 340.
Tabellarische Uebersickt über die Fettsäur eamide.
369
Tabelle Nr. 20.
Name.
Formamid*-'
Acetamid***
Propionamid *~'
Norm. Butyramid *•*•*. .
Isobatyramid**'"^ . . .' .
Norm. Valeramid®'®. . .
Isovaleramid^*®
Nonn. Capronamid*'®"**^
Oenanthamid*"®***'". . .
Caprylamid *•*•"
Pelargonamid **••" . . .
Caprinamid*'"
Schmelzpunkt. Siedepunkt.
HCONHj
CHg-CO.NH,
CjHfi.CO.NHj
CjH^.CO-NH,
>j
CA-CO-NH,
>j
CftHn-CONH,
CeHjs-CONH,
CyHisCONH,
CgH^.CO.NH,
CgHie-CO.NHj
lÄurinamid»« | CnH^-CONH^
Myrißtinamid'»-" * CiaH^-CO-NH
Palmitinamid "•» 1 C^H,! • CO • NH,
Stearinamidi""
C„H,5.C0.NH,
+ 82^
1150
128— 129 <»
114— 116 °(?)
126—128^
100^
95 <>
105—106°
99°
98°
102°
102°
106—107°
109°
98—99°
200—212°
223°
213°
216°
216—220°
230—232°
255°
250-258°
Arachinamid»° [ CjeHse-CONH,
Zur Kennzeichnung der alkjlirtenAmide seien der Tabelle noch die folgen-
den Daten hinzugefügt: Methylformamid"*", H-CO-NH-CHg, ist flüssig, siedet
bei 180—185° und besitzt bei 19° das spec. Gew. 1-011. Diäthylformamid"-",
H-CO-NCCjHfi),, ist flüssig, siedet bei 177—178° und besitzt bei 19° das spec. Gew.
0.908. Methylacetamid"", CHg • CO • NH • CH,, schmilzt bei 28°, siedet bei 206°.
Dimethylacetamid»«, CHg-CO-NCCHj),, ist flüssig, siedet bei 165.5° und besitzt
bei 20° das spec. Gew. 940. Diäthylacetamid"-", CHa-CO-NCCsHß)^, ist flüssig,
siedet bei 185—186° und besitzt bei 8-5° das spec. Gew. 0-925.
Citate zu der Tabelle Nr. 20: * A. W. Hofmann, Ber. 15, 977. — * Sestini,
Ztschr. Chem. 1871, 34. — • J. Schulze, J. pr. [2] 27, 512. — * Chancel, Ann. 52,
294. — * Bückton u. Hofuann, Ann. 100, 152. — • Letts, Ber. 6, 669. — ^ Münch,
Ann. 180, 340. — ® Weidel u. Ciamician, Ber. 13, 69. — • A. W. Hofmann, Ber.
17, 1406. — *° Henry, Ber. 2, 495. — " Malebba, Ann. 91, 103. — " Mehlis, Ann.
186, 368. — " FELLiTAR, Jb. 1868, 624. — ** Schalfejew, Ber. 6, 1252. — " Rowney,
Ann. 79, 243. — " Kbafpt u. Staitffbe, Ber. 15, 1728. — " Masino, Ann. 202, 174.
— *• Reuieb u. Will, Ber. 18, 2016. — " Carlet, Jb. 1859, 367. — *° Scheven u.
G5fl8MANN, Ann. 97, 262. — ■* Linnemann, Jb. 1869, 601. — '* Gautieb, Ann. 151,
242. — " Wallach, Ann. 214, 240, 272. — Wallach u. Lehmann, Ann. 237, 239.
— «* A. W. Hopmann, Ber. 14, 2729. — ** Wallach, Ann. 214, 235. — " Fbanchi-
MoxT, Rec. trav. chim. 2, 329.
zerfallen leicht. Die alkjlirtenAmide sind stärker basisch^; sie bilden be-
ständige Platindoppelsalze, wie z.B. [H-CO-N(C2H5)2.HCl]2PtCl4 + 2H20.
* Wallach,- Ann. 214, 240. — Wallach u. Lehmann, Ann. 237, 239.
y. Mktxb a. Jacobsok, org. Chem. L 24
370 Chemisches Verluzlten der Amide,
Der Einttuss des Acylrestes tritt besonders deutlich in dem Um-
stand hervor, dass die Wasserstoffatome des Ammoniakrestes durch seine
Nähe die Fähigkeit erlangen, gegen Metallatome ausgetauscht werden
zu können (vgl. indess S. 374); mit besonderer Leichtigkeit treten die
Quecksilberatome in den Amidrest der Säureamide ein. Wässrige Amid-
lösungen lösen Quecksilberoxyd auf; beim Eindunsten der Lösun£;en
erhält man salzartige Quecksilberverbindungen der Amide^, wie
z.B. das Quecksilberacetamid* (CH3-CO-NH)2Hg, welches aus Alkohol
in durchsichtigen Krystallen vom Schmelzpunkt 195® anschiesst.
Zinkverbindungen^ entstehen bei der Einwirkung von Zinkalkylen auf die
Amide in ätherischer Losung unter Entwickelung von Kohlenwasserstoffen:
2CH8CO.NH8 + Zn(C,H5)j = (CHg • CO • NH)8Zn + 2C,He;
sie werden von Wasser unter Bückbildung der Amide und Abscheidung von Zink-
oxydhydrat zersetz.
Von den Aminen unterscheiden sich die Amide ferner dadurch
durchgreifend, dass in ihrem Molecül die Bindung zwischen dem Am-
moniakrest und dem organischen Radical sehr leicht aufgehoben werden
kann. Schon durch Erhitzen mit Wasser (vgl. S. 366) werden sie in
Ammoniak und Säure gespalten:
CHs-CONH, + H,0 = CHa-COOH + NH^;
rascher und vollständiger verläuft diese „Verseifung^* bei Gegenwart von
Säuren oder Alkalien.
Der zeitliche Verlauf der Amidspaltung kann ebenso, wie die Esterverseif ung
(vgl. S. 358), als Grundlage für die Bestimmung der Reactionsgeschwindigkeit von
Säuren benutzt werden*.
Der Spaltung durch Wasser analog ist die Zersetzung der Amide, welche durch
Erhitzen mit Alkoholen auf höhere Temperaturen bewirkt wird ; sie kann in zwei Rich-
tungen verlaufen — einerseits unter Bildung von Ester und Ammoniak, andererseits
unter Bildung eines Aminsalzes^:
CHsCONH, + CHj.OH = CHgCOOCHs + NHg
CHa-CONH, + CHgOH = CH^CO-OH + NHj.CH,.
Concentrirte Salpetersäure zersetzt die Amide unter Entwickelung
von Stickoxydul®:
CHa-CONH, + HNOj = CHg-CO-OH + N,0 + H,0.
Wasserentziehende Mittel, wie Phosphorpentoxyd, erzeugen Nitrile
(vgl. S. 294):
CH3.C4 -HjO = CHa-C N;
^0
* Dessaignes, Ann. 82, 231.
^ Markownikofp, Ztschr. Chem. 1863, 534. — Strecker, Ann. 103, 324. — Tafkl
u. ExocH, Ber. 23, 1553.
3 Gal, Bull. 39, 647. * Ostwald, J. pr. [2] 27, 1.
* Baubigny, Compt. rend. 95, 646; 103, 149. — R. Seifpert, Ber. 18, 1357. —
BoNz, Ztschr. f. physik. Chem. 2, 882.
® Franchimont, Rec. trav. chim. 2, 329.
Einwirkung von alkalischer Bromlösung auf Aynide, 371
die Einwirkung von Phosphorpentachlorid oder Schwefelphosphor ^ fuhrt
ebenfalls zur Bildung von Nitrilen, nachdem verschiedene Zwischenstufen
( Amidchloride , Imidchloride, Thioamide, vgl. S. 373, 375 — 376) durch-
laufen sind.
Sehr bemerkenswerth ist das Verhalten der Ämide gegen Brom
in alkalischer Lösung, welches von A. W. Hofmann^ eingehend un-
tersucht wordeü ist. Es bilden sich durch Eintritt von Bromatomen in
den Amidrest Bromsubstitutionsprodukte, welche ihrerseits weiter eine
Reihe merkwürdiger Umwandlungen erleiden. Beim Auflösen von Acet-
amid in Brom scheint zunächst ein lockeres Additionsprodukt zu ent-
stehen, welches schon beim Verdunsten das Brom abgiebt und reines
Acetamid zurücklässt. Fügt man nun zu einer Mischung von 1 Mol.
Brom und 1 Mol. Acetamid unter Abkühlung etwa lOprocentige Kalilauge
in kleinen Portionen bis zur Entfärbung, so erhält man aus der Lösung,
nachdem sich zunächst Bromkalium abgeschieden hat, das Acetmono-
bromamid, CHj-CO-NHBr + H2O, in farblosen, tafelförmigen Kry stallen;
das Krystallwasser kann bei 50^ ausgetrieben werden, die wasserfreie
Verbindung schmilzt bei 108®. Das Acetbromamid ist äusserst reactions-
fahig; Ammoniak, Anilin wirken mit der grössten Heftigkeit unter Bück-
bildung von Acetamid darauf ein; Silbercarbonat erzeugt in ebenfalls
sehr heftiger Eeaction unter Entziehung von Bromwasserstoff durch eine
merkwürdige Verschiebung der — CO — Gruppe den Isocyansäuremethyl-
ester:
CHs . CO . NHBr-HBr = CH, • N : CO.
Diese Reaction liefert den Schlüssel zum Verständniss der eigenthüm-
lichen Verwandlungen, welche das Bromamid unter dem Einfluss der
Alkalien erleidet. Erwärmt man es mit Alkalien, so erhält man Methyl-
iunin; auch hier ist vermuthlich der Isocyansäureester als primäres Re-
actionsprodukt anzusehen, welches aber von dem Alkali gleich weiter
gespalten wird:
CH3.N : CO + HjO = CHa.NHj + CO..
PIs beruht hierauf eine Darstellungsmethode der primären Amine (vgl.
S. 235). — Erwärmt man moleculare Mengen von Acetamid und Acet-
monobromamid mit Alkalien, so vereinigt sich der Isocyansäureester im
Augenblick des Entstehens mit Acetamid zu Methylacetylharnstoff:
CHgNHv
CHg • N : CO + NH, • CO • CHg = >C0.
CHg-CO-NH/
Verbindungen vom Typus dieses Harnstoffs erhält man daher auch direct
aus den Amiden, wenn man auf die Mischung von 2 Mol. Amid mit
1 Mol. Brom Alkalien wirken lässt, so z.B. aus Capronamid CgHjj-CO-NHg
C,H„.NHv
Amylcaproylhamstoff yCO etc.
CgHii-CONH^
» Henry, Ber. 2, 305, 494. ' Ber. 14, 2725; 15, 407, 752; 17, 1407.
24*
372 Seoundäre und tertiäre Säureamide,
Dem Acetbromamid analoge Verbindungen sind aus dem Propionamid und Iso-
butyramid gewonnen. In den höheren Reihen gelingt die Isolirung der Bromderivate
nicht mehr; wohl aber treten die auf ihrer Bildung beruhenden Umsetzungen der
Amide mit alkalischer Bromlösung — Erzeugung des gemischten Hamstofis bei Anwen-
dung von 2 Mol. Amid und 1 Mol. Brom, Erzeugung des um ein Kohlenstoffatom ärmeren
Amins bei Anwendung von 1 Mol. Amid und 1 Mol. Brom — ein. Bei der letzteren
Eeaction wird in den höheren Reihen das Amin infolge weitergehender Einwirkung der
alkalischen Bromlösung zum Theil in das Nitril von gleicher Kohlenstoffzahl über-
geführt (s. S. 295); die Reaction ermöglicht hier also einen successiven Abbau der
Carbonsäuren von einem Gliede zu dem um ein Kohlenstoffatom ärmeren Gliede:
CsH^CONH, >- C7H15.CN
CÄs-CO-NH, V CeHi8-CN
CeHis-CONHj >■ CfiHji.CX etc.
Uebergiesst man das Acetbromamid mit Salzsäure, so entsteht unter Broment-
wickelung:
2CH8.CO.NHBr + HCl = CHg-CO-NHCl + CHgCO-NH, -h Br^
das Acetchloramid CH3 • CO -NHCl (Schmelzpunkt 110% welches auch direct durch
die Einwirkung des Chlors auf Acetamid erhalten werden kann. Bei weiterer Ein-
wirkung der Salzsäure wird Chlor entwickelt, und Acetamid regenerirt:
CHa-CONHCl -h HCl = CH3.CO.NH, -h CV
Acetdibromamid CHg'CO-NBr, erhält man aus dem Monobromamid durch
weitere Einwirkung von alkalischer Bromlösung; es bildet goldgelbe Krystalle vom
Schmelzpunkt 100^ und verwandelt sich beim Kochen mit Wasser zunächst in Mo-
nobromamid, dann in Acetamid. Zersetzt man das Gemisch von 1 Mol. Brom und
1 Mol. Acetamid mit starker Natronlauge, so erhält man eine eigenthümliche Natrium-
verbindung: CHg'CO'NNaBr.Brj.HsO, aus welcher ebenfalls das Dibromamid er-
halten werden kann; mit wenig Wasser Übergossen, geht sie unter Abspaltung vou
Bromnatrium und Wasser in letzteres über:
CHg.CONNaBr.Brj.HjO = CHs-CO-NBr, + NaBr + H,0.
Secundäre und tertiäre Amide^
Secundäre Amide bilden sich beim Erhitzen primärer Amide im trockenen Salz-
säurestrom, durch Siedenlassen der primären Amide mit Säureanhydriden:
CHgCONH, 4- (CH3.CO)sO = (CHa.CO)jNH -h CHs-COOH,
femer durch Erhitzen von Nitrilen mit Fettsäuren:
CH3.C=N + OH.CO.CH3 = CHa-CONH-COCHa;
alkylirte secundäre Amide entstehen durch Erhitzen von Isocjansäureestem mit Säure-
anhydriden:
CO : N.CjHg + (CHj -00)80 = CO, -h (CH, • CO),N • C^ ,
tertiäre Amide durch Erhitzen von Nitrilen mit Säureanhydriden:
CHa • C==N + 0(C0 • CHs), = CHs • CO • N(CO • CH,),.
Diacetamid (CH3.CO)2NH schmilzt bei 78°, siedet bei 223°, ist in Wasser
* Vgl. Gautier, Compt rend. 67, 1255. — Ltknemann, Jb. 1869, 603. — Wubtz,
Ann. eh. [3] 42, 54. — Strecker, Ann. 103, 827. — Wichelhaus, Ber. 3, 847. —
A. W. Hofmann, Ber. 14, 2731; 15, 982. — Hentschel, Ber. 23, 2894. — Fbakcri>
MONT, Eec. trav. chim. 2, 344. — Otto u. Tröger, Ber. 23, 759.
Amidchloride und Imidchlaride, 373
leicht löslich, aber nicht wie das Acetamid zerfliesslich, reagirt neutral und wird in
ätherischer Lösung durch Salzsäuregas nicht gefällt (Unterschied von Acetamid). Beim
Erhitzen für sich wird es in Acetonitril und Essigsäure zersetzt; in ätherischer Lösung
mit Natrium erwärmt, geht es in die zerfliessliche Natriumverbindung (CH, • CO)gNNa
über, welche mit Jodmethyl unter Bildung des Methyldiacetamids (CHg'COJaN'CHg
(Siedepunkt 192—1930) reagirt. Aethyldiacetamid (CH3 • C0)8N • C2H5 ist flüssig,
siedet gegen 192<> und besitzt bei 20^ das spec. Gew. 1,009. — Triace tam id (CH3 • CO)sN
schmilzt bei 78—79° und reagirt neutral. — Dipropionamid (C2H5'C0)8NH
schmilzt bei 153—1540.
VI. Amidchloride, Imidchloride, Imidoäther, Thioamide.
Die Einwirkung des Phosphorpentachlorids auf die Amide^, welche
schliesslich zur Bildung von Nitrilen führt (vgl. S. 294), ist so aufzu-
fassen, dass zunächst der Sauerstoff der Gruppe — CO-NH^ durch Chlor
ersetzt wird :
RCONH, + PCI5 = R.CClj.NH, + POCl,;
es entstehen so die durch die Gruppe — CClj-NHg charakterisirten Amid-
chloride, welche aber sehr unbeständig sind, leicht unter Salzsäure-
verlust in die die Gruppe — CClrNH enthaltenden Imidchloride über-
gehen :
R.CC1,.NH,-HC1 = R. CClrNH
und daher bislang nicht isolirt werden konnten. Die Imidchloride liegen
in den Salzsäure- Verbindungen der Nitrile (s. S. 297) vor:
CHs-C— N + HCl = CH3.CCI : NH;
sie spalten ebenfalls leicht Salzsäure ab, um sich in Nitrile zu verwan-
deln. (Zuweilen bilden sich bei der Einwirkung von Phosphorpenta-
chlorid auf Amide auch phosphorhaltige Zwischenprodukte.)
Beständiger sind diese Chloride, wenn an Stelle der Amidwasser-
stoffe Kohlenwasserstoffradicale treten, und dadurch die Nitrilbildung
unmöghch gemacht wird:
R.CCljNHR,; R.CCl:NRi; RCC^-NRiRn-
In der aromatischen Reihe ist die Isolirung mehrerer derartiger Chloride
gelungen, in der Fettreihe konnten sie bisher nicht erhalten werden, da
sich die primären Einwirkungsprodukte des Phosphorpentachlorids auf
alkylirte Amide, wie Aethylacetamid, Diäthylformamid, leicht unter Bil-
dung complicirterer Basen zersetzen, indem mehrere Molecüle sich unter
Austritt von Salzsäure vereinigen; so erhält man z. B. aus Aethylacet-
amid eine Base CgHijClN^, welche man sich aus 2 Mol. des Imidchlorids
entstehend denken kann:
2CH3.CC1:N.C,H6 = CgH^ClNj + HCl.
Die Imidchloride lassen sich als Chloride von Imidsänren auf-
* Wallach, Ann. 184, 1.
374 Imidoätfier,
.OH
fassen. Derartige Säuren, welche die Gruppe — C<^ enthalten würden
und daher den Säureamiden isomer wären:
.OH .0
Imidsäure Säureamid
sind bisher nicht erhalten worden. Es ist indessen nicht ausgeschlossen,
dass die Säureamide bei gewissen Reactionen die Gruppirung der Imid-
säuren annehmen. Bisher hat sich noch kein strenger Beweis dafür er-
bringen lassen, dass in den früher erwähnten Metallverbindungen der
Amide (s. S. 370) das Metallatom am Stickstoff haftet; es ist nicht un-
möglich, dass sie vielmehr als Salze der Imidsäuren, z. B. des Queck-
silberacetamid nach der Formel:
0-Hg-O^
CHg • C^ A^C • CHg
constituirt, anzusehen sind. In der aromatischen Reihe (vgl. Benzamid,
Bd. 11) sind Thatsachen aufgefunden worden, welche sehr für die letz-
tere Auffassung in's Gewicht fallen i.
Während die Existenzfähigkeit der freien Imidsäuren noch
/ORi
fraglich ist, sind Ester von Imidsäuren, Imidoäther^ R.C^^ , in
grösserer Zahl bekannt. Man erhält ihre Chlorhydrate, wenn man Salz-
säuregas in ein durch absoluten Aether verdünntes Gemisch von äqui-
valenten Mengen eines Nitrils und eines Alkohols unter guter Abkühlung
einleitet; es entstehen hierbei zunächst die Chlorhydrate von Chloramido-
äthern, z. B.:
CH. . C=N + CoH. . OH + 2 HCl = CHo • C(-0 • CjHs . HCl :
x;i
letztere aber sind äusserst unbeständig und gehen sehr leicht unter Ver-
lust eines Salzsäuremolecüls in die Chlorhydrate der Imidoäther über:
/NHa .NH
CH3 . C^O . CjHft . HCl = HCl + CHs • Cf . HCl.
\C1 ^O.CjHj
Diese Chlorhydrate sind meist schön krystalKsirte Verbindungen; beim
Erhitzen zersetzen sie sich unter Abgabe von Halogenalkyl und Bildung
von Säureamid:
.NH
CH3 . C<f . HCl = CsHs . Cl + CH3 . CO . NH,.
^O.C,H,
* Tafel u, Enoch, Bei*. 23, 103.
* Pikner, Ber. 16, 352, 1643; 17, 182, 184, 2002.
Imidoät/ier, 375
Versetzt man sie unter Aether mit Natronlauge, so erhält man die freien
.NH
Imidoäther; Acetimidoäthyläther CH3-C<^ ist eine eigen-
thümlich riechende, bei 97^ siedende Flüssigkeit. Eingehender unter-
sucht sind die aus wasserfreier Blausäure gewinnbaren Chlorhydrate der
Formimidoäther, wie CIl<f .HCL
Die Chlorhydrate der Imidoäther zeigen eine Reihe bemerkenswerther
Umwandlungen. Bringt man sie mit einem Alkohol im Ueberschuss zu-
sammen, so lösen sie sich zunächst theilweise auf, bald aber beginnt
Zersetzung unter Abscheidung von Salmiak und Bildung eines Orthoesters
(vgl. S. 362—363):
CHf . HCl + 2 CjHs . OH = CHf + NH^Cl.
^OCjHs ^OCjHß
Mit alkoholischem Ammoniak liefern sie Amidine:
.NH .NH
CHf . HCl + NH, = CHf . HCl + C,Hß • OH •,
^O-CjHs \NH,
ähnlich wirken Amine (vgl. S. 377) und Phenylhydrazin ein. Essigsäure-
anhydrid — auf das behufs Umwandlung in essigsaures Salz mit Natrium-
acetat versetzte Chlorhydrat wirkend — erzeugt ein Imidoacetat:
.NH .NH
CH^ + (CH3 . C0)20 = CHf + CH, . CO . 0 . CsH^.
^OCjHs ^OCOCHj
.NH
Das Formimidoacetat CH<(^ bildet weisse, in Aether lös-
\0C0-CH3
liehe, bei 70® schmelzende Prismen.
Ob die geschwefelten Amlde den sauerstoffhaltigen Amiden ent-
sprechend als wahre Thioamide E-C<^ oder nicht vielmehr als
^S
Thioimidsäuren R-C^ aufzufassen sind^, ist noch nicht aus-
\SH
gemacht. Im Sinne der letzteren Formel reagiren sie z. B. gegen Chloi-
aceton:
,NH O^C— CH, ^N-C-CHs
;h
.NH O^C-CH, J^-0
CHgCf 4- 1 = HjO + HCl + CHj.CC li
\SH Cl-CH, \S-C]
* Wallach, Ber. 7, 902 Anm.
J'
376 Thioamide,
Thioacetamid^ CHg-CSNHg, welches aus Acetonitril durch An-
lagerung von Schwefelwasserstoff:
aus Acetamid durch Behandlung mit Schwefelphosphor gewonnen wird,
bildet farblose Tafeln, schmilzt bei 108® und löst sich — ebenso wie
Acetamid — leicht in Wasser, aber auch in Aether, worin Acetamid
kaum löslich ist. Es ist leicht veränderlich; Säuren und Basen zerlegen
es in Essigsäure, Ammoniak und Schwefelwasserstoflf. — Thiopropion-
amid^ CgHg-CSNHg schmilzt bei 42 — 43° und ist in Wasser schwer löslich.
Genauer untersucht sind mehrere Abkömmlinge von geschwefelten Fettsäure-
amiden, welche an das Stickstofiatom aromatische Reste gebunden enthalten: Thio-
anilide, wie z. B. CHg-CSNH'CßHa. Diese Verbindungen verhalten sich in den
.SH
meisten Reactionen so, als ob sie Derivate der Thioiiüidsäuren, z. B. CHs • C^ ,
wären. So bilden sie Salze und Ester, in welchen das Metallatom bezw. der Alkyl-
rest an Schwefel gebunden ist:
y^SK. yO ' CHg
CHg • QC CHg • CC
Diesen Thioimidsäure-Estem isomere Verbindungen liegen in den zweifach subeti-
.S
tuirten wahren Thioamiden, wie CHg^Cr^ qtt vor (Näheres vgl. in Bd. II: Thio-
anilide).
YIL Amidine und Amidoxime.
Als Amidine^ bezeichnet man Verbindungen, welche man sich aus
den Säureamiden durch Austausch deß Sauerstoffatoms gegen die Imid-
gruppe — -NH entstehend denken kann:
jy ..NH
CHg-CC CHj-C/
^NHj \NH,
Säureamid. Amidin.
Die Amidine der Fettsäure- Reihe ^ sind auf zwei Wegen er-
halten — durch Erhitzen der Säureamide im Salzsäure-Strom:
.NH
2CH8-CONH2 = CHj.Cf 4- CHj-CO-OH
\NHa
und durch Einwirkung von Ammoniak auf die salzsaüren Imidoäther:
* Bernthsen, Ann. 192, 46. — A. W. Hofmann, Ber. 11, 340. — Hantzsch,
Ann. 250, 264.
* HuBACKEB, Ann. 259, 229.
* Strecker, Ann. 103, 328. — A. W. Hofmann, J. pr. 97, 267. — Wallach,
Ann. 184, 121.
* Strecker, Ann. 103, 328. — Wallach, Ann. 184, 116. — Gautier, Ztschr,
Chem. 1867, 659. — Pinner u. Klein, Ber. 11, 1484. — Pinner, Ber. 16, 357,
1647, 1659; 17, 171; 22, 1600. — A. W. Hofmann, Ber. 17, 1924.
Amidine, 377
H.C< .HCl + NHa = HCl .HCl + CjHsOH.
. . ^NH ^NH
Namenflicfa die letztere Eeaction eignet sich zu ihrer Gewinnung; wendet
man bei derselben statt des Ammoniaks primäre oder secundäre Amine
an, so kann man zu alkylirten Amidinen gelangen:
/OCjHs /NH-CHg
HC< .HCl + 2NHJ.CH5 = H.C< .HCl 4- C^Hj-OH + NHg,
^NH ^N-CHg
/O.C,H5 /NtCHJa
H . C< . HCl + NHlCHg), = H . C<: . HCl + C^H^ • OH.
^NH ^NH
üie Amidine sind kräftige, einsäurige Basen, welche beständige Salze
bilden. Die Chlorhydrate sind meist gut krystallisirbar und in Wasser und
Alkohol leicht löslich; die freien Amidine der Fettreihe besitzen alka-
lische Reaction, sind sehr unbeständig und zerfallen leicht in Ammo-
niak und die entsprechende Säure:
.NH ^0
CH3.CC +2H20 = CH3.CC +2NH
\NH, \0H
»•
Das Chlorhydrat des Methenylamidins CHr^ .HCl schmilzt bei un-
^NH,
NH
gefähr 81«, des Dimethyl-Methenylamidins CH^ .HCl bei 168— 169^
\N(CH,),
.\H
des Aethenylamidins CH3 • C<f .HCl bei 164— 165^ des Propenylkinl
^NH,
NH NH
dins C-H-'C/^ .HCl bei 1290, des Hexenylamidins CbHh-c/' .HCl bei
\NHj \NH,
/NH.C,H5
106-107 •. Freies Diäthyl- Aethenylamidin CHo-CC ißt flüssig,
^N.C,H,
mit AYasser mischbar, siedet anzersetzt bei 165—168° und fallt die meisten Metall-
^alze ähnlich wie Ammoniak.
Erwärmt man das G-emisch von einem Amidinchlorhydrat und der äquivalenten
^lenge Natriumacetat mit Essigsäureanhydrid, so erhält man nur in wenigen Fällen
einfache Acetylverbindungen der Amidine, wie das Diacetylformamidin
.N.CO.CH,
CH'( — glasglänzende Prismen, welche in kaltem Wasser schwer löslich
^NH-COCH»
sind und bei hoher Temperatur, ohne zu schmelzen, sublimiren. In der Begel be-
wirkt das Essigsäureanhydrid gleichzeitig Condensation zwischen mehreren Amidin-
Molecülen, und es entstehen die Acetylderivate von Basen, welche Abkömmlinge des
Pyrimidins:
CH N
I I
CH CH
%/
sind (Näheres vgl. Bd. H: Pyrimidin-Derivate).
378 Amidoocime und
Denkt man sich das Sauerstoflfatom der Säureamide durch die zwei-
werthige Oximido-Gnippe =N*OH vertreten, so gelangt man zu den
Amidoximen^:
\NHs \NH8
Säureamid. Amidoxim.
Amidoxime der Fettsäuren^ sind durch Vereinigung von Nitrilen
mit Hydroxylamin erhalten worden:
xNOH
CHoC N + HjN.OH = CH3.C/
Die in dieser Reaction entstehenden Verbindungen könnten auch nach
.NH-OH
der allgemeinen Formel B'C<^ constituirt sein; an dem Ver-
halten der aromatischen Repräsentanten dieser Verbindungsgruppe ist
indessen nachgewiesen, dass sie eine Amidgruppe enthalten. Die Reac-
tionen der Amidoxime sind besonders in der aromatischen Reihe ver-
folgt; sie werden daher eingehender erst an dem Benzenylamidoxim
CgHß'C<f (s. Bd. II) dargelegt werden.
Durch die Gegenwart der Amidgruppe erlangen die Amidoxime
basische, durch die Gegenwart der Oximidogruppe schwach saure Natur;
sie können daher sowohl mit Säuren, wie mit Basen Salze bilden. Mit
Mineralsäuren bilden sie beständige, mit Basen leicht zersetzliche Salze;
unter den letzteren sind besonders charakteristisch die basischen Kupfer-
.N-OCu-OH
salze R-C<^ , welche sich beim Versetzen der Lösungen der
\NH,
Amidoxime mit FEHijiNo'scher Lösung bilden. Die freien Amidoxime
sind wenig beständig; schon durch Wasser, schneller durch Säuren
oder Alkalien werden sie zunächst unter Abspaltung von Hydroxylamin
in Amide:
xN.OH /.O
CHs-Cf + H,0 = CH3.CC + H2X.OH
übergeführt, welch' letztere bei andauernder Einwirkung in Säuren und
Ammoniak zerfallen. Bei der Einwirkung von Natriumnitrit auf die
* TiEMANN, Ber. 17, 126; 22, 2891. — Tiemanx u. Krüoer, Ber. 17, 16S5.
* L0S8EN u. Schifferdecker, Ann. 166, 295. — Tiemakn, Ber. 18, 1060. —
Nordmann, Ber. 17, 2746. — Jacoby, Ber. 19, 1500.
Hydroxamsäuren. 379
Chlorhydrate wird ebenfalls das entsprechende Amid unter Entbindung
von Stickoxydul erzeugt:
.N.OH .0
CHjC/ .HCl + NaNO, = CHgCf + NaCl + N,0 + H^O.
^NH, \NH,
Das WasserstofiFatom der Oximidogruppe kann gegen Alkylreste
vertauscht werden; es entstehen dadurch Aether, wie C,H„«C<f^ ,
welche nicht mehr saure, sondern nur basische Eigenschaften besitzen.
Es wird ferner bei der Einwirkung von Säurechloriden oder Säureanhy-
/ .N-OCOCHg^
driden gegen Säureradieale ausgetauscht z.B. C5H,,-C<^
. ^ ^^
in manchen Fällen aber führt die Einwirkung der Säureanhydride zur
Bildung von Verbindungen aus der Klasse der in der aromatischen Reihe
näher zu besprechenden Azoxime, wie z. B.:
GHaOf + 0(CO.CHs), = CHj-CO-OH + H,0 + CH3.CC ^CCHj.
\NH, ^^ N**^
Diftthenylazoxim.
.N-OH
Methenylamidoxim (Isuretin), CHf^ (aus Blausäure), schmilzt unter
\NH,
theilweiser Zersetzung bei 104 — 105°, ist in Wasser leicht löslich Und reagirt stark
.NOH
alkalisch. — Aethenylamidoxim, CHg-C^;; , schmilzt bei 135**, sein Chlor-
\NH,
.NOH .NOH
hydrat, CH,.C< .HCl, bei 140^ — Hexenylamidoxim, C^Ui^-Cf
^NH, \NH,
laus dem Nitril der Isobutylessigsäure), schmilzt bei 58° und ist in Wasser schwer
.N.OCA
löslich; sein Aethylfither C5Hii-C<f ^ schmilzt bei 35°, seine Acetyl-
.N-OCOCHs
Verbindung C^Hu-Cf bei 87°.
^NH,
Als Derivate des Hydroxylamins sind ferner die Hydroxamsäuren
zu nennen — Verbindungen, welche an Stelle des Carbonylsauerstoflfatoms
der Carboxylgruppe die Oximidogruppe enthalten und demnach der all-
gemeinen Formel:
.N-OH
R.Cf
\0H
eritsprechen. Auch diese Verbindungen sind hauptsächlich in der aro-
matischen Eeihe untersucht (vgl. Benzhydroxamsäuren, Bd. 11). Von
Bepräsentanten der Fettsäure-Reihe ist lediglich die Acethydroxam-
380 Constitution und Nommclatur
.N-OH
säure ^ CH3-C<f^ bekannt, welche leicht durch Einwirkung von
\0H
Hydroxylamin auf Acetamid in wässriger Lösung entsteht:
.NOH
CHj . CO . XHj + NHj . OH = CHs • C<f + NHs.
^OH
Sie schmilzt im wasserfreien Zustand bei 87 — 88 ^'j krystallisirt aus wäss-
riger Lösung mit ^/g Mol. HgO, giebt in saurer oder neutraler Lösung
mit Eisenchlorid eine dunkelkirschrothe Färbung, in schwach essigsaurer
Lösung mit Kupferacetat ein charakteristisches, unlösliches, dunkelgrünes
Kupfersalz.
Elftes Kapitel.
Die gesättigten Aldehyde und Ketone.
(AllgemeiBes über Constitution und Nomenclatur. — Bildungsweisen. — Gemeinsame
Reactionen der Aldehyde und Ketone (Oxime und Hydrazone). — Speciellere
Charakteristik der Aldehyde. — Einzelne Aldehyde. — Speciellere Charakteristik der
Ketone. — Einzelne Ketone. — Thioaldehyde und Thioketone.)
Constitution und Nomenclatur.
Die für die Molecüle der Aldehyde sowohl wie der Ketone charakte-
ristische Atomgruppe ist die zweiwerthige Carbonylgruppe — CO — :
in den Aldehyden ist sie einerseits an einen Kohlenwasserstoffrest, anderer-
seits an ein Wasserstoffatom, in den Ketonen beiderseits an Kohlen-
wasserstoffireste gebunden :
E-CO-H E-CO-Er.
Aldehyd. Keton.
Im allgemeinen Theil (S. 72) wurde bereits filr den Acetaldehyd die
dieser allgemeinen Formulirung entsprechende Structurformel CHg-CHO
begründet. Es wurde gezeigt, dass der AJdehyd keine Hydroxylgruppe
enthält, dass sein Sauerstoffatom mithin mit beiden Valenzen an Kohlen-
stoff haften müsse; von den beiden hiernach denkbaren Formeln:
CH.JV CHg
I >0 und I
(m/ CHO
wurde die erste durch das Verhalten des Aldehyds bei der Oxydation
ausgeschlossen, während sich in der zweiten der naturgemässe Aus-
druck der Zwischenstellung des Aldehyds zwischen primärem Alkohol und
Carbonsäure :
* C. HoFPMANN, Ber. 22, 2854.
der Aldehyde und Keione. 381
CHj-CHjOH CH3-CO.H CHj-COOH
Alkohol. Aldehyd. Carbonsäure.
bietet.
Da die Ketone in gleicher Weise durch Oxydation der secundären
Alkohole entstehen, wie die Aldehyde aus primären Alkoholen, so liegt
auch eine analoge Formulirung dieses Uebergangs nahe:
R^ yU Rv
X
Primärer Alkohol. Aldehyd.
>c< >- >c = o.
r/ ^oh n/
Secundärer Alkohol. Keton.
Die in diesen P^'ormeln enthaltene Schlussfolgerung wird durch andere
Bildungsweisen der Ketone, namentlich aber durch ihr Verhalten bestätigt.
In der weiter unten folgenden Charakteristik der beiden Körpergruppen
(S. 387 ff.) wird ihr gleichartiges Verhalten in einer grossen Zahl von
Reactionen hervortreten; es sind dies eben diejenigen Reactionen, deren
Eintreten durch die beiden Klassen gemeinsame Carbonylgruppe bedingt
wird (vgl. besonders das Verhalten gegen Natriumbisulfit, Blausäure, Hy-
droxylamin, Phenylhydrazin). Andererseits finden wiederum die Abwei-
chungen der Ketone (bezw. ihrer Derivate) von den Aldehyden ihre Er-
klärung darin, dass an die Carbonylgruppe in den Aldehyden noch ein
Wasserstoffatom, in den Ketonen nur Kohlenwasserstoffreste gebunden
sind (vgl. namentlich das Verhalten bei der Oxydation).
Der Name „Aldehyd" soll an die Bildung aus Alkohol durch Wasser-
stoffentziehung erinnern; er ist zusammengezogen aus „alkohol dehydro-
genatus." Im Einzelnen bezeichnet man die Aldehyde zuweilen durch
Nennung desjenigen Alkylrests, der in dem entsprechenden Alkohol von
gleicher Kohlenstoffzahl sich findet; man nennt also z. B. die Verbin-
dung CHg-CHO Aethylaldehyd, C^Hg-CHO Propylaldehyd etc. Diese
Bezeichnungsweise ist durchaus unlogisch und kann nur zu Verwirrungen
Anlass geben; denn der sogenannte Aethylaldehyd enthält ja gar kein
Aethylradical ; wollte man ihn als eine Alkylverbindung darstellen, so
müsste man ihn vielmehr Methylaldehyd nennen, da in seinem Molecül
mit der für die Aldehyde charakteristischen Gruppe — CHO die Methyl-
gruppe — CH3 verknüpft ist.
Zu einer viel rationelleren Nomenclatur gelangt man, wenn man die
Beziehungen der Aldehyde zu den Säuren von gleicher Kohlenstoffzahl
hervorhebt. Die einander entsprechenden Aldehyde und Säuren enthal-
ten die gleichen sauerstoffhaltigen Radicale R-CO — , der Aldehyd in
Verbindung mit Wasserstoff, die Säure in Verbindung mit Hydroxyl:
RCO-H RCOOH.
Aldehyd. Säure.
382 Noniendatur der Aldehyde und Ketone,
Auf Grund dieser Beziehung kann man die Aldehyde als Wasserstoff-
verbindungen der Säureradieale bezeichnen, z. B. HCO-H als Formyl-
Wasserstoff, CHg-CO-H als Acetyl Wasserstoff etc. Gebräuchlicher ist es,
die Namen der Aldehyde aus dem Stamm des Namens der zugehörigen
Säure und der Endung „Aldehyd*^ zusammenzusetzen:
H-COH ..... Formaldehyd,
CHg-COH .... Acetaldehyd,
CjHß-COH .... Propionaldehyd,
CgH^-COH .... Butyraldehyd etc.
Unter den Ketonen unterscheidet man die einfachen Ketone,
deren Carbonylgruppe beiderseits mit dem gleichen Badical verbunden
ist, wie CHg.CO-CHj, und die gemischten Ketone, in deren Mole-
cülen die Carbonylgruppe zwei verschiedene Radicale verknüpft, wie
CHg-CO-CgHß. Man bezeichnet die Ketone gewöhnlich durch Angabe
der beiden mit der Carbonylgruppe verbundenen Reste:
CH3COCH3 Dimethylketon
CHg.CO-CaHg Methyläthylketon etc.
Auch kann man sie als durch die Vereinigung eines Säurerestes mit
einem Kohlenwasserstoffrest entstehend sich vorstellen und demzufolge
mit Namen, wie
Methyl-acetyl für . . . . CHg-CO-CHj
i'^Y""'^^^ Jfür . . CH3.CO.CA
Methyl-propionyl J 82«
belegen. Aus den Kohlenwasserstoffen von gleicher Kohlenstoffzahl kann
man sie sich durch Substitution zweier an einem und demselben mittel-
ständigen Kohlenstoffatom haftenden Wasserstoffatome mittelst eines Sauer-
stoffatoms hervorgehend denken; diese Beziehung wird in Namen wie
Ketopropan für CHg-CO-CHg
Ketobutan „ CHg-CO-CgH^ etc.
hervorgehoben \
Für solche Ketone endlich, welche zwei gleiche Radicale enthalten,
bildet man gewöhnlich Namen, welche ihre Beziehungen zu der denselben
Kohlen wasserstofirest enthaltenden Säure hervortreten lassen, aus deren
Kalksalz sie durch Destillation gewonnen werden können (s. S. 383). Man
hängt an den Stamm des Namens der Säure die Endung „on-*:
(CH3)2CO .... Aceton
(CjHgjgCO .... Propion
(CgHyjgCO .... Butyron etc.
Um die Endung „on" für gesättigte Ringe zu reserviren, will Baeyeb neuer-
dings die Ketone „Ketale" nennen und z. B. das Aceton als „ Dimethylketal " "be-
zeichnen.
^ Baeteb, Ber. 19, 160.
Gemeinschaftliche Büdmigsiveisen für Aldehyde und Keione, 383
Gemeinschaftliche Bildungsweisen für Aldehyde und Ketone.
Es ist schon mehrfach erwähnt, dass Aldehyde sowohl wie Ketone
durch Oxydation von Alkoholen gewonnen werden können; aus einem
jirimären Alkohol entsteht durch Oxydation ein Aldehyd:
CHj.CHjCHgOH -f 0 = H5O + CHj.CH.COH,
aus einem secundären Alkohol ein Keton:
CHj.CHcOHjCHa + 0 = HjO + CHaCOCH,.
Da die secundären Alkohole verhältnissmässig schwer zugänglich sind,
so hat diese Bildung für die Darstellung der Ketone, welche ja selbst
häufig umgekehrt als Ausgangsmaterial zur Gewinnung der secundären
Alkohole dienen (vgl. S. 145), kaum praktische Bedeutung; wohl aber
besitzt sie eine solche für die Darstellung der Aldehyde. Als Oxydations-
mittel benutzt man Chromsäure ^, ein Gemisch von Braunstein und
Schwefelsäure, oder auch den Luftsauerstoflf, indem man ein Gemisch
des Alkoholdampfes mit Luft über glühendes Platin oder Kupfer leitet
(vgl. die Darstellung des Formaldehyds, S. 397).
Durch trockene Destillation der Calciumsalze von Fett-
säuren kann man ebenfalls sowohl zu Ketonen wie zu Aldehyden ge-
langen. Bei dieser Eeaction tritt stets das Calcium als Calciumcarbonat
aus, und die Radicale R zweier Säuremolecüle R-CO-OH werden durch
eine Carbonylgruppe verknüpft:
RCO. Ocä R\
(Der Uebersichtlichkeit wegen ist das Zeichen ca für ein halbes Atom-
gewicht des Calciums eingeführt.) Destillirt man also das Calciumsalz
einer Säure für sich, so entsteht ein einfaches Keton:
CHa . CO . Oca ^ ^^ CHav
CH^ CÖ.Oca: = ^*C^' -^ CHa>
Destillirt man ein Gemenge der Calciumsalze von zwei verschiedenen
Säuren im Verhältniss ihrer Aequivalente, so entsteht neben den beiden
den angewendeten Säuren entsprechenden einfachen Ketonen ein ge-
mischtes Keton*:
CHa . CO . Öca ^ ^^ CHa ^
C,HVcO.Oca=^^C^3+^^^>CO.
Destülirt man endlich das Calciumsalz der Essigsäure oder ihrer Ho-
niologen mit der äquivalenten Menge ameisensauren Calciums^, so er-
* Vgl. Pfeiffer, Ber. 5, 699. — Lieben u. Zeibel, Monatsh. 4, 14. — Lipp,
Ann. 205, 2. — Possek, Monatsh. 2, 614.
* Willi AMSON, Ann. 81, 86. — Friedel, Ann. 108, 122.
' LiMPRicHT, Ann. 97, 368. — Piria, Ann. eh. [3] 48, 113.
384 Geyneinschaftlkhe Bildungsweiseii für Aldefiyde und Ketane,
hält man ein gemischtes Keton, dessen Carbonylgnippe einerseits au
das Radical der Ameisensäure, also an ein Wasserstoffatom, gebandei
ist, — das ist nichts anderes als ein Aldehyd:
H.CO.Oca =C^CÖ»+ „>^-
Für die Gewinnung der hochmol<%cularen Aldehyde und Retone ersetzt man d>
Calciumsalze zweckmässig durch die Bariumsalze und führt die Destillation im Infr-
verdünnten Haume aus^.
Diese sehr häufig zur Darstellung von Aldehyden und Ketonen benutzte Me-
thode der Destillation von Calcium- imd Bariumsalzen liefert indessen nicht ausschliess-
lich die von der Theorie vorausgesehenen Beactionsprodukte. Das Rohdestillat mit-
hält stets noch eine Beihe von Nebenprodukten '. Bei der Aldehyddarstellan^
mittelst Calciumforroiat bildet sich regelmässig durch eine weitere Beductionswirkun:^
des Formiats auch der entsprechende Alkohol".
Aus den Dihalogensubstitutionsprodukten der Paraffine,
welche beide Halogenatome an ein Kohlenstoffatom gebunden enthalten,
entsteht durch Erhitzen mit Wasser, wenn das mit Halogen beladen^
Kohlenstoffatom ein endständiges ist, ein Aldehyd, andernfalls ein Keton:
CHjCH Br, + Hs 0 = 2HBr + CH3.CHO,
(CH8),C Cl, + H» 0 = 2HC1 + (CH,),CO;
diese Reaction besitzt indessen keine präparative Bedeutung, da jene
Dihalogenderivate gewöhnlich gerade aus den entsprechenden Aldehyden
und Ketonen erst dargestellt werden (vgl. Kap. 19).
Von grossem theoretischen Interesse ist die Bildung der Aldehyde
und Ketone durch Wasseranlagerung an Kohlenwasserstoffe der
Acetylenreihe*; die Niederschläge, welche diese Kohlenwasserst(»ffe
in Quecksilberchloridlösung hervorrufen, werden von Säuren unter Bil-
dung der Wasseranlagerungsprodukte zersetzt (vgl. Kap. 13, Abschn. II :
aus dem Acetylen selbst entsteht so der Acetaldehyd:
CH CHs
üi +H,0 = i ,
CH CHO
aus seinen Homologen entstehen Ketone:
CH CH,
' +HjO = I .
CHs-C CH3-CO
Dieselbe Umwandlung der Acetylenkohlenwasserstoffe tritt ein, wenn
man dieselben in massig starker Schwefelsäure löst und darauf nach
dem Verdünnen mit viel Wasser destillirt.
Diese Beactiou ermöglicht eine Ueberführung von Aldehyden in ihnen isomer»'
Ketone. Aus dem Oenanthol CgH^i • CH, • CHO z. B. erhält man durch Einwirkung
* KiUFFT, Ber. 12, 1666; 13, 1413; 16, 1716.
' Friedel, Ann. 108, 122. — Limpricht, Ann. 108, 183. — Fimo, Ann. HO, 17.
' Pagliani, Ber. 10, 2055.
* KrrscHEROw, Ber. 14, 1540; 17; 13. — B^hal, Ann. eh. [6] 15, 267, 408. —
Bildungsweisen für Ketone. 385
7on Phosphorpentachlorid das Oenanthylidenchlorid C^H^^-Cii^-CllC]^, daraus durch
Salzsäureabspaltung mittelst alkoholischen Kalis das Oenanthyliden C^H^'C • CH^ wel-
ches nun durch Wasseranlagerung in das dem Oenanthol isomere Methylamylketon
CßHij-CO'CH, übergeht. Diese Umwandlungen entsprechen vollkommen dem üeber-
gang von primären Alkoholen in secundäre durch Vermittelung der Aethylenkohlen-
wasserstofie (vgl. S. 147).
Weitere Bildungsweisen für Ketone.
Sehr wichtig ist die von Freund^ aufgefundene Synthese von Ke-
tonen durch Einwirkung von Zinkalkylen auf Säurechloride; man
lässt zu dem mit Eis gekühlten Zinkalkyl allmählich das Säurechlord
zntropfen. Die Reaction verläuft zunächst unter Bildung eines Additions-
produktes zwischen 1 Mol. Zinkalkyl und 1 Mol. Säurechlorid:
.0 /OZnCHa
CHj . Cf + ZnCCHs), = CH3 . C^CHs
^Cl ^Cl
ebenso wie bei der Darstellung der tertiären Alkohole (vgl. S. 146).
Zersetzt man jetzt das Reactionsprodukt mit Wasser, so erhält man das
Keton:
/O-ZnCHg
CHj-C^CHs + H2O = CH3.CO.CH3 + ZnO + HCl + CH^.
\CJ
In manchen Fällen ist es zweckmässig, die Reaction in dieser Weise zwischen
gleichmolecularen Mengen vor sich gehen zu lassen; gewöhnlich aber fügt man die
doppelte Menge des 8äurechlorids (also 2 Mol. auf 1 Mol. Zinkalkyl) zu, da bei dem
obigen Verfahren das Zinkalkyl nur zur Hälfte ausgenutzt wird; durch Zugabe des
zweiten Molecüls Säurechlorid wird die Entstehung noch eines weiteren Keton-Mole-
cüIb ermöglicht:
/O-ZnCH. * .0
CH, . a- CHj + CH. . Cf = CH3 . CO . CHa + ZnCI, + CH3 • CO - CHj.
\C1 ^Cl
Auch aus Säureanhydriden erhält man durch Einwirkung nascirenden Zink-
alkjls (aus Zinknatrium und Jodalkyl) Ketone '.
Aus einigen höheren Fettsäuren kann man direct durch Erhitzen
mit Phosphorsäureanhydrid die entsprechenden Ketone erhalten':
2CeHi8.CO.OH = (CeH,8)8CO + CO, + H,0.
Sehr glatt bilden sich die Ketone durch Abspaltung von Kohlen-
säure aus solchen Ketonsäuren, welche ihre Carbonylgruppe und Carb-
oxylgruppe durch ein Kohlenstoffatom getrennt enthalten (-00— C-COgH);
in präparativer Hinsicht ist besonders die Zersetzung des Acetessig-
esters und seiner Homologen von Bedeutung. Verseift man den Acet-
essigesterCHg-CO-CHa-COjCjHßdurchErhitzen mit verdünnten Alkalien,
* Ann. 118, 1. — s. femer Botlerow, Bull. 5, 18. — Wagner u. Saytzeff,
Ann. 176, 361. — Pawlow, Ann. 188, 110, 114, 126.
* SAYT2EPP, Ztschr. Chem. 1870, 104.
» F. Stanley Kippino, Joum. Soc. 67, 532, 980.
V. MB-mt n, Jacobson, org. Chem. I. \ '^
386 Bildungsweisen für Ketone.
so spaltet die zunächst entstehende Acetessigsäure gleich Kohlensäure
ab, und man erhält Aceton:
CHsCOCHsCOjH-CO, = CHa-CO-CH,.
Da man nun die Wasserstoflfatome in der — CHj — Gruppe des Acet-
essigesters gegen beliebige Alkylreste austauschen kann (vgl. S. 308),
und die alkylirten Acetessigester dasselbe Verhalten zeigen, so bietet
sich in dieser Reaction ein Weg zur Herstellung beliebiger Homologen
des Acetons von der allgemeinen Formel CHg-CO-CHjR und CHg-CO-
CHRiRii , z.B.:
CHa.CO.CHCCHgVCOt.CjH, liefert CHaCO.CHj.CH,,
/CH3
CHj.CO.CiCjHsyCHalCOj.CjHs liefert CHaCO-CH/
Man bewirkt die Ketonspaltung der alkylirten Acetessigester^ durch An-
wendung von verdünnter Kalilauge, Barytwasser oder von verdünnter
Schwefelsäure oder Salzsäure.
Auf die Spaltung von Ketonsäuren ist auch die folgende Bildungsweise von
Ketonen zurückzuführen. Versetzt man SSurechloride, welche die Gruppe
-C-CH,-C0C1
enthalten, mit wasserfreiem Eisenchlorid', so entwickelt sich oft schon in
der Kälte Salzsäure; zersetzt man nun das zähe Eeactionsprodukt mit Wasser,
so erhält man unter Entwickelung von Kohlensäure das dem angewendeten Säure-
chlorid entsprechende Keton, z. B. aus Propionylchlorid CsHs-COCl Diäthylketon
CsHb-CO'CsHb. Die Reaction Erklärt sich dadurch, dass zunächst die Chloride von
Ketonsäuren entstehen:
CHsCHjCOCl + CHjCOCl = HCl + CHaCH.CO.CHCOCl,
I I
CHg CHj
welche in der Keactiousmasse in Form von Verhindungen mit Eisenchlorid anzunehmen
sind; hei der Behandlung mit Wasser entstehen die entsprechenden Ketonsäuren,
welche aher sofort Kohlensäure ahspalten, um Ketone zu liefern:
/CO OH
CH, . CH, . CO . CH< = CO, + CHg • CH, • CO • CH, • CH,.
^CHg
Allgemeine Eigenschaften der Aldehyde und Ketone.
Die Aldehyde und Ketone sind Verbindungen von neutraler Reaction.
Die niederen Glieder beider Klassen sind sehr flüchtige, in Wasser lös-
liche Flüssigkeiten von eigenthümlichem Geruch; der Geruch der nie-
deren Aldehyde ist in der Verdünnung obstähnlich und angenehm. Mit
zunehmendem Kohlenstoflgehalt nimmt die Löslichkeit in Wasser rasch
ab, die mittleren und höheren Glieder sind in Wasser nicht mehr lös-
lich, wohl aber in Alkohol und Aether. Die höheren Glieder sind fest
* Vgl. WisLiCENus, Ann. 190, 257; 219, 308. — Rohn, Ann. 190, 307. —
JouRDAN, Ann. 200, 115. — Böckino, Ann. 204, 17. — GuTHZKrr, Ann. 204, 4, 10.
* Hamonet, Bull. 50, 355; [3] 2, 834.
Ällgetneine Reaktionen der Aldehyde und Ketone, 387
und krystallisirbar; um sie unzersetzt zu verflüchtigen, muss man sich
der Destillation im luftverdünnten Räume bedienen.
Die Eigenschaften einzelner Aldehyde und Ketone s. in den Tabellen
Nr. 21—23 auf S. 398, 412, 413.
Allgemeine Reactionen, welche sowohl den Aldehyden wie
Ketonen zukommen.
Wie bereits erwähnt (S. 381), wird es durch das Vorkommen der
Carbonylgruppe — CO — in den Aldehyden und Ketonen bedingt, dass
beide Körpergruppen in einer Reihe von Reactionen sich ganz gleich-
artig verhalten; derartige Reactionen sollen in diesem Abschnitt be-
sprochen werden.
Durch Reduction wird die doppelte Bindung des Sauerstoflfatoms
au KohlenstoflF in eine einfache verwandelt; unter Anlagerung von Wasser-
stoff wird aus der Gruppe \C:=0 die Gruppe ^C<f ; so entstehen
aus Aldehyden primäre Alkohole:
ECHO >- RCHjOH,
aus Ketonen secundäre Alkohole:
RCOKi >- R.CH(OH).Ri.
(vgl. S. 144 u. 145.)
Bei der Reduction der Ketone mit Natrium in Gegenwart von Wasser bilden
sich neben den secundfiren Alkoholen Verbindungen durch Zusammentritt von zwei
Ketonmolecfilen nach der Gleichung:
2 >C0 + 2H = >C C/ ;
B./ R/ \Ri
OH OH
die so entstehenden zweiwerthigen Alkohole (Glykole) werden Pinakone genannt
(Näheres s. Kap. 20).
Aehnlich wie ein Wasserstoffmolecül können auch die Elemente an-
derer Molecüle von der Carbonylgruppe aufgenommen werden, indem die
doppelte Sauerstoffbindung in einfache tibergeht. In dieser Weise ver-
läuft die Einwirkung des Natriumbisulfits (und anderer Bisulfite):
>C=0 -f NaHSOs = >CJ<
und der Blausäure:
N0=O -h HCN = ^C<^ .
Die Yerbindungen mit Natrlambisalflt S welche als Salze von
Oxjsulfonsäuren aufgefasst werden können, sind für die Aldehyde und
Ketone besonders charakteristisch und sehr geeignet zu ihrer Reinigung und
' Bertaokini, Ann. 86, 179 u. 268. — Grimm, Ann. 157, 262.
^25*
388 AUgemeine Eeaotionen der
Abscheidung aus Gemischen. Man gewinnt sie, indem man den Aldehyd
oder das Keton in der Kälte mit einer concentrirten Lösung von Natrium-
bisulfit schüttelt, als krystallinische Niederschläge; sie sind in Wasser
ziemlich löslich, schwer löslich in Alkohol. Durch Erwärmen mit ver-
dünnten Säuren oder kohlensauren Alkalien werden die Aldehyde bezw.
Ketone wieder aus ihnen regenerirt.
Für die Ketone ist die Yerbindungsfähigkeit mit Natriuxnbisulfit nicht eine
allgemeine Eigenschaft. Aus einer Eeihe von Ketonen konnten derartige Doppel-
Verbindungen nicht erhalten werden^.
Die Additionsprodukte der Blausäure an die Aldehyde und
Ketone sind als Nitrile von Oxysäuren aufeufassen, gehen durch Ver-
seifung in die letzteren über:
/ \CN / \CO,H
und werden daher zusammen mit den Oxysäuren näher besprochen
werden.
Aldehyde und Ketone treten mit Mercaptanen in Reaction, wenn
man das Gemisch mit trockener Salzsäure behandelt; die Umsetzung
verläuft zwischen 1 Mol. der Carbonylverbindung und 2 Mol. Mercaptan
im Sinne der Gleichung:
>C=0 + 2HS.C,H5 = H20+>C< ;
die Ketone reagiren etwas langsamer als die Aldehyde. Näheres über
die so entstehenden Verbindungen* (Mercaptale bezw. Mercaptole)
vgl. Kap. 20 unter „zweiwerthige Mercaptane".
Ueber die Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Aldehyde und Ketone
vgl. den letzten Abschnitt dieses Kapitels (Thioaldehyde etc.).
Phosphorpentachlorid' bewirkt einen Ersatz des Carbonyl-Sauer-
stoffatoms durch zwei Chloratome:
CHjCHO + PCIb = CHjCHCl, + POClj ,
(CH3)jC0 + PCI5 = (CH,),CClj + POCls ;
die Reaction geht indess — namentlich bei Ketonen — leicht weiter,
indem ein Chloratom mit einem Wasserstoffatom vom benachbarten
Kohlenstoffatom als Salzsäure austritt, und ungesättigte Monochlorderivate
entstehen, z. B.:
CHjv CHjK^
>CC1,— HCl = >CC1.
Oe/ CH3/
Bei den besprochenen Reactionen wird das doppelt gebundene Sauer-
stoffatom der Carbonylgruppe durch zwei einwertliige Gruppen bezw.
* Vgl. LiMPBiCHT, Ann. 94, 246. — Gbimm, Ann. 157, 262. — Popopp, Ann,
186, 286, 290. — Schramm, Ber. 16, 1583.
* Baümann, Ber. 18, 883.
* Friedel, Ann. 108, 124.
Aldehyde und Ketane. 389
Atome ersetzt. Besonders charakteristisch fiir die. Carbonylverbindungen
ist indessen ihre üeberflihrbarkeit in Verbindungen, in deren Molecülen
das Sauerstoffatom durch zweiwerthige stickstoffhaltige Reste vertreten
wird. Solche Verbindungen entstehen unter der Einwirkung des Hydro-
xvlainins:
>C=:0 + HjNOH = >C=:N.OH + H,0
und des Phenylhydrazins (s. Bd. II):
>C=0 + H,N . NH . CeHjj = >C=:N • NH • CeH^ + H,0 ;
die Hydroxylaminderivate werden Oxime, die Hydrazinderivate Hydra-
zone genannt. Ihre Bildung ist so allgemein und erfolgt in der Regel
so leicht, dass die Fähigkeit, mit Hydroxylamin und Phenylhydrazin im
Sinne obiger Gleichungen zu reagiren, geradezu ein Kriterium für die
Zugehörigkeit einer Verbindung zur Klasse der Aldehyde oder Ketone
ist. Nur in wenigen Fällen ist es nicht gelungen, Verbindungen, welche
man zu diesen Klassen zählt, in die entsprechenden Oxime oder Hydra-
zone überzufuhren.
Unter den Oximen^ unterscheidet man die Derivate der Aldehyde
als Aldoxime von den Ketoximen* (oder Acetoximen), den entspre-
chenden Abkömmlingen der Ketone:
>C=N.OH >C=N.OH
Aldoxim Retozim.
Die Aldoxime erhält man sehr leicht, wenn man auf die Aldehyde (1 Mol.)
eine wässrige Lösung von salzsaurem Hydroxylamin (1 Mol.) und Na-
triumcarbonat (Y2 Mol.) in der Kälte wirken lässt; man entzieht nach
einiger Zeit der Lösung das Aldoxim durch Ausschtltteln mit Aether;
bei in Wasser unlöslichen Aldehyden arbeitet man in wässrig- alko-
holischer Lösung. Auch manche Ketone lassen sich unter diesen Be-
dingungen rasch ,,oximiren"; bei anderen indessen ist längere Digestion
bei Wasserbadwärme erforderlich oder selbst Erhitzen mit salzsaurem
Hydroxylamin in alkoholischer Lösung auf höhere Temperaturen im ge-
schlossenen Rohr. Bei diesen schwerer in Oxime überftthrbaren Ketonen
ist es vielfach von wesentlichem Vortheil, das Hydroxylamin in stark
alkalischer Lösung wirken zu lassen; zweckmässig ist das Verhältniss
von 3 Mol. Aetznatron auf 1 Mol. salzsaures Hydroxylamin; durch den
Ueberschuss an Alkali wird die Reaction bedeutend beschleunigt, so
dass sie fast stets bei gewöhnlicher Temperatur vollzogen werden kann *.
^ V. Meybb u. Jannt, Ber. 16, 1324, 1525. — Janny, Ber. 15, 2778; 16, 170. —
Petraczek, Ber. 15, 2783.
* Abweichend von der gewöhDÜchen Nomenclatar wollen v. Pbchmann u. Wehsabo
(Ber. 21, 2994) die Monoxime der Diketone Ketoxime nennen — ein Vorschlag, dessen
Borehf^bning leicht zu Verwechslungen fuhren kann und daher wenig wünschens-
werth erscheint
' AuwERs, Ber. 22, 604.
390 Oxime.
In den oben gegebenen Formeln ist die Anwesenheit einer Hydroxylgruppe im
Molecül der Oxime angenommen; der Bildungsprocess der Oxime würde noch eine
andere Annahme über die Constitution^ zulassen; man könnte ihn nach der Gleichung:
verlaufend denken. Letztere Auffassung entspricht indessen nicht dem Verhalten des
Acetoxims. Man kann das Wasserstoffatom der Oximido-Gruppe durch den Benzyl-
rest — C7H7 ersetzen und erhält so ein Benzylacetoxim , welchem eine der beiden
Formeln :
Cri3V 0x1 8\ /^ ' O7H7
NCIZN-O-C^H^ oder >C<
(m/ QU/ \o
zukommen muss, welches also die Benzylgruppe entweder an Sauerstoff oder an
Stickstoff gebunden enthält. Nun lässt sich das Benzylacetoxim durch Kochen mit
Salzsäure in Aceton und ein Benzylhydroxylamin spalten, filr welches demnach wie-
der zwei Formeln:
HjNO.C^H^ und ^NC^H^
OW
zur Wahl stehen. Letztere Formel wird indessen durch das Verhalten dieses Benzyl-
hy4roxylamins gegen Jodwasserstoffsäure ausgeschlossen; es entsteht, wie auf Grund
der Formel H,N— O-CyHy zu erwarten ist. neben Ammoniak Benzyljodid C7H7J; ein
Benzylhydroxylamin der zweiten Formel würde dagegen Benzylamin CjHj-NH, liefern,
da eine Trennung der Benzylgruppe vom Stickstoffatom, die nach vielen Erfahrungen
nur schwierig erfolgt, nicht unter den Bedingungen des Versuchs (Kochen mit con-
centrirter Jodwasserstoffsäure) angenommen werden darf. (In der That ist ein iso-
meres Benzylhydroxylamin aufgefunden worden, welches von Jodwasserstoff leicht in
Benzylamin übergeführt wird und daher die Formel C7H7 • NH(OH) besitzt; vgl. Bd. II.)
Es ist dadurch erwiesen, dass im Benzylacetoxim gemäss der Formel (CHs)sC:N-0-C7H7
der Benzylrest an Sauerstoff gebunden ist, und es liegt kein Grund vor, dem Acet-
oxim selbst eine andere Constitutionsformel als die seinem Benzylderivat entsprechende :
(CHb^C : N-OH
zu ertheilen.
Es sei indess gleich hier bemerkt, dass bei den Oximen der aromatischen Beibe
(vgl. Bd. II) und auch bei einzelnen Oximen der Fettreihe (vgl. in d. Kap. „Keton-
säuren*' die Oxime der Oxalessigsäure und Dioxy Weinsäure) feinere Isomerief&lle be-
obachtet sind, welche theils auf räumliche Verhältnisse, theils aber auch auf ver-
schiedene Structur der Oximidogruppe zurückzuführen sind. Man hat aus aroma-
tischen Oximen isomere Alkylderivate erhalten, deren Isomerie sicher darauf beruht,
dass der Alkylrest in einem Falle an Sauerstoff, im anderen Falle an Stickstoff ge-
bunden ist:
Nc^N-OR \c/
(Näheres s. Bd. II, Benzaldoxim u. a.)
Die Aldoxime der niederen Glieder der Acetaldehydreihe (über
Formoxim vgl. S. 403) sind wasserhelle, farblose Flüssigkeiten von
schwachem Geruch, welche unzersetzt destilliren. Das Acetaldoxim ist
mit Wasser mischbar; mit steigendem Moleculargewicht nimmt die Lös-
* Vgl. Jan'ny, Ber. 16, 176.
Oxime, 391
lichkeit in Wasser ab. Auch die niederen Ketoxime sind unzersetzt
destillirbar und in Wasser löslich. Die Constanten einzelner Oxime s.
in den TabeUen Nr. 21—23, S. 398, 412, 413.
Die Oxime besitzen infolge der Gegenwart der Hydroxylgruppe die
Natur schwacher Säuren und lösen sich in Alkalien. Aber auch mit
Säuren vermögen sich viele zu vereinigen. Aus dem Acetoxim z. B.
erhält man durch Einleiten von Salzsäuregas in die ätherische Lösung
das Salz CjH^NO.HCl als weissen Niederschlag.
Beim Erwärmen mit Säuren spalten die Oxime Hydroxylamin ab
unter Bückbildung der entsprechenden Aldehyde bezw. Ketone:
>C:N.OH + H,0 = >C0 + H^NOH.
Das Wasserstüffatom der Hydroxylgruppe lässt sich in den Ket-
oximen bei der Behandlung mit Säureanhydriden durch ein Säureradical
ersetzen, z. B.:
CH CH
2 '\C:N.OH + OCCO-CHg), = H,0 + 2 'NCiNOCOCHj.
Dagegen verläuft bei den Aldoximen die Reaction meist in anderer
Weise; das Anhydrid wirkt wasserentziehend, und es bildet sich ein
Xitrili:
xNOH
CeH,s.C/ -H,0 = CeH,8.C=N.
^H
Sehr eigenthümlich wirkt das Acetylchlorid auf manche Ketoxime ein. Es tritt
eine intramoleculare Umlagerung ein, die zur Bildung alkylirter Säureamide fuhrt';
es wird z. B. aus
CHjv /CHg CHjv /CHg
>CH-C-CH< >CH-CO-NH.CH<
CB/ I XJH, CH3/ \CH3
NOH
Düsopropylketoxim. Isopropyl-Isobutyrämid.
Analoge Umlagerungen sind auch unter der Einwirkung anderer Agenden — wie
z. B. Salzsäure in eisessigsaurer, mit Eesigsäureanhydrid versetzter Losung^ — beob-
achtet; sie sind hauptsächlich an aromatischen Ketoximen studirt. (BEcxMAXN'sche
Umlagerung; näheres s. bei Diphenylketoxim Bd. II.)
Mit unterchloriger Säure^ bilden die Aldoxime sowohl wie die Ketoxime
Eeter, wie z.B. CH, • CH : N • OCl und (CHj^C : N • OCl.
Durch Beduction mit Natriumamalgam in schwach essigsaurer Lö-
sung können die Aldoxime sowohl wie die Ketoxime in primäre Amine
verwandelt werden, indem die Gruppe:
^)>CnN.OH in ^<^'
übergeht (vgl. S. 234—235).
* Lach, Ber. 17, 1571. • V. Meter u. Warrinotok, Ber. 20, 500.
* Beckmann, Ber. 20, 2580. ^ Möhlau u. C. Hoffmann, Ber. 20, 1504.
392 Eeoßtionen der
Unter den Hydrazoneil ^ welche durch Einwirkung von HydrazincD
auf Aldehyde oder Ketone entstehen, sind von praktischer Bedeutung
(vgl. S. 389) namentlich die mit Hülfe des leicht zugänglichen Phenyl-
hydrazins erhältlichen Verbindungen. Näheres über ihre Eigenschaften
und Verhalten s. in Bd. II unter Phenylhydrazin.
Speciellere Charakteristik der Aldehyde.
In dem vorhergehenden Abschnitt sind die Beactionen geschildert,
zu welchen die Gegenwart der Carbonylgruppe sowohl die Aldehyde wie
die Eetone befähigt. Allein der Umstand, dass diese Gruppe in den
Ketonen mit beiden Valenzen an Kohlenstoff, in den Aldehyden aber
mit einer Valenz an ein Wasserstoffatom gebunden ist, bedingt anderer-
seits auch wesentliche Unterschiede in dem Verhalten der beiden Körper-
gruppen. Die allgemeine Charakteristik bedarf daher für jede der beiden
Gruppen noch einer specielleren Ergänzung.
Von den Ketonen sind die Aldehyde in erster Linie dadurch unter-
schieden, dass sie zu einwerthigen Carbonsäuren von gleicher Kohlen-
stoffzahl oxydirt werden können, indem die Gruppe — COH in die
Carboxylgruppe — CO -GH übergeführt wird. Die Constitution der Ke-
tone macht ein derartiges Verhalten unmöglich, denn aus der beiderseits
an Kohlenstoff gebundenen Carbonylgruppe:
=C-CO-C^
kann die Carboxylgruppe — CO -OH nur durch Lösung der einen Kohlen-
stoflbindung und demnach nur unter Abspaltung eines Theils der Kohlen-
stoffatome hervorgehen (vgl. S. 409 — 410).
Diese Oxydation der Aldehyde zu Carbonsäuren tritt mit
ausserordentlicher Leichtigkeit ein. Schon beim Stehen an der Luft
nehmen die Aldehyde Sauerstoff auf. Es ist wohl kaum anzunehmen,
dass der Sauerstoff sich bei diesem Vorgang zwischen ein Kohlenstoff-
atom und Wasserstoffatom einschiebt (vgl. S. 71):
CHj-CO-H + O = CHgCO— 0— H,
sondern der Vorgang spielt sich wahrscheinlich unter Mitwirkung von
Wasser ab^:
CHa.COvH + H.OH+ 0 = HjO + CHa-CO-OH.
Bei völligem Wasserausschluss würden Aldehyde vermuthlich von Sauer-
stoff nicht oxydirt werden. Aber die minimalste Spur Wasser, die sich
in unseren Versuchen niemals ausschliessen lässt, vermag schon, da sie
obiger Gleichung entsprechend stets regenerirt wird, beliebige Quantitäten
von Aldehyd der Oxydation zugänglich zu machen.
Die Aldehyde werden nun nicht nur durch freien Sauerstoff oxy-
dirt, sondern entnehmen den Sauerstoff auch aus chemischen Verbindungen
* E. Fischer, Ber. 17, 572; 21, 985; 22, 90 Anm. — Keiseheooer, Ber. 16, 661.
' Vgl. R. Demuth u. V. Meyer, Ber. 23, 395.
Aldehyde, 393
und wirken daher als kräftige Beductionsmittel. In besonders
charakteristischer Weise zeigt sich diese Eigenthtimlichkeit gegenüber
Silberlösungen; beim Erwärmen von Aldehyden mit schwach ammo-
niakalischen Silberlösungen wird metallisches Silber abgeschieden und
legt sich als glänzender Ueberzug (Silberspiegel) an die Wandung
des Gefasses an. Die Empfindlichkeit dieser Beaction wird wesentlich
durch die Gegenwart yon freiem Alkali erhöht. Man bedient sich zweck-
mässig einer Lösung von 3 g Silbernitrat in 30 g Ammoniak vom spec.
Gew. 0,923, zu welcher man eine Lösung von 3 g Aetznatron in 30 g
Wasser zufügt^. Mit diesem Reagens tritt die Silberabscheidung schon
in der Kälte ein, bei concentrirteren Lösungen augenblicklich, bei ver-
dünnteren (1 : 1000 bis 1 : 10000) innerhalb weniger Minuten; selbst bei
einer Verdünnung von 1 : 250 000 kann sie beobachtet werden , wenn
man die Probe bis zum nächsten Tage im Dunkeln stehen lässt.
Im Anschloss an die Silberspiegelreaction, welche sehr häufig zum Nach-
weis der Aldehyde verwendet wird, seien noch zwei weitere Aldehydreactionen
erwähnt. Schüttelt man einen Aldehyd mit einer durch schweflige Säure ent-
färbten Fachsinlösung', so tritt rothviolette Färbung ein. Diese sehr empfindliche,
von Card als für die Aldehyde charakteristisch erkannte Beaction wird indessen auch
von einigen Ketonen hervorgerufen; andererseits tritt sie mit dem Traubenzucker,
der nach den heutigen Anschauungen ein Aldehydalkohol ist, nicht ein. — Für alle
Aldehyde, welche in alkalischer Lösung beständig sind , ist die folgende Reaction sehr
charakteristisch*: zu einer frisch bereiteten Lösung von Diazobenzolsulfo säure
in etwa 60 Th. kaltem Wasser und etwas Natronlauge fügt man die mit verdünntem
Alkali vermischte Substanz und einige Körnchen Natriumamalgam und lässt ruhig
stehen, nach kurzer Zeit tritt roth violette Färbung ein.
Den Additionsreactionen, welche den Aldehyden und Ketonen
gemeinsam sind (vgl. S. 387 — 388), ist noch eine sehr wichtige hinzuzu-
filgen, welche nur den Aldehyden zukommt. Eine Reihe von Aldehyden
besitzt die Fähigkeit mit Ammoniak zu additionellen Verbindungen —
Aldehydammoniaken^ (vgl. S. 407) — zusammenzutreten, z.B.:
/OH
CHo-CHiO + NH. = CHgCHC
^NHj
Man erhält diese zum Theil gut krystallisirenden, zum Theil öligen Ver-
bindungen, welche als Amidoalkohole aufzufassen sind, wenn man Am-
moniak in die ätherische Lösung des Aldehyds einleitet, oder bei den
Gliedern der höheren Beihen durch Zusammenbringen der Aldehyde mit
concentrirtem wässrigem Ammoniak. Durch verdünnte Säuren werden sie
wieder rückwärts in Ammoniak und Aldehyd zerlegt; sie können daher
zur Abscheidung und Reinigung der Aldehyde dienen (vgl. S. 404).
* ToLLENs, Ber. 16, 1635, 1882.
* H. Schiff, Ann. 140, 131. — V. Mbyer, Ber. 18, 2343 Anm. ~ Tiemank, Ber.
14, 791 Anm. — J. G. Schmidt, Ber. 14, 1848.
' Pexzoldt u. £. Fischer, Ber. 16, 657.
* LiEBio, Ann. 14, 133. — Waaqe, Monatsh. 4, 709. — Lipp, Ann. 211, 357. —
Strecker, Ann. 130, 218. — Erlenmever u. Siegel, Ann. 176, 343.
394 Reaetionen der
Die Bildung von Aldehjdammoniaken ist bei solchen Aldehyden beobachtet
welche die Aldehydgruppe — CHO an ein primäres Alkylradical gebunden enthalten.
Der Formaldehyd H'CHO (vgl. S. 402) reagirt mit Ammoniak in anderer Weise,
nämlich unter Wasserabspaltung, ebenso der Isobutyraldehyd * (CHs)2CH-CH0, die
ungesättigten Aldehyde (vgl. Kap. 17) und die aromatischen Aldehyde (vgl. Benz-
aldehyd, Bd. II).
Den Aldehydammoniaken analoge Verbindungen des Phosphor Wasserstoffe
sind noch nicht erhalten ''^ Mit Phosphoniumjodid reagiren die Aldehyde nnfeer
Bildung complexer Verbindungen aus 4 Mol. Aldehyd und 1 Mol. PhoGphoninmjodid':
analoge Verbindungen entstehen bei gleichzeitiger Einwirkung von FboBphorwaaser-
stoff und Chlorwasserstoff bez w. Bromwasserstoff ^. MitPhosphortrichlorid' bilden
die Aldehyde ölige Verbindungen, aus welchen durch Zersetzung mit Wasser Oxj-
phosphinsäuren hervorgehen; so entsteht z. B. aus Acetaldehyd CHj-CHO die
.OH
Oxyäthylphosphinsäure CH. • CH^ . — Mit unterphosphoriger Säure*
^PO(OH)j
können die Aldehyde sowohl im Verhältniss von 1 Molecül auf 1 Molecül zu oxy-
.OH
phosphinigen Säuren, z. B. C4H9-CH^ , wie auch im Verhältniss Ton
\P0H(0H)
2 Molecül Aldehyd auf 1 Molecül Säure zu Dioxyphosphinsäuren, z. B.
/OH
CÄ.CH<(
>PO.OH,
CA.CH<
M)H
zusammentreten.
Mit 2 Molecülen eines Alkohols vereinigen sich die Aldehyde unter
Austritt von 1 Molecül Wasser, z. B.
/OC^Hs
CHgCHiO + 2C,H5.0H = CHg-CH^ + H,0;
^OCtH^
bei Gegenwart von Eisessig wird diese Reaction vollständiger"; ihre Pro-
dukte — die sogenannten Acetale — werden als Abkömmlinge zwei-
werthiger Alkohole später besprochen werden (Eap. 20). Analoge Ver-
bindungen entstehen durch Vereinigung von Aldehyden mit Säureanhv-
driden®:
/OCO.CH3
CHs-CH-.O + OiCOCHa), = CHg.CH/
^OCO-CHg
Chlorwasserstoff lagert sich ebenfalls an die Aldehyde an^; unter Abspal-
tung von 1 Mol. Wasser aus zwei Molecülen des Additiousproduktes entsteht «U5
Acetaldehyd ein Dichlorderivat des Aethyläthers:
^ Lipp, Ann. 205, 1; 211, 344.
' vgl. Engel u. Girard, Compt rend. 90, 692.
' Girard, Ann. eh. [6] 2, 1. ^ Mbssinqer u. Engels, Ber. 21, 328.
* FossEK, Monatsh. 6, 627; 7, 20.
® ViLLE, Compt. rend. 109, 71; HO, 348.
' Gbuther, Ann. 126, 64. * Geüther, Ann. 106, 249.
® Hanriot, Ann. eh. [5] 26, 220.
Aldehyde. 395
.Gl
CHj.CH- 0 + HCl = CHs.CH<
M)H
.Cl
yC] CH3.CH/
2CH8CH< -HjO = >0
^OH CHj.CH/
— das Ae thylidenoxy Chlorid *, welches mit dem gewöhnlichen Dichlorftther (s. S. 198)
ieomer ist.
Monochlorderivate von Aethem entstehen aus den Aldehyden durch Fixirung
von 1 MoL Halogenalkyl, z. B:
.01
CH3.CH<
CHgCH 0 -h C,H»C1 = >0;
CH3.CH/
diese Beaction' tritt ein, wenn man ein Gemenge von Aldehyd und Alkohol mit
Salzsfture sättigt. Ebenso addiren sich Säurechloride* an Aldehyde unter Bildung
monochlorirter £ster:
.Cl
CHa-CFK
CHg.CH-O + ClCOCHg = >0.
CHaCO'^
unter den Additionsreactionen der Aldehyde sind diejenigen beson-
ders bemerkenswerth, welche lediglich zwischen den Aldehydmolecülen
selbst verlaufen. Die Aldehyde besitzen eine besondere Neigung
sich zu polymerisiren; mehrere Molecüle treten zusammen und bilden
eine Verbindiing, welche die gleiche Zusammensetzung, aber ein höheres
Moleculargewicht, als der Aldehyd, besitzt. Auch dieser Vorgang beruht
wie alle die oben besprochenen Additionsreactionen auf dem Uebergang
der doppelten Sauerstoflfbindung in einfache; aus dem gesättigten Molecül
CHj-CH— 0 wird die zweiwerthige Gruppe CHg-CH , deren freie
Valenzen sich nun mit den Elementen anderer Aldehydmolecüle sättigen.
Einer der einfachsten Vorgänge dieser Art (Aldolcondensation) spielt
sich z. B. zwischen zwei Molecülen Acetaldehyd ab :
^0^-^ /OH
^H ^CHjCHO
Aldol
Die einzelnen Polymerisationsprocesse werden beim Formaldehyd und
Acetaldehyd näher besprochen werden (vgl. S. 399—402, 405—407).
Den Additionsreactionen der Aldehyde sind die Processe anzu-
' Lieben, Ann. 106, 336. — Geuther u. Cartuell, Ann. 112, 18. — Kessel,
Ann. 175, 44. — Laatsch, Ann. 218, 13.
■ WuRTz u. Frapolli, Ann. 108, 226. — Bachmann, Ann. 218, 38. — Geuther
u. RtBENCAMp, Ann. 226, 26. — Claus u. Trainer, Ber. 19, 3004. — Schiff,
Ztschr. Chem. 1870, 74.
* Simpson, Ann. 100, 156. — Rübencamf, Ann. 226, 274. — Francuimont, Eec.
trav. chim., 1, 243.
396 Eeaotionen der Aldehyde,
reihen, in welchen eine Condensation mehrerer Molectile unter
Wasser abspaltung stattfindet; die Wirkung solcher Reactionen be-
steht darin, dass das Sauerstoffatom der Aldehyde mit zwei Wasserstoff-
atomen, die es anderen Molecülen entnimmt, als Wasser austritt, wo-
durch eine Verkettung von Kohlenstoffatomen, die vorher nicht mit
einander verbunden waren, herbeigeführt wird. Eine derartige Condensation
tritt z. B. zwischen 2 Molecülen Aldehyd ein und fährt zur Bildung
ungesättigter Aldehyde von doppelter Kohlenstoffzahl:
CH.CHO + CHjCHO = H,0 + CHaCHrCHCHO.
Man darf wohl annehmen, dass zunächst, wie oben dargelegt, eine
Addition der beiden Aldehydmolecüle zu Aldol und darauf Wasser-
abspaltung stattfindet. Aus dem Acetaldehyd entsteht so der normale
Crotonaldehyd. Solche Condensationen (Näheres vgl. Kap. 17) gehen
namentlich beim Erhitzen der Aldehyde mit Natriumacetatlösung sehr
glatt vor sich; auch verdünnte, wässrige Natronlauge leistet oft als Con-
densationsmittel gute Dienste ^
In ähnlicher Weise können sich die Aldehyde mit Verbindungen
aus anderen Körperklassen, z. B. Estern von Dicarbonsäuren (wie Malon-
säureester):
/CO2 ■ C.Hg /C^j * ^t^
CHaCHO + CH,< = H,0 + CR^CRiCX
^CO,C,Ha ^COjCjHa
aromatischen Kohlenwasserstoffen (wie Benzol):
CHjCHO + 2CeHe = H,0 + CHa-CHCCeH),
condensiren — Processe, welche vielfach zur Synthese organischer Ver-
bindungen Verwendung finden.
Eine eigenthümliche Veränderung erleiden der Acetaldehyd und
mehrere seiner Homologen beim Erwärmen mit Alkalien; sie werden
in ein gelbbraunes Harz — das Aldehydharz^ — verwandelt. —
Alkoholisches Kali wirkt auf einige Aldehyde derart ein, dass ein
Theil zu der entsprechenden Säure oxydirt, ein anderer Theil zu einem
zweiwerthigen Alkohol von doppelter Kohlenstoffzahl reducirt wird^ (vgl.
Kap. 20); so entsteht z. B. aus Isobutyraldehyd (CH3)jCH-CH0 neben
Isobuttersäure (CH3)2CH-C02H das Glykol (CH3)2CH-CH(OH).CH(OH).
CH(CH3)2. — Concentrirte Schwefelsäure reagirt heftig mit Acetaldehyd
unter Bildung eines dunklen Harzes.
Im Vorstehenden sind nur die wichtigsten Reactionen der Aldehyde
geschildert worden; sie könnten noch durch viele andere Umwandlungs-
^ Sandmeyer, vgl. y. Meyer, Die Thiophengruppe (Bräunschweig 1888), S. 1. —
J. G. Schmidt, Ber. 18, 2842. — Baupenstrauch, Monatsh. 8, 112.
* LiEBio, Ann. 14, 140. — Weidenbusch, Ann. 66, 153. — Püchot, Ann. eh. [6J
9, 422.
' F088EK, Monatsh. 3, 622; 4, 663: 5, 119. - Swoboda u. Fosskk, Monatsh.
11, 383.
Formaldehyd. 397
pr^cesse ergänzt werden. Die Aldehyde sind Verbindungen von einer
solchen Beweglichkeit, einer solchen Mannigfaltigkeit des chemischen Ver-
haltensy wie wir sie kaum bei einer anderen Eörperklasse antreflfen.
Vielleicht kommt der durch eine so ungewöhnliche Umwandlungs-
tahigkeit ausgezeichneten Aldehydgruppe eine erhebliche Bedeutung für
den Lebensprocess zu. Loew und Bokorny^ haben interessante Beob-
achtungen über das Silberreductions vermögen von Zellen gemacht; sie
fanden^ dass lebende Zellen eine alkalische Silberlösung reduciren, wäh-
rend diese Eeaction bei todten Zellen ausbleibt. Sie schliessen daraus,
dass das lebende Protoplasma Aldehydgruppen enthält, welche sich beim
Absterben in nicht aldehydartige Gruppen verwandeln, und sie erblicken
in der Aldehydgruppe die „chemische Ursache des Lebens". Mit dieser
Anschauung stimmt es überein, dass die Reagentien, welche die Aldehyd-
gruppe besonders leicht afficiren, das Hydroxylamin und das Phenyl-
hydrazin (vgl. S. 389), sehr starke Gifte — zumal für die niedrigsten Orga-
nismen — sind. Gegen die von Loew und Bokorny aufgestellte Ansicht
sind von berufener Seite gewichtige Einwände geltend gemacht worden;
bezüglich derselben muss auf die Originalliteratur verwiesen werden^.
Einzelne Aldehyde.
Die physikalischen Eigenschaften einer grösseren Beihe von Alde-
hyden, sowie der zugehörigen Aldoxime sind in der Tabelle Nr. 21 auf
S. 398 zusammengestellt. Einer besonderen Besprechung müssen der
Formaldehyd CH^O, Acetaldehyd C^H^O und Oenanthaldehyd (Oenanthol)
CyHj^O unterzogen werden.
Fontfaldeliyd CH^O wurde von A. W. Hofmann ^ entdeckt; man
kennt ihn bisher nur als Dampf (durch Vergasen des polymeren Oxy-
methylen [s. S. 400] erhalten) oder in Lösung; eine Lösung gewinnt man,
wenn man einen mit Dämpfen von Methylalkohol beladenen Luftstrom
über eine schwach glühende Platin- oder Kupferspirale leitet und die in
Folge der Oxydation des Methylalkohols den entsprechenden Aldehyd
enthaltenden Dämpfe condensirt.
Zur Darstellang einer Formaldehyd- Lösung^ operirt man in folgender
Weise: Mit einer Säugpumpe erzeugt man einen möglichst raschen Luftstrom, welcher
zunächst ein Gefäss mit Schwefelsäure, dann ein etwa \', Liter haltendes, zur Hftlfte
mit Methylalkohol beschicktes Gefäss passirt, welches im Wasserbade auf 45—50^
eTwSrmt wird. Das Gemisch von Alkoholdampf und Luft tritt nun in eine 80 cm
l^uige Bohre aus böhmischem Glase, in welcher sich eine 5 cm lange, oberflächlich
oxydirte Spirale aus grobem Kupferdrahtnetz, die zweckmässig in ein sehr dünnes
i
* Loew u. Bokorny, Ber. 14, 2508, 2589; 15, 383, 695, 2753. J. pr. [2] 36, 284.
-Loew, Ber. 16, 1107, 2707; 18o, 122, 715.
' Rehhie, Ber. 14, 2150; 16, 107. — Bauhaxk, Ber. 16, 248.
' Ann. 145, 857; vgl. femer Ber. 2, 152; 11, 1685.
^ ToLLENs, Ber. 15, 1629; 16, 917; 19, 2133. Ann. 248, 335 Anm. Landw.
' -Stationen 29, 361. — Loew, J. pr. [2] 88, 321. Ber. 20, 144.
398
Tabellarische UebersicJU über die gesättigten Aldehyde.
Tabelle-Nr. 21.
Name des
Aldehyds
I Zusammen-
l' Setzung des
I mit der Aide-
\> hydgruppe
I -CHO ver-
ii bundenen
BadicalsR
Schmelz-
punkt
Siede-
punkt
Spec.
Gew.
des Aldehyds R-CHO
Siede-
punkt des
Aldoxim«
R.CH:N.OH
Acetaldehyd**
Propionaldehyd * -**«s^ .
Butyraldehyd*— '^
Isobutyraldehyd*"-"-««-"
Valeraldehyd "
Isovaleraldehyd**"— *°-" .
Tiimethylacetaldehyd*® .
Norm. Capronaldehyd** .
Oenanthaldehyd '*
Caprylaldehyd"-»*
>»
31
>?
>»
>»
»»
Caprinaldehyd" . . .
Laurinaldehyd " . . .
Myristinaldehyd "•** .
I C3H7 —
I C3H,-
C4H9—
I C,H,- ] _
I CftH,!^ i --
I C7H15 —
CmH-»— +44.50
^18^27 —
»>
Ji
Palmitinaldehyd"-«5-3o 1 C15H3,-
Stearinaldehvd*" . . .
52. 50
58.5
f;o
C17H3,— ! 63-5<> 259— 261<>
+ 20.8<>
49 ^^
73—740
630
102°
92°
74—750
1280
1550
1710
1060
(bei lö mm)
184—1850
214—2150
239—2400
er
S
B
0-780(200;
0-807
0-817
0.794
»
0-798 „
0-793(180)
0 -834(200)
0-850
0-819
»»
>»
114-115"
130—132*
1390
160— 162<>
195
Myriatin-
aldoxim*^
schm. b. 82^
Citatc zu der Tabelle Nr. 21: * Chancel, Ann. 151, 301. — * Liknemanx,
Ann. lei, 20, 64. — ' Lieben u. Zeisel, Monatsh. 4, 14. — * Petraczbk, Ber. 15,
2783 5 16, 829. — » Liebek u. Rossi, Ann. 158, 145. — * Likmemamk, Ann. 161,
186. — ^ Lipp, Ann. 211, 355. — ® Jüslin, Ber. 17, 2505. — • Raitpenstraüch,
Monatsh. 8, 108. — " Pfeipfer, Ber. 5, 699. — " Fossejc, Monatsh. 2, 614;
4, 660. — " LiMNEMANK u. ZoTTA , Ann. 162, 83. — *^ Barbaolia u. Gucci,
Ber. 13, 1572. — " Tilden, Ber. 18, 1604. — " Lipp, Ann. 206, 2. — " Liebex
u. H0881, Ann. 159, 70. — " Guthrie u. Kolbe, Ann. lOÖ, 297. — " Bobodik,
Ber. 5, 480; 6, 982. — " Fittio, Ann. 117, 68. — *o BrcYLANxs, Ber. 8, 414. —
*' Lieben u. Janeczek, Ann. 187, 130. — " Krafft, Ber. 16, 1717. — *• Rbafft,
Ber. 13, 1413. — " Fridau, Ann. 83, 23. — «* Dollpus, Ann. 131, 287. — »Dkm-
TSCHENKO, Ber. 6, 1176. — *^ Urech, Ber. 12, 190; 13, 483, 590. — " Hell u.
Gass, Ber. 8, 369. — *» Krafft, Ber. 23, 2360. — *o Claus u. v. Dredbn, J. pr.
[2] 43, 148. — ** Perkin, Joum. Soc. 43, 90. — " Limpricht, Ann. 93, 242. —
" Boüis, Ann. 97, 34. — " B£hal, Bull. 47, 33. — •» Vgl. die specielle Bespre-
chung S. 404 flf., 408. — ^ BiscHOPF u. Hausdöbfer, Ber. 28, 1917. — '^ E. Fisches
u. Latcock, Ber. 22, 101. — '^ Tissibr, Compt. rend. 112, 1068.
Glimmerblättchen eingehüllt wird, befindet; diese Stelle, an welcher die Glasröhre
mit einem Messingdrahtnet^ umgeben ist, erwärmt man massig; beim Herankommen
des Gasgemisches tritt dann lebhaftes Glühen ein und erhält sich nun weiter wäh-
rend des Versuchs. Die Produkte der Beaction werden zur Condensation des Form-
Formaldehyd, 399
aldehyds durch vier Vorlagen gezogen, von denen die beiden ersten leer, die letzten
zur Hälfte mit Wasser gefällt sind. Der Inhalt der ersten Vorlage ist der concen-
trirteste; in ihr befindet sieh eine 30— 40procentige Lösung von Formaldehyd, welche
daneben ausser Methylalkohol nur noch geringe Mengen von Ameisensäure enthält*.
Seit mehreren Jahren wird Formaldehydldsung fabrikmässig — zuerst von der
Firma Mercklin u. Lösekann in Hannover nach einem gehaltenen Verfahren' — er-
zeugt und zu billigem Preise in -den Handel gebracht. Man hat vorgeschlagen, den
Formaldebyd und einige seiner Derivate in der Photographie zu verwenden^; auch
ist seine Benutzung für Zwecke der Farbenindustrie ^ — so z. B. für die Darstellung
von Methylanilin und ähnlichen Basen ^ — in Aussicht genommen.
Auch durch Zersetzung von Methylal CH^rO'CHg^ mit Schwefelsäure und
darauffolgende Destillation mit Wasserdampf kann man eine Lösung von Formaldehyd
bereiten*.
Li geringer Menge bildet sich Formaldehyd auch bei der Destillation von
ameisensanrem Kalk'.
Den Gehalt von Formaldehyd-Lösungen kann man bestimmen^, indem
man eine abgemessene Menge titrirter Ammoniakflüssigkeit zugiebt und nach einiger
Zeit die unverbrauchte Ammoniakmenge zurücktitrirt. Das Ammoniak reagirt auf
den Formaldehyd glatt nach der Gleichung:
6CH,0 + 4NH8 = (CHj^N^ + 6H,0
nnter Bildung von Hexametbylenamin (vgl. S. 402). Die Gegenwart von 6 Aeq.
Formaldehyd bewirkt also das Verschwinden von 4 Aeq. Ammoniak. £s ist indessen
zu berücksichtigen, dass das entstehende Hexametbylenamin selbst 1 Aeq. Säure zur
Salzbildung verbraucht, und dass man daher bei Anwendung solcher Indicatoren,
auf welche die Salze des Hexamethylenamins neutral reagiren, — wie z. B. Methyl-
orange, Cochenille, Tropäolin, Congoroth — auf 6CHjO nur 3NH3 als verbraucht
berechnen muss. Lakmus und Phenolphtalein dagegen zeigen auch die an das Amin
gebundene Sänremenge an ; bei Benutzung letzterer Indicatoren hat man daher
4NH, als 6CHtO entsprechend zu berechnen.
Die wässrige Lösung des Formaldehyds riecht sehr stechend. Ver-
dünnte Lösungen enthalten den Formaldehyd in monomolecularem Zu-
stande (CHjO), wie die Bestimmung des Gefrierpunkts ergeben hat.
Lässt man sie über Schwefelsäure eindunsten, so wird die Flüssigkeit
almählich dicklich und füllt sich mit weichen, flockigen Ausscheidungen
an ; die concentrirte, von diesen Ausscheidungen abgegossene Lösung ent-
hält, wie die Untersuchung mittelst der Gefriermethode lehrt, eine
polymere Modification, welche Paraformaldehyd genannt wird und
*■ Kraut u. Rschweiler, Ann. 258, 96.
* Vgl. ferner Trillat, D.R.Pat Nr. 55176; Ber. 24c, 434.
* D.R.Pat. Nr. 51407; s. Chem.-Ztg. 1890, 351.
* Vgl Leonhard & Co., D.RPat. Nr. 52324; Ber. 23c, 715. — Farbwerke
Tonn. Meister, Lucius & Brünino, D.B.Pat. Nr. 53937 u. 55565; Ber. 24o, 235
u. 503,
» Geigy & Co., Dtsch. Pat.-Anmeldg. G. 6676 (Kl. 12) vom 26.3.91.
* Wohl, Ber. 19, 1841.
^ Mulder, Ztschr. Chem. 1868, 265; Ann. 159, 366. — Lieben u. Eossi, Ann.
158, 107. — Linkemann, Ann. 157, 119.
* LiEGLBR, Ber. 16, 1333. — Lösekann, Ber. 22, 1565. — Esohweileb, Ber.
22, 2929.
400 Polymerisation des
vielleicht die Moleculargrösse (CH30)3 besitzt. Verdünnt man die con-
centrirte Lösung mit Wasser von 0^, so bleibt der Paraformaldehyd
auch in der verdünnten Lösung einige Zeit bestehen; bei gewöhnlicher
Temperatur aber wandelt er sich in verdünnter Lösung rasch in mono-
molecularen Formaldehyd um^-*.
Es ist noch nicht ausgemacht^, ob dieser in Wasser lösliche, poly-
mere Formaldehyd' als selbständige Modification zu unterscheiden ist
von dem festen Oxyraethylen* (oder Metaformaldehyd,' früher auf
Grund einer irrthümlichen Dampfdichtebestimmung Dioxymethylen ge-
nannt), welches man aus Formaldehydlösungen beim völligen Verdunsten
oder durch Zusatz von concentrirter Schwefelsäure gewinnt. Diese Ver-
bindung war schon vor Auffindung des Formaldehyds selbst von Butle-
ROW durch Einwirkung von Silberoxalat auf Methylenjodid erhalten wor-
den; sie entsteht auch beim Erhitzen von Glycolsäure mit concentrirter
Schwefelsäure:
xCH,(OH)rCO,H = (CHsO)x + xCO + xH,0.
Das Oxymethylen ist eine farblose, krystallinische, in Alkohol und Aether
kaum lösliche Substanz, welche selbst nach monatelangem Stehen über
Schwefelsäure durchdringend nach Formaldehyd riecht. Beim Erhitzen
wird sie vergast und sublimirt; die sublimirte Substanz schmilzt bei
171 — 172^. Die Bestimmung der Dampfdichte hat ergeben, dass bei
der Vergasung eine Spaltung des Oxyraethylens in monomolecularen
Formaldehyd eintritt; beim Erkalten polymerisirt sich derselbe wieder
zu Oxymethylen, doch geht dieser Uebergang nur langsam und allmäh-
lich vor sich. Schon bei gewöhnlicher Temperatur geht das Oxymethylen
durch längere Berührung mit Wasser, rascher durch Erhitzen in zu-
geschmolzenen Röhren auf 130 — 150^ in Lösung, indem es sich zunächst
vielleicht als solches oder als Paraformaldehyd auflöst, dann bei genügen-
der Verdünnung in einfachen Formaldehyd gespalten wird. Von Alka-
lien wird es leicht unter Bildung von Methylalkohol, Ameisensäure und
Methylenitan (s. S. 402) umgewandelt; Ammoniak fuhrt es in Hexa-
methylenamin (vgl. S. 402), Schwefelwasserstoff in Trithioformaldehyd
(vgl. d. letzten Abschn. ds. Kap.) über. Für die Beurtheilung der Mole-
culargrösse des Oxymethylens hat man noch keine Anhaltspunkte.
Bei den bisher besprochenen polymeren Modificationen des Form-
aldehyds wir.d der Zusammentritt mehrerer Molecüle jedenfalls durch
Sauerstoffbindung — in ähnlicher Weise wie bei dem Para - Acet-
* ToLLENS u. F. Mayer, Ber. 21, 3503.
^ Kraut u. Eschweiler, Ann. 268, 101.
' Vgl. auch LösEKANN, Chem.-Ztg. 1890, 1408.
* BüTTLEROW, Ann. 111, 2i5. Ztechr. Chem. 1869, 90. — Heintz, Ann. 138,
40, 322. Pogg. 114, 470. — A. W. Hofmann, Ber. 2, 152. — Tollbns, Ber. 15, 1631 ^
16, 917; 19, 2135. Landwirthech. Versuchs -Stationen 29, 371. — TouxMd u.
F. Mater, Ber. 21, 1571. — Tischtschenko, Ber. 16, 2286; 20e, 701—704.
Formaldehyds, 401
aldehyd (s. S. 406) — vermittelt, da sie beim Vergasen oder in verdünnter
wässriger Lösung wieder glatt in einfachen Formaldehyd gespalten wer-
den können, unter der Einwirkung von schwachen Alkalien erfährt der
Formaldehyd eine Polymerisation, bei welcher die KohlenstoflFatome ver-
schiedener Molecüle mit einander in Bindung treten, und Substanzen
entstehen, die nicht mehr glatt in Formaldehyd zurückgeführt werden
können. Dieser unten näher zu besprechende Process besitzt ein be-
sonderes Interesse im Hinblick auf eine biologische Frage, die vorher
kurz angedeutet werden möge.
Die Pflanze nimmt bekanntlich aus der Atmosphäre den Kohlenstoff
in Gestalt seiner höchsten Oxydationsstufe — der Kohlensäure — auf,
reducirt letztere unter der Mitwirkung des Sonnenlichtes in den chloro-
phyllhaltigen Theilen und bildet durch eine allmählich fortschreitende
Synthese die complicirten Kohlenstoffverbindungen ihres Körpers. Die
Frage nach den einzelnen Phasen dieses Processes, zumal nach den ein-
fachsten Assimilationsprodukten besitzt für die Pflanzenphysiologie die
höchste "Wichtigkeit. Man weiss, dass die Kohlenhydrate, und unter
ihnen wieder die Zuckerarten, frühzeitig auftreten; allein die Zuckerarten,
wie z. B. der Tiraubenzucker CgHjgOg, sind noch zu complexe Verbin-
dungen, als dass man in ihnen die unmittelbaren Reductionsprodukte
der Kohlensäure erblicken dürfte. Nach Baeyer^ könnte es vielmehr
der Formaldehyd CHgO sein, welcher zunächst in den grünen Pflanzen-
theilen durch Reduction der Kohlensäure COg gebildet wird; aus ihm
entständen dann die Zuckerarten durch einen Polymerisationsprocess:
6CHjO = CgHigOg,
welcher unter dem Einfluss des Zelleninhalts eintritt.
Dieser Annahme kann es in gewissem Sinne zur Stütze dienen,
dass aus dem Formaldehyd auch duixh einen im Laboratorium aus-
führbaren Polymerisationsprocess Verbindungen erhalten werden, welche
der Zuckergruppe angehören*. Bütlekow machte zuerst bei dem Studium
der Einwirkung des Kalkwassers auf Oxymethylen Beobachtungen, welche
eine derartige Umwandlung des Formaldehyds andeuteten; auf seine
Beobachtungen gestützt, unterwarf Loew das Verhalten des Formaldehyds
gegen Alkalien einem eingehenden Studium und stellte die Bedingungen
fest, unter denen ein Gemenge zuckerähnlicher Stoffe, welches Form ose
genannt wurde, erhalten wird. Emil Fischer führte den Nachweis, dass
dieses Produkt Verbindungen von der Zusammensetzung der Zuckerarten
C^HjjOg enthält und unter diesen eine a-Akrose genannte Verbindung,
welche zu den natürlichen Zuckerarten in sehr naher Beziehung steht.
' Baeyer, Ber. 3, 67. — Vgl. fönier Würtz, Ber. 6, 534. — Reinke, Her. 14,
2U8. — LoBW, Ber. 22, 482. J. pr. [2] 33, 344.
* Vgl. hierüber Bütlebow, Ann. 120, 295. — Loew, Ber. 20, 142, 3039; 21, 270;
22, 470, 478. J. pr. [2] 33, 321; 34, 51; 37, 203. — Tollens, Ber. 15, 1632;
16, 919. — Wehmer, Ber. 20, 2614. — Wehmer u. Tollens, Ann. 243, 334. —
£- Fischer, Ber. 21, 991; 23, 388,-2126. — E. Fischer ii. Pasmore, Ber. 22, 359.
V. Kktxs u. Jacobson, org. Chem. I. 26
-1
402 Derivate des
Man erhält nach Loew die Rohformose, wenn man etwa 4 procentige Lö-
sungen von Formaldehyd mit etwas überschüssiger Kalkmilch unter häu-
figem Umschütteln eine halbe Stunde stehen lässt, darauf filtrirt und das
Filtrat nun wieder einige Tage stehen lässt, bis es intensiv reducirend auf
FBHLiNG'sche Lösung wirkt, und der stechende Geruch des Formaldehyds
verschwunden ist. Aus dieser Lösung kann man durch passende Behand-
lung die Formose als farblosen Syrup von intensiv süssem Geschmack
abscheiden. (Näheres über die Bestandtheile der Formose s. in dem
Kapitel Kohlenhydrate).
Behandelt man den Formaldehyd bei höherer Temperatur (70—90°) mit über-
schüssigem Kälkhydrat, so erhält man das von Butlebow entdeckte Methylenitan,
welches ebenfalls ein Gemisch zuckerähnlicher Verbindungen ist. £3 stellt einen
gelben Syrup von bitterem Geschmack dar.
Wenn sonach die Möglichkeit zugegeben werden kann, dass die
Pflanze ihre Kohlenhydrate aus Formaldehyd erzeugt, so darf man sich
doch nicht verhehlen, dass Formaldehyd noch niemals als in Pflanzen
vorkommend nachgewiesen ist und daher einstweilen auch nicht mit
Sicherheit als Zwischenprodukt bei den chemischen Processen des Pflan-
zenkörpers angesehen werden darf. Der interessante Versuch Bokobny'sS
nach welchem in entstärkten Algen, die in einer mit Alkaliphosphat ver-
setzten Lösung der Natriumbisulfit -Verbindung des Formaldehyds (vgl.
S. 404) leben, erhebliche Stärkemengen gebildet werden, ist für die Frage
ohne Bedeutung, da wir ja wissen, dass einerseits Formaldehyd schon
durch die rein chemische Wirkung alkalischer Flüssigkeiten Zuckerarten
liefert, andererseits die Pflanze Zucker in Stärke verwandeln kann.
Ueber den durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Form-
aldehyd entstehenden Trithioformaldehyd vgl. den letzten Abschnitt
dieses Kapitels (Thioaldehyde).
Durch Einwirkung des Ammoniaks entsteht sowohl aus dem einfachen
Formaldehyd wie aus dem Oxymethylen das Hexamethylenamin^
CßHjgN^. Diese Base bildet farblose glänzende Rhomboeder, löst sich
in etwa 7 Th. heissem und 14 Th. kaltem Wasser; bei gewöhnlicher
Temperatur besitzt sie keinen, beim Erhitzen einen unangenehmen Ge-
ruch; im Vacuum lässt sie sich bei 230 — 270^ fast unzersetzt sublimiren.
Ihr Chlorhydrat CgHjgN^.HCl ist in Wasser sehr löslich, in Alkohol
w^enig löslich und schmilzt bei 188 — 189®. Beim Erhitzen mit Säuren
wird das Hexamethylenamin leicht wieder in Formaldehyd und Ammoniak
gespalten, wobei indess auch Methylamin in merklicher Menge entsteht:
theilweise erfolgt die Spaltung schon in neutraler wässriger Lösung ober-
halb 50®. Mit Halogenen und Halogenalkylen bildet es Additionsprodukte,
* D. bot. Ges. Ber. 9, 103; Chem.-Ztg. Repertorium 1891, 167.
* BuTLEROw, Ann. 115, 322. — Pratesi, Ber. 16, 2918. — Tollens, Ber. It,
653. — Leqler, Ber. 18, 3350. — Wohl, Ber. 19, 1840. — Horton, Ber. 21, 1999.
— Griess u. Harrow, Ber. 21, 2737. — Fr. Mater, Ber. 21, 2883. — Moschato.s u.
Tollens, Ber. 24, 695. — Härtung, J. pr. [2] 43, 597.
Fbrmaldehyds, 403
wie CgHjjN^.Brg, CgHjjN^.Br^, CgHjgN^ .CH3J. Salpetrige Säure erzeugt
je nach den Bedingungen Trimethylentrinitrosamin CgH^NgOg oder
Dinitrosopentämethylentetramin CgH^^NgOg. Die Constitution des
Hexamethylenamins und seiner Derivate ist noch nicht aufgeklärt.
Primäre und secundftre Amine wirken auf den Formaldehyd unter Bildung von '
ein&cber zusammengesetzten Basen:
CH,0 + H,N • C,Hg = CH, : N • CsHj + H,0 ;
CHjO + 2HN(C8H5), =:= CH8{N.(C,H^),f, + H,0.
Die Beactionsprodukte sind farblose Flüssigkeiten und sieden unzersetzt^ — Ueber
die Beactionsproduete des Formaldebyds auf aromatische Amine vgl. Bd. II.
Eine weitergehende Veränderung erleidet der Formaldehyd beim
Erwärmen mit den Lösungen Yon Ammoniaksalzen. Ein Theil wird zu
Kohlensäure oxydirt, ein anderer Theil zur Methylgruppe reducirt, welche
in das Ammoniakmolecül eintritt ^ so dass man unter intermediärer Bil-
dung von Mono- und Dimethylamin schliesslich Trimethylamin erhält*:
SO^HjCNH,), + SCHjO = SO^HaCNHjCHa), + CO, + H,0,
S04H,(NH,.CHs), + 3CH80.= SO,H,(NH(CHg),), + CO, + H,0,
S04Ha(NH(CH8),), + SCHjO = S04H,(N(CHj)s), + CO, + H,0.
Das Oxim des Formaldebyds^ CHgiiiN — OH ist ebenso, wie der
Formaldehyd selbst, zur Polymerisation ausserordentlich geneigt. Bei
der Einwirkung von Hydroxylamin auf Formaldehyd in concentrirter
Losung erhält man eine weisse, amorphe, gallertartige Substanz, welche
in Wasser und den gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln unlöslich,
in verdünnten Mineralsäuren leicht löslich ist und die Zusammensetzung
des Formoxims besitzt. Diese Verbindung ist indess ein polymeres Form-
oxim und geht in das monomoleculare Formoxim durch Erhitzen fiir sich
oder mit Lösungsmitteln über. Erhitzt man es für sich auf 132 — 134^,
so verdampft es ohne zu schmelzen, und der Dampf zeigt die der Formel
des einfachen Formoxims -entsprechende Dichte; bei vorsichtigem Er-
hitzen im Reagensrohr erhält man an den kalten Wandungen Formoxim
im flössigen Zustand, welches aber rasch wieder in die feste polymere
Modification zurückverwandelt wird; bei plötzlicher Erhitzung zersetzt
sich der Dampf in Wasser und Blausäure:
CH,(N.OH) = HCN-hH,0.
Erhitzt man das polymere Formoxim einige Zeit mit Wasser im zu-
geschmolzenen Rohr auf 100^, so erhält man eine neutral reagirende
Lösung von stark reducirender Wirkung, in welcher, wie aus der Be-
stimmung des Gefrierpunkts geschlossen werden darf, das monomole-
colare Oxim anzunehmen ist; diese Lösung ist, wenn ihre Concentration
nicht zu stark ist, längere Zeit ohne Veränderung haltbar. Beim Er-
hitzen derselben mit verdünnten Mineralsäuren tritt Spaltung in Form-
aldehyd und Hydroxylamin ein. Durch Erhitzen des Polymeren mit
anderen indiiferenten Lösungsmitteln findet ebenfalls Depolymerisation
» Koi/>Tow, Ber. 18 c, 611. * Plöchl, Ber. 21, 2117. » Scholl, Ber. 24, 573.
26*
404 AcetcUdehyd (Oewinnungy
statt; so kann man z. B. eine alkoholische Lösung des einfachen Form-
oxims gewinnen, in welcher sich die Anwesenheit des letzteren dadurch
nachweisen lässt, dass bei Behandlung mit Natriumamalgam in Gegen-
wart von Essigsäure reichlich Methylamin entsteht.
Die Verbindung des Formaldehyds mit atriumbisulfit^
(oxymethylsulfosaures Natrium) CH3(OH)-S03Na + HgO krystalH-
sirt in durchsichtigen Tafeln, löst sich leicht in Wasser, auch in Methyl-
alkohol, aber sehr wenig in Weingeist. Dieses leicht wieder in Form-
aldehyd und Natriumbisulfit zerfallende Salz ist von Bokorny fiir bio-
logische Versuche (vgl. S. 402) anstatt des seiner Giftigkeit wegen an
sich nicht verwendbaren Formaldehyds benutzt worden.
Mit Salzsäure 2 reagirt der Formaldehyd unter Bildung von chlor-
haltigen Verbindungen, die als Chlormethylalkohol CHX und Dichlor-
methyläther (CH2C1)20 angesprochen werden; die Bestätigung dieser Auf-
fassung durch eine eingehendere Untersuchung steht noch aus.
Acetaldehyd CHg-CHO (Döbereiner's „leichter Sauerstofifäther",
gewöhnlich Aldehyd schlechthin genannt) wurde, nachdem schon mehrere
Chemiker — Fouecroy und Vauqüelin, Döbereiner u. A. — ihn unter
den Oxydationsprodukten des Alkohols in Händen hatten, ohne ihn in-
dess rein abzuscheiden, zuerst von Liebig* 1835 eingehend charakteri-
sirt. Man gewinnt ihn am besten durch Behandlung des Aethylalkohols
mit einem Gemisch von Kaliumdichromat und Schwefelsäure* und rei-
nigt ihn mit Hülfe der Ammoniakverbindung (vgl. S. 393 u. 407). Von
sonstigen Bildungsweisen ist erwähnenswerth seine Entstehung aus Milch-
säure beim Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure^:
CH3.CH(0H).C0.0H = CHgCHO + HCOOH
— ein Process, welcher zeitweise zur technischen Gewinnung des Aldehyds
behufs Darstellung des jetzt nicht mehr im Handel befindlichen Aldehyd-
grüns benutzt wurde; man erzeugte aus Kartoffeln durch Gährung eine
milchsäurehaltige Flüssigkeit und erhielt durch Destillation derselben
mit Schwefelsäure ein aldehydhaltiges Destillat, welches direct zur Ge-
winnung des genannten Farbstoffs verwendet wurde. — Acetaldehyd
findet sich im rohen Holzgeist® und im Kohspiritus^; Kartoffelsprit und
Kornsprit enthält sehr wenig, Rübensprit mehr Aldehyd. Der Roh-
spiritus hat früher als Quelle fiir Aldehyd gedient; man schied letzteren
^ Kraut, Grossmann u. Eschweiler, Ann. 268, 105.
■ LösEKANN, Chem.-Ztg. 1890, 1408. — Mbrklin u. Lösekann, Dtsch. Pat-
Anmeldg. M. 7372 vom 14. 7. 1890. — Vgl. auch Tibchtschenko, Ber. 20 o, 701.
» Ann. 14, 183; 22, 237. * Vgl. Städeler, J. pr. 76, 54.
^ Erlenmeyer, Ztschr. Chem. 1868, 343.
• Krämer u. Grodzki, Ber. 9, 1820. — Mabery, Jb. 1888, 1774.
^ Kramer u. Pinner, Ber. 2, 401; 8, 75; 4, 787. — Kekul^ Ber. 4, 718. —
Pierre u. Puchot, Ann. 163, 258.
Eigenschaften und Polymerisation,) 405
aus dem bei der Spritrectificirung abfallenden Vorlauf durch fractionirte
Destillation ab. Seit 1885 hat man indess die Verarbeitung des Vor-
laufs auf Aldehyd als gar zu wenig ergiebig eingestellt und benutzt zur
Aldehydgewinnung wieder die Oxydation des Aethylalkohols mit Chrom-
säuregemisch. Aldehyd findet in Form seines Polymeren — des Paral-
dehyds (s. unten) — Verwendung in der Medicin, dient ferner zur Dar-
stellung des Chinaldins (s. Bd. II), welches das Ausgangsmaterial für
die Gewinnung des Chinolingelbs bildet.
Der Acetaldehyd ist eine farblose, sehr bewegliche Flüssigkeit; sein
Geruch ist in der Verdünnung angenehm und erfrischend; das Einathmen
seines Dampfes erzeugt fiir einige Augenblicke eine Art Brustkrampf.
Da er sehr leicht oxydirbar und sehr flüchtig ist — er siedet schon bei
21®, vgl. Tabelle Nr. 21 auf S. 398 — , so muss man ihn in wohlverschlos-
senen Flaschen und in kühlen Käumen aufbewahren. Mit Wasser ist
der Acetaldehyd in jedem Verhältniss mischbar.
Der Acetaldehyd polymerisirt sich mit der grössten Leichtigkeit bei
Gegenwart geringer Mengen von gewissen Substanzen, die eine ferment-
artige Wirkung auszuüben scheinen, und kann daher nur in absolut reinem
Zustand unverändert aufbewahrt werden. Fügt man zu Aldehyd einen
Tropfen concentrirter Schwefelsäure, so findet explosionsartiges Aufkochen
statt, indem sich der Aldehyd in den polymeren Paraldehyd^ CgHjgOg
verwandelt; weniger energisch wirkt verdünnte Säure. Aber auch viele an-
dere Substanzen — Salzsäure, Chlorkohlenoxyd, schweflige Säure, Jod-
äthyl, Cyan, Chlorzink u. a. — verwandeln den Aldehyd theilweise oder
vollständig in Paraldehyd. Man reinigt letzteren, indem man ihn bei
Temperaturen unter 0® krystallisiren lässt, den flüssigen Antheil durch
Abtropfen und Abpressen in der Kälte entfernt und den krystallisirten
Antheil rectificirt.
Der Paraldehyd ist eine wasserhelle Flüssigkeit von angenehmem
Geruch und brennend scharfem Geschmack. Er siedet bei 124^ und
besitzt bei 20^ das specifische Gewicht 0-994; in der Kälte erstarrt er
und schmilzt wieder bei +10*5^ Das specifische Gewicht seines Dam-
pfes entspricht der Molecularformel CgH^gOg = (C2H40)3. In Wasser
ist der Paraldehyd etwas löslich, aber nicht damit mischbar; 100 Vol.
Wasser lösen bei 13^ etwa 12 Vol. Paraldehyd, die Lösung trübt sich
beim EIrwärmen, da die Löslichkeit in heissem Wasser geringer ist. Der
Paraldehyd zeigt nicht die charakteristischen Aldehydreactionen ; er redu-
cirt nicht ammoniakalische Silbernitratlösung, kann mit Kalilauge ohne
Verharzung gekocht werden und vereinigt sich weder mit Ammoniak
noch mit Natriumbisulfit; sein Molecül enthält daher sicher nicht mehr
die Aldehydgruppe — CHO.
* FsHLiKO, Ann. 27, 319. — Weidenbüsch, Ann. 66, 155. — Geuther u. Cart-
VELL, Ann. 112, 17. — Geuther, Ztschr. Chem. 1865, 32. — Lieben, Ann. Suppl. 1,
114. — KsKiTLi u. ZiNCKE, Ann. 162, 143. — Franchihont, Reo. trav. chim. 1, 239.
~ BbObl, Ann. 203, 26, 43.
406 Polymere des
Destillirt man den Paraldehyd mit wenig Schwefelsäure, so wird er
indess wieder vollständig in gewöhnlichen Aldehyd verwandelt; dieselbe
E-tickbildung wird von zahlreichen anderen Substanzen hervorgebracht.
Man ist berechtigt, aus dieser leichten Rückbildung des monomolecularen
Aldehyds zu schliessen, dass in dem Paraldehyd nicht mehr als stets je
zwei Kohlenstoffatome direct mit einander verkettet sind, und man legt
ihm daher gewöhnlich die Structurformel:
.0-CH -CHa
CHg— CH >0
\o-~CH— CHa
bei, welche auch mit dem Lichtbrechungsvermögen des Paraldehyds
übereinstimmt. Der Vorgang der Polymerisation besteht hiernach darin,
dass aus dem gesättigten Aldehydmolecül CHgCH^^O der zweiwerthige
yO-
Rest CHg • CH<^ wird, und nun drei solcher zweiwerthigen Reste sich
wieder zu einem gesättigten, ringförmigen Complex vereinigen.
Da der Paraldehyd so leicht wieder entpolymerisirt wird, so ver-
hält er sich in vielen Reactionen ebenso wie der gewöhnliche Aldehyd;
so liefert er z. B. mit Phosphorpentachlorid Aethylidenchlorid. Man
wendet ihn daher für synthetische Zwecke sehr häufig statt des gewöhn-
lichen Aldehyds an, mit welchem seiner Flüchtigkeit wegen weniger be-
quem zu manipuliren ist. Der Paraldehyd findet ferner medicinische
Verwendung als Schlafmittel.
Es existirt noch eine zweite, leicht in den gewöhnlichen Aldehyd
zurückfuhrbare polymere Modification des Acetaldehyds, welcher eben-
falls die Molecularformel CgHjgOg = 3(C2H^O) zuzukommen scheint: der
Metaldehyd ^ Während der Paraldehyd namentlich bei mittlerer und
höherer Temperatur sich bildet, entsteht der Metaldehyd vorzugsweise in
der Kälte. So scheidet er sich in feinen Nadeln ab, wenn man zu Aldehyd
kleine Mengen von Salzsäuregas, schwefliger Säure oder verdünnter Schwefel-
säure bringt und sofort abkühlt; beim Aufbewahren von unreinem Alde-
hyd bildet er sich zuweilen in mächtigen Spiessen; es wird indess stets
nur ein kleiner Theil des Aldehyds in Metaldehyd verwandelt. Der Met-
aldehyd ist in Wasser unlöslich, in Alkohol wenig löslich, etwas löslicher
in Benzol und Chloroform. Bei raschem Erhitzen sublimirt er, ohne
vorher zu schmelzen, in Form verworrener feiner Nadeln, indem daneben
gewöhnlicher Aldehyd erzeugt wird; durch längeres Erhitzen kann er
vollständig in gewöhnlichen Aldehyd verwandelt werden. Der Dampf
des Metaldehyds besteht demnach aus gewöhnlichem Aldehyd und Met-
aldehyd; indem man die Menge des nicht dissociirten Metaldehyds zu
^ LiEBio, AnD. 14, 114. — Febling, Ann. 27, 819. — Krameb u. Pihneb, Ann.
158, 40; Ber. 3, 590. — Kekul6 u. Zincke, Ann. 162, 145. — Hanriot u. Oecoüo-
MiDES Ann. eh. [5] 26, 226.
Acetaldehyds. 407
bestimmen suchte, hat man ans der beobachteten Dampfdichte die wahre
Dampfdichte des Metaldehyds selbst berechnet und ist zu Zahlen ge-
kommen, welche, für die Molecularformel (0,11^0)3 sprechen. Auch in
Lösung dissociirt sich der Metaldehyd allmählich. Durch Destillation
mit wenig verdünnter Schwefelsäure wird er vollständig in gewöhnlichen
Aldehyd verwandelt. Ebenso wie der Paraldehyd wird auch der Met-
aldehyd von Alkalien nicht verharzt, reducirt nicht Silberlösung und rea-
girt nicht mit Hydroxylamin. Sollte sich die Molecularformel {C2H^0)g flir
den Metaldehyd bestätigen, so ist vielleicht die Isomerie von Paraldehyd
und Metaldehyd in stereochemischen Verhältnissen begründet und in ähn-
licher Weise zu erklären, wie bei den Trithioaldehyden (vgl. S. 421 — 423).
Eine Polymerisation, bei welcher eine wirkliche Kohlenstoflfsynthese
stattfindet erleidet der Acetaldehyd bei der Einwirkung von massig con-
centrirter Salzsäure \ beim Erhitzen mit Wasser und etwas Chlorzink
und mit manchen anderen Salzlösungen*:
/OH
CHj • CHO + CH, . CHO = CH, • CH<
^CHjCHO
es entsteht das Aldol — ein Oxybutyraldehyd (Näheres s. in dem Kapitel
Aldehydalkohole, Ketonalkohole) — , welches seinerseits leicht durch
Wasseraustritt in Crotonaldehyd übergeht:
CHj.CH(OH).CH,.CHO— HjO = CH.CHrCHCHO.
Letzterer entsteht daher unter der Einwirkung mancher Reagentien —
so beim Erhitzen mit den Lösungen von ameisensauren und essigsauren
Alkalien^ — direct aus Acetaldehyd.
Dass der Acetaldehyd durch Alkalien in das sogenannte Aldehyd-
harz übergeführt wird, ist schon erwähnt worden (S. 396). Dieses Harz
giebt bei der Destillation über Zinkstaub Homologe des Benzols, bei der
Oxydation mit Salpetersäure und in der Kalischmelze Carbonsäuren des
Benzols und dürfte daher zu den aromatischen Verbindungen zu zählen
sein*.
Digerirt man Aldehyd mit Barytwasser, fällt dann den Baryt mit Kohlensfiure
aas, so erbfilt man durch Abdampfen der vom Bariumcarbonat und vom Aldehyd-
harz fi] trirten Lösung einen dicken gummiähnliehen Syrup (Aldehydgummi)^
Das Aldehydammoniak CH3.CH(0H).NHa (vgl. S. 393) büdet
grosse farblose ßhomboeder, ist in Wasser leicht, in Aether schwer lös-
lich. Es kann nur in zugeschmolzenen Röhren aufbewahrt werden, da
es an der Luft allmählich unter Verharzung sich zersetzt. Beim Er-
hitzen® liefert es amorphe basische Verbindungen, deren Structur noch
* WuBTz, Compt. rend. 74, 1361. * Michael u. Kopp, Bcr. 16, 2501.
' Liebem, Ann. Suppl. L. 114. * Ciamician, Jb. 1880. 695.
^ ToLLBNS, Ber. 17, 660.
• Babo, J. pr. 72, 97. — Heintz u. Wislicenüs, J. pr. 76, 116. — Schiff, Ami.
SuppL 6, S.
408 Derivate des Acetaldehyds.
unbekannt ist, das Oxytrialdin C^Hj^NO, Oxytetraldin CgH^jNO und
Oxypentaldin Cj^H^gNO.
Wenn Aldehydammoniak längere Zeit in Berührung mit Wasser, Alkohol oder
Aether stehen bleibt, so bildet sich daraus unter Wasserabspaltung das Hydracet-
amid^ CeHuNj = (CHj -011)3 N, — eine amorphe, in Wasser und Alkohol leicht lös-
liche, in Aether unlösliche Basis, welche sich mit Säuren zu neutralen unkrystalli-
nischen Salzen vereinigt.
Wenn man zu der Lösung von 1 Vol. Aldehyd in 3 Vol. Alkohol Va Vol. Am-
moniakflüssigkeit unter Abkühlung, darauf Silbernitratlösung zufugt, so erhält mau
das schön krj'stallisirende Aethylidenimid-Silbernitrat* 2(C4HioN308Ag)+HgO.
Durch Einwirkung von Natriumnitrit auf eine kalte, schwach angesäuerte, wäss-
rige Lösung von Aldehydammoniak entsteht die Nitrosoverbindung des Paraldi-
mins' CeHijNOg — einer Base, welche als Paraldehyd aufzufassen ist, in welchem
ein Sauerstoffatom durch Imid ersetzt ist:
CeHijOg Paraldehyd CeHijO,(NH) Paraldimin.
Leitet man in die ätherische Lösung der Nitrosoverbindung Salzsäuregas, so erhält
man das Paraldimiuchlorhydrat C0H13NO2.HCI als weisse krystallinische Masse,
welche sich leicht in Wasser und Alkohol löst, indem sofort Zerfall in Salmiak und
Paraldehyd eintritt:
CeHjgNOj.HCl + H,0 = Q^^.fi^ + NH4CI.
Durch Zerlegung des Chlorhydrats in ätherischer Lösung mit Silberoxyd erhält man
die freie Base als bewegliche, wasserhelle Flüssigkeit von scharfem Geruch, welche
in der Kälte krystallinisch erstarrt, unter 57 mm Druck bei 73°, unter gewöhnlichem
Druck nahezu untersetzt gegen 140° siedet und sich beim Aufbewahren innerhalb
weniger Wochen in eine feste durchsichtige Masse verwandelt. Das Nitrosopar-
aldimin CeHijOgCN-NO) — eine citronengelbe, intensiv nach Campher riechende, in
Wasser unlösliche Flüssigkeit, welche unter 35 mm Druck bei 95° nahezu unverändert
destillirt, mit Wasserdämpfen sehr leicht unzersetzt flüchtig ist — liefert durch Re-
duction mit Zinkstaub und Eisessig in ätherischer Lösung Amidoparaldimin, dessen
Chlorhydrat CeHi,02(N • NHg) . HCl weisse, äusserst hygroskopische Krystallnadeln
darstellt; durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure spaltet letzteres Salz Hydrazin
(Diamid HjN-NHj) ab.
Ueber das Acetaldoxim (auch schlechtweg Aldoxim genannt)
CH3— CH=N— OH vgl. S. 390—391 u. d. Tabelle Nr. 21 auf S. 398.
Unter den Aldehyden der höheren Reihen besitzt das OenailthoP
C7Hj^0 ein specielleres Interesse, weil es durch Destillation des Eicinus-
Öles leicht erhalten werden kann und daher den Ausgangspunkt zur Ge-
winnung vieler Verbindungen der 7. Reihe bildet (vgl. S. 167, 333).
Man erhält es in einer Ausbeute von etwa 12 Proc, wenn man Ricinusöl
* ScüiFF, Ann. Suppl, 6, 1. — Strecker, Ann. Suppl. 6, 255.
* Liebermann u. Goldschmidt, Ber. 10, 2179. — Goldschmidt, Ber. 11, 1198. —
MixTEH, Jb. 1877, 432; 1879, 402. — Reyohler, Ber. 17, 41.
' CüRTius u. Jay, Ber. 23, 740.
* BüssY, Ann. 60, 246. — Williamson, Ann. 61, 38. — Tilley, Ann. 67, 105.
— Schipp, Ztschr. Chem. 1870, 74. Ann. Suppl. 8, 367; 6, 24. — Fimo, Ann. 117, 76.
— Erlenmeyer u. Siegel, Ann. 176, 342. — Bruylants, Ber. 8, 415. — Krafft, Ber.
10, 2034. ~ Perkin, Ber. 15, 2802; 16, 210, 1029, 1033. Journ. Soc. 43, 67. —
Westenbergbr, Ber. 16, 2992. — Joürdan, Ann. 200, 102.
OenanthoL 409
unter vermindertem Drucke destillirt; die Ricinusölsäure, welche in dem
Oel als Glycerid vorhanden ist, spaltet sich unter diesen Bedingungen
sehr glatt in Oenanthol und ündecylensäure (vgl. Kap. 16):
CisH^Oj = C7H14O + CijHjoOj ,
welche sich leicht durch fractionirte Destillation von einander trennen
lassen. Das Oenanthol ist eine stark lichtbrechende Flüssigkeit von
durchdringendem aromatischen Geruch, in Wasser nur wenig löslich.
Es geht durch Oxydation in die normale Hexylcarbonsäure (Oenanthyl-
säure (vgl. S. 333) über und stellt daher den normalen Aldehyd der
7. Reihe CH3.(CH2)5-CH0 dar.
Beim Erwärmen des Oenanthols mit trockenem Raliumcarbonat tritt Polymeri-
sation ein; das polymere Oenanthol schmilzt bei 52 — 53^, ist leicht löslich in
Alkohol nnd redncirt Silberlösung; es scheint eine aldolähnliche Verbindung zu sein,
ipvelche durch Zusammentritt von 4 Mol. Oenanthol entsteht.
Durch Einwirkung von alkoholischem Kali oder von Chlorzink erleidet das
Oenanthol eine Condensation, welche der Bildung des Crotonaldehyds aus Acet-
aldehyd analog ist. Es entsteht ein ungesättigter Aldehyd Ci^HseO:
2C7H14O = H,0 + CuHjeO,
daneben ein zweiter ungesättigter Aldehyd CgaHgoO, welcher durch Wasserabspaltung
aas 2 Mol. des ersteren hervorgeht:
2CuH,eO = H,0 + Cj8H5oO.
Das Oenanthaldoxim CqHi3*CH:N*0H ist krystallisirbar und schmilzt bei 50^
Speciellere Charakteristik der Ketone.
Von den Aldehyden unterscheiden sich die Ketone vor Allem scharf
durch ihr Verhalten gegen Oxydationsmittel^ Gegen schwach
oxydirende Agentien sind sie verhältnissmässig beständig; sie reduciren
daher nicht ammoniakalische Silberlösung. Von Chromsäurelösung und
anderen energischer wirkenden Oxydationsmitteln werden sie oxydirt, in-
dem sie in Säuren von niederer Kohlenstoffzahl zerfallen; die Spaltung
tritt stets an der Stelle zwischen der Carbonylgruppe und einem der
benachbarten Kohlenstoffatome ein; es liefert also z.B.:
das Aceton CflgCO-CHg >■ Essigsäure CHgCO^H und Kohlen-
säure COg,
das Diäthylketon CHgCHgCOCHjCHg >- Propionsäure
CHjCHaCOaH und Essigsäure CHg-COgH.
Sind beiderseits verschiedene Badicale an die Carbonylgruppe gebunden,
so besteht hiernach die Möglichkeit einer Oxydation in zwei Richtungen;
so kann z.B. das Aethylisobutylketon CH3 CHj -CO-CHg .CH{CH3)2
einerseits in Propionsäure CHj-CHg-COgH und Isobuttersäure COgH-
CH(CHg)j, andererseits in Essigsäure CHg-COgH und Isopropylessigsäure
COjH-CHg -011(0113)3 zerfallen; in der That erhält man diese vier Säuren
* Popopp, Ann. 161, 285. — Hebgz, Ann. 186, 257. — Waqneb, Ber. 16, 1194;
17e, 315; 18, 2267; I80, 178.
410 Oxydation der Ketone,
bei der Oxydation. Von der Natur der Alkoholradicale und den Oxy-
dationsbedingungen hängt es ab, welche der beiden möglichen Reactionen
die Hauptreaction, welche die Nebenreaction bildet. Aus früheren Be-
obachtungen glaubte man die Regel ableiten zu dürfen, dass bei der
Spaltung die Carbonylgruppe stets mit dem kleineren Alkyl zusammen-
bleibt; neueren Versuchen zufolge hat sich diese Regel indess nicht
als stichhaltig bewiesen. — Sind mit der Carbonylgruppe secundäre
Alkylreste verbunden, so können dieselben nach der Abspaltung durch
Oxydation natürlich nicht in gleich kohlenstoffreiche Säuren übergehen,
sondern liefern Ketone; so zerfallt z. B. das Aethylisopropylketon Gfi^'
CO*CH(CH3)3 einerseits in Essigsäure und Isobuttersäure COgH- 011(063)2,
andererseits aber in Propionsäure O^Hg-COgH und Aceton 00(0113)3.
Mit alkalischer Kaliumpermanganatlösung lassen sich indessen zuweilen Ketone
zu Ketonsänren von gleicher Kohlenstoff zahl — also ohne eine Spaltung der
KohlenBtofiFkette — oxydiren*. So entsteht z. B. aus dem Piaakolin (CHjIgC • CO • CHj
die Trimethylbrenztraubensfiure (CHs^gC • CO • CO^H. In der aromatischen Reihe kann
die Oxydation in dieser Richtung zuweilen einen fast quantitativen Verlauf annehmen.
Eine Spaltung der Kohlenstoffkette in den Ketonen wird femer durch die Ein-
wirkung der Salpetersäure' bewirkt; es bilden sich, wenn die Carbonylgruppe
des Ketons mit einem primären Alkylrest verbunden war, Dinitroparaffine; so ent-
steht aus Propion CjHg • CO • CjHg das Dinitroäthan CH3 • CHCNOjlj, aus Methylpropyl-
keton CHgCOCsH^ das Dinitropropan CHj-CHs-CHCNOs),.
Salpetrige Säure° erzeugt aus Aceton eine ölige, leicht zersetzliche Yerbin-
ONOg N-OH
düng, welche Isonitrosodiacetonnitrat (CHg^jC 0 • CO «CHj zu sein scheint;
mit Salzsäure erwärmt, spaltet sie sich in Aceton, Isonitrosochloraceton und salpetrige
Säure :
ONOjNOH NOH
I 1 !j
(CH3),C CCO.CH3 + HCl = (CH,),CO + HNOs + Cl-CCOCHj.
Durch Einwirkung von Amylnitrit* auf Ketone in Gegenwart von Salz-
säure oder Natriumäthylat kann man eine Substitution zweier Wasserstoffatome durch
die Isonitroso-Gruppe = N • OH bewirken :
CHgCOCHj + NOOCßHu = CHj-COCHiNOH -h CßHnOH;
es entstehen die Isonitrosoketone, welche als Oxime von Diketonen aufgefasst werden
können und daher erst in dem Kapitel „mehrwerthige Aldehyde und Ketone'^ näher
besprochen werden.
Den Aldehydammoniaken analoge Additionsprodukte des Ammoniaks
an Ketone sind nicht beobachtet worden. Die Einwirkung des Am-
moniaks auf das Aceton, welche von Heintz sehr eingehend untersucht
worden ist, führt unter Wasserabspaltung zur Bildung mehrerer basischer
Verbindungen; sie wird beim Aceton ausfuhrlicher besprochen werden
(vgl. S. 415 ff.).
* Glücksmann, Monatsh. 10, 770.
* Chancel, Compt rend. 86, 1405; 94, 399; 99, 1053.
^ Sandmeyer, Ber. 20, 639.
^ Claisen, Ber. 20, 252, 656. — Claisen u. Manasse, Ber. 22, 526.
Condensation der Ketone. 411
Wie die Ketone den Aldehyden überhaupt an Reactionsfähigkeit
nachstehen, so mangelt ihnen auch die Neigung zur Polymerisation,
welche für die Aldehyde so charakteristisch ist.
Dagegen theilen sie mit den Aldehyden die Fähigkeit zu Conden-
sationsprocessen^ unter dem Einfluss von Alkalien, gebranntem Kalk,
gasförmiger Salzsäure, concentrirter Schwefelsäure treten mehrere Mole-
cüle unter Wasserabspaltung mit einander zusammen. Der Verlauf der
Condensation entspricht ganz der Bildung des Crotonaldehyds aus Acet-
aldehyd (vgl. S. 396 u. 407); wie aus den gesättigten Aldehyden sich
kohlenstoffreichere ungesättigte Aldehyde bilden, so sind die ersten Con-
densationsprodukte der gesättigten Ketone ebenfalls ungesättigte Keprä-
sentAnten derselben Körperklasse (Näheres vgl. Kap. 17):
/CHj /CHg yCH C<Cptt'
C0< + CCK -H,0 = C0<^ ^"» : Mesityloxyd.
CH_C<^g»
CO/ +2C0<^ --2HjO = CO/
Phoron.
CHs
Durch weitergehende Condensation, bei welcher indess die eben erwähn-
ten Verbindungen nicht als Zwischenprodukte anzusehen sind^, entstehen
aromatische Kohlenwasserstoffe, so aus dem Aceton das Mesitylen (vgl.
Bd. U):
.CH, /^^\
CHj-CO + CO-CHs CHs-C C— CH3
— SHjO = II I
+CH, CH3 CH CH
\co \c^
I I
CH, 6H3
£e verdient bemerkt zu werden , dass nur aus käuflichem Aceton, nicht aus
reinem Aceton durch Condensation mit conc. Schwefelsäure Mesitylen erhalten wird °.
Welche Beimengung des rohen Acetons für die Mesitylenbildung wesentlich ist, ist
nicht aufgeklärt.
Bei der Condensation des Acetons durch Salzsäuregas ^ erhält man zunächst
chlorhaltige Oele, welche zum grössten Theil aus Salzsäureverbindungen des Mesityl-
oxyds und Phorons bestehen.
Einzelne Ketone.
Von den physikalischen Eigenschaften einer grösseren Reihe von
Eetonen sowie der zugehörigen Oxime mögen die beiden folgenden Ta-
bellen ein Bild geben. Die Tabelle Nr. 22 auf S. 412 enthält einfache
* Vgl. Pinner, Ber. 16, 586; 16, 1727. — Claisen, Ann. 180, 1. — Pawlow,
Ann. 188, 186.
* Vgl. Clamen, Ann. 180, 22.
' BisLEFELDT, luaugural-Dissertation. Göttingen 1880.
* Vgl. Baeter, Ann. 140, 297. — Pinneb, Ber. 14, 1070; 15, 576.
412
Tabdlarische Uebersickten über einfache und
Tabelle Nr. 22.
Name des
Ketons R-COR.
Zusammen-
Setzung der mit
der CO-Gruppe
verbundenen Ka-
dicale R.
Siede-
punkt
Spec.
Gew.
des Ketons RCOR
Schmelz-
punkt
Siec-
ponkt
des Oxims
R.C(:N.OH«i:
Aceton"®
Propion»-«w«7
Norm. Butjron'*-®-"*'^ . .
Isobutyron "— *'''®
Norm. Valeron
Isovaleron*
Norm. Capron*-"
Oenanthon *• "• ^••**
Caprylon" , . . .
Caprinon"
Lauron"*** . . . .
Myriston"" . . .
Palmiton "■"■»* . .
Stearon »o-"'>5 . .
CH3-
C2rl5 • CHj-
(CHsljCH-
CsH5 • CHg • CH2'
(CHj^CHCH,-
C5H,
41
C7H15-
CpHig-
CiiHjg-
^isHj?'
CjßHji-
C17H;
85
Cerotinon«»" C,«H
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62—63«
Citate zu der Tabelle Nr. 22: * Moeley, Ann. 78, 187. — • Wahklyk.
Ann. 140, 211. — » Freund, Ann. 118, 10. — * Popofp, Ann. 161, 286. -
* E. Schmidt, Ber. 6, 597. — « Wagner u. Saytzeff, Ann. 179, 322. — ^ Cha-v-
CEL, Compt. rend. 99, 1055. — ® Hamonet, Bull. 50, 355. — • Chancel, Ann. 52.
296. — " KüRTz, Ann. 161, 205. — ^^ V. Meyer u. Warrington, Ber. 20, 500.
— " PoPOPF, Ber. 6, 1255. — " Münch, Ann. 180, 327. — " Lieben u. Janeczei.
Ann. 187, 134. — " v. Uslar u. Seekamp, Ann. 108, 182. — " Fittig, Ann- 117,
81. — " Guckelberger, Ann. 69, 201. — " Grimm, Ann. 157, 270. — " Kbafh.
Ber. 16, 1711. — »« Spiegler, Monatsh. 6, 241. — " Heintz, Pogg. 96, 65. -
** Maskelyne, J. pr. 65, 294. — " BrOcker, J. pr. 57, 17. — " Nafzqeb, Ann. 234,
237. — ** Stanley F. Kipping, Journ. soc. 57, 532, 980. — •« Scholl, Ber. 21
509. — *^ Gaetenmeister, Ztschr. f. physik. Chem. 6, 530. — •• Poletaeff, Ber.
24, 1308. — " Vgl. d. spec. Besprechung S. 414 ff.
Citate zu der Tabelle Nr. 23: » Frankland u. Düppa, Ann. 138, 216, 333.
336; 145, 83. — « Popoff, Ann. 145, 289. — » Grimm, Ann. 157, 252, 258. -
* BüCKiNG, Ann. 204, 17. — * Schramm, Ber. 16, 1581. — • Janny, Ber. 15, 2779.
— ' ScHORLEMMER, Auu. 161, 263. — * Chancel, Compt rend. 99, 1055. — • Waokeb
u. Saytzepf, Ann. 179, 322. — »« Nägeli, Ber. 16, 2983. — " Münch, Ann. 180,
327. — " Wagner, Ber. 18, 2267. — " Erlenmeyer u. Wanklyn, Ann. 136, U*-
— »* Wagner, Ber. 18o, 179. — " Schmidt, Ber. 6, 604. — " Grimshaw, Ann.
166, 169. — " PüRDiE, Journ. Soc. 39, 467. — " Rohn, Ann. 190, 808. -
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gemischte Ketof le und deren Oxime,
413
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414 Aceton.
" P^HAL, Ann. eh. [6] 16, 267, 408. — »<> B6hal, Bull. 47, 33. — «^ B6HA^ Bull-
47, 164. — »' Staedeler, J. pr. 72, 247. — " Scholl, Ber. 21, 509. — "* Jotjrdaä,
Ann. 200, 106. — «* Krafft, Ber. 12, 1664, 1668; 15, 1687, 1711. — •« Vladesco,
Bull. [3] 3, 510; 6, 142. — *^ Vgl. S. 419. — »« Gabtekmeister, Ztschr. f. physik.
Chem. 6, 530. — ^ Pinakolin, vgl. d. Citate S. 419.
Eetone, in deren Molecül also die Carbonylgruppe zwei gleiche Alkyl-
reste verknüpft, die Tabelle Nr. 23 auf S. 413 solche gemischten
Ketone, deren einer Alkylrest stets die Methylgruppe ist.
Das Aceton (Dimethylketon, Dimethylketal, Methylacetyl,
Ketopropan) CHg-CO-CHj — der Prototyp der Ketone — ist schon in
früher Zeit als Destillationsprodukt von essigsauren Salzen beobachtet
worden^; seine Zusammensetzung wurde indess erst 1832 von Libbig*
und von Dumas ^ ermittelt. Das Aceton bildet sich sehr häufig bei der
trockenen Destillation organischer Stoflfe, in reichlicher Menge ist es
neben Homologen*) unter den Destillationsprodukten des Holzes ent-
halten^ (vgl. S. 169). Man findet es in geringer Menge im Destillat von
normalem Hani*; in grösserer Menge tritt es bei pathologischen Zu-
ständen — so im Harn von Fieberkranken und Diabetikern^ — auf
(Acetonurie); es scheint im Harn nicht als solches vorzukommen, sondern
durch Zersetzung von Acetessigsäure CHj-CO-CHj-COgH zu entstehen.
Das Aceton ist eine farblose, bew^egliche Flüssigkeit von eigenthüm-
lichem, angenehmem Geruch und brennendem Geschmack. Seine physi-
kalischen Constanten s. in der Tabelle Nr. 22 auf S. 412. Es mischt sich in
jedem Verhältniss mit Wasser; wie Alkohol, kann es aus seiner Tvässrigen
Lösung durch Pottasche abgeschieden und so — auch in kleinen Mengen
— isolirt werden. Für viele organische Verbindungen besitzt das Aceton
ein Lösungs vermögen und wird daher zuweilen im Laboratorium als
Krystallisationsmittel benutzt.
Im Grossen gewinnt man das Aceton theils aus dem rohen Holz-
geist, theils durch trockene Destillation von holzessigsaurem Ealk. Beines
Aceton erhält man durch Zerlegung seiner Natriumbisulfitverbindung
mittelst Sodalösuug. Das Aceton findet Verwendung zur Darstellung
von Chloroform, Jodoform, Sulfonal, femer zur Herstellung des Dena-
turirungsmittels für Spiritus (das Gesetz schreibt für den anzuwendenden
Holzgeist [vgl. S. 179] einen Acetongehalt vor, welchen der rohe Holz-
geist in der Regel nicht erreicht; man setzt ihm daher noch Aceton zu).
Mit Jod in alkalischer Lösung behandelt, liefert das Aceton Jodoform (vgl.
S. 170); man kann sich dieser Reaction zum Nachweis und zur quantitativen
^ Historisches vgl. bei Frrrio, Ann. 110, 23. ' Ann. 1, 225.
» Ann. eh. [2] 49, 208. ♦ Vi^dksco, Bull. [3] 3, 510.
* VöLCKEL, Ann. 80, 310.
• vgl. Legal, Ber. 17 o, 503. — E. Salkowsky u. Taniguti, Ztschr. f. ph7aiol.
Chem. 14, 476.
^ vgl. Markownikofp, Ann. 182, 362. — v. Jakbch, Ber. 15, 2628; 18 o, 195. —
i.E Nobel, Ber. 17c, 504.
Derivate des Acetons, * 415
Bestimmung des Acetons bedienen, muss sich aber gegenwärtig halten, dass
auch viele andere Verbindungen unter den gleichen Bedingungen Jodoform liefern
(vgl. S. 159). Näheres über diese und andere Methoden zum Nachweis des Acetons
s. in der Originalliteratur ^
Derirate des Acetons. Natriumacetonat* (CHg-C(0Na):CH2?)
erhält man als weissen, zersetzlichen Niederschlag, wenn m^n Natrium
auf eine Lösung von Aceton in wasserfreiem Aether wirken lässt; es
regenerirt, mit verdünnter Salzsäure behandelt, Aceton. Acetonkali^,
KOH + CjHgO, — ein weisses, sehr hygroskopisches und leicht Aceton ver-
lierendes Pulver, — wird durch kurzes Erhitzen von Aceton mit festem
.OH
Aetzkali erhalten. — Das Acetonnatriumbisulfit*, (CHgLC/ ,
\SO3Na
bildet sich unter Erwärmung beim Zusammenbringen von Aceton mit con-
centrirter Natriumbisulfitlösung; es stellt perlmutterglänzende, in Wasser
leicht lösliche Blättchen dar.
Eine lockere Verbindung von Aceton mit fieier schwefliger Säure,
CjHeO + SO,, bildet sich beim Einleiten von Schwefeldiozyd in Aceton; sie stellt eine
leicht bewegliche Flüssigkeit vom spec. Gew. 1*09 bei 8® dar, welche sich mit Wasser
erst beim heftigen Schütteln mischt Bei der Vergasung zerfällt sie unter sehr starker
Wärmeabsorption; die Dämpfe lassen sich leicht wieder zur ursprünglichen Doppel-
Terbindung condensiren; die Verbindung ist daher als Mittel zur Kälteerzeugung
vorgeschlagen ^
Das Acetoxim«, (CH3)2C=N— OH (vgl. Tabelle Nr. 22 auf S. 412),
bildet farblose, durchscheinende Prismen von schwachem, an Chloral er-
innernden Geruch; es ist äusserst leicht flüchtig, so dass es schon beim
Stehen an der Luft rasch verdunstet; in Wasser, Alkohol, Aether und Petro-
leumäther löst es sich leicht. Sein Chlorhydrat, CgH^NO.HCl (vgl.
S. 391), schmilzt bei 98 — lOP. unter seinen Abkömmlingen ist besonders
charakteristisch der durch Einwirkung von Benzolsulfochlorid C^Hß-SOgCl
auf die wässrige Lösung des Acetoxims in Gegenwart von Natronlauge
leicht erhältliche Benzolsulfosäureester, welcher in prächtigen Nadeln
krystallisirt, bei 52 — 53® zu einer wasserhellen Flüssigkeit schmilzt, die
dann bei 128® mit explosionsartiger Heftigkeit zersetzt wird.
Ammoniakderivate des Acetons^: Die Einwirkung des Ammo-
niaks auf das Aceton erzeugt unter Zusammentritt mehrerer Molecüle
* LE Nobel, Penzoldt, Ztschr. f. analyt. Chem. 24, 147. — v. Jaksch, Ber. 18 c,
195. — Chaütarb, Ball. 46, 88. — Claisen, Ann. 228, 143.
■ Fbeeb, J. pr. [2] 42, 470. • Vaübel, J. pr. [2] 43, 599.
* Ltmpbicht, Ann. 98, 238. * Bössneck, D.R.Pat. 47093; Ber. 22c, 303.
* V. Meyer u. Janny, Ber, 15, 1324. — Janny, Ber. 16, 170. — V. Meyer u.
Wege, Ann. 264, 121. — Dodoe, Ann. 264, 185.
' SoKOLOFF u. Latschinopp, Bcr. 7, 1384. — Heintz, Ann. 174, 133; 176, 252,
382; 178, 305, 326; 181, 70; 188, 276, 283, 290, 317; 186, 1; 187, 233, 250; 189,
214, 231; 191, 122; 192,339; 198, 42, 87; 201,90, 102; 203, 336, 349. — Antrick,
Ann. 227, 365. — E. Fischer, Ber. 16, 649, 1604; 17, 1788. — Canzoneri u. Spica,
Ber. 18 o, 51, 331. — Bühebiann u. Carnegie, Journ. Soc. 68, 424.
416 ' Ammoniakderivate
und Abspaltung von Wasser basische Verbindungen. Sie verläuft im
Wesentlichen nach den Gleichungen:
2C8HeO + NHs = H,0 + CeHigNO ; Diacetonamin.
SCgHeO + NHj = 2HjO + C9H„N0: Triacetonamin.
Bei kürzerer Dauer der Einwirkung und bei Anwendung niederer Tem-
peratur entsteht vorzugsweise das Diacetonamin. In sehr geringer Menge
werden ferner zwei weitere Basen nach den folgenden Gleichungen ge-
bildet:
SCgHeO + NHg = 3H2O + C9H15N : Dehydrotriacetonamin.
SCjHeO + 2NH3 = 2H2O + CeHjoNjO : Triacetondiamin.
Diacetonamin CeHigNO ist eine farblose Flüssigkeit von eigenthiimlichem
ammoniakalischem Geruch und stark alkalischer Reaction; es ist leichter als Wasser,
damit nicht in allen Verhältnissen mischbar und kann selbst im Vacuum nicht ohne
Zersetzung destillirt werden. Es ist eine einsäurige Basis; das Chlorhydrat
CeHjgNO.HCl krystallisirt aus Alkohol in farblosen prismatischen Krystallen.
Triacetonamin CgHi7N0 krystallisirt aus wasserfreiem Aether in farblosen
Nadeln vom Schmelzpunkt 34 -6^ aus wasserhaltigem Aether mit 1 Mol. Wasser in
grossen quadratischen Tafeln, welche bei 58° schmelzen. Es löst sich leicht in Wasser,
Alkohol und Aether und zeigt beim Erwärmen einen an Campher erinnernden Geruch ;
seine wässrige Lösung reagirt stark alkalisch. Das Chlorhydrat CgHi^NO.HCl
krystallisirt aus Alkohol in dünnen Prismen.
Die Constitution dieser beiden Basen wird durch die Formeln:
NHs CHj CH,
CHsv I 1 1
\C-CHj.CO.CH3 und (CH3),C . C(CH,),
cu/ \^^/
Diacetonamin Triacetonamin
ausgedrückt) mit welcher sich ihr chemisches Verhalten gut vereinigen lässt. Das
Diacetonamin erweist sich durch sein Verhalten gegen salpetrige Säure als ein
primäres Amin; denn es wird die Amidgruppe durch die Hydroxylgruppe ersetzt,
.OH
und es entsteht ein Alkohol — der Diacetonalkohol (CHs)jC^^- CHj-COCHj,
welcher seine Hydroxylgruppe tertiär gebunden enthält und daher sehr leicht Wasser
abspaltet, um in Mesityloxyd überzugehen:
.OH
(CH8)8C^^- — CHa-COCHj-IIjO = (CH3)aC=:CH.C0.CH,.
Andererseits zeigt das Diacetonamin auch die Eigenschaften eines Ketons; es fixirt
bei der Reduction zwei Wasserstoffatome und wird in den entsprechenden sccundären
Alkohol, das Diacetonalkamin (CHs),^^^ CH,— CH^^- CHj, verwandelt Bei
der Oxydation des Diacetonamins findet eine Spaltung zwischen der Carbonylgruppe
und einem der benachbarten Kohlenstoffatome statt, nach der obigen Formel ist die
Möglichkeit für die Bildung von zwei verschiedenen Amidosäuren:
.NH, .NH,
(CHg^C^- COgH und (CH8)8C^^^ CHjCG^H
n-Amidoisobuttersäure ^-Amidoisovaleriansäure
gegeben, welche in der That als Oxydationsprodukte erhalten werden.
des Acetons, 417
Das Triacetonamin enthält nach ohiger Formel einen ringförmigen Gomplex
von 5 Kohlenstoffatomen und einem Stickstoffatom ; es gehört in die Gruppe des
Piperidins und Pyridins (s. Bd. II). Es ist eine secundäre Basis und liefert daher
bei der Einwirkung von salpetriger Säure eine Nitrosoverbindung; das Nitroso-
triacetonamin (nadelformige Krystalle vom Schmelzpunkt 72— 73*^) verliert beim
£rwärmen mit Alkalilaugen seinen Stickstoff und liefert Phoron:
(CR
HC
/^ .CO
H H CH
I
NO
HC CH
CCCHg), = N, + H,0 + (CH,)aC CCCHsV
— Bei dieser Reaction gelit der ringförmige Complex durch Eliminirung des Stickstoff-
atoms in eine offene Kette über. Eine Oeffnung des Binges an anderer Stelle findet
bei der Oxydation des Triacetonamins statt, indem die Carbonylgruppe von einem
der benachbarten Kohlcnstoffatome losgelöst wird:
rn CO.H
/""\
COJI CH,
II,C CH,
1
->-
(CH3),Ö C(CH3),
(CH3)aC CcCHg),
\nh/
\nh/
das Ox}'datiousprodukt des Triacetonamins ist als Imido-isobutter-isovalerian-
sänre zu bezeichnen. — Bei der Reduction des Triacetonamins bietet ebenfalls die
Carbonylgruppe deu Angriffspunkt; sie nimmt zwei Wasserstoffatome auf, und es ent-
steht das Triacetonalkamin, welches seinerseits durch Wasserabspaltung in eine sauer-
stofffreie Basis verwandelt werden kann;
CH(OH) (.jj
H,C CH, H,C CH
1 I -H,0 = 1
(CH3),C C(CH3), (CH3),C Ö(CH3),
\nh/ \nh/
Triacetonalkamin. Triacetonin.
Triacetonalkamin (Schmelzpunkt 12S-b^) und Triacetonin (ein bei 146 — 147*
siedendes Oel von coniinähnlichem Geruch und toxischen Eigenschaften) entsprechen
in ihrem Verhalten vollkommen einer Reihe anderer als PyridinabkÖmmlinge er-
kannter Verbindungen, wodurch die Structurformel der Triacetonamins erhöhte Be-
rechtigung erhält.
Diacetonamin ist durch Erhitzen mit Aceton in Triacetonamin überfiihrbar:
H,C CH3
/CO
H,C CH,
1
= H,0 +
(Cir8),c C(CH3),.
,\G +
CO(CH,).
\nh.
\nh/
Ebenso wie das Aceton wirken Aldehyde, wodurch die Darstellung einer Reihe von
dem Triacetonamin analog constituirten Basen ermöglicht wird. So entsteht z. B.
durch Einwirkung von Acetaldehyd:
V. Mbykr a. jAOORgoir, org. Chem. I. 27
418 Derivate des Aceloiis (AcMonchlöroform, PhospJiorverHmlungen}.
Cir, ILC CH,
I =1120+ ! I
(CH3)jC +COH.CH, (CHaijC cii(CH,)
das sogenannte Vinyldiacetonamin.
Durch Einwirkung von Methylamin, Dimethylamin, Aethylamin aar
Aceton sind Alkylderivate des Diacctonainins erhalten worden*.
Acetone hloro form*: Fügt man zu einem Gemisch von Aceton und Chl«ir«v
form gepulvertes Aetzkali in kleinen Portionen, so bilden sich zwei VerbiDdunfrer!
durch Addition von gleichmolecularen Mengen Aceton und Chloroform, flüssiges und
/OCl
festes Acetonchloroform. Ersteres besitzt vielleicht die Constitution (CH.),^^
^CHCl.
,011
letzteres ist als OxyisobuttersÄuretrichlorid (CHglaC^ aufzufassen ; denn es liefert
beim Erhitzen mit Wasser auf 180® Oxy isobuttcrsäure :
/OH /Oll
(CH3l,C< 4- 2HjO = (CH,),C< + 3 HCl.
^CClg ^COOH
Das flüssige Acetonchloroform geht an feuchter Luft in das feste über. Fesie^
Acetonchloroform ist eine campherähnliche, leicht sublimirende Substanz, welche in
Wasser unlöslich ist, bei 96° schmilzt, bei 167° siedet und mit Wasserdämpfen leubt
flüchtig ist. Aus wässrigem Alkohol und Aether krystallisirt es mit Vt ^ol. Wasser
in Krystallen vom Schmelpunkt 80 — 81°.
Acetonphosphorverbindungen'; In Gegenwart von Aluminiumchlorid rea
girt Phosphortrichlorid auf Aceton stürmisch unter Salzsäureentwickelung:
2CsHeO + PCls = 2 HCl + CeHioO.PCl.
Es entsteht das Diacetonphosphorchlorür CJIiqOjPCI, eine farblose, krystalli-
nische, an der Luft veränderliche Substanz, welche bei 35—36° schmilzt und bei 235'
siedet. Mit Brom vereinigt es sich zu dem Diacetonphosphorchlorobromi*!
CßHioOaPClBra (Schmelzpunkt 142°), welches von Wasser glatt in Mesityloxyd, i'hos-
phorsäure, Chlor- und Brom Wasserstoff zersetzt wird. Man giebt daher dem Chlorid
(CH8),C — 0 (CHg), C -0 ■ PCllJr
die Formel | | , dem Chlorobromid die Formel |
CHs . CO . CH-PCl CIIs . CO . CHBr
wodurch die letzterwähnte Zersetzung leicht verständlich wird:
(CH3),C-0 . PClBr (CH8),C
I + 3HaO = II + P0{0H)a + 2HBr + HCL
CHs . CO . CHBr CH» • CO • CH
Aus dem Chlorür bildet sich durch Zersetzung mit Wasser die Diacetonphosp^^^'
säure (Schmelzpunkt 63°), eine starke zweibasischo Säure:
* GöTscHMANN, Ann. 197, 27. — Eppinqer, Ann. 204, 50.
» WiLLOERODT, Bcr. 14, 2451; 15, 2305, 2308; 16, 1505. — Willoebodt n.
Genieser, J. pr. [2] 37, 361. — Willqerodt u. Dürr, J. pr. [2] 39, 283. - Wiu-
GERODT u. Schipp, J. pr. |2l 41, 515.
* MiCHAKus, Bcr. 17, 1273; 18, 898.
Pinakoline, 419
(CHg)5,C O (CPIsJjCH
i + 2H,0 = HCl + J ;
Cllg . CO . CII-PCl CH3 . CO . CH— P0(0H)2
in Uebereinstimmung mit dieser Auffassung liefert die Säure bei der Einwirkung von
(CH,),CH
Hydroxylamin ein Oxim I (Schmelzpunkt 169—170°).
CH, . C( : N . OH) . CH • PO(OH),
Unter den Homologen des Acetons sei das normale Methylnonyl-
ketoni CHg-CO-CgHjg (Eigenschaften vgl. Tabelle Nr. 23 auf S. 413)
wegen seines Vorkommens in der Natur besonders hervorgehoben. Es
bildet einen Hauptbestandtheil des ätherischen Oeles der Gartenraute
(ßautenöl, Oleum rutae). Sein Geruch ist apfelsinenartig. Seine Con-
stitution ergiebt sich einerseits daraus, dass es bei der Oxydation j
normale Pelargonsäure CgH^gOg (vgl. S. 333 — 334) liefert, andererseits aus I
synthetischen Bildungsweisen; es kann sowohl durch Destillation eines
Gemisches von essigsaurem und caprinsaurem Calcium, wie auch durch
Spaltung des normalen Octylacetessigesters gewonnen werden. • '
Unter der Bezeichnung Pinakoline fasst man eine besondere j
Gruppe von Ketonen zusammen, deren charakteristisches Merkmal darin |
besteht, dass ihre Carbonylgruppe einerseits an ein tertiäres Alkylradical
gebunden ist. Sie entstehen in einer sehr merkwürdigen, unter totaler
Atomverschiebung verlaufenden Reaction aus den Pinakonen, jenen zwei-
werthigen Alkoholen, welche als Nebenprodukte bei der Reduction der
Ketone auftreten (vgl. S. 387):
2(CH3),CO + 2H = •(CH3),C(OH)--C(OH)(CH8),.
Erwärmt man die Pinakone mit verdünnten Säuren, so spalten sie 1 Mol.
Wasser ab, um in Pinakoline überzugehen:
CHjr -V .CHa /CH»
>C(OH)-^(OH)< - HjO = Cn,~CO-C( CH3
CHs'^ X^^ ^ ^CH, XCH.
— eine Reaction, welche die Wanderung einer Methylgruppe von einem
KohlenstoflFatom zum anderen erfordert.
Das einfachste Pinakolin^ CHg- CO -0(0113)3, dessen Entstehung
aus Aceton durch die obigen Gleichungen erläutert wird, wäre hiernach
rationell als Methyl-tertiärbutyl-Keton zu bezeichnen (unter dieser Be-
zeichnung vgl. seine Constanten in der Tabelle Nr. 23 auf S. 413). Es
besitzt einen pfeffermünzähnlichen Geruch. Seine Constitution ergiebt
sich aus dem Verhalten bei der Oxydation, durch welche es in Trimethyl-
essigsäure (03^)30-00211 (vgl. S. 331) übergeht, und andererseits aus
seiner Synthese durch Einwirkung von Zinkmethyl auf Trimethylacetyl-
chlorid (CH3)3.C001 (vgl. S. 385).
* Williams, Ann. 107, 314. — Hall wachs, Ann. 113, 107. — Harbordt, Ann.
138, 293. — Gorup-Besanez u. Grimm, Ann. 157, 275. — Guthzeit, Ann. 204, 4.
~ GiESBCKE, Ztscbr. Chem. 1870, 428. — Spibqler, Monatsh. 5, 241.
■ Frmo, Ann. 114, 54. — BuriiERow, Ann. 174, 125. — Barbaglia u. Gücci,
Ber. 13, 1572. — Janny, Ber. 16, 2780. — Glücksmann, Monatsh. 10, 770.
27*
i
420 Thioaldehyde und
Thioaldehyde, Thioketone und ihre Derivate.
Von den sauerstofthaltigen Aldehyden und Ketonen kann man leicht
durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff in Gegenwart von Salzsäui-e zu
entsprechend zusammengesetzten Schwefelverbindungen gelangen. Doch
besteht diese Reaction in der Regel nicht in einem einfachen Austausch
des Sauerstoffatoms gegen Schwefel, sondern fuhrt zupolymerenThio-
aldehyden und Thioketonen — meist trimolecularen Modificationen
— , in welchen die Schwefelatome in sulfidartiger Bindung anzunehmen
sind, z. B.:
S-CH-CIfs
CII3CH/ \s .
S-CH.CH3
Dementsprechend können diese trimolecularen Thioaldehyde und Thio-
ketone durch Kaliumpermanganat zu Trisulfonen oxydirt werden:
SOj-^CII-CHg
CHj-Ch/ \sOj.
S0,-CH.CH3
Die den Trithioaldehyden entsprechenden Trisulfone enthalten an den
zwischen je zwei negativen Sulfongruppen befindlichen Kohlenstoffatome u
noch Wasserstoffatome, welch' letztere dadurch die Fähigkeit erlangen,
gegen Metallatome ausgetauscht zu werden (vgl. Malonsäureester und
Acetessigester, S. 308). Solche Trisulfone sind infolgedessen Säuren und
lösen sich leicht in Alkalien. Lässt man auf ihre alkoholisch-alkalische
Lösung Halogenalkyle einwirken, so können die Wasserstoftatome gegen
Alkylreste ausgetauscht werden, z. B.
SO,-CNa . CH3 SOj-CCCH,),
CHa-CNa/ \S0, + SCHaJ = 3NaJ + (CH3)2c/ SsO,,
SO,- CNaClIj SOs-CcCH,),
und man gelangt zu Verbindungen, welche identisch sind mit den den
Trithioketonen entsprechenden Trisulfonen.
Die Einwirkung des Schwefelwasserstoffis auf wässrige Aldehydlösungen bestellt
nach Bauhann^ zunächst darin, dass durch Addition:
/OH
RCHO + H,S = R.CH<
NSH
eine Verbindung entsteht, welche sehr leicht weiter verändert wird, indem mehrere
Moiecüle unter Wasserabspaltung mit einander oder mit Aldehydmolecülen sich vej>
einigen. So entsteht eine Reihe von Körpern, welche SH- Gruppen enthalten und
sich mercaptiinähnlich verhalten; in reinem Zustande konnte man diese leicht ver-
änderlichen Mercaptane bisher nicht abscheiden, wohl aber ihre Existenz durch lieber-
führung in beständigere Umwandlungsprodukte darthun. In der Flüssigkeit z. B.,
welche durch Sättigen von neutraler Formaldehydlösung mit Schwefelwasserstoff ge-
* Ber. 23, 62, 1869. Vgl. ferner Baumann u. Fkomm, Bor. 24, 1421.
Thioketone. 421
Wonnen wird, kann man die Gegenwart des Methylenmercaptans CHjfSIl), erweisen,
indem man dasselbe durch die Reactionen:
CHgCSK), + 2CII3J = 2KJ + CHjCSCHj),,
CH,(S.CHs\ + 40 = CH,(SO,.CH,),
in das kiystallisirbare Metbylendiniothylsulfon CIIgCSOjfMIg), verwandelt; die Goj^en-
wart des Thiodimethylenmcrcaptans SlCHj-SH)» kann in analopcr Weise durch üebor-
ftihrong in das Trisulfon SOgiC^Hj-SOj^CIIa), nachgewiesen werden; ein Difhiotri-
mcthylenmercaptan CHsfS • CH, • SH), giebt sich dadurch zu erkennen, dass man nach
xS — CHj — S
Oxydation mit Jod sein Disulfid CH,<f I (Trimethylentctrasulfid) isoliren
kann. Aus diesen unmittelbaren mercaptanartigen Einwirkungsprodukten des Schwefel-
wasserstofiB bilden sich die polymeren Thioaldehyde unter dem Einfliiss der eonc. Salz-
saure durch weitere Abspaltung von Wasser oder Schwefelwasserstoff; aus dem Dithio-
trinirthylenmercaptan kann z. B. durch Schwefelwasserstoffaustritt der trimoleculare
Thioformaldehyd entstehen:
.S-CH, Sil /S-CHjv
CH,< -H,S = CH,< >S.
\S-CH,~SH \S-CII/
Dass die monomolecularen Thioaldehyde sich leicht polymerisiren,
erscheint nicht auffällig, da ja die gleiche Neigung auch die entsprechen-
den Sauerstoffverbindungen auszeichnet. Merkwürdig aber ist es, dass
auch die Thioketone ein so starkes Polymerisationsbestreben zeigen, wel-
clies ja den sauerstoffhaltigen Ketonen ganz abgeht. Es ist bisher nicht
möglich gewesen, die monomolecularen Thioketone der Fettreihe rein
abzuscheiden; das einfachste Thioketon, welches man in einigennassen
reinem Zustande gewinnen konnte , ist das Thiobenzophenon^
0,jH..CS-C3Hß (näheres darüber vgl. Bd. II.).
Ein erhöhtes Interesse gewinnen die Tritliioaldehyde durch eigen-
thümliche Isomerie-Erscheinungen, welche — schon früher beobachtet —
neuerdings durch Baumann u. Fbomm* vollständig aufgeklärt sind. Es
entstehen nämlich bei der oben besprochenen Einwirkung von Schwefel-
wasserstoiF in Gegenwaii; von Salzsäure aus allen Aldehyden mit Aus-
nahme des Formaldehyds je zwei isomere Trithioaldehyde — ein
höher schmelzender und ein niedriger schmelzender — in wechselnden
Mengenverhältnissen. Die niedriger schmelzende a-Modification bildet
sich reichlicher, wenn der Schwefelwasserstoff bei Gegenwart von wenig
Salzsäure und bei niederer Temperatur zur Einwirkung gelangt. Die
liöher schmelzende jS-Modification entsteht am reichlichsten bei Gegen-
wart von viel Salzsäure; sie stellt die stabilere Verbindung dar, denn
die cf-Modification wird durch Jod (und andere ümlagerung bewirkende
Stoffe) in die /9-Modification verwandelt. Die gleichzeitige Bildung der
beiden isomeren Verbindungen, die Umwandelbarkeit der einen in die
andere, besonders aber ihr durchaus übeijeinstimmendes chemisches Ver-
Vialten sprechen dafür, dass ihre Isomerie nicht durch verschiedenartige
^ Vgl. Berorbkn, Ber. 21, 340. * Ber. 24, 1419 ff.
422 Stereoisomerie bei
Structur zu erklären ist, sondern dass sie Beispiele stereoisomerer Köi^per
darstellen.
In der That lässt sich, wenn man über die räumliche Configuration
des in den Trithioaldehyden und Trithioketonen anzunehmenden sechs-
gliedrigen Complexes:
A
nachdenkt, leicht ableiten, dass alle Trithioaldehyde mit Ausnahme der
Trithioformaldehyds in zwei isomeren Formen vorkommen können,
dass dagegen für den Trithioformaldehyd sowohl wie für das Trithioaceton
(und andere von einfachen Ketonen sich ableitende Trithioketone) die
Möglichkeit stereoisomerer Modificationen nicht besteht.
Denkt man sich die Ceutren der drei Kohlenstoifatome und der drei
Schwefelatome in einer Ebene gelagert, so werden ofifeubar, wie sich leicht
unter Zuhülfenahme von Tetraeder-Modellen erkennen lässt, von den sechs
noch freien KohlenstofFvalenzen drei von dieser Ebene aus nach oben
und drei nach unten gerichtet sein. Man kann dies durch das Schema:
"\
veranschaulichen ; die Ecken des Dreiecks bedeuten die drei Kohlenstoff-
atome, die Seiten entsprechen den Schwefelatomen, welche die Bindung
je zweier Kohlenstoffatome vermitteln; die von jeder Ecke nach oben und
unten gerichteten Striche stellen die beiden Valenzen dar, die an jedem
Kohlenstoffatom noch verfugbar sind. Wenn nun diese Valenzen sämmt-
lich durch gleichartige Substituenten beansprucht sind, wie beim Trithio-
formaldehyd und Trithioaceton:
CII,
C(cn,).
o^^c
X\
s s
s s
CHj ■ S ■ ~ CH2
(CH,).6 S C(CIf,),,
Trithioformaldehyd
Trithioaceton
so ist offenbar ein Grund zur Isomerie nicht vorhfinden. Wenn aber,
wie beim Trithioacetaldehyd, an jedem Kohlenstoffatom je zwei von
einander verschiedene Substituenten sich befinden, so erscheinen auch
zwei verschiedene Configurationen möglich, je nachdem sich die drei gleich-
artigen Substituenten auf derselben Seite oder zu beiden Seiten der Ebene
befinden:
Trithioaldehyden. 423
CH3
I
n / II \ Ti
CHg Clla CHj CH3
cis-Form cis-trans-Form
Man wird diese beiden Modificationen zweckmässig als cis-Form und cis-
trans-Form unterscheiden, — d. h. mit denselben Bezeichnungen belegen,
welche man für die bei doppelter Kohlenstoflfbindung auftretenden stereo-
chemischen Isomeriefälle verwendet (vgl. S. 86), die ja in ganz analogen
Verhältnissen begründet sind. Bei der cis-trans-Form befinden sich die
einander abstossenden gleichartigen Substituenten möglichst fem von
einander; sie ist daher höchst wahrscheinlich in den stabileren /9-Modi-
ficationen anzunehmen, 'wofür auch andere Gründe^ angeführt werden
können.
Die Nützlichkeit stereochemischer Erwägungen hat sich in der Gruppe
der Thioaldehvde besonders bewährt — nicht nur dadurch, dass sie zu
einem Verständniss jener interessanten Isomerie- Erscheinungen geführt
hat. Mit ihrer Hülfe ist man auf Fehler in den früheren Beobachtungen
auf diesem Gebiet aufinerksam geworden. Es waren nämlich drei isomere
Trithioacetaldehyde beschrieben, während die oben entwickelte Theorie
nur zwei Isomere als möglich erscheinen lässt. Baumann u. Fbomm
konnten nun in der That durch eine Wiederholung der bez. Versuche
die früheren Angaben als irrthümlich erweisen und zeigen, dass es — in
Uebereinstimmung mit der Theorie — nur zwei isomere Trithioacet-
aldehyde giebt.
Den trimolecularcn Thioformaldehyd' — Thioparaformaldehyd, Trithio-
formaldehyd, Trithiomethylen CgHjSa = (CHjS), (Constitiitionsformel s. S. 422)
~ erhält man am besten durch Sättigen einer Mischung von 1 Vol. käuflicher Form-
aldehydlüsung und 2 bis 3 Vol. conc. Salzsäure mit Schwefelwasserstoff. Er bildet sich
femer bei der Keduction von Schwefelkohlenstoff, von Khodan wasserstoffsäure oder von
Scnfolen (wie CgHs-NzCS) mit nascirendcm Wasserstoff und durch Umsetzung zwischen
Methylenjodid CHjJ, und Natriumsulfid. Er krystallisirt aus Benzol in farblosen qua-
dratischen Prismen, ist in reinem Zustand vollkommen geruchlos, schmilzt bei 2\%^^
ist in heissem Wasser schwer löslich, leichter in heissem Alkohol und in Aether. Er
kann unzersetzt verflüchtigt werden-, seine Molecularformel gründet sich auf die Be-
stimmung der Dampfdichte und der Gefrierpunkts -Erniedrigung. Sie steht im Ein-
klang mit der Zusammensetzung einer Reihe von Verbindungen, welche der Thio-
formaldehyd mit Metallsalzen eingeht, wie z. E|. CjUeSg-AgNOa und 2(C3HeS8).PtCl4.
— Erwärmt man eine mit Schwefelwasserstoff gesättigte Lösung von Hexamethylen-
unin, 80 scheidet sich dagegen eine amorphe polymere Modification des Thioform-
^ Baumann n. Froi», Ber. 24, 1429.
• A. W. Hofmann, Ann. 145, 360. Ber. 1, 176; 2, 152; 3, 584. — Girard, Ann.
100, 306. Compt rend. 70, 625. -- IIüsemann, Ann. 126, 294. ■— Mansfeld, Ber.
19, 698. — Baümann, Ber. 28, 63. ~ Baumann u. Fromm, Ber. 24, 1434.
424 Thioformaldehyd und
aldehyds ab, der Thiometaformaldehyd^ (CHjS)!!; er stellt ein weisses, in allen
gewöhnlichen Lösungsmitteln unlösliches Pulver dar, schmilzt unscharf zwischen 175
und 186° und wird bei höherem Erhitzen zersetzt; in Anbetracht dieser Eigenschaften
ist anzunehmen, dass in ihm ein höher poljmerisirtes Produkt, als der Trithioform-
aldehvd, vorliegt.
Durch Oxydation mit Kaliumpermanganat entsteht aus dem Trithioformaldehyd
das Trimethylentrisulfon*;
•SOj — CH2^
ch/ >so,
\SO,-CH/
ein in Wasser, verdünnten Säuren, Weingeist, Aether, Chloroform und Eisessig un-
lösliches Krystallpulver, welches von conc. Salpetersäure oder Schwefelsäure selbst
beim Erwärmen nicht verändert wird, sich in kalter Natronlauge sehr leicht und in
der Wärme auch in Sodalösung unter Kohlensäureentwickelung auflöst (vgl. S. 420).
Monomolecularer' Thloacetaldehyd CHj-CHS entsteht neben Polymeren
bei der Zersetzung des rhodanwasserstoffsauren Thialdins (s. S. 425) mit kochendem
Wasser, ist indessen bisher noch nicht rein abgeschieden worden. Er stellt eine sehr
leicht flüchtige Flüssigkeit von äusserst heftigem Geruch dar und verbindet sich mit
Wasser leicht zu dem Oxyäthylmercaptan CH^-CU<(^ , welches sich weiter nn^er
\OII
Wasserabspaltung in ölige Produkte verwandelt.
Ein dimolecularer halbgeschwefelter Acetaldehyd* CSH4O, CjH^S vrird
als erstes Produkt der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf eine stark saure
Aldehydlösung erhalten. Er krystallisirt in langen Nadeln, schmilzt bei 60—61**, ist
ungemein flüchtig, in Alkohol und Aether sehr leicht löslich, in Wasser unlöslich,
siedet unzersetzt bei 166—168**, scheidet mit Silbernitrat und Platinchlorid sofort
Schwefelmetalle ab, wird dagegen beim Kochen der alkoholischen Lösung mit Queck-
silberoxyd nicht entschwefelt. Seine Moleculargrösse ist durch die Dampfdichte-
bestimmung ermittelt, seine Constitution entspricht wohl der Formel:
CIL-CIK >CII.CH3.
Trithioacetaldehyde* (031148)3 = CeH^Ä (Constitution vgl. S 422—423):
«-Trithioacetaldehyd entsteht als Hauptprodukt, wenn man Schwefelwasser-
stoff in eine Mischung gleicher Theile von Aldehyd, Wasser und starker Salzsäure
einleitet. Er krystallisirt aus Aceton in prächtigen durchsichtigen Säulen, ist geruchlos,
schmilzt bei 101** und siedet unzersetzt bei 246—247**.
|9-Trithioacetaldehyd entsteht dagegen als Hauptprodukt, wenn man Aldehyd
mit dem dreifachen Volum Alkohol, welcher zuvor mit Salzsäuregas gesättigt war,
versetzt und nun Schwefelwasserstoff einleitet; aus dem nt-Trithioaldehyd bildet er sich
* Wohl, Ber. 19, 2345. — Baumann u. Fromm, Ber. 24, 1468.
* Baumann u. Camps, Ber. 23, 69, 1874.
* Mabckwald, Ber. 19, 1830. — Baumann, Ber. 23, 69. — Poleck u. Thümmei*,
Ber. 22, 2872.
* Marokwald, Ber. 19, 1831.
* Weidenbüsch, Ann. 66, 158. — A. W. Hofmann, Ber. 3, 589. — Pikner,
Ber. 4, 257. — Klinger, Ber. 9, 1894; 10, 1879; 11, 1023. — Eltkkopp, Ber. 10,
1904. — BörriNGER, Ber. 11, 2205. — Guareschi, Ann. 222, 301. — Marckwald,
Ber. 19, 1826; 20, 2817. — Baumann u. Fromm, Ber. 22, 2600; 24, 1434, 1457. —
Poleck u. Thühmel, Ber. 22, 2872.
Thwacetaldehydc (Tkialdln). 425
durch Einwirkung von conc. Schwefelsäure oder von Acetylchlorid. Er krystallisirt
aus E^essig in glänzend weissen Nadeln, ist geruchlos, schmilzt bei 125—126^, siedet
bei 245 — 248® und ist mit Wasserdämpfen leicht flüchtig.
a- und /?-Trithioacetaldehyd liefern mit Silbemitrat je zwei Verbindungen von
der Zusammensetzung CeHigSj . AgNOg und CeHj^Sg. 3AgN0g, welche mit Alkohol
einige Zeit gekocht werden können, ohne dass Abscheidung von Schwefelsilber eintritt.
Die Moleculargrösse der beiden Trithioacetaldehyde ist durch Bestimmung der
IXimpfdichte und der Gefrierpunkts -Erniedrigung festgestellt.
Bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat liefern beide Tliioaldchyde unter
Aufnahme Ton 6 Sauerstoffatomen das gleiche Oxydationsprodukt: das Trithioacet-
aldehyd-trisulfon CgHigSgOe (Constitutionsformel vgl. S. 420). Dasselbe bildet
feine, farblose Nadeln, sublimirt oberhalb 340**, ohne vorher zu schmelzen, und ist
in den meisten Lösungsmitteln schwer löslich, massig leicht in heissem Eisessig.
In naher Beziehung zu den Trithioacetaldehyden steht das Thialdin' CellisNS,:
eine Base, welche bei der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf eine wässrige Lö-
sung von Aldehydammoniak erhalten wird und auch durch Einwirkung von Ammo-
niak auf den monomolecularen Thioaldehyd entsteht. Es bildet grosse, farblose Kry-
stalle von eigenthümlich aromatischem Geruch, schmilzt bei 43^, ist in Wasser sehr
wenig, in Alkohol und Aether leicht löslich, verflüchtigt sich unzersetzt mit Wasser-
dämpfen, wird aber beim Erhitzen für sich zersetzt. Beim Erwärmen mit Silber-
nitratlösung wird es unter Abscheidung von Schwefelsilber und Entweichen von
Aldehyd zersetzt. Das Thialdin ist eine einsäurige Basis; das Chlorhydrat
C«H,jNS,.HCl ist in Wasser leicht löslich, das Khodanid CoHisNS, . CSNH bildet
lange Nadeln. Beim Kochen des letzteren Salzes in wässriger Lösung tritt Zersetzung
unter Bildung von Schwefelwasserstoff, von monomolecularem und trimolecularem
Thioacetaldchyd und einer Verbindung (\H9NS3 ein. Das Thialdin brsitzt wahr-
5^('heinUch die Constitution:
^-CILCHj
CHjCiH \nH.
Na-CH-CHs
Mit dieser Formel steht es im Einklang, dass das Methylthialdin C^HigNSj
I Schmelzpunkt 79°), welches durch Einwirkung von Methylamin auf den monomole-
cularen Thioaldehyd erhalten werden kann, sich als tertiäre Base erweist, indem es
1 Mol. Jodmethyl fixirt, um in eine quaternäre Ammoniumverbindung überzugehen.
i>ie findet femer eine Stütze in der Bildung von Aethylidendisulfonsäure CHs-CHiSOgH),
bei der Oxydation des Thialdins.
Durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf eine verdünnte Lösung von
Valeraldebyd ist ein monomolecularer Thiovaleraldehyd' CjH^qS erhalten
worden, welcher weisse, asbestartige Krystalle darstellt, bei 69° schmilzt, äusseret
widerlich riecht und im Vacuum unzersetzt flüchtig ist.
Thioaeetone« Wenn man Schwefelwasserstoff in ein abgekühltes Gemisch von
Aceton und conc. Salzsäure einleitet, so resultirt schliesslich als Hauptprodukt das
unten näher besprochene Trithioaceton. Das erste Produkt der Einwirkung ist indess
ein leicht flüchtiger Körper, welcher das monomoleculare Thioaceton* (CH3)jCS
darzustellen scheint. Dieser Stoff besitzt einen fürchterlichen Geruch, der zwar von
* WöHLER u. LiEBiG, Auu. 61, 1. — Brüsewitz u. Cathander, J. pr. 98, 315. —
^lAREscHi, Ber. 11, 1383, 1692. — Erikson, Bull. 38, 129. — Marckwald, Ber. 19,
1H26, 2378. — Baumann u. Fromm, Ber. 24, 14:>5).
" ScHROEDEB, BcT. 4, 403, 468. — Vgl. fonior Barbaglia, Bor. 13, ir)74^ 17, 2654.
* BAüKAirN u. Fromm, Ber. 22, 2593.
426 Thioacetmie,
dem damit Experimentirenden nicht gerade unangenehmer als der Geruch ändert:
leicht flüchtiger Schwefel Verbindungen empfunden wird, sich aber in erstannlich
kurzer Zeit verbreitet und ganze Stadttheile verpestet. Jeder Versuch, denBAnuxii
und Frokm in Freiburg mit dieser Substanz anstellten, brachte die dem Laboratorium
benachbarten Strassen in Aufregung und entfesselte einen Sturm von Klagen. l>ie
Isolirung und Untersuchung dieser interessanten Verbindung musste daher unterbleib»'!!.
Die Intensität ihres Geruchs scheint Alles zu übertreffen, was von stark riechendeD
Stoffen bekannt geworden ist; äusserst geringe Mengen genügen , um Millionfo
Cubikmeter Luft zu verpesten.
Dimoleculares Thioaceton, Duplothioaceton^ (CjH^S), = CtH,,S, ent-
steht durch Einwirkung von Phosphortrisulfid auf Aceton. Es ist ein gelbliches, mit
Wasser nicht mischbares Oel, welches bei 183—185® siedet, unangenehm riecht ond
die Haut heftig afficirt. Seine Moleculargrosse ist durch die Bestimmung der DampJ-
dichte und der Gefrierpunkts -Erniedrigung ermittelt, seine Constitution durch di»
Formel :
(CH3'),C< >C(CH,1,
auszudrücken. Dieser Formel entsprechend tritt es mit Hydroxylamin nicht in Reac-
tion, zeigt aber die Reactionen der Sulfide. Mit Jodmethyl vereinigt es sich schon
bei gewöhnlicher Temperatur, durch Oxydation geht es in das Disulfon:
(CH8l,C<^ ^CCCHg), über.
Durch Einwirkung von gelbem Schwefelammonium auf Aceton entsteht üuplo-
di -thioaceton" [(CHg^jCSj], = CeHigS4: farblose, in Wasser unlösliche, mit Wa&*pr-
dämpfen flüchtige Krystalle, welche bei 98* schmelzen und bei 243® unter thoW-
weiser Zersetzung sieden. Eine Moleculargewichtsbestimmung dieser Verbindnug isi
noch nicht ausgeführt.
Trithioaceton« (CjHeSJs = CglTjaSs (Gonstitutionsformel vgl. S. 422) enteteht.
wie schon erwähnt, als Hauptprodukt bei der Einwirkung von Schwefelwasserstoff au^
Aceton in Gegenwart von conc. Salzsäure. Es ist eine farblose, sehr krystallisations-
fähige, mit Wasserdämpfen flüchtige Substanz, schmilzt bei 24° und siedet unter ISnim
Druck bei 130®. In Wasser ist es unlöslich, in Alkohol und Aether leicht löslich.
Seine Molecularformel gründet sich auf die Bestimmung der Gefrierpunktsemiedriguug.
Mit Silbemitrat in alkoholischer Lösung liefert es zunächst einen weissen Nic<ier-
schlag, der aber fast augenblicklich durch Bildung von Schwefelsilber schwarz winl.
Ijässt man es unter gewöhnlichem Druck sieden, so verwandelt es sich allmfihlieb
in das dimoleculare Tliioaceton. Das durch Oxydation des Trithioacetons entstehende
Trisulfon C9H,gS30o ist eine sehr sqhwer lösliche Substanz vom Schmelzpunkt 302 '.
Neben dem monomolecularen Thioaceton und dem Trithioaceton entsteht bei
der Behandlung des Acetonsalzsäuregemisches mit Schwefelwasserstoff noch in ^^
ringer Menge das mit Wasserdampf nicht flüchtige, bei 171® schmelzende Tetn-
thiopenton C,5H29S4.
* WiSLicENUs, Ztschr. Chem. 1869, 824. — Lach, Ber. 16, 1787. — Spbiso,
Ber. 16, 1368. — Aüteneibth, Ber. 20, 374. — Fuomm u. Baumann, Ber. 22, 1040.
* WfLiiOERODT, Ber. 20, 2467.
' Fromm u. Baumaxn, Ber. 22, 1035, 2595.
B. Die ungesättigten Kohlenwasserstoffe und ihre einwertWgen
Zwölftes Kapitel.
Allgemeines über die Constitution der ungesättigten
Verbindungen.
Die Verbindungen, welche bisher besprochen wurden, leiteten sich
von den Grenzkohlenwassers toifen ab; das charakteristische Constitutions-
merkmal dieser Grenzkohlenwasserstoffe wurde darin erblickt, dass für
die Bindung der zu einer ofienen Kette vereinigten Kohlenstoffatome
an einander nur die unbedingt nothwendige Zahl von Valenzen
aufgewendet wird, während alle übrig bleibenden Valenzen zur Bin-
dung je eines Wasserstoffatoms verbraucht werden. Ihre Zusammen-
setzung konnte allgemein durch die Formel C^Hg^^^j wiedergegeben
werden (vgl. S. 95—96, 121).
Wenn wir uns nun zu den Reihen von Kohlenwasserstoffen wenden,
welche ärmer an Wasserstoff* sind, deren Zusammensetzung durch
Foi-meln wie C^H^^, C5,^H3jj_2 etc. ausgedrückt ward, so haben wir uns
zunächst die Frage vorzulegen: Durch welche Eigenthümlichkeit der
Constitution ist es begründet, dass das Kohlenstoffskelett dieser Kohlen-
wasserstoffe nicht so viel Wasserstoffatome trägt, als es zu binden ver-
mag, dass es mit Wasserstoffatomen nicht vollkommen gesättigt ist?
Halten wir an der Annahme fest, dass das Wasserstofl'atom con-
stant einwerthig, das Kohlenstoffatom constant vierwerthig fungirt, so
bieten sich nur zwei Möglichkeiten zur Erklärung:
Entweder es bleiben einzelne Kohlenstoffvalenzen frei, z. B.:
— CHg — CHg — 5 CHj — CH<C •
Oder die nicht zur Bindung von Wasserstoff verbrauchten Valenzen
von verschiedenen, schon mit einander in Verbindung stehenden Kohlen-
stoffatomen sättigen sich gegenseitig: CH2<>CH2.
Die erste Annahme scheint zunächst nicht unbedingt von der Hand zu
weisen. Kennt man doch einzelne Verbindungen anderer Elemente, in deren
Molecülen man freie Valenzen anzunehmen genöthigt ist, so das Stick-
o&yd N^ ; und auch eine der einfachsten Kohlenstoffverbindungen, das
428 I.He Annahme mehrfacher Bindung %,ur
Kohlenoxyd, lässt sich ja kaum anders deuten, als durch die zwei freie
Affinitäten aufweisende Formel C^O.
Aber gerade für den vorliegenden Fall wird diese Annahme äusserst
unwahrscheinlich, wenn man die Zusammensetzung der ungesättigten
Kohlenwasserstoffe näher in Betracht zieht. Könnten in Kohlenwasser-
stoffmolecülen Kohleustoffvalenzen frei bleiben, so wäre nicht einzusehen,
warum es nicht auch ungesättigte Kohlenwasserstoffe mit einem einzigen
Kohlenstoffatom giebt, warum sich nicht an das Grubengas CH^ z. B.
die wasserstoffärmeren Körper CHg und CHg anschliessen. Derartige
Verbindungen scheinen indessen nicht existiren zu können^; denn in allen
Reactionen, durch welche die Verbindung CH3 entstehen könnte, bildet
sich stets statt ihrer die Verbindung C^J^QB.^ — CH3, Aethan), und ebenso
erhält man stets statt der Verbindung CHg das Aethylen C2H^(CH2=^CH2),
indem offenbar die nicht befriedigten Valenzen eines Kohlenstoffatoms
das Bestreben haben, sich mit denen eines zweiten Kohlenstoffatoms zu
sättigen.
Könnten in Kohlenwasserstoffmolecülen einzelne Kohlenstoffvalenzen
frei bleiben, so wäre es ferner nicht zu begreifen, warum in allen be-
kannten Kohlenwasserstoffen die Anzahl der Wasserstoffatome eine gerade
ist. An die Reihe der Paraffine C^^Hg^^g schliesst sich unserer Kenntniss
nach unmittelbar die Reihe der Alkylene C^Hg,,, an letztere die Reihe der
Acetylene (ij^2n~2 ^^ ^- ^- ^- Warum kennt man kein einziges Glied
der Reihen C^Hg^^i, Gyß^2n—\^ ^n^2n— s ^^^-j wenn an den Kohlenstoff-
atomen Valenzen ausser Function bleiben können?
Die Erfahrung hat bisher keinen einzigen ungesättigten
Kohlenwasserstoff kennen gelehrt, der in seinem Moleciil nur
ein Atom Kohlenstoff enthält, ferner keinen einzigen, der des
Zutritts einer ungeraden Zahl von Wasserstoffatomen bedarf,
um in den gesättigten Zustand überzugehen.
Darum verwerfen wir die erste der oben aufgestellten Erklärungen
für die Existenz der ungesättigten Verbindungen und nehmen vielmehr
an, dass in ihren Molecülen die an verschiedenen Kohlenstoffatomen für
die Bindung anderer Elemente nicht verbrauchten Valenzen sich mit
einander sättigen^.
Welche Structurmöglichkeiten ergeben sich unter dieser Annahme
für die ungesättigten Kohlenwasserstoffe?
Betrachten wir zunächst die gegen die Grenzreihe um zwei Wasser-
> Vgl. z. B. BüTLEROW, Ann. 120, .356. Ztschr. Chem. 1862, 519 Anm.
• Im Beginn der Entwickelung der Strueturtheorie bevorzugte man die Erklärung
der ungesättigten Verbindungen' durch Annahme von zweiwerthigen Kohlenstofiatomen
oder von un<?esättigten Affinitäten. Für die jetzt wohl allgemein getheiltt» Annahme
der mohrfachen Bindung ist hauptsächlich Erlgnmeyer eingetietcn. Ueber die histo-
rische Entwickelung der Ansichten über dieses Problem vgl. die Zusammenstellung in
W. V. Schnbider's Abhandlung, Ann. 157, 185.
Erklänmg der ungesättigten Verbindu7igem 429
stoffatome ärmere Reihe der Alkylene C^Hgn. Sie kann erst mit dem
zwei KohlenstofFatorae enthaltenden Gliede CgH^ (Aethylen) beginnen, für
welches nur die Structur:
IL AI
H/ MI
möglich erscheint. Diese Formel — eine doppelte Bindung zwischen
zwei Kohlenstoffatomen aufweisend — steht mit dem Verhalten des Aethylens
im besten Einklang. Wie alle ungesättigten Verbindungen, besitzt das
Aethylen das Bestreben, unter Aufnahme von Atomen oder Radicalen
in gesattigte Verbindungen überzugehen. In Berührung mit Chlor z. B.
zieht es die beiden Chloratome eines Chlormolecüls heran, um eine ge-
sättigte Verbindung, das Aethylenchlorid CgH^Clg, zu bilden:
CH2 CH3CI
OH, CHjCl
Da wir diesen Vorgang als bedingt durch den Uebergang einer doppelten
Kohlenstoff bindung in eine einfache auffassen, da demzufolge von den
beiden für die Fixirung der Chloratome verfügbar werdenden Valenzen
jedem Kohlenstoffatom je eine angehört, so müssen wir die Forderung
aufstellen, dass in dem Reactionsprodukt die beiden Chloratome auf die
beiden Kohlenstoffatome symmetrisch vertheilt sind.
Dieser Nachweis ist leicht zu erbringen. Für Verbindungen von
der Zusammensetzung CgH^CIg giebt es nur die beiden Structurmöglich-
keiten (vgl. S. 61):
CHjCl-CHjCl und CHj— 01101,.
Nun entsteht aus dem Acetaldehyd durch Einwirkung von Phosphor-
pentachlorid:
C,H,0 + POlß = C,H401, + POCI3
eine Verbindung dieser Zusammensetzung, das Aethylidenchlorid ^. In
dieser Reaction ist offenbar das Sauerstoffatom des Aldehyds einfach
durch zwei Chloratome vertreten worden:
CH3.CHO >- CHgOHOlj,
die beiden Chloratome des ßeactionsproduktes werden daher an einem
und demselben Kohlenstoffatome haften, und das Aethylidenchlorid er-
hält die zweite der obigen Formeln. Das aus Aethylen und Chlor ent-
stehende Aethylenchlorid ist aber durchaus davon verschieden, und dem-
nach bleibt für dieses nur noch die erste Formel:
CH,Cl-0H,01
übrig, womit die aus der Formel des Aethylens abgeleitete Folgerung
bestätigt wird.
« Ghüther, Ann. 105, 323.
[i
f.,
430
Isomeris bei
Auf das Aetliylen C^ü^ folgen in der Reihe C^Hg,, die Kohlenwasser-
stoffe von der Zusammensetzung CgH^; es ergeben sich zwei Structui--
möglichkeiten :
CH, CII-CH3 und CH,/| '•
Propylen ^^a
Trimethylcn
Nur die erste dieser Formeln stellt ein wahres Homologes des Aethyleus,
Methyläthylen, dar. Die Verbindung der zweiten Formel gehört einer
ganz anderen Reihe an; sie enthält einen Ring von drei Kohlenstoff-
atomen und ist demnach eine der isocyclischen Verbhidungen, welche
erst später (Bd. II) im Zusammenhange besprochen werden sollen. In
ihrem Molecül findet sich keine mehrfache Kohlenstoffbindung; sie ist
kein „ungesättigter^' Kohlenwasserstoff im eigentlichen Sinne des Wortes,
trotzdem sie zwei Wasserstoffatome weniger enthält, als der Grenzkohlen-
wasserstoff der dritten Reihe, das Propan CgH^; sie ist vielmehr als ein
gesättigter cydischer Kohlenwasserstoff zu bezeichnen. Von den beiden
bekannten Kohlenwasserstoffen CgH^ zeigt in der That nur der Eine voll-
kommene Analogie mit dem Aetliylen in seinen Reactionen; er besitzt
das gleiche Additionsvermögen wie das Aethylen, und es lässt sich zeigen,
dass von den fixirten Atomen eines an das mittelständige Kohlenstoffatom
herantritt; denn es entsteht durch Anlagerung von Jodwasserst<;Ö* das
Isopropyljodid:
CHgCHiCHj + HJ = CHj.CHJCHa,
in ihm erblickt man daher das Propylen oder Methyläthylen. Der andere
Kohlenwasserstoff Cg Hg ist zwar auch zu Additionsreactionen befähigt; so
vermag er zwei Bromatome aufzunehmen, um in eine Grenzverbindung
überzugehen; aber diese Addition erfolgt viel langsamer, und das Additions-
produkt CH^Br-CHg-CHjBr (Trimethylenbromid, vgl. Kap. 19) enthält die
Bromatome an nicht benachbarten Kohlenstoffatomen, wie später näher
begründet werden wird; ihn fasst man daher als Trimethylen auf. Nur
das Propylen und seine Abkömmlinge — als wahre ungesättigte Verbin-
dungen — sind in den folgenden Kapiteln abzuhandeln.
Für die Formel C^Hg lassen sich fünf Structurmöglichkeiten ab-
leiten:
1. CHa-CHa-CHiCHj
2. CHjCHiCHClIs
CH,v
4. CH,
3.
CH3
/
CiCHg
5.
CHj — CH, .
Auch hier haben wir uns zunächst auf die links geschriebenen Ver-
bindungen (Butylene) mit offener Kohlenstoff'kette zu beschränken, wäh-
rend die rechts geschriebenen erst später bei den isocyclischen Verbin-
dungen zu berücksichtigen sind.
1
ungesätti{ftcn Kohlenwasserstoffen. 431
In der auf die Aethylenreilie folgenden, wieder um zwei Wasser-
stoffatome ärmeren Acetylenreihe C^Hg^^g ist das erste Glied das Ace-
tylen selbst C^Hj, für welches bei Befriedigung aller Valenzen lediglich
die Formel:
CH=CH
mit einer dreifachen Bindung zweier Kohlenstoffatome sich aufstellen
lässt. Der Zusammensetzung CjH^ entsprechen, wenn wir von der cycli-
schen Gruppirung;
ch/|i
zunächst absehen, zwei Formeln:
CIIaCiCH und CHgiCiCH,.
Sie sind die beiden ersten Repräsentanten zweier ünterabtheiluugen, in
welche die Acetylenreihe sich spaltet, die eine charakterisirt durch das
Vorkommen einer dreifachen Bindung, die andere durch das Vor-
kommen zweier doppelter Bindungen.
Eine vierfache Bindung zweier Kohlenstoffatome könnte offenbar
nur in einer einzigen Verbindung:
bestehen; bei der t^traedrischen Auffassung des Kohlenstoffatoms er-
scheint sie überhaupt nicht denkbar. Auch kennen wir diese Verbindung
Cj nicht, denn die Molecüle des uns bekannten elementaren Kohlenstoffs
— jener in den höchsten Hitzegraden nicht schmelzbaren, geschweige
denn vergasbaren Substanz — enthalten jedenfalls eine viel grössere
Zahl von Kohlenstoffatomen.
Bei der Ableitung der theoretisch möglichen Isomeriefälle ist oben
zunächst nur auf die Verkettungsweise der Atome Rücksicht genommen
worden. Es muss indess daran erinnert werden, dass mit dem Eintritt
der doppelten Bindung, wie im allgemeinen Theil bereits näher aus-
geführt wui'de (vgl. S. 85 — 86), die Möglichkeit für das Zustandekommen
von räumlich isomeren Verbindungen sich einstellt, da die freie Drehbar-
keit der Kohlenstoffatome durch die Doppelbindung aufgehoben wird. So
konnte z. B. unter den S. 430 erörterten Verbindungen C^Hg das an
zweiter Stelle aufgeführte Dimethyläthylen CH3-CH:CH-CH3 in zwei
stereochemisch verschiedenen Formen auftreten:
H CHa H CHj
H CHg CH3
eis- Dimethyläthylen cis-trans-Dimethyläthylcn
\
9t
432 Verhäliniss zvnschen einfacher
Auch die dreifache Bindung verhindert natürlich die davon beti'ofFenen
KohlenstoflFatome, unabhängig von einander zu rotiren; aber ein BHck
auf das die dreifache Bindung versinnhchende Schema:
zeigt sofort, dass weitere Isomerie-Erscheinungen hier nicht mehr zu den
durch verscliiedene Structur bedingten hinzutreten werden.
Mehrfache Kohlenstoff bindung — doppelte oder dreifache — also ist es, wo-
durch sich die ungesättigten Verbindungen von den gesättigten unterscheiden. So
einfach sich auf dem Papier oder am Modell diese Auffassung ihrer Constitution
durchführen lässt, so ist es doch schwer von dem Wesen der mehrfachen Bin-
dung* eine klare Vorstellung zu gewinnen.
Beim Nachdenken über die Ursachen und die Folgen einer mehrfachen Ver-
kettung zweier Kohlenstoüatome könnte man zunächst zu der Ansicht kommen, dass
doppelt gebundene Kohlenstoffatome mit grösserer Kraft an einander haften sollten,
als einfach gebundene, dreifach gebundene wieder fester verknüpft sein, als doppelt
gebundene. Aber die Thatsachen scheinen dieser Anschauung nicht günstig zu sein.
Schon lange hat man beobachtet, dass die Molecüle ungesättigter Verbindungen gerade
an denjenigen Stellen besonders zu einem Zerfall geneigt sind, wo Kohlenstoffatomc
in mehrfacher Bindung zu einander stehen; so werden z. B. die ungesättigten Säuren bei
der Behandlung mit Oxydationsmitteln meist an dieser Stelle gespalten. Man hatte ferner
gefunden, dass Verbindungen mit dreifachen Kohlenstoffbindungen sehr häufig durch
heftig explosive Eigenschaften ausgezeichnet sind, und glaubte den Grund dieser Un-
beständigkeit in dem Vorhandensein der dreifachen Bindungen erblicken zu müssen.
Das Stärke verhältniss der verschiedenen Biudungsarten schien demnach gerade umgekehrt
zu sein, als man es auf Grund jener nächstliegenden Vorstellung erwarten musste.
Es ist nun freilich nicht nöthig, die erwähnten Thatsachen dahin zu deuten,
dass die mehrfache Bindung lockerer als die einfache ist. So hat sich gezeigt, dass
der Oxjdationsvorgang ungesättigter Säuren zunächst in der Addition zweier Hydro-
xylgruppen an der Stelle der doppelten Bindung besteht:
>C >C-OH
>C >C-OII '
die ursprünglich doppelt gebundenen Kohlenstoffatome werden dadurch mit Sauerstoff
beladen, und es hat nun nichts Auffallendes mehr, entspricht vielmelu* vollkommen
dem in vielen anderen Fällen beobachteten Oxydationsverlauf, wenn das Oxydations-
mittel seine weitere Wirksamkeit auf diese schon „theilweise oxydirtcn" Kohlenstoff-
iitome richtet und gerade hier eine Spaltung des Molecüls bewirkt (vgl. d. Oxydation der
Alkohole S. 152—153, der Ketone S. 409—410). Andererseits braucht auch bei jenen
* Baeyer, Ber. 18, 2277^ 23, 1274. — Wunderlich, Configuration organischer
Molecüle (Leipzig 1886). — Lossen, Ber. 20, 3306. — Wislicenüs, Ber. 21, 581. —
V. Meyer, Ber. 21, 265 Anm.; 23, 581, 618. — V. Meyer u. Rieckb, Ber.
21, 946. — AuwERs, Entwickelung der Stereochemie (Heidelberg 1890), S. 22 — 35. —
Naumann, Ber. 23, 477. — Vgl. auch Brühl, Ann. 211, 162, 371.
und mehrfacher Kohlenstoffbindu7ig. 433
explosiven Verbindungen nicht gerade die dreifache Bindung die Ursache ihrer Un-
bestfindigkeit zu sein; denn diese Verbindungen besitzen auch andere Eigenthümlich-
keiten in ihrer Constitution, welche wohl zur Erklärung ihres leichten Zerfalls her-
beigezogen werden könnten. Wenn z. B. die Tetraacetylendicarbonsäure:
COOH-C^C-C=C-C~C-C— C~COOH
im höchsten Grade explosiv ist, so kann man anstatt der Gegenwart von vier drei-
fachen Bindungen zur Erklärung hierfür auch den Umstand heranziehen, dass sie
ihrer Zusammensetzung nach nahezu als Kohlenstoff plus Kohlensäure angesehen werden
kann; man findet es häufig, dass Verbindungen, deren Zusammensetzung den glatten
Zerfall in einfachere und stabilere Molecüle ermöglicht, die Eigenschaft der Ex-
plosivität besitzen; so zerföllt das Oxalsäure Silber zuweilen unter heftiger Explosion
in Kohlensäure und Silber (AgjC204 = Agj + 2 CO,). Der Umstand femer, dass grade
das Acetylen CH=CH sich im elektrischen Lichtbogen aus weissglühender Kohle
nnd Wasserstoff bildet (vgl. S. 453), spricht jedenfalls nicht dafür, dass die dreifache
Kohlenstoffbindung eine besondere Unbeständigkeit bedingt.
Wenn demnach aus dem chemischen Verhalten der ungesättigten Verbin-
dangen allein vorläufig kein zwingender Grund entnommen werden kann, die
mehr^Eiche Bindung für schwächer zu erklären als die einfache, so lässt sich doch
mit grösster Wahrscheinlichkeit auf Grund thermochemischer Daten behaupten, dass
die Kraft, mit welcher zwei doppelt bezw. dreifach gebundene Kohlen-
stoffatome sich festhalten, nicht den doppelten bezw. dreifachen Werth
der zwischen zwei einfach gebundenen Kohlcnstoffatomen wirksamen
Kraft erreicht, sondern erheblich dahinter zurückbleibt'.
Dass wir es aber bei der Bindung zweier Kohlenstoffiitome durch zwei oder
drei Valenzen überhaupt gar nicht mit einer zweifachen bezw. dreifachen Wieder-
holung desselben Vorganges zu thun haben, der sich bei der einfachen Kohlen-
stoffbindung abspielt, wird einleuchtend, wenn man die Erscheinung der mehrfachen
Bindung vom stereochemischen Standpunkt aus aufzufassen versucht. Bei solchen
Erörterungen macht sich allerdings sofort der Mangel einer klaren Vorstellung vom
Wesen der Valenz sehr fühlbar.
Solange es sich um gesättigte Verbindungen handelte, konnten wir an der Vor-
stellung festhalten , das Kohlenstoffatom sei ein materieller Punkt , von dem vier
Kräfte nadh vier mit einander den gleichen Winkel einschliessenden Richtungen aus-
gehen. Für die doppelte Bindung kommen wir zu dem Schema:
>
die von einem Kohlenstoffatom ausgehenden zwei Valenzen treffen sich mit den
Valenzen des zweiten Kohlenstoffatoms unter einem Winkel im leeren Räume. Eine
polohe Wirkungsweise ist nun selbstverständlich zwischen Kräften nicht denkbar.
* Es ergiebt sich dies aus einem Vergleich der Veränderungen, welche die Ver-
brennnngswärme durch den Austritt zweier Wasserstoffatome erleidet, wenn derselbe
entweder bedingt wird durch die einfache Bindung zweier vorher nicht mit einander ver-
bundener Kohlenstoffatome aus zwei verschiedenen Molecülen oder durch den Ueber-
jrang einer einfachen in eine doppelte oder einer doppelten in eine dreifache Bindung.
Um ans den beobachteten Zahlen den oben ausgesprochenen Satz abzuleiten, bedarf
es nur der Voraussetzung, dass die Kraft, mit welcher ein Wasserstoffatom an ein
Koblenstoffatom gebunden ist, unter allen Umständen — auf welche Weise auch
sonst die Valenzen des betr. Kohlenstoffatoms beansprucht seien — annähernd gleich
bleibt; gegen diese freilich nicht bewiesene Annahme wird man kaum erhebliche Be-
denken haben. Ueber die Berechnung vgl. Thomsen, Ztschr. f. physik. Chem. 1, 369;
7^ 55. — HoBSTKANN, BcT. 21, 2211. — DiEFFENBAcii, Ztschr. f. physik. Chem. 5, 569.
V. Hktbb n. jAO<»BSO?r, org. Chem. I. 28
434 Die mehrfache Bindung, vom
Man könnte denken, dass entweder je zwei von einem Kohlenstoüatom ausgehende
Kräfte durch eine Resultirende in der' Richtung der Verbindungslinie der beiden
KohlenstoiFatome ersetzt werden:
)x?— •— C<
oder dass die Valenzen aus ihrer ursprünglichen Lage so weit abgelenkt werden, bis
sie in die Richtung dieser Verbindungslinie fallen. Aber in beiden Fällen wäre kein
Grund zu sehen, warum durch die doppelte Bindung die freie Drehbarkeit der beiden
Kohlenstoffatome um die sie verbindende Axe aufgehoben sein soll; denn zwischen
den beiden Atomen wirkt ja dann doch schliesslich nur eine Kraft, deren Achtung
mit der sie verbindenden Geraden zusammenfällt.
Die Annahme aber, dass die freie Rotation der Kohlenstofiatome durch doppelte
Bindung aufgehoben wird, werden wir nicht fallen lassen; denn die sich aus ihr als
möglich ergebenden IsomerieföUe entsprechen ja den wirklich aufgefundenen und
durch Structur Verschiedenheit nicht erklärbaren Isomerieerscheinungen; gerade diese
Folgerungen gehören zu den wichtigsten und nützlichsten, welche die stereochemiscbe
Theorie gezeitigt hat. Es ist nun aber nach Obigem klar, dass man, wenn diesen Fol-
gerungen nicht die Berechtigung entzogen werden soll, mit den Atomen nicht mehr
wie mit materiellen Punkten rechnen darf, sondern gezwungen ist, ihnen
endliche Ausdehnung beizulegen. Es erweist sich demnach nicht als genügend,
mit bestimmten Annahmen über die räumliche Vertheilung der von einem Kohlen-
stoffatom ausgehenden Valenzen zu operiren; vielmehr muss man versuchen, auch
zu Vorstellungen über den räumlichen Bau des Kohlenstoffatoms selbst zu gelangen.
Man kann sich das Kohlenstoffatom zunächst als räumlich ausgedehnte Masse
von beliebiger Form vorstellen, die vier Affini tätaeinheiten als vier Punkte, die auf
der Oberfläche so orientirt sind, dass sie den Ecken eines regulären Tetraeders ent-
sprechen , in dessen Mittelpunkt sich der Schwerpunkt des Atoms befindet Von
diesen Punkten nun — nicht von dem Schwerpunkt des Atoms — denke man sicli
die die Valenzen repiäsentirenden Anziehungskräfte ausgehend; ihre Wirkungsrich-
tung möge im Allgemeinen in die Verlängerung der Verbindungslinie zwischen ihrem
Ausgangspunkt und dem Schwerpunkt fallen; die vier Kraftrichtungen bilden dem-
nach mit einander, wie die Axen des regulären Tetraeders, einen Winkel von 109* 28'.
Wenn nun zwei Kohlenstofiatome nur durch einfache Bindung verkettet sind,
so können sie sich stets so anordnen, dass die Richtung der beiden die Bindung be-
wirkenden Valenzen zusammenfällt; bei mehrfacher Bindung ist dies indess nicht
mehr möglich. Für diesen Fall (und für den Fall der Ringschliessung, vgl. Bd. II)
macht nun Baeyer die Annahme, „dass die Richtung der Valenzen eine Ab-
lenkung erfahren kann, die jedoch eine mit der Grösse der Letzteren
wachsende Spannung zur Folge hat.^^ Stellt man sich vor, dass bei der mebr-
fachen Bindung die Valenzen so weit abgelenkt werden, bis sie der Verbindungslinie
zwischen den Schwerpunkten der beiden Atome parallel gerichtet sind, so ergiebt sich,
dass bei der doppelten Bindung jede der Valenzen um 54° 44', bei der dreifachen
Bindung jede um 70° 32' aus ihrer ursprünglichen Richtung abgelenkt werden muss.
Durch die Richtungsänderung aber wird eine der Anziehung entgegenwirkende
„Spannung'' veranlasst; es ergiebt sich daraus, dass die doppelte und dreifache Bin-
dung in Bezug auf ihre Festigkeit keineswegs gleich der Summe von zwei bezw. drei
Bindungen zu setzen ist; auch lässt sich mit Hülfe dieser „Spannungstheorie'' Baeyer's
verstehen, dass eine sehr starke Ablenkung der Valenzrichtungen, wie sie für die
dreifache Bindung erforderlich ist, durch die von ihr bedingte erhebliche Spannan^r
eine grosse Unbeständigkeit des Atomcomplexes (Explosivität der betreffenden Ver-
bindungen) zur Folge haben kann.
Standpunkt der Stereochemie betrachtet. 435
Andere Vorstellungen über die Natur der Kohlenstoff- Valenzen führen zu ähn-
lichen Ergebnissen. Wunderlich denkt sich die Vereinigung der Atome durch be-
sondere ausgezeichnete Stellen derselben — „Bindestellen" — vermittelt; treten
zwei Atome mit einander in Verkettung, so suchen die Bindestellen der beiden ver-
schiedenen Atome sich auf eine Entfernung nahe zu kommen, welche klein ist im
Yerhfiltniss zur Grösse der Atome. Als vierwerthiges Atom besitzt das Kohlenstoff-
atom vier solche Bindestelien, welche räumlich derart orientirt sind, dass ihre Schwer-
punkte — „Bindeschwerpunkte'' — von dem Schwerpunkte des Atoms sich in gleicher
Entfernung befinden und gleichen Abstand von einander besitzen. Man kann sich
z. B. das Kohlenstoffatom als eine Kugel vorstellen, von der vier gleich grosse sym-
metrisch gelegene Segmente abgeschnitten sind, welch* letztere die Bindestellen dar-
stellen. Bei einfacher Bindung können sich dann die Bindestellen zweier Atome bis
zur Berührung nähern, und jedes Atom kann unabhängig vom anderen um die die
Schwerpunkte der beiden Atome verbindende Axe rotiren, denn die gegenseitige Lage
der beiden Bindestellen wird dadurch nicht geändert. Bei mehrfacher Bindung in-
dessen ist eine Berührung der auf einander wirkenden Bindestellen nicht mehr mög-
lich, da die Massen der beiden Kohlenstoffatome sich nicht durchdringen können.
Die Bindestellen können sich nur bis auf einen bestimmten Abstand einander nähern;
die freie Drehbarkeit der beiden Atome ist aufgehoben , da jede unabhängige Be-
wegung eines Atoms den Abstand der correspondirenden Bindestellen verändern
würde; die Anziehung, welche zwischen je einer Bindestelle des einen Atoms
und der entsprechenden Stelle des zweiten Atoms wirkt, wird infolge des grösseren
Abstandes kleiner sein , als die bei einfacher Bindung zwischen einem Paare von
Bindestellen wirksame Kraft. Die doppelte Bindung kann demnach auch nach dieser
Aufiassungsweise nicht den zweifachen, die dreifache Bindung nicht den dreifachen
Festigkeitswerth der einfachen Bindung erreichen.
Auf Grund der stereochemischen Anschauungen kann man bei Annahme ge-
wisser Voraussetzungen zahlenmässige Berechnungen des Festigkeitsverhältnisses
zwischen einfacher, doppelter und dreifacher Bindung anstellen; vgl. hierüber Aüwebs
und Naxtxakn^.
Um aber zu erkennen, dass bei mehrfacher Bindung die Wirkung
der einzelnen Valenzen zweier Kohlenstoffatome auf einander geringer
sein wird, als bei einfacher Bindung, bedarf es alT dieser Hypothesen
nicht; es genügt die einfache Vorstellung, das Kohlenstoffatom sei eine
Kugel, die vier Valenzen vier ausgezeichnete Punkte auf der Ober-
fläche derselben. Es leuchtet sofort ein, dass bei einfacher Bindung
eine directe Berührung der Valenzen möglich ist, nicht aber bei mehr-
facher Bindung. Die folgenden (nicht perspecti vischen) Zeichnungen:
In den S. 432 citirten Abhandlungen.
28'
436 Alkylene (Zusammensetzung,
in welchen die hinter der Ebene des Papieres befindlichen Valenzen fortgelassen
sind, werden dies erläutern.
Auch in derartigen Betrachtungen wird man erkennen, dass die Verfolgung der
stereochemischen Lehren einen Fortschritt gegenüber der älteren Structurtheorie be>
deutet. Wir gewinnen für das Verhältniss der einfachen zur mehrfachen Bindung
ein Bild, welches den vom Standpimkte der Structurtheorie höchst auffällig erschei-
nenden Resultaten der thermochemischen Beobachtungen (vgl. S. 433) entspricht. Und
wenn uns einstweilen bei Anstellung solcher Erwägungen jeder Schritt den Mangel
einer präcisen Vorstellung vom Wesen der chemischen Verwandtschaft empfinden
lässt, so darf uns doch der bescheidene Erfolg in der Hoffnung bestärken, dass die
Zeit, die unserer Wissenschaft eine Klärung dieses Grundbegri£& bringt, nicht mehr
gar zu fem ist.
Dreizehntes Kapitel.
Die ungesättigten Eohlenwassersto£fe.
I. Die Kohlenwasserstoffe ron der Zasammensetzang C^H^^.
Alkylene.
Znsammensetzang und Nomenclatnr. Die Kohlenwasserstoffe
dieser Reihe — CgH^ , CgH^ , C^Hg etc. — haben alle die gleiche
procentische Zusammensetzung, dem Aequivalent- Verhältniss 1 C : 2H ent-
sprechend. Man kann sie daher nicht durch die Analyse Ton einander
unterscheiden, wohl aber, indem man durch Dampfdichtemessung ihre
Moleculargrösse ermittelt oder den Bromgehalt ihrer Bromadditionspro-
dukte — CjH^Brg, CgHgBrg, C^HgBrj etc. — bestimmt.
Nach dem S. 97 (Anm.) erwähnten Nomenclatur-Princip würden die
Kohlenwasserstoffe dieser Reihe durch die Endung „en" charakterisirt.
Es entsprechen also den gesättigten Kohlenwasserstoffen:
Aethan CjH, ^^ ungesättigten ^^^^e» C.H^
Propan C3H3 Kohlenwasserstoffe: ^^^P^^ ^^^
Butan O^HjQ Buten C^Hq.
Diese Bezeichnungsweise wird neuerdings von Baeter ^ wieder aufgenom-
men, welcher das Vorkommen einer Doppelbindung durch die Endsilbe
,,en" charakterisiren will; bisher ist sie nicht sehr gebräuchlich gewesen;
man benutzte vielmehr fast allgemein die Endung „ylen" und nannte
demgemäss den Kohlenwasserstoff CjjH^ Aethylen, CgHg Propylen,
C^Hg Butylen etc.; die ganze Reihe fasst man unter dem Gruppennamen
Alkylene zusammen.
Eine der am frühesten bekannt gewordenen Eigenschaften dieser
Kohlenwasserstoffe ist ihr Vermögen, mit Chlor und Brom leicht zu Ver-
* Die bezüglichen Vorschläge unterliegen gegenwärtig der Berathang einer Com-
mission (vgl. Ber. 23, 568), deren Beschlüsse zur Zeit der Drucklegung dieses Bogens
noch nicht vorliegen.
Isomeriefälle, Nomendatur), 437
bindungen zusammenzutreten, welche in den niederen Reihen mit Wasser
nicht mischbare Flüssigkeiten darstellen. Wegen dieser Eigenschaft
nannte man das Aethylen das ölbildende Gas (gaz ol6fiant), und auch
die ganze Reihe wurde häufig mit der Bezeichnung Oelbildner oder
Olefine belegt.
Um in den höheren Reihen die Isomeren von einander zu unter-
scheiden, denkt man sie sich am zweckmässigsten auf das erste Glied
der Reihe zurückgeführt. Alle höheren Glieder lassen sich als Alkyl-
Sabstitutionsprodukte des Aethylens auffassen, welche einer der folgenden
allgemeinen Formeln entsprechen:
CH,:CHR CHRiCHR' CH,:CRR'
einfach alkyllrt. symmetr. zweifach alkylirt unsymmetr. zweifach alkylirt.
CHR: CR'R" CRR' : CR"R'",
dreifach alkylirt vierfach alkylirt.
wo R, R', R", R'" beliebige Alkylreste darstellen. So kann man z. B.
die isomeren Butylene durch die Bezeichnungen:
CH,.CH,.CH:CH, CHjCHiCHCH,
Aethyläthylen symmetr. Dimethyläthylen
<CH8
CH,
unsymmetr. Dimethyläthylen
Iso-Dimethyl&thylen
unterscheiden. Dass die symmetrisch dialkylirten Aethylene der Theorie
nach in zwei räumlich verschiedenen Configurationen — durch die Vor-
silben eis- und cis-trans- zu unterscheiden — existiren können, ist schon
hervorgehoben worden (S. 431). Es mag indessen noch erwähnt sein,
dass derartige Isomerien bei den Kohlenwasserstoffen dieser Reihe noch
nicht constatirt worden sind.
Eatstehongsweisen. Alkylene bilden sich sehr häufig bei der Zer-
setzung complicirter organischer Stoffe durch Hitze. Ihr Vorkommen im
Leuchtgas ist hierauf zurückzuführen. Beim Destilliren vonParaffin unter
Druck ^ entstehen Alkylene. Näher untersucht wurden die durch Destilla-
tion des elsässischen Erdpeches erhältlichen Alkylene*; im Harzöl finden
sie sich in geringer Menge*.
Auch aus einfachen Kohlenstoffverbindungen erhält man in pyro-
genen Processen Kohlenwasserstoffe dieser Reihe, so z. B. Aethylen,
wenn ein Gemisch von Schwefelkohlenstoffdampf, Schwefelwasserstoff und
Kohlenoxyd über glühende Eisenspähne geleitet wird, — Propylen, wenn
ein Gemisch von Methan und Kohlenoxyd der dunklen Rothgluth aus-
gesetzt wird*.
* Thobpb u. Youno, Ann. 165, 1.
* Le Bel, Bull. 18, 164. Compt. rend. 85, 852.
' Renard, Ann. eh. [6] 1, 226. ^ Berthelot, Ann. 108, 196.
438 Bildungsweisen der
Bei der Lösung des Spiegeleisens in verdünnten Säuren giebt der
KohlenstoflPgehalt des Eisens zur Bildung von Alkylenen Anlass^.
Für die Darstellung bestimmter Glieder dieser Kohlenwasserstoif-
reihe kommen in erster Linie die folgenden beiden Methoden in Betracht.
1. Abspaltung von Wasser aus den Grenzalkoholen:
CHjOH CH,
-H.O =
CH3 CHj
2. Abspaltung von HalogenwasserstofF aus den Halogenalkylen (na-
mentlich den Jodüren):
I -HJ = I .
CHs-CH, CHg-CH
Für die Ausführung der ersten Reaction benutzt man in der Regel
die Wirkung der concentrirten Schwefelsäure oder des Chlorzinks.
Bei Anwendung der concentrirten Schwefelsäure hat man sich die Re-
action in zwei Phasen:
CH3
CHjOH CHjO.SOjOH
+ OH. SO,. OH = +H,0,
CH3
CHaO.SOj.OH^ CH,
I = I +OH.SO,.OH
CHj CH,
zerlegt zu denken. In manchen Fällen genügt auch eine mit dem ein-
bis zweifachen Volum Wasser verdünnte Schwefelsäure. Zusatz von Sul-
faten* (Kaliumsulfat und Gyps), welche indess nur mechanisch zu wirken
scheinen und auch z. B. durch Glaspulver ^ oder Talk* ersetzt werden
können, beinflusst zuweilen die Reaction vortheilhaft. Auch Phosphor-
pentoxyd^ kann zur Wasserentziehung angewendet werden.
Der glatte Verlauf dieser Reaction wird von der vierten Reihe an sehr beein-
trächtigt durch die BUdung polym er er Kohlenwasserstoffe. In Berührung mitconc
Schwefelsäure oder Chlorzink erleiden die Alkylene leicht eine Polymerisation; man
erhält daher z. B. bei der Darstellung von Butylen C4H8 daneben Dibutylen CgHj^,
Tributylen Ci,Hj4 (Näheres vgl. unter Butylen S. 449 und Amylen S. 452). Aber auch
insofern complicirt sich die Reaction in den höheren Reihen, als theilweise ümlage-
rungen des normalen Reactionsproduktes in isomere Kohlenwasserstoffe eintreten.
Während z. B. der gewöhnliche Amylalkohol ja ausschliesslich primäre Alkohole
enthält und durch Wasserabspaltung bei normaler Reaction also nur Alkylene vom
Typus CHjiCHR oder CHjiCRR' entstehen lassen sollte, enthält das daraus gewon-
nene Amylen in Folge einer Verschiebung der doppelten Bindung reichliche Mengen
von Trimethyläthylen (CH3)2C:CH(CH,) (vgl. S. 450—451). Selbst Veränderungen
des Kohlenstoffgerüstes treten ein; so entsteht aus dem Isobutylalkohol nicht allein
das unsymmetrische Dimethyläthylen (CHglsC : CH„ sondern daneben auch in grosser
* Hahn, Ann. 120, 57. — CloKz, Compt. rend. 78, 1565.
* PüCHOT, Ann. eh. [4] 28, 508. ^ Lermontofp, Ann. 106, 117 Anm.
* KoNowALOPF, Ber. 13, 2395.
* Beilstein u. Wieg and, Ber. 15, 1498.
Alkylene. 439
Menge Kohlenwasserstoffe mit normaler Kette, nämlich das sj-mmetrische Dimethyl-
äthylen» CHj-CPIiCHCH, und das Aethyläthylen • CH,.CH,.CH:CHj.
Statt den Alkoholen direct Wasser zu entziehen, ist es in den
höchsten Reihen sehr zweckmässig, den Alkohol zunächst in den Ester
einer höheren Fettsäure (durch Einwirkung des Säurechlorids) zu ver-
wandeln und diesen Ester zu destilliren; bei der Destillation unter ge-
wöhnlichem oder passend vermindertem Druck zerfällt letzterer in die
Säure und das entsprechende Alkylen (vgl. S. 360). Unter Benutzung
der Palmitinsäure hat dieser Weg zur Gew^innung mehrerer normaler
hochmolecularer Alkylene vom Typus CHRrCHg gedient^, z. B.:
C,»H„.CHj.CH,.OH + Cl.COCijHai = HCl + C,eH8s.CH,.CH,.O.CO.C,8H„,
Octadecylalkohol
Ci^Hsj'CHj'CHj'O'CO'CisHji = CißHss-CH: CHj + OH'CO-CisHji.
Octadecylen
Zur Einleitung der zweiten der oben genannten Hauptreactionen
— der Abspaltung von Halogenwasserstoff aus Halogenalkylen — be-
dient man sich in der ßegel der Einwirkung des alkoholischen
Kalis auf die Alkyljodüre; seltener bewirkt man sie durch Ueber-
leiten über glühenden Aetzkalk oder Erhitzen mit Bleioxyd*. Bei der
Behandlung mit alkoholischem Kali wird die Alkylenbildung meist von
der Bildung von Aethern begleitet, z. B.:
C^HgJ + KOCgHs = C^H^OCjHg + KJ.
Namentlich bei Benutzung der primären normalen Alkyljodüre tritt die
letztere Reaction zuweilen sehr in den Vordergrund und beeinträchtigt
daher die Ausbeute an Alkylen beträchtlich, w^ährend secundäre und
tertiäre Alkyljodüre viel leichter und glatter im Sinne der Alkylen-
abspaltung reagiren^.
Alkylene entstehen in erheblicher Menge bei der Zersetzung der salpetrig-
sauren Salze primärer Amine^ durch Kochen in wflssriger Lösung (vgl.
S. 161—162), z.B.:
CHg — CHj CHg — CH
+ Nj + 2HjO.
CHjNHj.NOOH CHj
Von den Dihalogen-Derivaten der Paraffine, welche die
Halogenatome an zwei benachbarten Kohlenstoffatomen ent-
halten, gelangt man durch Halogenentziehung zu Alkylenen, z.B.:
CH,Br CH,
-Er, = I .
CHjBr CH,
Bei den Bromiden kann man diese Keaction leicht durch Einwirkung
' Le Bel u. Greene, Bull. 20, 306. — Konowaloff, Ber. 18, 2395.
' Fawobskt u. Debout, J. pr. [2] 42, 152.
■ Krapft, Ber. 16, 3018. * Eltekoff, Ber. 11, 414.
^ Vgl. Lieben u. Bossi, Ann. 158, 164.
* y. Metef, Forstes u. Barbieri, Ber. 0, 543; 10, 136.
440 Bildungsiveisen der Alkylene.
von Zink oder verkupfertem Zink in alkoholischer Lösung hervorrufend
Sehr leicht erfolgt die Jodabscheidung aus den Jodiden*; Propylenjodid
CH3'CHJ-CH2J z. B. zersetzt sich schon bei gelindem Erwärmen explo-
sionsartig in Propylen CHg-CHiCHg und Jod ^. Da indess diese Dihalo-
gen-Verbindungen fast stets erst aus den Alkylenen durch Addition von
Halogenen gewonnen werden, so besitzt diese Reaction nur etwa für
solche Fälle präparative Bedeutung, in denen man aus einem Gasgemisch
zunächst das Alkylen durch Ueberfuhrung in sein Dibromid isoliren und
aus letzterem nun wieder das Alkylen regeneriren will.
Diese Bildungsweisen dienen zur Ueberfuhrung von gesättigten
Verbindungen in Alkylene; durch Abspaltung eines anorganischen
Molecüls aus dem Molecül eines Paraffin-Derivates werden KohlenstoflF-
Valenzen an benachbarten Atomen ihrer bisherigen Function entzogen
und lassen nun durch gegenseitige Sättigung die Doppelbindung ent-
stehen. Geht man von ungesättigten Verbindungen aus, welche
schon die Doppelbindung enthalten, so lassen sich manche der für die
Gewinnung der Paraffine S. 123 — 127 angegebenen Darstellungsweisen
auch zur Bildung von Alkylenen benutzen. Es ist nicht nöthig, diese
Reactionen noch einmal einzeln zu besprechen, einige Gleichungen wer-
den zur Erläuterung ihrer Anwendung genügen:
CH^rCHCHsJ + Hj, = H J + CH^iCHCHs ;
Allyljodid Propylen
2CH,:CH.CH8J + ZnCCHg), = ZnJ, + 2 CH, : CH • CHj • CH,.
Aber auch hier muss hervorgehoben werden, dass bei der Bildung der
ungesättigten Kohlenwasserstoffe häufig ümlagerungen eintreten, so dass
die Constitution des Reactionsproduktes nicht immer der bei normalem
Verlaufe zu erwartenden- entspricht. Bei der durch die letzte Gleichung
ausgedrückten Umsetzung zwischen Allyljodid und Zinkmethyl z. B.
bildet sich das Aethyläthylen nur in geringer Menge; das Hauptprodukt
ist vielmehr das symmetrische Dimethyläthylen* CHg-CHrCH-CHj.
Aus den einbasischen ungesätttigten Säuren der Reihe CaHjn jOj
(Oelaäure-ßeihe) kann man durch Erhitzen ihrer Natriumsalze mit Natronkalk (vgl.
S. 1 25) nicht die um ein Kohlenstoffatom ärmeren Alkylene in analoger Weise, wie die
Paraffine aus den Fettsäuren, gewinnen; denn diese Säuren würden hierbei eine Spal-
tung ihrer Kohlenstoffkette erleiden (vgl. S. 493—494). Ersetzt man aber das Natron-
hydrat durch Natriummethylat, so lässt sich die einfache Kohlensäureabspaltung
zuweilen ausführen*; aus der Säure C21H41 • CO • OH erhält man z. B. das Alkylen Cg|H4s.
Von niederen Gliedern der Alkylenreihe kann man zu höheren
Homologen aufsteigen, indem man sie in Gegenwart eines Oxyds (Bleioxyd oder
Kalk) mit Halogensilkylen erhitzt •, z.B.:
^ßHig -h CHjJ — HJ = CßHi2
C5H10 -f 2CH3J-2HJ = CyHi4.
* Gladstonk u. Täibe, Ber. 7, 364.
• Vgl. Wanklyn u. Thakn, Ann. 112, 201. • Malbot, Ann. eh. [6] 19, 349.
* Vgl. Grosheintz, Bull. 29, 201. • Mai, Ber. 22, 2135.
• Eltekofp, Ber. 11, 412. — Leemontofp, Ann. 196, 116.
Tabellarische Uebersicht über die Alkylefie.
441
Allgemeine Charakteristik. Bis zur vierten Eeihe sind die Alky-
lene Gase, welche mit russender Flamme verbrennen. Dann folgen
Flüssigkeiten, welche in Wasser nicht, in Alkohol und Aether leicht
löslich sind, endlich krystallisirbare Verbindungen. Die folgende Tabelle
Nr. 24 enthält die Constanten für eine grössere Zahl von Alkylenen;
von der sechsten Reihe an aufwärts sind nur die normalen Alkylene vom
Typus CHR:CHj berücksichtigt:
Tabelle Nr. 24.
Name
Aethylen*-""
Propylen**
Butylene":
Aethyläthylen"
Sjmm. Dimethyläthylen* . . .
Isobutylen*
Amylene**:
Sjinm. Methyl&thyläthylen« .
Ißopropyl&thylen '
Unsymm. Methyläthylathylen*
TrimethylÄthylen*
Hexylen*
Heptylen*-"
Octylen"
Formel
ilCHjtCH,
CH.CHiCH,
!l
'CsH5 • CH : CHj
CHjCHiCHCH,
CH,.CH:CH.CgH5
(CHaljCHCHiCH,
(CH,XC,H,)C:CH,
(CHg)jC:CH(CIl8)
C^Hp • CH : CHj
C5H1J • CH : CHg
CeH,3.CH:CH,
Schm.-
punkt
—169°
Dodecylen" CjoH,i • CH : CH,
Tetradecjlen" C^HssCHiCHj
Hexadecjlen'»-" CuHj^CHiCH,
OctÄdecylen" |C,8H„.CH:CHg
—310
—120
+ 40
+ 18«
Siede-
punkt
— 1030
—50
+ 1<>
-6°
+ 36°
+ 20—21°
31—320
36—380
68—700
96—990
122—123»
Spec.
Gew.
960
1270
1550
1790
B
B
ö
0-648(00)
0-670(00)
0-67« (0°)
0-703(19-50)
0-722(170)
0-795 \o-
a
B
0-794 ^
>B
0-792 g-
0791 K
Citate zu der Tabelle Nr. 24: * Wboblewsky u. Olszewski, Monatsh. 4,
338. — « Olszewski, Compt rend. 00, 138. Monatsh. 8, 71. — " Wübtz, Ann. 162,
23. — * Liebe», Ann. 160, 108. — * Bütlerow, Ztachr. Chem. 1870, 236. —
• Waqkbe u. Saytzeff, Ann. 175, 373. — ' Flawitzky, Ber. 11, 992. — * Le
Bbl, Jb. 1870, 347. — » Moboan, Ann. 177, 304. — " Schorlemmbr, Ann. 136,
267. - " Möslinüeb, Ann. 186, 53. — " Kbappt, Ber. 16, 3018. — " Dumas u.
i'^LiGOT, Ann. 10, 292. — " Mendelbjeff, Compt rend. 51, 97. — " Lasabenko,
Ber. 7, 125. — " Smith, Ann. eh. [3] 6, 51. — " Vgl. d. specielle Besprechung
S. 446—452.
Von den in chemischer Beziehung so trägen Paraffinen sind die Alkylene
durch leichte Angreifbarkeit wesentlich unterschieden. Ihr chemisches
^erhalten wird in erster Linie bestimmt durch das charakteristische
Merkmal aller ungesättigten Verbindungen: das Additionsbestreben.
442 Additiofisreaßtionen
An einer Stelle ihres Molecüls sind ja zwei KohlenstoflFatome durch mehr
Valenzen verknüpft, als zu ihrem Zusammenhalt erforderlich ist. Hier
können weitere Atome oder Radicale, ohne den Bestand des Kohlen-
stoflfgerüstes zu gefährden, hinzutreten. Die Molecüle zahlreicher anorga-
nischer Verbindungen, welche man mit den Alkylenen in Reaction
bringt, werden daher in zwei einwerthige Bestandtheile gespalten, die
sich nun an die beiden ursprünglich doppelt gebundenen Kohlenstoff-
atome anlagern:
\c/ \cx/
II +XY= I .
/^\ /^^\
Die Anlagerung von Wasserstoff:
Cllg • CHj + Hj = Cxi3 • Cxig
gelingt verhältnissmässig nicht leicht. Erhitzt man ein Gemisch von
Aethylen und Wasserstoff, so bildet sich zwar reichlich Aethan, aber
die Reaction bleibt unvollständig; ihr entgegen wirkt die in der
Hitze eintretende Spaltung des Aethans in Aethylen und Wasserstoff
(C3H3 = CgH^ + H3), und zwischen beiden Reactionen stellt sich ein
Gleichgewichtszustand her^ Viel rascher und vollständig verläuft die
Wasserstoffaddition in Gegenwart von etwas Platinschwarz bei gewöhn-
licher Temperatur*.
Die Fixirung der Halogene, namentlich des Chlors und Broms:
CHj, : CHj + Clj = CHjCl .CH,C1
CHj : CHj + Br, = CHjBrCHaBr,
erfolgt unmittelbar beim Zusammenbringen mit grösster Leichtigkeit und
unter Wärmeentwickelung. Man zieht von dieser meist äusserst glatt
verlaufenden Additionsreaction häufig Nutzen, wenn es sich um die Er-
kennung der Alkylene — namentlich in gasformigen Reactionsprodukten —
handelt; die Gase werden durch Brom geleitet, und nach dem Lösen
des überschüssigen Broms in Alkali erhält man die Alkylene in Gestalt
ihrer in Wasser unlöslichen und durch den Siedepunkt leicht zu charak-
terisirenden Dibromide (vgl. Tabelle Nr. 30 in Kap. 19).
Bei der Einwirkung des Chlors wird zuweilen statt eines Additionsprodoktes
ein Substitut! onsprodukt erhalten", wohl weil das zunfichst entstehende Dichlorid
unter Chlorwasserstoff- Abspaltung zerföllt, z. B.:
C^Hs + Cl, = C^HßCl, = C4H7CI + HCL
Die Anlagerung der Halogenwasserstoffsäuren* führt von
den Alkylenen zu den Halogenalkylen:
CHj : CH, + HCl = CHa • CH,C1
CH, : CH, + HBr = CHj • CHjBr.
* Vgl. Berthelot, Ann. eh. [4] 9, 431. Bull. 39, 145. * de Wilde, Ber. 7, 353.
* Vgl. ScHESCHUKOw, Bcr. 17 o, 412. — Kondakow, Ber. 21c, 440; 24, 982, —
Hell u. Wildermann, Ber. 24, 216. — Gustavson, J. pr. [2] 42, 495.
* Berthelot, Ann. 104, 184; 116, 114.
der Alhylene. 443
Sie ist am leichtesten mit der Jodwasserstoffsäure zu erzielen, auch
Bromwasserstoff wird meist leicht aufgenommen, während Chlorwasser-
stoff oft träge reagirt. Bei den Homologen des Aethylens erfolgt die
Anlagerung stets in der Weise, dass das Halogenatom an dasjenige
Kohlenstoffatom tritt, mit welchem die geringere Zahl von
Wasserstoffatomen verbunden ist^ Demgemäss entstehen z. B.
aus dem Propylen CH^iCH-CHj nicht die Derivate des normalen Pro-
pylalkohols, sondern des Isopropylalkohols*:
CHj: CHCHs + H J = CHaCHJCHs.
Zur Ausfiihrung der Addition genügt bei Anwendung von Brom- oder
Jodwasserstoffsäure meist die Digestion mit den rauchenden wässrigen
Säuren bei gewöhnlicher Temperatur. Mit concentrirter Salzsäure reagiren
ebenfalls manche Alkylene schon in der Kälte, andere bedürfen der Ein-
wirkung bei höherer Temperatur im geschlossenen Apparat. Dieses un-
gleichartige Verhalten gegen Salzsäure lässt sich oft mit Vortheil zur
Trennung von Alkylengemischen benutzen^. Es scheint, dass die Alky-
lene um so leichter Salzsäure anlagern, je weniger Wasserstaffatome sich
an den doppelt gebundenen Kohlenstoffatomen befinden; die Kohlen-
wasserstoffe vom Typus CHg : CRR' und CHE : CR'R" addiren Chlorwasser-
stoff schon in der Kälte, dagegen die einfach alkylirten Aethylene
CHjiCHR erst bei höherer Temperatur*.
Mit unterchloriger Säure (in wässriger Lösung) treten die Alky-
lene zu Glykolchlorhydrinen zusammen*:
CH,:CHj + ClOH = CHjCl-CHj-OH.
Von concentrirter bezw. rauchender Schwefelsäure werden
die Alkylene gelöst; erwärmt man die mit Wasser versetzte Lösung,
so erhält man einen Alkohol der Grenzreihe; der Effect dieser Eeaction®
besteht also in einer Wasseranlagerung:
CH, : CH, + HaO = CHsCHj-OH;
man hat sie sich indessen derart vorzustellen, dass zunächst durch Addi-
tion von Schwefelsäure eine Alkylschwefelsäure:
CH,:CH, + HjSO^ = CHg • OH, • 0 • SOjH
sich bildet^, welche nun durch Wasser in Alkohol und Schwefelsäure
gespalten wird (vgl. S. 203):
Bei den Homologen des Aethylens bewirkt diese Reaction niemals die
* Markownikoff, Ann. 153, 256. Ber. 2, 660. — Vgl. auch Saytzefp, Ann,
179, 296.
* Erlenmeyer, Ann. 139, 228. — Butlerow, Ann. 145, 274.
■ Vgl. z. B. Morgan, Ann. 177, 304. — Schorlemmer, Ann. 166, 177; 199, 139.
* Le Bel, Compt. rend. 86, 852. * Carius, Ann. 126, 197.
* Vgl. GoRiAiNOw u. BcTLERow, Ann. 169, 146.
' Berthelot, Ann. eh. [3] 48, 391.
1
444 AdditionsreacHanen,
Bildung primärer, sondern stets diejenige secundärer oder tertiärer Alko-
hole, indem — gerade wie bei der Addition der Halogenwasserstoffsäuren
(s. S. 443) — der saure Rest ( — SO^H bezw. — OH) stets das am we-
nigsten hydrogenisirte Kohlenstoffatom aufsucht (vgl. S. 147 — 148). Von
der in vielen Fällen daneben verlaufenden Polymerisirung der Alkylene
wird noch die Rede sein (S. 445, 449, 452). Für die üeberfiihrung in
Alkylschwefelsäuren bezw. Alkohole genügt bei einigen Alkylenen eine
mit etwa dem halben Volum Wasser verdünnte Schwefelsäure, andere
werden von einer derart verdünnten Säure nicht verändert; auf dieses
Verhalten können zuweilen vortheilhafte Trennungsmethoden der Alkylene
gegründet werden (vgl. unter Amylene S. 450 u. 451).
Die Umwandlung der Alkylene in die zugehörigen Alkohole durch
Wasseranlagerung erfolgt in einigen Fällen auch schon durch längere
Einwirkung von verdünnter Salpetersäure bei gewöhnlicher Tempera-
tur^, z. B.:
(CH8)jC:CHj, + HjO = (CH8)8C(OH).CH8.
Während die Lösung der niederen gasformigen Alkylene in concentrirter Schwe-
felsäure hei gewöhnlicher Temperatur ziemlich langsam verläuft, erfolgt durch
rauchende Schwefelsäure rasche Absorption, wobei z. B. aus Aethylen und
Schwefelsäureanhydrid :
CHs-O-SOgv
CHj,:CH, + 2S08 = I >0
CH, SO/
Carbylsulfat (vgl. Kap. 20) entsteht '. Man benutzt daher die rauchende Schwefelsäure
in der Gasanalyse — z. B. bei der Analyse des Leuchtgases — , um die Alkylene zu
absorbiren und durch die infolgedessen eintretende Volumverminderung des Gases den
Gehalt an Alkylenen festzustellen. Wasserstoff, Sumpfgas und seine Homologen,
Kohlenoxyd etc. werden von der rauchenden Schwefelsäure nicht absorbirt, wohl aber
ausser den Alkylenen auch das Acetylen und seine Homologen und die aromatischen
Kohlenwasserstoffe (Benzol etc.).
Mit organischen Säuren können Alkylene zu Alkylestem zusammen-
treten, z. B.:
(CHaljCiCHCHs + OH-COCHs = (CH,),C • CH, • CHj
I ;
OCOCHs
mit Essigsäure verläuft diese Eeaction sehr langsam, sehr viel rascher mit den Chlor-
Substitutionsprodukten der Essigsäure'.
Durch Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd soll aus Aethylen nach Carixts*
in sehr geringer Menge Aethylenglykol gebildet werden:
CHj : CH, + H,0, = CH/OH) • CH,(OH).
Stickstofftetroxyd lagert sich an die Alkylene unter Bildung
von Isonitroso-Nitraten an^:
* BüTLEBOw, Ann. 180, 245. * Regnault, Ann. 25, 82.
' KoKOWALow, Ztschr. f. physik. Chem. 2, 880. * Ann. 126, 209.
* Guthrie, Ann. 116, 248; 119, 83; 121, 116. — Wallach, Ann. 241, 288;
248, 161.
Polymei'isaiion und Oxydation der Alkylene. 445
(CH3),C (CH8)aC-0.N0j (CHaljC-O-NO,
11 +NA= 1=1;
(CH3)CH (CH8)CH-N0 (CH8)C— N-OH
auch Nitrosylchlorid bildet additioneile Verbindungen ^
Mit Chlorschwefel (S,C], und SClj) bilden die Alkjlene ölige, nicht unzer-
setzt flüchtige Additionsprodukte'.
Auch mit einigen Metallhaloidsalzen, wie z. B. Eisenbromür, Platinchlorür
und -bromür, Iridiumchlorid' vereinigen sich die Alkylene. Von Interesse sind die
Verbindungen mit Platinchlorür, wie das Aethylenplatinchlorür* CjH^.PtClj;
sie bilden sich auch beim Erwärmen von Platinchlorid mit Alkoholen, indem ein
Theil des Alkohols zu Aldehyd oxydirt wird:
PtCU + 2C,HeO = CjH^.PtClj + CjH^O + H,0 + 2 HCl,
und treten mit Chlorkalium zu schön krystallisirten gelben Doppelsalzen, wie z. B..
CjH^.PtCl, + KCl + HjO, zusammen.
Die Polymerisation der Alkylene — das Zusammentreten meh-
rerer Molecüle unter dem Einfluss condensirender Mittel, wie Schwefel-
säure, Chlorzink, Fluorbor — ist bereits mehrfach erwähnt. Das
Aethylen lässt sich nicht polymerisiren ^ ; fiir seine Homologen ist der
Polymerisationsvorgang hauptsächlich beim Isobutylen und Amylen unter-
sucht worden (vgl. S. 449, 452). Es hat sich nachweisen lassen, dass die
dimolecularen Produkte Glieder derselben Kohlen wasserstoflfreihe sind;
so besitzt z. B. das Diisobutylen die Structur (CHg)3C=^CH- 0(0113)3;
seine Bildung unter dem Einfluss der concentrirten Schwefelsäure kann
man derart interpretiren, dass aus einem Molecül Isobutylen durch Addi-
tion von Schwefelsäure eine Aetherschwefelsäure entsteht:
(CH3),C : CH, + H,SO^ = (CHal^c/ ' ,
\SO4H
welche nun mit einem zweiten Molecül Isobutylen sich unter Wieder-
abspaltnng von Schwefelsäure condensirt®:
(CH,),C : CH, + SO^HCCCH,), = H^SO^ + (CHs^jC : CH.C(CH8)8.
Eine Polymerisation findet auch bei der Einwirkung von Aluminiumbromid
(oder -Chlorid) in Gegenwart von Bromwasserstoff (oder Chlorwasserstoff) statt In-
dem daneben Grenzkohlenwasserstoffe entstehen, resultirt aus dem Aethylen das
Rohlenwasserstoff-Bromaluminium ^: eine dicke Flüssigkeit, deren Zusammen-
setzung der Formel AlBrj.CiHg entspricht, und die von Wasser unter Bildung schwer
flüchtiger ungesättigter Kohlenwasserstoffe zersetzt wird.
Wie alle bisher besprochenen Reactionen als Anlagerungsprocesse
an die doppelte Bindung der Alkylene erscheinen, so lässt sich auch das
Verhalten bei der Oxydation unter diesem Gesichtspunkt auffassen.
* TöNKiEs, Ber. 12, 169. — Wallach, Ann. 246, 246.
" Guthrie, Ann. 113, 270; 116, 235; 119, 90; 121, 108. — Niemann, Ann. 113, 288.
' Vgl. Chojnacki, Ztschr. Chem. 1870, 419. — Sadtleb, Bull. 17, 54.
* Zeise, Pogg. 21, 497; 40, 234. — Ghiess u. Martius, Ann. 120, 324. — Birn-
baum, Ann. 146, 67.
* BOTLEBOW U. GORIAINOW, AuiL 169, 146,
* BuTLERow, Ann. 189, 65. ' Gustavson, J. pr. [2] 34, 161.
446 Aethylen.
Bei der Behandlung mit schwacher Permanganatlösung gehen die Alkr-
lene in zweiwerthige Alkohole (Glykole, s. Kap. 20) über^, indem zvei
Hydroxylgruppen sich an die doppelt gebundenen Eohlenstoffatome an-
lagern, z. B.:
(CHj^jC : CHj + H,0 + 0 = (CHg^jCtOHj.CHjfOH).
Bei energischerer Oxydation ^ bleiben diese schon mit Sauerstoff beladeneu
Kohlenstoflfatome die Angriflfspunkte; die Kette wird gesprengt (vgl.
S. 432), und es entstehen Spaltungsstücke von niederer Kohlenstoffzahl
im obigen Fall z. B. Aceton (CH3)2CO und Ameisensäure H-CO-OH (nacL
vorhergehender Bildung von Oxyisobuttersäure (CH3)2C(0H)-CO-0H).
Bei der Oxydation in saurer Losung werden zuweilen Produkte erhalten, deren
Bildung diesem allgemeinen Oxydationsverlauf zu widersprechen scheint, z. B. Acet-
aldehyd aus Aethylen'. Es erklärt sich dies dadurch, dass die Glykole eine Wasser-
abspaltung erleiden (vgl. Kap. 20), durch welche z. B. aus Aethylenglykol
CHa(OH).CH,(OH) Acetaldehyd CHjCHO gebildet wird.
Einzelne Glieder.
Aethylen oder Aethen CgH^ (früher ölbildendes Gas, Elayl ge-
nannt) wurde zuerst 1795 von den holländischen Chemikern DEiMiJf>*.
Paets V. Tboostwtk, Bondt und Lauwebenbubgh eingehender unter-
sucht*. Man gewinnt es am leichtesten durch Wasserabspaltung aus
Aethylalkohol.
Darstellung: In einem Kolben von ca. 2 Liter Capacität erhitzt man ein
Gemisch von 25 g absolutem Alkohol und 150 g concentrirter Schwefelsäure bis wm
Eintritt einer lebhaften Gasentwickelung. Dann lässt man ein Gemisch von 1 Theil
Alkohol und 2 Theilen Schwefelsäure so rasch zutropfen, dass die Gasentwickelunp
stetig anhält, der Kolbeninhalt aber nicht in zu starkes Schäumen geräth. Sollte
nach längerer Entwickelung das Ueberschäumen nicht mehr zu hindern sein, so ent-
leert man den Kolben und setzt die Entwickelung aufs Neue, wie oben angegeben, in
Gang. Das Gas wird zur Absorption von Alkohol- und Aetherdämpfen mit con-
centrirter Schwefelsäure, dann zur Befreiung von schwefliger Säure mit Natronlaugf
gewaschen.
Das Aethylen — ein farbloses, leicht entzündliches Gas von eigen-
thümlichem , nicht unangenehmem, etwas süssUchem Geruch, das mit
Sauerstoff heftig explodirende Gemenge bildet, — bedarf bei +10° zur
Verflüssigung eines Druckes von 60 Atmosphären^. Es ist in Wasser
und Weingeist nur wenig löslich; W^asser nimmt bei 0** 0,25 Vol..
W^eingeist 3,59 Vol. auf®. Verflüssigtes Aethylen dient zur Erzielung
sehr niedriger Temperaturen; lässt man es unter Atmosphäreudruck
sieden, so erreicht man eine Temperatur von — 102 bis 103°; lässt
» G. Wagxer, Ber. 21, 1230, 3359. — Vgl. femer MAEKo^TfiKOFF, Ber. 24, 69.
— G. Waqner, Ber. 24, 1683.
^ 0. u. F. Zeidler, Ann. 197, 243.
* Berthelot, Ann. 150, 373.
* Vgl. Roscoe-Schorlemmer, Lehrb. d. Chem. III. 646 (Braunschweig 1884).
* Cailletet, Compt. rend. 94, 1224.
® Bunsen, Gasometr. Methoden. 2. Aufl. S. 217. (Braunschweig 1877.)
Propylen. 447
man es unter vermindertem Druck sieden, so kann man bis zu einer
Temperatur von — 150*^ herabsteigen.
Das Aethylen ist bis etwa 350^ beständig; bei höherem Erhitzen
wird es zersetzt unter Bildung von höheren Alkylenen, von Kohlenwasser-
stoffen der Paraffin-, der Acetylenreihe und der aromatischen Keihe^
Beim Durchschlagen von Inductionsfunken zerfallt es zunächst in Ace-
tylen und Wasserstoff, dann in Kohlenstoff und Wasserstoff^.
Propylen oder Propen, CHa-CHiCH, (Methyläthylen), wird am zweckmässig-
8ten durch Wasserabspaltung aus normalem Propylalkohol' mittelst Phosphorpentoxyd ^
oder durch Reduction von Allyljodid CH, : CH • CH, J mit nascirendem Wasserstoff * ge-
wonnen. Auch Destillation von Glycerin mit Zinkstaub in grösseren Mengen wird zur
Darstellung des Propylens empfohlen^. — Das Propylen verflüssigt sich unter einem
Druck von 7—8 Athmosphären^ Wasser absorbirt bei 0*^ 0-45 Vol.*. — Dass der
nach den obigen Methoden gewonnene Kohlenwasserstoff, welcher durch Vereinigung
mit Brom ein bei 141 — 142^ siedendes Dibromid liefert, die Constitution des Methyl-
.CH,.
äthylens und nicht des Trimethylens CH/ -CHj besitzt (vgl. S. 430), geht be-
sonders daraus hervor, dass er sich sowohl aus dem normalen Propyljodid wie aus
dem Isopropyljodid durch Einwirkung von alkoholischem Kali bildet*:
S:Sä'-h/:1^«'-^«=^«'-
lieber das dem Propylen isomere Trimethylen vgl. Bd. II.
Bntylene oder Butene C«!!^:
1) Aethyläthylen CgH^-CHiCHj entsteht aus normalem primärem Butyljodid
durch Einwirkung von alkoholischem Kali^^:
CjHg • CH) • CH J — HJ = C2H5 • CH : CHg ,
durch Umsetzung zwischen Vinylbromid CHgiCHBr und ZinkäthyP*:
(CjHAZn + 2Br.CH : CH, = ZuBr, + 2C,H5.CH : CH,,
ferner bei der Zersetzung des normalen primären Butylamins mit salpetriger Säure **.
Es vereinigt sich mit Jodwasserstoff^^ zu secundärem Butyljodid CjHg • CHJ • CH,, mit
unterchloriger Säure »^ zu dem Chlorhydrin C,H5.CH(0H).CHaCl.
2) Normales (symmetrisches) Dimethyläthylen CHg-CH : CH-CHj wird
aus secundärem Butyljodid durch Abspaltung von Jodwasserstoff:
CHg . CH, . CH J . CHs-HJ = CH3 • CH : CH • CHj
erhalten ^^ Diese Bildungsweise des Kohlenwasserstoffs, ebenso wie seine Rückfuhr-
* Berthblot, Ann. eh. [4] 9, 442. — Norton u. Noyes, Jb. 1886, 573. — Day,
Jb. 1886, 574.
' DE Wilde, Bull. 6, 267. • Friedel u. Silva, Compt. rend. 76, 1595.
* Beilstein u. Wieqand, Ber. 15, 1498.
* Behthelot u. Luca, Ann. 92, 310. — Than, Ann. 123, 189. — Erlenmeyer,
Ann. 139, 225. — Tollens u. Henninoer, Ann. 156, 156. — Linnemann, Ann. 161,
ä4- — Gladstone u. Tribe, Ber. 6, 1550. — Malbot, Ann. eh. [6J 19, 358.
* Claus, Ber. 9, 696; 18, 2931. ' Moltschanowsky, Ber. 22 o, 250.
" Than, Ann. 123, 188. » Freund, Monatsh. 3, 633.
" A. u. M. Saytzepf, J. pr. [2] 3, 88. — Grabowsky u. Saytzefp, Ann. 179, 330.
" WuBTz, Ann. 162, 21. >« V, Meyer, Ber. 10, 136.
^' Lieben u. Rossi, Ann. 168, 166.
" DE Luynes, Ann. 129, 200. — Lieben, Ann. 160, 108; 151, 121.
'
448 Butylene.
barkeit in secundfires Butyljodid durch Wiederanlagierung von ^Jodwasserstoff, berech-
tigt dazu, ihm die Formel des normalen Dimethjläthylens zu ertheilen; denn
die ausserdem mit diesen Reactionen zu vereinbarende Formel CH,-CHs -011:0111
ist schon fiir den bestimmt davon verschiedenen unter 1) angeführten Kohlenwasser-
stoff vergeben. Das normale Dimethjläthylen wurde auch durch Zersetzung ?on
Bromhydrotiglinsäure mit kohlensaurem Natrium erhalten^:
C^HsBrCOONa = C^Hg ■♦- NaBr -f COj.
Unter den drei Butylenen ist es dasjenige, welches in seiner Structur die grosste
Symmetrie zeigt; hierdurch erklärt es sich wohl, dass zu seiner Bildung eine beson-
dere Tendenz besteht, und dass man es daher zuweilen in Eeactionen erhält, welche
bei normalem Verlauf zu seinen Isomeren fuhren sollten. So bildet es sich bei der
Einwirkung von Natrium auf ein Gemisch von Methyljodid und Allyljodid', während
hierbei die Entstehung des Aethyläthylens:
CHjJ + CHjJCH : CH, + Na, = 2NaJ + CHj-CHj-CH : CH,
zu erwarten wäre. Der Isobutylalkohol sollte durch Wasserabspaltung lediglich das
unsymmetrische Dimethyläthylen:
(CH8)aCH.CH,.0H-H,0 = (CHs),C:CH,
liefern; aber man erhält daneben so beträchtliche Mengen des symmetrischen Di-
methyläthylens^, dass dieser Weg die gebräuchlichste Darstellungsweise für diesen
Kohlenwasserstoff bietet. Man trennt das Gemisch durch Behandlung mit nicht ganz
concentrirter Schwefelsäure, welche das unsymmetrische Dimethyläthylen auflöst, das
symmetrische aber nicht aufiiimmt; hat man mit Chlorzink gearbeitet, so ist der so er-
haltene Kohlenwasserstoff mit Aethyläthylen verunreinigt^. Auch beim Erhitzen des
Isobutyljodids mit Bleioxyd bildet sich symmetrisches Dimethyläthylen*.
3. Unsymmetrisches Dimethyläthylen, Isobutyl^en (CHj),C:CH2. Bei
der Behandlung des IsobutylalkohoLs mit Schwefelsäure^ erhäl)\man, wie eben aus-
geführt wurde, diesen Kohlenwasserstoff gemengt mit dem symmetrischen Dimethyl-
äthylen. Um ihn aus diesem Gemisch zu isoliren, kann man die G^ase durch bei 0.^
gesättigte Jodwasserstoffsäure absorbiren und das so erhaltene Gemenge der Jodide
(CHa)sCJ-CH3 und CHj-CHj-CHJ-CHj in siedendes Wasser tropfen lassen; da das
secundäre Butyljodid durch siedendes Wasser nicht zersetzt wird, das tertiäre Jodid
aber unter Jodwasserstoffabspaltung zerfällt, so entwickelt sich jetzt reines Isobutylen ^.
Rein erhält man das Isobutjden femer durch Behandlung von Isobutyljodür oder
tertiärem Butyljodür mit alkoholischem Kali^:
(CH8)jCn • CHaJ — H J = 1 /pxT -v p . pxx
(CHs^jCJ . CHa -HJ = i ^^^8Ja^ • ^^t-
Das Isobutylen vereinigt sich mit Jodwasserstoff zu tertiärem Butyljodid, mit unter-
chloriger Säure zu einem Chlorhydrin (CH8)jCCl' CHg • OH; seine Losung in mit
Vs Wasser verdünnter Schwefelsäure liefert bei der Zersetzung mit Wasser den ter-
tiären Butylalkohol (vgl. S. 163)^ Diese Reactionen thun die Berechtigung seiner
AufBEissüng als Isobutylen dar.
^ Pagenstecheb, Ann. 195, 113. * Wurtz, Ann. 144, 234; 162, 21.
^ Le Bel u. Greene, Bull. 29, 306. — Konow^alofp, Ber. 18, 2395.
* Faworsky u. Debotjt, J. pr. [2] 42, 152. ^ Eltekopp, Ber. 13, 2404.
® PüCHOT, Ann. eh. [5] 28, 508. — Lermontofp, Ann. 196, 117 Anm. — Koso-
WALOPP, Ber. 13, 2396. — Hell u. Rothbebg, Ber. 22, 1738.
^ ScHESCHUKOW, Ber. 19 o, 545.
^ BuTLERow, Ann. 144, 19. Ztschr. Chem. 1870, 238. Ber. 3, 623. — Maä-
KOWNIKOFP, Ber. 2, 660.
Amylene, 449
Zur Unterscheidung der drei bei gewöhnlicher Temperatur gasformigen Butylene
benatzt man am bequemsten die Siedepunkte ihrer Dibromide. Das Bromid des
Aethyläthylens CjHg^CHBr-CHjBr siedet bei 165°, dasjenige des normalen Dimethjl-
äthylens CHs-CHBr-CHBr-CHj bei 156% das Isobutylenbromid (CH3)8CBr.CH,Br
bei' 148«.
Polymere des Isobutylens*: Von den Polymerisationsprodukten, in welche
das Isobufylen durch Berührung mit condensirenden Mitteln wie Schwefelsäure und
Chlorzink übergeführt wird, welche sich daher auch häufig statt seiner bei Eeactionen
wie z. B. der Wasserentziehung aus Isobutylalkohol direct bilden, sind die beiden
einfachsten — das Isodibutylen CgHje und das Isotributylen CjjH,^ — isoUrt
worden (vgl. S. 445). Man erhält sie am besten, indem man Isobutylalkohol, dem
4—5 ^/q Isobutylchlorid zugesetzt werden, mit Chlorzink unter Kückfluss erhitzt. Das
Isodibutylen siedet bei 110— 113<^ und besitzt bei 0® das spec. Gew. 0-734. Es
addirt mit Leichtigkeit 1 Mol. Chlorwa^erstoff oder Jodwasserstoff; da bei der Oxy-
dation mit Chromsäure als Hauptprodukte Aceton und Trimethylessigsäure auftreten,
so ertheilt man ihm die Constitutionsformel:
(CH,),C=CH.C(CH,^3.
Isotribatylen siedet bei 178—181® und besitzt bei 0* das spec. Gewicht 0*774.
Amylene oder Pentene C5H10.
Mit Normaler Kohlenstoffkette sind zwei Amylene denkbar:
Cxij • Cxi] • CH] • CH : CHj CH3 • CHg • CH : CH • CH3.
Propyläthylen. Symmetrisches Methyläthyläthylen.
Das symmetrische Methyläthyläthylen' ist aus dem Jodür des Diäthylcarbinols
durch Jod Wasserstoffabspaltung gewonnen:
CI13 • CH] • CHJ • CHg • CH3 — HJ = CH3 • CH] • CH : CH • CH3
and geht durch Jodwasserstoffanlagerung in das Jodür des Methylpropylcarbinols über:
CH3.CH,.CH:CH.CH3 + HJ = CH3.CHa.CH,. CHJ- CH3.
Hiermit identisch ist wohl das Amylen, welches bei der Zersetzung der Bromhydro-
Sthylcrotonsäure durch Alkalien auftritt', und ein durch Einwirkung von Zinkäthyl
auf Chloroform^ entstehendes Amylen. Auch das Amylen, welches aus Jodallyl und
Zinkäthyl' erhalten wird und bei normalem Reactionsverlauf:
(CjH6),Zn + 2J.CHj.CH : CH, = ZnJ, + 2C8H6.CHj.CH : CH,
das Propyläthylen darstellen sollte, liefert durch J od wasserstoffiiufhahme das Jodür
des Methylpropylcarbinols, ebenso ein normales Amylen ^, welches sich unter den Ein-
wirkongsprodukten von Chlorzink auf gewöhnlichen Amylalkohol befindet (vgl. S. 451).
Die Bildung des Methylpropylcarbinjodids kann offenbar nicht zur Auswahl zwischen
den beiden normalen Amylenformeln dienen, da sie mit beiden vereinbar ist. Für
das ans dem Gährungsamylalkohol entstehende normale Amylen ist indess die Formel
des Propyläthylens wahrscheinlicher, da bei seiner Oxydation Buttersäure und Bem-
steinsänre neben Ameisensäure erhalten werden^; andererseits sprechen freilich einige
* BuTLEROW, Ann. 189, 44. Ber. 15, 1575. Jb. 1879, 364. — Butlerow u. Go-
RiAiNow, Ber. 6, 561. — Lermontow, Ann. 196, 116? — Püchot, Ann. eh. [5] 28, 529.
— Maiaot u. Gentil, Ann. eh. [6] 19, 370. — Dobbin, Joum. Soc. 37, 239.
* Wagker n. Saytzepp, Ann. 176, 373; 179, 302, 313.
» Frrrio, Ann. 200, 29. * Riete u. Beilstein, Ann. 124, 245.
» WuBTz, Ann. 127, 55; 148, 131. « Wischnegradsky, Ann. 190, 346.
' O- n. F. Zeidler, Ann. 197, 253.
V. MxTXK 0. Jacobson, org. Chem. I. 29
450 Amylene.
Beobachtungen über das Verhalten des aus seinem Dibromid QH^oBr, durch dl«
Eeaction :
C,H,oBr,-2HBr = CH«
erhältlichen Pentins^ für die Auffassung als Methyläthyläthylen.
Von Amylenen mit verzweigter Kohlenstoffkette lässt die Theorie drei
Isomere voraussehen:
CHgv CHs\ xCHj • CH3
>CH.CH:CH, NC-CHCH, CH, : CJ<
CH3/ cn/ ^CH,
Isopropyläthylen. Trimethyläthylen. Unsymm. MethylfithylälrleD.
Da der gewöhnliche Amylalkohol (vgl. S. 164) ein Gemenge der beiden Alkohole:
'\cH.CHj.CH,(OH) und CH,(OH).CH<
darstellt, so sollte man erwarten, durch Wasserabspaltung (bezw. aus seinem Jodür
durch JodwasserstofiPabspaltung) ein Gemenge von Isopropyläthylen und unsvmme
trischen Methyläthyläthylen zu erhalten.
Geht man von dem Jodür aus und unterwirft dieses der Einwirkung des alko-
holischen Kalis', so entspricht die Zusammensetzung des resultirendeu , bei 23— 2T
siedenden Kohlenwasserstoffgemisches in der That dieser Erwartung*. Aus dem Jöe-
misch lässt sich das Isopropyläthylen (CHj)jCH-CH: CHg ohne grosse Möhe
rein abscheiden, da es viel weniger reactionsfähig, als sein Begleiter — das Methjl-
äthyläthylen — ist; behandelt man das Gemenge mit Schwefelsäure (2 VoL cone.
HjSO^ und 1 Vol. HjO), so wird letzteres gelöst, während das Isopropyläthylen un-
gelöst bleibt; ebenso bleibt es bei der Einwirkung von Jodwasserstoff bei —20*
unverändert, während das Methyläthyläthylen schon bei dieser niederen Temperatur
in tertiäres Amyljodid übergeführt wird. Bei Zimmertemperatur fizirt auch das Iso-
propyläthylen Jodtraaserstoff, um in das Jodid des Methylisopropylcarbinols über-
zugehen :
(CHsljCHCHrCH, + HJ = (CHaJjCHCHJCHs;
hieraus, sowie aus der Verwandlung seines Dibromids in Isopropylacetylen:
(CH3\CH.CHBr.CHaBr-2HBr = (CH8),CH • C i CH
wird seine Constitution gefolgert.
Das unsymmetrische Methyläthyläthylen (CHaXCjHsKJ : CH, entsteht
aus dem Jodür des activen Amylalkohols durch Jodwasserstofiabspaltung^:
CHj\ CHjv
>CH.CH,J-HJ = NCiCHj,
CHj-CH/ CHjCH/
und vereinigt sich, wie eben bemerkt, sehr leicht mit Jodwasserstoff zu tertifirein
Amyljodid :
CHgv CHg\
>C : CH, + HJ = >CJ.CHs .
CHgCH/ CHjCH,/
Von dem aus dem Gährungsamyljodür entstehenden Amylengemisch wesentlich
verschieden ist indessen das bei 22 — 45^ siedende Heactionsprodukt, welches mau bei
* Eltekoff, Ber. 10, 1905, 2057. ■ Flawitzky, Ann. 179, 847.
* WiscBNEQBADSKY, Ann. 190, 351. — Eltekoep, Ber. 10, 707.
* Le BB^ Jb. 1876, 347.
Käufliches oder gewöhnUches Amylen. 451
der Einwirkang von Chlorzink auf das Fuselöl erhält^, und welches das ,, käu fliehe
Amylen** darstellt. Es geht dies schon daraus hervor, dass man aus demselben ein
bei 35 — 38^ siedendes Produkt herausfractioniren kann, während die Siedepunkte des
Isopropyläthylens und unsymmetrischen Methyläthyläthylens niedriger liegen (vgl. die
Tabelle Nr. 24 auf S. 441). Dieses käufliche oder gewöhnliche Amylen' enthält nicht
nur ungesättigte Kohlenwasserstoffe, sondern auch beträchtliche Mengen von Pentan;
dass ein Amylen mit normaler Kohlenstoffkette darin vorkommt, ist schon S. 449 er-
wähnt Dieses normale Amylen und das Pentan bilden denjenigen Theil des käuf-
lichen Amylens, welcher durch Behandlung mit Schwefelsäure (1 Vol. HgSO« und
1 Vol. H^O) bei niederer Temperatur nicht in Lösung geht Das Isopropyläthylen
dagegen — das directe Wasserabspaltungsprodukt des inactiven Amylalkohols:
(CHaljCH.CHj.CHjOH-HjO = (CH8)jCH.CH:CH„
welches bei glattem Reactionsverlauf das Hauptprodukt sein sollte, da doch der in-
active Amylalkohol den Hauptbestandtheil des Fuselöls bildet, — kommt, wenn über-
haupt, so jedenfalls nur in geringer Menge darin vor'; es erleidet unter dem Einfluss
des Chlorzinks eine ümlagerung in Trimethyläthylen (CHj^jC : CH^CHj) :
>CH . CH : CH, >- >C : CH • CHg ;
CU/ CH/
auch hier also besteht eine Tendenz zur Bildung de^enigen Isomeren, dessen Molecül
die grösste Zahl gleichartiger Gruppen (Methylgruppeu) in möglichst gleichförmiger Ver-
theilung enthält (vgl. norm. Dimethyläthylen S. 448). Dieses Trimethyläthylen bildet
zugleich mit dem aus dem activen Amylalkohol gebildeten unsymmetrischen Methyl-
äthyläthylen den bei obiger Behandlung mit Schwefelsäure in Lösung gehenden An-
theil des käuflichen Amylens. Es ergiebt sich dies daraus, dass bei der Zersetzung
der schwefelsauren Lösung mit Wasser der tertiäre Amylalkohol (Darstellungsmethode
desselben, vgl. S. 166), in fast theoretischer Menge gebildet wird:
(CH3),C;CH.CH8 + H,0 = (CH3),C(0H) • CH, • CH, ;
die Entstehung desselben könnte freilich lediglich auf das unsymmetrische Methyl-
äthyläthylen zurückgeführt werden:
' Vc-CH, . CH, + H,0 = '\C(0H)-CH, • CH, ;
CH,/ CH,/
dem widerspricht aber, dass das aus dem käuflichen Amylen durch die Reactionen:
C5H10 + Br, = C,HioBr„ C,HioBr, + 2H.0H = C5Hio(OH)j + 2HBr
gewinnbare Amylenylykol C5Hio(OH)2 bei der Oxydation Oxyisobutterdäure
(CH,),C(OH).CO-OH liefert*, welch' letztere sich nicht aus dem Glykol des Methyl-
äthylStfaylens:
CHj(OHK
>C-CHa.CH,
CH,/ I
OH
wohl aber aus demjenigen des Trimethyläthylens:
(CH,),C(OH) . CH(OH) . CH,
bilden kann.
* Balabd, Ann. eh. [3] 12, 320. — Wurtz, Ann. 128, 225 u. 316. — Baues,
J. pr. 84, 257. — Etabd, Compt rend. 86, 488.
' Vgl. besonders Wischneobadsky, Ann. 190, 328.
• Vgl. Eltekopp, Ber. 10, 1904. * Wuetz, Ann. eh. [3] 65, 458.
29*
452 Höhere Alkylene,
Keines Trimetfajläthylen soll aus dem tertiären Amylalkohol durch Erhitzen mit
Schwefelsäure entstehen ^ ; aus dem tertiären Amyljodür erhält man durch Einwirkung
von alkoholischem Kali ein Gemenge von Trimethjläthylen und unsymmetrischem
Methyläthyläthylen«:
\CJ.CH,.CHs-HJ = <^ .
^"» X^^»\C.CH,.CHs
CH,/
Nach WüBTz^ entstände bei der Einwirkung von Chlorzink auf Amylalkohol
auch Hexylen in erheblicher Menge. Bei Anwendung von reinem Amylalkohol tritt
indess, selbst wenn man in sehr grossem Massstab arbeitet, wie uns Herr Dr. A. Ban-
Now — Leiter der KAHLSAUM'schen Fabrik in Berlin — freundlichst mittheilt, niemals
Hexylen auf. Jene Angabe dürfte sich nach Dr. Bannow's Vermuthung möglicherweise
so erklären, dass der von Wubtz verarbeitete Amylalkohol etwas Hexylalkohol ent-
halten hat, welcher in Form von Fettsäureestem zuweilen im rohen Fuselöl vorkommt
Polymere des gewöhnlichen Amylens^: Das Amylen polymerisirt sich sehr
leicht. Schon bei 0^ liefert es unter der Einwirkung einer mit dem halben Volum
Wasser verdünnten Schwefelsäure das Dlamylen CioHgo, eine angenehm obstartig
riechende Flüssigkeit, welche bei 153 — 156^ siedet; in ätherischer Lösung lässt sich
das Diamylen mit Brom bei — 17*^ zu einem Dibromid CjoHjoBr, vereinigen, wäh-
rend bei höherer Temperatur stets Bromwasserstoffentwickelung eintritt. Aus den
Umwandlungsprodukten des Amylens durch Chlorzink ist femer Triamylen CjjHjo
(Siedepunkt 245 — 248 °) isolirt worden, welches ebenfalls bei niederer Temperatur sich
mit Brom zu einem Dibromid CiaHgoBr, vereinigt. Die Constitution dieser Kohlen-
wasserstoffe ist noch nicht ermittelt.
Höhere Alkylene. In der Tabelle Nr. 24 auf S. 441 sind die physikalischen
Constanten für eine Reihe von höheren Alkylenen der normalen Structur R-CH-.CHj
aufgefiihrt. Es sei bemerkt, dass allerdings für das Hexylen und Heptylen die noi^
male Structur noch nicht sicher begründet ist; diese Kohlenwasserstoffe wurden aus Chlo-
riden CqHsq ^ iCl, die aus Petroleumfractionen durch Chlorirung erhalten waren, durch
Chlorwasserstoffabspaltung gewonnen; für ihre Zugehörigkeit zum Tjrpus R-CH:CH2
spricht der Umstand, dass sie sich nicht mit rauchender Salzsäure in der Kälte ver-
einigen (vgl. S. 443). Die weiter dort aufgeführten Kohlenwasserstoffe: Octylen,
Do-, Tetra-, Hexa- und Octa-decylen sind aus den normalen primären Alkoholen
gewonnen worden und können daher als sicher normal constituirt betrachtet werden.
Die höchsten Glieder der Alkylenreihe, welche bisher bekannt geworden sind,
wurden aus den Wachsarten erhalten. Durch Destillation des chinesischen Wachses
wurde das Ceroten C27H54 (oder C^Hg,?) als paraffinähnliche Masse vom Schmelz-
punkt 57—58®, durch Destillation des Bienenwachses das Melen C^o^eo (o<ier CgtH^'?)
vom Schmelzpunkt 62® gewonnen ^ Sie verdanken ihre Entstehung offenbar einer
Spaltung der Fettsäureester (Cerotinsäure-Cerylester bezw. Palmitinsäure-myricylester,
vgl. S. 362) in freie Säure und Alkylen (vgl. S. 360). In Alkohol sind sie nur noch
wenig löslich.
^ Eltekoff nach BEiLSTEm, Handb. d. org. Chem. I. 146 (2. Aufl. Hamburg u.
Leipzig 1886).
* Waqneb, Ber. 21, 1234. — Kondakow, Ber. 22 o, 251. • Ann. 128, 316.
* Bebthelot, Ann. 128, 314. — Bauer, J. pr. 84, 257. Ann. 137, 249. —
Erlenmeyer, Ztschr. Chem. 1866, 362. — - Schneider, Ann. 167, 207. — Eltekoff,
Ber. 11, 991. — Wischnegradsky, Ber, 8, 434.
* Brodie, Ann. 67, 210; 71, 156.
Acetylen. 453
n. Die Kohlenwasserstoffe Ton der Zusammensetzang C„H2q_2.
Acetylen-Kellie.
Das Acetylen oder Aethln (vgl. S. 97 Anm.) G^^ = CHiCH —
das Anfangsglied dieser Reihe und der Prototyp aller Verbindungen
mit dreifacher Kohlenstoffbindung — wurde zwar schon 1836 von
E. Davy^ beobachtet, als er die bei einem Versuch der Kaliumdar-
stellung aus Weinstein und Kohlepulver erhaltene graubraune Masse
mit Wasser zei*setzte. Die eigentliche Charakterisirung dieses gas-
formigen Kohlenwasserstoffs, welcher durch die Einfachheit seiner Zu-
sammensetzung, durch seine Darstellbarkeit in directer Synthese aus
den Elementen ulid durch die Eigenartigkeit seiner Eigenschafben
das Interesse fesselt, datirt indessen erst von einer Reihe wichtiger
Untersuchungen, welche Bebthelot* 1859 begann. Beethelot zeigte,
dass das Acetylen zu den beständigsten Kohlenwasserstoffen gehört;
denn es bildet sich aus den meisten organischen Verbindungen
unter dem fortgesetzten Einfluss der Rothglühhitze, so z.B.
aus Aethylen, Methyl- und Aethylalkohol, Aldehyd, besonders reich-
lich aus Aether; es findet sich daher im Leuchtgas, wenn auch nur
in geringer Quantität (0-06 — 0*07 Vol.-Proc.^). Nicht weniger allgemein
ist seine Bildung durch unvollständige Verbrennung, d. h. bei der
Verbrennung von Kohlenstoffverbindungen unter solchen Bedingungen,
dass der zugeflihrte Sauerstoff nicht für die vollständige Oxydation zu
Kohlensäure und Wasser genügt; die Gase, welche von einer zurück-
geschlagenen Flamme des BuNSEN'schen Brenners geliefert werden*, ent-
halten daher eine viel bedeutendere Menge an Acetylen als das Leucht-
gas selbst (etwa 0-75— 0-80 Vol.-Proc.*^.
Wie die Beobachtung dieser Entstehungsweisen, so rührt auch
die Synthese des Acetylens aus Kohlenstoff und Wasserstoff
von Bebthelot her. Die Einwirkung der höchsten durch Heizung er-
reichbaren Hitzegrade genügt zur Vereinigung der beiden Elemente
nicht; in einem Versuch, bei welchem Kohle im Wasserstoffstrom so
hoch erhitzt wurde, dass das die Kohle enthaltende Porcellanrohr weich
wie Glas wurde, entstand keine Spur von Acetylen. Bei den durch
EHektricität erreichbaren höheren Temperaturen wird die Synthese indess
ausföhrbar. Wenn man durch eine Glocke, in welcher zwischen zwei
Kohlepolen ein elektrischer Lichtbogen erzeugt wird, einen Wasser-
stoffstrom leitet, so ist dem austretenden Wasserstoff von Beginn des
Versuches an Acetylen beigemengt. Durch diese Bildungsweise wird das
^ Ann. 23, 144.
• Ann. eh. [3] 67, 52; [4] 9, 385, 413, 418, 421, 426, 428; [4] 18, 143; [5]
10, 365.
' Blochmakn, Ann. 173, 171. ^ vgl. Rieth, Zeitschr. Chem. 1867, 598.
* Blochmakn, Ann. 173, 178. -
454 Acetylen (Bildung
Acetylen zum Ausgangspunkt in den synthetischen Processen der orga-
nischen Chemie; von ihm kann man durch Wasserstoflfzufahr zum
Aethylen CgH^ (vgl. S. 457), vom Aethylen durch Wasseranlagerung zum
Aethylalkohol CgH^O (vgl. S. 143, 156) und weiter auf mannigfachen
Wegen zu Verbindungen von stets wachsender Complication fortschreiten.
Das Acetylen ist der einzige Kohlenwasserstoff, welcher durch directe
Vereinigung der Elemente erhalten werden konnte.
Das Acetylen bildet sich femer bei der Elektrolyse von Fumar-
oder Maleinsäure^:
CH.COjH CH
+ 2C0j + Hj
CH.CO.H CH___ -Eldll^ode'
+ Elektrode
beim Erhitzen von Chloroform mit Kaliumamalgam ^:
2CHC18 + 6Na = CH: CH + 6NaCl,
ebenso aus Jodoform CHJg unter der Einwirkung fein vertheilter Metalle'.
Durch Abspaltung von Bromwasserstoff entsteht es aus dem Aethylen-
bromid .CgH^Br^ unter intermediärer Bildung von Bromäthylen* CgHjBr
(Vihylbromid, vgl. S. 471):
CH,Br CHjBr — HBr = CH, : CHBr
CHj : CHBr - HBr = CH : CH.
Die letztere Bildungsweise ist diejenige, welche gewöhDÜch zur Daretellung
des Acetylens benutzt wird^ Man lässt Aethylenbromid in eine unter Rückfluss
siedende alkoholische Alkalilösung tropfen; das entweichende Gas ist ein Gremenge
von Acetylen und Vinylbromid. Wenn man bei der Beaction die Gegenwart von
Wasser möglichst ausschliesst^ so erhält man ein Gas, welches an Vinylbromid yer-
hältnissmässig arm ist. Es ist daher zweckmässig, statt einer alkoholischen Lösung
von Aetzkali eine Lösung von metallischem Natrium in absolutem Alkohol (50 g
Na in 500 ccm Alkohol für 100 g Aethylenbromid) zu verwenden. Das entwickelte
Gas leitet man durch zwei, in einer Kältemischung befindliche Waschfiaschen mit
absolutem Alkohol, in welchen das Vinylbromid grösstentheils absorbirt wird, und
f&ngt es dann über Kochsalzlösung auf, da Acetylen in Kochsalzlösung weniger lös-
lich als in Wasser ist®. — Man bedient sich ferner zur Darstellung des Acetylens
seiner Bildung bei der Verbrennung des Leuchtgases unter ungenügendem Luftzu-
tritt Lässt man ein kleines Gasflämmchen innerhalb einer Metallröhre brennend
welche nach Art des inneren Rohres des LiEBio'schen Kühlers in einem Glasmantel
steckt und durch Wasser abgekühlt wird, und saugt vom oberen Ende der Metallröhre
mittelst der Wasserluftpumpe die Gase durch Cylinder ab, welche eine ammonia-
kaiische Kupferchlorürlösung enthalten, so erhält man in letzteren einen Niederschlag
» Kekül6, Ann. 131, 85. * Kletzinsky, Ztschr. Chem. 1866, 127.
• Cazeneuve, Compt. rend. 97, 1371.
* Sawitsch, Compt. rend. 62, 157. — Miasnikow, Ann. 118, 330.
* vgl. Sabanejepf, Ann. 178, 109. — Zeisel, Ann. 191, 368. — de Forcband,
Compt. rend. 104, 697.
• Nach Privatmittheilungen von L. Gattebmann.
^ Diese Versuchsanordnung rührt von Sandmeyer (Privatmittheilung) her; über
andere Apparate vgl. Jükqfleisch, Compt. rend. 90, 364. — Schlegel, Ann. 226, 153
und Eigenschaften). 455
der unten beschriebenen Eupferverbindung ; aus dem Acetylenkupfer kann man
das Acetylen durch Erwärmen mit Salzsäure (nicht aber mit Schwefelsäure) wieder
frei machen, erhält aber auf diese Weise ebenfalls ein mit Vinylchlorid (CjHjCl)
verunreinigtes Gas^ Sehr reines Acetjlen gewinnt man durch Zersetzung der
Kupferverbindung mittelst Cjankalium'.
Das Acetylen ist ein farbloses Gas; es besitzt, wie wir an einer
Probe des reinen — aus der Kupferverbindung durch Cyankalium
abgeschiedenen — Grases feststellten, einen unangenehmen, lauchartigen,
nicht durchdringenden Geruch. Man begegnet häufig der Ansicht, dass
der eigen thümliche Geruch, durch welchen man im Laboratorium oft
auf das Vorhandensein zurückgeschlagener Flammen aufmerksam wird,
vom Acetylen herrühre; der Geruch des Acetylens ist indessen durch-
aus verschieden davon. Das Acetylen brennt mit intensiv leuchtender
und russender Flamme. Bei 18^ löst Wasser etwa das gleiche Volum,
Chloroform und Benzol etwa das vierfache, Eisessig und absoluter
Alkohol etwa das sechsfache Volum. Bei 18^ wird das Acetylen durch
einen Druck von 83 Atmosphären zu einer farblosen, leicht beweglichen
Flüssigkeit verdichtet, welche bei 0^ das spec. Gew. 0-451 besitzt und
in Wasser beträchtlich löslich ist'.
Diejenige Eigenschaft, welche das Acetylen besonders charakteri-
sirt, ist seine Fähigkeit zur Bildung von Metallverbindungen*, die
durch heftige Explosivität ausgezeichnet sind. Besonders wichtig ist die
Kupferverbindung, welche man als bräunlichrothen, amorphen Nieder-
schlag erhält, wenn Acetylen durch eine ammoniakalische Kupferchlorür-
lösung streicht; ihre Bildung giebt ein einfaches Mittel an die Hand,
das Acetylen in Gasgemischen zu erkennen und aus denselben zu iso-
liren (vgl. oben die Darstellung durch unvollständige Verbrennung des
Leuchtgases); mit Hülfe dieser Kupferverbind ung konnte Acetylen noch
in Gasgemischen nachgewiesen werden, welche nur 0-OP/o enthielten.
Im trockenen Zustand detonirt sie bei gelindem Erhitzen, aber auch
durch Schlag. Viel explosiver noch ist die Silberverbindung: ein
weisser, lichtempfindlicher Niederschlag, der sich beim Einleiten von
Acetylen in ammoniakalische Silbemitratlösung bildet. Die Zusammen-
setzung dieser Verbindungen entspricht den Formeln:
CjHjCujO und CjHjAgaO.
Ihrer empirischen Zusammensetzung nach könnten sie demnach als Mole-
cularverbindungen des Acetylens mit Metalloxyden angesehen werden;
doch hat man zweifellos in ihnen Metallatome direct an KohlenstoiF-
atome gebunden anzunehmen, entsprechend den Structurformeln :
* vgl. Zeisel, Ann. 191, 368; über Beimengung von Polyacetylenen vgl. Römer,
Ann. 233, 182.
* vgl. Baever, Ber. 18, 2273.
' Cailletet, Compt. rend. 86, 851. — Ansdell, Jb. 1879, 68.
* Berthelot, Ann. eh. [4] 9, 385. — Behrend, Ann. 136, 258. — Blochmann,
Ann. 173, 174. — Bassett, Ztschr. Chem. 1869, 314.
456 Acetylen (MetaXlverhindungenj
C-Cu C-Ag
C-Cu Ö-Ag
CH CH
oder vielleicht:
C-Cu~Cu-OH C— Ag-Ag-OH.
Die Ersetzbarkeit durch Metallatome ist nämlich eine charakteristische
Eigenschaft der an einem dreifach gebundenen Eohlenstoffatom haftenden
Wasserstoflfatome. Es geht dies besonders deutlich aus der Zusammen-
setzung der Silberverbindung CgHgAg hervor, welche das Allylen — das
nächste Homologe des Acetylens (vgl. S. 460 — 461) — bildet; man kann
diese Verbindung nicht anders als durch die Formel:
AgCiCCH,
deuten. Es lässt sich ferner dafür die Einwirkung der Alkalimetalle auf
das Acetylen anfiihren. Erhitzt man Natrium gelinde in einem ab-
geschlossenen Acetylenvolum, so verschwindet das Acetylen, und es bleibt
ein Gasvolum zurück, welches ungefähr die Hälfte des ursprünglichen
Volums ausmacht und hauptsächlich aus Wasserstoff besteht; das Na-
trium bedeckt sich mit einer bräunlichen Kruste und diese Substanz
lässt bei der Behandlung mit Wasser das Acetylen wieder entstehen;
man darf daher diese Einwirkung des Natriums auf das Acetylen durch
die Gleichung darstellen:
CsH, + Na = C,HNa + H.
Reagirt Natiium bei höherer Temperatur (dunkler Rothgluth) auf Ace-
tylen, so bleibt das Gasvolum während der Operation ziemlich un-
verändert und besteht nach Beendigung derselben fast ausschliesshch
aus Wasserstoff; es bildet sich unter theilweiser Zerstörung des Acetylens
eine schwarze, kohlige Masse, die mit Wasser Acetylen regenerirt, und
in der demnach eine Dinatriumverbindung des Acetylens:
C,H, + Na, = C,Na, + H,
vorzuliegen scheint.
Eine Reihe halogenhaltiger Metallverbiudungen ist erhalten worden, indem man
Acetylen durch Lösungen von Kupferchlorür in Chlorkalium, Chlorsilber in Ammo-
niak etc. leitete; ihre Zusammensetzung ist indessen nicht durch die Analyse er-
mittelt.
Wenn vorher auf die grosse Beständigkeit des Aetylens gegen hohe
Temperaturen hingewiesen wurde, durch welche seine Entstehung in
vielen pyrogenen Processen möglich wird, so muss jetzt hinzugefugt
werden, dass diese Beständigkeit nur dann dem Acetylen eigen ist, wenn
es mit einer grossen Menge fremder Gase — wie z. B. bei seiner Synthese
(vgl. S. 453) mit einem grossen Ueberschuss von Wasserstoff — gemischt
ist. Acetylen für sich, durch eine hellrothglühende Köhre geleitet, zer-
fallt wieder fast vollständig in seine Elemente : Kohlenstoff und Wasser-
stoff. Wird es dagegen längere Zeit der beginnenden Rothgluth
ausgesetzt, so erleidet es eine sehr bemerkenswerthe Polymerisation zu
Polymerisation und Additionsreactionen). 457
düssigen und festen Kohlenwasserstoffen; das Hauptprodukt ist in diesem
Falle das Benzol CgH^ — der wichtigste Repräsentant der aromatischen
Kohlenwasserstoffe — , welches durch Zusammentritt von drei Acetylen-
molecülen zu einem sechsgliedrigen Eingsjstem entsteht:
HC
HC
HC CH CH CH
HC^ \CH^
bezw.
CH
CH-
Dieser von Bebthelot entdeckte Process stellt einen der wichtigsten
Uebergänge von der aliphatischen in die aromatische Beihe dar. — Auch
unter dem Einfluss einer längeren Elektrisirung^ condensirt sich das
Acetylen zu flüssigen und festen homartigen Produkten von gleicher Zu-
sammensetzung, die aber verschieden von den durch die Einwirkung
der Hitze entstehenden Produkten sind, und deren Natur noch nicht
erkannt ist. ,
Als ungesättigte Verbindung ist das Acetylen natürlich zu einer
Reihe von Additions-Reactionen befähigt; durch Hinzutritt von zwei
einwerthigen Gruppen kann die dreifache Kohlenstoffbindung in eine
doppelte:
CH^CH + 2X = CHX=CHX,
durch Hinzutritt von vier einwerthigen Gruppen in eine einfache über-
geführt werden:
CH = CH + 4X = CHX,-CHX,.
So entsteht, wenn man das Acetylenkupfer mit nascirendem Wasser-
stoff in alkalischer Flüssigkeit behandelt, oder wenn man ein Gemenge
Ton Acetylen mit Wasserstoff erhitzt, durch Aufnahme von 2 Wasser-
stoffatomen das Aethylen (Berthelot):
CH:CH + H, = CH,:CH,;
in Gegenwart von Platinschwarz aber vereinigt sich das Acetylen schon
bei gewöhnlicher Temperatur rasch mit Wasserstoff zu Aethan*:
CH:CH + 4H = CH8CH,.
Chlor wirkt auf Acetylen bei Lichtabschluss nicht ein^ Im Lichte
erfolgt zunächst sehr langsame Vereinigung zu Dichloräthylen:
CH : CH + Cl, = CHCl : CHCl ,
dann bedeutend raschere Eeaction unter Bildung von Tetrachloräthan*:
CHCl : CHCl + Clj = CHCl, • CHCl,.
Oemische von unreinem Acetylen und Chlor explodiren bei Lichtzu-
l tritt sehr heftig unter Abscheidung von Kohle und Bildung von Chlor-
* A.U. P. Th£nard, Compt. rend. 78, 219. — de Wilde, Ber. 7, 357.
* DE Wilde, Ber. 7, 353. ' Schlegel, Ann. 226, 154.
^ E5ifEB, Ann. 283, 214.
458 Homologe des Äcetylens.
Wasserstoff. — Aus Acetylen und Brom^ kann man, wenn man das
Brom in yerdünnter Lösung anwendet und stets für das Vorhandensein
von überschüssigem Acetylen sorgt, das Dibromid CHBr:CHBr erhalten;
ohne Verdünnungsmittel erhält man das Tetrabromid CHBrg-CHBr^
(neben geringen Mengen von Tribromäthylen CHBriCBrj). — Mit Jod
lässt sich das Acetylen zu Dijodäthylen C3H2J2 vereinigend (Vgl.
Kap. 19, Dihalogenderivate der ungesättigten Kohlenwasserstoffe).
Die Halogenwasserstoffs äuren vereinigen sich ebenfalls mit
dem Acetylen. Durch Fixirung eines Molecüls können Monohalogen-
Substitutionsprodukte des Aethylens entstehen:
CH : CH + HCl = CHj : CHCl ;
auf diese Reaction ist wohl die Bildung des Vinylchlorids bei der Zer-
setzung des Acetylenkupfers mit Salzsäure (vgl. S. 455) zurückzufuhren.
Durch Aufnahme von zwei Molecülen bilden sich unsymmetrische Di-
halogensubstitutionsprodukte des Aethans, z. B.:
CH : CH + 2HJ = CHgCHJ,.
Durch Aufnahme von Wasser entsteht aus dem Acetylen der Acet-
aldehyd :
CH : CH + H,0 = CHs-CHO;
diese Reaction vollzieht sich, wenn man Acetylen mit einer wässrigen
Lösung von Bromquecksilber in Berührung lässt ^. (Näheres über die
Wirkungsweise des Quecksilbersalzes vgl. bei AUylen, S. 461).
Wenn man vom Acetylen aus in der Reihe G^^^_^ zu Gliedern
mit höherer Kohlenstoffzahl aufsteigt, so sind, wie schon fiüher (S. 431)
erwähnt wurde, zwei Klassen von Kohlenwasserstoffen zu unterscheiden.
Die eine Klasse ist durch das einmalige Vorkommen einer drei-
fachen Bindung charakterisirt ; ihre Glieder sind wahre Homo-
loge des Acetylens und werden mit ihrem Stammkörper vielfache
Analogien zeigen. Die zweite Klasse umfasst Kohlenwasserstoffe, deren
Molecüle zweimal je eine doppelte Bindung aufweisen, und deren Ver-
halten daher mehr an dasjenige der Aethylenkohlen Wasserstoffe er-
innern wird. Nach Baeteb (vgl. S. 436) drückt man das Vorkommen der
dreifachen Bindung durch die Silbe „in", dasjenige der Doppelbindung
durch die Silbe „en" aus ; demzufolge kann mau die Acetylenhomologen
als „.. .in- Reihe", die isomeren Kohlenwasserstoffe mit zwei Doppel-
bindungen als „... .dien -Reihe" bezeichnen.
A. Homologe des Acetylens (• • • In -Reihe), unter ihnen hat man
wiederum zwei ünterabtheilungen von einander zu sondern, je nachdem
nur ein Wasserstoffatom des Acetylens oder beide durch Alkylreste (K)
vertreten sind:
RC^C-H und R.C~C-Ri .
^ Sabanejeff, Ann. 178, 112. — Patern6 u. Peratoner, Ber. 24c, 152.
■ KuTscHERow, Ber. 14, 1540.
Einfach alkylirte Äcetylene, 459
a) Einfach alkylirte Äcetylene. Zu ihrer Gewinnung kann man
von den gesättigten Aldehyden ausgehen i; man ersetzt ihr Sauerstoff-
atom durch zwei Atome Chlor (bezw. Brom), indem man sie mit Phos-
phorpentachlorid (bezw. PCljBr^) behandelt:
CsH7.CHa.CHO + PCI5 = POCls + CsH^.CHj.CHCl,;
diesen Dichloriden wird nun durch Behandlung mit alkoholischem Kali
Chlorwasserstoff entzogen, wodurch sich unter intermediärer Bildung eines
ilonochloralkylens das Acetylen-Homologe bildet:
CjHy . CH, . CHCl j-HCl = CgH, • CH : CHCl
C3H7 . CH : CHCl -HCl = CgH^ • C • CH .
Unterwirft man der gleichen Behandlung ein Keton, an dessen Car-
bonylgruppe ein Methylrest geknüpft ist, so bildet sich ebenfalls ein
monosubstituirtes Acetylen ^, obwohl bei dieser Reaction in vielen Fällen
die Entstehung isomerer Kohlenwasserstoffe theoretisch möglich wäre;
z. B.:
CHsCH^.COCHa + PCI5 = CHjCHjCCljCHj + POClg
CH,.CH,.CC1,.CH8-2HC1 = CHj • CH, • C • CH.
Aus den Alkylenen der allgemeinen Formel E-CH:CH2 erhält man
monosubstituirte Äcetylene, indem man zunächst Halogen addirt, dann
Halogenwasserstoff entzieht ' :
CHg.CH : CH, + Br, = CHsCHBr-CHjBr
CH,.CHBr.CH,Br-2HBr = CH3C ; CH.
Um bei diesen Reactionen wirklich monosubstituirte Äcetylene zu
erhalten, ist es — infolge unten näher zu besprechender Umlagerungen
— nothwendig, das alkoholische Kali nicht bei zu hohen Temperaturen
{im Allgemeinen nicht über 120 — 130^) wirken zu lassen*; noch zweck-
mässiger ist es, die Entziehung von Halogenwasserstoff durch trockenes
Kali zu bewirken*.
In ihrem Verhalten zeigen diese Homologen des Acetylens die
grösste Analogie mit dem Acetylen selbst. Besonders theilen sie mit
diesem die Fähigkeit, in ammoniakalischer Lösung von Kupferchlorür
oder Silbemitrat Niederschläge zu erzeugen; man bedient sich daher
dieser Eigenschaft, um Kohlenwasserstoffe als zu der Gruppe der ein-
fach substituirten Äcetylene gehörig zu charakterisiren ; für die höheren
Glieder der Reihe empfiehlt sich als empfindlicheres Reagens eine alko-
holische Silbernitratlösung *.
Natrium wii'kt auf die ätherische Lösung dieser Kohlenwasserstoffe
unter Abscheidung von Natriumverbindungen ein, welche Kohlensäure
* Hexry, Ber. 7, 759. — Brutlants, Ber. 8, 406.
* Friedel, Ann. eh. [4] 16, 343. — Brüylants, Ber. 8, 410. — B^hal, Ann. eh.
:6] 15, 282.
* Vgl. Eltekofp, Ber. 10, 2058. * Faworsky, J. pr. [2] 37, 395.
* BfeAL, Ann. eh. [6J 15, 431. ® Vgl. B6hal, Ann. eh. [6] 15, 423.
■
l
460 Allylen.
energisch absorbiren, um in Natriumsalze ungesättigter Säuren überzu-
gehen ^ (vgl. S. 515—516, 518):
CHgC : CH + Na = CHa-C : CNa + H
CHg.C : CNa + CO, = CHjC : C.CO,Na.
Höchst merkwürdig ist ihr Verhalten gegen alkoholisches Kali oder
Natron bei höheren Temperaturen* (etwa 170^. Diejenigen Kohlen-
wasserstoffe, welche einen primären Alkylrest in das Acetylenmolecül
eingeführt enthalten, gehen unter Verschiebung der dreifachen Bindung
in isomere, zweifach substituirte Acetylene über:
aus CHj-CH^-CiCH wird CHj-CiCCHj,
Aethylacetylen Dimethylacetylen
n CjHg-CHg-CiCH „ CgHß-CiC-CHj
Propylacetylen Methyläthylaeetylen.
Kohlenwasserstoffe mit einem secundären Alkylrest liefern isomere Glie-
der der .... dien -Reihe:
aus (CH3)2CH.C:CH wird (CH3)2C : C : CH^
Isopropylacetylen Dimethylallen.
(Aus diesem Grunde darf bei der Darstellung der monosubstituirten
Acetylene mit alkoholischem Kali (S. 459) die Temperatur nicht zu hoch
gewählt werden.) Kohlenwasserstoffe dagegen mit einem tertiären Alkyl-
rest, wie z. B.:
(CH3)3C.C:CH
erleiden durch Erhitzen mit alkoholischem Kali selbst bei 200® keine
Umlagerang.
üeber einige Eeactionen, welche den einfach- und zweifach-substi-
tuirten Acetylen gemeinsam sind, vgl. S. 462.
Das Mcthylacetylen' oder Propin CHgC-CH wird gewöhnlicher Allylen
genannt Man stellt es aus Propylenbromid CgHeBrj (bezw. Brompropylen CjH^Br)
durch Behandlung mit alkoholischem Kali dar. Bemerkenswerth ist ferner seine
Bildung durch Elektrolyse der Citraconsäure und Mesaconsäure, welche durchaus
der Bildung des Acetylens bei der Elektrolyse der Fumar- und Maleinsäure (S. 454)
entspricht:
CHgCCOjH CHa-C
Ij = II +2C0, + Hj
^^•^^«^ ^^ -^El^trode.
+ Elektrode
Das Allylen ist ein unangenehm riechendes Gras, welches in Alkohol sehr leicht, in
Wasser ziemlich löslich ist und unter einem Druck von 3 — 4 Atmosphären sich ver-
* Lagermask u. Eltekopp, Ber. 12, 853. — Fawobsey, J. pr. [2] 87, 417.
* Faworsky, J. pr. [2] 37, 382.
' Sawitsch, Ann. 119, 185. — Oppenheim, Ann. 182, 124. — Borsghb u. Frmo,
Ann. 133, 119. — Ppepfee u. Fittig, Ann. 136, 367. — Liebermann, Ann. 135, 266.
— Aabland, J. pr. [2] 6, 257; 7, 142. — Berthelot, Ann. eh. [4] 9, 392, 395, 407.
— Kütscherow, Ber. 17, 13. — Moltschanowski, Ber. 22 o, 250. — Rebocl, Ann.
eh. [5] 14, 458, 465.
Tabellarische üebersicki über einfach alkylirte Acetylene.
461
lüssigt. In ammoniakalificher Kupferchlorürlösung bringt es einen zeisiggelben, in
immoniakalischer Silbemitratlösung einen weissen Niederschlag hervor, welch' letz-
terer die Zosammensetzang C^HgAg besitzt (vgl. S. 456), nicht explosiv ist, bei etwa
150^ aber, ohne vorher zu schmelzen, unter Abscheidung einer schwammigen Kohle
verpuflft. In einer alkalischen Quecksilberjodid- Jodkalium losung, sowie beim Schütteln
mit aofgeschlSmmtem Quecksilberoxyd entsteht die Verbindung (C3Hs)2Hg: glänzende
Krystalle, welche in Wasser unlöslich, in kaltem Alkohol fast unlöslich, in heissem
Alkohol löslich sind. Aus diesen Metallsubstitutionsprodukten wird durch Säuren das
AUylen wieder in Freiheit gesetzt. Leitet man aber Allylen in eine Quecksilber-
chloTidlösung, so erhftlt man unter Freiwerden von Salzsäure einen weissen krystal-
linischen Niederschlag von der Zusammensetzung 3HgCls . SHgO . 2CsH(, welcher
durch Zersetzung mit Säuren nicht wieder das Allylen, sondern sein Wasseranlage-
rungsprodokt, das Aceton, liefert (vgl. S. 462):
CHg-C : CH + H,0 = CHs-COCH,.
Mit Brom vereinigt sich das Allylen zu den Verbindungen CjHiBr, und CjH^Br^,
mit concentrirten Halogenwasserstofiisäuren zu Verbindungen wie CH, • CGI, • CHj.
Eine Keihe weiterer, einfach substituirter Acetylene sind in der folgenden Tabelle
\)^T. 25) zusammengestellt:
Tabelle Nr. 25*.
Formel
Schmelz-
punkt
Siede-
punkt
Specifisches
Gewicht
Aethylacetylen *~ '
Propylacetylen *•' .
Isopropylacetylen *•'
Norm. Butylacetylen' . .
Tert. Butylacetylen* . . .
Norm. Oenanthyliden *•* •
., Capryliden* . . . .
»
ündecyliden*
Dodecyliden'
• I
„ Tetradecyliden' . . . .
,t Hexadecyliden'* . . .
« Octadecyliden ^ . . . .
CgH^ • C : CH
C2H5 • CHg • C : CH !
(CHg^CHCiCH
C4H9 • C : CH
(CH3)3C.C:CH
C5H11 «CtCH
CqH|s • C : CH
CgHiQ • C ; CH
CiqH^i 'CiCH
C}2H)5 • C : CH
Cj^H^g • C : CH
CjeHjg • C : CH
4-18°
48— 50<^
28—30°
68—70°
39°
106—108°
133—134°
210—215°
0-652 (11°)
0-771 (0°)
-9°
105°
0-810
+ 6.5°
134°
0-806
20°
160°
B
3
0-804
30°
184°
0-802.
5?
CT-
TT
t
* Die Namen, wie Oenanthyliden, Capryliden etc. sind die gegenwärtig in der
Literatur meistgebrauchten. Nach Baeteb's Vorschlägen (vgl. S. 458) wären sie zu
ewitzeu durch Namen, wie Heptin, Octin etc.
Citate zu der Tabelle Nr. 25. ^ Bruylants, Ber. 8, 406, 410. — ' Kutscheropp,
ß«. 17, 24. — • Faworsky, J. pr. [2] 37, 382, 417. — * Flawitzky u. Krilopp,
^- 10, 1102. — * B6hal, Ann. eh. [6J 15, 267. — « Rübien, Ann. 142, 295. —
' KiAPPT, Ber. 17, 1371. — ^ Chydeniüs, Ann. 143, 268.
Zweifaeh alkylirte Acetyhne.
weifach alkylirte Acetylene': Dasg Kohlenwasserstoffe dieser
ich durch Umlagerung aus einfach alkylirten Acetylenen beim
mit alkoholischen Alkalien bilden können:
R-CH,.C-CH — »- R-CiC-CH,,
erwähnt (S. 460).
erhält sie ferner, wenn man Ketone, deren Carhonylgrappe
. mit einer CHj-Gruppe, andererseits nicht mit einer Methjl-
erknttpft ist, in die entsprechenden Dichloride überfährt und
eren durch AlkaUen zwei Mol, Chlorwasserstoff entzieht, z. B.:
C,H( ■ CH, C,H, . CH, C,H, - C
H,.CH,-CO C,H,-CH.-CC1, C,HjCH,-Ö '
h von Aethylenkohlen Wasserstoffen , deren doppelte Bindung
(ständig ist, ausgehend, gelangt man zu dialkylirten Acetylenen
Idition von Brom und darauffolgende Entziehung von Halogeo-
)ff, z. B.T
i(CH,-CH CiH(,CH,-CHBr C,He-CH,-C
[ ■ »- »- ,'i .
CH,ÖH CH,.CHBr CH.-C
dem Acetylen und seinen Monalkylderivaten auterscheiden sich
hlen Wasser Stoffe wesentlich durch die Unfähigkeit, in ammonia-
Kupfer- oder Silberlösungen Niederschläge zu erzeugen. Da-
eilen sie mit jenen die Eigenschaft, bei Behandlung mit Qneck-
)ridlö8ung weisse Verbindungen zu liefern, die von Säuren unter
von Ketonen zersetzt werden,
ohl bei einfach wie bei zweifach alkylirten Acetylenen bietet
dieses Verhalten gegen Quecksilberchlorid (und andere Queck-
le) ein Mittel, um eine Hydratation zu bewirken*;
CH,C CH,-CO
II >■ I
CH CH,
C,H.-C C,H.-CH,
C,Hj-C C,H,CO
seranlagerung lässt sich auch ausführen, wenn mau concentrirte
ääure bei niederer Temperatur einwirken läsat und die dadurch
[den Schwefelsäurederivat« durch einen grossen Ueberschuss von
zersetzt'. Durch längere Einwirkung einer wenig verdünnten
jäure dagegen wird eine Polymerisation zu Benzolhomolt^en
äl57) bewirkt*:
1. BiüAL, Ann. eh. [6] 16, 408.
;1. Kdtsobebow, Bot. 14, 1540; 17, 13.
HAL, Ann. oh. [6] IB, 268, *12; 16, 378.
}ROHE, Ber. S, 17, 367. — Fawobskt, J. pr. |2] 37, 384.
Kohlenwasserstoffe mit zwei Doppelbindungen, 463
^3
CH,
aus CHCICH wird »d^ ^H
Methylaoetylen, AUylen CH.C C— CH.
H
Trimethjlbenzol, Mesitylen.
CH,
A
aus CHg.CiC-CHj wird I \\
Dimethylacetylen CH3-C C-CH3 .
CH,
Hexamethylbenzol.
Erhitzt man zweifach alkylirte Acetylene mit metallischem Natrium',
so erhält man in Folge einer Verschiebung der dreifachen Bindung die
Xatriumderiyate isomerer, einfach alkylirter Alkylene, aus welchen letz-
tere durch Wasser abgeschieden werden; z. B. entsteht so aus
CsH5 • C : C • CHj ^ C2H5 • CHj • C ! CH.
Methyläthylacetylen Propylacetylen.
Dimethylaeetylen * CHg-CiC-CHg (Bildung s. S. 460, 462) siedet bei 27—28«
und giebt mit Brom ein öliges Dibromid C^HeBr,, dann ein dimorphes, bei 230^
schmebeendes Tetrabromid C4HeBr4.
B. Kohlenwasserstoffe mit zwei Doppelbindungen (...dlen-
Reihe). Den beiden Doppelbindungen kann ein Eohlenstoffatom gemein-
sam sein, so dass der Complex:
\c=c--c/
im Molecül des Kohlenwasserstoffs vorkommt; man fasst diese bisher
wenig untersuchten Kohlenwasserstoffe als „Alien-Reihe" zusammen.
Oder die beiden Doppelbindungen sind nicht durch ein gemeinschaft-
liches Kohlenstoffatom verknüpft:
Nc=C— C==c/" bezw. \c=:C C=c/;
nach dem bekanntesten Eepräsentanten mag diese Gruppe als ,,Diallyl-
Reihe" bezeichnet werden.
a. Allen -Beihe. Das AUen^ oder Propadlen CH,:C:CH, (Dimethylen-
* Fawobskt, J. pr. [2] 37, 417. — B6hal, Bull. 50, 629.
■ Fawoksky, J. pr. [2] 42, 143.
' GüBTAVsoH u. Dem JANOFF, J. pr. [2] 38, 201. — B£hal, Ann. eh. [6] 16, 356.
— Vaübel, Ber. 24, 1685.
Jilen-Reihe.
) wird am besten ans dem Dibrompropylen, welche» durch Zenetznng tm
bjdrin mit festem Kali:
CH,BrCHBr.CH,Br-HBr = CH,:CBr-CH,Br
durch Bromentziehiu^ mittelst Zinkataub:
CH,:CBrCH,Br~Br, = CH,:C:CH,
n. In geringer Menge erbiet inaa es durch Zersetnmg von AUjIbalogenen
holischem Kali;
CH,:CHCH,Br-HBr = CH,:C:CH,.
ia farbloaes Gas, welches im Gegensati: zum Alljlen ammonialudiscbe LS-
;on Kupferchlorür tmd Silbermtrat Dicht föllt; in Ldsungen vod Queck-
irid und Quecksilbersulfat erxeugt es weisse Niederschläge. Durch Wasser-
Dg (mittelst SchwefekSure) liefert es AcetoD. Beim Erhitzen mit alkoboli'
.ali geht es durch AnAiahme von einem Molecül Alkohol in AIljUthjlitlieT
[■CH,(O.C,H,) ober.
itbjlallen' CH,CH:C:CH, (Siedepunkt 18—19°) ist aus dem Tettachlorid
C1-CCI,'CH,C1 durch Chlorentziebung gewonnen. Unsymmetrische« Di-
allen' (CHAC:C:CH, kann aus dem Bromid des Trimethyläthylens durch
»eratoff-Entziehung :
(CH,),C l,CH,),CBr (CH,),C
CH,
CHBr >. C
CH, hu.
werden; es siedet bei 39—40°. Tetramethylallen' (CHi),C:C:CCCH,l,
nkt etwa 70°) entsteht aus dem Chlorid des Isobutyrons;
(CH,|,CH (CH,),CH (CH,),C
CO - ^ CC!, > C .
I I I
(CH,),CH (CHj>,CH (CH,),a
iB Allen-Koblenwasserstoffen entstehen durch Erhitzen mit Natrium' (TgL
lie Natriumderivate isomerer Acetylen- Kohlenwasserstoffe:
aus CH,:ClCH, wird CH, CiCH
Allen Allylen,
„ (CHAC:C:CH, „ (CH.I.CH-CiCH
Di methy lallen Isopropylacetylen.
Kohlenwasserstoffe mit zwei getrennten Doppelbindungen. Dem
ten Glied dieser Reihe kommt die Formel:
CH,:CH.CH:CH,
lein MolecUl zwei einwerthige Reste CII,:CH— mit einander verbunden ent-
d dieses Radical als „Vinyl" (vgL S. 469—470) bezeichnet wird, so kann man
blenwasaerstoff dieser Constitution als DlTlnyl von den isomeren Kohlen-
SoBTON u, NotES, Ber. 22c, 202. ' FiwoBSKV, J. pr. [2] 37, S92, 423.
Henbv, Ber. 8, 400. — Vaubel, Ber. 24, 1692.
Fawobskv, J. pr. [2] 37, 423. — Gdstavson u. Dekjanopp, J. pr. [2] 38, 206.
Divinyl und DiallyL 465
Wasserstoffen C^H« (Aethylacetylen vgl. S. 461, Dimethjlacetylen S. 463, Methyl-
allen S. 464) unterscheiden; von seinen Bearbeitern ist dieser auf den verschie-
densten Wegen erhaltene Kohlenwasseistofif unter den Namen „Crotonylen,
Butin, Erythren, Pyrrolylen" beschrieben. Er bildet sich häufig auf pyrogene-
tischem Wege — so aus einem Gemisch von Aethylen und Acetylen bei dunkler Roth-
glutb^, aus Paraffinen* und Aethylen' bei Glühhitze — und ist daher auch im Leucht-
gas vorhanden ^'^ Er bildet sich femer durch Eeduction des Erythrits mit concen-
trvrter Ameisensäure''® und aus Methylirungsprodukten des Pyrrolidins (vgl. Bd. II)
durch Destillation mit Aetzkali^. In einer Kältemischung Ifisst sich dieser Kohlen-
wasserstoff zu einer leicht beweglichen, farblosen, eigenthümlich riechenden Flüssig-
keit verdichten. Mit Brom tritt er zu zwei isomeren Tetrabromiden' C^H^Br^ zu-
sammen, die durch Petroleumäther getrennt werden können; das schwer lösliche,
gewöhnlich zur Charakterisirung des Divinyls benutzte Tetrabromid schmihst bei
118—119% das leicht lösliche bei 38— 39<».
Das Diallyl CHaiCHCHjCHjCHrCH, — so genannt, weil sein Molecül aus
zwei „AUyl"-Radicalen CH,:CHCH,— (s. S. 469) besteht, — wird aus Allyljodid
CH,:CH'CH,J durch Jodentziehung (z. B. mit Natrium) gewonnen •:
2CH,:CH.CH,J + 2Na = 2NaJ + CH,:CH.CH,.CH,.CH:CH,.
Es siedet bei 58— 59« und besitzt bei 20 <» das spec. Gew. 0-690". Mit Brom"
liefert es zwei isomere Tetrabromide 0^11, oBr4, bei der Oxydation" mit Kalium-
pennanganat zwei isomere Hexylerythrite CeHio(OH)4. (Vielleicht ist der unter dem
Namen „Diallyl" bekannte Kohlenwasserstoff keine einheitliche Verbindung, wie von
einigen neueren Bearbeitern desselben" vermuthet wird; die Bildung der isomeren
Tetrabromide und Hexylerythrite genügt freilich nicht als Stütze dieser Vermuthung,
da ihre Verschiedenheit auch auf einer durch die Gegenwart asymmetrischer Kohlen-
&to£Eatome bedingten stereochemischen Isomerie beruhen kann, wie sie auch wohl für
die beiden Tetrabromide des Divinyls (vgl. oben) anzunehmen ist.) Das Diallyl giebt
weder mit ammoniakalischer Kupfer- und Silberlösung, noch mit Quecksilberchlorid
Niederschläge. Durch Wasseranlagerung" (mittelst concentrirter Schwefelsäure) geht
es in Hexylenoxyd (Anhydrid eines Hexylenglykols):
CHg • CH • CM) • CHj • CH • Cri8
\o
über.
Höhere Glieder dieser Gruppe sind theils auf ähnlichem Wege, wie das Diallyl
* Bebthelot, Ann. eh. [4] 9, 466. — Pbünieb, Ann. eh. [5] 17, 16.
* Norton u. Andrews, Jb. 1886, 572.
' Norton u. Notes, Jb. 1886, 573. * Caventou, Ber. 6, 70.
* Groiaux u. Cloez, Bull. 48, 31. Compt rend. 104, 118.
* Henninger, Ber. 6, 70.
' CiAMiciAN u. Maonaqhi, Bcr. 18, 2081; 19, 569. — Ciamician, Ber. 20, 3061.
^ Vgl. Ciamician u. Maqnanini, Ber. 21, 1430.
* Bebthelot u. Lüca, Ann. 100, 361. — Oppenheim, Ber. 4, 671.
" BüPP, Ann. Suppl. 4, 146. — Vgl. femer Zander, Ann. 214, 148. Schipp,
Ann. 220, 90. Gartenmeister, Ztschr. f physik. Chem. 6, 529 (1890).
" Sabanejew, Ber. 18o, 182. — Ciamician u. Anderlini, Ber. 22, 2497.
" Hehrt, Bull. 30, 50. — Sorokin, Ber. 11, 1257. — G. Wagner, Ber. 21, 3343.
" Sabanejew, Ber. 18 c, 182. — G. Wagner, Ber. 21, 3845.
" Jekyll, Ztschr. Chem. 1871, 36. — B^hal, Ann. eh. [6] 16, 200.
^- MsYXB u. JAOOBBON, OTg. Chem. I. 30
466 Isopren,
erhalten^, theils durch Wasserentziehung aus ungesättigten Alkoholen gewoDnen
worden*, z. B.:
CHg : CH • C XI jv /CHj * CHs Cxi) : CH • CHgv
>C< -H,0 = >c=<:;H.CHa.
CHs-CH/ \0H CHj.CH,/^
Kohlenwasserstoffe, deren Zusammensetzung der allgemeinen Formel
C^H2^_2 entspricht, sind noch in manchen Zersetzungsprocessen com-
pUcirterer Substanzen gewonnen worden, so das Piperylen CjH^
aus Piperidin, Conylen- CgH^^ aus Coniin, Campholen C^Hj^ und
Menthen Cj^jH^g aus Körpern der Campher-Gruppe. Da ihre Struetur
noch nicht mit Sicherheit ermittelt ist, so mögen sie erst bei den Ver-
bindungen behandelt werden, durch deren Zersetzung sie entstehen.
Ein interessanter Kohlenwasserstoff von der Formel C^Hg — das
Isopren^ — , welcher mit grösster Wahrscheinlichkeit einer der vier
oben behandelten Gruppen zuzurechnen ist, muss indess hier noch
erwähnt werden. Er wird durch trockene De^illation von Kautschuk
erhalten und geht bei der Behandlung mit concentrirter Salzsäure wieder
zum Theil in eine Masse über, die dem natürlichen Kautschuk völlig
gleicht. Er entsteht femer bei der Zersetzung von Terpentinöl-Dämpfen
in beginnender Rothglühhitze und wird wieder durch Erhitzen auf 250
bis 280^ zu einem Kohlenwasserstoff CjjjHjg von der Zusammensetzung
der natürlichen Terpene polymerisirt, welcher identisch ist mit dem
auch in der Natur verbreiteten Dipenten (vgl. Terpene, Bd. 11); daneben
entstehen höhere Polymerisationsprodukte. Das Isopren siedet bei 34
bis 35^, besitzt bei 20^ das spec. Gew. 0-682, vereinigt sich mit
Brom zu einem flüssigen Tetrabromid CgHgßr^ und oxydirt sich an
der Luft rasch zu einer syrupartigen Substanz von explosiven Eigen-
schaften. Da es weder Kupfer- noch Silberverbindungen bildet, auch
nicht mit Quecksilberbromid-Lösung reagirt, so gehört es wahrscheinlich
in die Gruppe des Divinyls und Diallys und ist vielleicht als Methyl-
Di vinyl:
0x13 C/H3
I oder I
CH:CH.CH:CH, CH,:C.CH:CH,
anzusprechen.
III. Wasserstoffärmere Kohlenwasserstoffe.
An die Acetylen- Reihe CqH2q_2 schliessen sich Kohlenwasserstoff-
gruppen von der allgemeinen Zusammensetzung C^H^^.^ und C^Hjj^_,j.
In der Reihe CqHj^_^ können einerseits Kohlenwasserstoffe mit drei
^ Vgl. Przybytek, Ber. 20, 3240; 21o, 709.
* S. Rbformatsky, Ber. 16, 1223; 17c, 9.
' Williams, Jb. 1860, 494. — Boüchardat, Compt. rend. 80, 1446; 89, 11 IT.
— Tilden, Chem. News 46, 120. Joum. Soc. 45, 410. — Wallach, Ann. 227, 295;
238, 88.
Diacetylen. 467
Doppelbindungen (. . . trien- Reihe), andererseits solche mit einer doppelten
und einer dreifachen Bindung {. . . in- en-Reihe) unterschieden Averden;
diese Reihen sind bisher wenig untersucht. Der Zusammensetzung nach
könnte eine grössere Zahl im Pflanzenreich sehr verbreiteter Kohlen-
wasserstoffe Cj^Hj^ — die „Terpene" — ihr zugerechnet werden; diese
wichtigen Kohlenwasserstoffe enthalten indess ringförmige Atomanordnung
lind sind daher erst in Band 11 zu behandeln. Neuerdings ist aus einem
Naturprodukt, dem Geraniol (s. S. 485), durch Wasserabspaltung auf
künstlichem Wege ein Kohlenwasserstoff^ Ci^jH^g erhalten worden, dessen
Molecül eine offene Kohlenstoffkette und drei doppelte Bindungen enthält,
und dessen Constitution auf Grund seiner Bildungsweise durch die Formel:
(CH,),CH.CH,.CH:CH.C(CHs):C: CH,
auszudiiicken wäre; er siedet bei 172 — 176®, besitzt bei 20® das spec.
Gew. 0-823 und addirt 6 Atome Wasserstoff bezw. Brom.
In der Reihe C^Hg^.,^ findet man einige interessante Kohlenwasser-
stoffe, welche zwei dreifache Bindungen in ihrem Molecül enthalten.
Der einfachste Kohlenwasserstoff von solcher Constitution — das Diacetylen
oder Batadiin C^H^ = CH^C — C^C — ist von Baeyer^ entdeckt
worden. Er erhielt dasselbe aus der Diacetylendicarbonsäure (Butadiindi-
carbonsäure) COjH-CiC-CiC-COgH durch Kohlensäure - Abspaltung ; er-
wärmt man letztere in ammoniakalischer Lösung mit ammoniakalischem
Kupferchlorür, so entsteht die violettrothe Kupferverbindung des Dia-
cetylens, aus welcher der Kohlenwasserstoff selbst beim Erwärmen mit
Cyankaliumlösung gasförmig in Freiheit gesetzt wird. Er besitzt einen
charakteristischen Geruch und erzeugt in ammoniakalischer Silberlösung
einen gelben Niederschlag, der schon beim Zerreiben in feuchtem Zustand
explodirt. Das Vorliegen von Diacetylenderivaten in diesen Substanzen,
welche freilich selbst nicht analysirt werden konnten, ergiebt sich einer-
seits aus ihrer Bildungs weise, andererseits aus der Umsetzung, welche
die Silberverbindung bei der Einwirkung von Jod erleidet; es entsteht
Dijoddiacetylen C^Jj (farblose Krystalle, bei 101^ schmelzend, von
jodoformähnlichem Geruch, beim Erhitzen heftig explodirend, am Lichte
sich polymerisirend), dessen Zusammensetzung durch die Analyse bestätigt
werden konnte; durch ammoniakalische Kupferlösung wird letzteres wieder
in die Kupferverbindung des Diacetylens zurückgeführt.
DIpropargyP oder Hexadlln C,Hg = CHiCCHg.CHg.CiCH —
ein Kohlenwasserstoff mit offener Kette, welcher dem wichtigsten der
cyclischen Kohlenwasserstoffe, dem Benzol, isomer ist — wird aus dem
Tetrabromid des Diallyls (vgl. S. 465) durch Abspaltung von Brom-
wasserstoff mittelst Kali unter intermediärer Bildung von Dibromdiallyl
erhalten:
^ Sbhmler, Ber. 24, 688. * Ber. 18, 2272, 2276.
• ÜEfRY, Ber. 6, 956; 7, 20; 14, 401. — B6hal, Ann. eh. [6] 16, 279. —
Bevthelot, Ann. eh. [5] 23. 195.
80*
468 DipropargyL
CjHßBr, C,H4Br
I -2HBr =
CsHjBrs CgH^Br
CgH^Br ^s^a
I -2HBr= I
CgH^Br ^ffli
Aus dieser Bildungsweise und aus seinen acetjlenartigen Eigenschaften
ergiebt sich seine Constitution. Es stellt eine farblose Flüssigkeit von
intensivem Geruch dar, ist in Wasser unlöslich, siedet gegen 85® (vgl.
unten) und besitzt bei 18® das spec. Gew. 0-81. Mit ammoniakalischer
Eupferchlorür - Lösung liefert es einen amorphen, zeisiggelben, mit
Silbemitrat-Lösung einen amorphen weissen Niederschlag; diese Nieder-
schläge sind explosiv und besitzen die Zusammensetzung CgH^Cu^ + 2H,0
bezw. CgH^Agj + 2H3O ; auch mit Quecksilberchlorid-Lösung behandelt,
giebt es eine weisse, in Wasser und Alkohol unlösliche Verbindung.
Mit Brom vereinigt es sich zu einem Tetrabromid CgHgBr^ und einem
Octobromid C^HgBrg. Schon bei gewöhnlicher Temperatur polymerisirt
es sich allmählich zu einem festen, schellakähnlichen, beim Erhitzen
verpuffenden Harz; aus diesem Grunde konnte der Siedepunkt des Di-
propargyls bisher nicht genau festgestellt werden.
Ein iBomerer, fester Kohlenwasserstoff entsteht nach Gbiner^ durch Oxydation
von Allylenkupfer mit Kaliamferricyanid- Lösung; dieser Bildung zufolge könnte
man ihm die Constitution des Bimethyldiaeetylens:
CH,-C^C-CfeC-CHa
zuschreiben, mit welcher Annahme auch seine Indifferenz gegen ammoniakalische
Kupferchlorür-Lösung übereinstimmen würde. Sein Schmelzpunlct wird zu 64 ^ sein
Siedepunkt zu 129—130^ angegeben; erwägt man, dass Benzol bei 81 ^^ Dipropaigyl
bei 85^ siedet, so muss diese Siedepunktsangabe für einen gleich zusammengesetzten
Kohlenwasserstoff sehr befremdlich erscheinen.
Kohlenwasserstoffe mit offenen Ketten, deren Molecül mehr als drei
doppelte Bindungen oder mehr als zwei dreifache Bindungen enthält,
sind bisher nicht mit Sicherheit bekannt geworden.
Vierzehntes Kapitel.
Einwerthige ungesättigte Halogenderiyate.
I. Monohalogenderirate der Aethylenkolüenwasserstoffe.
Allgemeine Zusammensetzung: CQH3^_jCl(Br,J).
Von den Kohlenwasserstoffen der Aethylenreihe gelangt man zu ihren
Monohalogen- Substitutionsprodukten, indem man zunächst ein Molecül
Halogen fixiren lässt:
^ Compt. rend. 105, 283.
Monöhalogenderivate der Äethylenkohlenwasserstoffe, 469
CHj CHjCl
+ C1, = I
H, CH,C1
i
und dem so entstandenen gesättigten Dihalogenderivat durch gemässigte
Einwirkung von alkoholischen Alkalien (ygl. S. 454) ein Molecül Halogen-
wasserstoff entzieht:
CHjCl CHCl
I -HCl = i, .
In ganz ähnlicher Weise liefern die aus den Aldehyden und Ketonen
durch Austausch des Sauerstoffs gegen Halogen entstehenden Verbin-
dungen (vgl. S. 388, 459, 462) nach Abspaltung von 1 Mol. Halogen-
wasserstoff ungesättigte Monöhalogenderivate^:
CH3 CHs CHj
CHj Gxi} GH]
CO CGI, CGI '
GH3 GXI3 GHg
die den Ketonen entsprechenden Dichloride sind oft so unbeständig, dass
sie schon bei der Destillation der Abspaltung von einem Molecül Chlor-
wasserstoff unterliegen.
Einige Verbindungen dieser Gruppe sind aus ungesättigten Säuren erhalten',
indem man die aus letzteren durch Addition von Halogen entstehenden gesättigten
halogensubstitnirten Säuren mit kohlensauren Alkalien behandelte. So wird z. B. die
aus Grotonsäure GH3-GH:GHG0,H erhältliche Dichlorbuttersäure GHg-CHGlGHGl-
CO)H in alkalischer Ldsung nach der Gleichung:
GHj-GHClGHGlGOjNa = GH,.GH: GHGl + NaGl + GO,
gespalten.
Diese Reactionen fuhren stets zu Verbindungen, deren Halogenatom
an einem der doppelt gebundenen Kohlenstoffatome haftet. Solchen Ver-
bindungen lässt sich eine Gruppe von Halogenderivaten gegenüberstellen,
die zwar ebenfalls ungesättigt sind, deren Halogenatom aber sich an
eines der an der Doppelbindung nicht direct betheiligten Kohlenstoffatome
lagert, wie CH3:CH-CHjCl etc. Zu letzteren gelangt man von den ent-
sprechenden ungesättigten Alkoholen auf analogen Wegen, wie von den
Grenzalkoholen zu den Halogenalkylen (vgl. S. 180 — 182), z. B.:
3 GH, : GHGHjOH + PBr, = P(OH)j + 3GH, : GHGH,Br.
Von den Monohalogen-Derivaten der Äethylenkohlenwasserstoffe sind
am besten untersucht die Abkömmlinge des Aethylens selbst und die-
jenigen des Propylens CH3:CH-CH3, welche ihr Substituens in der Methyl-
gruppe enthalten. Das den ersteren gemeinsame einwerthige Radical
CHj : OH — wird „Vinyl", das für die letzteren charakteristische Radical
CH,:CH-CH,— wird „AUyl" (Ableitung s. S. 481) genannt:
* Bbüylants, Ber. 8, 410 (1875).
' B. jAFFt, Ann. 135, 300 (1865). — Paoenstecher, Ann. 196, 125 (1878). ~
Wäuckkcs, Ann, 248, 297 (1888).
470 Verschiedene Beweglichkeit der Halogenatom'e je nach der Bindungsart,
OH] 0H|
'! Jl
CHX CH-CHgX
Vinyl- AUyl-Derivate.
In den Vinylhalogenen haben wir Repräsentanten jener Verbindungen,
deren Halogenatom direct an der Doppelbindung seinen Sitz hat; die
Allylhalogene dagegen bieten ein Beispiel für den zweiten oben erwähnten
Fall, da ihr Halogenatom an ein einfach gebundenes Kohlenstoffatom ge-
kettet ist. Diese Verschiedenheit der Constitution äussert sich deutlich
in der Verschiedenheit des chemischen Verhaltens.
Die an den AUylrest gebundenen Halogenatome sind ebenso beweg-
lich, ebenso leicht austauschbar, wie die Halogenatome der Alkylhalogene
(ygl. S. 185). Wie sich mit Hülfe der letzteren die gesättigten Radicale
in alle möglichen Verbindungsformen überführen lassen, so können daher
die Allylhalogene dazu dienen, um das ungesättigte AUylradical CgH^
von einem Molecül in ein anderes wandern zu lassen, z. B.:
CsHg.J + NH, = CsHßNHj.HJ
CgH^-J + NaCHCCOj.CÄ), = CsHjCHCCOjCjHj,), + NaJ etc.
Da das AUyljodid direct, das Chlorid und Bromid durch Vermittelung des
Allylalkohols (S. 479) verhältnissmässig leicht aus dem Glycerin gewinnbar
ist, so bedient man sich ihrer Eeactionsfähigkeit sehr häufig für die
Synthese ungesättigter Verbindungen. Derartige Eeactionen verlaufen
sogar mit den ungesättigten Verbindungen oft bedeutend lebhafter, als
mit den gesättigten. Während z. B. die Reaction zwischen Propyljodid
CHg-CHj-CHJ und Natrium- Acetessigester (s. S. 308) in alkoholischer
Lösung nur ganz schwache freiwillige Erwärmung hervorbringt und zu
ihrer Vollendung 2 — 3 stündiges Erhitzen erfordert, tritt bei Anwendung
von AUyljodid CHgiCH-CHgJ innerhalb einer halben Minute von selbst
Sieden ein, und im Verlauf von kaum einer Minute ist die Reaction be-
endigte Bei der Umsetzung mit Natriumäthylat (zu Allyl- bezw. Propyl-
äthyläther) ist die Reactionsgeschwindigkeit für Allylhalogene ungefähr
60 mal so gross, wie für Propylhalogene*. AUyljodid lässt sich von Propyl-
jodid und anderen Alkyljodiden sehr leicht trennen, da es mit Quecksilber
schon bei gewöhnlicher Temperatur nach sehr kurzer Zeit sich zu Queck-
silberallyljodid vereinigt, während die übrigen Jodide bedeutend lang-
samer reagiren^.
Ganz anders aber verhalten sich die Vinyl-Halogenverbindungen; ihr
Halogenatom ist nicht zu doppelten Umsetzungen geneigt; versucht man
dieselben Reactionen, in welchen sich die Alkylhalogene wiUf ährig er-
weisen, mit den Vinylhalogenen anzustellen, so findet man sie meist ver-
sagen. So giebt das Vinylbromid mit AlkaUen nicht den entsprechenden
* WiSLicENUs, Ann. 212, 244 (1882).
* Conrad u. Bbückneb, Ztschr. f. physik. Chemie 4, 631 (1889).
' LiNNEMANN, Ann. Suppl. 3, 262 (1865).
Vinylhalogene, 47 1
Alkohol, mit Alkoholaten keine Aether, mit essigsaurem Kalium keinen
Ester, sondern zerfällt in Bromwasserstoff und Acetylen:
CH, : CHBr - HBr = CH : CH;
auf feuchtes essigsaures Silber reagirt es bei 100^ nicht, mit alkoholi-
schem Ammoniak kann man es 48 Stunden auf 150® ohne Veränderung
erhitzen^, es reagirt weder mit Cyankalium noch mit Cyansilber bei län-
gerem Erhitzen«.
Ein interessantes Beispiel für den Einfluss der Stellung der Halogen-
atome auf den chemischen Charakter bietet auch das Verhalten der drei
isomeren Brompropylene gegen Triäthylamin. Das AUylbromid
CH,:CH.CH,Br
vereinigt sich mit dem tertiären Amin unter bedeutender Wärmeentwicke-
lung zu einem quatemären Ammoniumbromid (C2Hg)g(C3Hß)NBr. Gegen-
über dem a- und /9-Brompropylen (CHBriCH-CHj und CHjiCBr-CHj)
dagegen wirkt das Triäthylamin wie ein Alkali; es spaltet diese Ver-
bindungen in Allylen CH:C-CHg und Brom Wasserstoff und vereinigt sich
mit letzterem zu bromwasserstoffsaurem Triäthylamin'.
Als ungesättigte Verbindungen sind die Monohalogen- Derivate der
Aethylene zu Additionsreactionen befähigt, z. B.:
CH, : CBr.CHj + HBr = CHsCBr^CH,.
Tinylbalosrene. Sie können sowohl aus den dem Acetaldehyd entsprechenden
Dihalogenftthanen (Aethylidenverbindungen), wie aus den Halogenadditionsprodukten
des Aethylens durch Entziehung von Halogenwasserstoff gewonnen werden :
CHgCHCl, - HCl = CH, : CHCl
CHjBrCHjBr - HBr = CH, : CHBr;
letzterer Weg wird gewöhnlich zur Gewinnung des Bromvinyls eingeschlagen. Auch
bilden sie sich durch Anlagerung von Halogenwasserstoff an Acetylen:
CH :• CH + H J = CH, : CHJ.
Viuylchlorid^ CH, :CHC1 ist ein farbloses Gas, das sich im Kältegemisch
verflüssigen Ifisst; 1 Vol. Wasser löst bei 25 <» 0-8 Vol. Vinylchlorid , 1 Vol. absoluter
Alkohol bei 23 ^ 55 Vol. Im Sonnenlicht wird es zu einer zähen , blendend weissen
Masse polymerisirt
Vinylbromid' CH,:CHBr ist eine leicht bewegliche, ätherisch riechende Flüssig-
keit, in Wasser etwas löslich, siedet bei 16^ und besitzt bei 14^ das spec. Gew. 1-517.
Im Sonnenlicht wird es zu einer festen weissen Majsse polymerisirt, welche das spec.
Gew. 2*075 zeigt und in Alkohol und Aether vollständig unlöslich ist; durch Zusatz
einer geringen Menge Jod kann die Polymerisation verhindert werden.
* Vgl. KüTSCHEBOPP, Ber. 14, 1532 (1881). — Engel, Bull. 48, 94 (1887).
* Baumawn, Ann. 163, 311 (1872). » Reboül, Compt. rend. 92, 1422 (1881).
* Reokaült, Ann. 14, 28 (1885). — Wuktz u.Frapolu, Ann. 108, 223 (1858). —
BAnfAKv, Ann. 163, 317 (1872). — Glinsky, Ztschr. Chem. 1867, 676.
* ßsoNAULT, Ann. 15, 65 (1835). — Baumann, Ann. 163, 812 (1872). — An-
schCtz, Ann. 221, 141 (1883). — Semenow, Ztschr. Chem. 1864, 141. — Gunsky,
ebenda 1867, 675. — de Forcband, Ann. eh. [5] 28, 31 (1883). — Lwow, Ber. 11,
1258 (1878). — KüTSCHEBOPP, Ber. 14, 1532 (1881).
472
Monohalogenderivaie des Propylens (Aüylhalogene).
Vinyljodid* CH,:CHJ ist flüssig, siedet bei 56^ und besitzt bei 0^ das spec
(Jew. 2-09.
Monohalogren-Berirate des Propylens. Je nach der Stellung des Halogen-
atoms sind drei Isomere zu unterscheiden, welche als a- und /^Propjlenderivate nnd
als AUjlderivate bezeichnet werden, z. B.:
CHCl : CH . CHs CH, : CGI • CH, CH, : CH • CH.Cl.
ct-Chlorpropylen. |?-Chlorpropylen. Allylchlorid.
Die folgende Tabelle Nr. 26 enthält die Siedepunkte und specifischen Grewicbte
der hierhergehörigen Verbindungen zusammengestellt Das a-Jodpropylen ist noch
nicht bekannt.
• Tabelle Nr. 26.
Specifisches
Gewicht
AHylchlorid»-«" . . .
Allylbromid"-*«-^-'« . .
AUyljodid »•-••••••"•" . .
«-Chlorpropylen •* "• ** .
«-Brompropylen »•>•— i«
/^Chlorpropylen »-»ö»* .
^Brompropylen**^ . .
^-Jodpropylen"" . . .
CH.rCHCHjCl
CHj-.CHCH.Br
CHjtCHCHjJ
CHChCHCH,
CHBnCHCHs
CHjiCClCH,
CHj:CBr.CH,
CH.iCJ.CHj
46°
103°
35— 36<»
60 0
23^
48 ö
82 0
0.961(0«)
1.459(0«)
1-870(0«)
1.428(19.5«)
0-931 (0«)
1 . 362 (20 «)
1.835(0«)
Citate zu der Tabelle Nr. 26: ^ Oppenheim, Ann. 140, 205 (1866); Ann.
Suppl. e, 355 (1868). — « ToLLBNs, Ann. 1Ö0, 151 (1870). — » Brühl, Ann. 200,
179 (1880). — * Zander, Ann. 214, 142 (1882). — * R. Schiff, Ann. 220, 98 (1883).
— * Peibram u. Handl, Monatsh. 2, 659 (1881). — ^ Geosheintz, Bull. 30, 98 (1878).
— ^ LiNNEUANN, Ann. Suppl. 3, 264 (1864). — « Beboul, Ann. eh. [5] 14, 458 (1878).
— »« FßiEDEL, Ann. 134, 262 (1865). — " Ltnnemann, Ann. 138, 123 (1866); 161,
66 (1872). — " Oppenheim, Ztschr. Chem. 1866, 719. — " Semenow, Ztschr. Chem.
1865, 725. — ** Niederist, Ann. 196, 850 (1878). — " Wislicenus, Ann. 248, 297,
305 (1888). — " FiTTio, Ann. 2Ö9, 28, 36 (1890). — " C. Kolbe, J. pr. [2] 26, 391
(1882). — " Lanobein, Ann. 248, 322 (1888). — " Vaübel, Ber. 24, 1685 (1891).
Allylchlorid und AUylbromid werden am besten aus dem Allylalkohol
CH, : CH • CHj • OH (vgl. S. 479) durch Austausch der Hydroxylgruppe gegen Halogen
nach den S. 180 — 181 besprochenen Methoden gewonnen.
Zur Gewinnung des Allyljodids' dagegen benutzt man in der Begel seine
reichliche Bildung bei der Einwirkung von Phosphor und Jod auf Glycerin:
C,H,(OH), + P 4- J = CjHftJ + HPO, + H,0;
die Bedingungen der Reaction müssen so gewählt sein, dass das entstehende Jodallyl
nicht Gelegenheit findet, durch Jodwasserstoff weiter verändert zu werden. Denn mit
> Reonault, Ann. 16, 69 (1835). — Baümann, Ann. 163, 309, 819 (1872). —
-^usTAVflON, Ber. 7, 731 (1874).
' Berthelot u. de Luca, Ann. eh. [3] 43, 258 (1855). — Claus, Ann. 131, 59
Anm. (1864). — Oppenheim, Ann. Suppl. 6, 354 (1868). — Kanonnikoff u. Sattzeff,
Ann. 186, 191 (1877). — James, Ann. 226, 206 (1884). — G. Wagner, Ber. 9, 1810
(1876). — BfiHAL, Bull. 47, 875 (1887). — Malbot, Ann. eh. [6] 19, 355, 363 (1890).
MonohcUogenderivaie des Acetylens. 473
Jodwasserstoff vereinigt es sich zu Propylenjodid CHg • CHJ • CH, J, welch' letzteres bei
weiterer Einwirkung von Jodwasserstoff zu Isopropyljodid reducirt wird (vgl. S. 188,
Darstellung des Isopropyljodids), in der Wärme dagegen in Jod und Propylen zerfiällt.
Allylfluorid' CgHsFl, aus AUjljodid und Fluorsilber erhalten, ist ein farb-
loses Gas, das sich gegen — 1^ verflüssigt, in Wasser ziemlich, in Alkohol und Aether
sehr leicht löslich ist.
Die a-Derivate des Propylens erh< man in reinem Zustande aus den dem
Propionaldehyd entsprechenden Dihalogenverbindungen durch Halogenwasserstoff-
Entziehung:
CHs-CHj.CHCl, - HCl = CHs-CH : CHCl,
die I?- Derivate aus den dem Aceton entsprechenden Isomeren (vgl. S. 545):
CHsCBrj.CH, - HBr = CH8CBr:CH,;
unterwirft man die Halogen -Additionsprodukte des Propjlens der Einwirkung des
alkoholischen Kalis, so erhält man ein Gemenge:
<CH,.CH:CHBr
CH8CBr:CH,
Die a-Derivate vereinigen sich viel schwerer mit Brom Wasserstoff zu gesättigten Di-
halogenverbindungen, als die |9-Derivate — ein Umstand, der mit Vortheil zu ihrer
Trennung in Gemischen verwerthet werden kann. Durch weitere Einwirkung von
alkohoÜBchen Alkalien liefern die «- und ^-Derivate Allylen CHs-C-CH, während
die Alljlhalogene hierbei zum geringen Theil in Allen CH, : C : CH,, der Hauptmenge
nach aber in Allyläthyläther CH,:CH.CH8-0-C,H5 übergehen.
II. MonohalogeiiderlTate der Acetylenkolilenwasserstoffc.
Derivate des Acetylens. Chloracetylen' CCl-CH bildet sich bei der Zer-
setzung von Dichlorakrylsäure CCl2:CH'C0,H durch wässrige Alkalien:
CCl, : CHCOjNa = CCl \ CH + CO, + NaCl.
£a ist ein Gas von sehr merkwürdiger Unbeständigkeit*, nur bei hinreichender Ver-
dünnung mit Wasserstoff konnte es untersucht werden ; in annähernd reinem Zustand
zerftUt es nach einiger Zeit von selbst unter Explosion und Rohlensto£BEibscheidung'.
Es erzeugt in ammoniakalischer Kupferchlorürlösung einen gelbrothen, in ammonia-
kaÜscher Chlorsilberlösung einen weissen Niederschlag; beide Niederschläge sind
äusserst explosiv. Das Vorliegen des Chloracetylens in diesem Gase ergiebt sich
daraus, daas durch Einleiten desselben in Brom ein Tetrabrommonochloräthan
C,HBr,Cl erhalten wird.
Bromacetylen* CBrjCH wird durch Zersetzung von symmetrischem Dibrom-
äthylen mit wässrig-alkoholischer Natronlauge erhalten:
CHBr : CHBr - HBr = CBr iCH ,
wobei man wegen seiner Selbstentzündlichkeit in einer Stickstoffatmosphäre arbeiten
muss. In einer Kältemischung lässt es sich zu einer leicht beweglichen, farblosen
• Meslans, Compt. rend. 111, 882 (1890).
• Wallach, Ann. 203, 88 (1880). — Zinoke, Ber. 23, 3783 (1890).
• VgL über derartige spontane Zersetzungen V. Meyer, Ann. 176, 138 (1874).
^ Reboül, Ann. 126, 81 (1868). — Schmelz u. Beilsteik, Ann. Suppl. 3, 280
(1865). — Sabahejew, Ber. 18 o, 374 (1885).
474 PropargylrlJalogene,
Flüssigkeit verdichten. Am Licht erleidet es eine Polymerisation , wodurch es
grösstentheils in unlösliche, nicht unzersetzt schmelzende Produkte, theilweise (zu
etwa lO^/o) in symmetrisches Tribrombenzol CeHgBr, übergeht. In ammoniakalisclier
Kupferchlorürlösung erzeugt es einen Niederschlag von Acetylenkupfer.
Jodacetylen* CJ-CH entsteht aus Jodpropargylsäure CJ:C'CO,H bei der
Zersetzung ihres Bariumsalzes durch Kochen in wftssriger Lösung:
CJ : CCOjH — CO, = CJ : CH.
Es ist krystallinisch, sehr leicht schmelzbar und flüchtig, in Wasser ziemlich löslich,
besitzt einen unangenehmen Geruch und scheint ausserordentlich giftig zu sein. Mit
ammoniakalischer Kupferchlorürlösung giebt es einen purpurrothen Niederschlag, der
sich bei Ueberschuss der Kupferlösung bald in ein Gemenge von Kupferjodür und
Acetylenkupfer verwandelt. Beim Aufbewahren polymerisirt es sich zu einer kry-
stallisirbaren Substanz vom Schmelzpunkt 17 1*' (vermuthlich symmetr. Trijodbenzol).
Derirate des Allylens. Für Monosubstitutionsprodukte des Ally-
lens lässt die Theorie zwei Structurfälle vorherrschen:
HC :• C . CH,X und XC : C • CHj.
Die Verbindungen der ersten Art enthalten das einwerthige Radical
CHjCCHg — , für welches die Benennung „Propargyl" (vgl. Lieber-
MANN, S. 484) eingeführt ist, und werden daher als Propargyl -Verbin-
dungen bezeichnet; von den Halogenverbindungen der zweiten Art ist
nur das Jodallylen bekannt. Die Reactionsfähigkeit der Verbindungen
wird wieder durch die Stellung des Halogenatoms beeinflusst (vgl.
S. 470 — 471). Die Propargylhalogene, welche ihr Halogenatom am ge-
sättigten Kohlenstoffatom enthalten, sind, wie die Alkylhalogene und
AUylhalogene, reactionsfähig; so reagirt z. B. das Bromid leicht mit
Rhodankalium (KONS) unter Bildung der Verbindung CjHj-CNS; das
Jodür verbindet sich mit Quecksilber leicht zu der Verbindung CjHj«
Hg-J. Das isomere Jodallylen dagegen, dessen Jodatom am dreifach
gebundenen Kohlenstoffatom haftet, besitzt nicht die Fähigkeit des dop-
pelten Austausches.
DiePropargyl-Halogene' werden aus dem Propaigylalkohol CH • CH • CH^OH)
(s. S. 4S3) durch Einwirkung der Phosphorhalogenverbindungen erhalten. Das Chlorid
CH : C-CHjCl siedet bei 65° (spec. Gew. bei b^ : 1 -045), das Brpmid CH : CH-CH^Br
bei 88—90*» (spec. Gew. bei 20^:1 -52), das Jodid CH:CH.CH,J bei 120^ (spec
Gew. bei 0^:2- Ol 8). Es sind stechend riechende Flüssigkeiten.
Das Jodallylen' CJ-C^CHg entsteht aus Allylensilber durch Einwirkung von
Jodjodkaliumlösung und stellt ein Oel von höchst stechendem Geruch dar, welches
bei etwa 98^ siedet und ungefähr das spec. Gew. 1 • 7 besitzt.
1 Baeyeb, Ber. 18, 2274 (1885).
« Henry, Ber. 0, 728 (1878); 7, 761 (1874); 8, 398 (1875); 17, 1132 (1884).
' LiEBEBHANN, Ann. 135, 270 (1865).
Mnwerihige ungesättigte Alkohole. 475
Fünfzehntes Kapitel.
Einwerthige ungesättigte Alkohole und ihre Abkömmlinge.
Ungesättigte einwerthige Alkohole sind Verbindungen, welche sich
von den ungesättigten Kohlenwasserstoffen durch Ersatz eines Wasser-
stoffatoms mittelst der Hydroxylgruppe ableiten. Analog der Unter-
scheidung, welche im vorigen Kapitel für die einwerthigen ungesättigten
Halogenverbindungen öfters betont wurde, wird man auch hier vom Stand-
punkt der Theorie aus einerseits Alkohole, deren Hydroxylgruppe un-
mittelbar am Ort der mehrfachen Bindung haftet, und andererseits Al-
kohole, deren Hydroxylgruppe mit einem an der mehrfachen Bindung
unbetheiligten Kohlenstoffatom verknüpft ist, einander gegenüberstellen.
Die Alkohole der letzteren Art, wie z. B.:
CH,:CH.CH,.OH, *' 'NcHOH, CHsCCHj-OH,
CHjiCHCH/
Allylalkohol Diallylcarbinol Propargylalkohol
können nach den meisten der für die gesättigten einwerthigen Alkohole
angeführten Bildungsweisen (S, 143 — 147) gewonnen werden, wenn man
von ungesättigten Verbindungen, statt von gesättigten, ausgeht, z. B.:
CH, : CH . CH, J 4- U -OH = H J + CH, : OH • CH, • OH
CH,:CH.CHO + H, = CH, : CH • CH, • OH
CH,:CH.CHa + Zn(C,Hj), = CH,:CH.Ch/ *
^O.Zn.CjHs
CH,:CH.Ch/ ' * + H,0 = CH,: CH.CH(0H).C,H5 + ZnO 4- C,He etc.
\O.Zn.C,H,,
In ihrem Verhalten erhalten sie ihren Charakter einerseits durch die
typischen Reactionen der alkoholischen Hydroxylgruppe (S. 150 ff.),
andererseits durch die von der Gegenwart doppelter oder dreifacher
Bindungen bedingten Eigenthümlichkeiten (vgl. S. 442 ff., 456).
Versucht man dagegen Alkohole zu gewinnen, die ihre Hydroxyl-
gruppe an ungesättigten Kohlenstoffatomen enthalten, so sieht man in
Reactionen, welche zu ihrer Bildung führen sollten, isomere Verbindungen
entstehen; während z. ß. durch Wasserabspaltung aus dem Aethylen-
glykol — dem einfachsten zweiwerthigen Alkohol — :
CH,(OH) CH,
-H,0 = '
CH,(OH) CH(OH)
der Vinylalkohol entstehen könnte, bildet sich statt dessen der isomere
Acetaldehyd^; während aus /9-Brompropylen CHgtCBr-CHj durch Aus-
wechselung des Broms gegen Hydroxyl ein /S-Oxypropylen CH2 : C(0H)-CH3
zu erwarten ist, entsteht statt dessen beim Erhitzen mit Wasser^ das
* WuBTZ, Ann. 108, 86 (1858). * Linnemann, Ann. 161, 66 (1872).
476 Unbeständigkeit d. Comb, einer Hydroxylgruppe m, unges. Kohknsioffaiomen.
isomere Aceton CHj-CO-CHj. So wurde man zu der Ansicht gefuhrt,
dass die Vereinigung der Hydroxylgruppe mit ungesättigten Kohlenstoff-
atomen in Verbindungen mit offener Kohlenstoffkette eine nicht existenz-
fähige Atomgruppirung darstelle, und dass daher im Momente des Ent-
stehens der Complex:
C CH(OH) in \cH-CHO,
>
\c— C(OH)-C^ in VjH-CO-C:^
tibergehe; statt der unbeständigen, ungesättigten Alkohole bilden sich
demzufolge ihnen isomere Aldehyde bezw. Ketone^.
Wenn auch heute noch die vorliegenden Erfahrungen im Allgemeinen
für die Unbeständigkeit dieser Atomcomplexe sprechen, so darf doch
ihre Existenzfähigkeit nicht mehr bestritten werden, seitdem der Vinyl-
alkohol CH3:CH(0H) wenigstens als in ätherischer und wässriger Lösung
bestehend nachgewiesen ist (s. unten), ohne freilich seiner Zersetzlichkeit
wegen in reinem Zustand abgeschieden werden zu können, — seitdem
femer für den Formylcampher die Constitutionsformel :
.C- CH(OH)
sehr wahrscheinlich gemacht worden ist*.
Derivate dieser unbeständigen Alkohole indessen, welche an Stelle
des Hydroxyl- Wasserstoffatoms Badicale enthalten, wie z. B.:
CHjiCHOCjH^ CH,:CH.O.CH:CH„
Vinyläthyl&ther Divinyläther
sind in grösserer Zahl erhalten und als beständig befunden worden. Es
kann dies kaum auffällig erscheinen; der Uebergang von
CH,:CH(OH) in CHjCHO
erfordert ja nur den Platzwechsel eines Wasserstoffatoms — des leich-
testen und daher jedenfalls auch beweglichsten Atoms, das wir kennen;
der Uebergang von
CHjrCHOCjHs in CH,(C,H5).CH0
dagegen, der vielleicht auch das Aufsuchen einer stabileren Atomgrup-
pirung bedeuten würde, bedürfte der Verschiebung einer ganzen Atom-
gruppe.
I. Alkohole von der Zusammensetzung C„H2„_i(0H) = C„H,„0.
Ylnylalkohol CHjiCHCOH) ist 1889 von Poleck und Thümmel'
als ständiger Begleiter des Diäthyläthers (vgl. S. 196 — 197) constatirt
worden. Er entsteht schon bei der Bereitung des Aethers und bildet
' Vgl. £rlbnmey£r, Ber. 13. 309 (1880).
^ Vgl. Claisen, Sitzungaber. d. math.-phys. Klasse d. bayer. Akad. 20, 459 (1890j.
> Ber. 22, 2863.
Vinylalkohol. 477
sich — gleichzeitig mit Wasserstoffsuperoxyd — aus reinem Aether
durch Oxydation mittelst des atmosphärischen Sauerstoffs. Auf seine
Gegenwart wurden die genannten Forscher dadurch aufmerksam, dass
die gewöhnlichen Aethersorten beim Durchschütteln mit einer Mischung
aus Quecksilberchlorid und Kaliumbicarbonat-Lösung (alkalische Lösung
von Quecksilbermonoxychlorid) einen weissen amorphen Niederschlag
(Vinylquecksilberoxychlorid) in schwankenden Mengen (0.89 bis
6 6470) lieferten, welcher die Zusammensetzung HggClgOgCgHj besitzt.
In dieser Verbindung nehmen Poleck und Thümmel die Vinylgruppe
an, indem sie sich darauf stützen, dass bei der Zersetzung mit Chlor-,
Jod- und Cyanwasserstoff flüchtige Vinylverbindungen zu entstehen schei-
nen, dass Vinylchlorid und Vinyljodid in alkoholischer Lösung mit obiger
Quecksilberlösung denselben Niederschlag erzeugen, und dass bei Be-
handlung desselben mit kochender Kalilauge eine dunkelgrüne, fast
schwarze Verbindung von der Zusammensetzung Hg^CgHjO^ entsteht,
welche in Anbetracht ihrer überaus heftigen Explosivität als ein Acetylen-
Derivat anzusprechen ist.
Desüllirt man den auf die Quecksilberlösung reagirenden Aether
mit Phenylhydrazin, so erweist sich das Destillat als unwirksam auf die
alkalische Quecksilberoxychloridlösung, und im Rückstand findet man das
Hydrazon des Acetaldehyds CHg-CH:N-NH-CgHß. Acetaldehyd selbst
kann aber nicht die Beimengung des Aethers darstellen, da einerseits
die Silberspiegel -Reaction mit dem gewöhnlichen Aether ausbleibt, an-
dererseits Acetaldehyd nicht jene weisse Quecksilberverbindung erzeugt.
Es ist demnach hierbei eine Umlagerung der Vinylgruppe CHg^CH —
in die Aethylidengruppe CH3 — CH= anzunehmen.
Durch Ausschütteln des Aethers mit Wasser lässt sich der Vinyl-
alkohol in wässrige Lösung überführen. Durch fractionirte Destillation
der letzteren wurden zwei auf die Quecksilberlösung lebhaft reagirende
Fractionen von den Siedepunkten 30—31^ und 37—38^ erhalten. Doch
konnten dieselben nicht rein genug erhalten werden, um ihre Zusammen-
setzung durch Dampfdichtebestimmung und Analyse festzustellen. Kali-
lauge bräunt diese Destillate, indem sich Harzklümpchen abscheiden,
und der Geruch nach Aldehydharz auftritt.
Deriyate des Vinylalkohols. Ueber die dem Vinylalkohol ent-
sprechenden Halogen-Derivate vgl. S. 470—472.
Divinyläther* CH,:CH0.CH:CH2 — eine farblose, bei 39<> siedende, dem
DiäthyUther ähnlich riechende Flüssigkeit — ist aus Vinylsulfid durch Einwirkung
von trockenem Silberoxyd erhalten worden. — Vinyläthyläther» CHjcCH-O-CHj-
CH3 entsteht aus Monochloracetal CHjCl • CH(0 • Q^lli,\ durch Behandlung mit Natrium :
CHjClCHlOCjHfi), + Naa = CH, : CHCOC^H,) + NaCl + NaOC^Hj, ferner aus
Jodäthyläther CH, J • CH, • 0 • C^Hg durch Einwirkung von alkoholischem Kali; er
siedet bei 35.5°, besitzt bei 14-50 das spec. Gew. 0-762, verbindet sich mit Chlor
* SBiMLER,.Ann. 241, 90 (1887).
' WiSLiCENus, Ann. 192, 106 (1878). — Henry, Compt. rend. 100, 1007 (1885).
478 Vinylstäßdf Vinylamin,
zu Dichloräther (s. S. 198) und wird von verdünnter Schwefelsäure in Aoetaldehyd
und Aethjlalkohol gespalten.
Vinylsulfid^ CHatCHS-CHiCHa bildet den Hauptbestandtheil des
ätherischen Oels von AUium ursinum. Es stellt ein knoblauchartig rie-
chendes Oel dar, welches bei 101® siedet und das spec. Gew. 0'912
besitzt. Durch Oxydationsmittel wird es nicht in ein Sulfoxyd oder
Sulfon übergeführt, sondern liefert unter Abspaltung des Schwefels
Oxalsäure und Kohlensäure. Von trockenem Silberoxyd wird es in
Vinyläther (s. oben) verwandelt; feuchtes Silberoxyd erzeugt zuerst Vinyl-
alkohol, der sich sofort in Acetaldehyd umlagert, welch letzterer dann
zu Essigsäure oxydirt wird.
Vinylamin* CHgtCH-NHg wird aus dem Bromäthylamin CH^Br-
CHg-NHg durch Bromwasserstoffentziehung mittelst feuchten Silberoxyds
gewonnen; auch entsteht sein Bromhydrat schon beim kurzen gelinden
Erwärmen der wässrigen Lösung des Bromäthylamins durch Umlagerung:
CHjBrCHj.NHj = CH,: CH.NH,.HBr.
Die stark alkalisch reagirende Base ist nicht als solche abgeschieden,
sondern lediglich in wässriger Lösung und in Form ihrer Salze unter-
sucht. Sehr charakteristisch ist ihr Verhalten gegen Jodkaliumwismuth-
lösung, welche selbst in sehr verdünnten, mit Salzsäure übersättigten
Lösungen eine feurigrothe, krystallinische Fällung von Vinylamin-
wismuthjodid, 3C3HgNJ.2BiJ3, hervorruft. Das Vinylamin ist sehr
veränderlich ; die neutrale Lösung seines Chlorhydrats zersetzt sich durch
Erhitzen, die Lösung der freien Base sogar schon in der Kälte. Beim
Eindampfen seiner mit Mineralsäuren übersättigten Lösungen erleidet es
Additionsreactionen; so entsteht mit Salzsäure Chloräthylamin:
CH, : CH.NH, + HCi;= CH,C1CH,.NH,,
analog wirken Brom- und Jodwasserstoff; Salpetersäure bewirkt durch
Wasseranlagerung die Bildung von Oxyäthylamin :
CHj : CH.NH, + H,0 = CH,(OH).CHj.NH,;
mit Schwefelsäure erfolgt Zusammentritt zu Amidoäthylschwefelsäure:
CH, — 0 — SO,
CH, : CH.NH, + OHSOjOH = , v ,
CH,-NH,-0
mit schwefliger Säure Zusammentritt zu Taurin (Amidoäthylsulfosäure):
CH, : CH.NH, + HjSGs = CH,(SO,H) • CH, • NH, .
Das Neurin' — eine für die physiologische Chemie ausserordent-
^ Semmler, Ann. 241, 90 (1887).
* Gabriel, Ber. 21, 1049, 2664 (1888).
* A. W. Hofmann, Compt. rend. 47, 559 (1858). — Baeyer, Ann. 140, 311
(1866). — Liebreich, Ber. 2, 12 (1869). — Brieger, Ber. 16, 1190, 1406 (1883);
17, 516, 1137 (1884). — Marino-Zücco, Ber. 17, 1043 (1884). — Hündeshaqes, J. pr.
[2] 28, 245 (1883).
Neurin. 479
lieh wichtige Substanz — stellt ebenfalls eme ein Vinylradical enthaltende
Base, nämlich das Trimethylvinylammoniumhydroxyd
CH,\ /CH:CH,
CH,/ \0H
dar; es ergiebt sich dies aus seiner künstlichen Bildung durch Behand-
lung des aus Aethylenbromid CH^Br-CH^Br und Trimethylamin entstehen-
yCHg • CHjBr
den quatemären Bromids (CH3)3N<^ mit Silberoxyd. Wich-
\Br
tiger indess als diese Synthese ist seine Entstehung bei der Fäulniss
von Fleisch und anderen fermentativen Vorgängen; dieselbe ist zurück-
zuführen auf eine Spaltung des in allen pflanzlichen und thierischen
Geweben verbreiteten Lecithins, dessen Molecül das im Vergleich mit
dem Neurin um ein Wassermolecül reichere Cholin:
.CH,.CH,(OH)
enthält Das Neurin zeigt die allgemeinen Eigenschaften quatemärer
Ammoniumbasen, ist in Wasser sehr löslich und reagirt stark alkaHsch;
sein Chlorhydrat ist sehr leicht löslich.
AUylalkohol, CgH^O = CH^ : CH-CHaCOH), ist unter den ungesättig-
ten Alkoholen der bestgekannte. Er ist von Cahoues und Hofmann ^
zuerst dargestellt, von Tollens besonders eingehend untersucht. Tollens
und Henntngeb* arbeiteten die seither stets zur Gewinnung des AUyl-
alkohols benutzte Methode aus, welche auf der Reaction zwischen Oxal-
säure und Glycerin beruht. Bei diesem schon für die Ameisensäure-
Darstellung besprochenen Process (vgl. S. 316) bildet sich zunächst
ein Ameisensäureester des Glycerins, welcher nun bei weiterem Erhitzen
in Allylalkohol, Kohlensäure und Wasser zerfällt:
CHj.OH CHjOH
CH ÖH = CH 4-CO, + H,0.
CH,.ÖVcÖ|;h CH,
Darstellung: Man erhitzt 4 Th. Glycerin mit 1 Th. Oxalsäure; der letzteren
setzt man, um einen häufig vorkommenden und den Process ungünstig beeinflussen-
den Gehalt derselben an Alkali unschädlich zu machen ^ ^U-^^l^ °/o Salmiak zu; in
das Gemisch wird ein Thermometer eingesenkt. Man beobachtet nun zunächst eine
reichliche Kohlensäureentwickelung (Bildung des Ameisensäureglycerinesters, vgl.
S. 316), während welcher sich das Thermometer längere Zeit unterhalb 130^ hält;
dami beginnt es zu steigen; zwischen 205 und 210^ tritt unter erneuter Gasentwicke-
^^g der Zerfall des Ameisensäureglycerinesters ein. Von 195^ an sammelt man das
Destillat, erhitzt sehr langsam, so dass das Thermometer längere Zeit 220—230° zeigt,
^d hört bei 260® auf. (Der Destillationsrückstand — überschüssig angewendetes
* Ann. 102, 285 (1857).
* Ann, 156, 134 (1870); vgl. ferner Ann. 167, 222 Anm. (1873).
480 AüykUkohol.
Glycerin — kann zu neuen Operationen mit einer etwas verringerten Menge Oxal-
säure dienen.) Das Destillat enthält ausser dem AUylalkohol Wasser, etwas Ameisen-
säureall jläther, Glycerin, Allylglycerinäther und Akrolei'n; durch eine erneute Destil-
lation, die so lange fortgesetzt wird, bis eine Probe mit Raliumcarbonat keine Oel-
tropfen mehr abscheidet, erhält man ein reineres Produkt, aus welchem der rohe
Allylalkohol durch Raliumcarbonat abgesondert wird. Letzterer wird nun mit 5 bis
10 ^/o pulverigem Kali 24 Stunden zur Zerstörung des Akrolelns stehen gelassen,
dann abdestillirt, darauf mit geglühter Pottasche getrocknet und rectificirt. Zur
völligen Entwässerung muss man wasserfreien Baryt verwenden, wobei man indess
infolge der Bildung eines Bariumallylats Verlust erleidet^. Die Ausbeute beträgt
20 — 25 *^/o von der verwendeten Oxalsäure.
Kleine Mengen von Allylalkohol sind im rohen Holzgeist enthalten'.
Der Allylalkohol ist eine farblose Flüssigkeit, welche sehr stechend
riecht, mit Wasser in allen Verhältnissen mischbar ist und aus diesen
Lösungen wieder durch Kaliumcarbonat abgeschieden wird. Bei etwa
— 50® erstarrt er^, siedet bei 96-5® und besitzt bei 0^ das spec. Ge-
wicht^ 0-872.
Das Verhalten des AUylalkohols zeigt, dass sein Molecül einerseits
eine doppelte Bindung, andererseits die Gruppe — CH2(0H) enthält, dass
ihm demnach die Structurformel:
CH,:CH.CHj(OH)
zuertheilt werden muss. Das Vorhandensein der doppelten Bindung er-
giebt sich aus seinem Additionsvermögen; er vermag 2 Halogenatome
aufzunehmen, um in gesättigte Verbindungen überzugehend Die Gegen-
wart der für die primären Alkohole charakteristischen Gruppe — CH,(OH)
lässt sich aus den Beziehungen folgern, die zwischen dem Allylalkohol
und dem Akroleln (vgl. S. 552) bestehen. Letztere Verbindung CjH^O
zeigt durchaus den Charakter eines Aldehyds; sie wird leicht zu einer
Säure CgH^Og (Akrylsäure, s. S. 495) oxydirt und lässt sich andererseits
zu einem Alkohol CjHgO reduciren, und dieser Alkohol ist nichts anderes
als der Allylalkohol®. Diese Uebergänge zeigen, dass der Allylalkohol
als Reductionsprodukt eines Aldehyds der Klasse der primären Alkohole
zugerechnet werden muss:
CH, CH, CH,
ÖH -< 6r >- CH .
CO-
Ch,(oh) cho CO oh
Allylalkohol Akrolei'n Akrylsäure
Man sollte nun erwarten, den Allylalkohol leicht durch Zufuhr von
zwei Wasserstoffatomen in normalen Propylalkohol verwandeln zu können.
* Vincent u. Delacbanal, Compt. rend. 90, 1360 (1880).
* Aronhbim, Ber. 7, 1381 (1874). — Grodzki u. Krämer, Ber. 7, 1493 (1874).
* ToLLENS u. Henninqer, Ann. 166, 137 (1870).
* Zander, Ann. 214, 140 (1882). — R. Schiff, Ann. 220, 102 (1883).
* Tollens, Ann. 156, 164 (1870). — H. Hübner u. Lellmann, Ber. 13, 460 (1880)
ö LiNNEMANN, Auu. Suppl. 3, 260 (1865). — Clacs, Ber. 3, 407 (1870).
AUylmlfid. 481
Die WasserstoflFaufnahine erfolgt indess in alkalischer Lösung, wenn tiber-
baupt, sehr schwierig; durch Behandlung des Allylalkohols mit nasciren-
Jem Wasserstoff in saurer Lösung hat man Gemische erhalten, in
welchen sich die Gegenwart beträchtlicher Mengen von Propylalkohol
neben viel unverändertem Allylalkohol nachweisen Hess; doch ist es
nicht gelungen, den normalen Propylalkohol in Substanz als Reductions-
produkt abzuscheiden^. — In einer complexen Reaction entsteht neben
vielen anderen Produkten der normale Propylalkohol beim Erhitzen des
Allylalkohols mit Kali*.
Die Oxydation' des Allylalkohols kann nach zwei verschiedenen Rich-
tungen verlaufen. Der Angriffspunkt ist entweder die Gruppe — CH2{0H)
oder der Ort . der Doppelbindung. Im ersten Fall bildet sich das Akro-
leln und die Akrylsäure, im zweiten Fall entsteht durch Anlagerung zweier
Hydroxylgruppen (vgl. S. 445—446) das Glycerin CH2(0H).CH(0H)-
CH3(0H). Bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat verläuft der Pro-
cess vorwiegend im Sinne der Glycerinbildung.
Beim Erhitzen mit . verdünnten Mineralsäuren^ erleidet der Allylalkohol Ver-
änderoBgen, durch welche unter anderen Produkten ein ungesättigter Aldehyd
CeHioO (Methylfithylakrolelb, vgl. S. 528) und Propylenglykol CH8CH(0H).CH,(0H)
(Tgl. S. 568) entsteht.
Derlrate des Allylalkohols. Die dem Allylalkohol entsprechenden
Halogenverbindungen sind schon im vorigen Kapitel (S. 470, 472) be-
sprochen.
Eine Reihe weiterer AUylverbindungen sind in der Tabelle Nr. 27
(S. 482) zusammengestellt; kurz hervorgehoben seien die folgenden.
Das Allylsullid^ (€3115)38 verdient wegen seines Vorkommens im
Knoblauchöl — dem bei der Destillation der Zwiebeln von AUium sati-
vum mit Wasser erhältlichen flüchtigen Oele — Interesse. Als Haupt-
bestandtheil dieses Oeles ist es 1844 von Webtheim erkannt und
Schwefelallyl genannt worden; hierher rührt die Bezeichnung AUyl für
das Radical CjHg, die sich bis heute erhalten hat. Auch einige andere
Pflanzen liefern bei der Behandlung mit Wasser — vermuthlich durch
Zersetzung complicirterer Substanzen infolge von Gährungsprocessen —
Allylsulfid. Künstlich erhält man dasselbe durch Einwirkung von Allyl-
jodid auf Kaliumsulfld. Es stellt ein farbloses, unangenehm riechendes
Oel dar, welches in Wasser kaum löslich ist. Mit Silbernitrat tritt es
zu der Verbindung (C3Hg)2S . AgNOg zusammen ; bei der Einwirkung von
Quecksilberchlorid und Platinchlorid in alkoholischer Lösung tritt theil-
* Vgl. ToLLENS, Ann. 166, 159 (1870). — Linnemakn, Ber. 7, 856 (1874).
* ToLLKNS, Ann. 159, 92 (1871).
' ToLLENS u. Rinne, Ann. 159, 110 (1871). — Kekulä u. Rinne, Ber. 6, 386
(1873). ~ G. Waoner, Ber. 21, 3351 (1888).
* Salonina, Ber. SOo, 699 (1887).
^ Wertheim, Ann. 51, 289 (1844); 55, 302 (1845). — Pless, Ann. 58, 37 (1846).
- Cahoübs u. A. W. Hofmann, Ann. 102, 291 (1857). — Ludwig, Ann. 139, 121
(1866). — Semmler, Ann. 241, 117 (1887).
V. Msrnt o. Jacobson, org. Chem. I. 31 *
482
Tabellarische Uehersicht über Attyl-Derivaie.
Tabelle Nr. 27.
Name
Formel
(All = CsHs)
Siedepunkt
Spec
Gewicht
Diallyläther»-»
AllylÄthyläther i-«*-^.".«*
AUylnitrit«
Allylnitrat*
Allylacetat'**
Allylmercaptan *■••". . . .
Allylsulfid »<>
Allylamin»-"-"
Diallylamin»""
Triallylamin »•»•'»-» ^ . . .
Aethylallylamin''". . . .
Diäthylallylamin"" . . .
(A11),0
AllOCjHß
AUO-NO
AU-ONO,
AllOCOCHg
All-SH
(AlDjS
AU.NHj
(A11),NH
(AlDsN
All.NH.CjHß
All.N(C,Ha),
94<>
670
440
106 <>
1040
90 0
140 <^
bl^
IIP
155—156®
84—86®
110—113®
0-822(0®)
0-765(20»)
0-955(0®)
1-09(10®)
0-928(20')
0-888(27®)
0-864(15®)
0-821(0®)
Citate zu der Tabelle Nr. 27: ' Cahoüm u. A. W. Hofmann, Ann. 102, 290
(1857). — • Berthelot u. de Luca, Ann. eh. [3] 48, 290 (1856). — • Zandeb, Ann.
214, 146, 151 (1882). — * Bbühl, Ann. 200, 177, 179 (1879). — « Henry, Her. 5,
449 (1872). — • Oppenheim, Ztschr. Chem. 1866, 573. — ^ Maäkownikow, Ztschr.
Chem. 1865, 554. — « Bertont, Jb. 1885, 1157. — « Gerlich, Ann. 178, 87 (1875). —
»® Nasini u. Scala, Jb. 1886, 296—297. — " A. W. Hopmann, Ber. 1, 182 (1868). -
" Oeser, Ann. 134, 8 (1865). — *» Rinne, Ann. 168, 262 (1873). — " Andbeasch,
Monatsh. 5, 35 (1884). — " Ostwald, J. pr. [2] 33, 362 (1886). — " Liebbrmakk u.
Paal, Ber. 16, 523 (1883). — " R. Schiff, Ber. 19, 565. — " Ladenburo, Ber. 14,
1879 (1881). — *« LiBBERMANN u. Hagen, Ber. 16, 1641 (1883). — •® Groshkiktz,
Bull. 31, 390 (1879). — " Pinner, Ber. 12, 2054 (1879). — " Kischner, Ber. 23 o,
194 (1890). — " Keutzer, Archiv d. Pharm. 228, 2 (1889). — •* VAUBE^ Ber. 24,
1690 (1891). .
weise Umsetzung zu AUylchlorid und Quecksilbersulfid bezw. Platinsulfid
ein, und es bilden sich complexe Verbindungen aus AUylchlorid, Allyl-
sulfid, Metallchlorid und Metallsulfid, wie z. B. 2C3HßC1.2HgCla.(C3H5)jS.
2HgS.
Alljlamin C3H5 • NH, wird am hesten durch Zersetzung des AUybenfoIs
CjHg'NiCS mit concentrirter Schwefelsäure erhalten:
CsHs . N : CS + H,0 = CjHs • NH, + COS.
E^ ist eine farblose, mit Wasser mischbare Flüssigkeit von penetrant ammoniakalischem,
entfernt lauchartigem Geruch.
Quecksilberallyljodid» CgHj.HgJ bildet sich sehr leicht (vgl S. 470) schon
in der Kälte durch Schütteln von Allyljodid mit Quecksilber; es krystalUsirt in silber-
glänzenden Schuppen, färbt sich rasch gelb, schmilzt bei 135^, ist in Wasser kaum,
in kaltem Alkohol schwer, in Aceton und Schwefelkohlenstoff ziemlich leicht löslich,
riecht lauchartig und greift die Haut an.
* ZiNiN, Ann. 96, 363 (1855). — Linnbmann, Ann. Suppl. 3, 262 (1865). —
OppENHEiiff, Ber, 4, 670 (1871).
Höhere Alkohole der Reihe C^Hg^O. 483
Der Aethyläther^ des dem Allylalkohol isomeren, an sich unbeständigen (vgl.
>. 475—476) Isopropenylalkohols CHj:C(0H).CH8 entsteht beim Erhitzen von
AUylen mit alkoholischem Kali auf 170—180^:
CHj.C : CH + C^HgOH = CHjCCOCjHs) : CH,.
Er siedet bei 62- -63®, besitzt bei 0^ das spec. Gew. 0'790, wird von einprocentiger
Schwefelsfittre schon bei Zimmertemperatur rasch in Aceton und Aethylalkohol zer-
setzt, Ton concentrirter Jodwasserstofl&fture vollständig verharzt.
Hffhere Alkohole der Reihe C^H^^O sind in grösserer Zahl erhalten
worden. Zur Gewinnung primärer Alkohole führte die Reduction von
ungesättigten Aldehyden* oder die Zersetzung von Chloriden CJti^^_^'
CH^Cl durch Alkalien^; secundäre Alkohole wurden durch Einwirkung
von Zinkalkylen auf ungesättigte Aldehyde* (vgl. S. 145) und durch Re-
duction von ungesättigten Ketonen*, tertiäre durch Einwirkung von AUyl-
jodid und Zink auf Ketone® (vgl. S. 147), sowie aus tertiären Chloriden^
Cj^Hjj^_jCl durch Austausch von Cl gegen OH dargestellt.
II. Alkohole von der Zusammensetzung C^Hj„_3(0H) = C^H^^^gO-
In dieser Gruppe hat man zu unterscheiden zwischen Alkoholen,
deren Molecül eine dreifache Bindung enthält, und solchen, deren Mole-
cül zwei doppelte Bindungen aufweist.
Der Propargylalkohol CHiCCHj-OH ist hisher das einzige Bei-
spiel fiir Alkohole der ersten Art. Henry® gelangte zu demselben auf
folgendem Wege; das dem Glycerin CHj(OH) • CH(OH) • CH2(0H) ent-
sprechende Tribromhydrin CHjBr-CHBr-CHgBr liefert durch Zersetzung
mit festem Kalihydrat Epidibromhydrin CH^ : CBr-CHgBr, letzteres bei
der Einwirkung von essigsaurem Kali den Essigester des Bromallylalkohols
CHj:CBr-CH2-0-COCH3, aus welchem man den Bromallylalkohol selbst
durch Verseifung erhält; durch Erhitzen desselben mit wässrigem Kali
bildet sich nun infolge von Bromwasserstoflf-Entziehung der Propargyl-
alkohol:
CH,Br CHjBr CH,(OH CH^fOH)
I I
CHBr >- CBr >- CBr > C
CH,Br CH, CH, CH
* Paworsky, Ben 21 o, 614 (1888).
* Lieben u. Zeisbl, Jb. 1881, 595, Monatsh. 4, 21 (1883). — Pebkin, Ber. 15,
2808 (1882); 16, 211 (1883).
' ScHBSCHüKOW, Ber. 17o, 414 (1884). — Kowoakow, Ber. 21o, 440 (1888).
* G. Waoneb, Ber. 17o, 316 (1884).
* Cbow, Ann. 201, 42 (1880}.
* M., F. u. A. Saytzew, Ann. 185, 151, 175 (1876); 196, 109 (1878). — Saytzew
tu ScHiBOKOw, Ann. 196, 113 (1878). — Semljanftzin, J. pr. [2] 23, 263 (1889). —
DiEPP, J. pr. [2] 27, 364 (1883). — Lebediksky, J. pr. [2] 28, 22 (1880). — Pittochin,
Ber. 16, 2285 (1883). — Kononowitz, J. pr. [2] 30, 399 (1885).
' Chupotzky u. Mariutza, Ber. 22o, 760 (1889).
* Ber. 5, 453, 569 (1872); 6, 729 (1873); 8, 399 (1875).
31*
484 Propargylalkohöl,
Der Propargylalkohöl ist eine farblose bewegliche Flüssigkeit von ange-
nehmem Geruch und brennendem Geschmack; er löst sich in Walser,
wird aus dieser Lösung durch Kaliumcarbonat abgeschieden, siedet bei
114 — 115® und besitzt bei 21® des spec. Gew. 0-963. Die Gegenwart
der Hydroxylgruppe giebt sich bei der Einwirkung von Phosphorhalogenen
kund, welche zur Bildung der Propargylhalogene (vgl. S. 474) führt. Als
ungesättigte Verbindung verbindet er sich lebhaft mit Brom und Brom-
wasserstoflf. Als Acetylenderivat wird er durch die Fähigkeit, Metall-
verbindungen einzugehen, charakterisirt ; in ammoniakalischer Kupfer-
chlorürlösung erzeugt er einen zeisiggelben Niederschlag (Cu3(C3H30)2),
in ammoniakalischer Silberlösung einen weissen Niederschlag (AgCjHjO);
diese Metallverbindungen verbrennen beim Erhitzen lebhaft unter Ex-
plosion. Beim Erhitzen mit Aetzkali liefert der Propargylalkohöl Acetylen
und Ameisensäure.
Schon vor Henby's Darstellung des Propargylalkohols hatte Liebee-
MANN^ Aether desselben* gefunden, welche ebenfalls die Fähigkeit zeigten,
Silber durch Substitution für Wasserstoff aufzunehmen. Um an diese
hervorstechende Eigenschaft, femer an die Zahl der Kohlenstoffatome zu
erinnern, schlug Liebeemann fiir das Radical C^H^ (^ CH:C-CHj — ) die
Bezeichnung „Propargyl" vor. Er gewann den Propargyläthyläther
CjHg-O-CgHg zuerst aus dem Glyceryltribromid durch Einwirkung von
alkoholischem Kali:
CHsBr.CHBr.CHjBr + 3 K-OCgH^ = CH \ CCHjOCjHa + 3 KBr + 2 CjEsOH;
leichter erhält man ihn, indem man dem Allyläthyläther ein Molecäl
Brom addirt und darauf successive zwei Molecüle Bromwassers toflF entzieht:
CjHß • 0 • CjHg >■ CaHsBra ' 0 • C.Hg > CgH^Br • 0 • CjHj >■ CjHa • 0 • C.Hy
Der Propargyläthyläther ist eine Flüssigkeit von penetrantem Geruch,
siedet bei 81 — 85° und besitzt bei 7® das spec. Gew. 0-83. Seine Silber-
verbindung CjHgAgO-CjHg ist weiss, die Kupferverbindung Cuj(CjH3-
O-C^H,)^ gelb.
Propargylacetat' C3H3'0'C0-CH8 (auB Propargylalkohöl und Acetylchlorid)
siedet bei 124—125° und besitzt bei \2^ das spec. Gew. 1-003.
Propargylamin* CaHg-NH, wird aus dem Dibrompropylamin — dem Brom-
additionsprodukt des Allylamins — durch Einwirkung von Natrinmalkoholat in ab-
solut alkoholischer Lösung erhalten:
CHjBrCHBr.CHjNH, + 2 NaOCjHj = CHiCCH.NH, + 2 NaBr + 2C,H5.0H;
nur bei völligem Ausschluss von Wasser gelingt seine Darstellung. Die freie Base
scheint eine ausserordentlich grosse Löslichkeit in Wasser zu besitzen und konnte
» Ann. 135, 278 (1865).
' Vgl. femer Baeyeb, Ann. 138, 196 (1866). — Liebermamn u. KbetzscbheSy
Ann. 158, 230 (1871). — Oppenheim, Ann. Suppl. 6, 373 (1868j. — Hekby, Ber. 6,
188, 274, 455 (1872). Compt rend. 93, 388 (1881). — Eltekow, Ber. 10, 1903 (1877).
» Henky, Ber. 6, 729 (1873).
* Paal u. Hermann, Ber. 22, 3076 (1889).
Olefinische Campherarten, 485
>isher nur in wäasriger oder alkobolischer Lösung erhalten werden. Beim Versetzen
ier alkoholischen Lösung mit alkoholischer Oxalsfiure-Lösung föUt das saure Oxalat
G'slIs'N'Hs.CsHjO« (Schmelzpunkt 148^) in feinen weissen Nadeln aus; seine wässrig-
ajp moniak al ische Lösung giebt mit ammoniakalischer Silbemitratlösung einen weissen
Niederschlag, der, trocken erhitzt, ziemlich stark verpufft. Das Chlorhjdrat 0,11, •
NH^.HCI ist nur durch Einleiten von trockenem Ohlorwasserstoff in die alkoholische
Losung; der Base zu gewinnen, beim Eindunsten seiner wSssrigen Lösung tritt unter
Abacheidnug von Salmiak Zersetzung ein.
Die Gruppe der Alkohole mit zwei Doppelbindungen wird ver-
treten durch eine Anzahl von künstlich gewonnenen Alkoholen, die in
ihrem Molecül zwei AUylgruppen enthalten und aus Fettsäureestem durch
^Einwirkung von Allyljodid und Zink erhalten wurden ^ So entsteht aus
Ameisensäureester in dieser Beaction (vgl. S. 145) das Diallylcarhinol
(C3H5)jCH(0H); aus den Homologen des Ameisensäureesters werden
tertiäre Alkohole gewonnen, z. B. aus Essigsäureäthylester, Allyljodid
und Zink das Methyldiallylcarbinol (CH3)(C,Hß)3C(0H).
Neuerdings hat es sich gezeigt, dess Alkohole mit zwei Doppelbin-
dungen in der Natur vorkommen. Als Hauptbestandtheile der ätherischen
Oele hat man schon lange einerseits Kohlenwasserstoffe von der Zusam-
mensetzung Ci^HjQ — Terpene — , andererseits sauerstoffhaltige Verbin-
dungen von der Zusammensetzung Ci^Hj^jO, CjgHjgO, Ci^Hj^O erkannt,
welch' letztere als „Campherarten" zusammengefasst werden. Für
einige dieser Campherarten war nachgewiesen, dass sie Benzolderivate
sind, demnach ringförmige Atomgruppirungen enthalten; jetzt hat sich
nun durch Untersuchungen von Semmleb ergeben, dass unter den Campher-
arten ungesättigte Verbindungen der Fettreihe — Alkohole, Aldehyde
oder Ketone — mindestens ebenso zahlreich sind, als die der aromati-
schen Iteihe angehörigen Verbindungen. Von diesen „olefinischen
Campherarten", wie sie Semmler nennt, sind an dieser Stelle einige
ungesättigte Alkohole Cj^HigO zu erwähnen: Coriandrol* (aus Corian-
deröl), LinalooP (aus Linaloeöl) und Geraniol; letzteres ist seiner
Constitution nach völlig aufgeklärt und sei daher näher besprochen.
Aeraniol^ Cj^HigO bildet den Hauptbestandtheil (etwa 90 7o) des
indischen Geraniumöls (von Andropogon Schoenanthus L.), welches vielfach
zur Verfälschung des Bosenöls benutzt wird. Es ist ein farbloses Oel
von äusserst angenehmem Bimengeruch, siedet unter 17 mm Druck bei
120-5— 122-5^ unter gewöhnlichem Druck bei 232—233® und besitzt
bei 15® das spec. Gew. 0-890. Es ist ein Alkohol CioHi7(OH); denn
* M., P. u. A. Sattzew, Ann. 185, 129 (1876); 193, 362 (1878). — Kanonnikow
u. Sattzew, Ann. 185, 148 (1876). — Sorokin, Ann. 185, 169 (1876). — Rjabron
u. Sattzew, Ann. 197, 70 (1879). — Smieensky, J. pr. [2] 26, 59 (1881).
' Kawaueb, J. pr. 58, 226 (1852). — Grosser, Ben 14, 2485 (1881). — Semm-
UR, Ber. 24, 206 (1891).
» MoRiK, Ann. eh. [5] 25, 427 (1882). -^ Semmler, Ber. 24, 207 (1891).
* Jacobsen, Ann. 157, 232 (1871). — Gintl, Jb. 1879, 941. — Semmler, Ber.
^3, 1098, 2965, 3556 (1890); 24, 204, 683 (1891).
486 Oeraniol.
es lässt sich in ein Chlorid Ci^Hi^Cl, einen Aether (CiqHj7)20 etc. ver-
wandeln ; als primärer Alkohol erweist es sich durch sein Verhalten bei
der Oxydation mit Chromsäure-Gemisch, welche zur Bildung eines Alde-
hyds Ci^HjgO (Geranial, s. S. 529) und einer Säure CjoHi^Oj (Gera-
niumsäure) flihrt. Aus dem Umstand, dass ein Molecül Geraniol vier
Atome Jod fixirt, femer aus seinem Lichtbrechungsvermögen folgt, dass
sein Molecül zwei Doppelbindungen enthält; ein Alkohol von der Formel
Ci^jHjqO mit zwei Doppelbindungen kann nun lediglich kettenförmige
Structur besitzen, da bei ringförmiger Structur ein so hoher Wasser-
stoffgehalt unmöglich wäre. Zur weiteren Aufklärung seiner Constitution
dient der Umstand, dass bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat Iso-
valeriansäure entsteht, ferner dass der oben erwähnte entsprechende Al-
dehyd — das Geranial — durch Wasserabspaltung in Cymol (para-Me-
thyl-Isopropyl-Benzol) übergeht; diese Reactionen finden ihre Erklärung,
wenn man dem Geraniol die Formel:
(CHsljCH . CH, . GH : CH . C(CH,) : CH - CH,(OH)
beilegt; bei der Spaltung an der Stelle der Doppelbindungen bleibt dann
die links geschriebene, das Skelett der Isovaleriansäure entiialtende Hälfte
des Molecüls zusammen, und die Cymolbildung aus dem Geranial wird
nach dieser Formel leicht verständlich:
CH(CH3\ CII(CH8)8
I I
CHO CH OT CH .
I l -H,0 = 1 \
CH CH CH ÖH
^c/ V/
i 1
CHg CH3
Dass das Geraniol selbst durch Wasserabspaltung einen Kohlenwasserstofif
^10-^16 ^^^ ^^^^ doppelten Bindungen liefert, ist bereits erwähnt worden
(S. 467).
Zum Geraniol steht in naher Beziehung ein im Rosenöl sich findender Alkohol
CjoHigO, welcher durch Oxydation denselben Aldehyd wie das Geraniol liefert*.
* PoLECK u. Eckart, Ber. 23, 3554 (1890).
Akrylsäure- oder Oelsäure-JReihe. 487
Sechzehntes Kapitel.
Einbasische ungesättigte S&uren.
(Oelsäore-Reihe, Propiolsäure-Reihe, trocknende Oelsäuren.)
I. Säuren Ton der Zusammensetzung C^H3„_202.
(Akrylsäure- oder Oelsäure-Reihe.)
Zusammensetzung y Bildungsweisen, Isomeriefälle.
Wie von den Grenzkohlenwassersto£fen sich durch Einführung einer
Carboxylgruppe an Stelle eines Wasserstoffatoms die Fettsäuren ableiten,
so entspricht der Reihe der Alkylene eine Reihe einwerthiger Carbon-
säuren, welche stets um zwei Wasserstoffatome ärmer sind als die Fett-
säuren von gleicher Eohlenstoffzahl:
CnH2n+2 Paraffine >- C^Hj^Oa Fettsäuren,
C^Hg„ Alkylene >- CJi^^_20^ Oelsäuren.
Als Anfangsglied dieser Reihe ergiebt sich das Monocarboxyl- Derivat
des Aethylens:
CHj—CH — COjH Aethylencarbonsäure.
Da diese Säure gewöhnlich Akrylsäure genannt wird, so giebt man der
ganzen Reihe zuweilen den Namen „ Akrylsäure-Reihe" ; gebräuchlicher
ist die Bezeichnung „Oelsäure-Reihe", hergeleitet von der Oelsäure —
der 1 8 C- Atome enthaltenden Säure CigHg^Oj, welcher als Bestand theil
von natürlichen Stoffen eine besonders hervorragende Bedeutung zukommt.
Auch ausser der Oelsäure finden sich einige Säuren dieser Reihe
als Ester in der Natur. Ihre künstlichen Blldungs weisen können
in die folgenden drei Gruppen eingetheilt werden.
1. Modificationen der Fettsäure-Synthesen. Dem Uebergang
von den ungesättigten Alkoholen bezw. ungesättigten Halogen Verbindungen
durch Vermittelung der entsprechenden Cyanide zu den um ein Kohlen-
stoffatom reicheren Säuren, z. B.:
CHj CHg CHg CHg
CH -> CH > CH > CH
I I I I
CH,(OH) CHjBr CHjCN CH,.CO,H,
kommt verhältnissmässig geringe Bedeutung in präparativer Beziehung
zu. Es liegt dies einerseits daran, dass nur wenige ungesättigte Alko-
hole leicht zugänglich sind, andererseits daran, dass den Halogenatomen,
welche an mehrfach gebundenen Kohlenstoffatomen haften, die Reactions-
iahigkeit mangelt (s. S. 470 — 471). Die durch die obigen Formeln aus-
gedrückte^ vom AUylalkohol ausgehende Reactionsfolge ist allerdings durch-
geführt, hat aber nicht zu dem erwarteten Reactionsprodukt, sondern
'
488 Bildungsweisen ungesättigter Säuren,
zu einer isomeren Säure CHj-CHiCHCOgH — durch Verschiebung der
doppelten Bindung entstanden — geführt (vgl. S. 497).
Die Oxydation von ungesättigten Aldehyden mit gelinde wirken-
den Mitteln (Silberoxyd, freier Sauerstoff), welche die doppelte Bin-
dung möglichst intact lassen, ist zuweilen zur Bildung von Gliedern
der Oelsäure-Reihe benutzt^, z. B.:
CH,:CH.CHO >- CHjtCHCOOH.
Durch Benutzung der Allylhalogene bei der Acetessigester-Synthese
und Malonsäureester- Synthese ist man zur Allylessigsäure CH^rCH-
CHj.CHjj-COaH gelangt» (vgl. S. 505).
2. Umwandlung von gesättigten Säuren in ungesättigte
Säuren gleicher Kohlenstoff zahl. Wie die Abspaltung von Halo-
genwasserstoflf aus den Monohalogenderivaten der Paraffine oder die
Wasserabspaltung aus den Grenzalkoholen zur Bildung der Alkylene
führt (vgl. S. 438 — 439), so können durch analoge Beactionen aus Mono-
halogen- und Monohydroxy-Derivaten der Fettsäuren Oelsäuren erhalten
werden. Diese Reaction tritt besonders leicht ein, wenn das Halogen-
atom bezw. die Hydroxylgruppe sich in der /9-Stellung zur Carboxyl-
gruppe befindet:
Br(OH)
I
C-C-C-CO,H ,
z. B.:
CHjJ.CHs-COgH-HJ = CHjiCH.COjH,
CHg . CH(OH) . CH, . COaH-HjO = CH, • CH : CH • CO,H.
Aber auch a-substituirte Säuren (bezw. ihre Ester) lassen sich in diesem
Sinne umwandeln', zumal wenn das e^-ständige KohlenstoflFatom ein ter-
tiäres ist*:
>C(OH).CO,H-HsO = Nc.COjH,
CHj . CHjj . CHBr • CO,H-HBr = CH, • CH -CH • CO^H.
Bei / - substituirten Säuren dagegen führt die Reaction zur Bildung
der den Oelsäuren isomeren Lactone (s. dort). — Die Halogenwasserstoff-
Abspaltung erfolgt zuweilen schon beim Kochen mit Wasser^, in an-
deren Fällen unter der Einwirkung alkoholischer Alkalien '•^; gleich-
^ Claus, Ann. Suppl. 2, 123 (1862). — Lieben u. Zeisel, Monatsh. 4, 52
(1883). — Salonina, Ber. 20o, 700 (1887).
' Zeidleb, Ann. 187, 39 (1875). — Conrad u. Bischofp, Ann. 204, 166
(1880). — Messebschmidt, Ann. 208, 92 (1881).
• Hell u- Laüber, Ber. 7, 560 (1874). — Duvillier, Ann. eh. [5] 10,
428 (1880).
* Fbankland u. Duppa, Ann. 136, 12 (1865). — Thomsen, Ann. 200, 86 (1879).
* Thomsen, Ann. 200, 81 u. 86.
• V. Schneider u. Eblenueveb, Ben 3, 339 1870).
Perkin'scke Beaetion, 489
zeitig mit der durch Abspaltung von Halogenwasserstoff zu Stande
kommenden Bildung der ungesättigten Säure erfolgt in der Begel auch
Aas tausch des Halogenatoms gegen OH bezw. O-CgHg. — Die Wasser-
abspaltung ^ tritt bei der Destillation oder unter der Einwirkung wasser-
entziehender Mittel (Schwefelsäure, Chlorphosphor) ein.
Diese beiden !Reactionen sind besonders häufig für die Bildung der
Glieder der Oelsäure-Reihe benutzt worden.
3. Bildung ungesättigter Säuren durch Kohlenstoff-
Synthese. Von grösster Bedeutung für die Eenntniss der ungesättigten
Säuren ist eine zuerst von Pebkin* angewendete Eeaction geworden,
welche in dem Erhitzen eines Aldehyds mit dem Natriumsalz einer
Säure bei Gegenwart von Essigsäureanhydrid (oder einem anderen Säure-
anhydrid) besteht. Die erste Phase dieser „PEEKiN'schen ßeaction^",
um deren Aufklärung sich namentlich Fittig* verdient gemacht hat,
besteht in einer Addition des Natriumsalzes an den Aldehyd, z, B. :
/OH
CeHj, . CH=0 + CHa . CO . ONa = CeHja • CH< ;
XJHjCO.OXa
es entsteht das Natriumsalz einer Oxysäure, welche nun unter dem Ein-
fluss des Säureanhydrids Wasser abspaltet, um in eine ungesättigte Säure
überzugehen:
/OH
CeH,a • CH< -HjO = CeH,8 • CH : GH - CO • ONa .
M:iH,.CO.ONa
Es ist stets das der Carboxylgruppe unmittelbar benachbarte Kohlen-
stoffatom, welches an der Condensation theilnimmt. Wenn dieses Kohlen-
stoffatom nur ein Wasserstoffatom trägt, so kann zwar die erste Reac-
tionsphase eintreten, z. B.:
/CHa /H /CH3
CeHs-CHO + HCeCOgNa = CaHj.C^Cf^COjNa;
\CH, ^OH^CHa
die Hydroxylgruppe der entstandenen Oxysäure findet nun aber am
benachbarten Kohlenstoffatom kein Wasserstoffatom mehr, um als Wasser
auszutreten; die Eeaction bleibt daher bei der Bildung |der Oxysäure
stehen.
In ihrer einfachsten Form ist die PERKiN'sche Beaction nur zur
Gewinnung von wenigen Gliedern der Oelsäure-Reihe benutzt worden^,
während sie für die aromatischen einwerthigen, ungesättigten Säuren fast
als die wichtigste Darstellungsmethode zu bezeichnen ist. Mit einigen
^ Bkilstbin, Ann. 132, 372 (1862). — Rohrbeck, Ann. 188, 235 (1877). —
Albitckt, J. pr. [2] 30, 209 (1884). — Wislicenus, Ztschr. Chem. 1869, 325.
* Jb. 1877, 789.
' Ausfuhrliche Besprechung derselben vgl. in Elbs , Synthet. Darstellungs-
metboden d. Kohlenstoff-Vrbdgn. I, S. 215flP'. (Leipzig 1889).
* Ann. 216, 115 (1882); 227, 48 (1885).
* ScHKKEGAw, Ann. 227, 79 (1885).
Perkin'sche Beadion, durch Mttig modifidrt.
jneu hat sie sich indess durch Fittio's Bemühungen auch in
ahe fruchtbringend erwiesen.
1 man einen Aldehyd der Fettreihe mit bernsteinsaurem Na-
)jNa ■ UH, ■ CHj, ■ COjNa) und Essigsäureanhydrid in ReactioD
3 bildet Bich eine einbasische Laetonsäure (Alkylparaconsäure),
CH, ■ CHO + CH,< = CH, - CH ■ CH/
\CH,-CO,H
,CO,H
,CO,H
CH. CH-CH<
= H,0+ j ^CH,.
0 —CO
MethylparacousSure
iactionsprodukte spalten nun bei der trockenen Destillation
re ab und liefern ungesättigte einbasische Säuren:
,CO,H
CH, CH-CH< -CO, = CH..CH:CH.CH, CO,H.
1 ^CH,
'etisch könnte bei der durch diese Gleichungen viedergegebeneD
entweder die Säure CHj-CHiCH-CHj -COjH oder CH,:CH-
DOjH (AUylessigsäure) entstehen; es hat sich indess gezeigt,
gewonnene Säure von der AUylessigsäure {vgl. S. 505) ver-
ist und demnach die erste Formel besitzen muss. Daher
nommen werden, dass tlberhaupt die auf obigem Wege ge-
Säuren ihre doppelte Bindung zwischen dem ß- und y-Kohlen-
enthalten :
;CH,-CH:CH-CH,-CO,H
C,H,-CH:CH.CH,.CO,H etc.
r Desdllation der AlkylparaconBäuren bilden eich neben den ungesättigten
Säuren Lactone in untergeordneter Menge:
,CO,H
^ -CO, = CH, CH-CH, CH,
x;h,
0 CO
mdet femer Umlttgerung in unge&ättjgte eweiba^ische SSuren atatt:
yCO.H
,.CO,H .
I, Ann. 265, 1 |1SS9).
,CÜ,H
IsomeriefaUe in der Oelsäure-Beihe. 491
Aehnlich der PERKiN'schen Synthese verläuft die Keaction zwischen
Aldehyden und Malonsäure in Gegenwart von Eisessig ^; unter Ent-
weichen von Kohlensäure findet Condensation zu einer einbasischen, un-
gesättigten Säure statt, z. B.:
/CO,H /COgH
CH3.CHO + CH,< = CH3CH(0H).CH<
\CO,H X)0,H
= CHs • CH : CH . CO,H + CO, + H,0.
(Daneben bilden sich gesättigte zweibasische Säuren, durch Eohlensäure-
abspaltung aus Condensationsprodukten zwischen 1 Molecül Aldehyd und
2 Molecül Malonsäure entstehend.
.CHCCOgH), XHjCOjH \
CH3.CH/ = CHj.CH/ +2C0,.
NdHCCO^H), ^CHj.COäjH /
Aehnlich wie Aldehyde wirken a-Retonsäuren ' — Säuren von der allgemeinen
Zosammensetzung E'CO-CO'OH— , indem sie unter Kohlensäureabepaltung während
der Reaction in einen Adehyd R<COH übergehen. So ist aus Brenztraubeusäure
CH,- CO -CO -OH durch Erhitzen mit Essigsäureanhydrid und Natriumacetat die
Crotonsäare CHaCHiCH.COjH erhalten worden-
Die IsomeriefaUe in der Oelsäurereihe werden theils hervorgerufen
durch verschiedenartige Anordnung des mit der Carboxylgruppe ver-
bundenen Kohlenstoffgertists:
>C-CO,H , CHs-CH—CH-COsH ;
CH,/
bei gleicher Verzweigung der KohlenstoflFkette kann Isomerie durch die
verschiedene Stellung der an der Doppelbindung betheiligten Kohlen-
stoffatome bedingt werden:
CH, : CH . CH, • CH, • COaH , CH, • CH : CH • CH, • CO,H , CHs • CH, • CH : CH - CO,H.
Um den Ort der Doppelbindung kurz zu bezeichnen, empfiehlt sich
die Benutzung des von Baeyee^ für die Doppelbindung eingeführten
Zeichens J; als Indices für die einzelnen Kohlenstoffatome der Kette
benutzt man. die kleinen Buchstaben des griechischen Alphabets und
beginnt die Zählung an dem der Carboxylgruppe benachbarten Kohlen-
stoffatom; es ist demnach
die Crotonsäure CHj-CHiCH-COaH eine J«'/^-Säure,
„ Vinylessigsäure CH^ iCH-CHg-COjH eine J^'^-Säure etc.
Ausser diesen auf andersartiger Structur beruhenden Isomeriefällen
werden indess noch weitere durch stereochemische Erwägungen (vgl.
S. 85—87) in Aussicht gestellt. Das erste Glied der Oelsäurereihe —
die Akrylsäure — :
H— 0— CO,H
H-C-H
* KoMNENOs, Ann. 218, 145 (1883). * Homolka, Ber. 18, 987 (1885).
' Ann. 245, 112 (1888); 251, 268 (1889).
492 Allgemeine Charakteristik der Oelsäure-Eeüie.
wird freilich als Monosubstitutionsderivat des Aethylens nicht in zwei
stereochemisch isomeren Modificationen auftreten können, ebensowenig
unter seinen nächsten Homologen diejenige Säure, deren Methylgruppe
am gleichen Kohlenstoffatom wie die Carboxylgruppe haftet:
CH3— C— CO,H
H-C-H
Wird indess die Methylgruppe an das mit der Carboxylgruppe nicht
direct verbundene Kohlenstoffatom gekettet, so sind die Bedingungen
für das Zustandekommen von zwei räumlich isomeren Verbindungen:
H~C-CO,H H-C-COjH
I und !
H — C — CH3 CH8 — C — H
erfüllt.
In der That wird die Erklärung mehrerer bei Gliedern dieser Beihe
beobachteter Isomeriefälle in der räumlich verschiedenen Anordnung
gleich constituirter Gruppen zu beiden Seiten des doppelt gebundenen
Kohlenstoffatompaares gesucht. Man kennt einige Säuren in zwei verschie-
denen Modificationen, von denen die eine in die andere durch die Ein-
wirkung höherer Wärmegrade tiberflihrbar ist; das chemische Verhalten
lässt die Annahme gleicher Structur für beide Modificationen geboten
erscheinen; die stereochemischen Erwägungen machen ihre Existenz be-
greiflich (Näheres vgl. unten bei Crotonsäure und Isocrotonsäure S. 499 ff.,
Angelicasäure und Tiglinsäure S. 506).
Allgemeine Charakteristik
Die Akrylsäure CgH^Og — das erste Glied der Eeihe — ist bei
gewöhnlicher Temperatur flüssig. Schon unter ihren nächsten Homo-
logen (C^HgOj) tritt indess neben einer flüssigen, bei — 15® noch nicht er-
starrenden Säure (Isocrotonsäure) eine feste, erst bei verhältnissmässig
hoher Temperatur (72®) schmelzende Säure (Crotonsäure) auf. Ebenso
zeigt es sich bei weiterem Vorschreiten in der Eeihe, dass der Schmelz-
punkt weit weniger durch die Kohlenstoffzahl, als durch die Constitution
beeinflusst wird. Selbst unter den höchsten Gliedern finden wir noch
die bei Zimmertemperatur flüssige Oelsäure C^gEg^Og, während die Fett-
säuren von der 10. Reihe an aufwärts sämmtlich fest sind (vgl. Tab.
Nr. 14, S. 312). — Der Siedepunkt des Anfangsglieds liegt bei 140®;
er steigt regelmässig für die folgenden Glieder und entfernt sich meist
wenig von dem Siedepunkt der gleich kohlenstoffreichen Fettsäuren. Die
höchsten Glieder sind für sich nicht mehr unzersetzt destillirbar, wohl
aber mit überhitzten Wasserdämpfen flüchtig. — Das specifische Ge-
wicht sinkt, wie in der Fettsäurereihe (vgl. S. 310), auch hier mit stei-
gendem Moleculargewicht. — Die niederen Glieder sind leicht in Wasser
löslich (Akrylsäure und Isocrotonsäure in jedem Verhältniss damit misch-
bar), die mittleren Glieder schwer löslich, die höheren unlöslich.
Chemisches Verhalten der ungesättigten Säuren, 493
Das chemische Verhalten wird einerseits durch die Carboxylgruppe,
andererseits durch die doppelte Bindung bestimmt. Durch die Gegen-
wart der Carboxylgruppe werden die Oelsäuren zur Bildung von Salzen,
Estern, Chloriden, Amiden etc. befähigt. Die Gegenwart der doppelten
Bindung dagegen bedingt das Eintreten mehrerer Additionsreactionen
(vgl. S. 441£F.).
Die üeberfuhrung von Oelsäuren in Fettsäuren durch Wasserstoff-
zufuhr gelingt bei manchen Säuren unter der Einwirkung des nasciren-
den Wasserstoffs, z. B.:
OH, : CH-COsH + H, = CHaCHaCOjH ,
während sie bei anderen Säuren (z. B. Oelsäure) viel energischere An-
griffe (Erhitzen mit Jodwasserstoff) erforderte
Die Addition der Halogene und Halogenwasserstoffsäuren, wie auch
der unterchlorigen Säure, erfolgt meist sehr leicht.
Von den Fettsäuren (abgesehen von der Ameisensäure, vgl. S. 318)
sehr scharf unterschieden sind die Oelsäuren und andere ungesättigte
Säuren in ihrer Empfindlichkeit gegen Oxydationsmittel. In über-
schüssiger Sodalösung gelöst, entfärben sie sofort oder nach kurzer Zeit
Kaliumpermanganatlösung; dieses Verhalten kann geradezu als Hülfs-
mittel für die Diagnose von doppelten Bindungen in Säuren von un-
bekannter Structur benutzt werden*. Bei sehr vorsichtiger Oxydation
mit Kaliumpermanganat^ gelangt man zu Dioxyfettsäuren von gleicher
Kohlenstoffzahl, indem an die doppelt gebundenen Kohlenstoffatome zwei
Hydroxylgruppen herantreten, z. B.:
<CjH5 /(^aHö
>- CH3 . CH(OH)-C^ OH .
COgH ^COjH
Auch bei kräftigerer Oxydation ist zunächst eine Reaction in diesem
Sinne anzunehmen; die beiden mit Hydroxylgruppen beladenen Kohlen-
stoffatome bilden dann die Angriffspunkte für den weiteren Fortgang der
Oxydation, der nun zwischen ihnen — also an der Stelle, wo sich ur-
sprünglich die Doppelbindung befand — eine Sprengung der Kohlen-
stoffkette bewirkt; so bildet sich z. B. aus Allylessigsäure CH^rCH-
CHj-CHj-COgH bei der Behandlung mit Salpetersäure Ameisensäure
H.COjH und Bemsteinsäure COaHCHa-CHg.CO^H. Dieses Verhalten ist
werthvoll für die Ermittelung der Structur der ungesättigten Säuren.
Eine Sprengung der Kohlenstoffkette tritt auch beim Schmelzen mit
Alkaüen ein. Ein Molecül einer Oelsäure wird hierbei in zwei Fett-
säuremolecüle gespalten, .welche zusammen ebenso viele Kohlenstoffatome
enthalten als das Molecül der Ausgangs-Substanz ; es entstehen z. B. aus
^ Vgl. hierzu Baeteb, Ann. 261, 265 (1889).
* Ygl.BAETEB, Ann. 246, 148 (1888).
• A.SAirrzEW, J. pr. [2] 31, 541 (1885); 38, 300 (1886). — Pittio, Ber. 21,
919 (1889).
494 Umlagerungsprocesse bei ungesättigten Säuren.
^ -»r 1 itr xi 1 1 « r^Tr m/ ^ 1 Mol. AmeisensäuTe CILO- und
1 Mol. Methakrylsäure CHjiC^ • n^r i ü - ntr ncr nr^ xr
^ ^CO H Propionsäure CHg-CHj-COjH,
aus 1 Mol. Crotonsäure CHg.CHiCHCOgH: 2 Mol. Essigsäure CEj-COgH.
Man hat früher^ geglaubt, dass auch diese Spaltung stets an der Stelle
der doppelten Bindung eintrete, und beispielsweise für die Oelsäure
CigHj^Og aus dem Umstand, dass sie in Palmitinsäure und Essigsäure
zerfällt, die Structurformel CigHgiCHiCH-COgH abgeleitet. Neuere Er-
fahrungen* zeigen indess, dass die aus diesem Verhalten auf die Con-
, stitution gezogenen Schlüsse keineswegs immer zuverlässig sind. Da man
häufig Gelegenheit hat, zu verfolgen, mit welcher Leichtigkeit mehrfache
Bindungen in den Molecülen der ungesättigten Verbindungen ihren Ort
wechseln (vgl. S. 448, 451, 460, 463, 497, 518), so kann es kaum auf-
fällig erscheinen, wenn eine unter der Einwirkung schmelzender Alkalien
eintretende Reaction zu Constitutionsbestimmungen nicht geeignet ist.
An den ungesättigten Säuren hat man eine Beihe von sehr merk-
würdigen Umlagerungs-Processen beobachtet. Es ist bereits an-
gedeutet worden (S. 492), dass einige Glieder der Oelsäure -Reihe bei
längerer Einwirkung höherer Wärmegrade sich in Isomere verwandeln,
denen man gleiche Structur, aber verschiedene räumliche Configuration
zuschreibt.
Eine andere Art der Umlagerung unter dem Einfluss höherer Tem-
peratur ist bei solchen Säuren beobachtet, deren Doppelbindung an dem
/-KohlenstofiFatom (von der Carboxylgruppe aus gerecjinet) sich befindet:
es entsteht ein ,,Lacton"^ z. B.:
I ; II
CH, I aus CH
CH,-<bo CH,-CO-OH.
Man kann diesen Vorgang als eine Addition der Carboxylgruppe an die
ungesättigten Kohlenstoffatome auffassen; indem die dopppelte Bindung
gelöst wird, lagert sich an das eine KohlenstoflFatom das WasserstoflFatom
der Carboxylgruppe an, während das zweite KohlenstofiFatom durch die
nun am Sauerstofiatom frei gewordene Valenz in Bindung mit der Carb-
oxylgruppe selbst tritt, und dadurch der ringförmige, den Lactonen eigene
Complex zu Stande kommt. Die Umwandlung in isomere Lactone tritt
bei den meisten /9-;^-ungesättigten Säuren schon durch kurzes Erwärmen
mit massig verdünnter Schwefelsäure ein.
Ganz allgemein scheint bei Säuren, deren Doppelbindung sich in
/^-/-Stellung zur Carboxylgruppe befindet, durch Kochen mit Natron-
lauge eine Verschiebung der Doppelbindung' um ein Glied in der Eich-
* Vgl. Marassb, Ber. 2, 359 (1S69). * Vgl. Frrrio, Ann. 265, 18 (1889).
» PiTTio, Ber. 24, 82 (1891). — Vgl. ferner Baeyeb u. Rufe, Ann. 261, 264
(1889); 256, 3 (1889).
Akrylsäure, 495
tung zur Carboxylgruppe bewirkt zu werden; so entsteht aus Hydro-
sorbinsäure
C,H6.CH:CH.CH,.C0,H
die isomere Säure:
CsHsCHs.CHiCH.CO.H.
Wieder eine andere, bisher noch nicht erklärte Art der Umlagerung
erleiden die kohlenstoflfreichen Oelsäuren, wenn sie mit geringen Mengen
salpetriger Säure in Berührung sind (vgl. den üebergang von Oelsäure in
Elaldinsäure S. 513, von Erucasäure in Brassidinsäure S. 514).
Die einzelnen Glieder.
AkrylsSure C3H40j = CH2:CHC0aH (Methylenessigsäure, Aethylen-
carbonsäure). Zu ibref Gewinnung kann man diejenige Reaction .be-
nutzen, welche auch ftft ihrer Entdeckung ^ geführt hat, nämlich die Oxy-
dation des ihr entsprechenden Aldehyds*, des Akrolelns CHjiCH'CHO,
mit Silberoxyd. Einen vortheilhafteren Weg bietet indess die Entziehung
von Jodwasserstoff aus der j9- Jodpropionsäure CHjJ'CHg-COjH mittelst
alkoholischen Kalis ^ oder Bleioxyd ^, ebenso die folgende vom Allyl-
alkohol ausgehende Combination von Reactionen. Der Allylalkohol lie-
fert mit Brom einen ^Dibrompropylalkohol, letzterer durch Oxydation
die a-/9-Dibrompropionsäure:
CH, CH.Br CH,Br^
CH >■ CHBr >- ÖHBr ,
CH,(OH) CH,(OH) CO. OH
welche nun bei der Behandlung mit Zink und Schwefelsäure* oder wäss-
riger Jodkalium- Lösung •, indem ihr die beiden Bromatome entzogen
werden, in Akrylsäure tibergeht. Die Bildung der Akrylsäure ist femer
beobachtet bei der Destillation von Salzen der beiden isomeren Oxy-
propionsäuren ^ CHj(OH) • CH, • COaH und CHs • CH(OH) • CO3H (Milchsäuren),
sowie bei der Deslülation der j9-Oxypropionsäure für sich®.
Die AkrylsäuF# ist eine stechend riechende Flüssigkeit, welche bei
140® siedet; in dW Kälte erstarrt sie krystallinisch und schmilzt dann
zwischen + 7 und 8^ Von nascirendem Wasserstoff wird sie zu Propion-
säure reducirt. Die Addition der Halogenwasserstoffsäuren*® erfolgt hier,
wie bei vielen anderen ungesättigten Säuren ^^, nicht derart, dass sich
' Redtbvbacher, Ann. 47, 125 (1S43). ' Claus, Ann. Suppl. 2, 123 (1862).
' V. ScHirEiBEB u. Eblenmeteb, Ber. 3, 340 (1870).
* W18LICEKU8, Ann. lee, 1 (1872).
* Cabpart u. Tollens, Ann. 167, 241 (1873).
« V. ZoTTA, Ann. 192, 102 (1878).
' Bbilstein, Ann. 122, 372 (1862). — Claus, Ann. 136, 288 (1865).
* MoLDENHAüER, Ann. 131, 335 (1864).
* LnncBMANK, Ann. 126, 317 (1863); 163, 95 (1872); 171, 291 (1873).
" VgL Michael, J. pr. [2] 40, 171 (1889).
496 Orotonsäuren.
das Halogenatom an das wenigst hydrogenisirte Eohlenstoffatom anlagert
(vgl. S. 443), wodurch fir-Halogenpropionsäuren entstehen sollten; es bilden
sich im Gegentheil die /9-Derivate:
CH, : CH . CO,H + HCl = CH.Cl • CH, • CO,H.
Die Salze der Akrylsäure' sind meist in Wasser leicht löslich. Charakte-
ristisch ist das Bleisalz (C8H30s)9Pb, welches aus Wasser in gl&nzenden Nadeln
krystallbirt und sich auch in Weingeist löst
Der Methylester«» CaHaOjCHs siedet bei 80° (spec. Gew. bei 0°: 0-974),
der Aethylester" CjHsOj-CjHs bei 98.5« (spec. Gew. bei 0°: 0.939). Bei längerem
Aufbewahren der Ester oder bei andauerndem Erwärmen, zuweilen schon bei der
Destillation tritt Polymerisation ein.
Säuren C^H^O,. Es sind vier Säuren von dieser ZusammensetzuDg
bekannt:
1. Gewöhnliche oder feste Croton säure,
2. Isocrotonsäure,
3. Methakrylsäure,
4. Eine aus Vinaconsäure (dem Einwirkungsproduct von Aethylen-
bromid auf Natriummalonsäureester, vgl. die Gleichungen auf S. 501)
durch Kohlensäureabspaltung entstehende Säure.
Hält man an der freilich nicht ausnahmslos bestätigten Annahme fest,
dass jede Substanz von ausgeprägtem Säurecharakter eine Carboxyl-
gruppe enthält, so kann die Formel all' dieser Verbindungen in CjHj-
CO «OH aufgelöst werden, und der Grund ihrer Isomerie muss in ver-
schiedener Beschaffenheit des Restes CgH^ gesucht werden.
Vom Standpunkt der Theorie lassen sich dann die folgenden Structur-
möglichkeiten entwickeln:
a) CH2:CH.CH2-C02H : Vinylessigsäure.
b) CH3CH:CHC02H : Aethylidenessigsäure oder /?-Methylakrylsäure.
c) CH2:C(CH3)-C02H : Methylmethylenessigsäure oder a-Methylakryl-
säure.
d) I ^CH-CO-H : Aethylenessigsäure oder Trimethylencarbonsaure.
CH3/
Für die unter b) angefiihrte Säure giebt es femer die beiden stereo-
chemisch isomeren Modificationen :
b«) H-C-CO,H hß) H~C-CO,H
H — C — 0113. CH3 — C — H
Cis- Cis-trans-
ß' Methy lakrylsäure.
Die Vertheilung dieser Formeln auf die vier bekannten Säuren bietet
nun eigenthümliche Schwierigkeiten.
' Redtenbachee, Ann. 47, 127 ff. (1843). — Claus, Ann. Suppl. 2, 125 ff. (1862).
Oaspaet u. Tollens, Ann. 167, 243 ff. (1873).
* Caspaby u. Tollens, Ann. 167, 247 (1873). — Wbgeb, Ann. 221, 79 (1883.)
Kahlbaum, Ber. 13, 2348 (1880); 18, 2108 (1885).
Orotonsäuren, 497
Der festen Crotonsäure, welche ihren Namen daher hat, dass
zuerst ans dem CrotonöP eine Säure von der Zusammensetzung C^H^Og
abgeschieden wurde, die sich freilich später als nicht einheitlich^ erwies,
Mrird die der Formel b) entsprechende Structur zugeschrieben. Denn
wenn auch ihre Bildung durch Wasserabspaltung aus der j9-0xybutter-
säure^ im Sinne der Formeln a) und b) gedeutet werden kann:
CH, . CH(OH) . CHj . COsII-HjO = CH, : CH • CH, - COgH oder CHg • CH : CH • CO,H,
so lässt sich ihre — jfreilich nur wenig reichliche^ — Entstehung aus
«-Brombutt^rsäureester unter der Einwirkung von alkoholischem Kali^
nur bei Annahme der Formel b) erklären:
CHj • CH, . CHBr • CO,H-HBr = CHs • CH : CH • COjH.
Mit dieser Formel gut vereinbar sind ferner die Bildungsweisen aus
Aldehyd und Malonsäure (vgl. die Gleichung auf S. 491), sowie aus
Brenztraubensäure beim Erhitzen mit Essigsäureanhydrid und essigsaurem
Natrium (vgl. S. 491). Ihr scheint zu widersprechen, dass Crotonsäure
auch aus dem Allylalkohol durch Vermittelung des Cyanids gewonnen wird
(vgl. S. 487 — 488); allein es hat sich gezeigt, dass das AUylcyanid®
nicht die aus seiner Bildung zu erwartende Structur CH^ : CH-CH^-CN be-
sitzt, dass vielmehr infolge einer Verschiebung der Doppelbindung, wie sie
ja häufig bei ungesättigten Verbindungen zu Gunsten von symmetrischer
gebauten Molecülen beobachtet wird (vgl. S. 448, 451), durch Einwirkung
von AUylhalogenen auf Cyankaliüm die Verbindung CH3CH:CH-CN ent-
steht; das sogenannte Allylcyanid liefert nämlich durch Bromaddition ein
Dibrompropylcyanid , das bei der Verseif ung in a-j8-Dibrombuttersäure
übergeht:
CHg Crlß CHg
CH >- CHBr >- CHBr
CH-CN CHBr— CN CHBr-COgH.
Die Auffassung der Crotonsäure als Aethylidenessigsäure wird ferner
ilurch ihr Verhalten bei der Oxydation^ gestützt; ihr Molecül zerfällt in
zwei Spaltungsstücke mit je zwei Kohlenstoffatomen; es konnten Acet-
aldehyd und Oxalsäure als Oxydationsprodukte nachgewiesen werden.
* Schlippe, Ann. 105, 21 (1858).
* Geütheb u. Fröhlich, Ztschr. Chem. 1870, 549.
' WißLicENüS, Ztschr. Chem. 1869, 825. — Hemilian, Ann. 174, 328 (1874). —
Beilstein u. Wiegand, Ber. 18, 482 (1885).
* Browne u. Michael, J. pr. [2] 38, 12 (1888).
* Hell u. Laubeb, Ber. 7, 560 (1874).
« Will u. Koerweb, Ann. 125, 271 (1862). — Claus, Ann. 131, 58 (1864). —
Risse u. Tollens, Ann. 169, 105 (1871). — Kekul6 u. Rinne, Ber. 6, 388 (1873). —
PaKNE, ebenda, p. 389. — Pinnbe, Ber. 12, 2053 (1879); 17, 2007 (1884). — Palmeb,
Ber. 22o, 494 (1889).
' Kekul6, Ann. 162, 315 (1872).
V. Hbybs o. Jaoobsox, org. Chemie. I. 32
498 Orotofisäuren,
Auch das Verhalten gegen HalogenwasserstoflFsäuren ^ kann als Stütze
herbeigezogen werden; durch Anlagerung von Jodwasserstoff entsteht
/?- Jodbuttersäure :
CHj . CH : CH . CO,H + H J = CH^ • CH J • CHj • COjH.
Ihre Bildung wäre zwar auch aus der Vinylessigsäure CH^ : CH-CHj-COjH
theoretisch verständlich, aber in Anbetracht des ßeactionsverlaufs, wie
er an anderen J'^'J'- Säuren beobachtet ist, unwahrscheinlich; denn solche
Säuren lagern Halogenwasserstoff stets so an, dass das Halogenatom an
die /-Stelle tritt (vgl. Aethylidenpropionsäure etc. S. 505, 507 — 508).
Wie die feste Crotonsäure, so enthält auch die ihr isomere flüssige
Isocrotonsäure in ihrem Molecül eine unverzweigte Kette von Kohlen-
stoffatomen. Es ergiebt sich dies für beide Säuren — abgesehen von
ihren Bildungsweisen — aus ihrer Ueberführbarkeit in normale Butter-
säure. Crotonsäure kann durch Behandlung mit Natriumamalgam direct
zu Buttersäure reducirt werden 2; bei der Isocrotonsäure ist die directe
Ueberführbarkeit zwar noch nicht constatirt, aber die durch Addition
von Halogenwasserstoff aus beiden Säuren entstehenden Brom- resp. Jod-
buttersäuren werden durch Natriumamalgam leicht zu normaler Butter-
säure reducirt':
C^HeO, + HBr = C^H^BrO^; C4H,BrO, + 2H = C^HgO, + HBr.
Nachdem nun für die Crotonsäure die Constitution der Aethyliden-
essigsäure CHj-CHiCH-COgH acceptirt ist, liegt es am nächsten, die
Isocrotonsäure als Vinylessigsäure CHg : CH • CHg • COgH anzusprechen :
eine Auffassung, welche auch mit dem nun zu beschreibenden Bildungs-
process der Isocrotonsäure* — dem einzigen, in welchem bisher die Ent-
stehung der Isocrotonsäure mit Sicherheit constatirt ist — ganz gut
verträglich wäre.
Wenn man auf AcetessigesterCHg-CO-CHjCOg-CgHg Phosphorpen ta-
chlorid einwirken lässt, so erhält man zwei isomere Säuren von der
Zusammensetzung C^H^ClOg theils in Form ihrer Chloride, theils in Form
ihrer Aethylester. Sie sind offenbar entstanden, indem der Carbonylsauer-
stoff des Acetessigesters zunächst durch zwei Chloratome vertreten wurde,
und dann Abspaltung von 1 Mol. Chlorwasserstoff eintrat; in der That
ist ja die Möglichkeit der Bildung von zwei isomeren Säuren in letzterer
Reaction leicht einzusehen:
Cllg . CO . CH, . CO, . CjHß + PCls = CH3 . CGI, • CH, • CO, • C,Hß + POCl, ,
^ CH3.CC1:CH.C0,.C,U5
CH,.CCl,.CH,.C0,.C,H5-nCl = <
^ CH, : CGI . CH, . CO, . CjH».
* Hemilian, Ann. 174, 322 (1874). — Albeeti, Her. 9, 1194 (1876). — Michael
u. Fbeer, J. pr. [2J 40, 95 (1889).
* BüLK, Ann. 139, 66 (1866). — Baeyer, Ann. 251, 265 (1889).
* Alberti, Her. 9, 1194 (1876). * Geuthbr, Ztsclir. Chem. 1871, 237,
Orotonsäuren. 499
Die beiden Säuren lassen sich leicht trennen, da die eine sich mit Wasser-
dämpfen sehr leicht, die andere sehr schwer verflüchtigt. Die schwer
flüchtige Säure giebt nun bei der ßeduction mit Natriumamalgam gewöhn-
liche feste Crotonsäure und wird daher Chlorcrotonsäure genannt; da-
gegen liefert die leicht flüchtige Säure, welche in grösserer Menge auf-
tritt, mit Natriumamalgam die isomere flüssige Isocrotonsäure und
wird daher als Chlorisocrotonsäure bezeichnet. Im Sinne der oben ent-
wickelten Auffassung wären diese Uebergänge in folgender Weise zu
formuliren :
CHs-CCliCH.COaH + 2H = HCl + CHs-CHiCHCOsH
Chlorcrotonsäare Crotons&are ;
CH,:CC1.CH,.C08H + 2H = HCl + CH, : CH • CH, - CO,H
Chlorisocrotonsäure Isocrotonsäure.
Trotzdem aber ist man heute nicht geneigt, die Isocroton-
säure als Vinylessigsäure aufzufassen, sondern wird durch
ihr Verhalten bestimmt, sie als structuridentisch mit der
festen Crotonsäure, also ebenfalls als Aethylidenessigsäure
CHj-CHrCH-COgH anzusehen. Gleichfalls legt man den beiden ge-
chlorten Säuren die gleiche Structurformel CHg-CClrCH-COjH bei.
Der Umstand, dass die Isocrotonsäure in der Kalischmelze ^ nur
Essigsäure liefert, kann hierfür freilich nicht in's Gewicht fallen; auch
der Nachweis, dass Chlorcrotonsäure und Chlorisocrotonsäure mit alkoholi-
schen und wässrigen Alkalilösungen dieselben Umwandlungsprodukte
liefern*, zwingt nicht durchaus zur Annahme gleicher Structur; es wäre
nicht undenkbar, ja sogar wahrscheinlich, dass unter dem Einfluss von
Alkali in höherer Temperatur eine Verschiebung der Doppelbindung von
der ß'Y' in die a-j9- Stellung einträte (vgl. S. 494 — 495).
Dagegen macht das Verhalten der Crotonsäure und Isocroton-
säure gegen Halogenwasserstoffe' und Halogene* für beide die gleiche
Structur wahrscheinlich. Dass die bei gewöhnlicher Temperatur erfolgende
Addition dieser Reagentien von einer Verschiebung der Doppelbindung
begleitet sein kann, erscheint zwar nicht ausgeschlossen, ist aber bis-
her doch nicht durch Beobachtungen erwiesen. Man hat daher noch
keinen Grund, an der Benutzbarkeit dieser Reactionen für Constitutions-
bestimmungen zu zweifeln, und darf mit einiger Sicherheit annehmen,
dass die in das Molecül der ungesättigten Verbindung eintretenden
Elemente durch die von ihnen aufgesuchten Stellen wirklich den Ort
der gelösten Doppelbindung bezeichnen. Nun giebt die Isocroton-
säure ebenso wie die Crotonsäure durch Addition von Jodwasser-
stoff /9- Jodbuttersäure, und aus den S. 498 angedeuteten Gründen ist
daher anzunehmen, dass sie die Doppelbindung in der oj-j9- Stellung,
1 Gecther, Ztschr. Ohem. 1871, 243. ' Friedrich, Ann. 219, 822 (1883).
» A1.BERTI, Ber. 9, 1194 (1876). — Michael u. Freer, J. pr [2] 40, 96 (1889).
* C. KoLBB, J. pr. [2] 25, 369 (1882). — Wwlicenus, Ann. 248, 281 (1888).
32*
500 Orotonsäuren,
nicht in der /?-/-Stellung enthält (vgl. S. 508). — Die aus Crotonsäure und
Isocrotonsäure durch Addition von Chlor oder Brom entstehenden Dibrom-
bezw. Dichlorbuttersäuren sind zwar von einander verschieden; aber sie
verhalten sich insofern gleichartig, als sie bei der Behandlung mit wanner
Sodalösung eine charakteristische Spaltung in Kohlensäure und <^-Halogeu-
derivate des Propylens erleiden, wie sie auch bei anderen e^-/9-lialoge-
nirten Säuren in analoger Weise beobachtet ist:
CH, . CHCI . CHCl . CO.Na = CHj • CH : CHCl + CO, + NaCl.
Dies Verhalten macht es sehr wahrscheinlich, dass sowohl die Additions-
producte der Crotonsäure wie auch diejenigen der Isocrotonsäure a-ß-
Derivate sind, demnach gleiche Structur besitzen, und dass der Grund
ihrer Verschiedenheit in räumlichen Atomlagerungsverhältnissen zu
suchen ist.
Unter dßn Beziehungen der beiden Crotonsäuren zu einander ist vor
Allem die interessante Thatsache hervorzuheben, dass Isocrotonsäui'o
durch anhaltendes Erhitzen auf 170 — 180^ in gewöhnliche Crotonsäure
übergeführt wird^; es bildet sich daher bei jeder Destillation der Iso-
crotonsäure unter gewöhnlichem Druck eine gewisse Menge der fest^^n
Crotonsäure, während diese ümlagerung bei der Destillation im Vacuum
vermieden wird^. Fasst man die beiden Säuren als structurverschieden auf:
CHa • CH : CH . CO,H CH, : CH • CH, • CO,H
Crotonsäure Isocrotonsäure,
SO erscheint dieser Uebergaiig als Folge einer Verschiebung der Doppel-
bindung; erblickt man in ihnen die beiden stereochemisch isomeren Mo-
dificationen der Aethyüdenessigsäure (vgl. S. 496):
H-C-CO,H H-C-CO,H
H — C — CH3 CHß — C — H
so muss man einen Platzwechsel von Methyl und Wasserstoff annehmend
— Jede der beiden Säuren lässt sich femer in die ihr isomere SäuiT
umwandeln, wenn man ihr zunächst Chlor addirt, die so entstandeneu
Dichlorbuttersäuren durch Behandlung mit Natronlauge unter Abspaltung
von einem Molecül Chlorwasserstoff in eine Monochlorcrotonsäure über-
führt und in letzterer durch Behandlung mit Natriumamalgam das Chlor-
atom gegen Wasserstoff austauscht*:
C^HeO, —>- C4HeCl,0, —V C^H^CIO, — > C4HeO,
Feste Crotons. — >■ Crotonsäuredichlorid — >' Chlorisocrotons. — >- Isocrotons. ;
Isoerotons. — >- Isocrotonsäuredichlorid — >" Chlorcrotons. — >■ Feste Crotons.
^ Hemilian, Ann. 174, 330 (1874).
« Michael u. Freeb, J. pr. [2] 40, 96 (1889).
' Vgl. Erklärung: Wislicenüs, Abhandlgen. d. kgl. sächs. Gesellsch. d. Wis-
sensch. 14, 54 (1887).
* WiSLiCENus, Ann. 248, 309 (1888).
Orotonsävren, 501
)urrh eine Reihenfolge ähnlicher ßeactionen (Anlagerung und Wieder-
Ijspaltung) erklärt es sich wohl, dass grosse Mengen von Isocrotonsäure
iirch eine sehr geringe Menge Chlorwasserstoff schon bei 100^ in feste
•rotonsäure umgewandelt werdend
Wir sind oben zu dem Resultat gelangt, dass das Verhalten der
)eiden isomeren Säuren durch Annahme einer verschiedenen Stellung der
loppelten Bindung in ihrem Molecül nicht genügend erklärt wird, dass
lasselbe vielmehr für beide die gleiche Structurformel:
CH,.CH:CH:CO,H
wahrscheinlich macht. Allein man kann sich nicht verhehlen, dass die
Uründe für diese Auffassung einstweilen doch nicht durchaus zwingende
sind. Wenn es gelänge, eine Säure zu gewinnen, deren Verhalten durch-
uus der Formel
CH,:CH.CH,.CO,H
entspricht, und diese Säure als bestimmt von der Isocrotonsäure ver-
schieden zu charakterisiren, dann erst wäre jene Auffassung, die in den
letzten Jahren sich fast allgemein eingebürgert hat, sicher begründet.
Bisher ist die Auffindung einer solchen Säure noch nicht geglückt, und
die Möglichkeit, dass in der Isocrotonsäure die Vinylessigsäure vorliegt,
ist daher noch nichi als völlig ausgeschlossen zu betrachten.
Man glaubte vor einiger Zeit, dass die auf S. 496 sub 4 aufgeführte Sfture die
(Constitution der Vinylessigsäure besitze', indem man ihren Bilduugsprocess durch
fulgende Gleichungen interpretirte:
/CO, • CgHft /COj • CjHß
GHjBr.CHaBr + CHNa< = NaBr + CH,Br.Cn,.CII< ,
•COj • C1H5 /COj • C*H5
CH,Br.CH,.CH<: — HBr = CH,:CH.CH<
xjOj.CjHb m:!0,.c,h,
/CO,H
CH,:CH.CH< -CO, = CH,:CH.CH,.CO,H.
N:io,H
Diese Auffassung hat sich indessen nicht bestätigt; man nimmt jetzt vielmehr an,
dasB das Reactionsprodukt von Aethjlenbromid auf Malonsäureester der Ester der
Trimethylendicarbonsäure :
CH,v /CO,H
CH,/" \CO,H
5€L Dem zu Folge erblickt man in der durch Kohlensäure-Abspaltung daraus her-
vorgehenden Säure die Trimethylenmonocarbonsäure :
CH,.
I >CH.CO,H;
CH,/
fliese Säure wird daher erst im zweiten Bande bei den isocyclischen Verbindungen
^Wdelt werden.
^ WisucBfus, Ann. 248, 340 (1088). * Vgl. Ffttig, Ann. 227, 25 (1885).
l
502 Orotonsäv/ren,
Ein wichtiges Argument für die Structurgleichheit der beiden Cro-
tonsäuren kann indess noch aus dem Vergleich mit analog constitairten
Säuren der aromatischen Reihe hergeleitet werden. Denken wir uns iu
der Formel der Aethylidenessigsäure CHj-CHrCH-COjH die Methylgruppe
ersetzt durch den für die Benzolderivate charakteristischen Phenylrest
CgHg, so erhalten wir die als /S-Phenylakrylsäure oder Benzylidenessig-
säure zu bezeichnende Säure:
CeHßCHiCHCOjiH,
welche gewöhnlicher Zimmtsäure genannt wird. Auch hier nun treten
uns sowohl in der Existenz verschiedener Zimmtsäuren, wie namentlich
bei der Untersuchung ihrer Monohalogen-Substitutionsprodukte Isomerie-
Verhältnisse entgegen, welche durch Structurformeln allein nicht gedeutet
werden können. Diese Erscheinungen sind — besonders für die Halo-
genderivate der Crotonsäuren und Zimmtsäuren — so durchaus ähnlich,
dass man nicht fehl gehen wird, sie in beiden Reihen durch die gleichen
Ursachen bedingt anzusehen. Jener für die Crotonsäuren nach den oben
gegebenen Entwickelungen noch nicht völlig ausgeschlossenen Formulirung:
CH,:CH.CH,.CO,H und CHaCHiCH.CO.H
würde in der Zimmtsäure-Reihe die Aufstellung der beiden Formeln:
QH^iCH-CH, CO,H und CflHft.CHiCöCO.H
entsprechen. Unter diesen ist nun aber die erstere, welche den Ereatz
von zwei Wasserstoffatomen des Benzolkerns (C^Hg) durch zwei Valenzen
eines und desselben Kohlenstoffatoms annimmt, nach allen Erfahrungen
über die Verbindungen der aromatischen Reihe so gut wie ausgeschlossen.
Da man unter den unzähligen Benzolderivaten bisher niemals eine analog
constituirte Verbindung aufgefunden hat, so darf man sich wohl für be-
rechtigt halten, eine solche Atomgruppirung als nicht existenzfähig zu
betrachten. Und will man daher die Einheitlichkeit in der Auffassung
der Crotonsäure- und Zimmtsäure-Reihe festhalten, so ist man genöthigt,
da für die Deutung der verschiedenen Zimmtsäuren und ihrer Halogen-
derivate nur die Formel:
zu Grunde gelegt werden kann, die analoge Formel:
CH,.CH:CH.CO,H
als einzig berechtigte Grundlage für beide Crotonsäuren und ihre Halo-
genderivate gelten zu lassen.
Stellen wir uns nun auf diesen Standpunkt, fassen wir also sowohl
Crotonsäure wie Isocrotonsäure als Aethylidenessigsäure auf und suchen
den Grund ihrer Isomerie in andersartiger räumlicher Atomgruppirung
bei gleicher Structur, so bietet sich jetzt die Aufgabe, unter den beiden
räumlich verschiedenen Configurationen:
H-C-CO,H H-C-COjH
„4-
CH3 CH,-C~H
Orotonsäuren, 503
tur jede Säure die zutreffende auszuwählen. Die Bildung der festen
L'rotonsäure aus Tetrolsäure CHg-CiC-COgH (vgl. S. 517) durch Behand-
lung mit Natriumamalgam ^ :
CHs . C : C . CO,H + ir, = CHs . CH : CH • CO,H
ermöglicht dies. Es wird bei räumlicher Verfolgung dieses Processes,
in welchem eine dreifache Bindung durch Zutritt von zwei Wasserstoff-
atomen iu eine doppelte Bindung übergeht, sofort klar, dass in der ent-
stehenden Configuration die schon von vornherein an die mehrfach ge-
bundenen Kohlenstoffatome angelagerten Radicale sich auf derselben Seite
(lt*s doppelt gebundenen Kohlenstoffatompaares befinden müssen, ebenso
wie die neu hinzugetretenen Wasserstoffatome, nachdem sie den Zusam-
menhalt der beiden Kohleustoffatome an einer der drei Bindestellen auf-
g»?hobeu hahen, übereinander liegen müssen:
H
CH,
CH, .
\/
+ H, =
H-C-CH, CH,
(;o,H
CO,H
Es ist daher die feste Crotonsäure als eis-, die Isocrotonsäure als cis-
trans-Aethylidenessigsäurc aufzufassen :
H-C-CO,H H— C-CO,H
-C-H
Crotonsäure Isocrotonsäure.
Zur Darstellung der Crotonsäure' geht man zweckmässig von Acetessig-
ester aus; man behandelt ihn mit Natriumamalgam in Gegenwart von Wasser:
CHsCO.CHj.CO.CjHß + 2H = CH3.CH(0H).CH,.C0,.C,H5;
säuert man nun mit Schwefelsäure an und destillirt, so geht die in Folge von
Wasserabspaltung aus der i^-Oxybutteraäure entstehende Crotonsäure mit den Wasser-
dämpfen über. — Die Crotonsäure krystallisirt aus heisser, wässriger Lösung beim
Erkalten in feinen Nadeln, schmilzt bei 71— 72^ siedet bei 180— 181 <> und löst sich
bei 15® in 12-07 TL Wasser*. Zugleich mit der Isocrotonsäure findet sie sich im
ro\\eii Holzessig*. — Calciumsalz (C^HjOjljCa und Bariumsalz (C^HjOgyia
krystallisiren wasserfrei und sind in Wasser leicht löslich*. — Der Aethylester***
^*H5,0,.C,H5 siedet zwischen 139.5<> und Ul-b^ und besitzt bei 20*^ das spec. Gew.
^ Abomstein u. Hollemann, Ber. 22, 1182 (1889).
* Vgl. Beilstein u. Wieoand, Ber. 18, 482 (1885).
* BüLK, Ann. 139, 64 (1866). * Kraemer u. Grodzki, Ber. 11, 1359 (1878).
* Brühl, Ber. 14, 2798 (1881).
504 Metluikrylsäure,
0-924. — Das Nitril CgHs-CN (Allylcyanid, s. S. 497) siedet bei 116— 118* mwi
besitzt bei 0° das spec. Gew. 0-849.
Die Isocrotonsäurc (Darstellung s. S. 498 — 499) ist eine farblose, ölige FIüäu-
keit von stechendem, an Buttersäure erinnernden Geruch, wird bei — 15** nicht f.>t
siedet bei 172* und besitzt bei 25^ das spec. Gew. 1-018; mit Was -er mischt sie w-'.
in allen Verhältnissen. — Calciumsalz (C4H50s),Ca und Bariumsalz (GJIsO.JL
sind in Wasser löslich und krystallisireu beide mit 2 MoL HjO. — Der Aethyle-t»-r
C^HöOj-CjHö siedet bei 136® und besitzt bei 19® djis spec. Gew. 0-927.
Die den Crotoiisäureii isomere Methakrylsäure bietet bei derlMi-
tuug ihrer Constitution keine Schwierigkeiten. Da sie aus of-Ox}i<)-
buttersäure durch Wasserabspaltung ^ :
>C(OH) . COsH-IlgO = >C-CO,H ,
ebenso aus «:- Bromisobuttersäure (0H3)2CBr-CO2H durch Bromwa>HT-
stofiF- Abspaltung^ entsteht, so wird man ihr die Formel der a-MetiiU-
akrylsäure:
CII,~C--CO,II
I
zuschreiben, welche auch durch ihr Verhalten durchaus gerechtfertigt wir«l.
Methakrylsäure findet sich in geringer Menge i m Rö misch - Kamillenöi l
Zu ihrer Darstellung* geht man am besten von dem durch Destillation der Citroiieu-
CHg-C CO.
säure erhältlichen Citrakonsäureanhydrid || j>0 aus; die«« wird «hmh
CH-CQ/
mehrtägige Digestion mit rauchender Bromwasserstoffsäure in der Kälte in C^fra-
brombrenzweinsäure übergeführt:
CHs-C CO,H CHs-CBr-COjH
II +HBr =
CH-CO,n CH,-CO,H
und letztere spaltet nun bei gelindem Erwärmen mit überschüssiger Sodalösunir
Methakrylsäure ab:
CH3— C Br — CO,Na GH.— C— CO,Na
\' '■■ = NaBr + CO, + i|
CII,- COjNa CH,
Die Methakrylsäure krystallisirt aus Wasser bei niederer Temperatur in langen,
farblosen, glänzenden Prismen, schmilzt bei 16®, siedet bei 160—161*, hesi^zt einen
starken, aber nicht unangenehmen Geruch und löst sich leicht in warmem Wasser,
in Alkohol und Aether in jedem Verhältniss. Ihr Calciumsalz (CJI^Oa^jCÄ kry-
stallisirt in langen, feinen Nadeln und ist leicht löslich. Von nascirendem WasstT
Stoff wird sie sehr leicht zu Isobuttersäure reducirt, Halogenwasserstoff addirt sie
unter Bildung von /^-Halogen-Derivaten der Isobuttersäure*:
* Frankland u. Düppa, Ann. 136, 12 (1865).
* Thomson, Ann. 200, 86 (1879). — Bischopf, Ber. 24, 1042 (1891).
* H. Kopp, Ann. 195, 81 (1879).
* Vgl. Pbkhn, Ann. 188, 44 (1877). — Paul, ebenda 52. — Frrrio u. Landoit,
ebenda 81. — C. Kolbb, J. pr. |2| 25, 872 (1S82).
* Enoelhorn, Ann. 200, G5 (1879).
Normale Samen CßHgOg. 505
CH,. CHjBrv
>0-CO,H + HBr = >CH-CO,H ,
Gll/ CU/
in der Kalischmelze zerfällt sie in AmeisensÄure und Propionsäure. Die Methakryl-
^äurt* polymerisirt*'* sich leicht zu einer weissen, amorphen Masse, die in kaltem
Wasser nach und nach aufquillt, ohne sich aber zu lösen, und die Eigenschaften einer
.schwachen Säure besitzt; bei jeder Destillation geht ein kleiner Theil in die polymere
Saure über, bei 130® erfolgt vollständige Polymerisation innerhalb einiger Stunden;
in Berührung mit Salzsäure tritt sie schon bei gewöhnlicher Temperatur ein, was bei
• Icr Darstellung der Methakrylsäure zu beachten ist.
Säaren CgH^O,. Die drei von der Theorie vorausgesehenen, struc-
turisoiueren Säuren C^HgOg mit normaler Kohlenstoffkette:
( n,:OH.CH,.CH,.CO,H, CIl3.Cn:ClI.CH,.C0,II, CHjCIIjCHiCHCOaH
AUjlessigsäure Aethylidenpropionsäure Propylidenessigsäure
sind sämmtlich bekannt.
Allylessigsäure» CH,;CHCn,.CH,.CO,H (/^-Vinylpropionsäure) ist aus
Allylacetessige«ter und Allylmalonsäurcester gewonnen worden (vgl. S. 307 — 809 und
ITOi. Sie erstarrt nicht bei —18®, siedet bei 185—188®, besitzt bei 25® das spec.
(Jew. 0-977, ist in Wasser etwas löslich und riecht ähnlich der Valeriansäure. Bei
der Oxydation mit Salpetersäure liefei-t sie Bernsteinsäure, durch Addition von Brom-
wasseratoff y-Bromvaleriansöure CHa.CHBrCHjCHj.COJL
Aethylidenpropionsäure^ CHa-CHiCH-CHj-OOjH ist aus Acetaldehyd und
Rtnisteinsäure nach der PERKiN'schen Reaction gewonnen (vgl. S. 490). Sie erstaii't
nicht bei —15®, siedet bei 193—194®, löst sich in 10—12 Th. Wasser, ist mit Was-
si'nlämpfen leicht flüchtig und liefert durch Addition von Bromwasserstoff gleichfalls
Y' Hrom valeriansäure.
Propylidenessigsäure* CIla-CHi-CHiClI-COjH wird aus Propionaldehyd
niul Malonsäure (vgl. S. 491) erhalten. Sie stellt ein farbloses Oel dar, ist in Wasser
wenig löslich, riecht stechend, siedet bei 195 — 196® und besitzt bei 16® das spec.
Oew. 0-988.
unter den Säuren CgHgOg mit verzweigter Kohlenstoffkette haben
/.wei durch enge Beziehungen mit einander verknüpfte, in Naturpro-
dukten aufgefundene Säuren — die Angelicasäure und TIglinsfture —
in hervoiTsigendem Grade das Interesse der Chemiker gewonnen.
Wenn man zu diesen Säuren Jodwasserstoff' addirt und die erhal-
U}uen Additionsprodukte reducirt:
CsHgO, + HJ = CjH^JO,; CftllgJO, + 2H = CsHioO» + HJ,
s(j erhält man aus beiden Säuren eine und dieselbe Valeriansäure®, näm-
^ Enoelhorn, Ann. 200, 65 (1879).
' Balbiano u. Testa, Ber. 13, 1984 (1880). — Aüwers u. Koebneb, Ber. 24,
1« 11891).
• Zeidleb, Ann. 187, 39 (1875). — Conrad u. Bischopp, Ann. 204, 170 (1880).
- Mb88kb8chmidt, Ann. 208, 92 (1881). — Pebkin, Journ. Soc. 49, 211 (1886). —
Reboul, Compt rend. 84, 1236 (1887).
* Praenkel, Ann. 266, 27 (1889).
* KoMNBNOs, Ann. 218, 166 (1883). — Zinckb u. Küster, Ber. 22, 495 (1889);
23, 818 (1890); 24, 908 (1891).
• E. Schmidt, Ann. 208, 253 (1881).
506 Angelicasäure und
CHo • CH«\
lieh die MetLyläthylessigsäure (vgl. S. 331). ' "NcH-CO.H. Es
CH3/
folgt daraus, dass beide Säuren sich von dem Kohlenstoflskelett:
^ C-CO,H
ableiten; zur Enthüllung ilirer Constitution bedarf es nun noch der Fest-
stellung des Ortes der Doppelbindung. Für die Tiglinsäure ergiebt sicli
derselbe unzweifelhaft aus ihren synthetischen Bildungsweisen ^. Sie ent-
steht sowohl aus a-Methyl-<^-Oxy buttersäure, w^ie aus «z -Methyl -/S-Ox\-
buttersäure durch Wasserabspaltung, womit lediglich die Constitutimi
einer a-Methylcro tonsäure vereinbar ist:
^^' Ch'> ^(^^ • CO,H-H,(
= CH8.CH:C-C0,H.
CH, . CH(OH)^ (. jj . CO,H-H,0> ^^jj
Die Frage nach der Constitution der Angelicasäure ist dagegen noch
eine offene. Mehrere Beobachtungen weisen darauf hin, dass zwischen
den beiden Säuren die gleichen Beziehungen wie zwischen den beiden
Crotonsäuren bestehen, so zwar, dass die Angelicasäure der Isocroton-
säure, die Tiglinsäure der festen Crotonsäure entspricht. Angelicasäure
ist nämlich leicht in Tiglinsäure überfuhrbar ^; durch etwa 40 stündiges
Kochen unter ßückfluss wird sie vollständig umgelagert, durch Erhitzen
im zugeschmolzenen Rohr auf 300*^ innerhalb zwei Stunden, durch con-
centrirte Schwefelsäure schon bei 100^. Bei der Einwirkung von Brom
auf Angelicasäure entsteht femer als Hauptprodukt dasselbe Dibromid,
welches die Tiglinsäure liefert^. Auch hier steht man also vor der Alter-
native, entweder für beide Säuren gleiche Structur, aber verschiedene
räumliche Configuration, oder im Molectil der Angelicasäure eine ihren
Ort sehr leicht wechselnde Doppelbindung anzunehmen.
Während durch Einwirkung von Bromwasserstoff aus beiden Säuren
der Hauptmenge nach ein und dasselbe Additionsprodukt entsteht*, bildet
Jodwasserstoff mit jeder Säure ein anderes Additionsprodukt ^. In der
* Frankland u. Düppa, Ann. 136, 9 (1865). — Rohebeck, Ann. 188, 235 (1877).
— E. Schmidt u. Bebendes, Ann. 191, 107 (1877). — v. Milleb, Ann. 200, 265 (1880).
— RCrcKER, Ann. 201, 61 (1877). — Wislicenus u. Puckert, Ann. 250, 243 (l88^iU
« Demar^ay, Ber. 9, 1933 (1876). — Kopp, Ann. 195, 90 (1878). — Fittio,
Ann. 259, 6 (1890). — Vgl. auch E. Schmidt, Archiv f. Pharm. 229, 68 (1891).
* Vgl. Demarqat, Compt. rend. 80, 1400 (1875). — Paqenstecber, Ann. 196,
122 (1878). — E. Schmidt, Ann. 208, 253 (1881). — Wislicenus u. Puckert, Ann.
248, 240 (1888). — Fittig, Ann. 259, 1 (1890).
* Paoenstecher, Ann. 195, 109 (1878).
^ E. Schmidt, Ann. 208, 254 (1881). — Fittio, Ann. 216, 161 Anm. (1882).
T^linsäure. 507
Kalischmelze ^ entsteht aus beiden Säuren Essigsäure und Propion-
säure.
Die Angelicasäure ist zuerst aus der Wurzel von Angelica Archangelica L.
erhalten* und kann yortheiihaft daraus gewonnen werden'^. Eine weitere Quelle zu
ihrer Gewinnung bietet das Römisch-Kamillenöl, in welchem sie sich neben Isobutter-
säore und TiglinsÄure in Gestalt von Estern findet*. Sie bildet farblose Krystalle
vom Schmelzpunkt 45^, siedet bei 185®, riecht gewürzhaft und ist in kaltem Wasser
schwer löslich. — Ihr Aethjlester CgHyOj'CjHg ist flüssig, siedet bei 141-5® und
besitzt bei 0® das spec. Gew. 0-935.
Die Tiglinsftnre (a-Methvlcrotonsäure) kann ebenfalls aus dem Kömisch-
Kamillenöl (s. oben) gewonnen werden. Sie findet sich femer neben anderen Säuren
als Glycerid im Crotonöl*; zugleich mit Angelicasäure wird sie aus Bestandtheilen
der Sumbul Wurzel durch Spaltung mit alkoholischem Kali erhalten*. Zu ihrer Dar-
stellung verfährt man zweckmässig in ähnlicher Weise, wie bei der Darstellung der
festen Grotonsäure (vgl. S. 503), indem man statt des Acctessigesters den Methylacet-
essigesfer als Ausgangspunkt nimmt':
CH,.C0.CH.C0,.C,H5 -V CH8.CH(0H).CH.C0,H ->- CH,.CH:CH.CO,H
I I I •
CHg CHj CII3
Die Tiglinsäure bildet wasserhelle Krystalle, schmilzt bei 65®, siedet bei 198-5®, riecht
angenehm gewürzhaft und löst sich ziemlich schwer in kaltem, reichlich in heissem
Wasser auf. Mit Wasserdämpfen ist sie ebenso wie die Angelicasäure leicht
flüchtig. — Ihr Aethylester CsHyOs-CaHg siedet bei 152® und besitzt bei 0® das
spec Gew. 0-942.
SSnren C^Hj^jOg bis CioHigOg. Unter ihnen ist zunächst eine
Reihe von Säuren analoger Structur hervorzuheben, welche vermittelst
der S. 490 besprochenen Reaction — Einwirkung von Aldehyden auf bern-
steinsaures Natrium in Gegenwart von Essigsäureanhydrid — gewonnen
sind:
Sdpkt.
Hexylensäure* (aus Propionaldehyd): C^U^ - CH : CH • CH, - COjH 208 ®
Heptylensäure » ( „ norm. Butyraldehyd) : C2H5 • CH, • CH : CH ■ CH, • CO,H 227 ®
Isoheptylensäure »® ( „ Isobutyraldehy d) : (CH,),CH.CH : CHCHjCOjH 217®
* Chiozza, Ann. 86, 261 (1853). — Dsmab^at, Compt. rend. 80, 1400 (1875).
— Frakkland u. Düppa, Ann. 136, 11 (1865). — £. Schmidt u. Bekenoes, Ann. 191,
113 (1877).
> BuoHKEB, Ann. 42, 226 (1842).
* H. Metek u. Zenker, Ann. 55, 317 (1845). — E. Schmidt, Ann. 208, 250 (1881).
* Gerhardt, Ann. 67, 237 (1848). — B. Jaffa, Ann. 135, 291 (1865). —
H. Kopp, Ann. 195, 81 (1879). — Köbio, ebenda 92. — Paqenstecher, ebenda 108.
— WisLicENUS u. Puckert, Ann. 250, 241 (1888). — Pittig, Ann. 259, 29 (1890). —
BfiLSTEiN u. WiEOAND, Ber. 17, 2261 (1884).
* Geüthsr u. Fröhlich, Ztschr. CJhem. 1870, 551. — E. Schmidt u. Behendes,
Ann. 191, 94 (1877).
* E. Schmidt u. Sasse, Jb. 1886, 1356.
' Bohrbeck, Ann. 188, 235 (1877). — Wislioenus u. Puckert, Ann. 250, 243
(1888).
* Dbuslb, Ann. 255, 61 (1889). ® Schmidt, ebenda, 77.
^® Zanner, ebenda, 91.
508 A^'^' Satiren (Hydrosorbinsäure).
Sdpkt
Isoctylensäure ' (aus Valeraldehyd) : C4H« • CII : CH • CH. • CO,H 232 *
Decylensäure " ( „ Oenanthol) : CgHig • CH : CH • CHj • COjH
Schmelzpunkt + 10^
Warum für die ßeihe dieser sämmtlich noch mit Wasserdampf leicht
flüchtigen Säuren, deren Anfangsglied die Aethylidenpropionsäure (S- 505;
dai-stellt, die Doppelbindung in /9-/-Stellung befindlich anzunehmen ist
wurde bereits S. 490 auseinander gesetzt. Alle diese Säuren^ addiren
sehr leicht BromwasserstofiF derart, dass das Bromatom in die /-StelluDg
tritt; es zeigt sich dies darin, dass die gebromten Säuren beim Erwärmen
mit Wasser glatt in y-Lactone übergehen:
CsHfi.CHiCHCH^.COOH + HBr = CHs.CHBrCHj.CH^CO.OH,
CjHsCHBrCHj.CHj.CO — HBr = C,Hg.CH.CH,.CH,.CO.
OH O
In letztere lassen sich die ungesättigten Säuren auch direct durch kurzo
Erwärmen mit massig verdünnter Schwefelsäure umwandeln (vgl. S. 494).
Die einfachste Säure dieser ß-y -Reihe wäre die Vinylessigsäure CHjiCH-
CH3 -COgH ; von einer Säure dieser Constitution müsste man ein analoges Ver-
CHj.CHg.CH^CO
halten, d. h. die leichte Ueberführbarkeit in Butyrolacton
0
erwarten. Dass für die sich ganz anders verhaltenden Crotonsäureu die
Constitution der Vinylessigsäure verworfen wurde, wird nach diesen Er-
fahrungen noch mehr berechtigt erscheinen (vgl. S. 498 — 501).
Die in obiger Zusammenstellung zuerst aufgeführte Hexylensäure C,H5*GH:GH-
CH2*C0,H hat sich als identisch erwiesen mit einer Säure, welche zuerst durch Be-
duction von Sorbinsäure (vgl. S. 518) erhalten und daher HydrosorblnsSnre* ge-
nannt wurde. Sie liefert in der Kalischmelze Buttersäure und Essigsäure — eines
jener Beispiele, aus denen hervorgeht, dass aus dem Verhalten in der Kaliachmelze
nicht die Stellung der Doppelbindung abgeleitet werden darf (vgl. S. 494). Doch
erklärt sich dieses Verhalten leicht durch die Beobachtung, dass die Hydrosorbin-
säure schon durch längeres Kochen mit Natronlauge in die isomere Säure C^H^-
CHj.CH-.CH.COjH (lange glänzende Nadeln, Schmelzpunkt 83.5«, Siedepunkt
216°) übergeführt wird. — Der Aethylester der Hydrosorbinsäure CgHjOj-CjHi
siedet bei 166— 167 ^
Interesse verdienen femer zwei Säuren, welche zu den Terpenen in Beziehung
stehen. Durch Oxydation von Terpentinöl entstehen unter anderen Säuren zwei
Lactonsäuren : Terebinsäure C7H10O4 und Terponylsäure CgHuO^. Diese Säuren ver-
lieren bei der trockenen Destillation ein Molecül Kohlensäure, um in Säuren der
Oelsäure-Reihe überzugehen:
aus Terebinsäure C7H10O4 wird Brenzterebinsäure CgHioO, ,
„ Terpenylsäure CgHijO^ „ Terakrylsäure CyHjjO,.
^ ScHNEEQANs, Auu. 255, 103 (1889). ' Sohneboans, Ann. 227, 90 (18v^5).
' FiTTiG, Ann. 255, 11 (1889).
* FiTTiQ u. Baeringer, Auu. 161, 307 (1872). — Kachel u. Pittio, Ann. 168,
289 (1873). — FiTTiQ, Ann. 200, 42 (1879). — Fittig u. Delisle, Ann. 255, 64
(1889). — Fittig, Ber. 24, 83 (1891).
Brenxterebinsäure und Terakrylsäure. 509
Die BrenztereblnsSure ^ Celiio^a bildet eine farblose Flüssigkeit, erstarrt bei
— 15** nicht, ist leichter als Wasser, darin schwer löslich und besitzt einen eigen-
thümUehen, etwas scharfen Geruch. Durch Reduction mit Jodwasserstoff liefert sie
Isocapronsaure (CHalaCH-CHj'CHg'COall, woraus sich die Structur ihres Kohlenstoff-
skeletts ergiebt; in der Kalischmclze zerMlt sie in Essigsäure und Isobuttersäure.
Sehr bemerkenswerth ist die ausserordentliche Leichtigkeit, mit welcher sie in das
ihr isomere Isocaprolacton
yC — CHg — CHj
CH3/ I
0 CO
übergeht; diese Umwandlung erfolgt in beträchtlichem Umfang schon bei einmaliger
Destillation, daher erhält man bei der Destillation der Tercbiusäure stets ein Ge-
misch von Brenzterebinsäure und Isocaprolacton; bei längerem Erhitzen auf den Siede-
punkt ist sie volktändig. Auch Brom Wasserstoff bewirkt die Umwandlung glatt und
quantitativ. Zur Erklärung dieses Uebergangs muss man für die Brenzterebinsäure
eine der beiden Structurformeln:
CH CH
'\C : CII -CHj . CO . OH oder ^'^C • ClI^ • CH, • CO • OH
CH/ CH/
annehmen. Auch hier also erweist sich die Kalischmelze (vergl. S. 508) als ungeeig-
nete Grundlage zur Constitutionsbestimmung, da aus ihr die Formel (CH3)2CH-
CH:CH»CO,H abgeleitet werden müsste.
Terakrylsäure' CrlliaO, bildet eine farblose Flüssigkeit, erstarrt nicht in einer
Kältemischung, siedet bei 218*^, ist leichter als Wasser, darin wenig löslich; ihr Ge-
ruch erinnert an den der Valeriansäure und Capronsäure, ist aber angenehmer. Durch
Bromwasserstoff wird sie leicht unter intermediärer Bildung eines Additionsprodukten
in das isomere Heptolacton verwandelt. Ihr Aethylester CyHnOj'CjHg siedet bei
189-191 <>.
Eine normale Undeeylensäure^ CJ^HgoOg lässt sich leicht durch
Destillation von Ricinusöl unter schwachem Druck gewinnen (vgl. S. 409);
man erhält ein farbloses öliges Destillat, daneben wenig einer wässrigen
Flüssigkeit, während der Rückstand in der Retorte zu einer schwam-
migen Masse erstarrt; das Oel lässt sich leicht durch fractionirte Destil-
lation im Vacuum in Oenanthol (ca. IS^o ^^^ angewendeten Ricinus-
öls) und die viel höher siedende Undecylensäure (ca. 10 ^q) zerlegen.
Letztere Säure wird durch diese Bildungsweise wohl das am leichtesten
in grösseren Quantitäten zugängliche Glied der Oelsäure-Reihe. Sie er-
starrt bei Zimmertemperatur krystallinisch, schmilzt bei 24-5®, siedet
bei gewöhnlichem Druck unter Zersetzung bei 275®, unter 100 mm Druck
unzersetzt bei 213-5*^ und besitzt bei 25° das spec. Gew. 0-910. Ihr
* Chaütard, Jb. 1855, 652. — Mielck, Ann. 180, 51 (1875). — W. C. Williams,
Ber. e, 1095 (1873). — Fittiq u. Bredt, Ann. 200, 58, 259 (1879). — Fittiq u.
Geisleb, Ann. 208, 37 (1881). — Fittig, ebenda, 119.
" Ptttio u. Krafpt, Ann. 208, 79 (1881). — Amthob, Jb. 1881 760. —
Amthor o. Müller, J. pr. |2| 42, 388 (1890).
» Krafit, Ber. 10, 2034 (1877); 11, 2218 (1878)-, 12, 1668 (1879). — Becker,
Ber. 11, 1412 (1878). — Noerdlinoer, Ber. 23, 2357 (1890). — Bbünner, Ber. 19,
2224 (1886). — Perkin, Joum. Soc, 49, 205 (1886).
Ündecytensäure,
lz{CjjH,gOa)jBa bildet glänzende flache Krj-ställchen und er-
15-5" 1073 Th. Wasser zur Lösung. Durch die Kalischmelze
udecylensäure in Essigsäure und normale Nonylsäure zerlegt,
etersäure zu einer zweibasischen Säure mit 10 C-Atomeu —
isäure CgH,g(COjH), — oxydirt, durch Jodwasserstoff zu nor-
icylsäure reducirt. Durch diese Keactionen wird die Stnietur-
CH,:CH(CH,ljCO,H
icheinlich. — Der Undecylensäureäthylester CjjHj,0,'
n farbloses Oel von quittenäbulichem Geruch, siedet bei 259"
, bei 25" das spec. Gew. 0-877.
idecjlensäure wird unter dem Einfluss höherer TemperatureD polymeri-
man sie im geschlossenen Kohr einige Stunden Über SOO" und deetillirt
hreuinhalt im Vftcuum, so erhält man, nacbdem unveränderte Undecylen-
gangen ist, Biundecylensfinre C„H„0, — eine einbasische Säare.
chwachem Weingeist in der Kälte krystaliisirt, bei 29 — 30° schmilzt und
I Druck bei 275° siedet — , während im Rückstand ein kautschuckahn-
kt — vcrmuthlich eine Polyundecjlcnsfture — bleibt. Zur Biundecjlen-
t man auch auf einem anderen Wege; sie entsteht aus der durch Addition
üratoff an Undecylensäure gebildeten Monojodundei^lsfiure:
:H,J.C1I,-(CH,),.C0,H oder CH.CHJ (CH,)gCO,H
kung auf uudecjlenaaures Silber. Hieraus ergicbt sich eine der Formeln:
CII,:CH-(CH,),.CO-OCH,CH,.tCH,)g-CO,H
oder OH,:CH(CH,),-CO-0-CH-tCH,),CO,H
I
CH,
: für die Structur der BiundecjleoBäiire. Der Pol/merisationsproccss cr-
^li derart, dass die Doppelhindung in einem Moiccül Undecylcnsäure ge-
ilem die Elemente der Carboij'K'^PP^ ^''^ einem zweiten Molecul addirt
re Glieder (Oelstture). Im Gegensatz zu der grossen Zahl von
, welche man in der Natur verbreitet gefunden hat, ist man ver-
isig wenigen Gliedern der Oelsäuregruppe bei der Untersuchung
itolfen begegnet. Von der 6. bis 24. Reibe konnten wir —
geraden Zahl zur nächsten vorschreitend — in der Gruppe
iren stets eine wohlcharakterisirte, aus Naturprodukten isolirte
ihren (vgl. S. 334—338). Ueber das natürliche Vorkommen
iren der 6. bis 17. Reihe dagegen liegt nur eine kleine Zahl
ihtungen vor, die zudem noch keineswegs als sicher l>ezeichnct
nuen. Säuren der 6. bis 8. Reihe scheinen in kleiner Menge
51 enthalten zu sein', eine Säure der 15. Reihe {Cimiciii-
jHjgOj) soll von der grauen ßlattwanze abgesondert werden,
tier untersucht ist früher eine aus dem Oel der Erdnuss {Ara-
'FT u. Th. BatraMEB, Ber. 17, 2985 (1884). — Ph. Brdknbr, Bei. 19,
IDT u. Berbkdbs, Ann. 191, 121 (1877).
US, Ann. U4, 147 (1880).
Oelsäure. 511
"his hypogaea) gewinnbare und daher Hypogaeasäure^ genaimte Säure,
Für welche man die Zusammensetzung Cj^Hg^Og ermittelt hatte; nach
LMuer neueren Untersuchung^ indess ist dieses der Palmitinsäure ent-
sprechende Glied der Oelsäure-Reihe im Erdnussöl nicht enthalten. Auch
aus dem Wallrathöl ist einmal eine Säure Cj^HgoOg (Physetölsäure)
abgeschieden^, ohne dass seither diese Beobachtung bestätigt wurde.
Neuerdings ist eine flüssige Säure dieser Zusammensetzung als Glycerid
in dem Oel, mit welchem die Lycopodiumsporen durchtränkt sind, auf-
gefunden und daher Lycopodiumölsäure* genannt worden; da sie in
der Kälischmelze neben Laurinsäure Isobuttersäure, bei der Oxydation
unter anderen Säuren eine Isocapronsäure lieferte, so kommt ihr jeden-
falls nicht normale Structur zu.
Erst in der achtzehnten — also der Stearinsäure entsprechenden —
Reihe tritt uns eine Säure entgegen, welche von der Natur in allergrösstem
Massstab producirt wird. Es ist dies die eigentliche Oelsäure CJigHj^Og
(auch Oleinsäure, Elalnsäure genannt), welche der ganzen Reihe den
Namen gegeben hat. Wie schon S. 336 bemerkt wurde, bildet ihr Gly-
terinester (Olein) einen Bestandtheil der meisten pflanzlichen und thieri-
schen Fette; beim Verseifen der Fette erhält man daher in der Regel ein
Siiuregemenge, welches neben den festen höheren Fettsäuren die flüssige
Oelsäure in mehr oder weniger hervorti'etender Menge enthält. Schon von
('hevreül ist im Laufe seiner Untersuchungen über die Fette am Be-
ginn unseres Jahrhunderts die Oelsäure entdeckt worden; doch ist ihre
wahre Zusammensetzung erst 1846 durch eine sehr sorgfältige Unter-
suchung von Gottlieb ^ festgestellt.
Zur Darstellung**"' der Oelsäure wird man naturlich von Fetten ausgehen,
die möglichst reich an Olein sind; es sind dies die flüssigen oder halbilüssigen
Fette. Mandelöl, Olivenöl, Schweineschmalz sind als Ausgangsmaterialien empfehlens-
werHi. Man verseift die Fette mit Kalilauge und zersetzt den klaren Seifenleim mit
Salzsaure; das so erhaltene Gemenge von Fettsäuren und Oelsäure wird bei 100^
uu>lirere Stunden mit Blcioxyd behufs Ueberfuhruug in die Bleisalze digerirt. Im
(ifgensatz zu den ßleisalzen der Fettsäuren ist nun das Ölsäure Blei-
(>xyd in Aether leicht löslich, und daher kann man durch Extraction des Blei-
^alzgomischcs mit kaltem Aether leicht die Trennung bewirken ; auch unter An-
wi'ndung von Alkohol (spec. Gew. 0-82) kommt man bei Einhaltung gewisser Be-
«lingungen* zum Ziel. Die aus dem Ölsäuren Bleioxyd durch Salzsäure abgeschiedene
rohe Oelsäure bedarf noch einer weiteren Reinigung. Man verwandelt sie entweder
iu (Ins Bariumsalz, reinigt dieses durch Krystallisation aus Alkohol mittlerer Stärke
und scheidet die Säure dann aus dem Bariumsalz wieder ab; oder man lässt die
rohe Oelsäure bei etwa —6 bis — 7 ° erstarren, entfernt die flüssig bleibenden schmie-
* GossMANx u. ScHEVEN, Ann. 94, 230 (1855). — Caldwell u. Güssmann, Ann.
Öö, 305 (1856). — Schröder, Ann. 143, 22 (1867).
* Schön, Ann. 244, 253 (1887). » Hopstädter, Ann. 91, 177 (1854).
* Lanokr, Ber. 22 o, 341, 835 (1889). » Ann. 57, 38.
* Varrektrapp, Ann. 35, 197 (1840).
' Besediet u. Hazuka, Monatsh. 10, 356 (1889).
* Saukdebs, Jb. 1880, 831.
512 Oelsäure.
rigen Verunreinigungen durch Abpressen in der Kälte und wiederholt dieses Ver-
fahren — zuletzt unter Zusatz einer geringen Menge Alkohol — so oft, bis die ab-
gepresste Säure rein weiss erscheint und — im Kohlensäurestrom getrocknet — einen
Schmelzpunit von +14^ zeigt. — In ähnlicher Weise kann man die käufliche, bei
der Stearinfabrikation abfallende Oelsäure auf reine Oelsäure verarbeiten.
Die reine Oelsäure stellt bei gewöhnlicher Temperatur eine wasser-
helle fai'blose Flüssigkeit von ölartiger Consistenz ohne Genich und Ge-
schmack dar und röthet in alkoholischer Lösung nicht blaues Lakmiis-
papier. An der Luft aber oxydirt sie sich leicht, indem sie sich bräunt,
saure Reaction und ranzigen Geruch annimmt. In der Kälte erstarrt
sie zu einer weissen harten krystallinischen Masse, welche bei -f 14'^
wieder schmilzt. Unter gewöhnlichem Druck kann sie nicht unzersctzl
destillirt werden. Unter einem Druck von 10 mm liegt ihr Siedepunkt^
bei 223^; im überhitzten Wasserdampfstrom von 250^ kann sie ebenfalls
ohne Zersetzimg destillirt werden ^.
Salze der Oelsäure^: Die Alkalisalze bilden Bestandtheile der Seifen (vgl
S. 337) und ähneln den Alkalisalzen der höheren Fettsäuren; sie lösen sich im
Wasser und Alkohol und werden aus der wässrigen Lösung durch Kochsalz abge-
schieden. — Das Bariumsalz (CigHggOg)9Ba erhält man, wenn man Tlie ammoniaka-
lische Lösung der Oelsäure mit Chlorbarium fällt, als voluminösen weissen Nieder-
schlag, durch Krystallisation aus Alkohol als lockeres krystallinisches Pulver. — Das
neutrale Bleisalz (Ci8Hs302),Pb erhält man durch Fällung einer Lösung von ölsaurem
Natrium mit Bleiacetat als weissen flockigen Niederschlag; es schmilzt schon bei etwa
80° zu einer gelben Flüssigkeit.
Der Aethylester* ist ein Oel, welches bei 18° das spec. Gew. 0*871 besitzt.
Von wässrigen Alkalien wird er nicht, von alkoholischen Alkalien sehr leicht verseit).
Die Constitution der Oelsäure ist noch nicht vollständig aufgeklärt.
Mit Sicherheit kann man behaupten, dass ihr Molecül eine normale Kette
von 18 Kohlenstoflfatomen enthält; denn sie wird durch Erhitzen mit Jod-
wassei-stoff und Phosphor unter Au&ahme von zwei WasserstoflFatomen
zu gewöhnlicher Stearinsäure reducirt*^. Ihr gesammtes Verhalten weist
ferner auf das Vorhandensein einer Doppelbindung hin; sie nimmt Bnmi
unter Bildung eines Dibromids G^qE^^Bt^O^ (Dibromstearinsäure) auf®:
von Kaliumpermanganat in alkalischer Lösung wird sie zu einer Dioxy-
stearinsäure oxydirt^ (vgl. S. 493); mit concentrirter Schwefelsäure® ver-
einigt sie sich zu Stearinschwefelsäure Ci7H^4(SO^H)-C03H, welche beim
Stehen in wässriger Lösung, rascher beim Kochen, unter Abspaltung des
^ Krafft u. NöRDLiNGEB, Bcr. 22, 819 (1889).
' BoLLET u. BoRGMANN, Ztschr. Chcm. 1866, 186.
* Vgl. Vakbentrapp, Ann. 35, 202 (1840). — Gottlieb, Ann. 57, 45 (1846). -
Schön, Ann. 244, 264 (1887).
* Laurent, Ann. 28, 253 (1837).
^ GoLDsoHMiEDT, Jb. 1876, 579. — Vgl. auch de Wilde u. Rey^chlsr, Bull. [3
1, 295 (1888).
* Overbbck, Ann. 140, 42 (1866). » A. Saytzew, J. pr. [2] 33, 300 (1886).
® Ssabanejbw, Ber. 19c, 239 (1886). -— M. C. u. A. Saytzeff, J. pr. [2] 36,
369 (1887). — Gettel, J. pr. [2] 37, 62 (1887).
Eldidinsäure und IsoÖlsäure. 513
ächwefelsäurerestes in Oxystearinsäure (bezw. deren Anhydiide) übergeht.
A.ber an welcher Stelle der Kohlenstoffkette die Doppelbindung anzu-
nehmen ist, lässt sich zur Zeit nicht mit Sicherheit entscheiden. Aus
dem Umstand, dass die Oelsäure durch die Kalischmelze ^ in Palmitin-
ääure und Essigsäure gespalten wird, hat man firtiher die Structurformel
CH3-(CHj)j^-CH:CH-C0jH abgeleitet, welche bis vor wenigen Jahren
als sicher begründet galt. Heute darf man diesem Schluss kein Vertrauen
mehr entgegenbringen (vgl. S. 494, 508, 509); neuere Autoren* plaidiren
luT die Formel CHg-CCHj^j-CH : CHCHjCOjH. Die Beobachtungen da-
gegen, welche bei der Oxydation der aus dem Oelsäuredibromid durch
Bromwasserstoff-Entziehung entstehenden Stearolsäure gemacht sind (vgl.
S. 519 — 520), würden am besten erklärt, wenn man die Doppelbindung
gerade in der Mitte der Kette — entsprechend der Formel:
CHj . (CH,)y . CH : CH • (CH,), • CO.H
— befindlich annähme.
Höchst bemerkenswerth ist die Umwandlung, welche die Oelsäure in
Berührung mit salpetriger Säure erfährt; sie verwandelt sich in eine
weisse krystallinische Masse; sehr geringe Mengen salpetriger Säure ge-
nügen, um grosse Quantitäten Oelsäure in dieser Weise zu verändern.
Das Umwandlungsprodukt ist eine der Oelsäure isomere Säure, die
ElaldinsSure^ ^la^i^a? welche aus Alkohol in grossen Blättern krystal-
lisirt, bei 45 — 41^ schmilzt und unter einem Druck von 10 mm bei 225^
siedet Sie ist ebenfalls eine ungesättigte Säure von nonnaler Structur.
Von Jodwasserstoff und Phosphor wird sie zu Stearinsäure reducirt, Brom
addirt sie unter Bildung einer Dibromstearinsäure, von alkalischer Per-
manganaÜösung wird sie zu einer Dioxystearinsäure oxydirt; die letzteren
beiden Eeactionsprodukte sind verschieden von den in analoger Weise
aus der Oelsäure hervorgehenden gleich zusammengesetzten Verbindungen.
In der EaUschmelze liefert sie Essigsäure und Palmitinsäure. Die Er-
klärung für die Umwandlung der Oelsäure in Elaldinsäure kann man in
einer Verschiebung der Doppelbindung oder in einer Veränderung der
räumlichen Atomgruppirung suchen.
Zu der seit langer Zeit bekannten Elaldinsäure haben neuere Unter-
suchungen eine zweite feste ungesättigte Säure der 18. Reihe gesellt,
welche ebenfalls durch Umwandlung der gewöhnlichen Oelsäure erhalten
werden kann, die IsoSlsSure^ CjgHg^Oj. Wenn man die aus Oelsäure
durch Einwirkung concentrirter Schwefelsäure erhältliche Oxystearinsäure
^ Vabsentrafp, Ann. 36, 209 (1840).
' M, C. u. A. Saytzew, J. pr. [2] 36, 389 (1887). — Benedikt, Monatsh. 11,
83 (1890).
•BoüDBT, Ann. 4, 1 (1882). — Laurent, Ann. 28, 253 (1837). — H. Meter,
Ann. 35, 174 (1840). — Gottueb, Ann. 57, 52 (1846). — Büro, J. pr. 93, 227 (1864).
- OvERBBCK, Ann. 140, 61 (1866). — Goldschmiedt, Jb. 1876, 579. — Saytzew,
^' pr. [2] 33, 300 (1886). — Krafpt u. Nördlinqer, Ber. 22, 819 (1889).
* M. C. u. A. Saytzew, J. pr. [2] 35, 385 (1887); 37, 269 (1888).
^. Mbtkr u. Jacobson, org. Chem. I. 33
514 Erucasäure und Brassidinsäure.
(vgl S. 512 — 513) unter einem Druck von 100 — 150 mm für sich destillirt.
ebenso wenn man die durch Anlagerung von Jodwasserstoff an Oelsäure
entstehende Jodstearinsäure mit alkoholischem Kali kocht, so wird — im
ersten Fall durch Abspaltung von Wasser, im zweiten Fall von Jod-
wasserstoff — unter theilweiser Rückbildung von gewöhnlicher Oelsäure
in erheblicher Menge die feste isomere Säure gewonnen. Offenbar be-
steht der Vorgang darin, dass die Abspaltung der Elemente aus der ge-
sättigten Verbindung theilweise in anderer Richtung, als die Anlagerung
an die ungesättigte Verbindung erfolgt, dass sich demnach die Doppel-
bindung um ein Glied in der Kohlenstoff kette verschiebt:
.... CH] — CH — CH .... -I- HjO = .... Cxij — CH(OH) — CHj . . . .,
.... CHg — CH(OH) — CHj .... — HjO = .... CH — CH — CHj ....
Die IsoÖlsäure krystallisirt aus Aether in farblosen rhombischen Tafeln,
schmilzt bei 44 — 45*^, ist in Alkohol sehr leicht, in Aether schwerer
löslich. Gleich der Oelsäure und Elaldinsäure zerfällt sie durch die
Kalischmelze in Essigsäure und Palmitinsäure. Die Addition von Brom
führt zur Bildung einer Dibromstearinsäure, die Oxydation mit alkalischer
Permanganatlösung zur Entstehung einer Dioxystearinsäure; diese Um-
wandlungsprodukte sind verschieden von den entsprechenden Reactions-
produkten der Oelsäure und Elaldinsäure.
£racasäare ^ C^gH^gOg — eine Säure, welche als Glycerid im fetten
Oel des weissen und schwarzen Senfsamens, der Traubenkerne und im
Riiböl gefunden wurde, aus Rüböl leicht gewonnen werden kann, aus
Alkohol in glänzenden Nadeln krystallisirt, bei + 34*^ schmilzt und unter
10 mm Druck bei 254-5® siedet, — steht in ihrem Verhalten der Oel-
säure sehr nahe. Ihr Bleisalz ist in kaltem Wasser schwer, in warmem
Aether leicht löslich. Durch geringe Mengen von salpetriger Säure wird
sie in die ihr isomere Brassldinsfture umgewandelt, welche aus Alkohol
in Blättchen krystallisirt, bei 60® schmilzt, unter 10 mm Druck bei 256®
siedet, und deren Bleisalz in warmem Aether schwer löslich ist. Beide
Säuren werden durch Jodwasserstoff zu Behensäure (vgl. S. 338) reducirt
und zerfallen durch die Kalischmelze in Arachinsäure und Essigsäure;
durch diese Spaltung wird ihre normale Structur sehr wahrscheinUch.
Die Säuren:
Erucasäure Brassidinsäure Behensäure
stehen offenbar zu einander in derselben Beziehung wie die Säuren:
Oelsäure Elaldinsäure Stearinsäure.
» Darby, Ann. 69, 1 (1849). — Websky, J. pr. 58, 449 (1853). — Stadelbb,
Ann. 87, 133 (1853). — Otto, Ann. 127, 182 (1863). — Haussknecht, Ann. 143, 41
(1867). — GoLDSCHMiEDT, Jb. 1874, 920; 1876, 579; 1877, 728. — Fitz, Ber. 4,442
(1871). — Reimer u. Will, Ber. 19, 3320 (1886). — Krafft u. Nöbdlinoeb, Her. 22,
819 (1889). — ÜBWANzopp, J. pr. [2] 39, 334 (1889). — GrOssner u. Hazüba, Monatsh.
10, 196 (1889). — Reychlke, Bull. [3] 1, 296 (1888).
Propiolsäure- Reihe. 515
)urch Einwirkung von Brom bezw. durch Oxydation mit Kaliumperman-
ranat in alkalischer Lösung liefern Erucasäure und Brassidinsäure von
linander verschiedene Dibrombehensäuren bezw. Dioxybehensäuren.
Der Aethylester C2jH4iOj(C,H5) der Eracasäore ist ein Oel, derjenige der
Srassidinsfiore krystallisirt aus Alkohol in prachtvollen, glasglänzenden Blättern vom
khmelzponkt 29 — 30^; beide sieden über 360^ anzersetzt — Durch Einwirkung von
Phosphortrichlorid auf die Säuren erhält man ihre Anhydride C44H8,0,, welche in
/Alkohol sehr schwer, in Aether leicht löslich sind; das Anhydrid der Erucasäure er-
stjirrt erst in einer Kältemischung, dasjenige der Brassidinsäure schmilzt bei 28—
29*^. — Beim Einleiten von Ammoniak in die ätherische Lösung der Anhydride fallen
die Amide aus; Erucasäureamld schmilzt bei 84^, Brassidinsäureamid bei 90^.
n. Säuren ron der Zusammensetzung C^EL^^^^Oj.
(Propiolsäure-Reihe.)
Die Reactionen^ welche den Uebergang von Gliedern der Alky-
lenreihe zu solchen der Acetylenreihe mit gleicher Kohlenstoflfzahl ver-
mitteln, können auch benutzt werden, um Säuren der Oelsäure-Reihe in
Säuren überzuführen, die um zwei WasserstoflFatome ärmer sind. Man
addirt Brom und entzieht dem gebildeten Dibromid successive zwei Mole-
cüle Bromwasserstoff, z. B.:
C18H84OJ 4- Br, = CjsHg^BrjOj;
Ci8H34BrjOj — HBr = CisHggBrOg, 1
^isHssBrO, — HBr = CjgHgjOj. J
Die Reihe der Säuren, welche zwei Wasserstoffatome weniger als
die Oelsäuren enthalten, kann wieder in zwei Gruppen getheilt wer-
den, welche den beiden Hauptgruppen der Acetylen- Kohlenwasserstoffe
(vgl. S. 458) entsprechen. Zur einen Gruppe gehören die Säuren, welche
eine dreifache Bindung im Molecül enthalten; ihr erstes Glied ist die
Säure:
HCiC-COjH, Propiolsäure oder Acetylencarbonsäure,
das Carboxylsubstitutionsprodukt des Acetylens. Die andere Gruppe um-
fasst diejenigen Säuren, in deren Molecül zwei Doppelbindungen vor-
kommen; die denkbar einfachste Säure von solcher Constitution:
H3C:C:CH.C03H,
das Carboxylsubstitutionsprodukt des Aliens, ist noch nicht bekannt, viel-
leictt auch nicht beständig; zur Zeit ist die Sorbinsäure der einfachste
Vertreter dieser Gruppe.
Die Bildungsweisen dieser Säuren bestehen in passenden Modifica-
tionen der Reactionen, welche zur Bildung von Fettsäuren und Oelsäuren
mhren, Speciell hervorgehoben sei die Synthese einer Reihe von Säure
aus den einfach alkylirten Acetylenen R-CiCH; wenn man zu den unter
Ä^ether suspendirten Natriumverbindungen dieser Kohlenwasserstoffe Koh-
33*
516 Propiolsäure,
lensäure leitet, so wird letztere absorbirt, indem sich die Natriumsalze
von Propiolsäure- Homologen bilden^, z. B.:
CHj . C : CNa + CO, = CH, • C : C • CO.Na.
Diese Eeaction entspricht offenbar der Bildung von Fettsäuren aus Na-
triumalkylen (vgl. S. 306). Die Säuren, zu deren Bildung sie fuhrt, zer-
fallen ihrerseits wieder leicht durch Erwärmen in Kohlensäure und die
ihnen zu Grunde liegenden Acetylenkohlenwasserstoffe; ihre Silbersalze
sind höchst unbeständig und zerfallen schon in der Kälte in Kohlensäure
und die Silberverbindungen der entsprechenden Kohlenwasserstoffe.
PropioMure» CgHgOj, = CH:C'CO,H (Propargylsäure, Aethin-
carbonsäure, Acetylencarbonsäure). Ihr KaUumsalz entsteht aus
dem sauren Kaliumsalz der Acetylendicarbonsäure beim Erwärmen in
wässriger Lösung durch Kohlensäureabspaltung:
COjH.C : C . CO,K - CO, = CH : C . CO,K.
Die freie Säure bildet eine wasserhelle Flüssigkeit, welche ähnlich dem
Eisessig, jedoch stärker riecht, in Wasser, Alkohol und Aether löslich
ist; sie erstarrt bei etwa 4^ zu langen, seideglänzenden KrystaUen, die
bei 6^ wieder schmelzen; imVacuum kann sie ohne Zersetzung destillirt
werden, bei gewöhnlichem Druck destillirt sie grösstentheils zwischen
140^ und 145*^ unter erheblicher Zersetzung.
Die Salze der Alkalien und alkalischen Erden sind krystallinisch und äusserst
löslich. Das Kaliumsalz G^HO^K + KjO stellt spitze Säulen dar, verliert sein
Krystallwasser über Schwefelsäure, verpufft bei t05^ und wird bei längerem Kochen
mit Wasser unter Entwickelung von Kohlensäure und Acetylen zersetzt:
2CjH08K + H,0 = KjCOs + CO, + 2CjHj.
Der Aethylester CgHOaCCaHg) ist eine wasserklare Flüssigkeit von starkem
Geruch, in Wasser unlöslich; er siedet bei 119^ und wird durch Zink und Salzsäure
in alkoholischer Lösung leicht zu Prppargyläthyläther (s. S. 484) reducirt
Die Propiolsäure vereinigt in sich die Eigenschaften einer Carbon-
säure mit den charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Acetylens. Das
Wasserstoflfatom der Carboxylgruppe befähigt sie zur Bildung von eigent-
lichen Salzen; aber auch das WasserstofiFatom der Acetylengruppe kann —
ebenso wie im Acetylen und AUylen (vgl. S. 456) — durch Metalle vertreten
werden. Es zeigt sich dies besonders deutlich in der Fähigkeit des
Aethylesters, mit ammoniakalischer Kupferchlortirlösung eine Kupferver-
bindung (von orangegelber Farbe) zu bilden. Die freie Säure giebt mit
ammoniakalischer Kupferchlortirlösung einen grünen, bald sich bräunen-
den amorphen Niederschlag, mit ammoniakalischem Silbemitrat einen
krystallinischen Niederschlag, der sich bald gelb färbt; beide Nieder-
^ Laqeruabe, 6er. 12, 853 (1879). — Laoebmabk u. Eltekow, Ber. 12, 854
(1879). — Fawobsky, J. pr. [2] 37, 417 (1888).
■ Bandbowsky, Ber. 13, 2340 (1880); 15, 2698 (1882). — Baetkb, Ber. 18, 677,
2270 (1885); 19, 2185 (1886). — Stolz, Ber. 19, 536 (1886).
Tetrolsäure und homologe Säuren. 517
schlage explodiren beim Erwärmen. Auf wässrige Silbernitratlösung da-
gegen (ebenso auf Quecksilberchlorid und Platinsalze) wirkt die Säure
unter Metallabscheidung, also reducirend, ein.
Sie vereinigt sich mit 1 Mol. Halogenwasserstoff, bezw. 1 Mol. Brom
zu ^-Mono- bezw. a-j?-Dihalogenderivaten der Akrylsäure. Von nasciren-
dem Wasserstoff wird sie leicht zu Propionsäure reducirt. Durch Oxy-
dation der Kupfervrerbindung des Esters oder der Kupferverbindung des
Natriumsalzes mit Kaliumferricyanid gelangt man zur Diacetylendi-
carbonsäure :
(CO,Na.C:C),Cuj + 20 = CO^NaC ; C-C • C.CO,Na + "& CuO.
Die Umwandlung, welche sie durch Polymerisation — und zwar
unter dem Einfluss des Sonnenlichtes bei Luftabschluss — erleidet, ent-
spricht vollständig dem Polymerisationsprocess ihres Stammkörpers, des
Acetylens. Wie dieses unter Zusammentritt dreier Molecüle das Benzol
liefert (s. S. 457), so entsteht aus der Propiolsäure — freilich in nicht
erheblicher Menge — eine Tricarbonsäure des Benzols, die Trimesinsäure :
C— CO,H
<^\
CH
1'
CO,H-C C-CO,H
JH
^
Die eigentliehen Homologen der PropiolsSure R-G:CCO,H.
Tetrolsäure' CHj • C • C • COjH (Methylpropiohäure, PropincarbonsÄure, Ally len -
carbonsäure) wird aus ^-Chlorcrotonsfture und ^-Ohlorisocrotonsäure durch Einwir-
kung von verdünnter Kalilauge:
CHs . CGI : CH . CO,H - HCl = CH« • C jJC • CO,H ,
femer aus Allylennatrium durch Einwirkung von Kohlensäure erhalten. Sie krystal-
lisirt aus Wasser in farblosen rhombischen Tafeln, schmilzt bei 76* 5^, siedet bei
203^ und ist in Wasser sehr leicht, auch in Alkohol und Aether leicht löslich. Durch
Anlagerung von Salzsäure liefert sie ^-Chlorcrotonsäure, bei der Oxydation mit Kalium-
permanganat in alkalischer Losung wird sie in Essigsäure |Und Oxalsäure gespalten.
Beim Erhitzen mit starker Kalilauge bis 130^ entsteht Aceton:
CHgC : CCO.H + H,0 = CHgCO-CHg + CO,.
In wSssriger Lösung mit Natriumamalgam reducirt liefert sie feste Crotonsäure, mit
Natrium in methylalkoholischer Lösung dagegen Buttersäure. Ihr Dampf zerföllt
wemg oberhalb des Siedepunktes in Allylen und Kohlensäure. — Fast alle ihre Salze
sind löslich; das Silber-, Gold- und Quecksilberoxydulsalz sind leicht reducirbar.
Nach der S. 515 — 516 erwähnten Reaction sind femer aus den Natriumverbin-
dungen von Kohlenwasserstoffen der Acetylenreihe die folgenden Homologen* ge-
wonnen worden:
^ Oedthbb, Ztschr. Chem. 1871, 245. — Lagebmark, Ber. 12, 854 (1879). —
ÖLBAUM, ebenda, 2337. — Pinner, Ber. 14, 1081 (1881). — Friedrich, Ann. 219,
322, 370 (1883). — Abonstein u. Hollemakn, Ber. 22, 1182 (1889).
' Fawobsky, J. pr. [2] 37, 417 (1888).
1
518 Sorbinsäure, Diallylessigsäure,
Schmelzpunkt Siedepunkt bd
20 mm Dmck
Aethy lacetylencarbonsÄure : CjHa • C • C • CO,H + 50 ^ —
Propy lacetylencarbonsäure : CgH, • C i C • COjH + 27 <> 1 25 «
Isopropylacetylencarbonfl&ure : CaH^ • C • C • CO^H + 38 ^ 107 «
Buty lacety lencarbonfläure : C^H^ • C • C • CO jH flüss. 1 85 <>.
Der einfachste Vertreter aus der Gruppe der Säuren mit zwei Dop-
pelbindungen (vgl. S. 515) — die Sorbinsfture^ C^HgOa — ist von A.W.
Hofmann als Bestandtheil des Saftes von unreifen Vogelbeeren entdeckt
Synthetisch ist die Sorbinsäure noch nicht erhalten worden. Sie krystal-
lisirt in langen weissen Nadeln, ist geruchlos, schmilzt bei 134-5®, siedet
bei 228 ® unter nicht unbeträchtlicher Zersetzung und löst sich leicht in
Alkohol und Aether. Ihr Aethylester CgH^OaCCaHg) siedet bei 195-5^
— Von Natriumamalgam wird die Sorbinsäure leicht in Hydrosorbinsäure
CßHjQOg übergeführt, mit Brom vereinigt sie sich je nach den Bedin-
gungen zu Dibromhydrosorbinsäure CgHgBrgOj oder Tetrabromcapronsäure
CgHgBr^Og , hei der Oxydation mit KaUumpermanganat wird sie grössten-
theils in Acetaldehyd und Traubensäure COaH-CH(OH)CH(OH)-C0jH
gespalten. Dieser Oxydationsverlauf erklärt sich leicht, wenn man für
die Sorbinsäure die Structurformel:
CH3.CH : CHCH : CH-CO.H
annimmt; während an der von der Carboxylgruppe entfernteren Doppel-
bindung die Kette zerreisst, würde die der Carboxylgruppe benachbarte
Doppelbindung unter Addition von zwei Hydroxylgruppen in eine einfache
Bindung übergehen. Es erscheint freilich bei Annahme dieser Formel
zunächst auffällig, dass durch Anlagerung von zwei Wasserstoflfatomen
die Hydrosorbinsäure entsteht, für welche die Structur
CH3 . CHj . CH : CH • CHj • COjH
erwiesen ist (vgl. S. 508), und nicht vielmehr eine der Säuren
CHg . CH : CH . CH, • CH, • CO,H oder CH, - CH, • CH, • CH : CH • CO.H.
Diese Erscheinung steht indess nicht vereinzelt da; vielmehr scheint es
ein allgemeines Gesetz zu sein, dass die Kette
.... CH:CH.CH:CH.COjH
bei der Hydrirung unter Verschiebung einer Doppelbindung in
.... CHjCHiCHCHjCOjH
tibergeht. Es sprechen hierfür eine Reihe von Beobachtungen, die an
aromatischen Säuren gemacht wurden (vgl. z. B. Piperinsäure, Bd. 11).
Unter den einbasischen Säuren mit zwei Doppelbindungen ist leicht zugfinglich
die J>iallyles8igr8ft1lre^ CgH^O, = (C8H5)8CH.COjH, welche mittelst der Acetessig-
* A. W. Hopmann,. Ann. HO, 130 (1859). — ■ Fittiq u. Barrinoer, Ann. 161, 307
(1872). — Kachel u. Fittiq, Ann. 168,. 276 (1873); 200, 44 (1879). — Menschdtkix,
Ber. 13, 163 (1880). — Doebner, Ber. 23, 2376 (1890). — Fittio, Ber. 24,85(1891).
2 WoLFF, Ann. 201, 49 (1876). — Conrad u. Bischoff, Ann. 204, 173 (1880).
Undecolsäure, Stearolsäure, Behenolsäure, 519
ester- oder Malonsäoreester-Synthese (vgl. S. 307—309) durch zweimalige Einführung
des Alljlrefites gewonnen werden kann. Sie stellt ein farbloses, unangenehm riechen-
des Oel dar, siedet bei 219— 222^ und besitzt bei 25® das specifische Gewicht 0-950.
Durch Anlagerung von Brom Wasserstoff entsteht ein bromhaltiges Lacton:
CHj : CH . CH,v CHg . CHBr • CH.v
>CH.CO.OH + 2HBr = NCH-CO-OH
CHa : CH . CH/ CH, ■ CHBr • CH,/
CHj • CHBr • CHjv
>CH + HBr.
CHjCH .CH,/
A.
CO
Bei der Oxydation mit Salpetersäure tritt an beiden Doppelbindungen Spaltung ein,
and man erhfilt Tricarballylsfiure:
COjH.CHj
\
CHCOjH.
COjHCH,/
Einige höhere Glieder der Oelsfiure-Reihe sind auf dem S. 515 bezeichneten
Wege durch Vermittelung ihrer Dibromide in gleich kohlenstoffreiche Glieder der
Propiolsäure-Reihe übergeführt. So ist aus Undecjlensäurebibromid durch Einwirkung
von alkoholischem Kali die UndeeolsSare ^ ^iiHigOs (Schmelzpunkt 59*5®) erhalten,
welche durch rauchende Salpetersäure zu Azelainsäure C02H*(CH,)7*C02H oxydirt
wird. — Ans Oelsäure und Elal'dinsäure entsteht eine und dieselbe StearolsSare *
^is^ss^s (Schmelzpunkt 48®). Bei der Behandlung mit rauchender Salpetersäure
wird letztere theilweise zu einer einbasischen Säure von gleicher Kohlenstoflzahl
(Stearoxylsäure CisHgjO«) oxydirt, theilweise in Azelainsäure und Pelargonsäure
gespalten. Die Stearoxylsäure wird auch bei der Oxydation der Stearolsäure mit alkalischer
KaliumpermanganatlÖsnng erhalten. — Aus Erucasäure ist eine Behenolsftare' CSSH40O3
(Schmelzpunkt 57 '5^) gewonnen, welche sich gegen Salpetersäure ähnlich wie die
Stearolsäure verhält. — Zur sicheren Beurtheilung der Constitution dieser Säuren besitzt
man bislang nicht genügende Anhaltspunkte. Die Beobachtungen über die Oxydation
der Stearolsäure machen es wahrscheinlich, dass wir es hier mit Säuren zu thun
haben, deren Molecül eine dreifache Bindung enthält. Bei Gegenwart von zwei
Doppelbindungen sollte man durch Annahme von vier Hydroxylgruppen die Bildung
einer Tetraoxystearinsäure erwarten; die Entstehung der Stearoxylsäure aus Stearol-
säure aber erfolgt durch die Aufnahme von zwei Sauerstoffatomen und wird leicht
verständlich, wenn man sich den Complex
-C = C- in — CO-CO —
äbergeliend denkt. Aus dem Auftreten der Azelainsäure und Pelargonsäure als
Spaltungsprodukte kann man auch auf den Ort der dreifachen Bindung (vgl. S. 513)
einen Schluss ziehen; die folgenden Structurformeln : •
— FiTTia u. Hjelt, Ann. 216, 73 (1882). — Schatzky, Ber. 18 c, 220 (1885). —
Rkboul, Compt. rend. 84, 1235 (1877).
» Kbappt, Ber. 11, 14U (1878).
' OvERBECK, Ann. 140, 49 (1866). — Limpach, Ann. 190, 294 (1876). — Marasse,
Ber. 2, 359 (1869). — Hazüra, Monatsh. 9,. 469 (1888).
* Haüsskkecht, Ann. 143, 41 (1867). — Stohmasn u. Langbein, J. pr. [2] 42,
380 (1890).
520 Trocknende Oelsäuren,
CHg CHg CHj
I I I
(CH,), (CH,v (CH,\
C CO CO,H
:, — ^ I — ►
C CO CO,H
I I I
(CH,), (CH,), (CH,),
I I !
COjH CO,H CO,H
vermögen den Oxydationsverlauf in befriedigender Weise zu erkl&ren.
Mit der Stearolsäure isomer ist die Linolsfture CjgHj^Oj, deren
Glycerid als ein wichtiger Bestandtheil der trocknenden Oele (Leinöl.
Hanföl, Mohnöl etc.) angesehen werden muss. Zwar ist sie noch nicht
in reinem Zustand daraus abgeschieden, doch darf auf ihr Vorkommen
und ihre Zusammensetzung aus dem Umstand geschlossen werden, dass
aus dem Säuregemisch, welches man bei der Verseifung jener Oele
erhält (s. unten), durch Einwirkung von Brom eine Tetrabromstearin-
säure CjgHg^Br^Oj , durch Oxydation mit alkalischer Kaliumpermanganat-
lösung eine Tetraoxystearinsäure Cj3H[32(0H)^03 (Sativinsäure) gewonnen
werden kann. Da die letztere bei der Reduction mit Jodwasserstoff ge-
wöhnliche Stearinsäure liefert, so ist die Linolsäure als eine normal
constituirte ungesättigte Säure mit zwei Doppelbindungen zu betrachten.
Sie findet sich in besonders reichlicher Menge im Sonnenblumenöl.
Im Gegensatz zu den fetten Oelen, welche als wesentlichen Bestand-
theil das' Glycerid der gewöhnlichen Oelsäure aufweisen, enthalten die
trocknenden Oele vorwiegend wasserstoffarmere Säuren in Form ihrer
Glyceride. Die aus diesen Oelen durch Verseifung abgeschiedenen trock-
nenden Oelsäuren ^ stellen nach passender Reinigung farblose oder
schwach gelbliche ölige Flüssigkeiten dar, die in Alkohol und Aether
leicht löslich sind, in der Kälte nicht erstarren, bei der Einwirkung von
salpetriger Säure nur dickflüssig werden, ohne aber eine der Elaldinsäure-
Bildung ähnliche Umwandlung zu erfahren. Durch den Sauerstoff der
Luft werden sie rasch oxydirt, indem sie in dickflüssige Produkte über-
gehen. Ihre Salze sind meist nicht krystallisirbar und oxydiren sich an
der Luft noch begieriger als die freien Säuren ; nur die Alkalisalze sind
in Wasser löslich; die Bleisalze lösen sich, ebenso wie das Ölsäure B/ei,
in Aether auf.
* Saoc, Ann. 61, 213 (1844). — Schüler, Ann. 101, 252 (1857). — Oudmuks,
Jb. 1868, 804. — MüLDER, Jb. 1865. 324. — SösflBHauTH, Jb. 1866, 826. — Bim
u. Hazura, Monateh. 7, 216,(1886); 9, 459 (1888). — Peters, Monatsh. 7, 552
(1886). — IIazura, ebenda, 637; 8, 147, 260 (1887); 9, 180 (1888); 10, 190 (18891.
— Hazura u. Friedreich, Monatsh. 8, 156 (1887). — Hazura u. GrOssker, Monatsh.
9, 198, 475 (1888). — Diepp u. Repormatzky, Ber. 20, 1211 (1887). — Nobtok u.
KiCHARDSON, Ber. 21 o, 245 (1888).
Trocknende Oelsäuren. 521
Ueber die Natur der trocknenden Oelsäuren haben hauptsächlich
neuere Untersuchungen von Bauee und Hazüba Aufklärung gebracht.
Es sind keine einheitlichen Körper, sondern im Wesentlichen Gemenge
Terschiedener ungesättigter Säuren, welche neben der gewöhnlichen Oel-
s'äure Säuren von gleicher Eohlenstoffzahl, aber geringerem Wasserstoff-
gehalt enthalten. Wenn auch eine Beindarstellung der einzelnen
Gomponenten bislang nicht ausgeführt ist, so lässt sich doch auf ihre
Zusammensetzung aus der Zusammensetzung der krystallisirbaren und
daher leichter zu trennenden Produkte schliessen, welche man aus den
rohen Säuren durch Addition von Brom oder durch Oxydation mit alka-
lischer Ealiumpermanganatlösung erhält. Wie aus der Bildung von
Tetrabrom- und Tetraoxystearinsäure die Gegenwart der Linolsäure
C^gHjjO, (vgl. S. 520) gefolgert werden darf, so ergiebt sich aus der
Entstehung von je zwei isomeren Hexabrom- und Hexaoxystearinsäuren
(CjgHjjjBrgOj und C,QHgQ(OH)gO,) das Vorkommen von zwei Säuren
CjgHj^jOj, deren Molecül drei doppelte Bindungen enthält; man bezeichnet
sie als Linolensäure und Isolinolensänre. Aus der Bildung von Di-
bromstearinsäure und Dioxystearinsäure kann man femer das Vorkommen
der gewöhnlichen Oelsäure folgern. Als Gomponenten der trocknenden
Oelsäuren sind demnach erkannt:]
Oelsäure CjgHg^Og
Linolsäure CJjgHjgOg
Linolensäure 1 p TT O
Isolinolensänre i is 3o 2-
Die flüssige Säure des Leinöls besteht zum grössten Theil (zu etwa SO^j^)
aus Linolensäure und Isolinolensänre, enthält ferner Linolsäure und
geringe Mengen von Oelsäure; dagegen bestehen die flüssigen Säuren des
Hanföls, Nussöls, Mohnöls, Baumwollsamenöls und Sonnenblumenöls der
Hauptmenge nach aus Linolsäure.
Siebzehntes Kapitel.
Einwerthige imges&ttigte Aldehyde und Eetone.
(AkroleiQ. Condensationsprodukte der gesättigten Aldehyde und Retone.)
A. Ungesättigte Aldehyde.
Wenn man sich im Aethylen ein Wasserstoflfatom durch die Gruppe
— CHO ersetzt denkt, so gelangt man zu dem einfachsten ungesättigten
Aldehyd:
CH, : CH, >- CH, : CH • CHO.
Man bezeichnet diese Verbindung, welche eine Mittelstellung zwischen
Allylalkohol und Akrylsäure einnimmt:
522 Äkrolein,
I
CHj CHj Crig
CH CH CH
I I ■ I
CHaCOH) CHO CO. OH
als Akroleln, weil ihre Gegenwart als Ursache des äusserst scharfen
Geruchs der Dämpfe erkannt ist, die sich beim Erhitzen von Fetten
bilden.
Akroleln CjH^O ist zuerst von Redtenbacher ^ genauer untersucht,
nachdem schon früher einige Forscher unreines Akroleln als leicht flüch-
tige Flüssigkeit aus den Destillationsprodukten von Fetten abgeschieden
hatten. Es entsteht aus den Fetten in Folge einer Zersetzung des
Glycerins; während es kaum möglich ist, aus jenen Destillationsprodukten
reines Akroleln abzuscheiden, gelingt dies daher leicht, wenn man reines
Glycerin der Einwirkung von wasserentziehenden Mitteln — am besten
von saurem Kaliumsulfat (s. unten die Darstellung) — unterwirft:
C3H,03-2H,0 = CgH.O.
Man versteht diesen Vorgang leicht, wenn man sich zunächst aus dem
Glycerin durch Wasserabspaltung einen ungesättigten Alkohol hervor-
gehend denkt:
HCH. OH HCH
C H OH = 2H,0 + 0
HCH. OH HC. OH
welcher sich sofort in einen Aldehyd umlagern wird:
CH,:C:CH.OH >- CH,:CH.CHO,
da seine Hydroxylgruppe an ein ungesättigtes Kohlenstoffatom gebun-
den ist (vgl. S. 476). Diese Bildungsweise ist es, welche stets zur
Darstellung des Akrolelns verwendet wird. Theoretisch interessant ist
seine Entstehung durch Oxydation des AUylalkohols* und durch directe
Vereinigung von Aethylen mit Kohlenoxyd ^:
CjII* + CO = CjH^O ;
letzterer Vorgang vollzieht sich — freilich in sehr geringem Umfange — .
wenn Aethylen mit einer zur Verbrennung unzureichenden Menge Sauer-
stoff im Eudiometer verpufft wird.
Darstellung des Akrolei'ns*: Man destillirt ein Gemenge von 1 Th. Gly-
ceriu; das vorher bei 170^ entwässert wurde, und 2 Th. Kaliumbisulfat, das in linsen-
grosse Stücke zerschlagen ist, aus einem geräumigen Grefäss — zweckmässig aus einer
eisernen Retorte — in eine stark gekühlte Vorlage; dem halb wässrigen, halb öligen
Destillat, welches erhebliche Mengen von schwefliger Säure enthält, fSgt man so
lange Bleiglätte zu, als dieselbe noch beim Umschütteln in weisses Bleisulfit ver-
* Ann. 47, 113 (1843). • Cahoürs u. Hofmann, Ann. 102, 291 (1857).
» E. V. Meter, J. pr. [2] 10, 113 (1874).
* Geüther u. Cart3Iell, Ann. 112, 2 (1858). — Hübner u. Geüther, Ann. 114,
35 (1859). — V. Rombürgh, Bull. 36, 549 (1881).
Äkrolein, 523
wandelt wird. Darauf destillirt man aus dem Gemisch das AkroJei'u bei Wasser-
badwärme ab; durch Stehenlassen über Chlorcalcium und Bectificiren kann man es
weiter reinigen.
Das Akroleln ist eine wasserhelle, stark lichtbrechende Flüssigkeit,
in Wasser ziemlich löslich. Es siedet bei 52-4® und ist leichter als
Wasser. Es besitzt einen höchst durchdringenden Geruch; sein Dampf
greift namentlich die Augen in so heftiger Weise an, dass das Arbeiten
mit Akroleln zu den unangenehmsten Operationen gehört. Gleichwohl
ist einmal eine sehr grosse Quantität (1700 g) dieses ftirchtbaren Stoffes
für die Zucker-Synthesen von E. Fischer und Tafel in den Farbwerken
zu Höchst dargestellt worden ^
Das Akroleln ist eine sehr leicht veränderliche Substanz ; die charak-
teristischen Eigenschafl;en der Aldehyde — die Neigung zur Oxydation
and Polymerisation — sind bei ihm besonders stark ausgeprägt. Man
muss daher bei der Darstellung den Zutritt von Luft möglichst ein-
schränken, möglichst rasch operiren und thut am besten, das Präparat
unmittelbar nach der Bereitung weiter zu verai'beiten. Zuweilen gelingt
es, das Akroleln Wochen lang ziemlich unverändert aufzubewahren^,
zuweilen polymerisirt es sich innerhalb einer Stunde.
Unter seinen ßeactionen ^ ist zunächst als wichtig für die Beurthei-
lung seiner Constitution hervorzuheben die Ueberfuhrbarkeit durch ßeduc-
tion in AUylalkohol und durch Oxydation in Akrylsäure.
Bei der Reduction mit Zink und Salzsäure entsteht neben Allylalkoliol und
Propylalkohol als Hauptprodukt das in Wasser unlösliche Akropinakon CeH^oO,,
eine farblose, zwischen 160—180^ siedende Flüssigkeit von campherartigem Geruch:
2C8H4O + H, = CeHioO,.
Da das Akroleln-Molecül eine doppelte KohlenstoflFbindung mit der
Aldehydgruppe in sich vereinigt, so erscheinen Additionsreactionen
in zwei verschiedenen Richtungen denkbar; entweder kann die doppelte
Kohlenstofthindung in eine einfache Bindung übergeführt werden, oder
das Sauerstoifatom der Aldehydgruppe kann sich mit einer Valenz vom
Kohlenstoffatom losreissen und dadurch Raum für neu hinzutretende
Atome bezw. Radicale schaffen. Die Halogene und Halogenwasserstoffe
suchen die doppelte Kohlenstoffbindung als Ort der Anlagerung auf:
CH, : CH . CHO + Br, = CU^Bv • CHBr • CHO ,
+ HC1 = CHjClCHjCHO.
Essigsäureanhydrid wird dagegen von der Aldehydgruppe aufgenommen:
/O-COCHg
CHj : CH . CHO + 0(C0 . CH3), = CH, : CH • CH<
^O-CO-CHs
» E. Fischer u. Tafel, Her. 20, 3388 (1887). " Brühl, Ber. 12, 317 (1879).
' Vgl. besonders Geüther u. Carthell, Ann. 112, 1 (1859). — Hübner u. Geu-
THER, Ann. 114, 35 (1859). — Linnehanx, Ann. 126, 315 (1863); Ann. Suppl. 3, 257
ilb64j. — Aroxstein, Ann. Suppl. 3, 180 (1864). — Krestownikofp, Ber. 12, 1487
»1879). — V. RouBURGH, Bull. 36, 550 (1881). — Grihavx u. Adam, Compt. rend.
02, 300 (1881). — Lederer, J. pr. [2] 42, 384 (1890).
524 Äkrolein,
Auch die schon erwähnte Reduction zu Allylalkohol bietet ein Beispiel
für Anlagerung in demselben Sinne:
CH,:CH.CHO + H, = CH,:CH.CH/
Die Addition kann aber auch an den beiden ungesättigten Stellen
des Molecüls zugleich stattfinden und zur Bildung einer völlig gesättigten
Verbindung führen. So verläuft die B.eaction zwischen Akroleln und
Natriumbisulfit^ im Sinne der Gleichung:
CH, : CH . CHO + 2 NaHSO, = CH,(SO,Na) • CH, • CH<
\SO,Na
Ammoniak reagirt auf das Akroleln nicht in so einfacher Weise, wie
auf den Acetaldehyd (vgl. S. 393, 407). Für das Akrolelnammoniak*
— eine amorphe, in Wasser leicht, in kaltem Alkohol und Aether nicht
lösliche Substanz von basischen Eigenschaften, welche in ihren äusseren
Eigenschaften und dem Verhalten gegen Wasser auffallende AehnUchkeit
mit dem Leim zeigt, — leitet sich aus der Zusammensetzung seines Platin-
doppelchlorids die Formel CgH^NO ab; man kann es sich aus 2 Mol.
Akroleln und 1 Mol. Ammoniak durch Abspaltung von 1 Mol. Wasser
entstehend denken: ^
2C8H4O + NHs = CeHgNO + H^O.
Bei der trockenen Destillation liefert es durch Wasserabspaltung eine
flüchtige Base — das Picolin (vgl. Band 11):
welche in die mit dem Pyridin beginnende Reihe von Basen gehört, die
bei der trockenen Destillation von Knochen entstehen; ihre Bildung bei
letzterem Process ist vermuthlich auf das Zusammentreffen von Akroleln,
das durch Zersetzung des Knochenfetts entsteht, mit Ammoniak, Methyl-
amin etc. bei hoher Temperatur zurückzuführen*.
Die amorphe, in Wasser und Alkohol unlösliche Masse, in welche sich das
Akrolein schon beim Stehen der wässrigen Lösung allmählich umwandelt, und welche
vielleicht ein Polymerisationsprodukt desselben darstellt, hat man Disakryl genannt
Mit wässrigen Alkalien verharzt das Akrolein; bei |der Einwirkung von alko-
holischem Kali entsteht das Kaliumsalz der einbasischen, dem Akroleln polymeren
Hexakrolsäure* CjgHj^OeC = öCgH^O), aus dessen Lösung die freie Säure durch
Mineralsäuren als gelber, amorpher Körper gefällt wird.
Metakrolein^ wird eine Substanz von der Zusammensetzung C^HisO, (= SCaHfO)
genannt, welche zum Akrolei'n in ähnlicher Beziehung zu stehen scheint, wie der Par-
aldehyd zum gewöhnlichen Acetaldehyd. Man hat sie nicht direct durch Polymeri-
^ M. Müller, Ber. 6, 1445 (1873). ^ Bosenthal, Ann. 233, 36 (1886).
" Hübner u. Geuther, Ann. 114, 43 (1859). — Claus, Ann. 130, 185 (1864):
158, 222 (1870). — Schipf, Ann. SuppL 6, 26 (1867). — Baetbr, Ann. 166, 281 (1870j.
' Vgl. Wetoel u. Ciamician, Ber. 13, 85 (1880).
* Claus, Ann. Suppl. 2, 120 (1862).
^ Geuther u. Cartmell, Ann. 112, 6 (1859). — Grimaux u. Adax, Compt rend.
92, 301 (1881).
Homologe des Akroleins. 525
sation des Akrolelns erhalten, sondern aus dem Chlorpropionaldehyd CH,C1 • CH, • COH,
welcher durch Anlagerung yon Chlorwasserstoff an Akrolein entsteht (s. S. 528), durch
Destillation mit Kali:
aCsH^cio-aHCi = c^HijOg.
Das MetakroIeTn krjstallisirt in langen farblosen Nadeln, besitzt einen eigenthüm-
lichen gewürzhaften, nur entfernt an AkroleYn erinnernden Geruch, ist nur wenig
löslich in warmem Wasser, leicht in Alkohol und Aether. Es schmilzt bei 45 — 46^;
mit WasserdSmpfen ist es unzersetzt flüchtig; für sich destillirt, liefert es ein Destillat,
welches theilweise aus unverändertem Metakrole'in , theilweise aus gewöhnlichem
AkroleYn besteht Seine Molecularformel ist aus einer Dampfdichtebestimmung ab-
geleitet, welche nach der HoFMANN'schen Methode — also unter vermindertem Druck
— bei 132^ ausgeführt wurde. Durch Einwirkung von Mineralsäuren wird das
Metakrolein zu gewöhnlichem Akrolein depoljmerisirt.
Man hat eine grössere Zahl von Homologen des Akrolelns kennen
gelernt, zu deren Gewinnung fast ausschliessKch die S. 396 u. 407 er-
wähnte Beaction — die Condensation der gesättigten Aldehyde — ge-
dient hat. Unter der Einwirkung geeigneter Reagentien — z. B. beim
Erhitzen mit Lösungen von Chlorzink, ameisensaurem oder essigsaurem
Natrium, Seignettesalz, mit festem Kaliumcarbonat — treten zwei Mole-
cüle des Aldehyds mit einander zusammen, indem ein Molecül Wasser
abgespalten wird:
Die Condensationsprodukte erweisen sich als Homologe des Akrolelns
durch ihr chemisches Verhalten. Denn einerseits giebt sich ihre Aldehyd-
natur in der Fähigkeit, Silberoxyd zu reduciren, in der Oxydirbarkeit zu
einbasischen Säuren von gleicher Kohlenstoffzahl und in dem Verbin-
dungsvermögen mit Natriumbisulfit zu erkennen; andererseits berechtigt
der Umstand, dass sie 1 Mol. Halogen bezw. Halogenwasserstoff fixiren, zu
der Annahme einer doppelten Kohlenstoffbindung in ihrem Molecül.
Zur vollständigen Kenntniss ihrer Structur fehlt nun noch die Ermitte-
lung der Verzweigung der Kohlenstoffkette und des Ortes der Doppel-
bindung.
Was zunächst das Condensationsprodukt des gewöhnlichen Aldehyds
betrifft, so hat man die Wahl zwischen zwei Formeln, je nachdem man
annimmt, dass das Sauerstoffatom des einen Aldehydmolecüls mit zwei
Wasserstoffatomen des zweiten Molecüls als Wasser austritt:
CH,.CH;Ö + H^CHCHO = HjO + CHgCH : CH-CHO
oder aus jedem der beiden Aldehydmolecüle je ein Wasserstoffatom ent-
inmmt:
HCiFIj^CHiO + HiCHj.CHO = H,0 + CH, : CHCHjCHO.
Nun liefert der in Frage stehende ungesättigte Aldehyd durch Oxydation
^1^ 4er Luft oder mit Silberoxyd feste Crotonsäure CHj-CHiCH.CO-OH.
526 Condefisation gesättigter Aldeliyde zu
V
Die Reaction verläuft demnach im Sinne der ersten Annahme; das Con-
densationsprodukt besitzt die Constitution:
CHjCHiCHCHO,
man bezeichnet es daher als Crotonaldehyd. Man kann seine Ent-
stehung auch derart interpretiren, dass man zunächst Zusammentritt von
zwei Aldehydmolecülen zu Aldol (vgl. S. 395):
CH, . CHO + CH^. CHO = CH, • CH(OH) • CH, • CHO
und darauf Wasseraustritt:
CH,.CH(OH).CH,.CHO-H,0 = CHs-CH : CH-CHO
annimmt. In der That erhält man aus Aldol durch Erhitzen auf 140^
oder auch durch längere Einwirkung von verdünnter Salzsäure bei ge-
wöhnlicher Temperatur Crotonaldehyd.
Die Kenntniss der Constitution des Crotonaldehyds und damit die
Aufklärung eines der einfachsten Condensationsvorgänge verdankt man
Kekulä^
Nachdem sich an diesem Beispiel gezeigt hat, dass das Sauerstoff-
atom eines Aldehydmolecüls mit zwei WasserstoflFatomen eines zweiten
austritt, wird man für das Condensationsprodukt des Propionaldehyds
zwischen den Formeln:
CHjCHjCHiCHCHjCHO oder CHjCHjCH: CCHO
I
CHs
zu wählen haben; im ersten Falle denkt man sich die entnommenen Wasser-
stoffatome aus der entständigen Methylgruppe, im zweiten Falle aus der
mittelständigen CHg-Gruppe austretend. Vor ähnliche Alternativen sieht
man sich bei der Interpretation des Condensationsverlaufes der höheren
Aldehyde gestellt.
Es scheint ein allgemeines Gesetz zu sein*, dass stets diejenigen
Wasserstoffatome bei der Condensation austreten, welche an dem der
Aldehydgruppe benachbarten Kohlenstoffatom haften. Eine ganz analoge
Gesetzmässigkeit hat sich ja auch für die Synthese ungesättigter Säuren
nach der PEEKm'schen Reaction ergeben (vgl. S. 489). Für die folgen-
den Beispiele ist die Condensation in diesem Sinne bewiesen.
Das eben erwähnte Produkt aus Propionaldehyd besitzt die zweite
der obigen Formeln:
CHjCHjCHiCCHO,
I
CH,
ist demnach als Methyläthylakroleln zu bezeichnen. Denn bei der
Reduction entsteht ein Capronaldehyd und ein Hexylalkohol, welche von
den betreffenden normalen Verbindungen verschieden sind, für welche
sich vielmehr die Constitutionsformeln
* Ann. 162, 91 (1872).
' Vgl. LiKBEN u. Zeisel, Monatdh. 4, 10 (1883).
on iigiinsaure neien. — ijas
Is Pentyl-hexylakroleln:
C/XI3 • Cxig • OHf • Cii) • Ori| • Cxi| • Cr
Ji
UXI3 • C/xl| • Grlj ' Cxlj • CHj • C • '
ftfi wirH hfti (\f^r Oxydation
ungesättigten Aldehyden fCrotonaUlehyd etc.), 527
CHj . CH, . CH, . CH . CHO und CHg • CH, • CH, • CH • CH,(OH)
I I
CHg CHg
als zutreflfend erweisen, da sie durch Oxydation in Methylpropylessig-
siinre
CHg . CH, . CH, . CH . CO . OH
I
CH,
(auch durch Spaltung von Methylpropylacetessigester erhältlich) über-
gehen. — Das gemischte Coridensationsprodukt aus Acetaldehyd und
Propionaldehyd erweist sich als Tiglinaldehyd (Dimethylakroleln)
CHg.CHiCCHO
I
CH,
da es durch Oxydation Tiglinsäure liefert. — Das Condensationsprodukt
des Oenanthols ist als Pentyl-hexylakroleln:
CH
CHO
aufzufassen; denn es wird bei der Oxydation in Capronsäure und
()enanthylsäure gespalten.
Die Tabelle Nr. 28 auf S. 528 giebt eine Zusammenstellung der durch
Condensation von gesättigten Aldehyden erhaltenen ungesättigten Aldehyde
Die Verbindungen stellen farblose Flüssigkeiten dar, welche schon
durch den Sauerstoff der Luft oxydirt werden; die flüchtigeren unter
ihnen besitzen einen durchdringenden Geruch.
Aehnlich wie beim Akroleln bilden auch bei den Homologen die
Aldehydgruppe und die doppelte Kohlenstoffbindung oft zugleich die
Angriffspunkte für chemische Eingriffe. So erhält man z. B. durch
Reduction des Crotonaldehyds CHg-CHrCH-CHO ein Gemisch von
Crotylalkohol CH3.CH:CH.CHa(0H),
ButjTaldehyd CHg-CH^CH^CHO
und Butylalkohol CHg-CHj-CHjCH^COH). —
Die Oxydation — auch mit nur gelinde wirkenden Mitteln ausgeführt —
verwandelt immer nur einen Theil des Aldehyds in die entsprechende
ungesättigte Säure; ein erheblicher Theil fällt der oxydirenden Wirkung
auch an der Stelle der Doppelbildung anheim. So erhält man aus Methyl-
äthylakroleln neben Methyläthylakrylsäure noch eine Dioxycapronsäure,
femer durch Spaltung des Molecüls Propionsäure, Essigsäure, Ameisen-
säure, Kohlensäure und Methylpropylketon. — Schweflige Säure wird an
^)eiden Stellen — zuerst aber an der Doppelbindung — angelagert; aus
Methyläthylakroleln CgHg-CHO entsteht durch Einwirkung von wässriger
schwefliger Säure bei gewöhnlicher Temperatur Capronaldehydsulfonsäure
T^w^
528
Crotonaldehyd und Homologe,
Tabelle Nr. 28.
Zu-
sammen-
setzung
Name
Erhalten durch
Condensation von
Siede-
punkt
Spec.
Gewick:
C,H,0
Crotonaldehyd* ® . . . .
Acetaldehyd
104—105 •
—
C»H,0
Tiglinaldehyd^" ....
Acet- mit Propionaldehyd
116«
0-871(15''i
C,H,oO
Methyläthylakrolein »*-"
Propionaldehyd
137«
0-858(2i'^
C,HuO
Aethylpropylakrolein*® .
Butyraldehyd
173« —
J9
19
Isobutyraldehyd
149—151 <> —
C|oH„0
tO— M
IsoY&leraldehyd
187— 191*»0-851(14*i
CiAeO
Pentylhexylakrolei'n** . .
Oenanthol
277—279«'
0-849(15^
Citate zu der Tabelle Nr^ 28: * Lieben, Ann. Suppl. 1, 117 (1860). —
' Rekul£, Ann. 162, 93 (1872). — ' Lieben u. Zeisel, Jb. 1881, 595. — * Kslms
u. Pinner, Ber. 3, 75 (1870). — * Newbuby, Compt rend. 92, 316 (1881). — • CoxBra.
Compt. rend. 96, 1862 (1883). — ^ Wurtz, Compt. rend. 88, 1154 (1879); 97, 1169
(1888). — « Zeisel, Monatsh. 7, 859 (1886). — » Voelckel, Ann. 89, 346 (1854). -
*« V. GiLM u. Hlasiwetz, Ann. 106, 379 (1858). — " Herzig, Monatsh. 3, 118 (18821
— " Lieben u. Zeisel, Monatsh. 7, 53 (1886). — »» Hayman, Monatsh. 9, 1055 (188Si.
— " Lieben u. Zeisel, Monatsh. 4, 10 (1883). — " Waaoe, ebenda, 725. — *• Ln>-
wia, Monatsh. 9, 658 (1888). — " Salonina, Ber. 20o, 700 (1887). — " Raupes-
8TRAUCH, Monatsh. 8, 108 (1887). — " Fossek, Monatsh. 2, 614 (1881). — ** Bobodd.',
Ber. 2, 552 (1869); 6, 481 (1872). — " Gaess u. Hell, Ber. 8, 369 (1875). — »• Rnus,
Bull. 13, 24 (1870); 18, 62 (1872). — «• W. H. Perkin (jun.), Ber. 15, 2802 (1882.;
16, 210 (1883). Joum. Soc. 43, 45 (1883).
CßHio(S03H)-CHO, in der Wärme Oxyhexandisulfosäure CßH^^CSOgFl-
.OH
CH<f . Es ist daher leicht verständlich, dass man die ungesättig-
\SO3H
ten Aldehyde aus ihren Natriumbisulfit- Verbindungen durch Einwirkung
von Soda nicht wieder regeneriren kann.
^emerkenswerth ist der Verlauf der Einwirkung des CJhlors auf den Croton-
aldehyd; in der Kälte und im Dunkeln erfolgt zunächst einfache Addition zu Dichlor-
butyraldehyd CHg-CHClCHClCHO; setzt man nun die Einwirkung ohne Kühlung
fort, so wird das Wasserstoffatom der Aldehydgruppe substituirt; es bildet sich das
Chlorid der Dichlorbuttersäure CHgCHCl-CHCl-COCl.
Der Tiglinaldehyd hat sich identisch erwiesen mit einem Produkt, welches bei
der Destillation des Guajakharzes entsteht und daher Guajol genannt wurde.
Bei der Condensation der gesättigten Aldehyde entstehen neben den Akrolein-
Homologen auch höhere Condensationsprodukte, welche wahrscheinlich noch w^ger
gesättigte Aldehyde darsteilen. So hat man Anzeichen dafür, dass bei d^r Conden-
sation des Acetaldehyds ein Aldehyd^ CeH80(= 3CJH4O— 2H,0) gebildet wird '. Aus
denCondensationsprodukten des Oenanthols ist ein Aldehyd C88H5oO(= 4C,Hi40 — 3H,0)
isolirt worden'; derselbe stellt ein hellgelbes, sehr dickes Oel von unangenehmem
* Kekül6, Ann. 162, 105 (1872).
» W. H. Perkin (jun.), Ber. 15, 2805 (1882); 16, 210 (1883).
OUrondlaMehyd und Oeramal, 529
reruch dar, siedet unter 850 mm Druck bei 830—340^ und besitzt bei 15^ das spec.
rew. 0-883. —
Einwerthige ungesättigte Aldehyde finden sich femer unter den
!ampherarten der Fettreihe (vgl. S. 485).
CitTOneUaldehyd ^ C^^H^gO ist ein Bestandtheil des Citronellaöls
aus Andropogon nardus) und anderer Oele. Er siedet bei 202 — 209 ^
st rechtsdrehend, addirt leicht 1 Mol. Brom, verbindet sich mit Natrium-
>isulfit, wird von Natriumamalgam in Eisessiglösung zu Citronell-
ilkohol CjqH^^O reducirt, von Silberoxyd zu Citronellasäure Ci^HjgOj
)xydirt.
^leranlal' (Citral) C^^Hj^O — das Oxydationsprodukt des Geraniols,
vrelchem wahrscheinlich die Structur:
(CH,),CH . CH, . CH : CH . (XCH,) : CH • CHO
zukommt (vgl. S. 486), — findet sich auch fertig gebildet in vielen äthe-
rischen Oelen, so im Apfelsinenschalenöl und im Citronenöl. Es ist ein
Oel, welches nach Apfelsinen und Citronen riecht, unter 12 mm Druck
bei 110—112® ohne Zersetzung, unter 760 mm Druck bei 224—228^
nicht ganz unzersetzt siedet, bei 15® das spec. Gew. 0-897 besitzt und
optisch inactiv ist. Des interessanten Debergangs in Cymol durch Wasser-
abspaltung ist schon gedacht (S. 486); diese Umwandlung wird am besten
durch Erhitzen mit Kaliumhydrosulfat bewirkt.
B. Ungesättigte Ketone.
Es ist bereits S. 411 erwähnt worden, dass die Condensation der
gesättigten Ketone ganz ähnlich verläuft, wie diejenige der Aldehyde,
und demnach zur Bildung von- ungesättigten Ketonen führt. Dieser
Process ist nur an dem einfachsten Beispiel ausfuhrlich untersucht; das
Aceton hefert, wie schon S. 411 durch Gleichungen erläutert wurde, die
beiden ungesättigten Ketone:
(CH,),C : CH . CO . CH, und (CH,),C : CH - CO - CH : C(CH,),
Mesitylozyd Phoron.
ilan gewinnt diese Verbindungen am besten, indem man Aceton, mit
bdlzsänregas unter Abkühlung gesättigt, einige Wochen stehen lässt; die
darauf mit Wasser abgeschiedenen chlorhaltigen Produkte — Salzsäure-
Ä\dungen des Mesityloxyds und Phorons — werden nun durch Schüt-
teln mit wässriger Natronlauge, durch Destillation im Wasserdampfstrom
^Wr Kreidestücken, endlich durch Behandlung mit alkoholischem Kali
von Chlor befreit; das so erhaltene Gemenge von Mesityloxyd und Phoron
W durch Fractionirung leicht in seine Componenten zerlegt werden. —
öeim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure erleideii Mesityloxyd und
^Won wieder eine Rtickwärtsspaltung unter Bildung von Aceton.
' I>oi>oE, Ber. 23 o, 175 (1890). — Semkleb, Ber. 24, 208 (1891).
' Soou^ Ber. 23, 2966 (1890); 24, 201 (1891).
^ Httu u. Jaoobsom, org. Chem. L 34
\
530 Ungeaältigte Ketone.
Hesilylox jd > C,H,gO ist eine farblose Flüssigkeit, welche bei 130° siedet, bei
23° das epec. Gew. 0-848 besitzt, in Wasser nicht ISslicb ist und stark nach PfeBe^
münze riecht. Durch seine Ueberföhrbarkeit in ein Oxim C,H„(:N-OH) (nicht ebne
Zersetzung destillirbares Oel) wird es als ein Keton charakterisirt-, seine Additioio-
ilihigkeit für I Mol. Brom und 1 Mol. Jodwaaserstoff l&sst die Gegenwart einer
Doppelbindung in seinem Molet^ül erkennen. Bei der Einwirkung von Natriun-
biaulfit scheint lediglich die Doppelbindung in Reaction zu treten; denn aus dem
entstehenden Ädditlonsprodukt CaH,,0'SOgNa + H,0 wird weder durch Kochen mit
Sodalösung noch durch verdttnnte Schwefelsäure das Meaityloiyd regenerirt, wie m
\ /""
erwarten w&re, wenn es die Gruppe >C< enthielte; es ist daher wobl ala
/ \S0,Na
Salz einer Isobutjlmethy 1 keton -SulfousSuie C4H,(S0,H)'C0.CH, ao&ufassen; von
concentrirter Natronlauge wird es leicht unter Äbecheidung von Mesitjrloiyd zersetic.
Der oben gegebenen Structurformel des Meaitjloxyds gereicht zur Stütze sein Ver-
halten bei der Oxydation; man erhält bei der Einwirkung von Kaliumpermanganat
EssigsJiare and Oiyisobuttersäure, wie jene Formel ea vorauaseben Ittsst; denn werden
zunfichst an der Doppelbindung zwei Hydroxylgruppen angelagert (vgl. S. 432, 4J5
— 446), so entsteht eine Verbindung:
(CH^C[0HJ-CH{0H1. CO-CH,,
welche durch Spaltung an der bezeichneten Stelle jene beiden wirklich nachgewiesenen
OxydaUonsprodukte liefern muss.
Phoron* CgHi^O erstarrt in der Kälte zu langen, spröden Krystallen von
gelblich grüner Farbe, schmilzt bei -)- 28° zu einer gelben Flüssigkeit nnd siedet bei
190 — 191° (uncoiT.); sein Qeruch erinnert an Geranium, ist aber unangenehm. Es
bildet ein Oiim C,H„(:N-OU), welches in weissen Tafeln krjstallisirt, bei 48'
schmilzt und bei 218° destillirt. Mit Brom tritt es za einem luystallisirbaren Tetra-
bromid CBH„BrjO (Schmelzpunkt 88 — 89°J, mit Jodwasserstoff zu einem Dihydro-
jodid U,H,eJ,0 (Schmelzpunkt + 13°J, mit Natriumbisalfit sehr langsam zu der Ver-
bindung CnHuO.aNaHSO, + 2'/,H.0 zusammen. Diese Eeacüonen deuten die
Gegenwart einer Carbonylgruppe und zweier Doppelbindungen in seinem Molecnl an-
Bei der Oondeosation des Acetons unter anderen Bedingungen (Einwirkung vwi
Kalk, Natrium u. a.) hat man Oele von der Zusammensetzung des Phorons erbslteo.
filr welche indess ein etwas höherer Siedepunkt ala für das mit Salzsäure erhältliche
Phoron gefunden wurde. Diese in der Kälte flüssig bleibenden, von dem gewöhn-
lichen Phoron vielleicht verschiedenen Produkte werden als Isopboron* bezeicbneL
Ausser dem Mesiljloxyd und Phoron entstehen durch Condcnsation des Acetons
noch h5her siedende Produkte*. Aus BiickstAnden von der Phorondsrstellung wnrde
■ Kank, Pogg-44, 475(1838). — Fmia, Ann. UO, 34(1858)- — Babteb, Ann.
140, 291 (1866). — Claisek, Ann. 180, 1 (1875). — PiWLOW, Ann. 188, 130, 13S
(1876). — PiNSBB, Ber. IB, 590 (1882); 16, 1727 (1883). — Näobu, Ber. 16, 495
(1883). — Louise, Compt. rend. 9B, 602 (1882).
' Baeyeb, Ann. 140, 301 (1866). — Cijjsek, Ann. 180, 1 (1875). - Hkistz.
Ann. 187, 220 (1877). — Kasabzew, Ber. 8, 435 (1875). — Jacobsek, Ber. 10, 856
(1877). — ÜLAiSEN u. Olapab^db, Ber. 14, 352 (1881). — PrenER, Ber. 16, 586 (1882J.
— Näoeli, Ber. 18, 496 (1883). — Louise, Compt. rend. BB, 602 (1882).
' Städelkb, Ann. lU, 279 (1859). — Fittio, Ann. 110, 32 (1858); U2, 311
(1858). ~ Kachlkb, Ann. 164, 78 1.1872). ^ K. E. Sohciäe, Ber. 16, 64 (1882;. —
I'iNNER, Ber. 16, 588 (1882). — Claiben, Bei. 23, 1013 (1889).
* Weidhanh u. ScHWErrzKtt, Pogg. 49, 301 (1840); 60, 265 (1840). — Löwis u.
Weidmanm, Pogg. 50, 299 (1840).
Mesityloxyd, Phoron etc. 531
eine flüssige Verbindung, das Xjliton* CuHigO (= 4C3H4O— SHgO) vom Siedepunkt
251—252® isolirt Hiermit identisch ist yielleicht das gleich zusammengesetzte Pro-
dukt', welches aus Mesityloxyd durch Einwirkung von Natriumäthylat in ätherischer
Lösung entsteht (2C^HioO— H,0 = CigHigO), für welches indess der Siedepunkt
238— 242<^ und das spec. Gew. 0*935 beobachtet ist.
Homologe des Mesitylozyds* entstehen als Nebenprodukte bei der Syn-
these von Ketonen oder tertiären Alkoholen aus Säurechloriden und Zinkmethyl
(vgl. S. 146 und 385), indem sich in einem gewissen Stadium des Processes schon
fertiges Keton neben unverändertem Zinkmethyl findet, und letzteres nun auf das
Keton condensirend einwirkt Bei der Reaction zwischen Propionylchlorid und Zink-
methyl z. B. erhält man das erste Condensationsprodukt des Methyläthylketons:
2C4HeO-H,0 = CsH^O.
In dieser Weise sind dargestellt worden die Verbii^dungen:
Siedepunkt Spec. Gew.
CgHi^O aus Propionylchlorid 167— 168 <> 0-87T
CioHisO „ Isobutyrylchlorid 189— 191 <> 0-870
C„HmO „ Isovalerylchlorid 217—2190 0-864 5
es sind dies farblose, in Wasser unlösliche Flüssigkeiten von eigenthümlichem Ge-
racb, welche sich mit Halogenwasserstoffen im Verhältniss von 1 Mol. auf 1 Mol. zu
öligen Verbindungen (z. ß. CgHuJO) vereinigen.
Fernere ungesättigte Ketone. Ein Keton CjHgO (Siedepunkt 129—131°)
findet sich im rohen Holzgeist*. — Durch Spaltung von Allylacetessigester und Di-
alljlacetesaigester (vgl. S. 385—386) hat man Allylaceton und Diallylaceton erhalten.
Allylaceton» CeH,oO = CHj:CH.CHj.CH,.C0.CH8 (isomer mit Mesityloxyd) siedet
bei 128— 130 <> und besitzt bei 27« das spec. Gew. 0-834; sein Oxim CeHio(:N-OH)
ist flüssig und siedet bei 187.5°. Diallylaceton« C^Hj^O = (C8H5)jCH.C0.CH8
(isomer mit Phoron) siedet bei 174—175°.
1 PiMNEai, Ber. 15, 589 (1882). * Claisen u. Ehrhardt, Ber. 22, 1013 (1889).
• Pawlow, Ann. 188, 126 (1876).
* Claisek, Ber. 8, 1257 (1875). — Pinker, Ber. 16, 594 (1882).
* Zeidler, Ann. 187, 35 (1877). — 0. Hopmann, Ann. 201, 80 (1878). —
N'ÄoELi, Ber. 16, 496 (1883). — Henry, Compt. rend. 87, 171 (1878).
• C. WoLFP, Ann. 201, 48 (1876).
34'
C. Die mehrwerthigen Verbindungeo.
ÄchtzehnteB Kapitel.
Eintheilung und Nomendatiir der mehrwerthigen
Terbindnngen.
Für die Besprechung der Verbindungeii der Fettreihd gingen wir
von den Grenzkohlenwasaerstofien aus und betrachteten zunächst solche
Verhindungeii, welche man von diesen gesättigten Kohlenwasserstoffen ah-
leiten kann, indem man sich ein Wasserstoffatom ihres Molecüls ent-
fernt und die dadurch entstehenden einwerthigeu Radicale (AlkykesU')
in Bindung mit anderen Atomen bezw. Atomgruppen tretend denkt.
Wir gingen dann zu den ungesättigt«n Kohle nwasserstofFreihen über
und lernten wieder deren einwerthige Derivate kennen.
Auf diese Weise haben wir uns ein Bild von den wichtigsten Typen
der aliphatischen Verbindungen verschaflFt, Aber es lässt sich vorans-
sehen, dass eine weit grössere Zahl von Verbindungen sich von den
Kohlenwasserstoffen durch Substitution mehrerer Waeserstoffatome ab-
leiten wird.
Zu den Monohalogen-Denvaten der Kohlenwasserstoffe z. B. werden
Dihatogen-, Trihalogen-Derivate etc. treten:
CHjCl, CiH^Br, C,C1,.
Durch Bintritt mehrerer Hydroxylgruppen in je ein Kohlenwasserstoff-
molecill werden mehrwerthige Alkohole:
C,H,(OH), C,H,{OH), C4H,(0H)«,
durch Eintritt mehrerer Carboxylgruppen mehrwerthige Säuren:
CH,{CO,H), C,H,CCO,H), C,H,(CO,H),
entstehen. An die einwerthigeu Aldehyde und Ketone werden sich solche
Verbindungen schliessen, deren Molecül die Aldehydgmppe — CHO bezw.
die Carbonylgruppe — CO — an mehreren SteDen aufweist.
Die Atome bezw. Rculicale, welche mehrere Waaserstoffatome eines
und desselben Kohlenwasser^toffmolecttls vertreten, brauchen femer nicht
gleichartig zu sein. Wir können uns Halogenatome und Hydroxylgruppen
gleichzeitig als Substituenten denken:
C,H,CI(OH) C.HjCl,(OH) C,HsCl,(OH)«;
EintheüuTtg der mehrwertkigtn Verbindufigen.
Hydroxylgruppen und Carboxylgruppen werden sich neben einai
■inem Molecill befinden können:
CH,(OH)(CO,H) CH(OH)(CO,H), C,H,(OH),(CO,H),;
."arbonylgruppeu uud Carboxylgruppen werden als Bestandtbeilf
und desselben MoIeciUs anilreten:
CH,<
.CO,H ,CO-CO,H
CH,<
•CO-CH, ^CO,H
Die Molecöle solcher Verbindungen enthalten verschiede
Gruppen , deren jede ein cbarakteristischeB Verhalten bedingt,
kommen so zu Verbindungen, welche in sich die typischen Eigensi
mehrerer £örperklassen vereinigen; Alkoholsäuren, ÄmidoBäuren,
säuren, Aldehydalkohote, Ketonjilkohole etc.
Diesen mehrwerthigen Verbindungen müssen wir uns n
wenden und wollen sie in der folgenden Reihenfolge kennen lern
1. Mehrwerthige Halogenverbindungen.
2. Mehrwerthige Alkohole und ihnen entsprechende Sc
Verbindungen.
3. Verbindungen, welche Halogeuatome und Hydroxylgrupp
gleich enthalten.
4. Mehirwerthige Nitro- und Amidoverbindungen. — VerbiniS
welche neben Nitro- bezw. Amidogruppen Halogenätonie oder Hy
gnippen enthalten.
5. Mehrwerthige Carbonsäuren.
6. Halogen derivate der Garbonsäuren.
7. Hydro-tylderivate der Carbonsäuren : Alkoholsäuren odei
8. Nitro-, Amido- und Diazoderivate der Carbonsäuren.
9. Mehrwerthige Aldehyde und Ketone.
10. Halogenderivate der Eetone.
11. Aldehydalkobole und Ketonalkohole (Zuckerarten und
Kohlenhydrate).
12. Amidoderivate der Aldehyde und Ketone.
13. Aldehydsäuren und Eetonsäuren.
Der Bpecielien Besprechung dieser Verbindungsgmppen seien
allgemeinere Bemerkungen über die Nomenclatur der mebrwerl
ßadicale und Verbindungen vorausgeschickt.
Wir charakterisirten die einwerthigen Radicale C„Hj„^.i-,
•las den Grenzkohlenwasserstoffen durch Fortnahme eines Wass
atoms entstehend gedacht werden, durch die Endung „yl". 1
jweiwerthigen ßadicale CyH,„< benutzen wir nun die 1
vjlen" oder „yliden":
C,H,< Aethylen oder Aethyliden,
CgHg< Propylen „ Propyliden
1
534 Nomendaiur der
unter Beachtung der folgenden Unterscheidung. Die Endung „ylen** be-
zeichnet meist solche Radicale, deren freie Valenzen zwei verschiedenen
Kohlenstoffatomen angehören:
CK—
CH,-
iAethylen, CH — Propylen;
^- L
die Endung „yliden" dagegen bleibt solchen Radicalen vorbehalten, deren
freie Valenzen von einem und demselben Kohlenstoffatom — und zwar
von einem endständigen — ausgehen:
CH<
CH< I
I Aethyliden, CH„ Propyliden.
CH, I
CH3
Es sind dies also die Radicale, durch deren Vereinigung mit einem
Sauerstoffatom die Aldehyde zu Stande kommen.
' Diejenigen zweiwerthigen Radicale, welche aus den normalen Grenz-
kohlenwasserstoffen durch Entfernung je eines Wasserstoffatoms der bei-
den entständigen Methylgruppen hervorgehen, welche demnach aus einer
Kette von Methylengruppen — CHj — bestehen, bezeichnet msui durch
Angabe der Anzahl dieser Gruppen:
yCHj — CHj — CHj —
CH3<^ Trimethylen , 1 Tetramethylen.
GHn — CBL —
CH,- CH,-CH,
Nach diesen Bemerkungen werden Namen, wie:
CH^.OH CHBr,
I Aethylenalkohol, 1 Aethylidenbromid,
CH3.OH CH3 .
yCHa— CN
CH«<; Trimethylencyanid
'XCHa— CN ^ ^
ohne Weiteres verständlich sein.
Für die dreiwerthigen Kadicale Ci|H2a_iv-- benutzt man die Endung „enyl":
CH(^ Methenyl, CsH,:^ Aethenyl, CgH,^ Propenyl .
Die dreiwerthigen Radicale werden leider zuweilen auch durch die Endung „in" be-
zeichnet; es kann dies nur zu Missverständnissen führen, da in Uebereinstimmung mit
der Nomenclatur der Kohlenwasserstoffe (vgl. S. 97 Anm. u. S. 458) die Endung „in*^ den
vierwerthigen Badicalen CnHgn—a gebührt; die sechswerthigen Radicale Cjfli^—^ können
durch die Endung „on", die acbtwerthigen CnH2n_^ durch „un" charakterisirt
werden. Doch bildet man für die höherwerthigen Verbindungen besser Namen, welche
auf ihre Ableitung durch Substitution der Kohlenwasserstoffe gegründet werden, 2. B.:
CaHgBra Tribrompropan, C2H3(C08H), Aethantricarbons&ure.
mehrwerthigen Verbindtmgen. 535
Um bei mehrwerthigen Verbindungen die Stellung der einzelnen
Truppen zu einander in ihrem Namen wiederzugeben, benutzt man häufig
las folgende Princip. Man bezeichnet die einzelnen Kohlenstoffatome
ies Kohlenstoffskeletts mit den kleinen griechischen Buchstaben, so zwar,
lass dasjenige Kohlenstoffatom, welches der endständigen, das charak-
:eristische Verhalten bedingenden Gruppe — sei dies nun eine Carb-
>xylgruppe — CO -OH, oder eine Aldehydgruppe — CHO oder eine Alkohol-
^nippe — CH2{0H) etc. — benachbart ist, mit dem Buchstaben cc be-
zeichnet wird, das nächste mit ß u. s. w., z. B.:
Y ß a
So ergeben sich Benennungen, wie:
CHjCl . CH, . CH,(OH) /9-Chlorpropylalkohol,
CH,fOH) . CH, . CHj . COjH y-Oxybuttersäure,
CH3.CHCl.CClj. CHO a^|?-Trichlorbutyraldehyd etc.
Die endständigen Kohlenstoffatome in Kohlenwasserstoffen charak-
terisirt man nach Baeyer^ durch den Buchstaben a> und gelangt so zu
Namen, wie:
CHgClCHjCl oxa' Dichloräthan,
CHj.CHClg ü Dichloräthan,
CHjBrCHBr.CHgBr waw' Tribrompropan.
Neunzehntes Kapitel.
Mehrwerthige Halogenderivate.
I. Mehrwerthige Halogenderlyate des Methans.
Die Polyhalogenderivate des Methans nehmen schon durch ihre
einfache Constitution eine Sonderstellung ein; auch werden sie meist in
eigenthümlichen Reactionen gewonnen, welche fiir die Bildung von Poly-
halogenderivaten der Homologen nicht in Anwendung kommen. Es
empfiehlt sich daher, sie gesondert für sich zu besprechen; die Tabelle
Nr. 29 auf S. 536 giebt eine Uebersicht über die hierher gehörenden
Verbindungen.
DlhalogeilTerblndungen CHgXg , Halogenverbindungen des
Radicals Methylen. Methylenchlorid CHgClg und Methylen-
bromid CH^Brg entstehen durch weitere Chlorirung bezw. Bromirung
der Monohalogenverbindungen (Methylchlorid, Methylbromid):
CH,C1 + Ci, = CHjCl^ + HCl.
Andererseits kann man zur Gewinnung der Methylenhalogenide von den
Trihalogenderivaten ausgehen und in letzteren ein Halogenatom durch
* Ber. 17, 961 (1884).
j
536 Tahdlarisohe üeberaicfii über du Folt/halogenderivate des J^thans.
Tabelle Nr. 29.
Methyienchlorid'" '"
„ broniid*""
CHjCl,
CH.Ur,
CH,J,
Schmelz-
Siede-
pntikt
[i-ssTiia")
■ ,3-292(18«)
2-M7(ll'l
2 -92« (IT)
—
88"
1.925{15")
—
123—125'»
2-445(15')
—
181»
2-454 m
-24-7'»
76«
1.593(20'1
+ 92°
189"
—
—
104*
2-0S5(0«l
+ 38»
150»
—
+ 85»
—
—
chlorobromid" CH,ClBr
„ chlorojodid" CH,C1J
„ bromojodid" CH,BrJ
Chloroform'"-""-""«» . . . CHCIs
Bromofomi '■"■"~'" CHBr,
Jodoform"""**—" CHJ,
Dichlorbrommethan *"■*'■" .... OIICI.Br
Chlordibrommethan*«" CHClBr,
Dicblorjodmethan""-" | CHC1,J
Tetrachlormethan ■■s->-i»-ii-**-«i-m CCI,
Tetrabronunethan"'*«-" ' CBr,
Trichlorbrommethan '■'■""** . . . i CCl,Br
Di chlordibrommethan«^ CCI,Br,
Dichlordijodmethan' CCIjJ,
:ate zu der Tabelle Nr. 29: ■ REaNAVLT, Aun. 33, 326 (1840). Jb. 1863.
- ' BuTLKHow, Ann. LH, 242 (1858); 120, 356 (1861). Ztechr. Chein. 1869,
1. eh. |3] 53, 313 (1858), — ' Pkbkim, Ztachr. Chem. 1888, 714. — * Gbeekk.
■end. 89, 11)77 (1879). — « Thobpk, Joum. Soc. 37, 195 (1880). — * Fob-
nn. eh.' [5] 28, 12ff. (1883). — ' AvB«k, Compt rend. 103, 1474 (1886). -
., Ann. 240, 225 (1887). — " Stbikeb, Ber. 7, 507 (1874). — " Rom,
[5] 30, 266 (1883). — " Pebkjh, Joum- Soc 46, 519, 527, 530, 533 (1884).
W. HoFHANH, Ann. US, 267 (1860). — ■■ Likbeit, Ztschr. Chem. 1868, 713.
EYER, Ber. 6, 1094 (1872). — '« Henbv, CompL rend. 101, 599 (1885). -
u, Joura. Soc. 41, 362(1882); 47, 198 (1885). — " Bebthelot, Bull. 20.3
- '* Schiff, Ano. 220, 95 (1883). — " Cbakcel u. Parmentieb, Compt renrf.
774 (1885). — "° DüMAH, Ann. eh. |2l 68, 115 (1834). — »' Loir, Compt rend.
(1852). — " Vgl. ferner die Citate auf S. 537—541. — " Löwia, Ann. 3.
2). — " IhTKAH, Ann. 16, 165 (1835). — " Cahoob«. Ann. 64, 351 (1848).
nn>Ei., Pogg. (N. F.) 18, .373 (1882). — " E. Scbmibt, Ber. 10, 1»3 (18771.
KO, Ann. 194, 28 (1878). - " GüSTivsoy, Jb. 1886, 588. — " Gühtbkk,
), 547 (1887). — "' BOÜCHARDAT, Ann. 22, 225 (18371. — " BAMKELgBEHfl,
low, Jb. 1867, 431. — " Butlehow, Ann. 114, 204 (1860). — " Caeemwub.
■end, 67, 1371 (1883); 98, 369 (1884). — " Luhtgabtk», Monatah. S, 715
- '• GoRBOFF u. KEBSLim, Ber. 17o, 67 (1884). — ■' Cottoh, Bull, 43, 423
- " MruiER, Rec. trar. chim. 7, 810 (1888), — '* BbOhiko, Ann. 104, 187
- " Jacobsen u. NEüMEiffTBB, BfiT, 15, 601 (1882), — " ZmoKE u. Kmel,
237 (1890), — " Levt u, Jbi>licei, Ber, 20, 2819 (1887), — " ScHwaoni-
Jb. 1856, 576, — ** Bobodih, Ann. 136, 239(1863). — " Dmus, Ann. 33.
0). — *• Haoem, Bull. 10, 355 (1868). — *' Gdbtavbon, Ztochr. Chem. 1871
" SohXffbb, Ber, 4, 369 (1871). — ** Hamilton, Joum. Soc 39, 48 (188U
LHL, Ber. 11, 2297(1878). — " Lobw, Zlachr, Chem. 1869, 624. — "Paibb**,
DihalogenderiixiU des Methans.
b- 1871, 269. — " Fbiedel u. Silva, Bull. 17, 538 (1812). — " vak't Hoff
0, 6te (1877). — " Abhhou), Aon. 240, 207 (18S7), — *• G«BTBii)iKisrEB, !
plijsik. Chem. 8, 529 (IS90t.
VaaserstofiF ersetzen; dieser Weg bildet die gewöhnliche Darstell
aethode fiir Methyleochlorid nnd Methyl enjodid. Um Methylencl
u erhalten, reducirt man Chloroform CHCIj in alkoholischer Li
uit Zink und Salzsäure, zur C^ewinuung von Methylenjodid re(
luiii Jodoform CHJ, mit Jodwasserstoff und Phosphor:
CHJ, + HJ = CH,J, + J,.
\«s Methylenjodid kann mau das entsprechende Chlorid und Bi
lurch Einwirkung von Chlor bezw. Brom erhalten:
CH,J, + 2Br, = CH,Br, + 2BrJ;
unterwirft man es der Einwirkung von Chlorjod oder Bromjod, sc
>lehen gemischte Halogenverbindungen:
CH,J, + JCl = CH,CIJ +J,.
Die Methylenhalogenide stellen Flüssigkeiten dar, welche in W
unifislich sind und süsslichen (reruch besitzen. Ihre Halogenatome
leicht austauschbar, z. B. in den Reactionen:
CHrF, + 2AgO-CO-CH, = 2AgJ + CH,(0-CO-CH,)„
CH,C], + 2NaOC,H. = 2NaCl + CH,(0-C,Hjl,-
Methylenchlorid ist zur Benutzung als Anas theticum empfohlen wot
hiil ):ich indess kaum B^ngang in die ärztliche Praxis verschafft. ~ Metl
jiKlid ist durch sein ausserordentlich hohes specitisches Gewicht (vj
Tiibelle Nr. 29 auf S. 536), das durch seinen hohen Jodgehalt (94
licilingt wird, interessant; es ist wohl von allen bekannten organi
Flüssigkeiten die schwerste; hierdurch wird es als Medium zur Trei
von Gesteinsbestandtheilen für raineralogische Untersuchungen* ui
im Gemisch mit wechselnden Mengen Benzol — zur specifischer
»iclitsbestimmung von Salzen (nach der Schwebemethode*) benutzt;
Die TrihalOf^ndertTate CHX^ (Halogen Verbindungen
Radicals Methenyl} sind bedeutend wichtiger; zwei derselben -
''hlüroform CHClj und das Jodoform CHJ^ — gehören bekannthi
den meistgebrauchten Arzneimitteln, das Chloroform findet überdi<
Lii^uiigsmittei manche gewerbliche Anwendung; ihre Gewinnung
'iiiber seit Jahren fabrikmässig betrieben.
Chloroform CHCl, (Trichlormethan, Methenylchlorid) i
l''')! gleichzeitig von Liebig' und Soubeiran* entdeckt. Zu i
technischen Darstellung* benutzt man meist die Einwirkung
' EicHBoLi u. Grdthee, Pharmac. Centralhalle 28, 431 (1887).
' Bumte, Jb. 1886, 2220.
' RrroEM, Zteehr. f, physik. Chcra. 3, 289 (1889).
' Ann. l, ]9fi. ' Ann. eh. [2] 48, 131.
' Vgl. Jahreebericbt f. chem. Technologie 1886, *27.
k auf verdünnten Alkohol; das in geeigneten Verhältnissen Iier-
GemiBch wird durch Wasaerdampf auf etwa 45" angewärmt;
[■mt sich dann weiter durch die Beaction selbst und geräth in's
zuweilen verläuft die Reaction sehr stiirmiach, so dass der Blaseu-
iberateigt, oder selbst Explosionen eintreten; man erhält ein
., das sich in zwei Schichten trennt. Die schwerere Schicht,
Chloroform, wird von der darüber stehenden wässrigen Schicht
, mit Wasser gewaschen, dann mit concentrirter Schwefelsäure
elt, wodurch andere Halogenverbindungen — gechlorte Aethane
ort werden sollen. Das so behandelte Chloroform wird dann
ich durch Kectificiren gereinigt. — Gegenwärtig benutzt man
i Alkohols vielfach Aceton •, welches in ähnlicher Weise der Ein-
des Chlorkalks unterworfen wird.
Bildung des Chloroforms aus Alkohol' hat man wahrscheinhch
dgende Reactionen zu erklären. Der Chlorkalk wirkt theils als
des, theils als chlorirendes Mittel, indem er zunächst den Alkohol
lyd:
2CH,-CH,-0H + Cii(CIO), = 2CH,-CH0 + CaCl, + 2H,0,
n Aldehyd in Trichloraldehyd (Cbloral) überführt:
2CH,-CH0 + 8Ca(C10), = 2CCI,-CH0 + 8Ca(0H),!
befindet sich nun in Gegenwart von Calciumhydroxyd und zer-
her — wie stets in Gegenwart von Alkalien — in Chloroforni
eiseusäure :
2CC1,-CH0 + Ca(OH), = 2CHa, + Ca(OCHO),.
icher Weise kann man zur Erklärung der Chloroformbildung aus
zunächst Entstehung von Trichloraceton CCl,-COCHg und dann
; desselben in Chloroform und Essigsäure annehmen.)
' Zerfall des Chlorals in Gegenwart von Alkalien:
CCI,CHO + H-OH = CnClj + CHOOH,
als letzte Phase der eben besprochenen Reaction angesehen wird,
;h fllr sich zur Gewinnung des Chloroforms benutzt. Das Chloro-
s Cbloral ist — frisch bereitet — reiner als das gewohnliche
rm, aber auch erheblich theurer,
Frankreich soll Chloroform durch weiteres Chloriren von Chlor-
ygi, S. 187) gewonnen werdend
i Chloroform ist eine farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit von an-
süsslichem Geruch (Constanten s. in der Tabelle Nr. 29 auf S. 536).
er ist es nur sehr wenig löslich; 1 Liter der gesättigten Lösung
bei mittleren Temperaturen etwa 7 g Chloroform. Das Chloro-
{1. OsMDOBP? u. Hessbl, Cheio. Industrie 14, 115 (1891).
icHAMP, Ann. cb. [S] 28, 347 (18S1).
TKQE, Schweiz. Ber. über die Klasse 45 der Pariser WeltaiuateUiuig IBS«
J90J, p. 43.
Chloroform. 539
form ist nicht brennbar; bringt man einige Tropfen am Glasstab in die
nichtleuchtende Gasflamme, so wird letztere leuchtend und grün gesäumt,
es treten Salzsäuredämpfe auf, aber nach dem Zurückziehen aus der
Flamme brennt das Chloroform nicht weiter. — Sein Dampf bewirkt
beim Einathmen fiewusstlosigkeit und Gefühllosigkeit; man benutzt diese
Eigenschaft heute bekanntlich allgemein für chirurgische Operationen.
Simpson* verwendete zuerst 1848 das Chloroform als Anästheticum und
schuf dadurch jene Operationsmethode, die seither zahllosen Menschen
Segen gebracht hat.
Das reine Chloroform ist nicht sehr haltbar; unter der Einwirkung
von Luft und Licht erleidet es eine allmähliche Zersetzung, durch
welche sich neben freiem Chlor und Salzsäure auch das sehr scharf
riechende Phosgen COCl, zu bilden scheint. Aus diesem Grunde ver-
wendet man f&r officinelle Zwecke nicht ein ganz reines Chloroform, son-
dern ein Präparat, das einen geringen Alkoholgehalt (bis zu 1 ^j^ be-
sitzt; durch den Alkoholgehalt wird die Haltbarkeit erhöht.
Die Chloratome des Chloroforms sind sehr reactionsfähig. In man-
chen Fällen gelingt es, sie gegen drei einwerthige Gruppen auszu-
tauschen, z. B. :
CHCla + SNaO-CjHs = CH(0C,H5), + SNaCl (vgl. S. 363),
CHClj 4- 3CeHe = CHCCeHj), + 3 HCl (in Gegenwart von AlClg).
Auch bei der Einwirkung der Alkalien, welche zur Bildung von Ameisen-
säure ftihrt, kann man wohl zunächst Austausch gegen drei Hydroxyl-
gruppen annehmen:
CHCla + 3H.0H = 3 HCl + CH(OH),
(JHOOH + HjO '
diese Ueberführung in Ameisensäure erfolgt sehr leicht beim Erhitzen
des Chloroforms mit alkoholischem Kali (daneben bildet sich auch Kohlen-
oxyd*); auf die Bildung von ameisensaurem Alkali ist es auch zurück-
zuführen, dass Chloroform aus FBHLiNG'scher Lösung beim Erwärmen
Kupferoxydul abscheidet s. — Beim Erhitzen mit wässrigem Ammoniak*
auf 200 — 225® wird Chloroform ebenfalls in Ameisensäure unter gleich-
zeitiger Bildung von Kohlenoxyd verwandelt*; dagegen entsteht beim
Erwärmen mit alkoholischem Ammoniak — rasch namentlich in Gegen-
wart von etwas Kali® — Blausäure, bezw. deren Salze:
CH Ci, + HaN + 3K.0H = CHN + 3KC1 + 3H,0.
Beim Erwärmen von Chloroform mit primären Aminen in Gegenwart
von alkoholischem Kali bilden sich die Isonitrile R-NC (vgl. S. 251);
das Auftreten des durchdringenden, widerwärtigen Isonitrilgeruchs kann
' Ann. 65, 121. * Gsutheb, Ann. 123, 121 (1862).
• Baudrmont, Ztßchr. Cham. ,1869, 728. * Heintz, Pogg. 98, 266 (1856).
^ Ahdr^, Compt rend. 102, 553 (1886).
• A. W. HoPMANN, Ann. 144, 116 (1867).
Bromoform, Jodoform,
ntificiruDg des Chloroforms und zur Prüfimg auf Chloroform be-
erden. Diese Isonitril-Keaction ist äusserst empfindlich; als das
[uemsten zugängUche primäre Amin verwendet man bei ihrer
mg Anilin CgHj-NHj, welches mit der auf Chloroform zu prfl-
Müssigkeit und alkoholischem Kali gemischt wird, worauf nach
n Erwärmen bei Gegenwart von Chloroform sich der charakteri-
G-eruch entwickelt (Tetrachlormethan giebt die Eeaction eben-
B einzige Wasserstoffatom des Chloroforms kann in manchen
len stibstituirt werden, so durch Chlor und Brom unter Bildung
rahalogenverbindnngen des Methans; bei längerem Erhitzen mit
'aucheuder Salpetersäure* liefert Chloroform geringe Mengen von
Irin C{NOj)Cl,.
rch Oxydation mit einer Mischung von Kaliumbichromat und
•irter Schwefelsäure' liefert Chloroform Phosgen COCl, in reicli-
[enge.
imofonn CHBt, ist eine dem Chloroform sehr ähnliche Flüssigkeit (Constanten
Tab. Nr, 29 auf S. 586). Man guwinnt es durch Einwirkung von Bromkalk
hol, von ürom in alkalischer Lösung auf Aceton, oder durch Spaltang von
nit Alkalien. Ea ist femer nicht Kelten als Verunreinigung im kfiuflicben
halten*. Mau hat es als llittel gegen Keuchhusten empfohlen*.
loform CHJ, ist 1822 von StsuiiLAs" entdeckt. Es entsteht aus
anzen Anzahl von Verbindungen der Fettreihe (Aethylalkobol,
Aldehyd etc.) unter der Einwirkung von Jod in Gegenwart von
i'; hierauf beruht die Jodoformreaction zam Nachweis des Aethyl-
(vgl. 8. 159) und die quantitative Bestimmung des Acetons im
olzgeist (vgl. S. 170). — Zur Darstellung des Jodoforms ^ giebt
1 allmählich zu einer gelinde erwärmten Lösung von Soda bezw.
le in verdünntem Alkohol; das abgeschiedene Jodoform wird
Mutterlauge, in welcher eine erhebliche Jodmenge in Form von
did nnd Alkalijodat zurückbleibt, durch Filtration getrennt Man
ese Jodmenge in der Weise nutzbar machen, dass man nach Zu-
1 neuen Mengen Soda und Alkohol das Jod durch einen lang-
yhlorstrom in Freiheit setzt, wodurch eine neue Abscheiduug von
n erzielt wird; zweckmässig ist es, die Fabrikation von Jodo-
it der Uewinnung von Jodkalium zu vereinigen nnd die Hutter-
auf letzteres Präparat zu verarbeiten, — Gegenwärtig beginnt
ie für die Chloroformdarstellung, auch f^r die Jodoform&brikation
:ohol als Ausgangsmaterial durch das Aceton zu ersetzen*; man
BiWT u. Merz, Ber. 8, 1298 (1B75). » Milw, Ann. 160, 117 (1811).
MMEBLtNO n. Lgnqibl, Ann. Suppl. 7, 101 (1669).
gl. Hehhahh, Ann. B6, 211 (1655).
rRPF, Phannac. Ceotralhalle 31, 111 (1890).
nn. oh. [21 20, 165; 22, 172 (1623); 26, 811 (1824).
iBBBK, Ann. Suppl. 7, 218, 377 (1670). « Vgl. Rotme, Jb. 1874, Sil.
gl. SuiLLioT n. a*.yiiAuti, Bull. [3] 1, 3 (1889).
Fluoroform. 541
fugt z. B. zu einer alkalisch gemachten Lösung von Jodkalium und
Aceton in Wasser allmählich eine Lösung von unterchlorigsaurem Natrium,
wodurch sofort die' Jodoformbildung eintritt:
KJ + NaClO = Ka + NaJO,
CaHeO + 3NaJ0 = CHJ, + CHaCOONa + 2NaOH .
— Erhebliche Mengen von Jodoform werden auf elektrolytischem Wege
gewonnen ^, indem man eine mit Alkohol bezw. Aceton versetzte wässrige
Lösung von Jodkalium unter Einleiten von Kohlensäure durch den elek-
trischen Strom zerlegt; das so gewonnene Präparat kommt als Jodofor-
mium absolutum in den Handel und wird besonders geschätzt. — Die
Bildung des Jodoforms aus Alkohol und Aceton hat man wohl durch
ähnliche Reactionen, wie die Chloroformbildung, d. h. durch intermediäre
Entstehung von Jodal CJj-CHO bew. Trijodaceton CJj-COCHg zu er-
klären (vgl. S. 538).
Das Jodoform krystallisirt in citronengelben Täfelchen, besitzt einen
durchdringenden, safranartigen, süsslichen Geruch und ist in Wasser
känm, in Alkohol massig, in Aether sehr leicht löslich. Es verdampft
merklich schon bei gewöhnlicher Temperatur, ist mit Wasserdämpfen
leicht flüchtig, kann aber fttr sich nicht ohne Zersetzung destiUirt wer-
den. Es findet bekanntlich als Desinficiens in der Wundbehandlung
ausgebreitete Verwendung; zwar ist nachgewiesen, dass Jodoform an sich
auf Bacterien keinen Einfluss ausübt; aber seine Wirksamkeit beginnt,
wenn es in eine Zersetzung geräth^, welche durch die fermentative Wir-
kung der Wundsecrete unter Mitwirkung der Körperwärme hervorgerufen
wird. Im trockenen Zustand sowohl wie in Lösung erleidet es am
Lichte ziemlich rasche Zersetzung'*.
Gemischte Trihalogenderivate des Methans (vgl. Tabelle Nr. 29 auf
S-536) sind in verschiedenen Reactionen erhalten worden, z. B.:
CBrClj.CHO + KOH = CBrCl,H + CHO-OK;
CHJ, + HgCl, = CHJCl, + HgJ,;
CH^Cl^ + JBr = CHJCl, + HBr .
Flnoroform^ CHFlg, gewinnbar durch Umsetzung zwischen Jodoform und
FhoiBÜber, ist ein fieurbloses Gas von chloroformähnlichem Geruch, das in Wasser
wenig löslich ist und sich unter einem Druck von 40 Atm. bei 20^ verflüssigt.
Tetrahalogen-Derirate CX^ (vgl. d. Tab. Nr. 29 auf S. 536). Tetra-
chlormethan CCl^ (Perchlormethan, Tetrachlorkohlenstoff) und
Tetrabrommethan CBr^ werden gewonnen, indem man im Chloroform
bezw. Bromoform das letzte Wasserstoffatom durch Halogen ersetzt*,
oder zweckmässiger, indem man Schwefelkohlenstoff der erschöpfenden
* Vgl. Chem. Fabr. auf Actien, Ber. 17 o, 624 (1884).
' Vgl. DE RtTYTEB, Vcrhdlgn. d. dtsch. Gesellsch. f. Chirurgie 1887, 124.
' Vgl. Dacoomo, Jb. 1886, 848; 1886, 316.
* Mbslahs, Compt, rend. 110, 717 (1890).
*Vgl. Pribdel u. Silva, Bull. 17, 537 (1872). — Habermann, Ann. 167,
^''^ (1873).
i
542 Tetroßhlor-, Tetrabrom-,
%
Einwirkung von Chlor ^ bezw. Brom* unterwirft, wobei man die Wirkung
der Halogene durch Zusatz von Antimonchlorid bezw. -bromid oder von
Jod erhöht. Die Ueberfuhrung von Schwefelkohlenstofif in Tetrahalogen-
derivate des Methans verläuft wahrscheinlich in verschiedenen Phasen^,
wie sie durch folgende Gleichungen ausgedrückt werden:
C^+Cl,
/SCI
/SCI
2C(<=S +C1,
\ci
- 2C^S +S,C1,,
\ci
C^i +C1,
\C1
« CCl,-SCi ,
2CC18-SC1 + Cl^
= 2CCl4 + S,Cl,;
die Verbindungen CSCl^ und CClg-SCl sind mit Sicherheit als Durch-
gangsprodukte der Reaction nachgewiesen.
Tetrachlormethan ist eine farblose Flüssigkeit von chloroformähn-
lichem Geruch; Tetrabrommethan krystallisirt in weissen glänzenden
Blättern*, riecht ätherisch und schmeckt süsslich.
Beim Erhitzen dieser Verbindungen mit alkoholischem Kali werden
alle Halogenatome vom Kohlenstoffatom unter Bildung von Kohlensäure
gelöst :
CBr^ + 6K0H = CO(OK), + 4KBr -I- 3H,0 ;
beim Erhitzen von Tetrachlormethan mit wenig Wasser*^ auf 250® (ebenso
bei der Einwirkung von Schwefelsäureanhydrid®) werden nur zwei Chlor-
atome durch Sauerstoff ersetzt, und es bildet sich Phosgen:
CCI4 + H,0 = COClj + 2HC1 ;
beim Erhitzen des Tetrachlormethans mit fein vertheilten Metallen (Silber*
oder Kupfer^) wird je einem Molecül ein Chloratom entnommen, und
zwei Reste — CCI3 , vereinigen sich zu Hexachlormethan:
2CCl4 4-Ag, = 2AgCl + CCls-CCl,.
* KoLBE, Ann. 45, 41 (1843); 54, 146 (1845). — A. W. HoFMAim, Ann. U5,
264 (1860).
> B0LA8 u. Gboves, Ztschr. Chem. 1870, 441; 1871, 432. Ann. 156, 60 (1870).
— IIöLAND, Ann. 240, 238 (1887).
» Vgl. Klason, Ber. 20, 2376 (1887).
^ Die Kristalle des Tetrabrommethanfl gehören nicht dem regulären System an,
was in theoretischer Beziehung im Hinblick auf seine durchaus symmetrische Structur
beachtenswerth erscheint; vgl. über Speculationen, welche sich an diese Thatsacbc
knüpfen, Le Bel, Bull. [8J 3, 790 (1890).
* H. Goldschmidt, Ber. 14, 928 (1881).
* ScHüTZENBERGER, Compt. reud. 69, 352 (1869). — Armbtbong, J. pr. [2] 1,
245 (1870).
' Radziszewski, Ber. 17, 834 Anm. (1884).
Tetrajod- und Telrafiuormethtm.
Tetrajodmetbani CJ4 wird ans Tetrachlormethan durch Einwirku
Alumini umJodid erhalten und kiyatallisirt in dunkelrothen Oktaedern; es
DubeeUndige Substanz und liefert schon durch Kochen mit Wasser Jodoform
Tetrafluormethan* CFl^ kann durch directe Vereinigur
Fluor mit Kohlenstoff erhalten werden; während es unmöglich ist,
mit Kohlenstoff durch directe Synthese zu verbinden, tritt zwiachec
und Kohlenstoff, wenn letzterer in leicht angreifbarer Form — al
oder leichte Holzkohle — angewendet wird, unter Feuererscheinm
eioigung ein. Tetrafluormethaa entsteht ferner durch Umsetzung zv
TetrachJormethan und Fluorsilber; es ist gasförmig and wird von al
schem Kali unter Bildung von Fluorkalium und Kaliumcarbonat abf
II. DUialogenderivate des Aethans and seiner Homolog
Allgemeine Zusammensetzung C^H^^Clg.
Unt«r den Dihalogenderivaten der Grubengas -Homologen I
je nach der Stellung der beiden Halogenatome zu einander drei G
unterschieden werden.
1. Die beiden Halogenatome haften an einem und demselben i
Stoffatom; typische Verbindungen:
CHCljCHj Aethylidenchlorid, CHg-CCIj-CHg Chloracetol.
2. Die beiden Halogenatome haften an zwei benachbarten Kohli
atomen; typische Verbindung:
CHjClCHjCl Aethylenchlorid.
3. Die beiden Halogenatome haften an zwei nicht direct an ei
gebundenen Kohlenstoffatomen; typische Verbindung:
CH,C1-CH,CH,C1 Trimethylenchlorid.
k. Verblndangen TOm Typns des Aethylldenchlorlds and
aeetols. Man gewisint die hierher gehörenden Chlor- und BTo
hindungen aus den Aldehyden bezw. Ketonen, indem man ihr
^toffatom durch Chlor bezw. Brom ersetzt:
CH.-CHO *- CH,-CHC1.,
CH,.COCH, >- CH,-CBi,.CH,;
es geschieht dies durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid ^,
pliorchlorobromid * PClgBr, oder auch Chlorkohlenoxyd " COClj.
Sie werden ferner häufig bei der weiteren Chlorirung bezw.
' GwTAvmx, Adu. 172, 113 (1874).
' Uoiaa.u(, Compt rend. 110, 276 (1890). — Güktz, ebenda, 279. — 1
ebenda, 273.
• Vgl. Rbboul, Ann. ch, [5] 14, 459 (1878). — Libpbicht, Ann. 103, 81
- FErsuEL, Ann. US, 236 (18591. — Frieiiei. u. LASKNBima, Ann. 142, 315
- BBDVLum, B«r. 8, 410 (1875|. — Oeconoxidbs, Bull. 3S, 493 (1881).
* P1TBB116 u. PiBATi, Ber. 6, 289 (1872). ^ Fk[Edel u. Ladenbubo, Ztschi
1868, 48. — Bbotuhts, Ber. 8, 406 (I87&).
' EcKBHBOTB, Ber. 18, 516 (1885).
1^
^f 1 —
544 Dih(dogenverbindungen vom Typus des
rung von HaJogenalkylen erhalten \ z. B. CHg-CHCl, aus CH^-CH^Cl.
CHj.CCljCHg aus CH3.CHCI.CH3.
Aus den Monohalogenderivaten der Aethylen- Kohlenwasserstoffe
C^HjQ_jX bilden sie sich zuweilen durch Anlagerung von Halogenwasser-
stoff«:
CH, : CHBr + HBr = CH, • CHBr, .
Aus den Acetylenkohlenwasserstoffen entstehen sie durch Anlagerung
von 2 Mol. Halogen Wasserstoff ' :
CH:CH + 2HC1 = CH,.CHC1^;
CH,.C:CH + 2HBr = CH, • CBr, • GH, ;
diese Hildungs weise wird als Darstellungsmethode für die Jodverbin-
dungen^ benutzt:
CHsCH + 2HJ = CH,.CHJ,.
Die drei letzterwähnten Beactionen sind insofern bemerkenswerth, als sie zeigen,
dass anter Umständen zwei Halogenatome einander möglichst nahe Plätze in einem
Molecül aufsuchen, während man vom Standpunkt elektrochemischer Anschauungen
im Gegentheil erwarten sollte, dass gleichartige Atome sich abstossen und dem-
nach möglichst entfernte Orte wählen. Der Verlauf dieser Beactionen hängt indess
wesentlich von den Bedingungen ah; während z. B. Isopropylchlorid bei gemat«-
sigter Einwirkung von Chlor im Sonnenlicht ein Gemisch von Propylenchlorid
CHjClCliClCH, und Chloracetol CHj.CCl,CHj liefert, in welchem letzteres vor-
herrscht, entsteht durch Einwirkung von Chlorjod bei höherer Temperatur lediglich
Propjlenchlorid*. Vinylbromid giebt mit sehr concentrirter Bromwasserstoffsfture
Aethylenbromid, mit einer weniger concentrirten Aethylidenbromid^
Die den Ketonen entsprechenden Dihalogenverbindungen sind ziem-
lich unbeständig; sie spalten sehr leicht ein Molecül Halogenwasser-
stoff ab, um in Monohalogenderivate der Aethylenkohlenwasserstoffe über-
zugehen. So erhält man schon bei der Darstellung des Chloracetols aus
Aceton und Phosphorpentachlorid ^ daneben Chlorpropylen in Folge der
XLßactiOTi *
CH,.CCl,.CHa-Ha = CH,:CC1.CH,.
Die höheren Glieder® zersetzen sich schon beim Sieden theilweise oder
vollständig in dieser Weise.
Die den Aldehyden und Ketonen entsprechenden Dihalogenverbindungen sind
im Allgemeinen wenig zu glatten Beactionen bef&higt; sie besitzen daher f&r die
• Vgl. Reonault, Ann. 33, 312 (1840). — Staedel, Ztschr. Chem. 1871, 197. Ann.
195, 183 (1878). — Peiedel u. Silva, Ztschr. Chem. 1871, 489.
• Reboül, Compt rend. 70, 398 (1870). Ann. eh. [5] 14, 466, 469, 482 (1HT8).
• Sajbakejeff, Ann. 178, 111 Anm. (1873). — Reboul, Ann. eh. (5| 14, 438,
465 (1878).
• Bebthelot, Ann. 132, 122 (1864). — Semenow, Ztschr. Chem. 1866, 72.5. -
Oppenheim, ebenda, 719.
^ Feiedsl u. Silva, Ztschr. Chem. 1871, 489.
• Reboul, Compt rend. 70, 398 (1870).
7 Fbiedel, Ann. 112, 286 (1859). — Fribdel u. Ladenbübo, Ann. 142, 315 (1867).
» Vgl. HsNBY, Ber. 8, 400 (1875). — Bruyijints, Ber. 8. 410 (1875). — Gik-
SECKE, Ztschr. Chem. 1870, 431.
Aethylidenehlorids und Chioracetols, 545
chemische Synthese nur geringe Bedeutung und werden selten dargestellt Als
Zwischenprodukte benutzt man sie für die S. 124—125 besprochene Darstellungs-
methode höherer Paraffine und die S. 459 und 462 erwähnte Gewinnungsweise von
Aoetylen-Homologen. Es genüge hier, die dem Acetaldehyd und Aceton correspon-
direnden Halogenverbindungen etwas näher zu charakterisiren.
Aethylidenchlorid^ (w Dichloräthan) CH, • CHCl, ist eine farblose, mit Wasser
nicht mischbare Flüssigkeit, siedet bei 57 • 7® und besitzt bei 10° das spec. Gew. 1 • 189.
Es ist in den Nebenprodukten enthalten, welche bei der Chloralfabrikation entstehen,
und bildet sich dabei wohl durch weitere Chlorirung von Chloräthyl. Es ist als An-
Sstheticum vorgeschlagen, hat aber keine Verbreitung gefunden.
Aethylidenbromid' CH,-CHBrg ist flüssig, siedet bei 110-5® und besitzt bei
21-5^ das spec. Gew. 2082.
Aethylidenjodid' CH,-CHJ2 ist eine Flüssigkeit, welche zwischen 177 und
179® nicht ganz unzersetzt siedet und bei 0° das spec. Gew. 2-84 besitzt
Chloracetol^ (CHg)2CCl2 («j Dichlorpropan) siedet bei 69-7®; spec. Gew. 1-097
115% — Bromacetol* (CH8)8CBr,: Siedepunkt 114—1160; spec. Gew. 1-848 (15<^).
- Jodacetol^ (CH8),CJj siedet unter starker Zersetzung bei 147— 148 ^
B. Verbindungen Tom Typus des Aethylenehlorids. Man ge-
winnt diese Verbindungen durch directe Vereinigung der Aethylenkohlen-
wasserstofFe mit den freien Halogenen:
CH,:CH, + Cl, = CHjCl-CHjCl : Aethylenchlorid
CHa-CH:CH, + Br, = CH,-CHBr.CH,Br ; Propylenbromid.
Wenn nach dieser Bildungsweise auch die Structurformeln der hierher gehören-
den Verbindungen als selbstverständlich erscheinen mögen, so bedürfen sie doch noch
einer besonderen Prüfung. Denn gerade der Umstand, dass die Additionsprodukte
der Alkylene die aufgenommenen Atome an zwei benachbarten Kohlenstoffiitomen ent-
halten, war ja in erster Linie dafür massgebend, das Vorhandensein einer Doppel-
bindung im Molecül dieser Kohlenwasserstoffe anzunehmen (vgl. S. 429—430). Eb ist
daher för die Theorie der ungesättigten Verbindungen von grösster Wichtigkeit, die
Constitutionsformeln von Verbindungen, wie Aethylenchlorid, Aethylenbromid , Pro-
pylenbromid, möglichst sicher zu stellen.
Dem S. 429 gegebenen indirecten Beweise für die Constitution des Aethylen-
ehlorids sei hier zunächst noch ein directer Beweis der Structurformel CHsBr-CHiBr
für Aethylenbromid zugefügt. Durch Austausch der beiden Bromatome gegen
^ Beilstein, Ann. 113, 110 (1860). — Kbamee, Ber. 3, 259 (1870). — Stadel,
Ber. 16, 2563 (1882). — Tollens, Ann. 137, 311 (1866). — BrüHL, Ann. 203, 10
11880). — ScHtPF, Ann. 220, 96 (1883). — Thorpe, Joum. Soc. 37, 183 (1880). —
PRniRAM a. Handl, Monatsh. 2, 650 (1881).
* A. W. Hopmann, Jb. 1860, 346 Anm. — Caventou, Ann. 120, 322 (186i).
~ Tawildarow, Ann. 176, 12 (18^5). — Denzel, Ann. 196, 202 (1879). — ANsontJTz,
Ann. 221, 137 (1883). — Perkin, Joum. Soc. 46, 523 (1884). — Henry, Compt
rend. 97, 1492 (1883). — Porcrand, Ann. eh. [6] 28, 30 (1883).
* ausTAVsoH, Ber. 7, 731 (1874). — Fribdel, Ber. 7, 823 (1874).
* Friedel u. Ladenbüro, Ann. 142, 315 (1867). Ztschr. Chem. 1868, 48. —
LiKNEKANN, Ann. 161, 67 (1871). — Friedel u. Silva, Compt. rend. 74, 806 (1872).
— Perdn, Joum. Soc. 46, 529 (1884). — Spring, Ber. 14, 758 (1881).
^ LnrNEXANN, Ann. 138, 125 Anm. (1866); 161, 67 (1871). — Friedel u. Laden-
Buso, Ztackr. Chem. 1868, 48. — Perkin, Joum. Soc. 46, 524 (1884).
^ Oppenheim, Ztschr. Chem. 1866, 719. — Semenow, ebenda, 725. — Sorokin,
ebenda 1871, 264.
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Constitution der Alkylenkcdogenide, 547
Citate zn der Tabelle Nr. 30: * Limpbicht, Ann. 94, 245 (1845). — " Thobpe,
Joum. Soc. 37, 176, 182 (1880). — » Stadel, Ber. 15, 2563 (1882). — * Brühl,
Ann. 203, 10 (1880). — * Schipp, Ann. 220, 96 (1883). — « Fobcrand, Ann. eh. [5]
28, 27 (1883). — ' Hagen, Bull. 10, 355 (1868). — • Perkin, Joum. Soc. 45, 520 flP.
(1884). — • Bronault, Jb. 1863, 74. — " Tawildarow, Ann. 176, 14 (1875). —
" Anschütz, Ann. 221, 136 (1883). — " Schorlemmer, Ann. 150, 214 (1869). —
» Cahoürs, Ann. 76, 282 (1850). — " Keynolds, Ann. 77, 114 (1851). — " Linne-
MANN, Ann. 136, 52 (1865); 161, 41, 53 ff. (1872). — »• Niederist, Ann. 196, 358
(1878). — " Zander, Ann. 214, 175 (1882). — " Wurtz, Ann. 152, 23 (1869). —
" GrRARowBKT u. Saytzew, Ann. 179, 330 (1875). — *® Scheschükow, Ber. 17o, 415
(1884). — «1 WüRTZ, Ann. 144, 236 (1867). — " Linnemann u. Zotta, Ann. 162, 33
(1871). — »» Wagner u. Saytzew, Ann. 179, 308 (1875). — «* Kondakofp, Ber. 21o,
439 (1888); 24, 930 (1891). — " Hell u. Wildermann, Ber. 24, 216 (1891). —
»Kbafpt, Ber. 17, 1371 (1884).
Hydroxyl erfafilt man das Gljkol CsH4(0H)2, in letzterem kann man durch Erhitzen
mit Salzsäure wieder eine Hydroxylgruppe durch Chlor ersetzen und so zu dem
/Gl
Glykolchlorfaydrin C^H«^ gelangen:
.01
CABrj >- CÄ(OH), >- C,H4< ,
\0H
in welchem die Stellung des Chloratoms und der Hydroxylgruppe der Stellung der
beiden Bromatome im Aethylenbromid entsprechen muss; von den beiden möglichen
Formeln:
CH,a . CH,(OH) und CH, • CH<f
^OH
wird nun die erste bestätigt, die zweite dagegen vollkommen ausgeschlossen durch
das Verhalten des Glykolchlorhydrins bei der Oxydation mit Chromsäuregemisch,
welche zur Bildung von Chloressigsäure:
CH,C1.C0,H
^rt^ Ueberdies liefert Aethylenbromid auch direct durch Oxydation mit Salpeter-
säure Bromessigsäure» CH,Br.CO,H.
Da bei der Addition von Jodwasserstoff an Propylen Isopropyljodid CH, • CHJ- CHg
entsteht', eines der fixirten Atome also das mittelständige Kohlenstoffatom aufsucht,
so muss auch das durch Addition von Brom an Propylen entstehende Propylen-
bromid ein Bromatom am mittelständigen KohlenstofFatom enthalten. Es sind dem-
nach nur zwei Formeln möglich:
CHsCBrj.CH, und CH^BrCHBrCHj,
von denen aber die erste schon dem Bromacetol wegen seiner Beziehungen zum Aceton:
CHjv CH,v
>C0 >- >CBr,
CHg/ CH/
zugeschrieben werden musste (vgl. S. 545.). Für das vom Bromacetol durchaus ver-
schiedene Propylenbromid ergiebt sich demnach die Formel:
CHjBrCHBrCH,
' Kriwaxik, Ztschr. Chem. 1871, 264. * Kachler, Monatsh. 2, 559 (1881).
■ £bleiimeteb, Ann. 139, 228 (1866). — Bütlerow, Ann. 145, 275 (1867).
35*
Rtactionen der
1, die femer dadurch bestätigt wird, das8 ea sowohl ans oonnalein Pru-
rie auch aus leopropjlbromid durch weitere Bromirung entsteht',
ibelle Nr, 30 auf S. 546 giebt eine ZusainmeiisteUung hierher
Ihloride und Bromide. Die Verbindungen sind farblose Flüasig-
besitzen meist einen angenehmen ätherischen Geruch, welcher
leren Eeiben weniger hervortritt.
Gegensatz zu den selten gebrauchten isomeren Verbindnngeu
des Aethylidenchlorids (vgl, S. 544 — 545) sind diese Dihalogen-
en für synthetische Arbeiten von der grössten "Wichtigkeit;
las Aetbylenbromid CH,Br-CHjBr wird ausserordentlich häuäg
und vielfach verwendet.
P^erth dieser Dibromide besteht namentlich darin, dass sie
;ang von den einwerthigen zu den zweiwerthigen Verbindungen
Indem wir z. B. von dem einwerthigen Aetbylalkohol aus-
sen durch Waaaerentziehung in Aethylen verwandeln und letz-
Brom vereinigen:
CHjOII CH, GH,-Br
CH, CH, CH,— Br'
urch zwei glatt verlaufende und leicht ausfilhrbare Reactionen.
dich zu einer Operation zusammengezogen werden (vgl. S. 5.i(i).
Kweiwerthigen Verbindung gelangt, welche nun in Folge der
ibigkeit ihrer Halogenatome in zahllose andere zweiwerthig?
»en verwandelt werden kann:
C,H,Br, + 2H,0 = 2HBr + C,H,{OH)„
0,H,Br, + 2NH, = C,HjNH,),.2HBr,
C,H,Br, + 2KCN = 2KBr + C,H,(CN)„
C,H«Br, + 2K8H = 2KBr + C,H,(SH)( u. a. w.
erwendbarkeit für solche Reactionen, durch welche die beiden
ime gegen zwei andere einwerthige Reste ausgetauscht »er-
, wird freilich dadurch etwas beeinträchtigt, dass die V>\\ao-
■ der Einwirkung mancher Beagei>tien leicht Bromwassenituff
um in die wenig reactionsfahigen Iifonohalogenderivat«? iler
fgl. S, 470—471) überzugehen:
CH,Br.CH,Br— HBr = CH,:CHBr.
, man z. B., wenn man Äethylenbromid C^H^Br, in Glykoi
umwandeln will (vgl. S. 566), meist einen beträchÜichen Theil
enbromids durch die Bildung von Vinylbromid CjHjBr; bei
kung von wässrigem' oder alkoholischem Aetzkali erhält man
)ezw, Acetylen, vgl, S. 454) ausscbliesshch, bei der Einwirkung
isaurem AlkaU entsteht sowohl Vinylbromid wie Glykol, bei
DUNH, Ann. 136, 52 (1865); 161, 41 (1872).
nfBVBST, Ana. 192, 240 (1878).
Alkylenhatogenide.
iigerem Srhitzen mit Wasser' allein aaf 100" oder mit Silbercar
[k1 Wasser auf 55" erhält man Glykol in reichlicher Menge.
Durch die eben erwähnte Eigenschaft, leicht 1 Mol. Halogene
toff abzuspalten, erhalten diese Verbindungen indess in anderer
lüg Bedeatung, indem sie Ausgangspunkte zur Gewinnung 1
lalogeoderivate werden. Denn die durch diese Abspaltung ent
en Monohalogenderivate vermögen als ungesättigte Verbindungen
Mol. Halogen zu fixiren, um in gesättigte Trihalogenderivate
iigehen , welche ihrerseits nun wieder durch Abspaltung von
{(tlogenwasser Stoff und darauf folgende Anlagerung von 1 Mol. S
Cetrahalogeriderivate liefern u, s. w. So kann man vom Aethylenl
i. B. durch eine Reihe von Zwischenstufen bis zum völlig brc
.\eUiylen und Aethan gelangen:
CHjBrCHiBr -»- CH,:CHBr
CH,Br-CHBr, »- CH, : CBr,
-*' — ■ "
CHjBr.CfBr, >■ CHBr:CBr,
CHBr.-CBr, »- CBr,: CBr,
CBr, -CBr,
Beim Erhitzen der Alkjleubromide mit Waaser allein* auf höhere Ten
oder mit Wasser in Gegenwart von Bieioxyd* oder Silberoiyd* hat man hS
Reactionsprodukte nicht die zu erwartenden Glykole, sondern Htattdeiwen A
hfxv. Ketone erhalten, z. B. Aeetaldehjd aus Aethylenbromid. Es erklärt s
ilidnrch, dass entweder das Alkjlenbromid zunächst in Bromalkylen übei^egi
ist. und letzteres nun in Beaction getreten iat:
CH,Br CH, CB, CU,
CH^Br CHBr ^ CH(OH) CHO'
iHfr daas die primSr gebildeten Gtjkole durch Abspaltung von Wasser in d
tyde verwandelt sind (vgi. S. 475—476, 565):
CH,Br CH,COH) CH, CH,
CH,Br CH,(OH) CH(OH) CHO "
Bei der Einwirkung von Reductionsmitteln* verlieren die Ä
bromide leicht ihr Brom, um in Alkylene überzugehen (vgl. S. 439-
__ CH,-CHBr.CH,Br + 2H = CH,CH: CH, + 2HBr.
' NsDBum', Ann. 196, 354 1,1678). ■ BsiutTeiM a. Wiboahd, Ber. IB, 136:
* CuuüB, Ann. 131, 172 (1864). — Linbmakn, Ann. 181, 58 (1872). -
!u!o.- n. ZoiT*, Ann. 163, 33 (1811). — NIobli, Ber. 16, 2983 (1883).
' Eltmow, Ber. 6, 558 (1873). — Nbvoi-b, Ber. 9, 447 (1876),
' BnwTMji u. WiRQAND, Ber. 16, 1388, 1496 (1882).
' OuDarotni n. Tbibe, Ber. 7, 364 (1874). ~ Liknbuakn, Ann. 161, 5(
^- 10, 1113 (1877).
550 Aethylenrchlorid, -hromid, -Jodid.
unter den einzelnen Dihalogenderivaten der Paraffine besitzt das Aethylen-
chlorid ein historisches Interesse, da die Bildung dieser öligen Flüssigkeit durch
die Vereinigung der beiden Gase Aethylen und Chlor, welche übrigens ziemlich lang-
sam von statten geht, schon frühzeitig (1795) von vier holländischen Chemikem be-
obachtet wurde; die Verbindung wurde daher früher das ^^Oel der holländischen
Chemiker" genannt (vgl. S, 436-437, 446).
Das Aethylenbromid CHjBr'CHjBr (öw' Dibromäthan) wird, wie schon S. 5i8
erwähnt ist, sehr häufig im Laboratorium für synthetische Zwecke verwendet; da es
für viele Stoffe ein erhebliches Lösungsvermögen besitzt, leicht erstarrt (bei +8°) und
unzersetzt siedet (bei 131^), so leistet es auch als Losungsmittel für Moleculargewichts-
bestimmungen nach der Gefrier- oder Siedemethode gute Dienste*. Neuerdings ist seine
Anwendung für medicinische Zwecke als Anti-Epilepticum vorgeschlagen worden '. In
grösseren Gaben wirkt es als Herzgift; man hat sich daher sehr vor Verwechslungen mit
dem als Narkoticum benutzten Aethylbromid (vgl. S. 187—188) zu hüten, wie sie beider
Aehnlichkeit der Namen leicht verkommen können und in einigen Fällen zu beklagens-
werthen Folgen gefuhrt haben*. — Zur Darstellung* des Aethylenbromids lässtman
das nach der auf S. 446 gegebenen Vorschrift entwickelte Aethylengas in massigem
Strome durch Brom streichen, welches mit etwas Wasser überschichtet ist; man bringt
das Brom zweckmässig in Absorptionsflaschen, deren Kappen eingeschliffen sind, um
Korkverbindungen zu vermeiden, schaltet zwei Flaschen — mit je 100g Brom beschickt
— hintereinander und stellt sie während der Operation in kaltes Wasser. Die Absorp-
tion erfolgt sehr rasch; man erkennt den Fortgang der Beaction daran, dass das
Brom allmählich entfärbt wird und sein Volum vergrössert; wenn schliesslich die
Bromschicht in eine fast farblose ölige Flüssigkeit verwandelt ist, unterbricht man
das Einleiten, wäscht das Oel mehrmals mit Wasser imd schwacher Natronlauge und
reinigt es schliesslich durch Bectificiren.
Die Alkylenjodide CqHjqJs sind unbeständige Verbindungen. Aethylen-
jodid^ CHsJ-CHgJ bildet farblose Nadeln, schmilzt bei 81—82^, zersetzt sich bei
85^ unter Abscheidung von Jod und besitzt einen starken, zu Thränen reizenden
Geruch. Propylenjodid« (w« Dijodpropan) CHa.CHJ-CHjJ (vgl. Allyljodid S. 472
—473) ist eine farblose Flüssigkeit vom spec. Gew. 2-49 bei 18 «5®.
C. Verbindungen vom Typus des Trimethylenehlorids. Diese
Verbindungen, in deren Molectilen die Halogenatome an entfernteren
Stellen des KohlenstoflFgerüsts haften, sind mindestens ebenso reactions-
fähig, wie die isomeren, im vorigen Abschnitt besprochenen Verbindungen
vom Typus des Aethylenchlorids. Sie würden zweifellos eine ausgebreitete
Verwendung für synthetische Arbeiten finden, wenn nicht leider ihre
Darstellung vorläufig eine verhältnismässig mühsame wäre.
Den Ausgangspunkt zur Gewinnung der Trimethylenhalogenide
XCHj-CHj-CHgX bildet das Trimethylenbromid , welches man durch
* Vgl. Beckmann, Ztscbr. f. physik. Obern. 6, 472 (1890).
« Donath, Pharmac. Centralballe 32, 277 (1891).
» Vgl. Pharmac. Centralballe 30, 105 (1889).
^ Vgl. Erlbnmeyeb u. Bxtnte, Ann. 163, 64 (1873). — Eklenmsybr, Ann. 192,
244 (1878).
* Reonault, Ann. 15, 67 (1835). — Semenow, Zeitschr. Chem. 1864, 674. —
SoBOKiN, Zeitschr. Chem. 1870, 519. — Akonsteen u. Kramps, Her. 13, 489 (I880i.
* Berthelot u. Luca, Ann. 92, 311 (1854). — Malbot, Ann. eh. [6] 19,
348 (1890).
k
Trimethylen^chlorid, -bromid, -Jodid. 551
idition von Bromwasserstoff an Allylbromid erhalten kann. Da diese
leaction in zwei Richtungen verlaufen kann:
_^ CH,.CHBr.CH,Br
CH,:CH.CH,Br + HBr = ^""^ ,
"^»^ CHjBrCHj.CHjBr
) koniint es für die Gewinnung des Trimethylenbromids auf die Ein-
altung bestimmter Bedingungen^ an; wenn man das Allylbromid bei
iederer Temperatur mit Bromwasserstoff sättigt, dann im verschlossenen
Jefass bei 35 — 40^ stehen lässt und das Sättigen und Stehenlassen so
ange wiederholt, bis der Bromwasserstoff nicht mehr absorbirt wird, so
'rhält man fast die theoretische Ausbeute an Trimethylenbromid, wel-
L'hes völlig frei von Propylenbromid ist. — Trimethylenchlorid und -Jodid
werden aus dem Bromid durch Umsetzung mit Quecksilberchlorid bezw.
Jodkalium oder Jodnatrium oder aus dem entsprechenden Glykol (vgl.
S. 569) durchErhitzen mit Chlor- bezw. Jodwasserstoffsäure gewonnen.
Trimethylenchlorid**' CH,Cl-CHt'CH,Cl (ww' Dichlorpropan) ist eine an-
genehm riechende Flüssigkeit; siedet bei 120^ und besitzt bei 18^ das spec. Gew.
1190. — Trimethylenbromid»-* CH,Br.CH,.CH,Br siedet bei 165<> und besitzt
bei 17® das spec. Gew. 1-974; durch Kochen mit Wasser wird es fast quantitativ
m Trimethylenglykol übergeführt, mit alkoholischem Kali liefert es AUyläthyläther;
schon bei gelindem Erhitzen mit Zinkstaub und Alkohol wird ihm das Brom unter
Bildung von Trimethylen entzogen; beim Stehen mit Aluminiumbromid lagert es
sich in gewöhnliches Propylenbromid um. — Trimethylenjodid"** CHjJ-CH,«
Cllfi bleibt noch bei —20® flüssig, siedet bei 224® und besitzt bei 15® das spec.
ßew. 2-576.
Die Constitution des Trimethylenbromids muss, da von den vier überhaupt
möglichen Formeln einer Verbindung CgH^Br,:
CHBr, CHs CH, CH,Br
I I I I
CH, CBr, CHBr CH,
'II'
CH, CH, CH,Br CH,Br
<lie drei ersten schon fiir das Propylidenbromid , Bromacetol (S. 545) und Propylen-
bromid (S. 546 — 547) als richtig erkannt sind, das Trimethylenbromid aber ver-
schieden von diesen Verbindungen ist, durch die vierte Formel ausgedrückt werden,
welche sich auch seiner Entstehungsweise und seinen Umwandlungen aufs Beste
anpasst
Unter den isomeren Dihalogenderivaten C,HeX, zeigen die Trimethylenverbin-
dungen den höchsten Siedepunkt; darauf folgen die Propylenverbindungen, dann die
Propyliden Verbindungen, während die dem Aceton entsprechenden Substanzen am
flfichtigsten sind.
* Reboül, Ann. eh. [5] 14, 470 (1878). — Lermomtoff, Ann. 182, 858 (1876). — |
Erlewoteb, Ann. 197, 16» (1878). — Bora, Ber. 14, 1851 Anm. (1881). '
' Reboul, Ann. eh. [5] 14, 460, 470 (1878).
* Fbeühd, Monatsh. 2, 688 (1881).
* Geromokt, Ann. 158, 370 (1871). — Zandbb, Ann. 214, 176 (1882). — Nie-
DEWOT, Monatsh. 3, 838 (1882). — Güstavson, J. pr. [2] 36, 300, 303 (1887). —
Beimtbik u. Wiboahd, Ber. 15, 1497 (1882).
* FEBEor, Ber. 18, 221 (1885). — Henbt, Ber. 18, 519 (1885).
552 Tetra/mstkylenbromid, PenfcMnethylenbromid.
Infolge der Bildung des Trimethjlenbromids aus AUjlbromid sind die Tri
methylenverbindungen noch cinigcrmassen leicht zugänglich; sehr mühsam zu ertiAlt^i.
und daher noch wenig bekannt sind Verbindungen , deren Ualogenatome durch *^
grössere Zahl von Methylengruppen getrennt sind.
Tetramethylenbromid» (ww' Dibrombutan) CH,BrCH,.CH,.CH,Br tSied?
punkt 188 — 190^) gewinnt man, indem man das aus Aethjlenbromid erhaltlirh«
Aethjlencyanid zu einem Diamin reducirt, dieses Tetramethylendiamin durch ba'
petrige Säure in das entsprechende Glykol verwandelt und letzteres mit Brr^u-
Wasserstoff erhitzt:
CH,Br CHjCN CH^CH^NHa CHjCHgOH CH..Clf.JBr
CHjßr CHjCN CH,.CH,.NH, CH^CHjOH CH^Ch^r
— Ein Homologes — j'-Pentylenbromid* {10^ Dibrompentan) CH,-CHBrCH.
CHj.CHjBr (Siedepunkt 202®) — wurde aus dem y-Pentylenglykol (vgl. S. 5i0i n-
halten. *— Die analoge Stellung der Halogenatome findet sich wahrscheinlich auch ii-
den Produkten, welche durch Anlagerung von Halogen Wasserstoff an Diallyl' iv/i
S. 465) entstehen:
CH,:CH.eH,.CH8.CH:CHs + 2HCl = CHa.CHCl.CHj.CHj.CHCl.CH,.
Pentamethylenbromid* (ca«' Dibrompentan) CH,Br-(CH,),-CH,Br (Siede-
punkt 204—206®) kann aus dem Trimethylcnbromid durch dieselbe Folge von Hem-
tionen gewonnen werden, wie das Tetramethylenbromid (s. oben) aus Aethjlenbromid.
III. Dihalogenderlyate der ungesSttl^n Kohlenwasserstoffe.
Unter diesen weniger wichtigen und in nicht sehr grosser Zahl bekannfen Vcr-
bindungen seien nur die Substitutionsprodukte des Aethylens hervorgehobeo; sn^
können in zwei isomeren Formen auftreten, welche man zweckmässig als ajmmetnsch'
und unsymmetrische Derivate unterscheidet:
CHX : CHX CH, : CX,
symmetrisch un^mmetrisch.
Von den symmetrisch constituirten Verbindungen ist namentlich das Di bro in •
äthylen* CHBr:CHBr (Acetylendibromid) genauer untersucht Man kann f^
durch Vereinigung von Acetylen mit Brom erhalten, wenn man verdünnte Brom
lösungen anwendet und stets für das Vorhandensein von überschüssigem Acetrleii
sorgt; zweckmässiger gewinnt man es aus Acetylentetrabromid CHBrj'CHBr,, indeni
man letzterem durch Einwirkung von Zink und Alkohol zwei Bromatome entzieht.
Es ist eine farblose Flüssigkeit, riecht chloroformähnlich, erstarrt nicht bei -l'^-
siedet bei 110® und besitzt bei 17 «5® das spec Gew. 2-271. Zu doppelten Um-
setzungen, in denen beide Bromatome gegen einwerthige Reste ausgetauscht werden.
ist es nicht befähigt; es spaltet leicht Brom Wasserstoff unter BUdung von Brow-
acetylen ab; mit Brom vereinigt es sich zu Acetylentetrabromid. — Das symme-
* GüSTAVsoN u. Demjanoff, J. pr. [2] 39, 542 (1889).
* Lipp, Ber. 22, 2570 (1889).
» WiTRTz, Ann. eh. |4| 3, 158 (1864). — Sorokik, J. pr. [21 23, 17 (1880).
Dehjanoff, Ber. 23 o, 326 (1890).
* GüSTAVsoN u. Devjanoff, J. pr. \2\ 39, 542 (1889).
■^ Sabanejbw, Ann. 178, 115 (1873); 216, 251 (1882). Ber. 18o, 374 (1885).
WEaEB, Ann. 221, 72 (1883). — Anschütz, Ann. 221, 141 (1883).
i
Dihalogenderivate des Aethylens, 553
Tische Oijodäthylen^ CH J : CH J (Acetylendijodid) wird durch Vereinigung
on Acetylen mit Jod erhalten, bildet dünne Nadeln von intensivem Greruch, schmilzt
>ei 73 *> und siedet bei 192 ^
W&brend diese Verbindungen ohne Veränderung aufbewahrt werden können,
Tleiden die unsymmetrisch constitnirten Isomeren bei Luftzutritt sehr rasch Poly-
merisation. Man gewinnt sie aus den Halogenadditionsprodukten der Vinylhalogene
iuTch Bromiirajsserstoffentziehung, z. B.:
CHjiCHBr + Br, = CH^BrCHBr,,
CHjBrCHBr, - HBr = CH« : CBr, .
l>as unsymmetrische Dichloräthylen* CHg : CGI, ist eine knoblauchartig
riechende Flüssigkeit, siedet bei 37** und besitzt bei 15® das spec. Gew. 1'25. —
Unsymmetrisches Dibromäthylen" CHj : CBr, siedet bei 91 — 92* und zeigt bei
21® das spec. Gew. 2-178. Es besitzt die höchst merkwürdige Eigenschaft, den Sauer-
stoff der Lnft zu absorbiren, um in eine Verbindung CgHsBrjO überzugehen, welche
mchts anderes als Bromacetylbromid CH^Br-COBr ist^ und demnach die beiden
Bromatome, die vorher an einem Kohlenstoffatom hafteten, auf beide Kohlenstoff-
atome vertheilt enthfilt Vielleicht erklärt sich dieser sonderbare Vorgang derart,
(hss ein Molecül Dibromftthylen einem zweiten Molecül Bromwasserstoff entzieht und
letzteren zugleich mit einem Sauerstoffiitom addirt:
CH, CHj CH CHjBr
II + 0 + Jl = ^! + I
Cßrj CBr, ÖBr CBr.OH
es wurde sich eine unbeständige Verbindung bilden, welche durch Bromwasserstoff-
Abgabe in Bromacetylbromid übergehen müsste, und durch die Aufnahme des ab-
gespaltenen Bromwasserstofis könnte das in der ersten Phase gebildete Bromacetylen
wieder in Dibromacetylen verwandelt werden:
CH CH,Br CH, CH,Br
CBr CBrjOH CBr, COBr
lY. Trlhalogenderlyate.
Für Trihalogenderivate des Aethans ergeben sich zwei Isomerief^lle als
möglich:
CHjXCHX, und CHg-CXg.
Die Verbindungen der ersten Art bilden sich durch Addition der Halogene an
die Vinylhalogene:
CH, : CHBr + Br, = CH,Br.CHBr„
femer durch weitere Chlorirung bezw. Bromirung der Alkylenhalogenide :
_ CH,C1.CH,C1 + Cl, = CH,C1CHC1, + HCl.
* Berthelot, Ann. 132, 122 (1864). — Sabanejew, Ann. 178, 118 (1873); 216,
*-i'<5 (1882). — PLmpTON, Journ. Soc. 41, 391 (1882). — Patebnö u. Peratoneb, Ber.
24o, 152 (1891).
* Rbonault, J. pr. 18, 82 (1838). — Krämbe, Ber. 3, 261 (1870). — Henry,
^'ompt rend. 97, 1492 (1883). — Engel, Compt. rend. 104, 1624 (1887).
* Sawitsch, Ztschr. Chem. 1860, 744; 1861, 1. — Fontaine, Ann. 156, 260
(1870). - Tawildabow, Ann. 176, 23 (1875).— Sabanejew, Ann. 216, 255 (1882). —
AsscHüTz, Ann. 221, 142 (1883). — Henry, Bull. 42, 262 (1884). Compt. rend. 97,
1493 (1883).
* Dmole, Ber. 11, 316, 1307 (1878); 12, 2245 (1879). Bull. 29, 205 (1878); 34i
201 (1880). -Michael, Ber. 16, 2499 (1888). — G. Wagner, Ber. 21, 8356 (1888).
554 TViJuüögenderivcUe des Aßthans, Äethylens, Propans,
Sie spalten leicht Ilalogenwasserstoff ab, um in die unsymmetrischen Dihalogenderi-
vate des Aethylens überzugehen (s. S. 553). — Chloräthylenchlorid^ CH,C1-CHC1^
(Vinjltrichlorid, (ucü^-Trichloräthan) findet sich unter den Nebenprodukten
der Chloralfabrikation ; es siedet bei 114^ und besitzt bei 9^ das spec. Gew. 1*458. —
Bromäthylenbromid* CHsBrCHBr, siedet bei 188<> und besitzt bei 18' das
spec. Gew. 2-619.
Das Chlorderivat der zweiten Form — Chloräthylidenchlorid' CHj-CClj
(Methylchloroform, w Trichloräthan) — wird durch Chlorirung von Aethyliden-
chlorid erhalten, siedet bei 74® und besitzt bei 0® das spec. Gew. 1*346; durch Ein-
wirkung von alkoholischem Kali wird es in Essigsäure übergeführt. — Die ent-
sprechende Jod Verbindung — Methyljodoform* CHg-CJa — entsteht daraus durch
Plin Wirkung von Aluminiumjodid, bildet gelbe Oktaäder und schmilzt bei 95 ** anter
Zersetzung.
Trihalogenderivate des Aethylens sind nur in einer Modifie-ation:
CHX : CX,
denkbar; zu dieRcn Verbindungen gelangt man vom Acetylen aus, indem man den
Halogenadditionsprodukten desselben (s. S. 555) Halogenwasserstoff entzieht:
CH : CH + 2 Cl, = CIICl, . CHCl, ; CHCl, • CHC1,-HC1 = CHCl : CCl, ,
oder von den Dihalogenderivaten des Aethylens (S. 558), indem man sie gleichfalls
zunächst mit Halogen verbindet und dann wieder Halogenwasserstoff abspaltet:
CH, : CBr, + Br, = CHjBr-CBrj ; CH.BrCBr,— HBr = CHBr : CBr, .
Trichloräthylen» CHC1:CC1, siedet bei 87— 88^ — Etwas genauer untersucht
ist das Tribromäthylen« CHBriCBr^, welches bei 163—164« siedet und bei 20®
das spec. Gew. 2*708 besitzt; ähnlich dem unsymmetrischem Dibromäthylcn (8.553)
geht es durch Absorption von Sauerstoff in Dibromacetylbromid CHBr,*COBr über.
Unter den Trihalogenderivaten des Propans sind die Verbindungen von
der Structur
CH,X.CHX*CH,X
hervorzuheben. Da die Stellung ihrer Halogenatome der Stellung der Hydroxyl-
gruppen im Glycerin CH8rOH)*CH(OH)*CH,(OH) entspricht, so sind sie aus dem
Glycerin gewinnbar, indem man seine Hydroxylgruppen gegen Halogenatome aus-
tauscht; zwei Hydroxylgruppen werden bereits bei der Einwirkung von concentrirten
Halogenwasserstoffisäuren auf Glycerin ausgewechselt; iu den so entstehenden Di-
» Rbqnault, Ann. eh. [2] 69, 153, 159 (1888). — Krämer, Ber. 3, 261 (1870). -
Pierre, Ann. 80, 127 (1851). — Schiff, Ann. 220, 97 (1883). — Brünner u. Bbak-
DENBüRO, Ber. 10, 1496 (1877); U, 61 (1878). — Staedel, Ber. 16, 2563 (1882). —
Engel, Compt. rend. 104, 1624 (1887).
• WuRTz, Ann. 104, 243 (1857). — Simpson, Jb. 1857, 461. — Caventou, Ann.
120, 323 (1861). — Glöckner, Ann. Suppl. 7, 108 (1869). — Tawildaeow, Ann- 176,
21 (1875). — ANSCHtJTz, Ann. 221, 138 (1883). ~ Henry, Bull. 42, 262 (1884). Compt
rend. 97, 1493 (1883).
» Regnault, Ann. 33, 319 (1840). — Pierre, Ann. 80, 127 (1851). — For-
CRAND, Ann. eh. [5] 28, 25 (1883). — Staedel, Ber. 15, 2563 (1882).
* DE Boissieu, Ber. 21c, 607 (1888).
^ E. Fischer, Ztschr. Chem. 1864, 268. — Berthblot u. Jünqflsisch, Ann.
Suppl. 7, 255 (1870). — Patern6 u. Oglialoro, Ber. 7, 81 (1874).
ö Lennox, Ann. 122, 125 (1862). -- Sabanejew, Ann. 178, 114, 122 (1878). —
Sabanejew u. DwoRKOwrrscH, Ann. 216, 279 (1882). — Demole, BulL 29, 207 (1878).
Ber. U, 318 (1878).
TeirahalogendenvcUe des Aethans. 555
lalogenhydrinen ersetzt mAn das letzte Hydroxjl durch Behandlung mit Phosphor-
pentachlorid bezw. -bromid:
(CH,C1),CH.0H + PCI5 = (CH,C1),CHC1 + POCl, + HCl .
Dieser Beziehung wegen bezeichnet man die Verbindungen als Glycerylhaloge-
nlde. Sie entstehen femer aus den Allylhalogenen durch Vereinigung mit den Ha-
logenen :
CH, : CR . CH,Br + Er, = CH,Br • CHBr • CH,Br .
Glyceryltrichlorid» CH.CICHCI. CH,C1 (Trichlorhydrin, Allyltri-
chlorid, 6iaa>'-Trichlorpropan) kann auch (neben Isomeren) durch Chlorirung
von Propylenchlorid mittelst Chlorjod erhalten werden; es siedet bei 155®, besitzt bei
0® das flpec Gew. 1-41 und riecht ähnlich dem Chloral. Durch Erhitzen mit Wasser
liefert es Glycerin, durch Einwirkung von alkoholischem Kali Propargyläthylfithcr
rH:C.CH,.0.C,H5 (vgl. S. 484). — Glyceryltribromid« CH,Br.CHBr.CH,Br
(Tribrom hydrin) erstarrt in der Kälte krystallinisch , schmilzt dann bei +16®,
siedet bei 219—220® und besitzt das spec. Gew. 2«436 bei 23®. — Glyceryltri-
jodid ist als solches nicht bekannt; seine vorübergehende Entstehung wird bei der
Bildung von Allyljodid aus Glycerin durch Einwirkung von Jodwasserstoff (vgl.
S. 188 und 472) angenommen.
y. Polyhalogenderlyate.
Für Tetrahalogenderivate des Aethans ergeben sich die beiden Structur-
fUlle:
CHX,. CHX, und CH,X.CX,.
Die der ersten Formel entsprechenden, symmetrisch constituirten Verbindungen
entstehen durch Addition der Halogene an Acetylen. — Acetylentetrachlorid'
CHC1,-CHC1, (iü,a>/ Tetrachloräthan) siedet bei 147® und besitzt bei 0® das
spec Gew. 1-614. — Acetylentetrabromid* CHBr,'CHBr, ist eine stark licht-
brechende Flüssigkeit, die einen an Campher und Chloroform erinnernden Geruch
besitzt, sieb an der Luft unter Anziehung von Feuchtigkeit trübt und nicht bei ge-
wöhnlichem Druck für sich destillirt, dagegen mit Wasserdampf ohne Zersetzung über-
getrieben werden kann; unter 12 mm Druck liegt der Siedepunkt bei 114®, das spec.
Uew. beträgt 2-971 bei 18®.
Unsymmetrisches (fiia^sO Tetrachloräthan^ CHsCl-CClg ist durch Chlo-
riren von Chloräthylenchlorid erhalten worden, siedet bei 130® und besitzt bei 0®
' Cariüs, Ann. 124, 223 Anm. (1862). — Oppenheim, Ann. 133, 383 (1864). -
Ptcffer u. Fittio, Ann. 136, 359 (1865). — Baeyek, Ann. 138, 196 (1866). — Ber-
THBLOT, Ann. 156, 105 (1870). — Fbiedel u. Silva, Compt. rend. 74, 808 (1872);
76, 1596 (1873).
' Berthelot u. Luca, Ann. 101, 76 (1857). — Wubtz, Ann. 102, 339; 104, 247
(1857). — Hekby, Ann. 154, 368 (1870). — Henbt, Bbbthelot, Ann. 166, 343 (1870).
- Tollen», Ann. 166, 168 (1870).
' Bebthblot u. JimoFLBiscH, Ann. Suppl. 7, 254 (1870). ~ Paterm6 u. Pisati,
«J. pt. [2] 4, 176 (1871). — Staedbl, Ber. 16, 2563 (1882). — Colson u. Gautieb,
Compt rend. 102, 1076 (1886).
* Rbboül, Ann. 124, 269 (1862). — Sabambjbw, Ann. 178, 112, 121 (1875);
218, 255 (1882). — BouBOOiH, Ann. eh. [5] 4, 428 (1875). — AnscHtJTz, Ann. 221,
138 (1888). — Wdjzn:, Ber. 16, 2891 (1883).
• Laubkht, Ann. 22, 293 (1837). — Regnault, Ann. eh. [2] 69, 162 (1838). —
PimE, Ann. 80, 130 (1851). -- Geuther u. Bbockhopf, J. pr. [2] 7, 112 (1873). —
S^ABDB^ Ber. 16, 2563 (1882). Ann. 196, 187 (1878).
Perhahgend&ivate des Aethans und AeChylens.
Gew. 1-612. — UnBymmetriachea Tetrabromäthan' CH.BrCBij
m KHltegemisch, siedet unter gewöhnlichem Druck nicht ohne Zersatmng,
mm bei 104' nnd besitzt bei 18» das spec Gew. 2'9S9; man gewinnt«
ireinigung von unnymmetrifichem Dibromätliylen mit Brom,
ter den höliereii Halogeiiderivaten lenken besonders diejeuigen die
isamkeit auf sich, welche aus den Kohlenwasserstoffen durch Ver-
sänamtlicher Wasserstoffatome hervorgehen, demnach lediglwL
hlenstoff und Halogen bestehen. Von diesen „Perhalogen-
ten" der aliphatischen Kohlenwasserstoffe sind der Vierfach-
[ilenstoff und seine Analoga als Methanderivate schon S. 541 — 543
ben.
I Perhalogenderivate des Aethans C^Xg entstehen, wie zu
1 ist, durch erschöpfende Chlorirung* bezw. Bromirung' der
I Halogenderivate des Aethans (CjH.CI, CjH.CIj, C^HaBr^ etc).
e bilden sich auch aus Derivaten des Methans durch Synthese —
iloräthan aus Tetrachlormethan durch Erhitzen mit molecnlarem
vgl. S. 542), aus Chloroformdampf beim Durchleiten durch ein
jthglühendes Rohr* — , femer aus Verbindungen höherer Keihen
hgreifender Halogenirung (vgl. S, 557) darch Spaltung der Kohlen-
;e. Perchloi^tlian'^ CjCl, stellt farblose Krystalle von campher-
tm Geruch dar; es schmilzt bei 184"; sein Siedepunkt liegt dem
pnnkt so nahe, dass es unter gewöhnlichem Druck ohne zn
an verdampft; unter einem Druck von 1000 mm siedet es bei
97°. Beim Erhitzen mit Kali auf 200" entsteht Oxalsäure
OjH. Durch Einwirkung von nascirendem Wasserstoff, alkoho-
Kaliumsulfhydrat , durch Erhitzen mit Silber auf 280* oder
Erhitzen fttr sich auf Rothgluth wird es in Perchloräthylen Dber-
Durch Erhitzen mit Antimonpentachlorid auf etwa 450" wird
tändig in Tetrachlormethan umgewandelt. — FerbromKthftll'
)ildet durchsichtige prismatische Krystalle, ist in Alkohol und
schwer, in Schwefelkohlenstoff leicht löslich und zersetzt sich,
rher zu schmelzen, bei etwa 200" in Brom und Perbromäthylen.
Perhalogenderivate dea Aethylene entstehen ans denjenigen <iee
wie eben bemerkt, dnrch Entziehung von Halogen; andereraeits können ^c
arcb Aufnahme von Halogen in die gesättigten Verbindungen iibeif^hen —
BNNOi, Ann. 122, 124 (1882). — Sabakkjbw, Ann. 216, 255 (1882). — AkmiCtz,
1, 140 (18S3).
laABAY, Ann. eh. [2] 18, 48 (l'82l). — Rbokaült, Ann. eh. 12] 69, 185 (18381.
323 (1840). — HüBiTBR u. MCiLEB, Ztachr. Chem. 1870, 328.
EHotTL, Ann. 134, 21I (1862).
AHKAV u. Tomo, Jb. 1886, 628.
AHN, Ber. 11, 1735 (1878). — SrasÖnBit, Ber. 13, 1070 (1B80i, — Berthbi.ot,
t, 121 (1859). — Geutheb, Ann. 107, 212 (1858); 111, 174 (1858). — Akm-
I. pr. [2] 1, 251 (1870). — Geotbkr u. Brockhopf, J. pr. [2] 7, 107 (1873i.
loMHB, Ann. 156, 342 (1870). — Habtmakn, Ber. 24, 1028 (18al).
EBODL, Ann. 124, 271 (1862).
Höhere PerhalogenderivcUe. 557
Perchloräthylen in Perchloräthan durch EinwirkuDg von Chlor im Sonnenlichte, Per-
bromäthylen in Perbromäthan durch Erhitzen mit Brom auf 100°. — Perchlor-
ärhylen* CgCl^ ist flüssig, siedet bei 121° und besitzt bei 9° das spec. Gew. 1'631. —
Perbromftthylen^ C^Br« krystallisirt in Tafeln, riecht aromatisch und schmilzt bei
5.3°; da es sich so leicht aus Perbromäthan bildet (vgl. 8. 556), so erhält man es sehr
häufig als Produkt energischer Bromirungen.
Perchlorpropan' CsClg ist aus Trichlorhjdrin und aus Isobutylchlorid durch
durchgreifende Chlorirung erhalten worden; es stellt eine blättrige Krystallmasse dar,
riecht campherähnlich, ist in Alkohol und Aether leicht löslich, schmilzt gegen 160°
und siedet bei 268—269°. Beim längeren Erhitzen auf 300° spaltet es sich in Per-
chloräthjlen CgCl« und Tetrachlormethan CCI4.
Das letzterwähnte Verhalten lässt schon für das Perchlorpropan eine Tendenz
erkennen, in einfachere und augenscheinlich beständigere Perchlorderivate zu zer-
fallen; es kann daher nicht befremden, dass es nicht gelungen ist, die Perchlorderi-
vate der höheren Grubengas-Homologen zu gewinnen. Man erhält bei durchgreifen-
der Chlorirung* (vgl. S. 129) auch aus den Verbindungen der höheren Reihen theils
durch Spaltung die schon besprochenen einfacheren Perchlorderivate (CCI4, CjCl«,
CiCV), theils durch Condensation solche der aromatischen Kohlenwasserstoffe (C^CIq etc.).
Ein Perchlorderivat eines ungesättigten Kohlenwasserstofib der 4. Reihe indess
^iid noch häufig bei energischen Chlonrungen erhalten. Es ist dies das Perchlor-
mesol ^ 0401^, welches aus Alkohol in farblosen glänzenden Prismen krystallisirt, bei
t^9° schmilzt und bei 283 — 284° fast unzersetzt siedet. Man besitzt keine sicheren
Anhaltspunkte zur Beurtheilung seiner Constitution; doch liegt es nahe, in Rücksicht
auf die zu seiner Bildung bestehende Tendenz diesen Körper als analog constituirt
aufzufassen wie den in pyrogenetischen Processen sich so häufig bildenden Kohlen-
wasserstoff C4He (das Divinyl, Erythren etc., vgl. S. 464—465):
CC1,:CC1.CC1:CC1,.
Die Reihe der den Paraffinen entsprechenden Perbromderivate schliesst
schon mit dem Perbromäthan ab. Bei energischer Bromirung^ zerfällt Propan in
Perbrommethan und Perbromäthan bezw. Perbromäthylen. Eine ungesättigte Broni-
kolilenstoffverbindung C^Bra ist durch Bromirung von Hexyljodid (aus Mannit) er-
halten; sie krystallisirt in wasserhellen Prismen, wird von alkoholischem Kali unter
HUdnng von Bromkalium und huminartigen Substanzen zersetzt und spaltet sich gegen
200*, ohne vorher zu schmelzen, in Brom und Perbrombenzol CeBr^.
* Faradat, Ann. eh. |2| 18, 53 (1821). — Reonault, Ann. 33, 325, 333 (1840). —
Oeüther, Ann. 107, 212 (1858); 111, 175 (1858). — Prudhomme, Ann. 156, 342
11870). — Schiff, Ann. 220, 97 (1883). — Bourgoin, Ann. eh. |5| 6, 142 (1875). —
fTECTHEB u. Fischer, Ztschr. Chem. 1864, 269. — Geuther u. Brockhoff, J. pr. |2|
7, 102 (1873). — H. GoLDSCHiHDT, Ber. 14, 929 (1881).
* Lowio, Pogg. 16, 377 (1829). — Lennox, Ann. 122, 126 (1862). — Reboul,
Ann, 124, 271 (1862). — Höland, Ann. 240, 237 (1887). — Wahl, Ber. U, 2238
I1S78).
* Krafft u. Merz, Ber. 8, 1298 (1875).
* Vgl. auch Habtmann, Ber. 10, 1011 (1891).
* Krapft, Ber. 10, 801 (1877). — Vgl. auch C. Hopfmann, Ber. 22, 1270 (1889).
- Habtmann, Ber. 24, 1022 (1891).
* Merz u. Wbith, Ber. U, 2241, 2244 (1878).
558 Zweiwerthige Alkohole.
Zwanzigstes Kapitel.
Zweiwerthige Alkohole und Mercaptane und ihre Derivate.
(Acetale. Glykole und Alkylenozyde. Zweiwerthige Mercaptane, Sulfide und Sul-
fone (Mercaptale, Mercaptole, Sulfonal). Zweiwerthige Sulfosäuren. Halbgeschwefelte
Glykole. Oxysulfoßäuren.)
Werden zwei Wasserstoffatome eines Eohlenwasserstoffmolecüls durch
Hydroxylgruppen vertreten, so entstehen die zweiwerthigen Alkohole. Ent-
sprechend der S. 543 für Dihalogenderivate getroffenen Eintheilung wer-
den auch hier drei Gruppen von einander zu sondern sein, je nachdem
die beiden Hydroxylgruppen an demselben Kohlenstoffatom oder an zwei
benachbarten oder endlich an zwei von einander getrennten Kohlenstoff-
atomen haften. Allein es muss gleich vorausgeschickt werden, dass die
zweiwerthigen Alkohole der ersten Gruppe, welche durch Formeln wie
/OH /OH
CH,<( (CH,),C< etc.
X)H \0H
ausgedrückt würden, nur in Gestalt von Derivaten bekannt, für sich
dagegen nicht existenzfähig sind. Bei dem Versuch, sie zu isoliren, er-
hält man statt dessen stets durch Abspaltung von Wasser Aldehyde
oder Ketone:
CH,.CH(OH),-H,0 = CHg.CHO,
(CH,),C(OH),-H,0 = (CH,),CO.
Mehrere Hydroxylgruppen können im Allgemeinen nicht neben einander
an einem und demselben Kohlenstoffatom sich halten; nur in Ausnahme-
fallen, wenn das Molecül mit elektronegativen Bestandtheilen beladen
.OH
ist (vgl. Chloral und Mesoxalsäure), scheint der Complex >C<^ be-
\0H
ständig zu sein.
Man kennt dagegen durchaus beständige ätherartige und esterartige
Derivate dieser hypothetischen Alkohole, welche anstatt der Hydroxyl-
wasserstoffatome Alkyl- oder Acylradicale enthalten, wie
.OCH, /O-CO-CH,
M).CO.CH,.
Die Alkylderivate dieser Art werden als „Acetale" bezeichnet.
Der einfachste, für sich beständige zweiwerthige Alkohol ist dem-
nach der Aethylenalkohol
CH,(OH)-CH,(OH) ,
welcher gewöhnlicher Glykol genannt wird; man bezeichnet daher in der
Regel die zweiwerthigen Alkohole überhaupt als „Glykole".
yV ' UH, yU
CH,< CH,.CH<
■^-T"
Acetale, 559
L Aeetale und Ilinen entsprechende Säurederlyate BCH(0R^2.
Schon bei der Besprechung der Aldehyde (S. 394) ist die Bildung
lieser Verbindungen aus Aldehyden durch Vereinigung mit Alkoholen
>ezw. Säureanhydriden erwähnt.
Zur Grewinnung von Methylenverbindungen CH3(0-R)3 ist diese Me-
thode nicht verwendbar, da man mit Formaldehyd nur in wässriger
Lösung arbeiten kann; man kann indess zu diesen Verbindungen durch
Umsetzung zwischen Methylenchlorid (bezw. -Jodid) und Natriumalkoho-
laten^ oder Silbersalzen von Säuren gelangen:
CH^Cl, + 2 NaO • CjHb = CH,(0 • CjHg), + 2 NaCl ;
CH,J, + 2AgO.CO.CH, = CH,(O.CO.CH,), + 2AgJ .
Acetale entstehen ferner sehr häufig bei der Oxydation von Alko-
holen (vgl. S. 307), z. B. CH^CO-CHj)^ aus CH3(0H), indem der zunächst
sich bildende Aldehyd sich gleich im Augenblick des Entstehens mit
noch unverändertem Alkohol vereinigt.
Aus dem Beactionsprodukt von Sabssäure auf Acetaldehyd — dem Aethyliden-
oxychlorid (vgl. S. 394 — 395) — erhält man durch Einwirkung von alkoholhaltigen
^^atriumalkoholaten anhydridartige Derivate der Acetale':
•Cl yO • CjHs
CH,— CH< CH8-CH<
>0 + 2NaO.CjH5 = 2NaCl +
CH,--CH< CHg-CH<
^Cl M).C8H5
diese Verbindungen sind sehr unbeständig und zerfallen allmählich schon bei gewöhn-
Wcher Temperatur in Aldehyd und Acetale:
/O.CÄ
CH,~CH< /OCjHs
>0 = CH,.CH< +CH8.CH0.
CH,-CH/ H).C^5
M)«CjH5
Auch analoge Säurederivate' sind darstellbar:
.01 /O-CO-CH,
CH,.CH<
>0 +2NaO.CO.CH, = 2NaCl + >0
CH,.CH<
)l ^O-CO-CHj
hl den Verbindungen, welche durch Vereinigung von Aldehyden mit Säure-
chloriden entstehen (vgl. S. 395), lässt sich das Chloratom bei der Umsetzung mit
Mka\isalzen oder Silbersalzen von Säuren durch ein Säureradical ersetzen^; auf diese
Weise kann man zu gemischten Verbindungen mit zwei verschiedenen Säureradicalen
/Cl /O-COC^Hj
CH,.CH< +AgO.CO.C,H5 = AgCl + CHs-CH/
N).CO.CH, M).CO.CH,
^ Vgl. besonders Arnhold, Ann. 240, 197 (1887).
* Geuther u. Laatsch, Ann. 218, 25 (1883).
' Gkitpher, Ann. 226, 223 (1884).
* ScjHiyp, Ber. 9, 306 (1876). — Geuther u. Rüpencamp, Ann. 225, 273 (1884).
560 TabeU. Uebersicht iiher j.
{cstale u. ihnen entsprechende Saun
Pabelle Nr. 31.
iderivaie.
T
Name
Formel
Siedepunkt
Spec. Gew.
Alkoholderivate.
Methylal*- *
CH,(O.CH,),
42 0
0-854 (20*»)
0-834 (20«)
Diäthylmethylal'^ '
87 <>
Dipropylmethylal *
CH^CO-CaH,),
137<>
0-834 (20«)
Diißopropy Imethylal *
CH,(0-C8H,),
118*
0-831 (20»l
Diisobutylmethy lal **^
CH,(O.CA).
164*
0-824 (20")
Diisoamylmethylal ^
CH,(O.C,H„),
207»
0.835 (20«)
Dioctylmethylal*
CH,(O.CsH„),
über 360»
0-846 (20«)
Dimethylacetal'~**
CHa-CHCO-CHa),
68 <»
0-865 (22«)
Diäthylacetal »"-"
CHa-CHlO-C^H,),
104*
0-831 (20«)
Dipropylacetal "
CHj-CHCO-CaH,),
147«
0-825 (22«)
Diiflobutylacetal "•*•
CHa-CHCOCA),
170»
0-816 (22«j
Diisoamylacetal*^*"
CH,.CH(0.C5Hh),
211*
0-835 (15«)
Säurederivate.
Methylendiacetat"
CH,(O.CO.CH,),
170*
—
Aethylidendiacetat*®"*'
CHa.CH(Ö.CO.CHa),
169*
1-073 (15«l
Aethylidendipropionat"
CH,.CH(0.C0-C,H5),
192*
1-020 (15«)
Aethylidendibutyrat*'
CHa-CHCO-CO-CaH,),
215*
0-985 {\b')
AetfaylidendÜBovalerianat'^ . . .
CHa.CH(0.C0.CÄ)2
225*
0-947 (15«)
Citate zu der Tabelle Nr. 31: ^ Kake, Ann. 19, 175 (1836). — • Malaqcti,
Ann. 32, 55 (1839). — • Ränabd, Ann. eh. [5] 17, 290 (1879). — * Brühl, Ann. 203,
12, 25 (1880). — « Abhhold, Ann. 240, 197 (1887). — * Gkkbne, Chem. News 50,
75 (1884). — ^ Pratesi, Ber. 16, 1870 (1883). — * Gobbow u. Kbssleb, Ber. 20c, 778
(1887). — * Danceb, Ann. 132, 240 (1864). — '* Alsbebg, Jb. 1864, 485. — " Geü-
THER u. Bachmann, Ann. 218, 44 (1883). — " R. Schipp, Ann. 220, 104 (1888). —
" LiEBiQ, Ann. 5, 25 (1833); 14, 156 (1835). — " Stab, Ann. 64, 322 (1848). -
** Gbuther, Ann. 126, 62 (1862). — " Würtz u. Fbapolli, Ann. eh. [8] 56, 139 (1859).
— " Engel u. Gibard, Compt. rend. 90, 692; 91, 629 (1880). — ** Claus u. Traikeb.
Ber. 19, 3006 (1886). — " Bütlerow, Ann. 107, 111 (1858); lU, 243 (1859). -
** Geuther, Ann. 106, 249 (1858). — " Schipp, Ber.- 9, 306 (1876). — " Fbakchi-
mont, Reo. trav. chim. 1, 248 (1882). - '" Geuther u. Rüpencamp, Ann. 226, 273 (1884).
Die Acetale sind unzersetzt destillirbare Flüssigkeiten von aroma-
tischem Geruch; in Wasser sind die niederen Glieder nicht unbeträcht-
lich löslich. Sie sind gegen wässrige Alkalien bei Siedehitze beständig^
werden dagegen von wässrigen Säuren leicht in Aldehyd und Alkohol
gespaltene Die ihnen entsprechenden Säurederivate werden langsam
schon durch Einwirkung von Wasser, rascher durch Alkalien in Alde-
hyde und Säuren zerlegt.
- Bemerkenswerth ist das Verhalten der Acetale beim Erhitzen mit überschüssigefl
Alkoholen'; es kann hierbei ein kohlenstofireicherer Alkylrest durch einen kohlenstoff-
» GiRARD, Coü pt. rend. 91, 630 (1880). » Grodzki, Ber. 16, 512 (1888).
' Gecther u. Bachuann, Ann. 218, 44 (1883).
AcetcUe. 561
rmeren ersetzt, so z. B. Diäthylacetal CHg -011(0 -C^Hß), durch Erhitzen mit Methyl-
Ikohol fast vollständig in DimethylacetÄl CHj-CHfOCHa), übergeführt werden,
rährend amgekehrt Dimethylacetal beim Erhitzen mit überschüssigem Aethylalkohol
ist unverftndert bleibt.
Die Tabelle Nr. 31 giebt eine üebersicht über einige vom Form-
ildehyd und Acetaldehyd sich ableitende Verbindungen dieser Gruppe.
Unter den einzelnen Gliedern ist das durch Oxydation von Methyl-
ükohol leicht gewinnbai-e Methylal CH2(0-CH3)2 (in etwa 3 Th. Wasser
öslich), hervoi:zuheben, welches häufig für Condensationsreactionen be-
nutzt wird; dieselben verlaufen ebenso, als wenn man Formaldehyd an-
gewendet hätte. Mit Formaldehyd selbst kann man ja nur in wässriger
Lösung arbeiten; daher ist es wichtig, in dem Methylal einen Ersatz
desselben für Reactionen zu besitzen, bei denen die Gegenwart von Wasser
uusgesclilossen werden muss. — Das Dimethylacetal CH3-CH(0-CH3)3
findet sich im rohen Holzgeist (vgl. S. 169), das gewöhnliche Acetal
i'H3CH(O.C3Hg)3 in dem durch Kohle filtrirten Rohspiritus.
II. Das Aethylenglykol und seine eigentlichen Homologen.
(a-eiykole.)
Bildungsweisen.
Die Glykole sind von Wurtz entdeckt. Er erhielt das Aethylen-
glykol und seine nächsten Homologen, indem er die Halogenadditions-
proilukte der AUcylene zunächst mit essigsaurem Silber umsetzte:
CHjBr CHs-OCO-CHj
I +2AgO.CO.CH, = 2AgBr + I
CH,Br CHj-OCOCH,
und darauf die entstandenen Essigester durch Alkalien verseifte:
CHa— 0 • CO . CHa CH, . OH
I +2K0H = I +2K0.C0.CHj.
CHj-OCOCH, CHjOH
Seine Untersuchungen über die Glykole fasste Wüetz in einer 1859
erschienenen Abhandlung^ zusammen, welche nicht allein durch die Fülle
neuen thatsächlichen Materials ungewöhnlichen Einfiuss auf die Kennt-
niss der organischen Verbindungen gewann; die Natur und Bedeutung
<ler mehratomigen Radicale wurden im Anschluss an die Chemie der
Wykole und unter Berücksichtigung ihrer Zwischenstellung zwischen den
einwerthigen Alkoholen und dem dreiwerthigen Glycerin ir't solcher
Klarheit erörtert, dass zumal für die Entwickelung der Theorien eine
^nächtige Förderung nicht ausbleiben konnte.
Der von Wubtz vorgezeichnete Weg wird auch heute meist zur
Gewinnung der Glykole eingeschlagen, wenn auch gewöhnlich unter Be-
nutzung einiger Modificationeii. Man kann das Silberacetat durch Kalium-
■ Ol
* Ann. ch [3] 56, 400.
V. Mktxs u. Jacobsox, org. Ch^m. I. 36
562 cc-Olykole (Bildungsweisen
acetat ersetzen; setzt man 'z. B. Aethylenbromid mit KaliumaceUt in
Gegenwart von wasserhaltigem Alkohol um, so erhält man das Mono-
acetat des Glykols CH3(0H)-CHa(0-C0-CH3), welches dann der Ver-
seifung unterworfen werden kann. Einfacher und direct führt man die
Alkylenbromide durch Kochen mit einer verdünnten wässrigen Lösung
von Kaliumcarbonat in Glykole über (vgl. S. 566 die Darstellung de>
Aethylenglykols). Immerhin wird der Verlauf dieser Reactionen durch
Nebenreactionen ungünstig beeinflusst (vgl. S. 548 — 549); und da aucli
die Isolirung der Glykole aus dem Reactionsgemisch ziemlich umständlieli
ist, so bleibt die Gewinnung grösserer Mengen noch immer mühsam.
Von den Alkylenen gelangt man direct zu den Glykolen durcli
Oxydation mit schwacher Kaliumpermanganat-Lösung ^ (vgl. S. 446).
Zweifach secundäre Glykole entstehen aus Aldehyden^, wenn
dieselben mit alkoholischem Kali behandelt werden (vgl. S. 396); ein
Theil des Aldehyds wird zur entsprechenden Säure oxydirt, eiu anderer
erleidet eine Reduction, welche unter Verkettung zweier Moleoüle zur
Bildung eines Glykols führt, z. B.:
CsHy.CHCOHj
SCaH^CHO + KOH = CaH,.CO.OK + |
CaHyCHiOH)
Auch auf Gemische von zwei Aldehyden lässt sich diese Reaction an-
wenden; man erhält z. B. aus einem Gemisch von Acet- und Isobutyi-
CH3— CH(OH)
aldehyd das Methyl-isopropyl-glykol |
C3H,— GH(OH)
Ganz analog ist die Bildung zweifach tertiärer Glykole bei der
Reduction von Ketonen mit Natrium in Gegenwart von Wasser^ (vgl.
S. 387):
(CHa),C(OH)
2(CHa),CO + 2H = | ;
(CH3),C(0H)
die so entstehenden Glykole werden als „Pinakone*' bezeichnet.
Allgemeine Charakteristik.
Die Glykole der niederen Reihen sind farblose, schwer flüchtige,
etwas zähflüssige, geruchlose Flüssigkeiten von süssem Geschmack, die
unzersetzt destillirt werden können. Mit Wasser und Alkohol sind sie
mischbar, in Aether zwar auch löslich, aber nicht in jedem Verhältuiss
damit mischbar. (Es ist eine allgemeine Erscheinung, dass die An-
häufung von Hydroxylgruppen auf die Löslichkeit in Wasser beforderml.
auf die Löslichkeit in Aether dagegen vermindernd einwirkt. Auch hndtt
* G. Wagner, Ber. 21, 1230 (1888j.
* F08SKK, Monatsh. 4, 663 (1883); 5, 119 (1884). — Swoboda u. Fossek, Monatsh.
11, 383 (1890).
' Vgl. z. B. KüRTz, Ami. 161, 215 (1871). — Wislioenus, Ann. 219, 309 (1883i.
und Charakteristik). 5G3
lan in der Kegel, dass Körper von süssem <je8chmack in Wasser leicht,
3 Aether schwer löslich sind.)
Die aus den Aldehyden und Ketonen gewinnbaren disecundären und
litertiären Glykole sind meist krystallisirbar und in kaltem Wasser nicht
;anz leicht (die hochmolecularen gar nicht) löslich.
Das chemische Verhalten der Glykole wird durch die charak-
eristischen Eeactionen der alkoholischen Hydroxylgruppen bestimmt.
Die HydroxylwasserstofiFatome sind nach den gebräuchlichen Methoden
lurch Alkalimetalle, Alkybreste und Säurereste vertretbar:
CH,.ONa CHjONa CHj-OCA
I I I
CHoOH CHj.ONa CH,-OH
CH^-O.CjHj CHj.OCO.CH, CH^-ONOa
I I I etc.;
CHj.OCjHs CHjO.COCHs CHRONO,
mit Phosphorpentachlorid erfolgt heftige Reaction, indem beide Hydroxyl-
gruppen durch Chloratome vertreten werden:
CHgOH CHjCl
I + 2PCI5 = I + 2 HCl + 2POC18.
CHgOH CHjCl
In manchen Reactionen verhalten sich die beiden Hydroxylgruppen
nicht gleichmässig. Beim Erhitzen mit Chlorwasserstoff oder Brom-
wasserstoff wird nur die eine Hydroxylgruppe durch Halogen ersetzt:
CH,(OH) . CHgfOH) + HCl = CHj(OH) • CH^Cl + H,0.
Bei der Einwirkung von organischen Säurechloriden ^ wird die eine
Hydroxylgruppe acylirt, an Stelle der zweiten Hydroxylgruppe Chlor
eingeftihrt:
CH4.OH CHj.O.CO.CHg
I +2CI.COCH3 = I +OH.CO.CHs + HCl.
CHj-OH CH,.C1
Aehnlich verhalten sich alle mehratomigen Alkohole; man bezeichnet
diejenigen Derivate derselben, in welchen die Hydroxylgruppen theilweise
durch Halogenatome ersetzt sind, als ,,Halogenhydrine":
CHjCl CHjCl
I Aethylenchlorhvdrin : | Aethylenacetochlorhydrin .
CK,. OH CHo-OCOCHj
üeber das Verhalten der Glykole bei der Oxydation vgl. unter Aethylenglykol
i>i. 566) und Propylenglykol (S. 568) 5 die höheren Glykole werden durch Oxydation
Qieist in Bruchstücke von geringerer KohlenstofFzahl gespalten '.
Zu den Glykolen stehen im Verhältniss innerer Anhydride die
»Alkylenoxyde*':
CH,.OH CHav
I Aethylenglykol; | yO Aethylenoxyd .
CHg.OH CH/
* L0ÜREN90, Ann. eh. [3] 67, 259 (1863).
* Vgl z. B. Grabowskt u. Saytzew, Ann. 179, 332 (1875).
36'
564 ÄÜcylenoQcyde.
Man gewinnt sie aus den "den Glykolen entsprechenden Chlorhydriueü
durch Einwirkung von Alkalien:
eil« • Cl CHjv
I ' +KOH = I >0 + KCl + H,0.
CH^OH GK,^
Diese den Aldehyden und Ketonen isomeren Alkylenoxyde ^ sind weit
flüchtiger als die zugehörigen Glykole; während z. B. das Aethyleuglykol
erst wenige Grade unterhalb 200® siedet, ist das Aethylenoxyd bei
Zimmertemperatur gasförmig, das Propylenoxyd eine Flüssigkeit von der
Flüchtigkeit des Aethers.
Das Verhalten der Alkylenoxyde ist sehr eigenthümlich. Obgleich
ihr Molecül nur einfache Bindungen aufweist, sie demnach als „gesät-
tigte" Verbindungen aufzufassen sind, besitzen sie eine stark ausgeprägte
Neigung zu Additionsreactionen, durch welche der ringförmige Complex
geöffnet wird:
CH,v X CHj-OX
I >0j+ 1=1
CH/ Y CH,-Y
So vereinigen sie sich mit Wasser zu den Glykolen:
CHjv CHj.OH
1 >0 + H.OH == I ;
CHj/ CHj.OH
während diese Reaction beim Aethylenoxyd und Propylenoxyd mehr-
stündiges Erhitzen auf 100® erfordert, tritt sie bei einigen Homologeu
— namentlich solchen, welche ein tertiäres KohlenstoiFatom an das Sauer-
stoflfatom gebunden enthalten, wie z.B. Isobutylenoxyd {juR^^C"^ — -CH^
— schon durch einfaches Zusammenschütteln bei gewöhnlicher Temperatur,
zuweilen sogar unter bedeutender Wärmeentwickelung vor sich. — Mit
Chlorwasserstoff verbinden sich die Alkylenoxyde in energischer Reaction
zu Chlorhydrinen:
CH^v CH^OH
I >0 + HCl = I
CH/ CHaCl
Dieses Vereinigungsbestreben ist so gross, dass sie selbst Salze der
Chlorwasserstoffsäure zu zersetzen vermögen und so gewissermassen
basische Eigenschaften erlangen; wenn man Aethylenoxyd mit einer
concentrirten Lösung von Chlormagnesium einschliesst, so ist am nächsten
Tage ein reichlicher Niederschlag von Magnesia entstanden, während sich
Glykolchlorhydrin gebildet hat; auch Thonerde, Eisenoxyd, Kupferoxyd
werden aus ihren Chloriden abgeschieden. — Mit nascirendem Wasser-
stoff vereinigen sich die Alkylenoxyde zu einatomigen Alkoholen:
CHgCHv CHa-CHOH
I >0 + 2H = I
CH,/ CH,
* Vgl. besonders Eltkkow, Ber. 16, 395 (1883).
Bildung von einwerthigen Aldehydmi und Ketonmi mm Glykolen, 565
i\it Ammoniak^ zu Amidoderivaten derselben:
CH,v CHjOH
I >0 + NH3 = I
CR/ CH,NHj
Diese Additionsreactionen zeigen deutlich, dass der dreigliedrige
ringförmige Complex:
eine Atomgruppirung von geringer Beständigkeit darstellt, vermuthlich
weil in Folge der räumlichen Verhältnisse der einzelnen Atome eine der-
artige Vereinigung nicht ohne starke Spannungen zu Stande kommen
kann. Man findet ähnliche Verhältnisse bei anderen dreigliedrigen Ring-
systemen (vgl. Trimethylen, Bd. 11).
Diesem Umstand ist vielleicht auch die auffällige Erscheinung zu-
zuschreiben, dass die a-Glykole nicht direct durch Wasserentziehung
in Alkylenoxyde übergeführt werden können, obgleich sich doch die
letzteren als ihre wahren Anhydride dadurch zu erkennen geben, dass
sie durch Wasseraufnahme leicht in Glykole verwandelt werden. Viel-
mehr liefern die Glykole bei der Einwirkung wasserentziehender Mittel^,
wie z. B. Chlorzink, Aldehyde oder Ketone — also Verbindungen, welche
zu ihnen in gar keiner näheren constitutionellen Beziehung stehen;
so entsteht Acetaldehyd aus Aethylenglykol , Methyl -isopropyketon aus
Trimethyläthylenglykol (CH3)3C{0H)— CH(0H).CH3; die gleiche Umwand-
lung erleiden die Glykole auch bei längerem Erhitzen mit Wasser^
unter Druck. Man kann sie sich erklären, wenn man zunächst die Bil-
dung der unbeständigen einwerthigen ungesättigten Alkohole (vgl. S. 476)
annimmt:
HCH. :ÖH HCH CH,
-H,0 =11 ^ \
HCHiOH HC-OH CHO
Die Tendenz zur Bildung von Ketonen durch Wasserabspaltung
führt bei den zweifach-tertiären Glykolen — den Pinakonen — zu einer
der merkwürdigsten Reactionen. Offenbar kann bei ihnen ein Reactions-
verlauf, wie er eben angenommen wurde, nicht eintreten, weil eben beide
Hydroxylgruppen an tertiär gebundenen Kohlenstoffatomen haften. Trotz-
dem aber wandeln sich die Pinakone mit grösster Leichtigkeit — schon
durch Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure — in Ketone um, welche
durch Wanderung eines Alkylrests entstehen und Pinakoline (vgl. S. 419)
genannt werden, z. B.:
(CH3),C(0H) CH3-CO
I -H,0 = I .
_____ (CHs),C(OH) iSm^XQ
* Vgl. WuBTz, Ann. 121, 227 (1862).
*WuRTz, Ann. eh. [3] 55, 423 (1859). — Plawitsky, Ber. 10, 2240 (1877);
^ 1256 (1878).
' Nevolb, Ber. 9, 448 (1876). — Lihnbmakh, Ann. 192, 61 (1878).
r
"^
566 Äethylenglykol,
Einzelne Glieder.
AethylenglykoP C^HeOa =;CH2(0H)-CH2(0H) (Aethylenalkohol.
auch Glykol schlechthin genannt) siedet hei 195® und hesitzt bei 0^*
das spec. Gew. 1-128; in starker Kälte erstarrt es und schmilzt wieder
hei — 11-5®. Es ist in Aether nur wenig löslich, löst seinerseits Aetz-
kali mit grösster Leichtigkeit und unter Wärmeentwickelung auf.
Darstellung': 188 g Aethylenbromid werden mit einer Lösung von 188g
Kaliumcarbonat in 1 Liter Wasser am Rückflusskühler gekocht, bis fast alles Aethylen-
bromid verschwunden ist (10—20 Stunden). Die Lösung wird nun auf dem Wasser-
bade möglichst stark bis zur Krystallisation des Bromkaliuros eingedampft, die rück-
ständige Masse behufs vollstfindigerer Abscheidung des Bromkaliums darauf mit ab-
solutem Alkohol angerührt. Aus der vom Bromkalium filtrirten alkoholischen Ldsmig
wird zunächst der Alkohol verjagt, der noch etwas salzhaltige Bückstand darauf
aus dem Oelbade dcstillirt, das hierdurch gewonnene Glykol durch Rectifidren ge-
reinigt.
Da das Glykol zwei Gruppen — CH2(0H) enthält, deren jede in die
Aldehydgruppe — CHO oder in die Carboxylgruppe — CO -OH übergehen
kann, so erscheinen die folgenden Oxydationsprodukte möglich:
CHO CO. OH
CH,.OH CHjOH
Glykolylaldehyd. Glykolsäure.
CHO CO. OH CO. OH
I I I •
CHO CHO CO OH
Glyoxal. Glyoxylsäure. Oxalsäure.
Li der That sind Glykolsäure, Glyoxylsäure und Oxalsäure als Produkt«
der Oxydation mit Salpetersäure^** constatirt. Oxalsäure bildet sich
auch sehr reichlich beim Erhitzen des Glykols mit festem Kali^ unter
gleichzeitiger Entwickelung von Wasserstoff. Durch Oxydation in alka-
lischer Lösung mit Bleisuperoxyd ^ entsteht dagegen unter Waaserstoff-
entwickelung Ameisensäure.
Aether und Ester des Olykols. Glykolmonäthyläther* CHjOH^
CHjCO-CjHj) ist eine in Wasser ziemlich lösliche, beinahe geruchlose Flüssigkeit,
welche bei 134** siedet und bei 13* das spec. Gew. 0-926 besitzt — Glykoldi-
* WuBTz, Ann. eh. [3] 55, 410 (1859). — Pribbam u. Hakdl, Monatsh. 2, 6TS
(1881). — BoucHARDAT, Compt rend. 100, 452 (1885).
« Vgl. Atkinson, Ann. 109, 282 (1859). — Debus, Ann. 110, 317 (1859). -
Demole, Ann. 177, 45 (1875). — Börnsteik, Ber. 9, 480, 917 (1876). — Letzeiocbtek,
Ann. 180, 284 (1875). — Stehpnewsky, Ann. 192, 240 (1878). — £rleni[Byeb, Ann.
192, 246 (1878). — Zelleb u. HttFNEB, J. pr. [2] U, 229 (1875). — Hsnbt, Ann. eh.
[4] 27, 250 Anm. (1872). — Grosheintz, Bull. 31, 293 (1879). — Bouchardat, Compt.
rend. 100, 452 (1885).
» WuBTz, Ann. eh. [3] 55, 414, 417 (1859). * Debus, Ann. 110, 319 (1859'
^ Gläser u. Morawski, Monatsh. 10, 582 (1889).
ö Demole, Ber. 9, 745 (1876).
Aetkylenoxyd und PolyäthyleTmlko^fdtti^ -**'* 567
äthyläther* CH8(0.C,H5).CH,(0-C,H5) riecht angenehm ätherisch, siedet bei 1240
und besitzt bei 0^ das spec. Grew. 0-799.
Glykoldinitrat« CH,(0N0j).CHj(0N02) ist eine farblose bewegliche Flüs-
sigkeit, welche bei — 15** flüssig bleibt, in Wasser unlöslich ist, bei 5* das spec. Gew.
1-484 besitzt nnd durch Schlag explodirt.
Glykolmonacetat» CHj(OH).CHj(O.CO.CHs) ist eine ölige, mit Wasser
mischbare Flüssigkeit; ihr Siedepunkt liegt bei 182^ — Gljkoldiacetat^
rH,fO-CO.CH,).CH,(0-C0.CH8) bedarf bei 22» 7 Vol. Wasser zur Lösung, siedet
bei 186~-187® und besitzt bei 0® das spec. Gew. 1-128.
Aethylenoxyd^ CgH^O = CH^^ — -^CH^ siedet bei +14« und
besitzt bei 0® das spec. Gew. 0-894. Mit Wasser ist es in jedem Ver-
liältniss mischbar. Mit Phosphorpentachlorid reagirt es unter Bildung
von Aethylencblorid, mit Phosphoniumjodid unter Bildung von Aethylen-
jodid. Bei längerem Stehen mit kleinen Mengen von Chlorzink oder
Aetzkali geht es in eine polymere krystallinische, bei 56® schmelzende
Modification über.
Es ist schon S. 564 erwähnt worden, dass Aethylenoxyd beim Er-
hitzen mit Wasser durch Aufoahme von 1 Mol. Wasser Glykol bildet;
allein daneben entsteht eine ganze Reihe von höher molecularen Ver-
bindungen, welche Sauerstoff theils in ätherartiger, theils in alkohol-
artiger Form gebunden enthalten und sich bilden, indem 2, 3 oder
mehr Molecüle Aethylenoxyd sich mit einem Wassermolecül vereinigen.
Diese PolyStliylenalkoliole ^ von der allgemeinen Zusammensetzung
iiCjH^O + H3O bilden sich auch beim Erhitzen von Aethylenoxyd mit
Glykol:
CHjv H CHa— OH
1 >0+ I = I
CK,/ OCHjCHaOH CH,— OCHj.CHj.OH
und beim Elrhitzen von Aethylenbromid mit Glykol auf 115 — 120®:
CH,Br CH,-0 • CHg - CHj • OH
I + 20H.CH,.CHs.0H = 2HBr + |
CH,Br CH,-0 • CH, . CH, • OH
Sie stellen dicke, mit Wasser mischbare, unzersetzt destillirbare Flüssig-
keiten dar. Ihre Essigsäureester entstehen, wenn man Eisessig oder
Essigsäureanhydrid mit überschüssigem Aethylenoxyd erhitzt:
CHj. XO-CHj /CHj-CHsOCOCHa
2 I >0 + 0< ^ 0<
GH/ ^COCHg ^CHsCHj.OCOCH,
* WuRTz, Ann. eh. [3] 55, 431 (1859). — Henry, Compt. rend. 100, 1007 (1885).
' Champion, Compt. rend. 73, 571 (1871). — Henry, Ann. eh. [4] 27, 253 (1872).
' Atkinson, Ann. 109, 233 (1859). — Louren^o, Ann. eh. [3] 67, 267 (1863).
* Wurtz, Ann. eh. [3] 65, 438 (1859).
' Wurtz, Ann. eh. [8] 56, 427 (1859); 69, 317, 355 (1863). Bull. 29, 530 (1878).
Anji. Suppl. 6, 201 (1868). — De-öle, Ann. 173, 125 (1874). — Greenb, Compt.
rend. 86, 624 (1877). — Girard, Compt. rend. 101, 478 (1885).
* LouREN^o, Ann. eh. [3] 67, 275 (1863). — Wurtz, Ann. eh. [3] 69, 330
i^ä). - M0H8, Ztschr. Chem. 1866, 495.
Propylenglykolj Pinakon,
Propylengrlykol' CHg • CH(ä)H) • CH,(OH) kann durch Destillation von Mono-
natriumglycerat gewonnen werden. Es siedet bei 188 — 189**, besitzt bei 20*^ das spec.
Gew. 1'044 und löst sich in 12—13 Vol. Aether. Durch Oxydation mit Platinschwarz
liefert es MilchsÄure CHg • CH(OH) - CO • OH. — Propylenoxyd» CHj-CH^-— ^IL
siedet bei 35^ und ist mit Wasser, Alkohol und Aether mischbar.
Als Beispiel der disecundären Glykole sei das Diisopropyl-äthylenglykoP
(CaHyXOITlCH- CH(OH)(C8H7) (aus Isobutyraldehyd und alkoholischem Kali) erwähnt.
Es bildet farblose, tafelförmige Krystalle, schmilzt bei 51-5^ und siedet bei 222—223'.
Unter den ditertiären Alkoholen ist die ein&chste Verbindung das Tetra-
methyl-äthylenglykol (CHa)2C(0H)— CCOHXCHj)., — gewöhnHch als Plnakon*
schlechthin bezeichnet — , welches man am besten erhält, indem man Aceton, das
über Raliumcarbonatlösung geschichtet ist, mit Natrium behandelt. Es bildet eine
weisse krystallinische Masse, riecht campherähnlich, schmilzt bei 42^ und siedet bei
171 — 172**. In kaltem Wasser ist es schwer löslich, in heissem leicht, fällt aber beim
Abkühlen der wässrigen Lösung als Pinakonhydrat CgHi^Oj + 6HjO aus; letz-
teres bildet durchsichtige Tafeln, schmilzt bei 46*3^, löst sich wenig in kaltem Wasser
und Aether, leicht in Weingeist, sublimirt schon bei gewöhnlicher Temperatur and
verflüchtigt sich leicht mit Wasserdämpfen. Durch Oxydation wird das Pinakon
wieder in Aceton zurück verwandelt.
Die Constitution des Pinakons ist durch Synthese erwiesen worden; indem man
zunächst das Jodid des durch Einwirkung von Zinkmethyl auf Isobutyrylchlorid er-
hältlichen Dimethylisopropylcarbinols (vgl. S. 146—147) der Einwirkung von alkoholi
schem Kali unterwarf, gelangte man zu einem Hexylen CqHj^, das die Structur des
Tetramethyläthylens besitzen musste:
(CIUCH-CJCCH,), = HJ + (CH,),C=C(CH,),;
das Bromid dieses Kohlenwasserstoffs liefert nun bei der Umsetzung mit essigsaurem
Silber und darauffolgender Verseifung des entstandenen Aoetats das Pinakon. Ver-
einigt man das Tetramethyläthylen mit unterchloriger Säure, so erhält man das
Pinakonchlorhydrin (CH3)2CC1— C(0H)(CH,)2, welches, mit concentrirter Kalilauge
zersetzt, Pinakonhydrat, dagegen beim Destilliren über festem Aetzkali Tetra-
methyl-äthylenoxyd* {CILi\G C(CH,)j liefert. Letzteres siedet bei 95—96*
\o/
und vereinigt sich mit Wasser unter bedeutender Wärmeentwickelung zu Pinakon-
hydrat
* WuRTz, Ann. eh. |3l 65, 438 (1859). — Louren^o, Ann. 120, 91 (1861). -
LiNNEMANN, Auu. 192, 61 (1878). — NiEDEBiST, Auu. 196, 359 (1878). — Zai^bb, Ann.
214, 177 (1882). — Belohoubek, Ber. 12, 1872 (1879). — Habtmaiw, J. pr. |2l 16.
383 (1877). — Hanriot, Ann. eh. |5| 17, 84 (1879). — Le Bel, Compt. rend. 92.
532 (1881). — Gabtenmeister, Ztschr. f. physik. Chem. 6, 529 (1890).
* Oseb, Ann. Suppl. 1, 255 (1866). — Liknbmakk, Ann. 140, 178 (1866). Mo-
natsh. e, 369 (1885). — Henry, Ann. eh. [4] 27, 261 (1872).
^ FossEK, Monatsh. 4, 663 (1883).
* FiTTio, Ann. HO, 26 (1858); 114, 54 (1859). — StIdeler, Ann. 111, 277
(1859). — Friedbl, Ann. 124, 329 (1826). Ann. eh. [4] 16, 390 (1869). — Linwe-
mann, Ann. Suppl. 3, 374 (1865). Jb. 1871, 422. — Friedkl u. Silva. Ber. 6, 35.
267 (1873). — BoucHARDAT, Ztschr. Chem. 1871, 698. — Pawlow, Ann. 196, 126
(1879). — Thörher u. Zincke, Ber. 13, 645 (1880).
* Eltekow, Ber. 16, 399 (1S83).
Trimethylenglykol und andere ß-Olykole, 569
III. (xlykole, deren Hydroxylgruppen an zwei Ton einander
getrennten Kohlenstoffatomen haften«
Je nach der Stellung, welche die beiden mit Hydroxyl verbundenen
Kuhlenstoffatome zu einander einnehmen, kann man /?-61ykole mit
der Gruppe:
J(OH)-C-C(OH)/
>
^'-Glykole:
\C(OH)-C-C-C(OH)/,
A-Cilvkole etc. unterscheiden.
Trimethylenglykol' CH^COH)— CH^— CH^COH) ist der Prototyp
der /9-Glykole. Es kann aus dem Trimethylenbromid durch Auswechse-
lung der Bromatome gegen Hydroxyl — schon durch einfaches Kochen
mit Wasser — gewonnen werden und bildet sich ferner in erheblicher
Menge bei der Schizomycetengährung des Glycerins. Es ist eine dicke,
süss schmeckende Flüssigkeit, erstarrt in einem Kältegemisch von fester
Kuhlensäure und Aether zu einer seideglänzenden Krystallmasse, siedet
bei 214^, besitzt bei 18^ das spec. Gew. 1-053 und ist in Wasser und
Alkohol in jedem Verhältniss löslich. Beim Erhitzen mit Chlor- oder
Bromwasserstoffsäure liefert es neben den Halogenhydrinen CHgCl-CH^-
CH3(0H) auch stets die Dihalogenderivate CHgClCHjCHgCl. Aus dem
Chlorhydrin erhält man durch Erhitzen mit festem Kali dasTrimethylen-
oxyd CHj— CHj— CHj — eine farblose, bewegUche, durchdringend rie-
chende Flüssigkeit, welche gegen 50^ siedet und mit Wasser misch-
bar ist.
Von ^-Glykolen seien femer erwähnt das Butylenglykol* CH8-CH(0H)-
rH,.CHj(OH) (Siedepunkt: 207—208«, spec. Gew. bei 0<»: 1-026), welches durch
Rfduction von Aldol CHs • CH(OH) • CH, • CHO (vgl. S. 395, 407) entsteht, und daa
durch Reduction von Acetylaceton CHj • CO • CH, • CO • CH3 erhältliche AmylenglykoP
(Hs.CH(0Hj.CH,.CH(0H).CH8 (Siedepunkt 177«).
;'- und J-Glykole sind aus den ihnen entsprechenden Aminen
durch Einwirkung von salpetriger Säure (vgl. S. 144), z. B.:
/CH, . CN /CH, . CH, . NH2
CH2< + SH = CH,<
^CH^ . CN \CH, . CH, . NHj
* Gbäoiiont, Ann. 168, 371 (1871). — Reboul, Ann. eh. [ö] 14, 491 (1878). —
Zander, Ann. 214, 178 (1882). -- Freund, Monatsh. 2, 636 (1881). — Niederist,
Monatsh. 3, 838 (1882). — Frühling, Monatsh. 3, 697 (1882). — Beilstein u. Wie-
öAKD, Ber. 16, 1497 (1882).
' KKKt7L6, Ann. 162, 310 (1872). — Wuetz, J. pr. [2] 7, 822 (1873). Compt.
rend. 97, 473 (1883).
* CoiiBES, Bull. 48, 474 (1887).
570 r- ""^ S-Qlykole.
<H, ■ CH, . NH, ,CH, ■ CHj - OH
+ 2HN0, = CH/ + 2N, + 2H,0,
H,-CH,-NH, N:!H,CH,-OH
ferner durch Reduction von Eetonalkoholen:
CH,.CO-CH,CH,-CH,(OH) + H, = CH,-CH(UH)-CH,.CH,CH,(OH)
gewonnen worden. Sie zeigen in ilirem Verhalten gegenüber den a-Gly-
kolen einen sehr bemerkeaBwertben Unterschied. Während die or-Glykole
durch directe Wasserentziehung nicht in die entsprechenden a-Alkylen-
oxyde ilbergefuhrt werden konnten, letztere hingegen sich leicht mit
Wasser zu den Qlykolen vereinigen (vgl. S. 564, 565), ist das Verhält-
niss bei den y- und .?- Verbindungen gerade umgekehrt. Die Glykole
werden durch Erhitzen mit 60 procentiger Schwefelsäure in die Oxyde
verwandelt; die Oxyde dagegen vereinigen sieb nicht wieder mit Wasser,
sie können damit stundenlang über 200" ohne Veränderung erhitzt
werden; ebenso widerstandsrähig erweisen sie sich im Gegensatz zn den
ß-Oxyden gegen, -Ammoniak. Mit Chlorwasserstoff reagiren sie zwar
unter Bildung, von Chlorhydrinen bezw. Dichloriden ; dass indess auch
hierAlr die £,eactionsfahigkeit bedeutend abgeschwächt ist, erkennt man
daraus, d^ias Chlormagnesiumlösuug von diesen Oxyden nicht mehr zer-
setzt wri.rd. Es erhellt daraus, dass, während der dreigliedrige Gomples:
einen unbeständigen und daher sich schwer schliessenden , aber leicht
öffnenden Eing darstellt, umgekehrt in den fUnf- und sechsgliedrigen
Complexen:
<r\
c c und i I
beständige fingfiirmige Gruppiningen vorliegen, welche leicht zu Stande
kommen und der Sprengung stärkeren Widerstand entgegensetzen.
Weitere Belege hierfür werden sich bei der Besprechung anderer Körper-
gruppen ergeben (vgl, die Änhydridbildung bei den Dicarbonsauren, die
Lactonbildung bei den Oxysäuren).
y-PentylenglykoP CH, CH(OH)-CH,-CH,.CH,(OH) (aus Acetopropylalko-
hol, vgl. oben die GleichuDK) ist eine dickliche, schwach bitter schmeckende Flüssig-
keit, siedet bei 219—220* besitzt bei 0' dos spec. Gew, 1000 und ist mit Wasser
mischbar. j-Pentylenoxyd CsH„0 ist eine bewegliche Flüssigkeit, riecht fitber-
ähnlich, siedet bei 77—78°, besitzt bei 0" das spec. Gew. 0-875 und löst sieb in
10 RsumtheiIeD Wasser.
Zu den f-Ölykolcn gehört ferner wahrscheinlich auch das Heiylenglykol'
■ Fkeeb u. PB&Era, Journ. Soo. 61, 886 (I8S7). — Ltpp, Der. 2S, 2507 (1889).
» WusTz, Ann. ch. i,4j 3, 162 (1864).
Zfwdwerthige Mercaptane. 571
C^HiiO, (Diallyldihjdrat), welches aus dem Diallyldihjdrojodid durch Ans-
wechselung der Jodatome gegen Hydrozjl sich bildet:
CI^, : CH . CH, CH, • CH J • CH, CHg • CH(OH) • CH,
I — > I — ^ I ,
CH, : CH . CH, CH, • CHJ • CH, CH, • CH(OH) • CH,
bei 212 — 215^ siedet und bei 0® das spec. Gew. 0-964 besitzt. Das entsprechende
Hexylenoxyd* CeHi,0 (Siedepunkt 93^ löslich in etwa 15 Theilen Wasser) ent-
steht direct durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Dialljl (vgl. S. 465).
Pentamethylenglykol« CH,(OH).(CH,),.CH,(OH) (vgl. S. 569—570 die Bil-
dungsgleichungen) siedet bei 260^ — ^-Hexylenglykol» CH, • CH(OH) • (CH,), •
CH,(OH) (aus Acetobutylalkohol) siedet bei 234— 235«-, spec. Gew. bei 0^: 0981.
(J-Hexylenoxyd CeH^^O siedet bei 103— 104®; spec. Gew. bei 0®: 0-874.
Hochmoleculare Glykole finden sich natürlich gebildet in Wachsarten vor. —
AoB dem Camaubawachs^ ist ein bei 103 -5° schmelzender Alkohol C25H520, isolirt
worden, dessen Formel in Cg,H4e(CH, • OH), aufgelöst werden kann, da er beim Er-
hitzen mit Natronkalk (vgl. S. 169) in eine Dicarbonsäure C,3H4^(CO^II), übergeht. —
Die Wachsart (Coccerin"), welche die Silbercochenille in Form eines weissen glän-
zenden Ueberzngs bedeckt, zerfKllt bei der Yerseifung einerseits in Coccerylsäure
C„H«,03, andererseits in einen zweiatomigen Alkohol: Coccerylalkohol C,oHeo(OH),y
welcher bei 101 — 104® schmilzt und bei der Oxydation mit Chromsäure in Eisessig
eine Pentadecylsäure CigH^O, liefert.
IT. Zweiwerthlge SehwefelTerbindungen.
Zweiwerthige Mercaptane und ihre Derivate.
Es ist schon S. 420 — 421 angeführt worden, dass man berechtigt ist,
die Bildung von Methylenmercaptan CH2{SH)j bei der Einwirkung von
Schwefelwasserstoff auf Formaldehyd anzunehmen; daselbst wurden auch
einige bestandige Derivate dieses einfachsten zweiwerthigen Mercaptans
angeführt, durch deren Charakterisirung eben der Nachweis für das
Vorhandensein des Methylenmercaptans in dem Reactionsgemisch er-
bracht werden konnte. An sich konnte das Methylenmercaptan und
andere Mercaptane mit zwei an einem Eohlenstoffatom haftenden Sulf-
hydrylgruppen bisher ebenso wenig isolirt werden, wie die entsprechen-
den zweiwerthigen Alkohole (vgl. S. 558).
Dagegen sind Derivate derselben, welche die Wasserstoffatome der
Sulfhydrylgruppen durch Kohlenwasserstoffreste ersetzt enthalten, leicht
gewinnbar. Sie entstehen durch Einwirkung von Mercaptanen auf Alde-
hyde oder Ketone in Gegenwart von Salzsäure oder Chlorzink (vgl. S. 388).
Die aus den Aldehyden hervorgehenden Verbindungen, z. B.:
CH,.CHO + 2SH.C,H5 = CH,.CH(S.C,H6), + II^O,
entsprechen vollkommen in ihrer Constitution den Acetalen und werden
* Jekyll, Ztschr. Chem. 1871, 36. — B^hm., Ann. eh. [6] 16, 201 (1888).
• Gfstavson u. Demjanoff, J. pr. [2] 39, 542 (1889).
• Lipp, Ber. 18, 8282 (1885). * Stürcke, Ann. 223, 299 (1884).
* LdSBERMAim, Ber. 18, 1975 (1885). — Liebermank u. Beroaiii, Ber. 20,
959 (1887>
572 Mercaptale^ Mercaptole,
„Mercaptale^^ genannt. Die aus den Ketonen sich bildenden Verbin-
dungen, z. B.:
(CH,)aCO + 2SH.C,H5 = (CH3),C(S.Cä)s + H,0,
deren sauerstoffhaltige Analoga unbekannt sind, werden als „Mercaptole^^
bezeichnet.
Die Mercaptale des Formaldehjds werden durch Umsetzung von Methylen-
chlorid bezw. Methylenjodid mit Natriununercaptiden erhalten^, z. B.:
CII^Cl, + 2NaS.C2H5 = CH,(S.C,H5)j + 2Naa.
Die von Baumann ^ entdeckten Mercaptale und Mercaptole sind in
Wasser unlösliche farblose Flüssigkeiten von unangenehmem Geruch und
werden von Säuren und Alkalien auch beim Kochen kaum angegriffen.
Dimethyl -diäthylmercaptol (CH8)jC(S'C2H5)2 ist das Zwischenprodukt
der Sulfonalfabrikation (s. S. 573) und wird daher fabrikmässig erzeugt Man ge-
winnt es durch Condensation von Aceton mit Aethylmercaptan (Gleichung s. oben)
oder, um die Darstellung des scheusslich riechenden Mercaptans zu umgehen, mit
äthylthioschwefelsaurem Natrium^ CaHg-S-SOaNa (vgl. S. 225) in Gegenwart von
Salzsäure; in letzterem Falle wird das durch Zersetzung des äthylthioschwefelsauren
Salzes entstehende Mercaptan sofort durch das Aceton gebunden. Das Mercaptol
siedet bei 190 — 191° und verbindet sich mit Jodmethyl zu einer krystallinischen
Sulfinverbindung.
Die Mercaptale und Mercaptole sind als den zweiwerthigen Mercap-
tanen entsprecliende Sulfide anzusehen. Demgemäss können sie durch
Oxydation mit Kaliumpermanganat in Disulfone* verwandelt werden, z. B.:
(CH8),C(S.C,H5)3 + 40 = (CHs),C(SO,.CÄ),.
Diese Disulfone — farblose, geruchlose, krystallisirbare Substanzen —
sind von grosser Beständigkeit; weder durch Kochen mit Säuren noch
mit Alkalien werden sie verändert. — Die aus den Mercaptalen hervor-
gehenden Disulfone, welche entweder, wie die Derivate des Pormaldehyds:
Hv ySOj.R
h/\so,.r'
an dem zwischen den beiden Sulfongruppen befindlichen Kohlenstoffatom
noch zwei Wasserstoffatome oder, w^ie die Derivate der homologen Al-
dehyde
R'v ^0,.R
h/\so,.r'
noch ein Wasserstoffatom daselbst enthalten, erinnern in ihrem chemi-
schen Verhalten an die primären und secundären Nitroäthane (vgl. S. 255
» Claesson, J. pr. [21 15, 176 (1877). — Fromm, Ann. 263, 155 (1889).
« Ber. 18, 883 (1885); 19, 2803 (1886).
* Bayer u. Co., Ber. 22 o, 115 (1889).
* Baümann, Ber. 19, 2806(1886). — Esoales u. Baumann, Ber. 19, 2814(18861.
— Fromm, Ber. 21, 185 (1888); Ann. 253, 185 (1889). — Stufper, Ber. 23, 1410,
3226 (1890).
StUfoml. 573
—256). Jene Wasserstoflfatome werden nämlich sehr leicht durch Ha-
logenatome substituirt — schon bei der Einwirkung von Bromwasser in
der Kälte — , indem aus den Derivaten des Pormaldehyds Dibromderi-
vate (z. B. CBr2(S03-C3H5)3), aus denjenigen der übrigen Aldehyde Mono-
bromderivate (z. B. CHg-CBr(S02- 03115)2) entstehen. Aus den so gebil-
deten Bromprodukten wird das Brom schon durch Kochen mit wässriger
Kalilauge abgespalten, wobei unter Oxydation eines Theils der Verbin-
dung ein erheblicher Theil des ursprünglichen Disulfons zurückgebildet
wird. — Die den Mercaptolen entsprechenden Disulfone dagegen
R"/ ^SOj.R
welche keine Wasserstoffatome in der unmittelbaren Wirkungssphäre der
beiden Sulfongruppen enthalten, sind der Substitution schwer oder gar
Dicht zugänglich (vgl. unten Sulfonal).
Jene von den beiden Sulfongruppen beeinflussten Wasserstoffatome
sind ferner durch Alkalimetalle vertretbar; aus der Benzollösung des Aethy-
lidendiäthylsulfons 0H3-CH(S03C3Hß)3 z. B. entwickelt Natrium reichlich
Wasserstoff. Die solche Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen
sind demgemäss in Alkalien leichter löslich, als in Wasser, und werden
aus diesen ihre Salze enthaltenden Lösungen durch Säuren nieder-
geschlagen. Behandelt man sie in alkalischer Lösung mit einem Alkyl-
jodüi*, so gelingt es, an Stelle der Wasserstoffatome Alkylreste einzu-
führen; man gelangt so von den Oxydationsprodukten der Mercaptale zu
denjenigen der Mercaptole, z. B.:
CH, . CNa(SO, . CjHs), + CH, J = (CH,)jC(SO, • Cßs\ + NaJ .
Unter diesen Disulfonen ist das von Baumann entdeckte Diäthyl-
sulfon-dimethylmethan (CH3)3C(S02-C2H5)2, welches aus dem S. 572
besprochenen Condensationsprodukte von Aceton mit Aethylmercaptan
durch Oxydation mit Kaliumpermanganat entsteht, in den letzten Jahren
unter der Bezeichnung Sulfonal ^ eines der beliebtesten Arzneimittel
geworden, nachdem 1888 von Käst seine schlafbringende Wirkung er-
kannt worden war. Das Sulfonal bildet farblose prismatische Krystalle,
schmilzt bei 125 — 126® und siedet fast ohne Zersetzung bei etwa 300®;
es löst sich in 15 Th. siedendem, 500 Th. kaltem Wasser, in 2 Th.
siedendem Alkohol, 135 Th. Aether von 15®. Von Brom wird es beim
Erhitzen bis 150® nicht verändert.
Bei einer vergleichenden, physiologischen Untersuchung' verschiedener dem
Sulfonal analog constituirter Disulfone hat sich herausgestellt, dass die Intensität
der schlaf bringenden Wirkung durch die in den Disulfonen enthaltenen Aethylgruppen
bedingt ist, die SO^-Glruppe dagegen für die Wirkung nicht in Betracht kommt So
ist z. B. das Disulfon mit 4 Methylgruppen (CH3)aC(S()2 • CH3) ganz unwirksam, wäh-
1 Baumann, Her. 19, 2808 (1886). — Rast, Pharmac. Centralhalle, 1888, 224,
438. — RnsDEL, ebenda, 280. — Fbohu, Ann. 263, 147, 157 (1889).
• Baumann u. Käst, Ztschr. f. physiol. Chera. 14, 52 (1889).
574 Thioäthylmglykol, Diäthylendisulfid,
rend das „umgekehrte SulfouaP^ (CsHslgCCSO, • CHg), nicht anders wie das gewöhn-
liche Sulfonal wirkt, das Disulfon mit 4 Aethylgruppen (C,H5)aC(S0s • CgH«), dagegen
unter alien bisher untersuchten Disulfonen die stärkste Wirkung zeigt. Man hat
daher Verbindungen als Schlafmittel einzufahren versucht, welche mehr Aethylgruppen
als das Sulfonal enthalten^:
C2H5V /SOj'CjHß CjHöv ySOj-CjHg
XK Trional, >(X Tetronal;
CU/ \S0,-C,H5 C,H/ \S0,.C,H5
doch scheinen dieselben dem Sulfonal gegenüber nicht erhebliche Vorziige zu besitzen.
Unter den den a-Glykolen entsprechenden Schwefelverbindungen er-
giebt sich als einfachster Repräsentant das ThloSthylenglykol ' (Aethy-
lenmercaptan) CH2(SH)-CH3(SH). Es entsteht in stürmischer Reaction
durch Einwirkung von alkoholischer Natriumsulf hydratlösung auf Aethylen-
bromid, stellt ein farbloses Oel dar, welches bei 146® siedet und bei 24® das
spec. Gew. 1 • 123 besitzt, und zeigt die typischen Reactionen der Mercaptane.
Von Interesse sind die vom Thioglykol sich ableitenden Sulfide und Disulfide.
Das dem Aethylenoxyd entsprechende Sulfid \a/ ^t nicht bekannt, wohl aber
Polymere' desselben. Wenn man Aethylenbromid nach und nach zu einer warmen
alkoholischen Lösung von Schwefelkalium fliessen lässt, oder wenn man es mit con-
centrirter wässriger Schwefelkaliumlosung längere Zeit zum Sieden erhitzt, so erhält
man weisse, amorphe, in Wasser, Alkohol und Aether unlösliche Substanzen, welche
zwar die der Formel C^H^S entsprechende Zusammensetzung zeigen, in Anbetracht
ihrer Löslichkeits Verhältnisse und ihrer Nichtflüchtigkeit aber zweifellos ein höhere
Moleculargewicht — mindestens der Formel (C2H4S)3, wahrscheinlich aber einem
höheren Multiplum von CSII4S entsprechend — besitzen. Die Substanzen, obwohl
äusserlich sehr ähnlich, erweisen sich je nach den Darstellungsbedingungen ver-
schieden. Während die mit alkoholischer AlkalisulfidlÖsung gewonnene Substaiu
beim längeren Erhitzen für sich oder mit Losungsmitteln — am besten bei mehr-
stündigem schwachen Sieden mit Phenol (Siedepunkt 183^ — eine einfachere, krystallisir-
bare und destillirbare Substanz von gleicher Zusammensetzung liefert, erweist sich die
mit w ä SS riger Schwefelkaliumlosung dargestellte Substanz denselben Einflüssen gegen-
über als unveränderlich. Für die aus der spaltbaren Modification hervorgehende
einfachere Substanz ergiebt sich aus der Dampfdichtebestimmung die MolecuUr-
y OH J O Hg V
formel C4H8S8; sie ist demnach als Diäthylendisulfid S^ ^ anzu-
N:!Ha— CH/
sprechen, ihr Molecül wird durch einen sechsgliedrigen Bing gebildet Das Diäthylen-
disulfid ist ein farbloser Körper von ausserordentlicher Rrystallisationsföhigkeit, riecht
unangenehm, schmilzt bei 111^, siedet unzersetzt bei 200^, ist mit Wasserdämpfen
leicht flüchtig und verdampft schon bei gewöhnlicher Temperatur merklich; in Wasser
ist CS wenig, in Alkohol, Aether etc. leicht löslich. Es zeigt die allgemeinen Eigen-
schaften der Sulfide, tritt mit Halogenen und Halogenverbindungen der Metalle zu
^ Pharmac. Centralhalle 1890, 608, 751.
« Wkhneb, Ztschr. Chem. 1862, 581- — V. Msver, Ber. 19, 8263 (1886). -
Fasbender, ßer. 20, 461 (1887); 21, 1475 Anm. (1888).
» Löwig u. Weidmamn, Ann. 36, 321 (1840). — Craffts, Ann. 124, 110 (1862);
125, 123 (1863); 128, 220 (1863). — Hüsemann, Ann. 126, 280 (1863). — Manspelp.
Her. 19, 696, 2658 (1886). — V. Meyer, Ber- 19, 3262 (1886). — Masson, Jouru.
Soc. 49, 283 (1886). — Oiro, J. pr. [2] 36, 446 (1887).
Sulfurane, 575
Idditionsprodukten zusammen, liefert durch Oxydation Sulfoxyde bezw. Sulfone und
ereinigt sich mit Ilalogenalkylen zu Sulfinverbindungen, wie C^HqSs.CHjJ und
'4^98, . (CHj J),.
Diese Snlfinverbindungen zeigen ein eigenthümliches Verhalten. Wenn man die
lurch Addition von einem Molecül Halogenalkjl entstehenden Produkte in wässriger
^osung mit Silberoxyd behandelt, so erhält man zwar eine stark alkalische Lösung
les entsprechenden Sulfinhydroxyds (z. B. C4H8S8 . CHgOH) , aber beim Erhitzen der
liösuDg tritt Zersetzung ein, indem die Sulfinhydroxyde Wasser abspalten und in
luchtige, unangenehm riechende Gele der allgemeinen Zusammensetzung CqHjqS über-
sehen; diese Umwandlungsprodukte, welche aus obigen Sulfinjodiden auch durch
Kochen mit Natronlauge entstehen, sind Sulfurane^ genannt worden, und es hat sich
CH,-S.CH:CH,
nachweisen lassen, dass sie als Alkylvinyläther des Thioglykols |
CH,— S'CnH^n^i
anzusprechen sind; so ist z. B. die Zersetzung des Jodfithyl- Additionsprodukts durch
die Gleichung:
yCHj — CH2V >'CjH5 •CHj — CHg — S — CjH5
S< >S< -HJ = S<
\CHj-CH/ \J ^CHTiCHj
zu erläutern, das dadurch entstehende Aethylsulfuran (Siedepunkt 215^, spec.
Gew. bei 15**: 1-017) also als Aethylvinyläther des Thioglykols anzusehen.
Durch gelinde wirkende Oxydationsmittel (Brom in Chloroformlösung, concentrirte
Schwefelsäure, Sulfiirylchlorid, Hydroxylamin) erhält man aus dem Thioäthylenglykol
CHg — S 'S • — CHj
das Diäthylentetrasulfid* | | — eine weisse, amorphe, bei 151- 152°
CHs-SS.-CII,
schmelzende, in Alkohol und Aether unlösliche Substanz, welche durch Oxydation
mit Salpetersäure Aethylendisulfosäure liefert.
Durch Einwirkung des Thioglykols auf Aldehyde und Ketone^ erhält man Mer-
captale und Mercaptole, deren Molecüle einen fünfgliedrigen Ring aufweisen, z. B.
yS CHj
aus Acetaldehyd und Thioglykol Aethylidendiäthylsulfid CHg-CH/' |
(Siedepunkt 172—173*').
CHj • SOj • R
Die den Aethem des Thioglykols entsprechenden Disulfone | unter-
CH2 ■ öOj • R
scheiden sich von den so ausserordentlich beständigen Disulfonen der Mercaptale und
Mercaptole, welche beide Sulfongruppen an einem Kohlenstoffatom enthalten (vgl.
S. 572—573) in bemerkenswerther Weise dadurch, dass durch Kochen mit Alkali eine
ihrer Sulfongruppen abgespalten wird ; so wird z. B. das Aethylendiäthylsulfon*
eHo-SO,.CA
(Schmelzpunkt 186 — 137^) in Aethylsulfinsäure und Aethylsulfon-
1^'Ü.-S0,.C,H5
Äthylalkohol gespalten:
CHg • SO2' • CgHj CHj • SOg • C2II5
I H-KOH = I +KSO2.C2H0.
CHj-SOgC^Hß CHjOH
* Manspeld, Ber. 19, 2658 (1886). — V. Meter, Ber. 19, 3264 (1886). — R. De-
MUTH u. V. Mkyeb, Ann. 240, 305 (1887). — Braun, Ber. 20, 2967 (1887).
' Pasbender, Ber. 20, 460 (1887); 21, 1470 (1888). — Otto, Ber. 20, 208 (1887).
' Fasbender, Ber. 21, 1473 (1888). — Miolati, Ann. 262, 67 (1890).
* Beckmann, J. pr. [2] 17, 469 (1878). ~ Otto, J. pr. [2] 36, 436 (1887).
1
576 Zweiwerihige Sulfosmtren.
Zweiwerthige Sulfosäuren.
Zweiwerthige Sulfosfturen können durch Umsetzung zwischen Dihalogenverbin-
dungen und neutralen Alkalisulfiten* erhalten werden:
CHjBr . CHjBr + 2 K^SOg = CHjCSOjK) • CHsCSOjK) + 2 KBr,
femer durch Oxydation von zweiwerthigen Mercaptanen oder ihren Derivaten*, z, K
Aethylendisulfosäure CH,(SOeH) • CHsCSOsH) aus Thioglykol und Aethylenrhodauid
CHa(S-CN)-CH8(S.CN), Aethylidendisulfosäure CH3 • CHCSOjH), aus Thialdin {y^l
S. 425). Auch entstehen sie bei der Einwirkung von rauchender Schwefelsäure auf
Amide und Nitrile der Fettsäuren', z.B. Methylendisulfosäure OHsCSOsH), ausAcet-
amid und Acetonitril.
Methylendisulfosäure^ (Methandisulfosäure , Methionsäure) CH,(SOsH)i ist
häufig als Einwirkungsprodukt von rauchender Schwefelsäure auf einfache Verbindun-
gen der Fettreihe beobachtet, so ist sie aus Essigsäure, Acetamid, Acetonitril, Milchsäure
erhalten; auch aus Aethyläther entsteht sie in geringer Menge bei der Einwirkung
von Schwefelsäureanhydrid. — Die freie Säure stellt lange, zerfliessliche Nadeln dar;
das Bariumsalz CHg(S08)sBa + 2H2O hält sein Krystallwasser bei 100® zurück, ver-
liert es bei 140 ^
Aethylendisulfosäure'^ CHsCSOjH) • CHjlSOjH) (01 w'-Aethandisulfos&ure) stellt
eine strahlig krystallinische Masse dar und schmilzt wasserfrei bei 92®; das Barium-
salz krystallisirt je nach den Bedingungen wasserfrei oder wasserhaltig.
Aethylidendisulfosäure* CHg*CH(SO,H), (6i-Aethandisulfosänre) ist eine
ölige, in Wasser und Alkohol sehr lösliche Flüssigkeit; das Bariumsalz enthält,
aus Wasser krystallisirt, 3 Mol. Krystallwasser. In dem Aethylester CHa-CHlSO,-
OCjHg)^ ist das Wasserstoffatom der Methenylgruppe durch Natrium vertretbar, so'
dass man im Stande ist, dasselbe durch Kochen des Esters mit Natriumalkohulat
und einem Alkyljodid in alkoholischer Lösung gegen Alkylreste auszuwechseln.
Halbgeschwefelte Glykole und Oxysulfosäuren.
Es ist zu erwarten, dass zwischen den zweiwerthigen Alkoholen und den zwei-
werthigen Mercaptanen Verbindungen in der Mitte stehen, die zugleich Alkohol umi
Mercaptan sind:
„ /OH „ /OH „ /SH
ßV rV R°< .
N)H \SH \SH
Eine solche Verbindung — das MonothioäthylenglykoF CH,(OH).CHg(SH) -
entsteht durch Umsetzung von Glykolchloriiydrin CHs(OII) • CHgCl mit Kaliumsolf*
hydrat; es ist eine farblose Flüssigkeit, schwerer als Wasser, darin wenig löslich und
» Bender, Ann. 148, 107 (1868). — Monabi, Ber. 18, 1343 (1885).
» Weenee, Ztschr. Chem. 1862, 586. — Bufp, Ann. 100, 232 (1856). -
GcABESCHi, Ber. U, 1384, 1692 (1878).
' Buckton u. A. W. Hofmann, Ann. 100, 129 (1856).
* Buckton u. A. W. Hofmann, Ann. 100, 133, 169 (1856). — Strecker, Auu.
100, 199 (1856); 118, 290 (1861); 148, 92 (1868). — Husemann, Ann. 126, 2^3
(1863). — Baumstark, Ann. 140, 82 (1866). — R. Hübnkb, Ann. 223, 203 (1884).
» Husemann, Ann. 126, 272 (1863). — V. Meyer, Ann. 171, 53 (1873). -
Königs, Ber. 7, 1163 (1874). — Guareschi, Ber. 12,682 (1879), — Andkkasch, Ber.
16, 1185 (1883). — Otto, J. pr. [2] 36, 437 (1887).
« Guareschi, Ber. 12, 682 (1879). Ann. 222, 302 (1883). — Amdreasch, Ber
16, 1185 (1883). — Manzelius, Ber. 21, 1551 (1888).
' Caruts, Ann. 124, 257 (1862).
Oxystüfosäuven, 57 7
efert durch Oxydation mit Salpetersäure Isäthionsäure CHs(0H)-CH2(S0,H). Das
Dtsprechende Sulfid — Thiodiglykol* SCCH, • CH, • OH), — erhÄlt man durch
anwirkimg von wSasriger Kaliumsulfidlösung auf Gljkolchlorhydrin ; es ist ein fast
;eruclüosery mit Wasser in allen Verfaflltnissen mischbarer Syrup.
• Als Derivate solcher „halbgeschwefelter Glykole^' können femer die Oxy
ulfosäuren
\SO9H
lufgefasst werden, die andererseits , auch als Sulfosubstitutionsprodukte der einwer-
tlugen Alkohole betrachtet werden können.
Als hierher gehörig sind zunächst die Verbindungen zu erwähnen, welche aus
den Aldehyden und Ketonen durch Anlagerung von Alkalidisulfiten entstehen (vgl.
S. 387—888):
/OH Rv /OH
R.CH< >C<
^SO.Na R'/ \SOJ
SOjNa R'/ ^SOgNa
Die dem Formaldehyd entsprechende Oxymethansulfosäure CH2(OHXS08H)
(vgL S. 404) wird auch durch Einwirkung von Schwefelsäureanhydrid auf ein Ge-
menge von wenig Methylalkohol mit viel concentrirter Schwefelsäure erhalten'.'
Wenn man Schwefelsäureanhydrid auf Aethylalkohol oder Aether einwirken
lässt, das Produkt mit Wasser verdünnt und längere Zeit kocht, so erhält man eine
Snlfosäure des Aethylalkohols, welche die Hydroxylgruppe und Sulfogruppe an ver-
schiedenen Kohlenstofiatomen enthält:
CHs(OH)— CH^^CSOsH)
und daher als Aethylenhydrinsulfo säure bezeichnet werden kann. Diese viel-
fach untersuchte Säure ist bekannter unter dem Namen „Isäthionsäure^^'; sie wurde
oben bereits als Oxydationsprodukt des halbgeschwefelten Glykols erwähnt; weitere
Belege für die ihr zugeschriebene Constitution bietet ihre Bildung durch Umsetzung
von Glykolchlorhydrin mit Natriumsulfit und durch Vereinigung von Aethylenoxyd
mit Natriumbisulfit:
GH.. CHj.OH
I >0 -H NaHSO, = !
CH,/ CHj.SOgNa
Sie bildet zerfliessliche Rrystallnadeln; ihre Salze sind leicht löslich und krystallisir-
bar; das Bariumsalz krystallisirt wasserfrei. Isomer mit der Aethylschwefelsäure
CHg-CH^-O-SOsH, unterscheidet sie sich von letzterer wesentlich dadurch, dass durch
Kochen mit Wasser ihre Sulfogruppe nicht abgespalten wird. Bei der Oxydation
mit Chromsäure liefert sie Sulfoessigsäure CH^SOgH)— CO,H.
Die Isäthionsäure ist nicht das ursprüngliche Einwirkungsprodukt von Schwefel-
säureanhydrid auf Alkohol, sondern entsteht aus dem Reactionsprodukt erst durch
die Behandlung mit Wasser. Zunächst bildet sich Carbylsulfat ^
CH, SO,v
C,HÄOe =1 >0
CH,-O.SO/
^ Caeius, Ann. 124, 257 (1862). — V. Mbtäb, Ber. 19, 3260 (1886).
* M. MüLLEE, Ber. 6, 1032 (18T3).
' Maohus, Ann. 6, 163 (1833). — Liebio, Ann. 13, 33 (1835). — Meves, Ann.
}43, 196 (1867). — CoLLMAKN, Ann. 148, 107 (1868). — Eklenmeyeb u. Daemstadtee,
'/-tschr. Cbem. 1868, 342. — R. Hübneb, Ann. 223, 198 (1884). — M. Müllbe, Ber.
Ö. 1031 (1873). — Cabl, Ber. 12, 1604 (1879); 14, 63 (1881).
* Rbohault, Ann. 25, 32 (1838). — Maghüs, Pogg. 47, 509 (1839).
^' MiTBs Q. Jacobson, org. Chem. I. 37
578 Dreiwerihige Alkohole.
— eine krjstallinische, bei etwa 80^ schmelzende Verbindung, welche auch doicli
directe Vereinigung von Aethylen mit Schwefelsäureanhydrid (vgl. S. 444) erhalten wird
CH,— SOj.OH
und mit grösster Begierde Wasser anzieht, um in Aethionsänre ^ I
CHj-OSOvOH
überzugehen. Die Aethionsäure ist nur in wässnger Losung und in Form von Salzen
bekannt; sie ist halb Sulfosäure und halb Aetherschwefelsäure; daher zersetzt sie sich
beim Erwärmen der wässrigen Lösung, indem der esterartig gebundene Schwefelsftoie-
rest abgespalten, und Isäthionsäure gebildet wird:
CH, . SO, . OH GH, . SOs • OH
I + H,0 = I + OH. SO,. OH.
CHjO.SO.OH CHjOH
Einundzwanzigstes Kapitel.
Dreiwerthige Alkohole.
(Glycerin und seine Derivate. — Technologie der Fette und Oele: Kerzen- und
Seifenindustrie, Glycerin und Nitroglycerin.)
Es ist schon S. 558 betont, dass sich mehrere Hydroxylgruppen
im Allgemeinen an einem Eohlenstoffatom nicht halten können. Wie
die Gruppe ^C<^ durch Wasserabspaltung in die Carbonylgruppe ^C-0
/ \0H . .OH /
übergeht, und man daher statt der die Gruppe y>C<^ enthaltenden zwei-
werthigen Alkohole fast stets Aldehyde oder Ketone erhält^ so wird aus der
/OH yO
Gruppe — C^OH durch Wasserabspaltung die Carboxylgruppe — C^
\0H \0H
werden, und wo Gelegenheit zur Bildung solcher Alkohole mit drei an
einem und demselben Eohlenstoffatom befindlichen Hydroxylgruppen sich
bietet, sieht man daher stattdessen die einwerthigen, um ein Wasser-
molecül ärmeren Carbonsäuren entstehen. Wegen dieser Beziehung be-
zeichet man jene hypothetischen dreiwerthigen Alkohole als „Ortho-
säuren":
/OH jy
CHjC^OH CH,.CC ;
N)H N)H
OrthoessigsSure Essigsäure
die Frage, ob sie vielleicht als in der wässrigen Lösung der Fettsäuren
bestehend anzunehmen seien, wurde S. 321 gestreift und in verneinendem
Sinne beantwortet. Auch hier wieder wird die Unbeständigkeit auf-
gehoben, sobald die Wasserstoffatome der Hydroxylgruppen durch Alkyl-
» Maokus, Pogg. 47, 514 (1839). — Clabsson, J. pr. [2] 19, 253 (1879.)
Glycerin. 579
I I ■ — - ■■ I M I I I I I 11 I I
reste vertreten sind: die Ester der Orthosäuren, wie CH(0 «02115)3, sind
beständig, sie wurden bereits S. 362 — 363 besprochen.
Vom Methan und Aethan können sich in Folge dieser Verhältnisse
beständige dreiwerthige Alkohole nicht ableiten; erst das Propan bietet
die Möglichkeit für die Anlagerung dreier Hydroxylgruppen an drei yer-
schiedene Kohlenstoffatome :
CH, (OH)-CH(OH)-CH,(OH).
Dieses Trioxypropan — der denkbar einfachste dreiwerthige Alkohol —
ist eine äusserst wichtige Verbindung: das schon mehrfach erwähnte
Glycerin.
Glycerin.
Glycerin CgHgOg (wegen seiner Beziehung zu den Fetten und seines
süssen Geschmacks früher auch „Oelsiiss" genannt, nach der „Genfer
Nomenclatur" (vgl. S. 602) Propantriol zu nennen) wurde 1779 von
Scheele entdeckt; Cheybeul erkannte es als Stammsubstanz der natür-
lichen Fette und Oele, Pelouzb^ stellte seine Zusammensetzung fest,
Bebthelot* und V^ubtz^ trugen namentlich zur Aufklärung seiner Con-
stitution bei.
Wie schon mehrfach angedeutet (vgl. S. 305 — 306, 334, 511), be-
stehen die natürlichen Fette und Oele aus Verbindungen, welche sich
vom Glycerin durch Vertretung der Hydroxylwasserstoffatome mittelst
der Badicale von höheren Gliedern der Fettsäure- und Oelsäure-Beihe
ableiten; diese Ester des Glycerins, wie
C,H5(0 . CO . Ci^Ha,), CaH.CO • CO • C^Ha,), C.H.CO • CO • C„H„)a
Palmitinsäure- StearinsICure- Oebäure-Glycerinester '
zerfallen unter der Einwirkung verseifender Mittel in Glycerin und die
entsprechende Säure, z. B.:
CaH^COCOCnHas), + 8H,0 = CsH^COHJa + 30H.CO.C„H,5.
Die Verseifung der Fette und Oele bietet daher einen Weg, um Glycerin
in grösstem Massstab zu gewinnen; die Methoden, deren sich die Industrie
hierfür bedient, werden am Schlüsse dieses Kapitels (S. 592 ff) geschildert
werden.
Die vollständige Synthese des Glycerins ist Feibdel und Silva*
auf einem Wege geglückt, als dessen] Ausgangspunkt die Essigsäure
(vgl deren synthetische Gewinnung S. 131 und 319) angesehen werden
kann. Das durch Destillation von essigsaurem Calcium gewinnbare Aceton
wurde zu Isopropylalkohol Yeducirt, letzterer durch Wasserabspaltung in
Propylen übergeführt, und das Propylen mit Chlor vereinigt:
» Ann. 20, 46, (1886). Compt rend. 21, 718 (1845).
» Ann. eh. [3] 41, 306 (1854).
* Ann. eh. [3] 43, 492 (1855). Ann. 102, 839 (1857).
* Compt. rend. 74, 805 (1872); 76, 1594 (1873).
37*
580 Glycerin (Entstehung, Constitution).
CH, CH, CH, CH,a
CO — >- CH(OH) — >- CH — >- CHGl
CH, CH3 CH, CH,;
das 80 gewonnene Propylenchlorid wird nun beim Erhitzen init Chlorjod
grösstentheils derart chlorirt, dass das neu eintretende Chloratom da?
noch nicht chlorirte Kohlenstoffatom aufsucht; so entsteht das GljcerrJ-
trichlorid oder Trichlorhydrin (ygl. S. 555), welches beim Erhitzen mit
Wasser Glycerin liefert:
CHjCl CHjCl CH,(OH)
CHCl >- CHCl >- CH(OH).
CH, CH,C1 CH,(OH)
Die Richtigkeit letzterer Angabe^ vorausgesetzt, müsste zwischen Tri-
chlorhydrin und Tribromhydrin im Verhalten gegen Wasser ein grosser
Unterschied bestehen; denn aus Tribromhydrin konnte durch ErhitzcD
mit Wasser Glycerin nicht oder nur sehr schwierig erhalten werden*. —
Uebrigens kann Tribromhydrin aus dem durch Vereinigung von Propylei.
mit Brom entstehenden Propylenbromid nach neueren Beobachtungen^
durch Erhitzen mit Brom in Gegenwart von Eisendraht quantitativ er-
halten und nach Wübtz * durch Einwirkung von Silberacetat in Triacetin
(8. 586) verwandelt werden, welch letzteres durch Barythydrat in Essig-
säure und Glycerin gespalten wird.
Von sonstigen Entstehungsweisen des Glycerins ist zu erwähnen
seine Bildung durch Oxydation des AUylalkohols mit Kaliumpermanganat*
(vgl. S. 481) und sein ständiges Auftreten als Nebenprodukt bei der alkoholi-
schen Gährung des Zuckers® (vgl. S. 173); infolge der letzteren Bildung
enthalten alle nicht destillirten vergohrenen Flüssigkeiten — Bier, \\eiü.
vergohrene Branntweinmaische — geringe Mengen von Glycerin.
Für die Beurtheilung der Constitution des Glycerins kommen nament-
lich die folgenden Anhaltspunkte in Betracht. Die oben erwähnte Sp-
these aus Propylen zeigt, dass das Glycerin ein Propanderivat ist; aus
der Existenz der unten beschriebenen Ester folgt zweifellos, dass seine
drei Sauers toflfatome in Form von drei Hydroxylgruppen gebunden sind;
die Vertheilung dieser drei Hydroxylgruppen kann ferner aus dem Um-
stand gefolgert werden, dass durch Oxydation (vgl. S. 582) eine einbasische
Säure mit zwei alkoholischen Hydroxylgruppen:
die Glycerinsäure CO2H.CH(0H)-CHa(OH)
» Vgl. Berthelot, Ann. 156, 107 (1870).
* Nach neuerdings im Heidelberger Üniv.-Labor. gemachten Erfahrungen.
3 Kronstein, Ber. 24, 4246 (1891). * Ann. 102, 340 (1857).
* G. Wagner, Ber. 21, 3351 (1888).
* Pasteur, Ann. 106, 838 (1858). — Vgl. auch Thylmann u. Hiloee, Ber. 22c,
344 (1889).
Olycerin (Eigenschaften). 581
nd eine zweibasiscbe Säure mit einer alkoholischen Hydroxylgruppe:
die Tartronsäure CO,HCH{OH)-CO,H
rhalten werden kann. Offenbar ist dies nur erklärlich, wenn durch das
'orbandenaein je einer Hydroxylgruppe an jedem endständigen Y'^^'~
totfatom die Möglichkeit zur Bildung zweier Carboxylgruppen g
it, und auch am mittelständigen Kohlenstoffatom sieb noch eine Hy<
;ruppe befindet.
Glycerin ist eine farblose und geruchlose, stark hygrosk(
Flüssigkeit von rein süssem Geschmack und syrupartiger Com
ilit Wasser und Alkohol ist es in jedem Verhältniss mischbar, in
md Chloroform unlöslich '; es löst seinerseits viele anorganiscl
trgauiscbe Verbindungen', so die Alkalien, viele Salze, selbst
Die fast ölartige Beschaffenheit einerseits, andererseits die Misch
mit Wasser, seine Beständigkeit an der Luft, der Umstand, dass
gewöhnlicher Temperatur nicht verdampft, sein Lösungsvermög
fiele Stoffe, der angenehme Geschmack und die Fähigkeit, die
weich und geschmeidig zu machen, ohne eine ätzende Wirkung
üben, — dies alles' sind Eigenschaften, welche in dieser Weise ve
sich bei keiner anderen leicht zugänglichen Substanz wiederfindt
dem Glycerin in den Gewerben and in der Heilkunde eine bede
Stellung sichern.
Das Glycerin ist krystallisirbar*; überlässt man es länger
einer Temperatur von 0", so bilden sich sehr langsam harte, glär
dm'chsichtJge Krystalle aus, welche dem rhombistjien System ang
und bei +17" wieder schmelzen*. Unter gewöhnlichem Druck si
das Glycerin fast völlig unversetzt bei 290", unter einem Dru(
50 mm bei 205*. Sein specifisches Gewicht^'' beträgt bei 15":
Bei der Mischung mit Wasser' tritt geringe Contraction und Tempi
erhobung ein.
An dem chemischen Verhalten des Glycerins ist besond*
Vertretbarkeit dreier Wasserstoffatome hervorzuheben, welche dasse
Tri bydroxyl Verbindung — als dreiwerthigen Alkohol — charakti
die anten näher besprochenen Alkoholate, Aether und Ester
Belege dafür. — Bei der Einwirkung von Chlor- und Bromverbinf
Ueapeb, Cbem. Newa. 21, 87 (1870).
Vgl. KxEVEH, BuU, 18. 372 (1872). — Peloü;!e, Ann. 30, 46 (18
[, Compt. rend. 76, 884 (1873).
Crookes, Uladstone, Sabq, Jb. 1867, 673. — Nitschk, Jb. 1873, ;
Lamo, Jb. 1B74, 338.
Vgl Henninqeb, Bor. 8, 643 (1875); 9, 361 (1876).
Ofpbkiieih u. Salzkahn, Her. 7, 1622 (IS74). — Bolas, Zischr. Clien:
Geblach, Ber. 17c, 522 (1884). — Kichardbon, Journ. Sog, 49, 761 II
MENDfLEJEFF. Ann. 114, 167 (1860).
Lenz, Ztsthr. f. anal. Chem. 19, 297 (1880). — Geblach. Ber. V,
- Sthohueh, Monntsh. 5, 59 (1884),
582 Qlycerin (ehemisdtes Verhalten).
des Phosphors werden zunächst Zwischenprodukte', wie Monochlorhydrin
o TT ^.,^TT, T^ichlorhydrin C,HjClj{OH), Epichlorhydrin CH,-CH-CH,Cl
uch bei der Einwirkimg von Chlorwasserstoff auf Glycerin'
iesslich werden alle drei Hydroxylgruppen durch Chlor bezw,
und es entsteht Trichlor- bezw. Tribromhydrin {vgl, S. 555).
läuft die schon mehrfach besprochene Einwirkung des Jod-
ler eines Gemisches von Jod und Phosphor (vgl. 8. 146,
<]; wohl in Folge der Unbeständigkeit der zunächst ent-
dukte», wie Dijodbydrin C3HjJg(0H) und Trijodhydrin
. man je nach den Bedingungen schliesslich AUyljodid,
Isopropyljodid,
litzen in Gegenwart von wasserentziebenden Substanzen
cerin Äkroleln (vgl. S. 522).
^xydationsprodukte des Glycerins wird man die beiden
>indungen :
CHO CH,{OH)
CH{OH) und CO
OH,[OH) CH,(OH)
Glycerinaldehyd Dioijaceton
I Gemisch dieser Verbindungen — Glycerose* genaniit
n Kap. 35) — , in welchem das Dioxyaceton vorwaltet,
der That durch Anwendung gemässigter Oxydationsmittel r
etersäure, Brom und Soda, Piatinschwarz, am besten durch
n Bromdampf auf Bleiglycerat. Die beiden Verbindungen
lirt, ihr Vorhandensein in dem Oxydationsgemisch aber
irung in Derivate sicher festgestellt; die Glycerose ist von
ung für das Problem der synthetischen Darstellung von
iworden (vgl. Kap, 35).
n S. 580 — 581 erwähnt, dass sich durch kräftigere Oxydation
rin entsprechenden Carbonsäuren bilden; starke Salpeter-
Quecksilberoxyd bei Gegenwart von Barytbydrat' liefert
Kaliumpermangat' neben anderen Produkten kleine Mengen
ire,
leren Cxydationsbedingimgen findet eine ziemlich glatte
c u. Lcci, Ann. 101, e7 (1857).
-, Ann. 88, 311 (1853); 92, 302 (1854).
lY, Ber, 14, 403 (1881).
Jb. 1863, 501. — E. FiBCHKR o. Tapei., Ber. 20, 1089, S^-,
(1888); 32, 106 (188»). - Ghimaui, Compt rend. 104, 1276 (18871
nn. 106, 79 (1858). — Socolofp, ebenda, 95. — Hhntz, Ann. 162
, Ber. 18, 3357 (1885).
i. BizzABi, Jb. 1880, 787; 1882, 647.
Alkokolate des Olycerins. 583
Sprengung der KohlenstoflFkette statt. Silberoxyd wird von einer alkali-
schen Glycerinlösung rasch reducirt, indem sich reichliche Mengen von
Glykolsäure CHjj(0H)-C02H bilden i; Bleisuperoxyd wirkt auf die alka-
lische Lösung unter Zerlegung des Glycerins in Wasserstoff und Ameisen-
säure*:
CjHeOa + 0, = H, + 3 CH,Oj.
Durch Spaltpilze kann das Glycerin in lebhafte Gährung' versetzt
werden ; die Produkte sind je nach der Natur des Gährungserregers und
den Gährungsbedingungen verschieden; ein Bacillus erzeugt als Haupt-
produkt normalen Butylalkohol (Darstellungsmethode, vgl. S. 162), ein
anderer als Hauptprodukt Aethylalkohol. Daneben wurden als Gährungs-
produkte flüchtige Fettsäuren, Bernsteinsäure, Trimethylenglykol (in er-
heblicher Menge, vgl. S. 569), auch eine Verbindung von der Zusammen-
setzung des Phorons C^Hj^O (vgl. S. 530) beobachtet.
Abkömmlinge des Glycerins.
Vom Glycerin leiten eich Alkobolate ab, indem die Hydrozylwasserstoffatome
darch Metallatome vertreten werden; auf der Bildung solcher Alkoholate beruht
zweifellos die Fähigkeit des Glycerins, viele Metalloxyde* — Kalk, Strontian, Baryt,
Bleioxyd etc. — in beträchtlicher Menge au&ulösen. — Mononatriumglycerat*'*
CjH5(0H),(0Na), verbunden mit Krystallalkohol (NaCsHTOg + OjK^O), erhält man in
Form von sternförmig gruppirten RrystäUchen, wenn man Glycerin zu einer Lösung von
Natrium in Alkohol fügt; durch Erhitzen im Wasserstoffstrom auf 120** wird der Krystall-
alkohol ausgetrieben. Beim Erwärmen von Glycerin mit der entsprechenden Menge
Xatriumam^igam (Natrium selbst wirkt in der Kälte kaum, in der Hitze zu heftig)
erhält man das Natriumglycerat als gummiartige Masse; durch trockene Destillation
liefert es unter anderen Produkten erhebliche Mengen von Propylenglykol , das man
aach direct durch Destillation von Glycerin mit Natriumhydroxyd erhält (Darstellungs-
methode, vgl. S. 668). Auf einer weiteren Veränderung des Propylenglykols beruht es
wohl, dass beim Schmelzen von Glycerin mit Kalihydrat' Milchsäure CHg-CHCOH)*
CO^H, Essigsäure und Ameisensäure gebildet wird. Erhitzt man das Mononatrium-
glycerat mit der äquivalenten Menge Natriumäthylat längere Zeit in alkoholischer
Lösung, verjagt dann den Alkohol und trocknet bei 180^ im Wasserstofi&trom, so
erhält man zunächst eine Verbindung von Mononatriumglycerat mit Natriumäthylat
^\H,08Na.CaH60Na; erst durch andauerndes Erhitzen auf 180 — 190** wird dieselbe
» KiLUNi, Ber. 16, 2415 (1883).
* Glaseb u. Mobawski, Monatsh. 10, 578 (1889).
' Berthelot, Ann. eh. [3.] 50, 346 (1857). — B£chaup, Compt. rend. 69,
669 (1869). — Frrz, Ber. 9, 1348 (1876); 10, 276 (1877); 11, 42, 1892 (1878);
12,481(1879); 13, 1311 (1880); 15, 867 (1882). — K. E. Schui^e, Ber. 16, 64 (1882).
- Freund, Monatsh. 2, 636 (1881). — Morin, Compt rend. 106, 816 (1887). —
Vgl. auch Hoppe-SETLEB, Ztschr. f. physiol. Chemie. 3, 353 (1879).
* Puls, J. pr. [2] 16, 83 (1877).
* Letts, Ber. 6, 159 (1872). — Belohoubek, Ber. 12, 1872 (1879). — Löbisch u.
l^os, Monatsh. 2, 783 (1881). — Fernbach, Bull. 34, 146 (1880). — de Forcrand,
Compt. rend. 103, 596 (1886). — Raisonnier, Bull. [8] 7, 554 (1892).
^ DcMAs u. Stas, Ann. 35, 158 (1840). — Herter, Ber. 11, 1167 (1878).
584 Aether des Glycerins,
unter Austreibung von Alkohol in Dinatriumglycerat^ C,H5(0H)(0Na), über-
goftlhrt, welch letzteres indess bei dieser Temperatur schon beträchtliche Zeisetms^
erleidet
Aether '• Setzt man das Mono- und Dichlorhydrin (vgl. S. 616 ff.) mit Natrium-
alkoholaten um, so erhält man die Mono- und Dialkjläther des Glycerins:
CaHß^OH -t- NaOCjHß = CaH^^OH -t- NaCl,
M)H ^OH
yCl /OCA
C,H,(-C1 + 2NaO.C,H5= C^n^^O-C^U^ + NaCl;
behandelt man den Diäthyläther mit Natrium und Jodäthyl, so entsteht der Tri-
äthyläther:
CaHs^C^Hfi + J.C,H5 = C.He^OCÄ + NaJ.
X)Na X).C,H5
Monoäthylin CjHßCO • CjHöXOH)^ (Siedepunkt 225— 230 •) lost sich in Wisse;
Diäthylin CjHßlO • C,H5)a(0H) (Siedepunkt 191^ spec. Gewicht 0-92) ist wenig
losUch, Triäthylin C8Hß(0 • CjH6)8 (Siedepunkt 185^ spec. Gew. 0-895 bei IM'
nicht löslich in Wasser; alle drei Aether stellen farblose Flüssigkeiten dar.
Bei der Destillation von Glycerin mit Chlorcalcium oder mit etwas SalmUL
femer als Nebenprodukt bei der Darstellung von AUylalkohol aus Glycerin und
Oxalsäure (vgl. S. 479) erhält man eine flüssige, mit Wasser mischbare, bei 171— 1T2*
siedende Verbindung (spec. Gewicht bei 0^: 1*145), welche die Znsammensetznsg
CgHioO, des eigentlichen Glycerinäthers':
CH,-0— CH,
i
CHj-O-CH,
besitzt; doch ist es fraglich, ob derselben nicht vielmehr die Constitution eines Aetbers
des Acetylcarbinob (vgl. Kap. 34):
CHg . CO • CH,-0-CHs . CO • CH3
zukommt.
Ueber ätherartige Derivate des Glycerins vgl. ferner unter Glyridverbindnngen
und Polyglycerinen S. 590—591.
Ester des Crlycerins. Als dreiatomiger Alkohol vermag das Glycerin
drei Reihen von Estern zu bilden, je nachdem ein, zwei oder drei Hydroxvl-
wasserstoffatome durch die Radicale anorganischer bezw. organischer
Säuren ersetzt werden:
/OSOj-OH /O.CO.CH3 /O.NO,
CaH,^OH CgH^^O . CO . CH3 CsH,^ • NO, .
\0H \0H M).NO,
H — 0-CH
* LöBiscH u. L008, Monatsh. 2, 842 (1881). — de Fobcrakd, Compt rendlO^«
665 (1888); 107, 269 (1888).
• Alsbero, Jb. 1864, 495. — Reboul, Ann. Suppl. 1, 237 (1861). — BEBramoT.
Ann. 92, 303 (1854). — Reboul u. Locren^o, Ann. 119, 237 (1861).
■ Bebthelot u. Luca, Ann. 92, 312 (1854). — Linvehann u. Zotta, Ann. Suppl-
8, 254 (1871). — Zotta, Ann. 174, 87 (1874). — v. Geoebpeldt, Ber. 4, 919 (18^!.
— T0LLEN8, Ztschr. Chem. 1871, 529. — Tollens u. Loe, Ber. 14, 1946 (1881). -
Silva, Compt. rend. 93, 418 (1881).
Nitroglycerin,
Unter den Estern des Glycerina, welche sich von
:chen Säuren ableiten, ist besonders hervorznheben d
klpetersänreeater: das d-lycerlntiinttrat CgHg(0-NO,)g, gew
roelfeerln' genannt. Man gewinnt* dasselbe, indem man G
iinem Oemisch von concentrirter Salpetersäure und concentrirb
läure zusammenbringt; giesst man das Heactionsgemisch in \
Iberlässt es der Kühe, so scheidet sich das Nitroglycerin all
ib, welche durch Waschen mit Wasser und Sodalösuug von
jefreit vrird. Das reine Nitroglycerin ist eine Ölige, geruchlo
Flüssigkeit von anfangs sUsslichem, später brennendem '
«eiche bei 15" das specifische Gewicht' 1-601 zeigt, in Wi
iD absolutem Alkohol leicht löslich, mit Äether, Chloroform
mischbar ist. Bei +8" erstarrt das Nitroglycerin. Es be
iiche, wenn auch nicht gerade beunruhigende Vergiftungssympi
Ditmpf veranlasst heftige Kopfschmerzen und Uebelkeiten. Sei:
stechendste Eigenschaft ist die Überaus heftige £x]
welche alle Salpeters äureester mehrwerthiger Hyt
bindungen auszeichnet (vgl. Nitrocellulose); selbst klei
können bei der Detonation furchtbare Wirkungen hervorbring
Wärme* freilich ist das Nitroglycerin nicht besonders
Explosion zu bringen; in dünner Schicht flach ausgegoss«
glvcerin kann mau sogar entzUnden und ohne Explosion
lassen; ein Tropfen, auf eine glühende Metallplatte gegossen,
^pbäroidalea Zustand an und verdampft oder verbrennt ohni
ist dagegen die Platte nicht rothglühend, aber doch so heisi
Nitroglycerin sofort ins Kochen kommt, so zersetzt sich 6
unter Detonation*. Durch Stoss oder Schlag detonirt das N
mit grösster Heftigkeit und ist daher eines der wichtigst
mittel geworden. Seine technische Bedeutung wird weitet
600—601) besprochen.
Reines Nitroglycerin ist haltbar, während ein ungenügend
Präparat sich beim Aufbewahren zersetzt'.
' SoBBEBo, Ann. 64, 398 (1848). — Wiiuamson, Ann. 92, 305 (1:
' Vgl. Champion, Compt rend. 73, 42 (1811). — BouTMy u. pAt
renrl. 83, 786 (1876). — PESKiii, Joura. Soc- 56, 6B5 (1889),
' DE Vbt, Jb. 185B, 626. — Pebkih, Joum. Soc. 56, 685 (1889).
< ScHucHAKi>T, Jb. ISee, 525.
' Xaeh CniitpioN (Compt. rand. 73, 46 (1871)) bo!I sieh Nitroglye
unter Entwickelung rother DHinpfe verflüchtigen, dagegen bei 257° eeh
Diren. N'och eigenen Versnchen bSogt es indessen von noch unennittelten
- nicht von bcBtimmten Temperaturen — ab, ob Nitroglycerin sich ol
vcrflüchtipt oder detonirt.
* E, Kopp, Compt. rend. 83, 190 11866). — Gorup-Besanez, Ann. 16
' Vgl. WiHBEN DE LA RüE u. MOi.LEB, Ann. 108, 122 (1859).
Compt reud. 73, 45 (1871). — H*r, Ber. ISo, 269 (1885). — Nobel,
Jouro 179, 403 (1866).
586 OlycerirvpJwsphorsäure, Fettsäureester
Die Natur des Nitroglycerins als Salpetersäureester bedingt es, dassbei
der Einwirkung von Alkalien leicht die Nitrogruppen abgespalten werden;
doch yerläuft die „Verseifung" keineswegs glatt nach der Gleichung:
CgHsCO-NO,), + 3K0H == CsH5(OH)3 + SKNO,;
in Folge secundärer Processe wird vielmehr einerseits das Glycerin in
Oxydationsprodukte verwandelt, während andererseits ein Theil des Alkali-
nitrats zu Nitrit reducirt wird^.
Ueber Ester des Glycerins, welche sich von anderen anorganischen Sftaren ab-
leiten — Derivate der Schwefelsäure', salpetrigen Sfture*, arsenigen Säure* — vgl. die
Originalliteratur. Ihrer Beziehungen wegen zu dem physiologisch wichtigen Lecithin
(vgl. S. 589—590) sei noch die Glycerinphosphorsäure'' C,Hö(OH),-0-PO(OH)j
hervorgehoben, welche man aus Glycerin durch Einwirkung von Phosphorpentoxjd
oder Metaphosphorsäure erhält; sie findet sich — wohl durch Spaltung von Lecithinen
entstanden — in vielen Organen und Flüssigkeiten des Organismus, so im Blnt, in
den Muskeln, im Harn. Ihr Calcium salz C3H5(OH)g • 0 • POgCa ist in kaltem Wasser
leichter löslich als in warmem und scheidet sich daher beim Erwärmen der Lösung
in schneeweissen perlmutterglänzenden Blättchen ab.
Die Ester des Glycerins mit den einbasischen organischen
Säuren können durch Erhitzen des Glycerins mit den Säurehydraten
erhalten werden^; je nach den angewendeten Mengenverhältnissen und
der Eeactionstemperatur erhält man vorwiegend Mono-, Di- oder Tri-
glyceride (vgl. S. 584). Durch Erwärmen mit Alkalien oder Bleioxyd
werden sie wieder zerlegt; auch Erhitzen mit Wasser unter Druck be-
wirkt die Verseifung.
Ameisensäureester des Grlycerins (Formine) entstehen, wie schon S. 316
u. 479 besprochen wurde, beim Erhitzen von Grlycerin mit Oxalsäure und sind wichtig
als Zwischenprodukte der Darstellungsmethoden für Ameisensäure und Allylalkohol.
Das Monoformin' CHaCOHlgCO • COH) siedet im Vacuum bei 165 <>, das Diformin'
CsHgCOHXO • C0H)2 siedet unter 20—30 mm bei 168— 166« und besitzt bei 15* das
spec. Gew. 1'304; beide sind flüssig. — Auch die Essig säur eester des Gly-
cerins« (Acetine) sind flüssig; Triacetin CgHsCO • CO • CH8)3 siedet bei 258— 259^
besitzt das spec. Gew. 1*155, ist in Wasser schwer löslich und scheint in geringer
Menge in einigen natürlichen Fetten und Oelen vorzukommen.
» Hat, Ber. 18c, 268, 376 (1885). — Vgl. Maquenne, Ann. eh. [6] 24, 522 (1891).
« Pbloüze, Ann. 19, 210 (1836); 20, 48 (1836). — Claesson, J. pr. [2] 20, 4 (18791
* Masson, Ber. 16, 1697 (1883).
* Schiff, Bull. 8, 99 (1867). — Jackson, Chem. News. 49, 258 (1884). — Berrt,
Chcm. News 50, 45 (1884).
* Peloüze, Compt. rend. 21, 720 (1845). — Thudichüm u. Kinqzett, Jb. 1876, 557.
— SoTNiTSCHEwsKY, Ztschr. f. physiol. Chem. 4, 214 (1880).
» Vgl. Bebthelot, Ann. eh. [3] 41, 216 (1854).
' ToLLENS u. Hennikoeb, Bull. 11, 395 (1869).
® RoMBüBGH, Compt rend. 93, 847 (1881). — Lobtn, Compt. rend. 100, 282 (1885X
® Bebthelot, Ann. eh. [3] 41, 277 (1854). — Hübneb u. Mülleb, Ztschr. Chem.
1870, 343. — Laüfeb, Jb. 1876, 343. — Wubtz, Ann. 102, 340 (1857). — Schweizes,
Ann. 80, 289 (1851). — ScHMroT, Ann. 200, 99 (1880). — Thümhel n. Kwaskik,
Arch. f. Pharm. 229, 187 (1891). — Böttinqeb, Ann. 263, 359 (1891). — Allen o.
Hompbey, Ber. 24c, 867 (1891). — Seelio, Ber. 24, 8466 (1891).
des Olycerins.
587
Die Triglyceride der mittleren und höheren Fettsäuren
und Oelsäuren sind schon mehrfach (vgl. S. 579) in ihrer Wichtigkeit
als Componenten der natürlichen Fette und Oele hervorgehoben. Die
Fette sind fast stets Gemische mehrerer Triglyceride; zuweilen aber
überwiegt ein Triglycerid derart, dass es ohne grosse Mühe durch
pausende Methoden — Abpressen, Umkrystallisiren aus Aether — in
reinem Zustand isolirt werden kann; andererseits lassen sich die reinen
Triglyceride synthetisch aus Glycerin und den betreflFenden Säuren durch
Erhitzen gewinnen. In der Tabelle Nr. 32 sind mehrere dieser Ver-
bindungen zusammengestellt. Die Triglyceride der höheren Fettsäuren
sind farblose, geruchlose, krystallisirbare Substanzen, in Wasser unlös-
lich, in kaltem Alkohol wenig, in Aether leicht löslich.
Tabelle Nr. 32.
Name
Formel
Schmelzpunkt
Tributyrin *•'
Trilaurin*'* .
Trimyristin e-^o .
Tripalmitin >-"-i»
rristeariu »•"•»*
Triole'in* . . .
Trielaidin "•*« . .
Triarachin *^
Trienicin ^^ .
Tribrassidin *®
CaH^COCO-CsH^),
C8H,(O.CO.ChH,8)8
C3H,(O.CO.Ci8H„)s
CsH5(O.CO.Ci,H8i)8
CsHsCO.CO.Cj.HsA
C8H6(O.CO.C,,H33),
CsH^CO.CO.Ci.HasJs
^S^b{0 ' CO • Ci9H89)8
C8H,(O.CO.C,iH4,)8
C8H,(0.C0.C,iH4,)8
butterartige Masse
+ 45<>
+ 550
+ 61<>*
+ 720*
flüssig
+ 38°
+ 72°
+ 31^
+ 470
* Tristearin schmilzt beim Erhitzen zunächst bei 55**, erstarrt bei weiterem Er-
hitzen wieder und schmilzt dann bei 72°. Tripalmitin verhält sich ähnlich. Auch
bei einigen anderen Triglyceriden sind derartige Verhältnisse beobachtet.
Citate zu der Tabelle Nr. 32: » Berthelot, Ann. eh. [3] 41, 216 (1854). --
' Lebedew, Ztschr. f. physiol. Chem. 6, 149 (1882). — * Marsson, Ann. 41, 330 (1842).
— * Sthamer, Ann. 53, 390 (1845). — * Playfair, Ann. 37, 155 (1841). — ® Comab,
Jb. 1859, 366. — ^ Uricoechea, Ann. 91, 369 (1854). — ^ Masino, Ann. 202, 172
(1880). — » C. Liebermann, Ber. 18, 1982 (1885). — *® Reimer u. Will, ebenda, 2011. —
" Stenhouse, Ann. 36, 54 (1840). — *^ Maskelthe, Jb. 1855, 519. — ** Chittenden
u. Smith, Ber. I80, 62 (1885). — ** Düpfy, Jb. 1852, 507, 511. — " IIeintz, Ann.
92. 300 (1854). — »« H. Meyer, Ann. 3ö, 177 (1840). — " Reimer u. Will, Ber. 20,
2HS5 {ISST). — " Reimer u. Will, Ber. 19, 3321 (1886). — *® Thümmel u. Kwasnik,
Arch. f. Pharm. 229, 193 (1891).
588 Natürliche Fette
Natürliche Fette'. Die B^kenDtnisa der chemischea Natur der
natOrlichen Fette verdanken vir Cuevbecl'; am Beginn unseres Jabt-
kunderts klärte er durch jahrelang fortgesetzte, denkwürdige Unter-
suchungen den Verseifungsprocess der Fette auf und enthüllte dadurch
ihre Constitution; war auch das Olycerin schon 1779 von Scheele ent-
deckt, so wurde es in seiner Wichtigkeit als Stammsubstanz der Fette doch
erst von Cbeybedl gewürdigt; und auch die Fettsäuren, die in Gestalt
ihrer Älkahsalze — der Seifen — schon Stellnng im täglichen Leben
erworben hatten, erhielten erat durch Chbvkeul ihre chemische Cha-
rakteristik. Hatte man früher die Seifen als Alkaliverbindungen der
Fette seibat betrachtet, so lernte man jetzt, dass die Verseifung in einer
Spaltung des ursprünglichen Fettkörpers bestehe, durch welche einerseits
stets ein und derselbe Alkohol — das Glycerin — , andererseits die
Älkahsalze der verschiedenen Fettsäuren je nach der Natur des Fetts
gebildet werden,
Fette linden sich in grosser Verbreitung sowohl im PHanzen-, wie
Thierkörper; unter den Pflanzentheilen sind namentlich die Samen,
Früchte, zuweilen auch die Wurzeln reich an Fett. Die Fette bilden
mit den Eohlenhydraten und den Eiweissstolfen die drei Hauptgnippen
der Nahrungsstofife. üeber ihre Bildung und Verwerthung im Organismus
Tgl. das Kapitel über physiologische Chemie am Schluss von Band IL
Diejenigen Glycerinester , welchen man besonders häufig in den
natttrhchen Fetten und Oelen begegnet, sind das Trilaurin, Tripalmitin,
Tristearin und Triolein — gewöhnlich schlechthin Laurin, Palmitin,
Stearin, Olein genannt. Da das Laurin, Palmitin und Stearin bei
gewöhnlicher Temperatur fest, das Olein dagegen flüssig ist (vgl. die
Tabelle Nr. 32 auf voriger Seite), so hängt die Consistenz eines Fettes
davon ab, welche dieser Glyceride in vorwiegender Menge vorhanden
sind; die an Palmitin und Stearin reichen Fette sind fest (Talgarten),
die an Olein reichen sind Ölig (fette Oele).
Alle Fette sind specifisch leichter als Wasser; sie sind nicht un-
zersetzt flüchtig, werden vielmehr bei stärkerem Erhitzen zersetzt, wobei
unter anderen Produkten das stechend riechende Airoleln (vgl. S. 522)
entsteht. In reinem Zustand farblos, geruchlos und von neutraler Reaction,
erleiden sie bei längerem Aufbewahren unter Luftzutritt eine Veränderung;
sie beginnen sich gelblich zu färben, nehmen unangenehmen Geruch und
Geschmack an und erhalten saure Reaction — die Fette werden „ranzig*'-
Dieses Ranzigwerden beruht auf einer theilweisen Spaltung der Glyceride:
die dadurch neben Glycerin in Freiheit gesetzten Säuren werden durch
' AusfUlirlichere Besprechung vgl. in E. Schmhit's ausf. Lebrb. d. pharmacoul.
Chemie II, 549 ff. (Braunacbweig, 1889—1890), — Stohmann-Kebl, Encyklop. Handb.
d. teclin. Chcni. III, 5LG ff. I Braun schweig, 18901. — ScHiEDLEE-LoHiiAXN, Technologie
der Fett« II. Oelf (Leipzig, 1892|.
' Vgl. A. W. V. Hofmanb's Nekrolog auf CuEviiEnL, Ber. 22, UM (1889).
und fttte Oele. 589
den Lufteanerstoff theilweise zu flachtigen Stoffen von Tuangenebmem
(ji er lieh oxydirt.
Unter den thierischen Fetteo sei erwähnt Rinde
^'n aus Palmitin und Stearin, zu '/i ^us OleTn bestehend
47— 48*^, und Schweinefett (etwa 40''/a Palmitin und
Olein, Schmelzpankt 35 — 38"}, unter den festen Vi
Cucosfett (hauptsäcbUch Trilaurin, Trioiyristin , Tripali
^uesentlicbster Bestandtheil: Tripalmitin), Muskatbuttei
Mjristin) und Lorbeerfett (grösstentheils Trilaurin).
Unter den fetten Oelen unterscheidet man nichttr
trocknende Oele. Erstere verdicken sich an der Luft
sam; sie enthalten Olein als HauptbeHtandtheil , bo das <
75''/o Olein) und Mandelöl (fast ausschliesslich Olein);
mit geringen Mengen salpetriger Säure werden sie allmähli
Uebergangs von Olein in Elaldin (vgl. S. 513) fest {Ela
Das Rüböl — ebenfalls ein nichttrocknendes Oel — h
tlieils aus Erucasäure-Glycerid.
Die trocknenden Oele dagegen verwandeln sich an
einen Oxydationsprocess rasch in feste ämissartige Mas^
tigste unter ihnen ist das filr die Malerei und zur Darst
uissen viel verwendete Leinöl. Sie enthalten als Hai
die Glyceride wasserstofiarmerer Säuren (trocknende Oe
säure. Linolensäure, Isolinolensäure; vgl. S. 520 — 521). I
wird erheblich durch vorheriges Erhitzen für sich, noi
Krwärmen mit Bleiglätte, Mennige, Braunstein, Zusatz
Manganoxjdul beschleunigt — ein Umstand, von den
Kmissfabrikation* Nutzen zieht.
Gewisse phosphorhaltige Verbindungen, welche sich
sehen und pflanzHchen Geweben finden — man hat sie ihr
im Eigelb wegen Lecithine' (von Xixt&o^, Eidotter) gen.
ihrer Constitution nach den Fetten sehr nahe und sind i
Stelle zu besprechen, Ihr MolecUl enthält einerseits den
Ammoniumhase, des Gholins (vgl. Eap. 24);
,CH,-CH,OH
\0H
' Neuere Mittbeilungen fiber diceen Procees vgl. Kie^sliho,
Cliem. 1891, 395, — Livachb, Compt. reniä. 113, 136 (1891).
' NiÜieres vgl. F. Fischer, Handb. d. cbem. Technologie, S. 10
- SToHMAHK-KEEt, Eocyklop. Huidb. d. techn. Chem. III, 70S (Bh
• GoBLET, Jb. 1847/48, 857; 1850, 557; 1851, 5S9, 598. -
las, 359 (18621; 148, 77 (1868). — Hopps-Sbvlwi, Ztschr. f. phyi
11877); 3, 374 (1879). - Cahn, ebenda, 5, 215 (1881). — Diakomo'
- HirsDESHAOEH, J. pr. [2] 28, 219 (1883). — Gilson. ZtBchr f. p
Mä 11888). — E. Schulze u. Steiqeb, ebenda 13, 385 (1889). — Ma
437 (1890). — E. SCHÜI.ZE n. Likibrnik, Ber. 34, 71 (1891). Ztschr,
IB, 405 (1881). — Maiwell, Ber. 34o, 129. 976 (1891),
590 Lecithine, Protagon,
andererseits einen Glycerinester, welcher sich von der S. 586 erwähnten
Glycerinphosphorsäure C3Hß(OH)3-0-PO(OH)3 dadurch ableitet, dass in
die beiden noch nicht esterificirten Hydroxylgruppen des Glycerins die
Beste der Palmitinsäure, Stearinsäure oder Oelsäure eintreten, z. B.:
/OCO-C^H,«
CaHg^O - CO . C^Has (Stearin-Lecithin).
\O.PO(OH),
Es ergiebt sich dies aus dem Verlauf der Spaltung, welche die sehr
zersetzlichen Lecithine erleiden; unter der Einwirkung verdünnter Säuren
oder Alkalien wird einerseits Cholin abgespalten, andererseits zunächst
Distearylglycerinphosphorsäure (bezw. die entsprechende Palmitinsäure-
oder Oelsäureverbindung), die nun ihrerseits durch weitergehende Spal-
tung in Fettsäuren und Glycerinphosphorsäure (bezw. Glycerin und
Phosphorsäure) zerfällt. Da der Zerfall des Lecithins in Base und
Säure nur allmählich erfolgt, da femer das Chohnsalz der unten an-
geführten synthetisch gewonnenen Distearylglycerinphosphorsäure sich
vom Lecithin unterscheidet, so fasst man die Lecithine gegenwärtig nicht
als salzartige, sondern als esterartige Verbindungen auf, wie es durch
die Formel:
/O.CO.C„H85 0H>
CgH^e-O . CO . C„H35 >N(CH,),
^0 . PO(OH) . 0 . CH, . CH/
ausgedrückt wird.
Das Stearin-Lecithin wird gewöhnlich aus Eidotter gewonnen. Die
Lecithine sind wachsartige, undeutlich krystallinische, sehr hygroskopische
Substanzen, welche in Wasser schleimig aufquellen, in Alkohol, Aether
und Chloroform leicht löslich sind.
Distearylglycerinphosphorsäure* CgHjCO • CO • Cj7Ha5),(0 • P0,Hj) ist syn-
thetisch durch Erhitzen von Distearin mit PhosphorsSureanhydrid gewonnen, stellt
eine weisse, leichte, fettähnliche Masse dar, wird bei 55^ butterartig und ist bei 62-5*
geschmolzen.
Protagron' wurde von Liebreich eine aus Gehirn darstellbare, krystallisirbare,
phosphorhaltige, nach neueren Angaben auch schwefelhaltige Substanz von sehr
complicirter Zusammensetzung genannt, welche leicht unter Bildung von Glycerin-
phosphorsäure, Fettsäuren und Cholin zersetzt wird.
Glyeidverbindungren. Wie vom Glykol das Aethylenozyd, so leitet sich auch
vom Glycerin ein inneres Anhydrid — entstanden durch Wasseranstritt aus zwei
Hydroxylgruppen eines und desselben Molecüls — ab: das Glycid* CHj-CH-CHjfOHl
(auch Epihydrinalkohol genannt). Analog wie Aethylenozyd aus Glykolchlor-
^ HunDBSHAGEN, J. pr. [2] 28, 232 (1888).
' Liebreich, Ann. 134, 29 (1864). — Gamoee u. Blankenhobn, Her. 12, 1229 (1879).
— Bavmstabk, Ztschr. f. physiol. Chem. 9, 168 (1885). — Kossel, Archiv f. Anat u.
Physiol. 1891, 860 (Physiol. Abtheilg.).
■ V. Geoerfeldt, Jb. 1875, 270. — Breslaueb, J. pr. [2] 20, 190 (1879). —
Hanriot, Ann. eh. [5] 17, 112 (1879). — Biqot, Ann. eh. [6] 22, 482 (1891).
Qlyddverhindungen. Polyglycerine. 591
f drill, kajin man das Glycid aus dem Monochiorhjdrin des Glycerins durch Salzsfiure-
atziebung gewimien:
CHs(0H).CH(0H).CH8Cl-HCl = CHj(OH).CH • CH,;
ie Heaction kami durch Einwirkung von Bariumozyd oder besser von Natriummetall
uf eine fttherische Chlorhydrinlösung ausgeführt werden. Andererseits kann man
as Epichlorbjdrin CH,CH- 011,01 (vgl. S. 617), dessen Molecül die Aethylenoxyd-
»indung schon enthält , zum Ausgangspunkt nehmen; man erh< daraus durch £in-
prirkung von Kaliumacetat das Glvcidacetat OH,« OH-OH,-0*00*OH, (bewegliche
e'lüssigkeit, Siedepunkt: 164— 168^ spec. Gew. bei 20**: 1-129), welches — in ätheri-
scher Liosang durch Aetznatron verseift — das Glycid liefert Letzteres stellt eine
sehr bewegliche, farblose, schwach riechende Flüssigkeit dar, siedet bei 160 — 161^,
zersetzt sich aber leicht bei der Destillation unter gewöhnlichem Druck, besitzt bei 0^
das spec. Gew. 1-165, ist mit Wasser, Alkohol und Aether in jedem Yerhältniss
miscbbar, verbindet sich mit Wasser sehr rasch zu Gljcerin, mit Ohlorwasserstoff
unter Temperaturerhöhung zu Monochlorhjdrin und reducirt aus ammoniakalischer
Silberlösung schon bei gewöhnlicher Temperatur Silber. — Alkyläther des
Glycids' erhält man aus dem Epichlorhydrin, indem man dasselbe zunächst durch
Erhitzen mit Alkoholen in Alkyläther des Monochlorhydrins überfahrt und letzteren
dann durch Behandlung mit Alkalien Ohlorwasserstoff entzieht:
0H,.0H-0Ha01 + OfiHn-OH = 0H,(0 - OjHu) - OH(OH) - 0H,01,
\o/
0H,(O . C5H1,) - OHfOH) . OHjOl-HOl = 0H,(0 - OßH,,) • OH • OH,.
\o/
Aethylgljcid OHg - OH-OHs-O-OgHs ist eine farblose, bewegliche Flüssigkeit,
riecht angenehm, schmeckt stechend, siedet bei 128—129^, besitzt bei 12^ das spec.
(tcw. 0-94, löst sich leicht in Wasser und verbindet sich lebhaft mit Salzsäure.
Durch Wasseraustritt zwischen den Hydroxylgruppen mehrerer Glycerin-
molecüle entstehen — den Polyäthylenalkoholen (vgl. S. 567) entsprechend — Poly-
glycerine^. Man gewinnt sie durch Erhitzen von Glycerin mit den Ohiorhydrinen, z. B.:
C8H5(OH)8 + OsH5(OH),01 = HOl + 03H5(OH),-0-.08H5(OH),.
Höhere dreiwerthige Alkohole^
Höhere Glycerine sind bisher nur auf umständliche Weise zu er-
halten; zu ihrer Gewinnung ist man von den ungesättigten höheren
Alkoholen der Reihe C^H^^O (vgl. S. 483) ausgegangen, welche in ihrem
Molecül eine Hydroxylgruppe und eine Aethylenbindung enthalten ; indem
» Reboul, Ann. eh. [8] 60, 52 (1860). — Henry, Ber. 5, 450 (1872).
' LouBEK^, Ann. eh. [3] 67, 299 (1863). — Reboül u. Loürek^o, Ann. 119,
235 (1861). — BBB8LAIJEB, J. pr. [2] 20, 192, 193 (1879).
* Lieben u. Zeisel, Jb. 1881, 597. Monatsh. 4, 41 (1883). — Mabkownikoff u.
Kailukopf, Ber. 14, 1711 (1881). — Kablukoff, Ber. 21c, 53 (1889). — Oklofp,
Aim. 233, 351 (1886). — Prunieb, Compt rend. 09, 193 (1884). — S. Befoematzkt,
J. pr. [2] 31, 318 (1885); 40, 396 ^1889). — G. Wagnee, Ber. 21, 3349 (1888). —
DuBnmwicz, Ber. 22o, 802 (1889). — Kondasoff, Ber. 24c, 668 (1891).
j
592
Höhere dretwerihige Alkohole.
man an die doppelt gebundenen Kohlenstoffatome Hydroxylgruppen an-
lagert, gelangt man — wie vom Ailylalkohol zum Glycerin (S. 481) —
nun zu höheren dreiatomigen Alkoholen. Man erreicht dieses Ziel ent-
weder durch Addition von Brom und Anstansdi der addirten Brom-
atome gegen Hydroxyl:
CH,
CH,
CH,
CH(OH)
OH{OHJ
CH,{OH)
CCH,),C(OH)
CH(OH)
CH,(OH>
^ CHBr
CH CBBi
CH,(0H) CH,(0H)
oder durch Addition von unterchloriger Säure und Behandlung des ent-
standenen Chlorhydrins mit Alkali:
(CH,),C(OH) (CH,),C(0H) (CH,),C(Om
CH, CH, CH,
] *- I bezw. i
CH CHfOH) CHCl
CH, 0H,C1 CH,(OH)
oder endlich durch directe Oxydation mit Kalinmpermangat r
C,H,-CH(OH) C,H,CH{OH>
CH + H,0 + 0 = CH(OH) .
CH, CH,tOH)
Pentenylglyceriii C,HsCH(OH)-CH(OH).CH,(OHI (aua Aethylvinylcarbmol)
schmeckt süss, eiedet nater 63 mm Druck bei 192°, besitzt bei 31° das spec Q«w.
1-085, mischt sich mit Wasser nod Alkohol ia jedem VerhHltuiss uod ist auch in
Aether nicht besonders schwer läslich. — Octenylglycerin (C,Hs),C(OH)-CH,-
CH(0H)-CH,(Ü1I| (ans AllyMiathylcarbiDol) ist eine farblose, dickliche Flfissigkeit
von sehr bittcrem Geschmack, siedet unter 55 — 60 mm Druck bei 204 — 207* und ist
in Wasser, Alkohol und Aether löslich.
Die industrielle Bedeutung des Grlycerins und seiner Ab-
kömmlinge (Technologie der Fette und Oele)\
Die festen thierischen Fette {Talgarten) werden meist aas den Ge-
weben, in denen sie enthalten sind, nach passender Zerkleinerung der-
selben durch einfaches Ausschmelzen (Auslassen) gewonnen. Aus Pflanzen-
samen gewinnt man die Fette oder Oele durch Auspressen mittelst
hydraulischer Pressen, oft unter Zuhülfenahme von Wärme; den Press-
rückständen entzieht man — wo sie nicht etwa, wie die „Oelkuchen''
der RUbölpressen , als Viehfutter rationelle Verwendung finden köoneu
— den stets noch beträchtlichen Fettgehalt durch E<xtractiou mit
' Der folgende Abschnitt ist von Herrn Dr. B. jAtvt (Berlin) frenndlichct revi-
dirt worden. — Näheres in Osr'a Lehrb. d. techn. Chemie, S. 298 ff. (BerKn, 1890).
— F. FiscHEBS Handb. d. ehem. Technologie, ^. 1077 ff. (Leipiig, 1889). — Sroa-
ma!in-Kerl, Encyklop. Haudb. d. t«chn. Chem. HI, 537 ff. (Brannschweig, 18IM).
Fettanalyse. 593
di^wefelkohlenstoff oder Petroleumbenzin: ein Verfahren, welches man
ei fettarmen Rohmaterialien auch von vornherein anwendet. Wo eine
Lreini^ung der Fette und Oele geboten erscheint, geschieht dieselbe durch
Behandlung mit wenig concentrirter Schwefelsäure, welche das Fett selbst
renig angreift, die Verunreinigungen aber zerstört.
Für die technische Verwerthung der Fette ist ihre analytische Unter-
ncliniig^ von Wichtigkeit. Die natürlichen Fette sind stets ein mehr oder minder
omplicirtes Gemisch von so vielen Verbindungen, für deren völlig quantitative Trennung
vir keine Methode besitzen, dass sich nicht bestimmte Angaben Über den Gehalt an
edem einzelnen Bestandtheil erzielen lassen. Es handelt sich bei der Fettanalyse viel-
nehr hauptsächlich darum, ein ungefähres Urtheil über die Bindungsart und über
iie Natur der in den Fetten enthaltenen Säuren zu gewinnen. Hierzu dienen die
analytischen Methoden j die hier kurz skizzirt werden mögen. Da die Zusammen-
setzang der Fette einigermassen constant ist , so können diese Methoden , nachdem
man einmal ihr Ergebniss für die einzelnen reinen Fettsorten kennen gelernt hat,
auch mit Yortheil zur Prüfung auf Verfälschungen dienen.
Wenn man eine abgewogene Fettprobe in Aetheralkohol lost und in der Kälte
mit einer titrirten Alkalilösung titrirt, so erfährt man^ wie viel Alkali von den vor-
handenen freien Fettsäuren gebunden wird. Man bezeichnet die Milligramme
Kaliumhjdrozjd, welche zur Neutralisation von 1 g Fett nöthig sind, als ,,Säur ezahl^^
^Wenn man aber eine abgewogene Fettprobe in alkoholischer Lösung mit einer
abgemessenen Menge titrirter Alkalilauge, die mehr als ausreichend zur völligen Ver-
seifung ist, einige Zeit bis nahe zum Sieden erhitzt, dadurch die Verseifung erzielt
\md nun erst den Ueberschuss des Alkalis zurücktitrirt, so erfährt man die Alkali-
men^, welche zur Bindung der gesammten Fettsäuren — sowohl der in freiem
Zustand, wie der in Form von Gljceriden vorhandenen — nöthig ist: Verseifungs-
zahl oder Köttstorfer'sche Zahl.
Zieht man nun von der Verseifungszahl die Säurezahl ab, so resultirt die Alkali-
menge, welche zur Zerlegung der in 1 g Fett vorhandenen Fettsäureester erforder-
lich ist: die Esterzähl. Bei neutralen Fetten fallen natürlich Verseifungszahl lAid
Esierzahl zusammen, da die Säurezahl gleich Null ist.
Die Säuren nun, welche bei den erwähnten Bestimmungen durch das Alkali
neutralisirt werden, können entweder flüchtige, in Wasser lösliche, niedere Fettsäuren
oder nichtflüchtige, unlösliche, höhere Fettsäuren oder endlich ebenfalls nichtflüchtige
and unlösliche, höhere ungesättigte Säuren (Oelsäure, Erucasäure, Linolsäure etc.)
sein. Um über die Natur der gerade in dem zu untersuchenden Fette vorhandenen
Säuren Anhaltspunkte zu gewinnen, fuhrt man eine Reihe weiterer Bestimmungen aus.
Man verseift eine abgewogene Menge mit alkoholischem Alkali', verjagt darauf
den Alkohol, löst die rückständige Seife in Wasser und scheidet aus der Seifenlösung
dve Fettsäuren durch Salzsäure ab. Die Fettsäuren werden mit kochendem Wasser
gewaschen, getrocknet und gewogen. Man erfährt so die Menge der aus 100 g Fett
erhältlichen, in Wasser unlöslichen Fettsäuren: Hehner'sche Zahl. — Die
Natur der unlöslichen Fettsäuren kann man nun dadurch näher charakterisiren, dass
man eine abgewogene Menge mit Alkali titrirt und dadurch ihr mittleres Mole
cnlargewicht erfahrt Sie können ferner auf die Gegenwart von Oxysäuren — Rici-
na«öl z. B. enthält eine Oxyölsäure (vgl. Kap. 29) — geprüft werden; zu diesem Zweck
^ Näheres vgl. Benedikt in Böokmann's chem^-techn. Untersuchungsmethoden II,
^46 ff. (Berlin, 1888). — Vortmann, Chem. Analyse organ. Stoffe, S. 197 ff. (Leipzig
u. Wien, 1891). — Hohn, chem.-techn. Analyse organ. Stoffe, S. 179 ff. (Wien, 1890).
' Vgl. KossBL u. Krüger, Ztschr. f physiol. Chem. 15, 328 (1891).
V. MxTBB o. Jacobson, org. Chem. I. 38
1
594 TabelL lieber sicJii über Eigenschaften u. Zusatnmensetxg. der wicJitigeren Fette.
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Technische Beä»uiung des FeUverseifungsproixssts.
acht man sie einige Zeit mit EasigsKureanhydrid, wodurch die alkoiioUechi
roppea der etwa vorhandenen Oiyafturen in Oiacetyl (O-CO-CH,)
'erden; nachdem man das Gemisch der acetylirten Stturen durch he
om Qberscfaüsaigeu EeaigeSureanhjdrid befreit hat , beatimmt man ao i
■roben, wie obeo, die Säurezahl und die Vereeifnngsiahl; die Differenz <
«hlen ist die Acetjlzahl; sie giebt ein Maas fBr die durch Acel
enoinmene EnigeSnre'; waren keine OijsSnren zng^en, so ist Sfiurezi
etfiuigazahl gleich, die Äcetjlzahl demnach Null.
Man verseift, wie im vorigen Falle, säuert die Seifenl^ung mit E
n , destillirt nun die fliicbtigen Situren ab und bestimmt sie im D(
ritration. Man bezeichnet die Anzahl Cubikcentimeter '/lo'^OTmalnatr
UT Neutralisation der aus ögFett erhaltenen flüchtigen Fettsäufen
lIs Reich KBi-MEissL'scbe Zahl.
Von grosser Wichtigkeit iat die Bestimmung der ungesättigt«
nan gewinut einen Anhaltspunkt zur Beurtheilung ihrer Menge unter B
Umstände», dass sie sowohl in freiem Zustand, wie als Gljceride in Folg
wart Ton Doppelbindungen Unter geeigneten Bedingungen Halogen ad
gesättigte Verbindungen überzugehen. Man löst eine abgewogene Fettpro
form, fOgt eine tltrirte mit Quecksilberchlorid versetzte alkoholische J
\iM,\ etva zwei Stnnden stehen, versetzt dann mit verdflnnter wässrige
lösuDg und titrirt den Jodüberscbuss zurück. Die von 100 Th. Fett verl
menge beiut die Jodzahl* (HOeL'sche Zahl).
Weitere Anhaltspunkte fUr die Beurtheilung der Fette erh< mi
Stimmung des speciSschen Gewichts, Schmelzpunkts und Erslarrungspunl
»'Ibst und der ans ihnen abgeschiedenen Fettsäuren, sowie durch £n
l>öelichkeit in Eisessig.
Die in der Tabelle Nr. 33 auf S. 594 zusammengestellten Zahlen
Charakteristik der wichtigeren Fette nnd ähnlicher Stoffe dienen.
Der achon so häufig erwähnte Verfieifungsprocess der
S. 579) ist hier nun nach Beiner praktischen Bedeutung n
& gehört zu den wichtigsten Reactionen, deren sich die
Industrie bedient; bei seiner Ausführung im Grossen verfolg
sohiedene Ziele. Es handelt sich entweder darum, ein Gen
Fettsäuren in freiem Znstand zu erhalten, welches als Eerze
Verwendung finden soll, oder es handelt sich um die Erzi
Gemisches der Älkalisalze von Fettsäuren und Oelsäuren,
Seife verbraucht werden soll; in beiden Fällen kann man
die Äbscheidung des Glycerins im Äuge haben. Je nach t
welchen man erstrebt, kann man verschiedene Methoden der
anwenden.
Für die Stearlnkerzenfobrlkation, welche de Millt 1
liea Anregungen von Chbvebol und Gat-Ldssac fassend —
' Vgl. dagegen Lkwkowitscu, Chem. Ind. 14, 235 (1891).
* Neuere Mittheilungeu zur Beurtheilung der HOsL'scben Jodaddi
C. LmEaUHN u. Sachse, Ber. 24, 4117 (1891). — £. Dibtebicu's Helfenbe
1891, 12. — Bemedikt, Cöthener Chem. Ztg. la, 651 (1893). — FabrioN;
U72. — Holde, ebenda, 1176.
' Sie sind grösstentheils den Tabellen Nr. IX-XIV in Voh™.
iigMi. Stoffe (Leipzig u. Wien, 1891) entnommen.
596 Stearinkerzenfabrikation,
rief, verwendet man als Rohmaterial hauptsächlich Rindstalg, Hammel-
talg oder Palmfett und führt die Verseifung entweder durch Einwirkung
von Kalk oder von Schwefelsäure oder von überhitztem Dampf aus. In
Frankreich wendet man fast ausschliesslich das Kalkverfahren, in Belgien
uud Holland das Schwefelsäureverfahren an.
Bei der Verseifung mit Kalk bringt man jetzt meist nicht mehr die
Quantität Kalk in Reaction, welche zur Bindung der gesammten Säuremenge
erforderlich ist, begnügt sich vielmehr mit ca. ein Viertel bis ein Drittel
derselben; häufig arbeitet man mit noch bedeutend geringeren Kalkmengen.
Um auch mit dieser an sich unzureichenden Kalkmenge eine vollständige
Verseifung zu erzielen, erhitzt man die Mischung von Fett, Kalk und
Wasser in kupfernen Druckkesseln mittelst gespannten Dampfes auf
etwa 170®; die durch den Kalk eingeleitete Verseifiing wird durch das
Wasser bei dieser hohen Temperatur zu Ende gefuhrt. Man versetzt
das Reaction sgemisch heiss mit der dem Kalk entsprechenden Menge
Schwefelsäure und schlägt dadurch den Kalk als Gyps nieder, während
sich die Fettsäuren oben als geschmolzene Schicht ansammeln; man
schöpft sie ab und schmüzt sie nochmals mit schwefelsäurehaltigem
Wasser um. Darauf überlässt man das Säuregemisch der Krystallisation
in flachen Formen und trennt durch Abpressen (erst in der Kälte, dann
in gelinder Wärme) die flüssige Oelsäure von den festen Fettsäuren,
welch letztere dann — fiir sich oder mit Paraffin gemischt — zu Kerzen
gegossen werden.
Die Verseifung mit concentrirter Schwefelsäure — man
wendet durchschnittlich 9®/^ des zu verseifenden Materials an — wird
in verbleiten Kesseln ausgeführt, welche mit Rührwerk versehen sind und
durch Einleiten von Dampf zwischen doppelte Böden erwärmt werden;
man steigert die Temperatur in der Regel nicht über 120^ Nach der
Behandlung mit Schwefelsäure erwärmt man noch längere Zeit mit
Wasser, wodurch die entstandenen esterartigen Schwefelsäureverbindungen
zersetzt werden. Die so erhaltenen Fettsäuren sind stets dunkel gefärbt
und müssen destillirt werden; es geschieht dies mit überhitztem Dampf
Bei diesem Verfahren spielen sich ausser dem eigentlichen, durch die
Gleichung :
/(OH),
CgHsCOCO.R)« + HjSO^ + 2HjO = 3R.C0,H + C^H^/
^OSOjOH
ausdrückbaren Verseifungsprocess noch andere Vorgänge^ ab; aus der
Oelsäure entsteht durch die Einwirkimg der concentrirten Schwefelsäure
und nachheriges Kochen mit Wasser Oxystearinsäure, welche dann bei der
Destillation theil weise in die feste IsoÖlsäure übergeht (vgl. S. 512 — 514);
es ist daher die Ausbeute an festen Säuren in diesem Falle grösser als
bei dem Kalkverfahren.
Endlich kann man die Verseifung der Fette allein durch Behand-
» Vgl. Geitel, J. pr. [2] 37, 53 (1888).
Seifengewinnv/ng (Kernseifen). 597
ing mit hochgespanntem Dampf durchführen — ein Verfahren, das
I einigea Fabriten noch angewendet werden soll, jedenfalls
is gebräuchlich bezeichnet werden kann, während das oben
''erfahren, bei welchem die Vereeifnng theils durch Kalk, tl
lespannten Dampf geschieht, sehr ausgebreitete Anwendung :
Die bei der Stearinkerzeniabrikation in grosser Menge
lüssige Oelsäure wird als Material zur Seifendarstellung —
Sinfettnngsmittel in gewissen Zweigen der Textilindustrie — '
Im Gegensatz zu der Kerzenfabrikation, welche stets in
E^tablissements ausgeführt wird, geschieht die 6ewlnnung i
zuweilen — in Deutschland häufig — in kleinerem Massst)
auch die Bereitung der Seife in den Haushaltungen, die vor n:
Zeit noch allgemein üblich war, fast ganz aufgehört hat, si
auch jetzt noch die Seifenherstellung zum Theil Aufgabe
gewerbes; andererseits wird sie aber auch — namentlich ir
Amerika und Südfrankreich — von ausserordentlich grossen
ments betrieben.
Handelt es sich um die Darstellung harter Seifen, a
Verseifang durch Natronlauge bewirkt. Der Seifensieder he
noch heute oft seine Lauge selbst durch Kochen von Sodal
Kalk, oder er benutzt das käufliche Aetznatron. Als Eohstoffe
man hauptsächlich Talgarten, Palmfett und Palmkemöl, Cocosfel
und die von der Kerzenfabrikation abfallende Oelsäure (vgl. o
Harz wird mit verwendet, die darin enthaltene Äbiötinsäure
Alkalien seifen ähnliche Salze.
Man führt die Verseifung in offenen, meist aus Eisenblech
Kesseln aus, in welche zunächst das Fett mit einem kleinen
erforderlichen Lauge gegeben, dann während des Siedens nach
der Rest der Lauge nachgefüllt wird. Nach erfolgter Verse
zu dem „Seifenleim", welcher noch im Sieden erhalten wird,
zugefügt, um die Seife „auszusalzen". Da die Seife in gesätti
Salzlösung unlöslich ist, so wird dadurch eine Trennung i
ölycerin, Salze und überschüssiges Alkali enthaltende „Unterl
die sich darüber als halbgeschmolzene Masse abscheidende Se
Nach dem Ablassen der Unterlauge wird die Seife nochmals i
cheier Natronlauge (zur Verseifung von Fettresten) unter 2
Salz zum Sieden erhitzt; die vorher schaumige Seife vorwa
dadurch in eine gleichmässig geschmolzene blasenfreie Masi
uun noch flüssig in die Seifenform gebracht wird, um darin l
erstarren. So gewinnt man die Kernseifen, welche wirklich zu:
Theil aus fettsauren Alkalisalzen bestehen und nur etwa 10 — 15
enthalten.
Vielfach wird aber gegenwärtig der bei der Verseifuiig
Seifenleim nur so unvollkommen ausgesalzen, dass eine Tre
Jer Unterlauge gar nicht erfolgt, vielmehr der ganze Kesse
598 Leimseifen, Sofimierseifen. Pflaster.
sammenbleibt und nach dem Erstarren als Seife verkauft wird. Man
bezeichnet solche minderwerthigen Produkte, die ausser der eigentUchen
Seife Glycerin, Salze und noch etwa 40 — 70 ^o Wasser enthalten, als
Leimseifen oder gefüllte Seifen; sie können natürlich zu viel niedri-
gerem Preise in den Handel gebracht werden als die Kernseifen. Die
Herstellung gefüllter Seifen, welche ebenso hart wie die besten Kernseifen
sind, ist durch die Einführung des Cocosnussöls und Palmfetts möglich
geworden. Diese Fette haben die Eigenschaft, für sich und auch im
Gemisch mit anderen Fetten durch concentrirte Natronlauge schon weit
unter 100® verseift zu werden und einen Seifenleim zu liefern, der auch
bei hohem Wassergehalt rasch zu einer äusserlich harten und vorzügUch
schäumenden Masse erstarrt. Auch fremde Stoffe — Wasserglas z. B. —
werden häufig als Füllmaterialien zugesetzt.
Schmierseifen (weiche Seifen) werden durch Verseifung billiger
Oele (Hanföl, BaumwoUsamenöl, Leinöl, Fisch thran) mit Kalilauge her-
gestellt. Sie können nicht ausgesalzen werden, weil hierdurch aus der
weichen Kaliseife harte Natronseife entstehen würde, und enthalten daher,
wie die gefüllten Natronseifen, Glycerin, Alkali, Salze und viel Wasser.
Auch hier findet häufig künstliche Erhöhung der Ausbeute durch Füll-
materialien statt.
Neuerdings beginnt man in der Seifenfabrikation den Spaltungs-
process der Fette von der Seifenbildung zu trennen, indem man zunächst
aus den Fetten die Fettsäuren, wie bei der Kerzenfabrikation (S. 596 — 597),
abscheidet und darauf die Fettsäuren mit dem Alkali vereinigt^.
Wie durch Alkalien, kann man die Fette auch durch Erhitzen mit fein vcr-
theiltem, mit Wasser verriebenem Bieioxyd verseifen. Statt der Alkalisalze eiii<
man dann natürlich die Bleisalze der Fettsäuren und Oelsfturen — amorphe, undurch-
sichtige Substanzen, die bei gewöhnlicher Temperatur knetbar sind und sich durch
Kneten mit Wasser vom Gijcerin beft'eien lassen. Man bezeichnet solche Produkte
als Pflaster; die pharmaceutisch verwendeten Pflaster werden in der Regel nicht
mit der zur Verseifung nöthigen Menge Bleioxyd, sondern mit einem Ueberschnss
dargestellt und enthalten daher nicht die neutralen Bieisalze der Stearinsäure, Pal-
mitinsäure etc., sondern basische Salze.
Nachdem im Vorstehenden die technische Ausführung des Verseifungs-
processes und die Abscheidung der Fettsäuren zum Zweck der Kerzen-
und Seifenfabrikation geschildert ist, bleibt nur noch die Gewinnung des
anderen Spaltungsprodukts — des Crlycerins — zu besprechen.
Ein vortreffliches Material zur Glycerindarstellung bieten die wässrigen
Laugen, welche bei der Verseifung mit Kalk oder überhitztem Dampf
als Nebenprodukte abfallen und im Wesentlichen eine verdünnte, durch
fixe Bestandtheile nicht zu sehr verunreinigte Glycerinlösung darstellen.
— Auch die Laugen, welche bei dem Schwefelsäureverfahren erhalten
werden, können auf Glycerin verarbeitet werden, nachdem die Schwefel-
* Vgl. Benedikts Bericht, Cöthener Chem. Ztg. 16, 650 (1892).
TecJinische Gewinnung des Qlycerins. 599
säore als Oyps daraas entfernt ist; sie sind indess in Folge der Gegen-
wart von Zei-setzungsprodukten, die unter der Einwirkung der Schwefel-
säure entstanden sind, schwerer zu verarbeiten und liefern minderwerthige
Fabrikate, — Die technische Abscheidung des Glycerins aus den Unter-
laugen der Kemseifenfebrikation hat wegen des grossen Gehalts der
letztereu an Salzen erhebliche Schwierigkeiten verursacht, die aber zur
Zeit als überwunden gelten können; gegenwärtig stammt etwa ein Drittel
der Glycerinproduktion aus dieser Quelle.
Im Folgenden sei die Glyceringewinnung aus den Laugf
Kalk bezw. Wasserdampf arbeitenden Stearinfabriken kurz gee
Die „Qlycerinwässer" werden in der Regel in den Stesii
selbst nur auf 28* B. concentrirt, dann in besonderen Glyce
verarbeitet. Man reinigt sie durch Filtration über Knochen
dampft sie im Vacuum ein. Das so gewonnene Produkt wird
als „raffinirtes Gljcerin" bezeichnet, ist aber noch ziemlich i
namentlich für medicinische Zwecke, auch für die Dynanütf
nicht geeignet. Reines (,,destillirtes") Glycerin gewinnt e
Destillation mit Dampf, der auf ca. 400° überhitzt ist n
DestiUirblase eine Temperatur von 180 — 200" hervorbringt; di
von Wasserdampf und Glycerindampf durchstreicht ein Systen
densat^ren, die derart gekühlt bezw. warm gehalten werden, d
deo ersten Vorlagen fast wasserfreies Glycerin, in den folg
dünntere Glycerinlösung. schliesslich fast reines Wasser nied
Zur Herstellung von chemisch reinem Glycerin müssen die g
Destillate wieder in verdünntem Zustand mit ganz reiner
Kohle behandelt werden, die zum Theil aus Knochenkohle
traction mit Säuren, zum Theil aus den Rückständen der ]
Salzfabrikation durch zweckentsprechende Reinigung gewonnen
erfolgt wieder Concentration im Vacuum. Die früher zuweilen
Reinigung durch Krystallisation bat sich als unpraktisch erwi
Auf die für die Praxis so werthvollen Eigenschaften det
i< schon S. 581 hingewiesen. Man verwendet es in mann
Weise. Kleinere Mengen dienen z. ß. als Süssmittel in dei
PuDsch- und Limonadenfabrikation, auch als Zusatz zu Weir
(Srheelisiren). Häufig wird Glycerin zur Verhinderung des Ei
zugesetzt, so bei Dnickfarben , Senf, Modellirthon ; hierher g
seine Verwendung als Schlichte- und Appreturmittel in der Text
die nicht unerhebliche Mengen verbraucht, und für die Fabri
PtTgamentpapier. Aus Glycerin und Leim wird Buchdruckerw
hergestellt- In gewissen Fällen braucht man Glycerin als Sei
für feinere Maschinenbestandtheile. Zum Geschmeidigmachen
benutzt man es fllr sich und als Zusatz zu Seifen; für den
metische und fiir medicinische Zwecke wird ein recht grosser
Glycerinproduktion verbraucht. Gasuhren werden zuweilen mi
löinng gefüllt, um einerseits das Gefrieren im Winter, ander
600 Jhfnamü.
rasche Yerdansten im Sommer zu hindern. — Die G^sammtproduktion'
an Rohglycerin beträgt gegenwärtig rund bO — 40 000 Tonnen.
Die grössten Glycerinmengen aber dienen zur Darstellnng des Nitro-
glycerins, welches den wesentlichen Bestandtheil der wichtigsten modernen
Sprengstoffe bildet* (Darstellung vgl. S. 585). Um die praktische Ver-
werthung desselben als Sprengmittel hat sich der schwedische Ingeniear
A. Nobel die grössten Verdienste erworben. Das Nitroglycerin fllr sich
konnte keine erhebliche praktische Bedeutung erlangen, da seine ÖflBsige
Beschaffenheit viel Unbequemlichkeiten beim Transport und in der Hand-
habung und auch Gefahr mit sich brachte. Nobel' hatte den glück-
lichen Gedanken, das Nitroglycerin von einem pulverförmigen festen
Körper aufsaugen zu lassen und diese feste, leicht transportirbäre
Mischung als Sprengmaterial zu benutzen. Man bezeichoet solche Präpa-
rate als Dynamit«; das meistgebrauchte unter ihnen ist das Kieselguhr-
dynamit, welches aus 75"/,, Nitroglycerin und SS^/q caicinirter Infusorien-
erde besteht und eine fettig anzufühlende plastische Masse vom spec.
Gew. 1-5 — 1-6 darstellt. Dynamit ist bei richtiger Behandlung ziemlich
ungefährlich, brennt selbst in grösseren Mengen meist ruhig ab, ist auch
gegen Druck und Stoss nicht sehr empändlicb und kann daher gnt
transportirt werden. Dagegen wird er durchaus sicher und vollständig
durch geringe Mengen gewisser (aber nicht aller) detonirender Körper,
wie Knallquecksilber, zur Explosion gebracht; diesen Umstand benutzt
man bei seiner Anwendung; in die Dynamitpatrone wird eine mit Knall-
quecksilber gefüllte Zündkapsel eingesenkt, welche nun durch eiue Zünd-
schnur oder durch elektrische Zündung zur Explosion gebracht wird
und dadurch die Explosion der Dynamitpatrone veranlasst.
Dynamit ist an Brisanz dem Schwarzpulver bedeutend überlegen und
hat sich daher rasch als Sprengmittel namentlich für Geateinssprengungen
eingebürgert. Allein es entfaltet doch nicht die ganze Kraft des Nitro-
glycerins, da es eben 25 "/g Kiese!erde enthält — einen unwirksamen
Stoff, der für die Explosionswirkung nur als Ballast in Betracht kommt.
Es hat ferner den grossen Nachtheil, unter starkem Druck und nament-
lich rasch anter Wasser das Nitroglycerin aussickern zn lassen. Diese
Uebelstände werden vermieden bei Nobel's neueren Sprengmitteln, welche
als Träger des Nitroglycerins eine an sich explodirbare und das Nitn>-
glycerin viel fesler bindende Substanz enthalten. Diese Substanz ist
CollodiumwoUe (Nitrocellulose, vgl. Kap. 36): geringe Mengen davon, in
Nitroglycerin gelöst, genügen, um gallertartige oder gar gummiäholiche
Mischungen zu geben. Eine Mischung aus 93 "/^ Nitroglycerin und T"/^
* Vgl. Schenkel, Ztechr. f. angew. Cbem. 1891, &0'.
' Vgl. die Broschüre der Dynamit-Actien-GeaellBchaft vorm. Nobrl u. Cu.
Hamburg (Hamburg, 18g'2>. — Ueber die technische Daretel lang, besooders die dabei
erforderlichen Schutzmassregetn vgl. Scheidino, Ztschr. f. angew. Chem. 1S90, 609.
' Vgl. DiDgl. polytechn. Journal 190, 124 (1868).
Sprenggelatifie. Gelatinedynamit. 601
^'ollodiumwolle — die Sprenggelatine — ist gummiartig und elastisch
md liefert bei der Explosion nur gasformige Stoffe. Durch Zusatz von
lur 3 — 4^/^, Collodium wolle zum Nitroglycerin erhält man eine dick-
lüssige Gallerte, welche nun viel weniger Zumischpulver als das reine
Nitroglycerin braucht, um eine plastische, feste dynamitähnliche Masse
:u liefern; durch Zusatz von salpeterhaltigen, fast vollständig vergasenden
Sumischpulvern zu dieser Gallerte bereitet man den Oelatinedynamlt,
ier viel stärker als der Guhrdynamit ist und nur einen geringen Rtick-
itand bei der Explosion hinterlässt. Die gelatinirten Sprengmittel geben
sveder unter hohem Druck noch unter Wasser Nitroglycerin ab; sie sind
iuch gegen mechanische Erschütterungen wie gegen Wärme unempfind-
licher, als das Kieselguhrdynamit, und verdrängen letzteres mehr und mehr.
Die Bedeutung der Nitroglycerinpräparate lag bis vor kurzer Zeit
vorzugsweise auf dem Gebiet friedlicher Arbeit; der Bergmann und
Ingenieur nutzten in erster Reihe ihre mächtigen Wirkungen aus. Für
die staunenswerthen Arbeiten, durch welche unsere Zeit den natürlichen
üindemissen zum Trotz dem Weltverkehr immer neue Wege bahnt, sind
diese gewaltigen Sprengstoffe die unentbehrlichsten Hülfsmittel. Erst
neuerdings beginnt das Nitroglycerin als Gelatinirungsmittel für Schiess-
baumwolle in den „rauchlosen** Pulvermischungen auch für die Kriegs-
technik von Bedeutung zu werden (vgl. unter Schiessbaum wolle in Kap. 36);
das bisher in Deutschland eingeführte rauchlose Pulver ist indessen von
Nitroglycerin frei.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Höherwerthige Alkohole.
(Erythrit Arabit, Xylit, Rhamnit. — Mannite, Sorbite, Dulcit. — Perseit.
Octite und Nonite.)
Entsprechend der nur durch wenige Ausnahmen durchbrochenen
Regel, dass mehrere Hydroxylgruppen an einem Kohlenstoflfatom nicht
haften können (vgl. S. 558 u. 578), muss ein beständiger höherwerthiger
Alkohol in seinem Molecül mindestens ebensoviele Kohlenstoflfatome wie
Hydroxylgruppen aufweisen. Der einfachste vierwerthige gesättigte Al-
kohol besitzt demnach die Formel 0^113(011)4, der einfachste fünfwerthige
die Formel CgH7(OH)5 etc. Diese einfachsten höherwerthigen Alkoholen, in
deren Molectll also jedes einzelne Kohlenstoffatom der Kette eine Hydroxyl-
gruppe trägt, -r- und zwar diejenigen von normaler Structur — sind
wichtige Verbindungen, weil sie theils selbst in der Natur vorkommen,
theila zu den in der Natui- so verbreiteten Zuckerarten in nächster Be-
ziehung stehen. Man charakterisirt sie durch die Endung „it"; die
TOhtigsten seien gleich hier genannt:
602 AUgemeines über
Erythrit:
C4H,o04 : CH,(OH) • CH(OH) • CH(OH) - CH,(OH) ,
Arabit (Xylit):
CßHijOs : CHs(OH) • ÖH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH,(OH) ,
Mannite (Dulcit, Sorbite):
CeHi408 : CHaCOH) • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH,(OH) ,
Perseit:
CyHieO; : CHj(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • ÖH(OH) • CH(OH).CH,(OH).
Nach der ,,Genfer Nomenclatur" (vgl. Anhang am Schluss von Band I) cb-
rakterisirt man die Alkohole allgemein durch die Endung y,ol", die an den Nam^E
ihres Stammkohlenwasserstofis angehängt wird, und schaltet zwischen den Namea df?
Kohlenwasserstoffs und die Endung das die Anzahl der Hydroxylgruppen angebeodt
Zahlwort ein. Also: Erythrit = Butantetrol, Arabit = Pentanpen toi, Mannit =
Hexanhezol etc.
Der erste unter jenen normalen höherwerthigen Alkoholen — der
Erythrit — enthält schon zwei asymmetrische Eohlenstoffatome (durch
^ bezeichnet), der Arabit ebenfalls zwei, die folgenden Alkohole der 6. und
7. Reihe enthalten vier. Es lässt sich demnach die Existenz von stere<>-
isomeren Verbindungen — optisch activen und inactiven — voraus-
sehen; derartige Isomeriefälle sind bei den flinf- und sechswerthigen
Alkoholen in grösserer Zahl beobachtet; bemerkt sei gleich hier, das>
bei mehreren höherwerthigen Alkoholen das optische Drehungsvermögen
erst hervortritt, wenn man ihre wässrige Lösung mit Zusätzen (nameDt-
lieh borsauren Salzen) versetzt.
Von den in Bede stehenden Alkoholen unterscheiden sich die zugehöri-
gen Zuckerarten durch den Mindergehalt von zwei Wasserstoffatomen; sie
stehen zu ihnen in derselben constitutionellen Beziehung, wie die beiden
Bestandtheile der Glycerose (vgl. S. 582) zum Glycerin, d. h. sie sind die
entsprechenden Aldehydalkohole mit einer Aldehydgruppe („Aldosen-i
oder Ketonalkohole mit einer dem endständigen Kohlenstoffatom be-
nachbarten Carbonylgruppe („Ketosen"). Die höherwerthigen Alkohule
entstehen daher aus Zuckerarten durch Reduction mittelst Natrium-
amalgam und können andererseits durch vorsichtige Oxydation in Zucker-
arten übergeführt werden; jedem einzelnen höherwerthigen Alkohol eoi-
sprechen gewisse Aldosen und Ketosen, z. B.:
CHO CHjjCOH) CH,(0H)
CH(OH) CH(OII) CO
)H(OH) (t)H(OH) CH(OH)
CH(OH) CH(OH) CIHOH)
i,
CH(OH) C
H(OH) CH(On) CHtOH)
CHjOH) CR
CHsCOH) CH,(OH) CH,(OH)
Mannosc ■< Mannit >- Fructose
(eine Aldose) (eine Retose).
höherwerlhigt Alkohole.
In ihren äusseren Eigenschaften erinnern die höherwer
>hole an die Zuckerarten; sie sind ferbloae, geruchlose, gut l
Are Verbindungen von süssem Geschmack, in Wasser lei(
gl. S. 562 — 563), meist nicht unzersetzt flüchtig.
In ihrem chemischen Charakter dagegen weichen sie von d
rten erheblich ab; sie besitzen nicht das Beductionsveri
iuckerarten gegen FEHLiBo'sche Lösung, auch nicht die Fähig]
lefe in Oährung versetzt zu werden. Vielmehr schliessen
iirem chemischen Verhalten durchaus an das Glycerin an. 'S
werden sie durch Erwärmen mit Jodwasserstoff zu einem i
Uidalkyl reducirt (vgl. S. 146); es entsteht so aus Erjtht
Siityljodid, aus Uaanit und den isomeren Alkoholen sccund
."lexyljodid. Diese ßeaction ist wichtig für die Erkenntnis
sammensetzung und der Structur der höheren Alkohole; die de
CjH^^O^, CjHjjOj etc. entsprechenden Procentzahlen für Kohl
Wasserstoff weisen so geringfügige Unterschiede auf, dass die '.
iiu&lyse nicht zwischen jenen Formeln entscheiden kann; die
mit Jodwasserstoff führt nun zu einer Verbindung, deren
gi^wicht sich aus dem Jodgehalt und dem Siedepunkt sofort et
deren Structur leicht festgestellt werden kann. — Erhitzen mit co
Sidzsäure führt, wie beim Glycerin, zu theiiweisem Ersatz der
gruppen durch Chlor; man erhält Chlorhydrine, wie C^Hg(OH)gi
Salpetersäure liefern die höherwerthigen Alkohole Salpeter
»idlche gleich dem Nitroglycerin durch heftige Explosivität i
iiet sind.
Zur Aufeuchung der hS her werth igen Alkohole io natürlichen Produl
l:ea«Iionsgeinischen erweisen sich hftufig die acetalartigen Verbinduuge:
welche sie mit Aldehjden — namentlich Benzaldehjd CgH,-CHO — eing
Verbindangen, z. B. daa Tribenzyiideiiacetal des Mannits C,Hs(0,:CH-
in Waascr uolfislicb, krjstallisirbar, durch ihre Schmelzpunkte charel
ki'iiiDen darch ErwSnnen mit verdünnten SSuren wieder in den Aldeh
mthrwerthigen Alkohol gespalten werden. Sie bilden sich sehr leicht »
«Rbnlicher Temperatur, wenn man den Alkohol in tiegenwart von stark
«der Schwefelsäure mit dem Aldehyd digerirt
Vierwerthige Alkohole.
Erythrlt* C^Hj^O, = C,Hg(OH), {Erythroglucin, Phyci
von Stenhocse entdeckt. Der Erythritester einer aromatischen
Orsellinsäure CaHgO^, vgl.Bd.II} — das Erythrin C^Hg(0H:)3((
— findet sich in vielen Flechten, so in den Roccellaarten , ■
' Meuweb, Ann. eh. [fi| 32, 412 (leai). — Bkbtband, Bull. [3] 5, 5
K. Vwaas, Ber. 23. 3685 (1890); 24, 53fi (1891). Ann. 270, 82, 99 (11
' Stemhocse, Ann. 68, 78 (1848); 70, 226 (1849). — Laut, Ana
"S(1852); 61, 232 (1857). — Hesse, Ann. U7, 327 (1860). - de I
'^l'- A % 385 (1864), - A. W. HoPMiN«, Ber. 7, 512 Anm. (1874). — C.
^^' 11,873 Anm. (1884). — Frrz, Ber. U, 1891(1818); 13, 475(1879).-
604 Eryihrü und andere
Darstellung des Orseillefarbstoflfs benutzt werden. Diese Flechten dienen
zur Gewinnung des Erythrits, welcher durch Verseifung aus dem Eirythrm
abgespalten wird:
C,H,(OH),(O.C8H,08), + 2H,0 = C^HeCOH)^ + 2C8H,Oa.OH.
Auch frei ist der Erythrit in einer Alge (Protococcus vulgaris) auf-
gefunden worden.
Eine Synthese des Erythrits ist noch nicht ausgeführt; sie ist insofern angebahnt,
als man durch Bromirung des primären normalen Butylbromids^, wie auch auf anderem
Wege (S. 465), zu den beiden vermuthlich stereoisomeren Tetrabromiden CH,Br-
CHBr.CHBr.CHjBr des Divinyls (vgl. S. 464—465) gelangt ist, welche auch aus Erythrit
erhalten werden können; es ist indessen bisher nicht gelungen das Brom in diesen
Verbindungen gegen Hydroxyl auszutauschen.
Der Erythrit krystallisirt in tetragonalen Prismen, schmilzt bei 126 ^
siedet unter gewöhnlichem Druck bei 329—331®, unter 200 mm bei
294 — 296®, ist in Wasser leicht, in Alkohol wenig, in Aether nicht
löslich. Er ist optisch inactiv und repräsentirt vermuthlich denjenigen
der vier möglichen Stereoisomeriefalle, bei dem die beiden gleichartig
asymmetrischen Kohlenstoflfatome in ihrer Wirkung auf die Schwingimgs-
ebene des polarisirten Lichtstrahls sich gegenseitig compensiren (Theo-
retisches über die Verbindungen mit zwei asymmetrischen C- Atomen
vgl. bei den Bernsteinsäure-Homologen, Kap. 25). Man kann dies daraus
schliessen, dass Erythrit bei der Oxydation mit Salpetersäure die ent-
sprechend configurirte Antiweinsäure C0aH-CH(0H)CH(0H)-C03H (vgl.
Kap. 30) liefert. Unter anderen Oxydationsbedingungen erhält man die
einbasische Erythritsäure CH3(0H)CH(0H)CH(0H)-C0j,H oder die Erv-
throse (vgl. Kap. 35); letztere ist vermuthlich ein der Glycerose ana-
loges Gemisch der beiden Verbindungen CH2(OH)CH(OH).CH(OH)CH0
und CH,(0H).CH(0H)C0CH3(0H).
Aethylenoxydartige Derivate des Erythrits. Das erste Anhydrid
C4H^O(OH)2, Erythran genannt und vermuthlich nach der Formel:
CH(OH)— CH(OH)
I I
CH, CHs
0-
constituirt, kann aus dem Erythrit durch Erhitzen mit verdünnter Schwefels&are
gewonnen werden, ist flüssig und siedet bei 154 — 155** unter 18 mm Druck. —
Das vollständige Anhydrid C4H^02, Erythritdioxyd, vermuthlich der Formel
CH,.CH-CH • CHj entsprechend, entsteht aus dem Ery thritdichlorhydrin C^HeCl^fOH U
Ber. 14, 1202 (1881); 17, 1091, 1412 (1884); 20, 3234 (1887). — Lampaktee, Ann.
134, 243 (1865). — Sell, Compt. rend. 61, 741 (1865). — Claesson, J. pr, [2] 20, 7
(1879). — E. Fischer u. Tapel, Ber. 20, 1090 (1887). — Hennikgeb, Ann. eh. 16-
7, 209 (1886). — Grimaux u. Cloez, Compt. rend. 110, 462 (1890). — Paal u. Tireu
Ber. 18, 688 (1885). — de Forcrand, Compt. rend. 112, 484, 1006 (1891). Ann. eh.
[6| 26, 201 (1892).
* Kronstein, J. pr. [2] 46, 165 (1892),
vierwerthige Alkohole. 605
irch EinwxrkuDg von Aetzkali, ist eine farbloee, bewegliche Pltlssigkeit von an-
^□ehmetn Gemch uod brennendem Geschmack, siedet bei 138° und besitzt bei 18*
LS spec äcw. 1-113. Es verhält sich durchaus analog dem Aethylenoijd (vgl.
ä64l; BO verbindet es sieb mit Wasser langsam bei gewöhnlicher Temperatur,
hncll bei lOO" zu Erjtbrit, mit Chlorwasserstoff sebr leicht zu Erythritdichloihjdrin,
:nlr&iigt aua Magnesiumsalzen die Magnesia.
£in Pentaerjthrlt' C,Hi,0. entsteht bei der Einwirkung von Kalk auf ein
emisch von Formaldehjd und Aeetaldehyd in wassriger Lösung:
3CH,0 + CjH.O + H, = C.H„0,;
lct zu seiner Bildung nothwendige Wasserstoff wird vermutblich dadurc
latss andererseits durch Oijdationsproccsse SSuren gebildet werden. Ei
n frroaaen Prismen, schmilzt bei 250 — 255° und löst sich bei 15° in «
kVasser. Als vicrwerthiger Alliohüi erweist er aich dadurch, dasa er, mii
uihydrid und Natriumacetat behandelt, eine Telraacetyl verbin düng liefe
bei der Oxydation keine EsaigsSure, beim Erwärmen mit Jod und Natri
Jodoform entstehen und enthält daher wahrscheinlich keine Methyigru
enei^eche Behandlung mit Jodwasserstoff liefert er kein Amyljodid, i
hydrine wie C,H,(OH),J„ CsHafOHlJ, und CjHgJ,; mau kann daraus
Wa^itscheialicbkeit folgern, dass sein Molecül keine secnndSre und k
Alkoboigmppe enthält, und gelangt so eu der muthmassiichen Constituti<
CH,(OH)> /CHj;OH)
CH,(OH)/ MJH^OH)
Zwei isomere Hexylerfthrlt«* CaHiofOH)^ (wahrscheinlicb Stereoi»
durch Oxydation des I>iallyls(vgl.S. *65) gewonnen; auch Oetylerythrlt«'
dud bekannt.
Fünfwerthige Alkohole.
Fönfwerthige Alkohole sind durcli Eeduction von Zuckera
tosen, vgl. Kap. S5) mittelst Natriumamalgam erhalten wordei
CH^-OH CHO
^ ^^t'V, (OH-OH), 7 ^"^T"" ^OH)«
bezw. Xyht ^ i " bezw. Xyloae ^ i ■"
CHgOH CHjOH
CH.-OH CHO
Rhamnit {bB.OR\ aua Rhamnose (CHOH),
GH, CHj
' ToLLENS a. WioAMD, Autt. 206, 316 (1891).
' G. WioHEB, Ber. 21, 3343 (1888). — BauA, Ber. 17, 12 (1884). -
ßer. 18, 1350 (1885). — S. Repoeiutbkt, Ber. a2o, 801 (1889). — Bi
1»! aa, M7 (1891).
• VgL Grinsr, Ann. eh. [6] 26, 328 (1892).
* Pmtbvtbk, Ber. 20, 3239 (1887); 21«, tlO (1SS8).
606 Fünf' und sechswerthige Alkohole.
Arabit*'* C^Hifi^ schmilzt bei 102^ und dreht in wSssriger Losung auf Zui^atz
von Borax nach links.
Xjlit*** C5H1SO5 ist bisher nicht krystaliisirt erhalten, ist optisch inactiv \m\
liefert durch Reduction mit Jodwasserstoff normales secundäres Amjljodid.
Rhamnit^ C«Hi405 schmilzt bei 121^ und ist in wfissriger Losung (schon olm«
Boraxzusatz) ziemlich stark rechtsdrehend (|«]d*° in 8 • 6-procentiger Lösung = + 10«T'i.
Ueber die Configuration dieser Alkohole vgl. Kap. 35.
Synthetisch' wurde ein fünfwerthiger Alkohol:
/CH,.CH(OH).CH,(OH)
C.HieO» = CH(OH)<
\CH, . CH(OH j . CH,(OH)
durch Oxydation von Diallylcarbinol
,CH,.CH:CH,
CHCOHX" (vgl. S. 485)
XJHjCHiCH,
mit Kaliumpermanganat als zähe, in Aether unlösliche Masse gewonnen.
Sechswerthige Alkohole.
Unter den höherwerthigen Alkoholen sind die sechswerthigen Al-
kohole der Formel G^B.^^^ = CeHglOH)^:
CH,(OH) . CH(OH) . ÖH(OH) • £h(OH) - CH(OH) • CH,(OH)
von besonderem Interesse wegen ihrer Beziehungen zu der wichtigsten
Gruppe der Zuckerarten, zu den „Hexosen" CgH^jO^, welche theils die
Aldosestructur:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) - CHO ,
theils die Ketosestructur:
CH,(OH) . CII(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CO • CH,(OH)
besitzen. Da die oben gegebene Formel der sechswerthigen Alkohole
CgHj^Og vier asymmetrische KohlenstoflFatome aufweist, so ist eine grosse
Zahl von stereoisoraeren Modificationen möglich (8 optisch active, 4 iii-
active zerlegbare, 2 inactive unzerlegbare Modificationen, vgl. die tabella-
rische Zusammenstellung der Configurationsmöglichkeiten in Kap. 35).
Man kennt bisher sechs Alkohole, denen allen die gleiche Structurformel
der normalen Hexaoxyhexans zugeschi'ieben werden muss. Im Folgenden
seien sie nach ihren Bildungsweisen, Eigenschaften und Umwandlungen
besprochen, die Frage nach der in den einzelnen Verbindungen anzu-
nehmenden räumlichen Configuration sei indess erst später im Zusammen-
hang mit dem gleichen Problem für die einzelnen Zuckerarten behandelt
(vgl. Kap. 35).
* KiLiANi, Ber. 20, 1238 (1887).
' E. Fischer a. Stauel, Ber. 24, 538« 1839 Anm. (1891).
* Bertiiand Bull. [3] 5, 555, 740 (1891).
* E. Fischer u. Piloty, Ber. 23, 3103 (1890).
* DuBiNiEWicz, Ber. 22 o, 801 (1889). — Vgl. M. Saytzepp, Ann. 185, 1.H8 (1876-.
— - S. Keforuatsky, J. pr. [2] 41, 54 (1890;.
Oewöhnlicher Mannit. 607
Unter der Bezeichnung „gewöhnlicher Mannit^^ (cf-Mannit, vgl. S. 609)
öge zunächst die am längsten bekannte Verbindung C^H^^Oq besprochen
erden, ^welche im Pflanzenreiche ausserordentlich verbreitet ' ist. Peoust
ltdeckte sie 1806 in der ^^Manna'^; es ist dies der durch Einschnitte ge-
onnene und eingetrocknete Saft aus dem Stamm der Manna-Esche
^raxinus Omus), welche im nördlichen Theile Siciliens cultivirt wird;
lese Manna (die Manna der Bibel' ist davon verschieden) enthält
0 — 60®/jj Mannit und bildet die bequemste Quelle zur Darstellung des-
slben; man gewinnt' ihn daraus einfach durch Ausziehen mit heissem
Vasser oder heissem verdünnten Weingeist und Erystallisation. Auch
US einem sehr häufig vorkommenden Schwämme — Agaricus integer
Speitäubling) — lassen sich grössere Mengen Mannit leicht gewinnen^;
m getrockneten Zustand enthält derselbe 19 — 20 ^o* Mannit findet sich
ferner in der Sellerie , in den Blättern von Syringa vulgaris, in den
Kirschlorbeerfrüchten, in den Oliven, in vielen Pilzen, Seegräsern etc.
Auch im Roggenbrod^ finden sich nicht unbeträchtliche Mannitmengen.
Die dem gewöhnlichen Mannit entsprechende Aldose ist die Mannose,
die zugehörige Ketose ist der Fruchtzucker oder Fructose; man erhält
daher aus dem Mannit durch vorsichtige Oxydation® mit Salpetersäure
ein Gemisch dieser beiden Zuckerarten („Mannitose''). Andererseits
wird Mannit sehr reichlich durch Keduction von Mannose und Fructose
mit Natriumamalgam in neutraler bezw. schwach saurer Lösung gebildet^;
aus Fructose entsteht daneben in annähernd gleicher Quantität Sorbit
(s. unten); bei der sehr langsam verlaufenden Reduction in alkalischer
Lösung erhält man auch aus Glucose ® Mannit, aber nur in sehr kleiner
Menge und vermuthlich erst aus Zersetzungsprodukten der Glucose ge-
bildet. Aus Zuckerarten entsteht Mannit ferner durch Gährungsprocesse^,
» Vgl. Paten, Ann. 12, 60 (1884). — W. Mbyee u. Eeichb, Ann. 47, 284 (1843). —
^intBousE, Ann. 61, 349 (1844). — Knop u. Schnbdermavn, Ann. 49, 243 (1844). —
ScHLosBBEBOEB u. DöppiNQ, Ann. 62, 117 (1844). — Smith, Jb. 1850, 535. — Roüssin,
Jb. 1861, 550. — Ludwig, Jb. 1867, 503. — Luca, Compt. rend. 63, 383 (1861);
55, 506 (1862). — Muntz, Ann. eh. [5] 8, 56 (1876). — Boubquklot, Compt. rend.
108, 568 (1889); 111,. 534 (1890). — Vincümt u. Delachakal, Compt. rend. 114,
486 (1892). — KwASNiK, Cöthener Chem. Ztg. 16, 109 (1892). — Meukier, Ann. eh.
[61 22, 431 (1891).
* Vgl. Beilbtein, Handb. d. organ. Chem. I, 284 (Hamburg u. Lieipzig, 1892).
» Vgl. RuspiNi, Ann. 66, 203 (1846).
^ Thöbner, Ber. 11, 535 (1878); 12, 1635 (1879).
* Jaff6, Ztsehr. f. physiol. Chem. 7, 303 (1883).
* Gorüp-Besanez, Ann. 118, 257 (1860). — Dafbbt, Ber. 17, 228 (1884). —
£• FiscHBB, Ber. 20, 831 (1887). — E. Fiscbeb u. Hibschbebqeb, Ber. 21, 1805 (1888).
' £. FiäCBBB u. Hibscbbeboeb, Ber. 21, 1808 (1888). — £. Fischer, Ber. 23,
^ftB4 (1S90).
* Krüsemank, Ber. 9, 1465 (1876). — Scheibleb, Ber. 16, 3010 (1883). —
^ Fischer, Ber. 23, 2133 Anm. (1890).
* Liebio, Jb. 1847/48, 466. — Pabteüb, Jb. 1867, 511; 1861, 728. — ^fbeckeb,
^. 02, 80 (1854). — Dbaqemdofbf, Jb. 1879, 854.
i
608 Oewöknlicker Mannit.
so bei der Milchsäuregährung und namentlich in grosser Menge bei der
schleimigen Gährung des Rohrzuckers.
Mannit 1 krystallisirt aus Wasser in dicken rhombischen Prismen^ aus
Alkohol in seidenglänzenden Nadeln, schmilzt* bei 165 — 166®, bedarf etwa
6 Th. Wasser von gewöhnlicher Temperatur zur Lösung, ist in kaltem
Alkohol sehr wenig, in Aether fast gar nicht löslich und kann nur in
kleinen Mengen unzersetzt verflüchtigt werden. Seine wässrige Lösung
lenkt die Schwingungsebene des polarisirten Lichts nur so schwach nach
links ab ([«]d = — 0-25^, dass sie ursprünglich für inactiv gehalten
wurde; durch freies Aetznatron wird die Linksdrehung beträchtlich ver-
mehrt; dagegen ist Mannitlösung bei Gegenwart von Borax oder einigen
anderen Salzen stark rechtsdrehend ^.
Die Structur des Mannits ergiebt sich daraus, dass er durch Jod-
wasserstoflFsäure in ein normales* secundäres Hexyljodid übergeführt
wird (vgl. S. 189, 184 [Tab.], 167), welches übrigens nach einer neueren
Untersuchung^ wahrscheinlich nicht die ihm bisher zugeschriebene Con-
stitution CHg-CHgCHgCHj-CHJCHj (2- Jod- hexan) besitzt, sondern als
Aethylpropylcarbinjodid d^-CHg.CHjCHJ.CHj-CHj (3 - Jod -hexan) auf-
zufassen ist.
Abkömmlinge des Mannits. Mannithexanitrat^ OeHgfO'NO,^ (Nitro-
mannit) krystallisirt in weissen Nadeln, schmilzt bei 112 — 113^, zersetzt sich bei
vorsichtigem stärkeren Erhitzen ohne Explosion, verpufit aber stark bei plötz-
lichem Erhitzen und explodirt durch Schlag sehr heftig. — Mannithexaacetat'
CeHaCO-COCHg)« bildet schöne rhombische Krystalle, schmilzt bei 119». — Das
Triaethylidenacetal des Mannits« CflH«rO,:CHCH8)s (vgl. S. 603) bildet feine
weisse Nadeln, schmilzt bei 174^, sublimirt leicht, siedet unzersetzt bei 285^, ist in
kaltem Wasser nicht, in heissem ziemlich löslich.
Anhydride. Aus dem Mannit erhält man durch Erhitzen auf 200 ^ durch
längeres Kochen mit concentrirter Salzsäure und unter anderen Bedingungen eine
dickflüssige Substanz, welche durch längeres Rochen ihrer wässerigen Lösung in
Gegenwart von Alkalien oder Bleioxyd wieder theilweise in Mannit übergeführt wird,
^tflnnitan* genannt ist, ungefähr die Zusammensetzung des ersten Mannitanhydridä
' Vgl. Berthelot, Ann. eh. [3] 47, 301 (1856).
• Landolt, Ztsjchr. f. physik. Chem. 4, 365 (1889).
• Vgl. Biot, Compt. rend. 14, 49 (1842). — Bouohabdat, Compt rend. 80, 120
(1875). — ViQNON, Ann. eh. [5] 2, 433 (1874). — Muntz u. Aubin, Ann. eh. [5] 10,
553 (1877). — Klein, Compt. rend. 86, 826 (1878). — E. Fischer, Ber. 23, 385 (1890).
* Le Bel u. Wassermann, Compt. rend. 100, 1589 (1885).
* Combes u. Le Bel, Bull. [3] 7, 551 (1892).
* DoHONTE u. Menard, Compt. rend. 24, 391 (1847). — Sobrbro, Compt rend.
25, 121 (1847). — Strecker, Ann. 73, 59 (1850). — A. u. W. Knop, Ann. 74, 350
(1850). J. pr. 66, 337 (1852). — Dessaignes, Ann. 81, 251 (1852). — Mills, Jb. 1864,
584. — Tichanowioz, Ztschr. Chem. 1864, 482. — Bouchardat, Ann. eh. [51 6, 125
(1875). — SoKOiX)PF, Ber. 12, 688, 698 (1879).
^ Schötenberger, Ann. 160, 94 (1871). — Bouchardat, Ann. eh. [5] 6, 107
(1875). — Pranchimont, Ber. 12, 2059 (1879). « Meünier, Ann. eh. [6] 22, 415 (1891).
• Bbrthelot, Ann. eh. [3] 47, 306 (1856). — Bouchardat, Ann. eh. [5J 6, 100
(1875). — ViONON, Ann. eh. [5] 2, 458 (1874). — Alechin, Ber. 17 o, 282 (1884).
l'Mannü tmd i-Mannit. 609
!«Hi,05 besitst, aber wohl ki^um einheitlich ist. — Eine ebenfalls syrapartige Sub-
tanz von der Zoflammensetzimg des zweiten Mannitanhydrids C^HioO« — Mannid^
enannt — entsteht beim Erhitzen von Mannit mit Buttersäüre auf 200 — 250^. Besser
haraktexiBirt ist der Isomannid' CeHigO«, welcher bei der Destillation des Mannits
m Vacnam entsteht, auch durch längeres Kochen desselben mit käuflicher Salzsäure
Thalten wird, grosse monokline Krystalle bildet, bei 87® schmilzt, unter 30 mm bei
76 *, unter gewöhnlichem Druck nicht ganz unzersetzt bei 274® siedet, in Wasser
tnd Weingeist sehr löslich, in Aether nicht löslich ist und nach rechts dreht. Eine
somere Verbindung — ^-Mannid® — entsteht durch Eeduction von Mannitdichlor-
lydrin. krystallisirt aus Wasser in grossen glänzenden Prismen, schmilzt bei 119® und
dedet unter 16 mm Druck fast unzersetzt zwischen 205 und 210®.
Nach Emtl Fischeb^ werden die stereoisomeren, zur Zuckergruppe
gehörigen oder dazu in näherer Beziehung stehenden Verbindungen —
anabhängig von ihrem eigenen Drehungsvermögen — mit den Buch-
staben d (dextro) und / (laevo) bezeichnet, je nachdem sie mit einer
rechtsdrehenden oder einer linksdrehenden Aldose in genetischer Be-
ziehung stehen; die inactiven Verbindungen, welche durch Vereinigung
zweier optischen Antipoden entstehen, erhalten die Bezeichnung i. Da
der bisher besprochene gewöhnliche Mannit mit der rechtsdrehenden
Mannose correspondirt (vgl. S. 607), so ist er als d-Mannit zu bezeichnen.
E. Fischer ist es nun im Laufe seiner klassischen Untersuchungen über
die Zuckergruppe gelungen, auch die optisch entgegengesetzte Modi-
fication — den {-Mannit — und die durch die Vereinigung beider
entstehende inactive Modification — den i-Mannit — zu gewinnen.
Der /-Mannit^ entsteht durch Beduction der Z-Mannose (vgl. Kap. 35)
mit Natriumamalgam^ ist dem gewöhnlichen Mannit sehr ähnlich, kry-
staUiairt aus Wasser in feinen Nadeln, schmilzt bei 163 — 164^, zeigt
in wässriger Lösung eine kaum wahrnehmbare Drehung, erlangt aber
durch Borax-Zusatz eine beträchtliche Linksdrehung, deren Stärke der
unter gleichen Bedingungen beobachteten Rechtsdrehung des gewöhn-
lichen Mannits entspricht.
Der t-Mannit^ entsteht durch Beduction von 2- Mannose, wird
durch Oxydation mit verdünnter Salpetersäure theilweise wieder in
i-Mannose übergeführt, krystallisirt aus Wasser in kleinen Prismen,
schmilzt bei 168^ und bleibt auch bei Borax-Zusatz inactiv. Besonders
wichtig ist seine Bildung durch Reduction der synthetisch gewinnbaren
Zuckerart a-Akrose (z-Fructose vgl. Kap. 35); er wird daher auch als
a-A.krit' bezeichnet.
* Berthslot, Ann. eh. [3] 47, 312 (1856). — C. Liebermann, Ber. 17, 874 (1884).
' Fauöonniek, Compt rend. 96, 991 (1882). Bull. 41, 119 (1883). — Alechin,
Ber. 17 0, 282 (1884).
' SiwoLOBOw, Ber. 17 o, 282 (1884). Ann. 233, 372 (1886).
* Ber. 28, 371 (1890).
* Ber. 23, 375, 385 (1890). ^ Ber. 23, 383, 390 (1890).
' E. Fischer u. Tafel, Ber. 22, 100 (1889).
^^ MsTSB u. Jacobson, org. Chem. I. 39
610 Sorhite, Duldt
Sorbite ^ In den drei Manniten liegen Verbindungen vor, die nur
in ihrem Verhalten gegen das polarisirte Licht wesentlich dififeriren, in
allen übrigen Eigenschaften aber theils völlige üebereinstimmung, theils
die grösste Aehnlichkeit zeigen; im Änschluss daran sind nun zwei Al-
kohole CßHj^Oß zu erwähnen, die unter einander in ganz analoger Be-
ziehung stehen, von den Manniten aber wesentlich verschieden sind, ob-
gleich die Isomerie ebenfalls nur auf verschiedenartige Configuration in
Bezug auf die einzelnen asymmetrischen Eohlenstoffatome zurückzufahren
ist. Der eine dieser Alkohole ist zuerst im Vogelbeersaft aufgefunden
und daher Sorbit genannt; er ist in vielen Früchten — so im Safl der
Pflaumen, Kirschen, Aepfel, Birnen, Mispeln, Pfirsiche etc. — enthalten,
krystallisirt aus Wasser in feinen farblosen Nadeln, welche Krystall-
wasser enthalten, verliert das Krystallwasser etwas über 100*^, schmilzt
wasserfrei bei 110 — 111^ und ist für sich linksdrehend ([^Jd = — 1*73%
bei Gegenwart von Borax rechtsdrehend. Durch Beduction mit Jod-
wasserstoff liefert er secundäres normales Hexyljodid. Mit dem natürlichen
Sorbit ist der sechswerthige Alkohol identisch, der durch Beduction des
Traubenzuckers entsteht; da der rechtsdrehende Traubenzucker also die
entsprechende Aldose darstellt, so ist dieser Sorbit als cf-Sorbit zu
bezeichnen; als Ketose entspricht ihm die cf-Fructose durch deren Be-
duction er ebenfalls — und zwar neben Mannit (vgl. S. 607) — erhalten
wird. — Der ihm optisch entgegengesetzte /-Sorbit ist durch Beduction
von /-Gulose (vgl. Kap. 35) gewonnen und nur durch das optische Ver-
halten vom ^-Sorbit zu unterscheiden.
Dulcit* (Melampyrin, Evonymit) endlich ist ein isolirt dastehen-
der sechsatomiger Alkohol CgHi^O^, welcher bei der Beduction mit Jod-
wasserstoffsäure ebenfalls normales secundäres Hexyljodid liefert und daher
gleichfalls als normales Hexaoxyhexan aufzufassen ist. Die Manna Ton
Madagascar besteht fast ausschliesslich aus Dulcit, den man daraus
direct durch Ausziehen mit hieissem Wasser erhält; er findet sich femer
im Kraut von Melampyrum nemorosum, im Gambialsaft von Evonymus
* BoussiNOAULT, Ann. eh. [4] 26, 376 (1872). — Hitzemank u. Toixens, Ber. 22,
1048 (1889). — Vincent u. Delacbanal, Compt. rend. 108, 147, 354 (1889); 109,
676 (1889); lU, 51 (1890); 114, 486 (1892). — Meunier, Compt. rend. 108, 148 (1889);
111, 49 (1890). Ann. eh. [6] 22, 423 (1891). — E. Fische», Ber. 23, 3685 (1890). -
£. Fischer u. Stahel, Ber. 24, 535, 2144 (1891). — A. Freund, J. pr. [2] 43, 545
(1891). — Gernez, Compt. rend. 113, 1031 (1891).
« Hünepeld, J. pr. 7, 233 (1836); 9, 47 (1836). — Laurent, Ann. 76, 858 (1850j;
80, 345 (1851). — Jacquelain, Ann. 80, 345 (1851). — Eichleb, Jb. 1866, 665.
— BicHAMP, Compt. rend. 61, 255 (1860). — Rubel, J. pr. 86, 872 (1862). — Giunau
Ann. 123, 372 (1862). — Wanklyn u. Fälenmbyer, Ztschr. Cham. 1862, 641. — Gablrt,
Ann. 117, 143 (1861). — Bouchardat, Ann. eh. [4] 27, 68, 145 (1872). — Hecht,
Ann. 166, 146 (1873). — Champion, Compt. rend. 78, 1150 (1874). — Claesson, J. pr.
[2] 20, 15 (1879). — MuNTz u. Maroano, Ann. eh. [6] 3, 283 (1884). — E. Fisch»
u. Tapel, Ber. 20, 3390 (1887). — E. Fischer u. Hertz, Ber. 26, 1261 (1892). -
Crosslet, ebenda, 2564.
BhamnoheoDÜ, Pera&it 611
uropaens und einigen anderen Pflanzen und entsteht durch Reduction
ler beiden optisch entgegengesetzten Galactosen. Dulcit krystallisirt in
Qonoklinen Säulen, sclunilzt bei 188-5^, bedarf bei gewöhnlicher Tempe-
■atur etwa 30 Th. Wasser zur Lösung, ist in Weingeist sehr wenig, in Aether
;ar nicht löslich. Der Dulcit ist optisch inactiv und zwar als eine durch
intramoleculare Conpemsation inactive, also nicht spaltbare Modification
jbufzufassen (vgl. Eap. 35).
Bhamnoliexit^ CfHieO« ist ein sechsatomiger Alkohol der 7. Beihe, CH,*
[CH-OH)^-CH,-OH, welcher darch Reduction der Rhamnohezose C7Hi40e (vgl. Kap. 35)
gewonnen ist, ans heissem Alkohol in kleinen farblosen Prismen krystallisirt, bei 173®
schmilzt und nach rechts dreht ([ajn*® in 9-procentiger, wftssriger Lösung = +14^.
Sieben- bis neunwerthige Alkohole.
Von den den sechswerthigen Alkoholen entsprechenden Zuckerarten
^Hexosen) ausgehend kann man, wie Emil Fischer gezeigt hat, synthetisch
höherwerthige Alkohole aufbauen. Man erhält zunächst durch Addition
Yon Cyanwasserstoff an die Hexosen ein Nitril (bezw. zwei stereoisomere
Nitrile); die Nitrile liefern durch Verseifung Hexaoxycarbonsäuren; aus
letzteren entstehen durch Reduction mit Natriumamalgam Zucker mit
7 Sauerstoffatomen (Heptosen) und durch weitere Beduction die ent-
sprechenden siebenwerthigen Alkohole, z. B.:
Cn
CHO CH-OH CO,H
I I I
(CH.0H)4 >- (CH.OH)^ >- (CH.OH)b >
I i I
CHj.OH CHjOH CH,OH
Mannose Mannose-Cyanhydrin Mannosecarbonsäure
CHO CHjOH
I I
(CH-OH), - y. (CHOH),
CH,.OH CHjOH
Mannoheptose Mannoheptit.
Auf diesem Wege ist aus der c^-Mannose ein Alkohol C^H^gO^ erhalten,
der demnach als cf-Mannoheptit^ bezeichnet werden kann; er hat sich
als identisch erwiesen mit dem schon vorher in der Natur aufgefundenen
Persclt, welcher von Muntz u. Mabcako^ und von Maqüenne* eingehend
untersucht ist. Der Perselt ist reichlich in den Früchten und Blättern
von Laurus persea — einem in den Tropen sehr verbreiteten Baume —
enthalten; er krystallisirt aus Wasser in mikroskopischen Nädelchen,
schmilzt bei 188®, erfordert bei gewöhnlicher Temperatur etwa 16 Th.
* E. Fischer u. Piloty, Ber. 28, 3106, 3827 (1890).
* £. Fischer n. Passmore, Ber. 23, 935, 2231 (1890).
' Ann; eh. [6] 3, 279 (1884).
* Ann. eh. [6] 19, 1 (1890). Compt. rend. 114, 1066 (1892).
39*
612 MannocHt. Oluco-hepHt, -octit, -nonii.
Wasser zur Lösung, ist in warmem Wasser sehr leicht, in absolutem
Alkohol sehr wenig löslich; die wässrige Lösung, für sich inactiv, wird
durch Zusatz von Borax stark rechtsdrehend. Bei der Einwirkung von
Jodwasserstoff liefert der Persett einen Kohlenwasserstoff CyHjj und ein
Heptyljodid CyHjgJ.
Indem man för dieselbe Reactionsfblge, die yon der Mannose tarn Perseit föfait,
die Mannoheptose (s. S. 61 1) zum Ausgangspunkt nimmt, gelangt man znm «f-MsBaoettt^
CsHieOs = CH,OH.(CH.OH)e-CH,.OH — mikroskopische Täfelchen, die bei 258»
schmelzen und selbst in heissem Wasser ziemlich schwer löslich sind.
In analoger Weise sind von der (f-Grlucose als Ausgangspunkt die folgenden
Alkohole gewonnen worden*: a-GIucoheptit CrHi^O, (Schmelzpunkt: 127—128^
optisch inactiv durch intramoleculare Compensation), a-GIueooetit CgHigOg (Schmelz-
punkt 141 ^, schwach rechtsdrehend) und a-GIueononit CsHgoOe (Schmelzpunkt IH%
Alle drei Verbindungen sind in heissem Wasser leicht löslich.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Verbindungen, welche zugleich Halogenatome und Hydroxyl-
gruppen enthalten, und ihre Derivate.
(Halogenderivate der Aether und Ester. — Halogenhydrine. — TrichlorSthylalkobol
und ähnliche Verbindungen. — Halogenderivate von Schwefelverbindungen).
Halogenderivate der Aether und Ester.
Bei der Besprechung der mehratomigen AJkohole ist mehrfach hervor-
gehoben worden, dass mehrere Hydroxylgruppen sich in der Regel an
ein und demselben Kohlenstoffatom nicht neben einander halten könuen
(S. 558, 578). Dasselbe gilt für die Combination von Halogenatomen
\ /OH
mit Hydroxylgruppen; Verbindungen, deren Molecül die Gruppe yCs.
enthält, sind nicht bekannt. Wo sie sich bilden könnten, erhält man
stattdessen meist durch Abspaltung von Halogen Wasserstoff:
\c<f - HCl = \C0
Aldehyde oder Ketone.
Ein bei 68^ siedendes Einwirkungsprodukt von Salzsäure auf Formaldehyd wird
freilich von Lösekann' als Chlormethylalkohol CHsC71(0H) angesprochen; eine
Bestätigung dieser Auffassung ist noch abzuwarten.
^ E. Fischer u. Passmore, Her. 28, 2235 (1890).
« E. Fischer, Ann. 270, 80, 98, 107 (1892).
• Cöthener Chem.-Ztg. 1890, 1408. D. R.-Pat. 57621, vgl. Ber. 25 o, 92 (1892).
— Vgl. auch V. Hemmelmatr, Monatsh. 12, 89 (1891).
HalogenderwcUe der Aether und Ester, 613
Ist aber das Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe durch Kadicale
ertreten« so können Halogenatome mit dem Sauerstoffatom, das nun
ther- bezw. esterartig gebunden ist, am gleichen Eohlenstoffatom haften.
Derivate der für sich unbeständigen halogenisirten Alkohole sind also
txistenz-fähig:
/Cl CHa.CH< yC\
CH,/ yO CHs.CH<(
^OCHa CH,.CH<( ^OCO-CHs
Es gehören hierher die ihren Bildungsweisen nach S. 394 — 395 be-
sprochenen Verbindungen, welche aus Aldehyden durch Einwirkung von
Chlorwasserstoff, Halogenalkylen und Säurechloriden entstehen (vgl.
auch S. 404),
Bei der Einwirkung chlorirender Mittel auf Alkohole richtet das
Chlor seine Wirkung zunächst auf das hydroxylirte Eohlenstoffatom;
in Folge der Unbeständigkeit der sich vielleicht zuerst bildenden Sub-
stitutionsproduke wie CH3-CHC1(0H) erhält man daher aus primären
Alkoholen nicht Substitutionsprodukte der Alkohole, sondern der Alde-
hyde (vgl. Chloral, Kap. 33). Auf Aether dagegen wirkt Chlor direkt
substituirend ein.
Halosrenderivate des J)imetliylXtliers* Es entstehen direct durch Chlori-
rang^: Monochlormethylftther CHjClOCHg (Siedepunkt 59-5<^), Dichlor-
methyläther CjH4ClaO (Siedepunkt 105^ spec. Gew. bei 20^: l-Slö), Tetrachlor-
methyl&ther CjPIjCl^O (Siedepunkt gegen 130^ spec. Gew. bei 20^: 1.606) und Per-
chlormethyläther CjCleO (spec. Gew. 1-594); letztere Verbindung siedet unter
Zerfall (vielleicht in CCl^ und COCü schon bei etwa 100 ^
Durch Einwirkung der Halogenwasserstoffisäuren auf Formaldehyd bezw. Oxy-
methylen* sind die symmetrischen Dihalogenderivate erhalten worden: (CH2Cl)tO
(Siedepunkt 102—108°), (CH,Br)gO (Siedepunkt 148.5— 151. 5«) und (CHjJ),0 (Siede-
punkt 219^; es sind ölige, an der Luft rauchende Flüssigkeiten von scharfem Geruch,
in Wasser unlöslich; von heissem Wasser werden sie rasch im Sinne der Gleichung
(CH,Br),0 + H,0 = 2 CH>0 + 2 HBr
zersetzt.
In analoger Weise kann Monochlormethyläther sehr leicht durch Einwirkung
von Chlorwasserstoff auf ein Gemisch von Formaldehyd und Methylalkohol* er-
halten werden:
CH.O + CHs(OH) + HCl = CH^ClOCHs + H,0 .
Ueher Halo^enderivate des BiSthylttthers^ vgl. S. 197—198.
Auch Säureester lassen sich derart chloriren, dass das Chlor neben
* Rbohaxxlt, Ann. 34, 29 (1840). — Friepel, Compt. rend. 84, 247 (1877). —
BuTiEBow, Ztschr. Chem. 1865, 618. — Klebeb, Ann. 246, 97 (1888).
' TiscHTscHENKO, Bcr. 20o, 701 (1887). — Lösekanw, Cöthener Chem. Ztg.
^S90, 1408.
* Hbtry, Compt. rend. 113, 370 (1891).
* S. auch GoDEFROY, Compt. rend. 102, 869 (1880).
614 Büdungsweisen und Verhalten
das alkoholische Sauerstoffatom tritt ^; so entsteht z. B. aus Essigsäure-
methylesterderEsgigsäurechlormethylester CHj-CO-O-CHgCl (Siede-
punkt 115^ spec. Gew. bei 14»:M95).
Halogenderivate der Alkohole, welche an je ein Kohlenstoff-
atom nicht mehr als ein Chloratom gebunden enthalten, oder
Halogenhydrine.
Bildungswelsen. Diejenigen Halogenderivate der Alkohole, welche
aus mehrwerthigen Alkoholen durch theilweisen Ersatz der Hydroxyl-
gruppen mittelst Chlor, Brom, Jod hervorgehen, bezeichnet man als Ha-
logenhydrine (vgl. S. 563, 582); sie enthalten an den einzelnen Kohlen-
stoffatomen nie mehr als je eine Hydroxylgruppe .oder je ein Halogenatom:
CHjCl . CHj(OH) CHj(OH) • CHCl • CH,C1
Aethylenglykolchlorhydrin Glycerindichlorhydrin
od. Chloräthylalkohol od. Dichlorpropylalkohol .
Sie entstehen aus den mehrwerthigen Alkoholen durch Behandlung
mit Chlorwasserstoffsäure ^ oder Brom wasserstoffsäure ^ (nicht mit Jod-
wasserstoff, vgl. S. 582, 603) :
CHj(OH).CH,(OH) + HBr = CHj(OH).CH,Br + H,0 .
Zur Bildung von Halogenhydrinen stehen femer die folgenden Äd-
ditionsreactionen ungesättigter Verbindungen zur Verfugung:
Addition von unterchloriger Säure* an ungesättigte Kohlenwasser-
stoffe oder Alkohole
CH, : CH, + ClOH = CH,C1.CH,(0H)'
CH, : CH . CH,(OH) + Cl . OH = CH,(OH) • CHCl - CH,(OH) ,
Addition von Halogenen an ungesättigte Alkohole*
CH, : CH.CH,(OH) + J> = CHjJCHJCHjCOH) .
Endlich erhält man Halogenhydrine durch Einwirkung von Halogen-
wasserstoffsäuren auf Alkylenoxyde (vgl. S. 564, 570):
CHjv CHjCl
I >0 + HCl = I
CH/ CHj.OH
Jodhydrine werden häufig aus Chlorhydrinen durch Umsetzung mit
Jodkalium gewonnen®:
* Vgl. Malaguti, Ann. 32, 38, 47 (1839); 37, 66 (1841). — Cahoübs, Ann. 64,
312 (1848). — Henry, Ber. 6, 739 (1873).
» WuRTZ, Ann. 110, 125 (1859). — Boüchardat, Ann. eh. [5] 6, 114 (1875).
Compt rend. 100, 458 (1885). — Berthelot, Ann. eh. [3] 41, 296 (1854). — de Lutoe,
Ann. eh. [4] 2, 406 (1864). — Henninoer, Ann. eh. [6] 7, 228 (1886).*
* Henry, Ann. eh. [4] 27, 250 (1872). - Veley, Chem. News 47, 39 (1883). -
Champion, Compt. rend. 78, 114 (1871).
* Cariüs, Ann. 126, 195 (1863). — Bütlerow u. Lohmann, Ann. 144, 40 (1867).
— Hanriot, Ann. eh. [5] 17, 76 (1879). ^ Tollenb, Ann. 166, 164 (1870).
^ Bütlerow u. Ossokin, Ann. 144, 43 (1867). :— Claus u. Nabmmacher, Ann-
WS, 21 (1873).
der Haiogeyüiydrine. 615
CHj(OH).CHjCl + KJ = CH,{OH).CH,J +KC1 .
Yerhalten. Die Halogenhydrine werden als Hydroxylverbindungen
durch die Fähigkeit charakterisirt, mit Acetylchlorid unter Esterbildung
zu reagiren:
CH,C1.CH,(0H) + Cl-COCHj = CHjClCHsCOCOCH,) + HCl.
Derartige Essigsäureester bilden sich auch direct bei der Einwirkung
von Acetylchlorid auf mehratomige Alkohole^:
fOH fCl
CsH^^OH + 2Cl.CO.CH3 = CbHs^CI + H,0 + OH-COCHa ,
lOH (OCOCHa
Die Halogenatome sind in den H^ogenhydrinen ebenso gebunden,
wie in den Halogenalkylen, und demnach leicht beweglich. Man benutzt
daher vielfach namentlich die Halogenhydrine des Aethylenglykols, um
die Oxäthylgruppe CH3(0H).CHa~ in mannigfache Verbindungsformen
überzufuhren, z. B.:
CHj(OH).CH,CI + KSH = CH,{OH) • CH, • SH + KCl
CHa{OH).CH,Cl + Na^SOs = CH,(OH).CH,.SOsNa + NaCl
CH,(0H).CH,C1 + NH(C,H5), = CH,(0H).CH,.N(CjH5)o.HCl
CH,(OH).CHjCl + NCCHj), = CH,(OH).CH,v
>N(CH8)s
CK
CO.CH. COCHj
CHs(OH).CH4Cl + I = I +NaCl
CNaH . CO, . CjHs CH,(OH) • CH, • CH • COj • CjH»
etc.
Bei der Einwirkung von Alkalien treten Halogenatome und Hydroxyl-
gruppen gleichzeitig in Reaction; indem Hydroxyl Wasserstoff als Halogen-
wasserstoff abgespalten wird, entstehen Alkylenoxyde (vgl. S. 564):
CHjCl CHjv
I +K.OH = 1 >0 + KCl + HaO
CHjOH CH/
CH^Cl CHjv
I + KOH = I >0 + KCl + H,0 .
CH,C1 - CHOH CHjCI - CH /
Die Geschwindigkeit dieser Reaction ist in einigen Fällen von Evans ' mit Bezug
auf die räumliche Configuration der Molecüle untersucht worden. Als besonders
interessant sei hervorgehoben, dass durch Einführung von Methylgruppen die Oxyd-
bildung ausserordentlich begünstigt wird; CH9'CH(0H).CHjCl wird viel leichter in
das entsprechende Oxyd übergeführt, als CH8(0H).CH2C1; (CHj),C(Cl)-CH,(OH) noch
vielleichter als CH8.CH(0H).CH,C1. Ein ähnlicher Einfluss der Alkylgruppen hat
ßich für die Anhydridbildung von Dicarbonsäuren herausgestellt (vgl. Kap. 25 u. 26).
Durch nascirenden Wasserstoff (Natriumamalgam) können die Ha-
logenatome eliminirt werden; dadurch wird eine üeberfiihrung höher-
^erihiger Alkohole in solche von geringerer Werthigkeit möglich^:
* L0UREN90, Ann. eh. [3] 67, 259 (1868).
* Ztschr. f. physik. Chem. 7, 837 (1891).
"" L0UREN90, Ann. 120, 91 (1861). — Buff, Ann. Suppl. 5, 249 (1867).
616
Monoluüogenhydrine des Glykols und
Glycerins.
CH,(OH)
1
CHgCl
CH,
CH,(OH)
CH,(OH)
CH^OH)
CH,(OH)
1
CH,(OH)
CH,(OH)
CH(OH)
>- CH(OH) >
CH(OH)
CH,(OH) CHjCl CH,
Halogenhydrlne des Aethylenglykols. Giykoichiorhjdrini CH|Ci-
CH,(OH) (AethylenchlorhjdriD, Chloräthylalkohol) ist eine farblose, in Wasser losliche
Flüssigkeit, siedet bei 128^ und besitzt bei 0^ dsjs spec. Gew. 1-223; durch O^dation
mit Chromsäuregemisch liefert es Chlorcssigsäure (vgl. S. 547). Aethjlenacetochlor-
hydrin» CH,C1 • CH,{0 • CO • CH,) (Aethylenchloracetin) ist eine in Wasser unlfisliche
Flfissigkeit, siedet bei 143—1450 und besitzt bei 0^ das spec. Gew. 1-178. — Glykol-
bromhydrin» CHgBr-CHsCOH) siedet bei 147^ und besitzt bei 8^* das spec. Gew. 1-66.
— Glykoljodhydrin^ CH,J-CH,(OH) wird aus dem Chlorhydrin durch Erwärmen
mit Jodkalium oder Jodnatrium gewonnen, stellt ein in Wasser ziemlich lösliches
Oel dar, siedet unter ^5 mm Druck unzersetzt bei 85*^, unter gewöhnlichem Druck
nicht ohne Zersetzung und besitzt das spec. Gew. 2-165 bei 19^
Halogenhydrlne des Crlycerlns.
Für Monohalogenhydrine bestehen zwei Isomerief^Ue:
CH2(0H).CH(0H).CH,X und CH2(0H).CHX.CH,(0H);
Verbindungen der ersten Art sind Substitutionsprodukte des Propylenglykols; sie
werden gewöhnlich als a-Halogenhydrine bezeichnet, während man die der zweiten
Formel entsprechenden Derivate des Trimethylenglykols |9-HaIogenhydrine nemit
a-Monochlorhydrin* CH,(OH) • CH(OH) • CH,C1 (Chlorpropylenglykol) ent-
steht aU Hauptprodukt, wenn Glycerin in gelinder Wärme mit Chlorwasserstoff
gesättigt, dann längere Zeit auf 100 ^ erhitzt wird. Es ist ein mit Wasser mischbares
Oel, siedet unter 18 mm Druck bei 139^ und besitzt bei 0® das spec. Gew. 1-338;
die Constitution folgt aus seiner Beducirbarkeit zu Propylenglykol. — a-Mono-
bromhydrin« CH^COH) • CH(OH) - CH,Br siedet unter 17 mm Druck bei 138»; spec
Gew. bei 4<>: 1-717.
» WuBTZ, Ann. HO, 125 (1859). — Caeius, Ann. 124, 257 Anm. (1862); 126,
195 (1863). — BuTLEBOW u. Lobmann, Ann. 144, 40 (1867). — Kkiwaxin, Ztschr.
Chem. 1871, 265. — Ladenbübo, Ber. 16, 1407 (1883). — Chanraloff, Ann. 226,
326 (1884). — BoucHABDAT, Compt. rend. 100, 453 (1885). — Ström, Ann. 267,
191 Anm. (1891).
' Simpson, Ann. 112, 148 (1859); 113, 116 (1860). — Louben^, Ann. eh. [S-
67, 260 (1863). Ann. 114, 126 (1860). — Sghützenberoer u. Lippmann, Ann. 138, 325
(1865). — Ladenbxjbg u. Demole, Ber. 6, 1024 (1873). — Henby, Ber. 7, 70 (1874).
" L0UBEN90, Ann. eh. [3] 67, 284 (1863). — Henby, Ann. [4] 27, 250 (1872). -
Demole, Ber. 9, 48 (1876).
* Butleeow u. Ossokin, Ann. 144, 42 (1867). — Demüth u. V. Meyer, Ann.
266, 28 (1889). — Henby, Ber. 24o, 75 (1891).
^ Bebthelot, Ann. eh. [3] 41, 296 (1854) — Bsboül, Ann. Suppl. 1 233 (1861)
— L0ÜBEN90, Ann. 120, 91 (1861). — Buff, Ann. Suppl. 5, 249 (1867). — Hakbiot,
Ann. eh. [5] 17, 67 (1879). — Bioot, Ann. eh. [6] 22, 481 (1891).
® Berthelot u. de Luca, Ann. 101, 67 (1857). -— Vrlby, Chem. News 47, 89
(1883). — Fink, Monatsh. 8, 562 (1887).
Epihalogenhydrine, 617
|?-Monochlorhydrin» CHj(OH) • CHCl • CH»(OH) (Chlortrimethylenglykol)
oildet sich in kleiner Menge als Nebenprodukt beim Erhitzen von mit Clilorwasser-
rtoff gesSttigtem Glycerin auf 100^; es entstellt femer durch Addition von unter-
chloriger Säure an Allylalkohol, siedet unter 18 mm Druck bei 146® und besitzt bei 0®
das spec. Gew. 1*828.
Die inneren Anhydride der a-Halogenhydrine:
CH, ~ CH - CH,X
werden Epfhalogenhydrine genannt.
Epicblorhydrin' CH^-CH-CHjCl (Chlorpropylenoxyd) ist eines der Ein-
\)^
wiikungsprodukte von Phosphorpentachlorid auf Glycerin; es entsteht aus den beiden
isomeren Dicl^orhydrinen durch Behandlung mit Alkali:
CH,C1 . CHCl . CHa . 0H\ .Ov
= CHjClOT - CHj
- HCl
CH,C1CH(0H).CH,C^
and kann daher aus dem rohen gewöhnlichen Dichlorhydrin (s. S. 619) dargestellt
werden. Es ist ein farbloses, nach Aether und Chloroform riechendes Oel, siedet bei
118— 119^ besitzt bei 20® das spec. Gew. 1180 und ist in Wasser unlöslich. Es
gleicht dem Aethylenoxyd (vgl. S. 564) durch seine Neigung zu Additionsreactionen;
durch Erhitzen mit Wasser liefert es a-Monochlorhydrin; Chlorwasserstoff fixirt es in
energischer Reaction unter Bildung von a-Dichlorhydrin (vgl. S. 618); mit Säure-
Chloriden vereinigt es sich zu Dichlorhydrinestem:
CaHgCl: 0 + CICO.CH3 = CjHsCljO.COCH, ,
mit Alkyljodiden zu Chlorjodhydrinfither:
C,H5C1:0 + CHjJ = CsHjClJ.OCHs .
Epibromhydrin'* CsHjBrO siedet bei 138—1400 (spec. Gew. bei U^'a-eiö);
Epijodhydrin* CsHjJO siedet bei etwa 170« (spec. Gew. bei 13^:2.03).
Das dem gewöhnlichen Epichlorhydrin isomere ^-Epichlorhydrin'^
CH,«CHC1'CH2 (Chlortrimethylenoxyd) ist neuerdings erhalten, indem Allyl-
■ /
alkohol mit Chlorjod vereinigt, das Additionsprodukt mit Aetznatron behandelt wurde:
■
» Hknky, Ber. 5, 449 (1872). — Hanriot, Ann. eh. [5] 17, 73, 76 (1879). Bull.
32, 552 (1879).
* Berthelot, Ann. eh. [8] 41, 299 (1854). — Reboül, Ann. Suppl. 1, 221, 239
(1861), - LouREN^o, Ann. eh. [3] 67, 369 (1863). — Bupp, Ann. Suppl. 5, 251 (1867).
- DAÄMSTiiyrBB, Ann. 148, 119 (1868). — Truchot, Ann. 138, 297 (1866). — Tol-
i-Esa XL MttKDEB, Ztschr. Chem. 1871, 252. — Claus u. Stein, Ber. 10, 556 (1877).
^ Pbevobt, J. pr. [2] 12, 160 (1875). — Höbner u. Müller, Ann. 159, 184 (1871).
- Laupeb, Jb. 1876, 343. — Thorpe, Joum. Soc. 37, 206 (1880). — Silva, Compt.
rend. 98, 420 (1881). — R. Schiff, Ann. 220, 99 (1883). — Fauconnieb, Bull. 60,
213 (1888). Compt. rend. 107, 629 (1888). — Paal, Ber. 21, 2971 (1888). — Bigot,
Ann. eh. [6] 22, 434 (1891). — Bröhl, Ber. 24, 660 (1891). — ToRNOfi, ebenda, 2676.
*Bbrthelot u. de Luca, Ann. 101, 71 (1857). — Reboul, Ann. Suppl. 1, 227
m\). - LwNEMANN, Ann. 126, 310 (1863).
* Keboitl, Ann. Suppl. 1, 227 (1861).
"^ Bigot, Ann. eh. [6] 22, 460 (1891).
618 Dikcdogenhydrine
0x1 g Oii|J Grifv
GH + CU = CHCl = CHCl >0 + HJ .
I 11/
CHjOH CHjOH CH/
Das /^Epichlorhydrin entsteht in dieser Beaction neben Allylalkohol, gewöhnlichem
Epichlorhydrin und Epijodhydrinen; es siedet bei 132 — 134®, unterscheidet sich tod
dem gewöhnlichen Epichlorhydrin wesentlich dadurch, dass es beim Erhitzen mit an-
gesäuertem Wasser nicht verändert wird, und liefert, mit nascirendem Wasseistoff
behandelt, AUylalkohol.
Bihalogenhydrine des Glyeerins können in zwei Modificationen auftreten:
CH.Cl . CH(OH) . CHjCl CH,C1 • CHCl - CH,(OH)
Symmetr. Dichlorhydrin Unsymmetr. Dichlorhydrin
Dichlorisopropylalkohol Dichlorpropylalkohol.
Trotz zahlreicher Untersuchungen liegen die Isomerieverhältnisse der Dihalogen-
hydrine noch nicht ganz klar.
Man bezeichnet als a-Dichlorhydrin^ eine ölartige Flüssigkeit, welche den
Hauptbestandtheil des gewöhnlichen, durch Einwirkung von Salzsäure auf Glyoerm
erhältlichen Dichlorhydrins (s. S. 619) bildet, in reinem Zustand durch Addition von
Chlorwasserstoff an Epichlorhydrin gewonnen wird, bei 174 — 175® siedet, bei 19® du
spec. Gew. 1-367 besitzt und bei 19® in 9 Th. Wasser löslich ist Durch Oxydation
mit concentrirter Salpetersäure liefert es Chloressigsäure neben Chlordinitromethan.
Da es verschieden ist von dem durch Addition von Chlor an AUylalkohol entstehen-
den ^-Dichlorhydrin (s. S. 619), dem sicher die unsymmetrische Formel zukommt, so
liegt es nahe, dieses a-Dichlorhydrin als die symmetrisch constituirte Verbindung:
CH,Cl.CH(OH).CHjCl
zu betrachten. Bei dieser Auffassung ist indess die Thatsache, dass durch Ein-
wirkung von Natrium auf die ätherische IjÖsung des a-Dichlorhydrins AUylalkohol,
auf diejenige seines Essigsäureesters AUylacetat entsteht, befremdUch, immerhin aher
nicht unerklärUch; es könnte bei der Beaction zwischen Natrium und Dichlorhydrin
der AUylalkohol aus intermediär gebildetem Epichlorhydrin entstehen :
/\
CH,C1.CH(0H).CH,C1 -f Na = CH,.CHCH,C1 -f NaQ + H,
., - V..X CHjCl -f Na = CT, . C : CH, + NaCl + H ,
CIL + H, = CH,(OH).CH : CH, .
Diese Erklärung kann freilich auf die Bildung des AUylacetats aus dem Essigester des
Dichlorhydrins nicht angewendet werden ; allein es ist fraglich, ob nicht schon bei der
Einwirkung von Acetylchlorid auf «-Dichlorhydrin eine Umlagerung unter vorüber-
gehender Bildung von Epichlorhydrin stattfindet:
CIIjCl.CH(OH).CH,Cl-HCl = CH, • CH • CH,C1,
^ OCO-CHj
CHg^HCHjCl + ClCO-CHg = CHj-CHClCHjCl .
* Bebthelot, Ann. eh. [3] 41, 297 (1854). — Reboul, Ann. Suppl. 1, 225 (18611.
— Markownikopp, Ann. 208, 349 (1873). — Kelly, Ber. 11, 2222 (1878). — Tobsoe,
Ber. 21, 1285 (1888); 24, 2670 (1891). — Aschan, Ber. 23, 1831 (1890). - Bioor,
Ann. eh. [6] 22, 478 (1891).
CHj^bH.
CH, . C :
des Olycerifis. 619
pf-Dichlorhydrin* (AUjlalkoholchlorid) wird die Verbiudang genannt, welche
durch Addition von Chlor an Allylalkohol entsteht und demnach zweifellos die
Constitution des «-/^-Dichlorpropylalkohols CH,C1.CHC1CH,(0H) besitzt Sie entsteht
auch aus Allylchlorid durch Anlagerung von unterchloriger Säure, siedet bei 183°,
besitzt bei 11 '5° das spec. Gew. 1*868 und liefert durch Oxydation mit Salpeter-
säure a-j^-Dichlorpropionsäure.
Gewöhnliches Dichlorhydrin' wird ein Produkt genannt, welches direct
durch Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Glycerin erhalten wird. Meist operirt
man derart, dass ein Gemenge von Glycerin und Eisessig zu etwa gleichen Theilen
mit Chlorwasserstoffgas, zunächst in der Kälte, dann in der Wärme behandelt wird.
Aus dem so gewonnenen Produkt lässt sich nach dem Waschen mit Sodalösung durch
fractionirte Destillation «-Dichlorhydrin abscheiden; es enthält femer Acetochlor-
hydrin. Das gewöhnliche Dichlorhydrin dient zur Darstellung des Epichlorhydrins
(Vgl. S. 617), welch letzteres zur Gewinnung des reinen ce-Dichlorhydrins benutzt
wird (vgl. S. 618).
Für die Dibromhydrine liegen die Verhältnisse ganz analog, wie für die
Dichlorhydrine. a-Dibromhydrin* (wahrscheinlich CH,Br'CH(0H)-CH2Br) wird
aus Glycerin durch Einwirkung von Bromphosphor erhalten, siedet unter 38 mm Druck
bei 124®, besitzt bei 18® das spec. Gew. 2-11, giebt bei der Oxydation mit Salpeter-
säure Bromessigsäure und Bromdinitromethan, bei der Behandlung mit Natrium in
ätherischer Lösung Allylalkohol. — /9-Dibromhydrin* CH,Br.CHBr.CHj(OH) —
aus Allylalkohol und Brom — siedet bei 219®, besitzt bei 0® das spec. Gew. 2 «168
und giebt durch Oxydation a-j?-Dibrompropionsäure.
a-Dijodhydrin' (aus nt-Dichlorhydrin und Jodkalium) ist ein dickflüssiges Gel
vom spec. Gew. 2-4, das nicht unzersetzt destillirbar ist und bei -r 16® bis ~ 20®
krystallinisch erstarrt. — /?-Dijodhydrin® CH,J.CHJCHj(OH) — aus Allylalkohol
und Jod — stellt farblose Nadeln dar, schmilzt bei 45® unter Zersetzung, 'ist in
Alkohol und Aether leicht, in Wasser nicht löslich.
Ueber HalOgenhydrlne des Eiytrits ^ und MannitS ^ vgl. die Original-
literatur.
* ToLLENS, Ann. 156, 164 (1870). — Münder u. Tollens, Ztschr. Chem. 1871,
252. — HtTBMER u. MttLLER, Ann. 169, 179 (1871). — V. Geqeefeldt, Ann. 164, 247
11870). Ber. 6, 720 (1873). — Heney, Ber. 3, 352 (1870); 7, 413 (1874). — Wbrigo
u. Meukoff, Ber. 10, 1500 (1877). — TobnoS, Ber. 24, 2670 (1891).
* Reboul, Ann. Suppl. 1, 222 (1861). — Carius, Ann. 122, 78 (1862). — Hübneb
u. MCller, Ztschr. Chem. 1870, 344. Ann. 169, 170 (1871). — Watt, Ber. 6, 257 (1872).
- Claus, Kölver u. Nahmmacheb, Ann. 168, 43 (1873). — Markownikoff, Ann. 208,
358 (1873). — FoucoNNiEB u. Sanson, Bull. 48, 236 (1887). — Faüconnier, Bull. 60,
212 (1888).
' Bethelot u. de Luca, Ann. 101, 72 (1857). — Henry, Ann. 164, 369 Anm. (1870).
- ZoTTA, Ann. 174, 96 (1874). — Aschan, Ber. 21, 2890 (1888); 23, 1826, 1831 (1890).
* Markownikoff, Ztschr. Chem. 1864, 68. — Tollens, Ann. 166, 166 (1870).
- MtlNDKR u. Tollens, Ann. 167, 224 (1873). — Weoer, Ann. 221, 83 (1883). — Fink,
Moaatsh. 8, 561 (1887).
^ Claus u. Nahmmacheb, Ann. 168, 21 (1873).
* Hübner u. Lellmann, Ber. 14, 207 (1881).
' LuFNES, Ann. eh. [4] 2, 385 (1864). — Champion, Compt rend. 73, 114, (1871).
- Pkztbytek, Ber. 17, 1091 (1884). — Henninoer, Ann. eh. [6] 7, 209 (1886).
* Bouchardat, Ann- eh. [5] 6, 113 (1875). — Fauconnier, Bull. 41, 121, 123 (1884).
- Vgl. auch Griner, Ann. eh. [6] 26, 378 (1892).
620 Dichlor- u. TriMor-äthylalkohoL Trichlor-fropyl-, -btUyl- tk an^UoKkdkd.
Halogensubstitutionsprodukte der Alkohole, welche an ein
Eohlenstoffatom mehrere Halogenatome gebunden enthalten.
Halogenderivate der Alkohole, in deren Molecül ein Kohlenstoffiitom
mit mehreren Halogenatomen beladen ist, sind aus den entsprechenden
halogenirten Aldehyden durch Einwirkung yon Zinkalkylen gewonnen ^
Der Verlauf der Keaction hängt von der Natur des angewendeten Zink-
radicals ab; bei Anwendung Yon Zinkmethyl findet — ganz analog ine
bei der Einwirkung auf halogenfreie Aldehyde (vgl. S. 145) — die Syn-
these eines secundären Alkohols statt:
yCH,
CCla-CHO + ZnCCHs), = CC1,.CH<
N).Zn.CHa ,
CC1,.Ch/ ' + H,0 = CCl8.CH< '+ ZnO V CH4 .
Zinkäthyl dagegen und seine Homologen vereinigen sich mit dem halo-
genirten Aldehyd unter Abspaltung von Alkylenen zu Zinkverbindnngen
des entsprechenden primären Alkohols, aus denen letzterer bei der Zer-
setzung mit Wasser in Freiheit gesetzt wird; sie wirken mithin alsBe-
ductionsmittel:
CClj.CHO -f ZnCCA), = CCls-CHiOZnCÄ + C,H4,
CCla-CHsOZnCsHs ■♦- H,0 = CCls.CHo.OH + ZnO + aHe .
BiehlorSthylalkoliol CHCU-CHtCOH) (aus Dichloracetaldehyd und Zink
äthyl) ist eine farblose, dicke Flüssigkeit, siedet unzeisetzt bei 146^, besitzt bei 15''
das spec. Gew. 1-145 und ist in Wasser wenig löslich. — Trielilorllthylalkeb«!
CClgCHgCOH) (aus Chloral [Trichloracetaldehyd] und Zinkäthyl) krystaUisirt in
rhombischen Tafeln, schmilzt bei 17*8^, siedet bei 151^, riecht angenehm ätherisch
und ist in Wasser wenig löslich.
Triehlorisopropylalkohol CC1,-CH(0H)-CH, (aus Chloral und Zinkmethrli
krystaUisirt in kleinen farblosen Nadeln, schmilzt bei 49-2^, sublimirt schon bei ge-
wöhnlicher Temperatur, siedet zwischen 150 u. 160^ und riecht campherfihnlicb.
Aus Butylchloral CgH^Clj-CHO (vgl. Kap. 33) ist durch Einwirkung von Zink-
fithyl ein primärer Triehlorbutylalkohol CsH^Clg • CH2(0H) (Schmelzpunkt 62«), von
Zinkmethyl ein secundärer Trichloramylalkohol CgH^Clg • CH(OH) • CH, (Schmelz-
punkt 50 «5**) gewonnen.
Trichloräthylalkohol und Triehlorbutylalkohol — die Reductionsprodokte des
Chorals und Butylchlorals — entstehen auch bei Einnahme letzterer VerbindougeD
im Körper; man findet sie im Urin in Form gepaarter Säuren („UrochloralBäare
CgHuCIjOy")) welche durch Kochen mit verdünnten Mineralsäuren in Glykuronsäare
CjHjqO, und die halogenirten Alkohole zerfallen*:
CeHnCljOy + HsO = CeHioO, + CsHaCljO .
1 Gazzaboili-Tübklaokh, Ann. 210, 63 (1881); 213, 869 (1882); 223, 149(1884..
— Gazzarolu-Türnlackh u. Popper, Ann. 223, 166 (1884). — de Lagre, Comptrend.
104, 1184 (1887). Bull. 48, 708, 784 (1887).
> V. Merino, Ber. 15, 1019 (1882). Ztschr. f. physiol. Chemie, 6, 487 (1882X
Halogetiderivate von Sulfiden etc. 621
Halogenderivate der Mercaptane und anderer Schwefel-
verbindungen ^
Das Ferchlorraethylinereaptaii OCl,-SCiiind die OhlerderlTate der Methjrl-
sttlfosSüre sind bereits im Zosammenhaog mit ihren Stammkörpem besprochen;
vgl. S. 215, 223—224.
Erwähnenswerth wegen ihrer physiologischen Wirkung sind femer die Chlor-
üerivate des Aethylsulflds*. Symmetrisches /^-Dichloräthylsalfid (CH,C1*
CHj)gS (ThiodiglykolchloridX welches aas Thioglykol (vgl. S. 577) durch Einwirkung
von Pho8phortrichlorid entsteht, ein mit Wasser nicht mischbares, in der Kälte er-
starrendes Gel darstellt und bei 217^ siedet, ist ein äusserst giftiger Körper und be-
merkenswerth als starker, nicht organisirter Entzündungserreger; selbst seine
verdünnten Losungen bringen auf der Haut andauernd eiternde Entzündungen hervor;
winzige Mengen seines Dampfes bewirken bei Kaninchen starke Entzündungs-
erscheinuDgen und schliesslich den Tod durch Pneumonie. MonochlorSthylsulfid
C4H5 • S • CHg • CHjCl — ein bei 157° siedendes Oel, durch die Reactionen:
CASK + Cl.CHj.CH,{OH) = C,H5.S.CH,.CH,(0H) + KCl,
3C,H5.S.CH,.CHj(0H) -h PCI, = SCÄ-SCH^CHjCl + P(OH)a
darstellbar — übt ähnliche, aber schwächere Wirkungen aus, während das Aethyl-
sulfid selbst ganz indifiPerent ist Die physiologische Wirkung ist demnach allein vom
Chlorgehalt abhängig.
Halogenderivate des Aethyldisulfids' entstehen durch Einwirkung von
Aethylen auf Chlorschwefel {vgl. S. 445):
2CHj:CH8 + SjClj = (ClCHg • CH,)8S, .
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Hehrwerthige Nitro- und Amido-Verbindungeii. Verbindun-
gen, welche neben Nitro- bezw. Amidogruppen Halogenatome
oder Hydroxylgruppen enthalten.
Mehrwerthige Nitroverbindungen.
Binitroderivate der Grenzkolilenwasserstoffe. Von Dinitroverbindungen,
deren Nitrogruppen an zwei verschiedenen Rohlenstoffatomen haften^,
ist bisher nur das aus Trimethylenjodid durch Einwirkung von Silbemitrit erhältliche
cüü'-DinitropropanCH3(NOj).CHsCH,(NOj)(l-3-Dinitropropan*) bekannt. Es ist ein
^ Vgl. SpaiNQ und Winssinoer, Ber. 15, 445 (1882); 16, 826 (1883); 17, 537
im4). — Spriwo u. Lecbenibb, Bull. 48, 623 (1887).
' V. Mbyeh, Ber. 19, 8260 (1886); 20, 1729 (1887). — Demüth u. V. Meyer^
Ann. 240, 810 (1887).
' GuTHKiE, Ann. 119, 90 (1861); 121, 108 (1862). — Spring u. Lecbexier, Bull«
«, 629 (1887).
* Keppler u. V. Meyer, Ber. 25, 1709, 2638 (1892).
* Vom Genfer Nomenclatur-Congress (1892) ist die Bezeichnung der Sub-
^^entenstellang durch Ziffern anstatt der bisher gebräuchlicheren Bezeichnung durch
grieehische Buchstaben (vgl. S. 535) angenommen worden. Näheres vgl. in dem
Anhang am Schluss von Band I.
622 Dinitroderivtxte der
leicht Terharzeudes, höchst unbeständiges, weder bei Luftdruck noch im Vacuum
destillirbares Oel.
Im Gegensatz dazu sind die in grösserer Zahl bekannten Dinitroyerbindungen,
deren beide Nitrogruppen am gleichen Kohlenstoffatom haften, beständige,
unzersetzt destillirbare Körper. Man gelangt zu ihnen durch folgende Reactionen.
Primäre Dinitro Verbindungen der allgemeinen Formel CnH2n+i'CH(N0Jj er-
hält man durch Einwirkung von Salpetersäure' auf Ketone (vgl. S. 410), z. B. Di-
nitropropan CaHg • CH(N02)2 aus Butyron (C,H0*CH,),CO; wendet man gemischte
Ketone an, so entsteht die Dinitroverbindung des complexeren Badicals, z. B. Di-
nitropropan aus Methylpropylketon CHg • CO • CH, • C1H5 ; aus alkylsubstituirten Acete^ig-
estem OHs-OO-CH-COs-CsHs erhält man daher durch Behandlung mit Salpetersäure
I
CnH2n+l
Dinitroverbindungen CnH2n+iCH(NO,)8 , z. B. Dinitroäthan CHgCH(NO,), aus
Methylacetessigester CHg-C0.CH(CH,).C0,.C,H6; ebenso entstehen Dinitrokohleji-
' Wasserstoffe durch Behandlung der secundären Alkohole mit Salpetersäure, z. B. Di-
nitrobutan CsH^ • CH(NOj), aus secundärem Hexylalkohol CHgCH(OH).CH,.C,H:.
Von grösserer Wichtigkeit für die Beurtheilung der Constitution dieser Ver-
bindungen ist die glatte Bildung ihrer Kalisalze aus den Monobromderivaten der
primären Mononitroparaf&ne (vgl. S. 256) durch Einwirkung von Kaliumnitrit bei
Gegenwart von Kali*:
CHg.CHBKNOj) 4- KNO, + KOH = CH,.CK(NO,), 4- KBr -f H,0 .
/NO,
Secundäre Dinitroverbindungen, wie {C^^^(X. , bilden sich durch Oxv-
^NO,
dation der Pseudonitrole' (vgl. S. 258—269):
(CH,),C/
NO ,N0,
^ (CH,),C/
NO, " \nO, *
Die Oxydation erfolgt unter dem Einfluss von Chromsäure, tritt aber auch schon beim
Erwärmen der Pseudonitrole für sich ein, indem ein Theil unter Abgabe von Stick-
ozyden zersetzt wird, welch letztere auf den unzersetzten Theil oxydirend wirken.
Die Bildung von secundärem Dinitropropan ist femer bei der Behandlung von läo-
propylessigsäure (CHa),CH • CH, • CO,H und Isobuttersäure (CH8)8CH • CO,H mit Salpeter
säure beobachtet^.
Wie auf Grund der im Vorstehenden angenommenen Constitutionsfbrmeln er-
wartet- werden muss,. unterscheiden sich primäre und secundäre Dinitro verbindongeu
in ihrem chemischen Charakter sehr wesentlich. Die primären Verbindungen siud,
da sie in der Wirkungssphäre der Nitrogruppen noch ein an Kohlenstoff gebundenes
Wasserstoffätom aufweisen, Säuren, welche wohlcharakterisirte. gut krystallisirbare
Salze wie CH3-CK(N0,)a bilden und sich daher in wässrigen Alkalien lösen. Die
secundären Verbindungen dagegen sind indifferent.
Sehr auffallend ist das Verhalten der Dinitroverbindungen, deren Nitrogruppen
an einem und demselben Kohlenstoffätom haften, bei der Reduction; man erhält
nicht, wie man erwarten könnte, die entsprechenden Diamido Verbindungen. Vielmehr
> CuAUCEL, Compt. rend. 86, 1405 (1878); 94, 399 (1882); 96, 1466 (.1883); 99,
1053 (1884); 100, 601 (1885). — Kubtz, Ann. 161, 208 (1872).
* TER Meer, Ann. 181, 1 (1876). >- Züblin, Ber. 10, 2085, 2087 (1877).
* V. Meyer u. Locher, Ann. 180, 147 (1875). — V. Meyer, Lecco u. Fobstw,
Ber. 9, 702 (1876).
* Bredt, Ber. 16, 2822 (1882).
Qrenzkoklenwasserstoffe. Nitroform etc. 623
nrd bei der Reduction mit Zinn und Salzsäure der Stickstoff vollstfindig abgespalten,
md es entsteht aus den seeundären Verbindungen einerseits Hydroxylamin, anderer-
eita das entsprechende Keton, z. B. Aceton aus (CH,),C(N09)9; aus den pri-
nSren Verbindungen entsteht einerseits HydroxjUmin und Ammoniak, andererseits die
altsprechende Fettsäure, z. B. Essigsäure aus Dinitroäthan (vielleicht bildet sich in
liesem Fall zunächst ein Aldehyd, welcher im Entstehungszustand durch Hjdrozji-
unin m Essigsäure ozjdirt wird).
Dies Verhalten kann die Auffassung der fraglichen Verbindungen als wahrer
Dinitroverbindungen zweifelhaft erscheinen lassen; die seeundären sogenannten Di-
nitro Verbindungen ^ konnten vielleicht die Gruppe
\ V
>C = N - 0-NO,
(vgl. S. 259 über die Constitution der Pseudonitrole) enthalten, die primären Ver-
bindungen Salpetersäureester der Hydroxamsäuren (vgl. S. 379) mit der Gruppe
/OH
X sein.
-C=N-O.N08
6}, -Dinitroäthan CH,*CH(N02)fl (1.1 -Dinitroäthan) ist ein farbloses, in
Wasser schwer lösliches Oel von schwach alkoholischem Geruch, siedet bei 185 — 186^
und besitzt bei 28* 5® das spec. Gew. 1-350. Das Kaliumsalz bildet reingelbe Rry-
stalle, löst sich in 19-4 Tb. Wasser von 12^ und explodirt schon bei leisem Schlag
sehr heftig.
Primäres Dinitropropan C^H^ • CH(NOs)s (6)|-Dinitropropan, 1. 1-Dinitro-
propan) iat flüssig, siedet bei 189^ und besitzt bei 22*5° das spec. Gew. 1*258. —
Secundäres Dinitropropan (CH9),C(N0s)9 (nr,- Dinitropropan, 2 • 2-Dinitropropan)
bildet weisse, campherähnliche Krystalle, schmilzt bei 53 ^ siedet bei 185-5®, ist mit
Wasserdämpfen sehr leicht flüchtig, verdampft schon bei gewöhnlicher Temperatur
rasch und löst sich in Wasser nur sehr wenig. — oiai'- Dinitropropan CH,(NO,)-
CH)'CH,(N09)(1 .3- Dinitropropan) ist, wie schon S. 621— 622 hervorgehoben wurde, sehr
onbeständig und nicht destillirbar; es kann in Form seines Natriumsalzes C,H5(N0,)tNa
— ein weisses, beim Erhitzen heftig explodirendes Pulver — und der durch Ein-
wirkung von aromatischen Diazoverbindungen entstehenden krjstallisirbaren Azo-
derivate isolirt werden, liefert bei der Behandlung mit Brom in alkalischer Lösung
ein Tetrabromderivat CBr,NOs*CH,«CBr,NOs, bei der Reduction mit Natriumamalgam
m essigsaurer Lösung neben viel Ammoniak auch Trimethylendiamin.
Primäres Dinitrobutan: C,HfiCH,CH(NO,), (1.1-Dinitrobutan) siedet
unter theilweiser Zersetzung gegen 197®; spec Gew. bei 15®: 1-205; sein Kaliumsalz
ist nicht explosiv. — Secundäres Dinitrobutan CjHs • C(NO,), • GH, (2.2-Dinitro-
batan) ist ebenfieJls flüssig und siedet unter geringer Zersetzung bei 199®.
Trinitromethan ' CH(NO,)s (Kitroform) entsteht als Ammoniumsalz (gelbe, in
V^aaser lösliche Krystalle) bei der Einwirkung von Wasser oder Alkohol auf Tri-
nitroacetonitril:
(NO,),C.CN -f 2H,0 - (N0,),C.C0.0.NH4
= (N0,)8C.NH4 + C0, ;
* Vgl. R. Scholl, Ber. 23, 3494 (1890).
' ScHiscHKow, Ann. 101, 216 (1856); 103, 364 (1857); 119, 247 (1861). —
V- Meybr, Ber. 7, 1744 (1874). — V. Meyer u. Locher, Ann. 180, 172 (1875).
624 HcUogennitroverbmdungen.
bei seiner Darstellung muss man mit grosster Vorsicht verfahren; wenn die Ze^
Setzung des Trinitroacetonitrils durch Kochen mit Wasser in der Begel anch rtihig
verläuft, so wurde doch einmal bei Verarbeitimg von nicht mehr als 7 g unter an-
scheinend den gewöhnlichen Bedingungen im Züricher Laboratorium eine fiooBent
heftige Explosion beobachtet Dfut freie Nitroform ist farblos, erstarrt unterhalb + 15',
riecht sehr unangenehm, schmeckt bitter, ist im Wasser ziemlich leicht mit dunkel-
c^elber Farbe löslich und ezplodirt bei raschem Erhitzen heftig. Mit Brom im Somieii-
licht behandelt, liefert es Bromtrinitromethan CBr(N09),.
TrinitroSthan ^ C,H8(NO,)8 — eine bei 55— 56<^ schmelzende, ausserordentUch
leicht flüchtige Substanz — ist aus Methylmalonsäure CH, -011(00,11), durch Be-
handlung mit Salpetersäure erhalten worden.
Tetranitromethan' 0(N0,)4 entsteht aus Nitroform durch Nitrirung mit Sal-
peterschwefelsäure und stellt eine farblose, leicht bewegliche, in Wasser unlösliche
Flüssigkeit dar, die bei +18® krystallinisch erstarrt Merkwürdigerweise ist es be-
ständiger als Nitroform, es siedet unzersetzt bei 126®.
Halogennitro verbin düngen.
Halogennitroderivate des Methans entstehen häufig aus complexeren
Kohlenstoffverbindungen durch Spaltung, wenn Halogenverbindungen mit
starker Salpetersäure oder Nitroverbindungen mit halogenirenden Agentien behandelt
werden. So bildet sich Dichlordinitromethan' 001,(N0,)j| — ein zu TfaiÄncn
reizendes, mit Wasserdämpfen flüchtiges Oel, das bei 15® das spec. Gew. 1-685 zeigt,
— bei der Destillation von Naphtalintetracfalorid mit concentrirter Salpetenäore.
Bromdinitromethan^ 0HBr(N02)a ist aus Dibromcampher und a-Dibromhydrin
CH,Br.CH(0H).0H,Br (vgl. S. 619), Dibromdinitromethan* CBr,(N0,), aus Tri-
bromanilin und anderen aromatischen Bromverbindungen, femer aus Aethylenbromid
durch Behandlung mit Salpetersäure erhalten worden ; beide Verbindungen sind stechend
riechende, nicht unzersetzt destillirbare Oele und geben mit alkoholischem Kali das
gleiche Kaliumsalz 0ElBr(N02),, welches grosse hellgelbe Krystalle bildet, in warmem
Wasser leicht löslich ist und beim Erhitzen explodirt — Die Trihalogenderivate
des Nitro meth ans bilden sich zuweilen bei dem Zerfall aromatischer Nitro-
verbindungen unter der Einwirkung von chlorirenden bezw. bromirenden Agentien
und werden gewöhnlich aus Pikrinsäure (Trinitrophenol) durch Behandlung mit Chlor-
kalk bezw. Bromkalk gewonnen. Trichlornitromethan oder Ohlorpikrin*
COlg'NO, — eine bewegliche Flüssigkeit, welche bei 112® siedet und bei 0® das
spec. Gew. 1 • 692 besitzt, — riecht äusserst stechend und übt heftig reizende Wirkungen
auf Augen und Schleimhäute aus; seiner Bildung durch Nitriren von Ohloroform ist
schon gedacht (S. 540), ebenso seines Uebergangs in Methylamin (S. 242) durch Re-
* Franchimont, Rec. trav. chim. 5, .281 (1886).
* SoHiscHKOw, Ann. 119, 248 (1861).
' Marignac, Ann. 38, 16 (1841). — Losanttsch, Ber. 17, 849 (1884). — Baschiq,
Ber. 18, 8327 (1885).
*• Kachler u. SprrzEB, Monatsh. 4, 558 (1883). — Aschan, Ber. 23, 1828(1890).
* Losanttsch, Ber. 15, 472 (1872); 16, 51, 2730 (1883); 17, 848 (1884). — Vgl.
femer Villiers, Bull. 37, 451 (1882); 41, 282 (1884); 43, 322 (1885). Compt rend.
07, 258 (1883).
* Stenhouse, Ann. 68, 241 (1848). — Geisse, Ann. 100, 282 (1859). — Kbkulä,
Ann. 101, 212 (1856); 106, 144 Anm. (1858). — A. W. Hopmann, Ann. 139, 111
(1866). — Mills, Ann. 160, 117 (1871). — Cossa, Jb. 1872, 298. — Thorpe, Joum.
Soc. 37, 198 (1880). — de Fororand, Ann. eh. [5] 28, 23 (1883). — Bj^schio, Ber. 18,
8326 (1885). — Lew u. Jedligka, Ann. 240, 86 (1888).
NitroäthylcdkohoL 625
iuction mit Eisen und Essigsfinre. Brompikrin^ CBr3(N0t) ist eine dem Chlor-
tikrin ähnliche Flüssigkeit, erstarrt in der Kälte za prismatischen Krystallen, die
lei +10*^ schmelzen, siedet unter 118 mm Druck bei 127^ und besitzt bei 12*5^ das
pec. Gew. 2-811.
In ganz anderer Weise ist Jodnitromethan' CH^JCNOs) erhalten worden;
is entsteht aus ^Methjlenjodid durch Einwirkung von Silbemitrit, auch wenn letzteres
m Ueberschuss angewendet wird, stellt ein Oel von stechendem Geruch dar, das
>ald Jod abscheidet, bildet ein Natriumsalz CHJ(N02)Na — ein weisses, beim Er-
litzen explodirendes Pulver — und krystaUisirbare aromatische Azoderivate.
Es ist hier femer an die durch Einwirkung von Chlor und Brom auf
die Alkalisalze der Nitroparaffine entstehenden Verbindungen' zu er-
innern, deren Bildung und Verhalten gegen Alkalien schon S. 256 besprochen ist.
Bromnitroäthan CHa-CHBrNOj ist eine bei 146—147°, Dibromnitro-
äthan GH, • CBrj(NOj) eine bei 162— 164 <* siedende, stechend riechende Flüssigkeit
Bromdinitro Verbindungen^ entstehen aus den Alkalisalzen der primären
Dinitroverbindungen durch Einwirkung von Brom ;Bromdinitroisobutan (CH,),CH •
CBt (NOg)« bildet eine farblose, glasglänzende Masse von stechendem Geruch und
schmilzt bei 38 ^
Nitrohydroxylverbindungen. -
Der NitroXthylalkohoP CH,(N02) CH^COH) ist bisher das einzige Beispiel für das
gleichzeitige Vorkommen von Nitrogruppen und alkoholischen Hydroxylgruppen in
aliphatischen Verbindungen. Er ist durch Einwirkung von Glykoljodhydrin CHaJ-
CH^lOH) (S. 616) auf Silbemitrit erhalten und ist hauptsächlich durch sein in Alkohol
nicht, in Wasser leicht losliches, beim Erwärmen lebhaft verpuffendes, weisses Natriumsalz
CHNa(NOj)»CHj(OH) und durch die krystallisirbaren Azo Verbindungen, wie C^Hj-N:
N-CH(N02)*CH2(0H), charakterisirt , welche durch die Einwirkung von aromatischen
Diazoverbindungen auf die Lösung des Natriumsalzes entstehen. Im Uebrigen ist er zu
glatten Beactionen wenig befähigt; weder gelang die Ueberführung in Amidoäthyl-
alkohol durch Beduction, noch konnten Ester in reinem Zustand gewonnen werden.
AuB der wässrigen Losung des Natriumsalzes durch Schwefelsäure abgeschieden und
darauf mit Aether ausgeschüttelt, erhält man den Nitroäthylalkohol als schwach gelb-
liches, in Wasser lösliches Oel vom spec. Gew. 1-169 bei 19-4°, welches sich beim
Erhitzen — auch im Vacuum — zersetzt.
Mehrwerthige Amine.
Entstehungsweisen. Zur Gewinnung der den Glykolen ent-
sprechenden Diamine sind die folgenden Eeactionen benutzt worden,
die sämmtlich Modificationen der schon bei den einwerthigen Aminen
besprochenen Methoden dai-stellen:
1 ii.
Stenhoüse, Ann. 91, 307 (1854). — Bolas u. Groves, Ann. 156, 253 (1870). —
V. Mbyeb u. Tsgheskiak, Ann. 180, 122 (1876). — ' Lew u. Jedlicka, Ann. 240,
85 (1888).
' V. Meter, Ber. 24, 4244 (1891). — Russanow, Her. 25, 2635 (1892).
• Vgl. V. Meyee, Ann. 171, 49 (1873). Ber. 7, 1313 (1874). — Tscherniak,
B«- 8, 009 (1875). — V. Meyer u. Tscherniak, Ann. 180, 112, 123 (1876). — Züblin,
^. 10, 2085 (1877). — Bewad, Ber. 24, 974 (1891).
* ZüBUN, Ber. 10, 2086, 2088 (1877).
' Dkmuth u. V. Meyer, Ann. 256, 28 (1889).
^- Kbykr u. Jaoobson, org. Chem. I. 40
626 Mehrwerthige Amine (Bntstehwig^weisen
1) Einwirkung von Dibalogenderivaten, deren Halogen-
atome an verschiedenem Eohlenstoffatomen haften, auf Ammo-
niak ^ (vgl. S. 229 ff.), z. B.:
CH,Br.CH,.CH,Br + 2NH3 = CH^NH,).CH,.CH,(NH,).2HBr .
»
Neben den primären Diaminen bilden sich auch hier secundäre und ter-
tiäre Verbindungen*; sie besitzen zum Theil ringförmige Atomgnippirung,
wie das aus Aethylenbromid entstehende Diäthjlendiamin:
CHji CH2
CHg CHji
dessen nähere Besprechung daher erst unter den heterocyclischen Ver-
bindungen (Band ET) folgen wird; zum Theil sind diese Nebenprodukte den
Polyäthylenalkoholen (S. 567) analog constituirt, so die in der gleichen
Eeaction auftretenden Basen:
/CH,-CH,~NH, CH,- NH • CH, . CH, • NH,
NH<; f
\CHj— CH,-NHj CH4-NH . CH, . CH, - NH,
Difithylentriamin Triäthylentetramin
Die Reaction verläuft in Bezug auf die Bildung des primären Diamins
günstiger, wenn man einen erheblichen Ueberschuss an Ammoniak an-
wendet'.
2) Eeduction der Nitrile zweibasischer Säuren mit Natrium
in alkoholischer Lösung* (vgl. S. 234):
CH,-CN CH,— CH^NH^
I 4-8H = I
CH,-CN CH,-CH,.NH,
3) Reduction der Oxime^ bezw. Hydrazone^ von Diketonen
oder Dialdehyden (vgl. S. 234—235):
CH,.CH:NOH CH,.CH,.NH,
I +8H= I -H2H,0;
CHjCHiNOH CH,.CH,.NH,
* Vgl. Galbwskt, Her. 23, 1066 (1890).
» Vgl. A. W. HoFMAKN, Jb. 1861, 5U, 519. Ber. 3, 762 (1870); 23, 8299, 3711
(1890). — Strache, Ber. 21, 2359, 2864 (1888).
^ Kbaüt, Rhoüssopülos u. f. Meyeb, Ann. 212, 251 (1882). ~ £. Fisgheb n.
H. Koch, Ber. 17, 1799 (1884). — Lellmank u. Wübthneb, Ann. 228, 226 (1885).
* Ladenbubo, Ber. 18, 2957 (1885); 19, 780 (1886). — Phookan u. Kkafft, Ber.
25, 2258 (1892).
* CiAMiciAN u. Zanetti, Bcr. 22, 1970, 3178 (1889); 83, 1790 (1890). — Anokj.
Ber. 23, 1857 (1890).
» Tafel, Ber. 22, 1858 (1889). — Tafel u. Neüoebauer, Ber. 23, 1545 (18901
und Charakteristik), 627
I I
CH.C : NNH-CeH» CH,CH.NH,
I 4-8H= I +2NH2.CeH5.
CH,.C:NNH.CeHg CHj-CHNH,
I I
CHj CHj
Bei der Eeduction der Nitrile und Hjdrazone erhält man neben den
primären Diaminen durch Ammoniakabspaltung die entsprechenden
,,Imine" (s. S. 628), z. B. aus Trimethylencyanid das Piperidin:
<CH) — CHj\
>NH,
CH,-CH/
aus dem Hydrazon des Acetonylacetons CHj-CO-CHj.CHj-CO-CHj (vgl.
oben die Gleichung) ein Dimethylpyrrolidin :
/CHg
I >NH.
Den Acetalen entsprechende Stickstoffverbindungen bilden sich durch
Einwirkung von secundftren Aminen auf Oxymethylen ^ (8. 400):
CH,0 4- 2NTI(C,H5), = H,0 4- CH^iNCC^H»),!, ,
durch Einwirkung von 8änreamiden auf Formaldehyd oder von Quecksilberverbindungen
der Sflureamide auf Trithioformaldehyd> (8. 423):
(CHjS), 4- SHgCNH.COCHs), = SCHjCNHCOCHj), 4- 3Hg8 .
Von physiologischem Interesse ist das Auftreten einiger primären
Diamine (Tetramethylen- und Pentamethylendiamin) bei der Fäulniss
von Fleisch und in den Dejectionen gewisser Kranken'.
Charakteristik. Die primären Diamine sind farblose, flüssige oder
leicht schmelzbare Verbindungen von starkem, theils an Ammoniak theils
an Piperidin erinnernden Geruch, rauchen an feuchter Luft schwach,
ziehen rasch Kohlensäure an und lösen sich in Wasser leicht. Sie
sind starke, zweisäurige Basen und neutralisiren die stärksten Säuren.
Zum Wasser besitzen sie grosse Affinität; einige bilden constant siedende
Hydrate (vgl. Aethylendiamin, S. 629), aus denen die wasserfreie Base
erst durch wiederholte Destillation über metallischem Natrium oder durch
mehrstündiges Erhitzen mit frisch geschmolzenem Aetznatron abgeschieden
wird*, — eine Erscheinung, welche durchaus dem Verhalten des viel
später aufgefundenen, einfachsten, anorganischen Diamids NH^-NH^ ent-
spricht
^ KoLOTow, Ber. I80, 613 (1885). — Ehrsnberq, J. pr. [2] 86, 118 (1887). —
' PDLVfiRXACHKR, Ber. 25, 804 (1892).
' Brieoeb-Ladknbüro. Ber. 19, 2585 (1886); 20, 2216 (1887). — v. Udbanbkt
D. Bauhahk, Ber. 21, 2746, 2988 (1888). — Roos, Ztschr. f. physiol. Obern. 16,
192 (1892).
* Vgl. auch A. W. Hopmann, Ber. 6, 309 (1878).
40*
1
628 Imine.
Von ihrem chemischen Verhalten ist als wichtig hervorzuheben die
Zersetzung, welche ihre Chlorhydrate beim Erhitzen erleidend Unter
Abspaltung von Salmiak bilden sich die in ihrer Constitution den Alkylen-
Oxyden vergleichbaren yylmine^S z. B. :
CHj— CHj . NHj . HCl CHj — CHj\
I = NH^ClH- I >NH.HC1.
CHj-CH, . NHg . HCl CH,— CH/
Diese Reaction erfolgt sehr glatt beim Pentamethylendiamin, das einen
sechsgliedrigen Ring:
/CHg — CHjv
CHa< >NH (Piperidin)
^CHj-CH/
liefert, etwas schwieriger beim Tetramethylendiamin, dessen Umwandlungs-
produkt (Pyrrolidin, s. oben die Gleichung) einen fünfgliedrigen Bing
enthält; die Entstehung des viergliedrigen Trimethylenimins
CH,< >NH
\CH/
aus Trimethylendiamin ist von der Bildung complexerer Verbindungen
(Pikoline) begleitet; unter den Zersetzungsprodukten des salzsaureu
Aethylendiamins* endlich findet man das Aethylenimin | }NH
CH,/
überhaupt nicht mehr — ofltenbar, weil der dreigliedrige Ring eine un-
beständige Atomgruppirung darstellt (vgl. S. 565, 570), wohl aber das
einen sechsgliedrigen Ring aufweisende Diäthylendiamin:
/CHj • CHjv
NH< >NH .
NCH^.CH,/
Ob das dem Aethylenoxyd entsprechende Aethylenimin existenzfähig ist,
ist noch eine offene Frage; es wäre nicht unmöglich, dass die aus
Bromäthylamin durch Bromwasserstoflfabspaltung entstehende, S. 478 als
Vinylamin besprochene Base als Aethylenimin anzusprechen ist; ihi-e
Entstehungsweise, besonders aber ihr Verhalten würde sich dieser Auf-
fassung sehr gut anpassen.
Sehr bemerkenswerth ist, dass das durch Reduction von Sebacin-
säurenitril erhältliche Dekamethylendiamin NH3-(CHj)ioNH2 beim Er-
hitzen seines salzsauren Salzes eine secundäre Base C^^N^^N hefert,
welche höchstwahrscheinlich die Constitution des Dekametiiylenimins:
^ Ladekbüso, Ber. 18, 3100 (1885); 20, 442 (1887). — Ladenbubg u. Sebbcr,
Ber, 23, 2727 (1890). — Tafel u. Neuoebauer, Ber. 23, 1546 (1890). — Phookax
u. K&APFT, Ber. 25, 2254 (1892).
' Ladenburq u. Abel, Ber. 21, 758 (1888). — Majebt u. ScHMnyr, Ber. 28, 8721
(1890). — A. W. Hopmann, ebenda, 3725. — Ladenburo, ebenda, 8740.
Aetliylendiamin, Trintethylenäiamtn, IHmethylenimin.
CH,-CH,.CH,.CH,-CH,.
I >NH
CHj ■ CH, ■ CH, - CH, ■ CH/
besitzt, mithin einen elfgliedrigen ßing in ihrem Moleeül enth
För die Abscheidung und den NacbweiB der DiAmine — »dmentli
logisch -chemischen UnteiauchuDgen — ist das folgende Verhalten wie]
man die wKserigc LöBung mit Natronlauge und Benzojichlorid C(Hg-C(
die Diamioe selbst aus Susserat verdünnten Losungen in Form ihrer i
löslicbeo, aus Weingeist gut kiyatalliairbaren Dibenzo^lverbindangen, ^
CO-C,H,)„ niedergeschlagen'.
Einzelne Olleder.
Aetbrlenilamlii' NH,-CH,-CH,-NH, riecht schwach ammoniaka
ätzend, schmilzt bei -f- B-5°, siedet bei 116'5°, bedtzt bei 15° das spe
uod i»t in Wasser leicht löslich, mit Benzol und Aether nicht mischbar.
C,H,(NH,),.H,0 schmilzt bei 4- 10* siedet bei HS" und besitzt bei
Gew. 0-970; der DanpfdichtebeBtimmuDg zufolge siedet es unter I
Aetfaflendianiin und Wasser. Mit EesigsSureanhydrid liefert das Aeth;
Diacetjlverbindung C,H4(NH'C0'CH,), CSchmelzpunkt 172°), welch
Erhitzen über ihren Schmelzpunkt tbeilweise in das essigsaure Salz dt
CH, N.
ÄClhylendiamins | >C-CH, — einer bei 88° schmelzenden,
ch,-nh/
siedenden, in Wasser und Alkohol leicht, in Aether nicht ISsUeheo Bas
Trimethrlendiamin' NH,-(CH,),- NH, siedet bei 136°, bildi
Wnsser unter starker Erwärmung ein Sliges Gemisch, ist auch mit AI
und Beozol mischbar, greift wasserirei Gummi und Kork rasch an
Irimethylendiamin* CjHjCNH ■ CO ■ CH,), (Schmelzpunkt 79°) kann
/CH, 1
siureabspaltung in Aetheuyltrimethylendiamiu' CHX
\CH,-SI
/CH,.
äbereefäbrt werden. — Triinethjleiiliiiiii'CH,< >NH siedet bei 6(
\ch/
piperidinShnlich, mischt sich mit Wasser und Alkohol, ist sehr hygr
bildet an feochter Luft Nebel
' V. ÜübAnskv u. Baomakn. Ber. 21. 2745 (1888).
' CtOBZ, Jb. 1863, 468. — Natassou, Ann. 92, 48 (1854). — A.
Jb. 1868, 384; 1861, 514, 517, 51S. Ber. 4, 666 (1871); 6, 210 (18
(1888); 28, 3723 (1S90). — Keadt, EHODBeopi;i.ofl n. F. Mefeb, Ann. 31
- Lellmamn u. WttBTHBER, Ann. 228, 226 (1885). — Gabriel, Ber. 2C
- Fkamchikost u. Klobbie, Eec. trav. chim. 7, 343 (1888). — See
2912 (18»0).
' E. PiscnBB u. H. Koch, Ber. 17, 1799 (1884). Ann. 233, 222 (1
1*1'^ u. WüBTHKEB, Ann. 22B, 226 (1885). — Fbanchwont u. Kiobb
tliim. 7, 3*7 (1888). — Kbppieb h. V. Meteb, Ber. 26, 2638 (1892).
' SiRACHE, Ber, 21, 2365 (tB88). " A. W. Hofmanm, ebenda, 2
* Laoembubo u. Sieber, Ber. 23, 2728 (1890). ~ Vgl. anch Gabbi
Efr. 21, 2677 (1888).
630 Tetrafneihylefidiamin etc
Tetramethylendlarain^ oder Patresein NH,'(CH,)4-NH, entsteht — ebenso
wie Pentamethjlendiamin — bei FäulniBeproceasen, schmilzt bei + 27—28® mid
siedet bei 158 ^
Pentamethylendlamin' oder Cadayerin NH9-(CH9)5*NH, siedet bei 178-179^
besitzt bei 0^ das spec. Gew. 0*917, riecht nach Piperidin und Sperma, raucht an
der Luft, ist in Wasser und Alkohol leicht, in Aether schwerer löslich und bildet
kein Hydrat
Die dem Tetra- und Pentamethylendiamin entsprechenden Imine werden unter
den heterocyclischen Verbindungen behandelt (vgl. in Bd. II Pyrrolidin und Piperidin).
I>ekamethylendlamin>NH,-(CH,)iöNH, (vgl. S. 628—629) schmilzt bei 61 ö'.
siedet unter 12 mm Druck bei 140^. — Dekamethylenimin CioH,iN bildet eine schwach
ammoniakalisch riechende Flüssigkeit, siedet unter 16 mm Druck bei 104—105® und
liefert, mit salpetriger Sfiure behandelt, eine Nitrosoverbindung.
Halogenderivate der Amine.
In diesem Abschnitte sind nur solche Halogenderivate der Amine zu besprechen,
welche zugleich mehrwerthige Substitutionsprodukte der Kohlenwasserstoffs sind, wie
CH^BrCHaCNH,), CH«Br.CHBr.CH,(NHj) etc, während die am StickstoflF halogenir-
ten Aminderivate, wie C^Hj-NCl^, schon früher (S. 240—241, 242, 243, 244) Er-
wähnung gefunden haben.
Im Äreien Zustand sind derartige halogenirte Amine in der Begel wenig be-
ständig und verwandeln sich leicht in halogenwasserstoffsaure Salze von halogen-
freien Basen, z. B.:
/ CH,-CH, \
CH.BrCHjNH, = CH^ : CH(NH,) . HBr oder \ / ?
\ NH.HBr /
CH| • CH2CI CHg • CHjv.
1 = I >NH.HC1.
CK, . CH, . NU, CH, . CH/
Den Ausgangspunkt zur Gewinnung von Monohalogenderivateu des Aethvl'
amins CH^X • CH,(NH,) bildet das Bromäthylphtalimid CH,Br.CHj-N<^ ^C.H,,
welches nach der GABRiEL'schen Keaction (vgl. S. 233—284) durch Einwirkung ?on
Aethylenbromid auf Phtalimidkalium erhalten wird. Spaltet man dasselbe durch Er-
hitzen mit Brom wasserstoffsäure, so resultirt das Bromhydrat des BromSthylamlns*
CHsBr-CH2(NHs); die freie Base ist ihrer geringen Beständigkeit wegen nicht in
reinem Zustand isolirt worden; sie ist in Wasser sehr leicht löslich, besitzt stark
alkalische Eeaction und ekelhaften Amingeruch und zieht an der Luft Kohlensäure
an. Bromäthylamin ist sehr reactionsfähig; das Bromatom wird leicht ausgetauscht
' Bocklisch, Ber. 18, 1925 (1885). — Ladenburq, Ber. 19, 780 (1886). — Brieoek
V. ÜDEÄN8KY - Baühann, Bcr. 21, 2748, 2938 (1888). — - Ciamiciak u. Zanbtti, Ber.
22, .1970 (1889). — Dekeers, Rec. trav. chim. 0, 94 (1890). — Roos, Ztschr. f. physiol.
Chem. 16, 198 (1892).
> Ladenburg, Ber. 16, 1151 (1883); 18, 2957, 3100 (1885); 19, 780, 2585 (1886);
20, 2216 (1887). — Brieoer, Ber. 16, 1188, 1405 (1883). — Bocklisch, Ber. 18, 1924
(1885). — v. UdrAnsky u. Baumann, Ber. 21, 2747 (1888). — Franchimont u. Klobbie,
Rec. trav. chim. 7, 350 (1888). — Roos, Ztschr. f. physiol. Chem. 16, 196 (1892).
« Phookan u. Krapft, Ber. 26, 2252 (1892).
* Gabriel, Ber. 21, 566, 1049, 1054, 2665 (1888); 22, 1139, 2220 (1889).
Halogenderivate der Amüie, 631
n vielen Beactionen tritt gleichzeitig der Amidrest in Reaction und veranlasst da-
iorch die Bildong ringförmig geschlossener Molecüle, z. B.:
CH,Br CHj Ov
I + (AgO),CO = I >C0 + 2AgBr + H^O
CHjNHj.HBr CH,— NH^
I +KS.C:N = I >C:NH.HBr + KBr;
CH^NHj.HBr CHa-NH/
auch bei der unter der Einwirkung von Silberozyd erfolgenden Bromwasserstoff-
abspaltung ist vielleicht nicht Bildung von Vinylamin (vgl. S. 478):
CHjBrCHjNH, - HBr = CHj-.CHNHj,,
sondern unter Kingschliessung Bildung von Aethylenimin (S. 628):
CHjBr.CHjNH, - HBr = CH,.CH,
anzonehmen. — ChlorSthylamin ^-^ CH,C1CH,-NH| und JodXthylamin > CU,J-
CH^-NH, entstehen beim Eindampfen vonVinjlamin (Aethylenimin) mit überschüssiger
Chlor- bew. Jodwasserstoffsäure.
Diesen Halogenäthylaminen entsprechende quatemXre Ammoniumsalxe* erhält
man durch Addition von Aethylenbromid an tertiäre Amine:
V /CH,.C!H,Br
(CHa),N + Br - CH, - CH, • Br = (CH3)8N<^ ;
\Br
vn diesen Additionsprodukten können die beiden Bromatome durch ihre verschiedene
Beweglichkeit unterschieden werden (vgl. auch S. 685); mit Silbersalzen reagirt in
der Kälte nur das an Stickstoff gebundene Bromatom:
(C1UN<^
CIij • Gli|Br yCHj • Cxi^Br
+ AgNO, = (CH,)sN< + AgBr ,
Br ^ONO,
während durch Silberoxyd in der Wärme auch das zweite Bromatom als Bromwasser-
etoff abgespalten wird (vgl. Neurin, S. 478 — 479):
<CH) • CH j • Br >CH : CHj
4- 2Ag.0H = (CH3)s\< + 2 AgBr + H,0 .
Br • >0H
Halogenderivate des Propylarains* Aus Phtalimidkalium erhält man durch
die GABBiBL'sche Reaction (vgl. S. 630) unter Anwendung von Trimethylenbromid
^-Brompropylamin^ OHjBr-CHfCHs-NH,; das isomere a-Brompropylamin' CH,*
CHBr*CH,*NH, entsteht durch Addition von Bromwasserstoff, Dibrompropylamin*
CHfBr'CHBr>CH,-NH, durch Addition von Brom an Allylamin.
* GrABRiBL, Ber. 21, 573, 1053, 1055 (1888). > Seitz, Ben 24, 2627 (1891).
« A. W. HoFMANW, Jb. 1859, 376. — Baeyer, Ann. 140, 309 (1866); 142, 323
(1867). — Lermontofp, Ber. 7, 1253 (1874). — Ladbnbueg, Ber. 16, 1147 (1882). —
HnTDESHAOEN, J. pr. [2] 28, 245 (1883). — Bode, Chem. Centralblatt 1889, I, 713.
Ann. 267, 268 (1892). — Gabriel, Ber. 22, 1140 (1889).
* Gabriel u. Weikeb Ber. 21, 2671 (1888). — Gabriel u. Lauer, Ber. 23,
^0 (1890).
* Gabriel u. Weiker, Ber. 21, 2674 (1888). — Ph. Hirsch, Ber. 23, 964 (1890).
- Elpeld, Ber. 24, 3220 (1891).
* Henry, Ber. 8, 399 (1875). — Paal, Ber. 21, 3190 (1888), — Paal u. Her-
HAN-x, Ber. 22, 3076 (1889). — Partheil, ebenda, 3317.
632 Halogenderivate von Aminen,
/-Chlorbutylamin' CHsClCH^.CHs.CHjCNHj) ist auf einem Wege erialiK,
dessen Ausgangspunkt das ^'-Chiorbutyronitril bildet; durch Einvirknng deaeel^ii
auf Phenolnatrium:
CeHöONa + ClCHsCH.CHs.CN = NaCl 4- C«H,.OCH,.CHi.CH,CN
wurde PhenozybutTronitril hergestellt, welches durch Natrium in alkoholischer Lo^nuj
zu Phenoxybutylamin C^H^ • 0 • CH, • CH^ • CH, • CHj • NHj reducirt wurde ; letzteres vir;
durch Erhitzen mit starker Salzsäure gespalten:
CeH6.0.CH,.CH,.CH,.CHaNH2 + HCl = CeHs-OH + C1.CH,.CH,.CH,.CH,M1,.
Das /-Chlorbutylamin liefert ein farbloses, hygroskopisches Chlorhydrat und ver-
wandelt sich in freiem Zustand in Pyrroiidinchlorhydrat:
CH^ • CHjCl CHj • CHov
= I ■^NH.^Cl.
CHj • CHg • NHj CHj • CHj'''^
d - Chloramylamin « CH,C1 • CH, • CH, • CH, - CH,(NH,) ist auf analogem Wege an?
dem Nitrii der Phenoxy valeriansäure CeHg • 0 • CH, • CH, • CH, • CH, • CN erhalten; letoerv
Säure wurde durch Einwirkung von Trimethylenchlorbromid auf Phenolnatriom:
CeH^.OXa + Br.CH,.CH,.CH,Cl = NaBr + CeH5.0CH,.CH,.CH,Cl
und Combination des so entstandenen Chlorpropylphenyläthers mit Natrinmmai'L-
Säureester :
CflH,.0.CH,.Cn,.CH,.CH(C0,.C,H6), — >- CJ^^OCn,'Ca^'CB^CE,'C0M
hergestellt. Das freie 5-Chloramylamin verwandelt sich beim Erhitzen der wfcsri.-n
Lösung im Wasserbade in salzsaures Piperidin:
/CHjCHgCl /CH,.CH,.
CH,<: = CH,< >NH.HC1.
^CHj . CH, . NH, ^CH, . CH/
In ganz analoger W^eise sind y-Brombutylamin und ^-Bromamylamin
gewonnen*.
Unter den Halogrenderivaten ungres&ttigrter Amine sei eine Base genanot.
welche aus einem Diazokörper, der durch Einwirkung von salpetriger Säure an/m:r
alkoholischer Salzsäure behandelte Gelatine entsteht, durch Zersetzung mit Jod und
darauffolgende Behandlung mit Ammoniak erhalten ist. Sie besitzt die Zusammen-
setzung eines Dijodvinylamins* CJ, : CH(XH,), krystallisirt in schwach gelb»"!!,
kleinen Prismen, zersetzt sich oberhalb 110^ und ist in kaltem Wasser schwer, in
kochendem leichter löslich. Unter der Voraussetzung, dass die aus Gelatine ent-
stehende Diazoverbindung Diazooxyakrylsäureester darstellt, erklärt sich ihre Bildung
durch die Gleichungen:
CX, : C(OH) . CO, . C,Hß + J, = C J, : 0(011) - CO, • CA + X, ,
CJs : C(0H).C0,.C,H3 + NH3 = CJ, : CH(NH,) + CO, + C^H^lOH) .
Aus dem Dibrompropylamin erhält man durch Bromwasserstoffentziehnng mitt» Uf
alkoholischen Kalis Bromallylamin* C8H4Br.XH2. Halogenderivate des Di-
ally lamins* bilden sich durch Einwirkung von Ammoniak auf Trihalogenhydrine,z.B.:
2C3H5CI8 + 4NHs = (C8H4C1),XH.HC1 + 3NH4CI .
1 Gabriel, Ber. 24, 3231 (1891). * Gabriel, Ber. 26, 415 (1892).
» Blank, Ber. 25, 3044, 3047 (1892). * Büchner u. Cürtius, Ber. 10, 850 ili^>^'^'
* Paal, Ber. 21, 3190 (1888). — Paal u. Hermann, Ber. 22, 3076 (1889). -
Partheil, ebenda, 3317.
« Simpson, Ann. eh. 13] 66, 129 (1859). — Reboul, Ann. SuppL 1, 232(1^611-
— Enqler, Ann. 142, 77 (1866). — Vgl. auch Pfeffer u. Pittio, Ann. 136, 363 (1B6^^
Amidohydroxylverhindungen. 633
Amidohydroxyl Verbindungen.
Terbindungen, welche einen Amidrest und eine Hydroxylgruppe an
das gleiche Kohlenstoffatom gebunden erhalten, sind die durch Addition
von Ammoniak an manche Aldehyde entstehenden Aldehydammoniake;
an diese schon S. 393 besprochenen Verbindungen sei hier nur erinnert.
In diesem Abschnitt sollen Verbindungen behandelt werden, deren stick-
stoffhaltiger Rest und deren alkoholische Hydroxylgruppe an verschiedene
Kohlenstoffatome gekettet ist, wie NHjCHgCHj-OH u. a. Im Gegensatz
zu den Aldehydammoniaken, welche mit verdünnten Säuren unter Ammoniak-
abspaltung die Aldehyde regeneriren, sind diese Oxyamine oder Amido-
alkohole beständige, starke Basen; andererseits zeigen sie die Reactionen
der Alkohole; so können sie in Ester übergeführt werden, wie (C3Hg)jN'
CHa-CHj-OCO-CaH^.
Für die tertiären sauerstoffhaltigen Basen, wie (C,He),N • CH, - CH, • OH, hat
Ladenbubq^ die Bezeichnung „Alkine", für die ihnen entsprechenden Sftureester
,, A 1 k e 1 n e " vorgeschlagen.
Bildungsweisen« Für die Gewinnung der Oxybasen bietet sich
als selbstverständlicher Weg die Einwirkung der Halogenhydrine
auf Ammoniak bezw. auf Amine^ dar, wobei wieder primäre, secun-
däre, tertiäre und quatemäre Ammoniakderivate sich bilden können, z.B.:
CH,(0H).CH2C1 + NH3 = CH,(0H).CH,.NH,.HC1
2CH,(OH).CHjCl + 2NHj = {CH,(OH).CHst,NH.HCl + NH4CI
CH.(0H).CH2C1 + NH(C8H5), = CH,(0H).CH,.N(C,H5),.HC1
CH,(0H).CH2. V
CH,(0H).CH,C1 + N(CHs)8 = >N(CH3)a.
CK
Auch durch Behandlung von Alkylenoxyden mit Ammoniak'
erhält man primäre Oxybasen neben secundären und tertiären:
/\
CH,-CH, + NHg = CHs(OH).CH,.NH,
3CH3-CH, 4- NHj = {CH,(OH).CH,|aN.
Für die Darstellung primärer Oxybasen kann mit Vortheil die
GABRiEL'sche Phtalimidreaction* benutzt werden; erhitzt man z. B.
Bromäthylphtalimid CH2Br.CH2.N(C202)CgH4 (vgl. S 630) mit verdünnter
Schwefelsäure auf 200 — 220 ^^ so erfolgt zugleich Spaltung des Imids
und Auswechselung des Bromatoms gegen Hydroxyl, und man erhält
Oxyäthylamin OH2(OH)-CH3-NH2 neben Phtalsäure.
* Ber. 14, 1876, 2126 Anm. (1881).
* WüBTz, Ann. 121, 228 (1862); Suppl. 7, 88 (1870). — Morley, Ber. 13,
222, 1805 (1880). — Ladenburo, Ber. 14, 1876, 2406 (1881). — Berend, Ber. 17, 511
(1884). - Radziszewski u. Schramm, ebenda, 838. — Knorr, Ber. 22, 2088 (1889).
* WüBTZ, Ann. 114, 51 (1860); 121, 227 (1862).
* Gabriel, Ber. 21, 567 (1888). — Gabriel u. Weiner, ebenda, 2672. — Goedecke-
«EYEK, ebenda, 2690.
634 Oxyäthylamin tmd
Zu erwähnen ist endlich die Bildung von Oxybasen durch Wasser-
anlagerung an ungesättigte Amine ^vermittelst concenü'irter Schwefel-
säure, z. B.:
Einzelne OUeder. Das Oxyftthylamin CHjjCOH) CH, NH,
(Amidoäthylalkohol) — selbst nur in Form von Salzen untersucht' —
ist von Interesse als Stammsubstanz natürlich vorkommender oder zu
Naturprodukten in naher Beziehung stehender Verbindungen, welche
sich durch Einführung von Methylresten in seine Amidgruppe ableiten.
So entsteht das Oxyäthyldimethylamin» CH2(OH)-CHjN(CH3), (Siede-
punkt 128 — 130^ bei der Spaltung von Derivaten des AlkaloTds Morphin.
Durch Anlagerung eines dritten Methylrests resultirt eine quatemäre
Ammoniumverbindung, welchß in der Natur überaus verbreitet und daher
physiologisch sehr wichtig ist.
Cholin wird heute gewöhnlich diese früher ' zuweilen als Sinkalin,
Neurin, Bilineurin, von Einigen* auch heute noch als Neurin bezeichnete
Base CgHjgNOj genannt, welche eingehender zuerst von Stbecesr^
untersucht, ihrer Natur nach als Oxyäthyltrimethylammonium-
hydroxyd:
/CHs.CH,(OH)
(CH3)3N<(
von Baeter® und Würtz^ erkannt wurde. Sie bildet einen Bestandtheil
des Molecüls der Lecithine (vgl. S. 589 — 590) und wird daher aus lecithin-
haltigen Theilen des thierischen Organismus in Folge von Spaltungs-
processen erhalten, so aus Galle ^'^y aus Gehirnsubstanz®'®, aus Eidotter^*^;
auch präformirt findet sie sich in frischen menschlichen Cadavern^^ und
in der Heringslake ^^. Im Pflanzenreiche ist Cholin sehr verbreitet;
durch Spaltung entsteht es aus dem AlkaloYd des weissen Senfsamens"
(Sinapin); frei kommt es im Fliegenschwamm ^*, im Hopfen^* (daher auch
in Bierwürze und Bier^*^, ferner in sehr vielen fetthaltigen Samen vor,
* Liebermann u. Paal, Ber. 16, .531 (1883).
« WuRTZ, Ann. 121, 228 (1862). — Gabriel, Ber. 21, 569, 2666, 2668 (1888).
> Ladenbuhg, Ber. 14, 2408 (1881). — Knorr, Ber. 22, 1114 (1889).
* Vgl. Bunge, Lehrbuch d. physiol. u. pathol. Chem. S. 79 (2. Aufl., Leipzig, 1889).
* Ann. 123, 358 (1862). « Ann. 140, 306 (1866); 142, 322 (1867).
^ Ann. Suppl. 6, 116, 197 (1868). » Dtbkowsky, J. pr. 100, 153 (1867).
» Liebreich, Ann. 134, 29 (1864). Ber. 2, 12 (1869).
" DiAKONOW, Jb. 1867, 776. " Brieger, Ber. 17, 274 (1884).
" Bocklisch, Ber. 18, 1922 (1885).
*® V. Babo u. Hirhchbrunn, Ann. 84, 22 (1852). — Claus u. Kees^, J. pr. 102,
24 (1867).
" ScHMiEDBBERG u. Harnack, Jb. 1876, 804.
^* Griess u. Harrow, Ber. 18, 717 (1885).
^^ Kieldahl, Cöthener Chem. Ztg. Repert. 1891, 237.
Cholin. 635
>o im Baumwollsamen 1, Bockshornsamen ^, Wickensamen' und in den
Arecantissen*. Die Constitution des Cholins ergiebt sich aus seinen
synthetischen Bildungs weisen; es entsteht durch Vereinigung von Aethylen-
öxyd mit Trimethylamin in concentrirter wässriger Lösung, sein Chlor-
hydrat durch Vereinigung von Glykolchlorhydrin mit Trimethylamin
(WuRTz); für die Darstellung bequem ist seine Bildung aus dem Ad-
ditionsprodukt von Aethylenbromid und Trimethylenamin durch successive
Auswechselung der Bromatome mittelst Silbemitrat* (vgl. S. 631):
/CH, . CH, . Br .CHj ■ CH,Br
(CH3)8N< + AgNOs = AgBr + (CH,),N<(
^Br \0.N0,
(in d. Kälte),
/N . CH, . OH, . Br XH, • CH,(OH)
tCIf3)3< + AgNOs + H,0 = AgBr + HNO, 4- (CHslsN^
^O.NO, ^O.NO,
(in d. Wanne).
— Das Cholin selbst ist als syrupdicke oder sehr zerfliessliche, krystalli-
nische Masse von alkalischer Reaction erhalten; von seinen Salzen wird
zur Charakterisirung gewöhnlich das Platindoppelchlorid*'*
(C.Hj^N0Cl)j.PtCl4 benutzt, das aus wässriger Lösung in tafelförmigen,
monoklinen, wasserfreien Krystallen anschiesst. Cholin steht in naher
Beziehung zu dem S. 478 — 479 besprochenen Neurin, welch letzteres
bei der Fäulniss vermuthlich aus dem Cholin durch die Lebensthatigkeit
gewisser Mikroorganismen gebildet wird®; Neurin und Cholin können
auch durch künstliche Processe wechselseitig in einander verwandelt
werden; beide Basen liefern nämlich durch Einwirkung von Jodwasser-
A.K& die gleiche Verbindung — das Trimethylamin- Aethylenjodid
<GH| • GH^ J
J
welches einerseits durch Einwirkung von Silbernitrat in Cholin, anderer-
seits, durch Einwirkung von Silber oxyd in Neurin übergeführt werden
kann. Cholin hat femer zum Muscarin (Kap. 37) und Betain (Kap. 31)
nahe Beziehungen.
Einige cholinähnliche Verbindungen — so das Homo cholin'
/CH, . CHj . CH, . OH /CHg • CH(OH) • CH,C1
iCHaljNV , Sepin (CH,)3N<
\0H ^OH
XH,.N(CH8)sOH
und Aposepin® CH(OH)<; — sind synthetisch dargestellt
\CH,.X(CH8)8.0H
' Böhm, J. pr. [2] 30, 37 (1884). « Jahns, Ber. 18, 2518 (1885).
* E. ScHüLTZE, Ber. 22, 1827 (1889). Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 205 (1892).
* Jahns, Ber. 23, 2978 (1890). Arch. f. Pharm. 229, 675 (1891).
•^E. Schmidt u. Bode, Arch. f. Pharm. 229, 469 (1891). Ann. 267, 268,
BOO (1891).
* Vgl. E. Schmidt u. Weiss, Ai-ch. f. Pharm. 229, 481 (1891).
' Weiss, -Paetheil, Ber. 22, 3321 (1889). Ann. 268, 176 (1891).
^ XiEMiLowicz, Monatsh. 7, 249 (1886).
636 Amidoäthylmercaptan, Taurin,
.CH(OH).CH,(OH)
Ein Oxycholin oder laomuscarin^ (CHj),N<f ist aus
Neurin durch Addition von unt erchloriger Säure und Behandlung des Additionä'
Produkts mit Silberozyd erhalten.
Von femereu Oxyaminen sei erwähnt das Diamidohydrin' CH2(NHJ'CH(0H)'
CH)(NH,) , welches aus a-Dichlorhydrin mittelst der Phtalimidreaction gewinnbar ist
Amidomercaptane und Amidosulfosäuren.
Wenn man das in den letzten Abschnitten mehrfach erwähnte Brom-
äthylphtalimid Br-CHa-CH3.N(C302)CeH^ (vgl. S. 630, 683) mit Kalium-
sulfhydrat behandelt, so erhält man Mercaptophtalimid SH-CHj-CHj-
N(^2^2)^e^4 > wßlch letztere Verbindung bei der Spaltung durch Er-
hitzen mit Salzsäure neben Phtalsäure salz saures Amidoftthyliner-
captan^ SH-CHg-CHj-NB^j.HCl — ein farbloses, hygroskopisches, in
Alkohol und Wasser lösliches, bei 70 — 72^ schmelzendes Salz — liefert;
auch das entsprechende Sulfid, Disulfid, Sulfoxyd und Sulfon sind dargestellt.
Amldoftthylsulfos&ure CH3(NH3)-CHa.S03H ist eine physiologisch
wichtige Substanz; sie stellt das von Tiedemann u. Gmelin entdeckte
Taurin* (vgl. S. 478) dar, welches in Verbindung mit Cholsäure als
Taurocholsäure einen Hauptbestandtheil der Galle bildet, daher zuerst
Gallenasparagin genannt wurde. Die Constitution des Taurins klärte
KoLBE auf, indem er es aus Isäthionsäure (vgl. S. 577) synthetisch dar-
stellte: Isäthionsäure CHj(OH)-CH2-S03H wurde durch Phosphorpenta-
chlorid in das Chlorid CHgCl-CH^-SOaCl der Chloräthylsulfsäure über-
geführt, letztere Säure CHgCl-CHa-SOa-OH liefert nun beim Erhitzen
mit Ammoniak das Taurin. Taurin krystallisirt in grossen durchsichtigen
Säulen und löst sich in 15-5 Th. Wasser von 12^; es reagirt neutral
und ist daher wohl als „inneres Ammoniumsalz" aufzufassen, in dessen
Molecül der basische und saure Rest sich gegenseitig neutralisiren:
CHa— NHgV
I >0;
CH,-SO/
so erklärt es sich auch, dass trotz der Gegenwart der Amidgruppe das
Taurin nicht die Fähigkeit besitzt, mit Säuren zu Salzen zusammen-
zutreten. Dagegen vermag es als schwache Säure zu fungiren und mit
» E. Schmidt, Bode, Ann. 267, 253, 291 (1891).
' Claus, Ann. 168, 37 (1873). — Goedbokemeyeb, Ber. 21, 2690 (1888).
> Gabriel, Ber. 22, 1137 (1889); 24, 1110, 3098 (1891). -- Coblentz, Ber. 24,
2132 (1891).
* Tiedemann u. Gmelin, Pogg. 9, 327 (1827). — Demab9Ay, Ann. 27, 286 (18381.
— Pelouze n. DuMAfl, ebenda, 292. — Redtenbachbb, Ann. 67, 170 (1846); 66, 37
(1848). — Strecker, Ann. Ol, 97 (1854). — Kolbe, Ann. 122, 33 (1862). — Ekgel,
Ber. 8, 830 (1875) — Salkowskt, Ber. 7, 117 (1874). — tiANG, Ber.' 9, 853 (18T6).
— Brieoeu, Ztschr. f. physiol. Chem. 7, 35 (1882). — Gabriel, Ber. 21, 2667 (188S).
Gesättigte Dicarbonsäuren. 637
Metalloxyden Sake zu bilden. Durch salpetrige Säure wird Taurin in
[«^äthionsäure übergeführt.
Andere dem Taurin ähnliche Verbindungen sind synthetich gewonnen ^
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Die gesättigten Dicarbonsäuren.
Allgemeine Zusammensetzung Cj^^j^__2^^^
Allgemeines.
Die Klasse der gesättigten Dicarbonsäuren — Säuren, deren Molecül
eine oflene Kohlenstoflfkette mit lauter einfachen Bindungen und zwei
Carboxylgruppen enthält, — umfasst so viele und andersartige Glieder,
dass sich eine Eintheilung in mehrere Gruppen empfiehlt. Einer solchen
Eintheilung dient zweckmässig als Grundlage dasselbe Princip, welches
schon in den vorhergehenden Kapiteln mehrfach für die Systematik der
zweiwerthigen Verbindungen benutzt wurde: die Rücksichtnahme auf die
gegenseitige Stellung der beiden den chemischen Charakter bestimmen-
den Gruppen, d. h. in diesem Falle der beiden Carboxylgi'uppen, da von
diesem Umstand das Verhalten der Säuren wesentlich abhängig ist.
Wenn man von der Oxalsäure COgH-COgH, welche beide Carboxyl-
gruppen direct ohne Zwischenglieder mit einander verbunden enthält,
ausgeht und sich nun diese beiden Gruppen zunächst durch ein zwei-
werthiges Glied CH^ , dann successive durch immer mehr solche Glieder
getrennt denkt, so erhält man die folgende Reihe: •
C3H2O4 = COgH-COgH: Oxalsäure
CjH^O^ = C02H-CH2-C02H:Malonsäure (Methandicarbonsäure)
C^HgO^ = COgH • (0112)2 • COjH :Bernsteinsäure (»w'- Aethandicarbon-
säure)
CjHgO^ = C02H-(CH3)3-C02H:Glutarsäure (cöco'-Propandicarbonsäure)
CgHjpO^ = C02H-(CH2)4-C02H: Adipinsäure (cocö'-Butandicarbonsäure)
C^HjgO^ = C02H-{CH3)ß-C02H:Pimelin8äur e (ft)ft)'-Pentandicarbonsäure)
CgHj^O^ = C02H-(CH2)ß -00211 : Korksäure («w'-Hexandicarbonsäure)
CgHißO^ = C02H-(CH2)7-C02H: Azelainsäure (««'-Heptandicarbonsäure)
^10^1804= C02H-(CH2)8 -00211 : Sebacinsäure («ry-Octandicarbonsäure)
etc.
Alle Säuren dieser Reihe enthalten eine üormale Kohlenstoff kette; man
tann sie daher als normale Dicarbonsäuren zusammenfassen; ab-
gesehen von der Oxalsäure, lassen sie sich alle als »co'-Dicarboxyl-
* Vgl. DiTTBicH, J. pr. [2] 18, 63 (1878). — James, J. pr. [2] 31, 413 (1885); 34,
3*8 (1886). — Gabriel, Ber. 22, 2988, 2989 (1889). — Gabriel u. Lauer, Ber. 28,
^ {\m).
638 Gesättigte Dicarbonsäuren (Mntheüung, Elektrosynthese,
Substitutionsprodukte der Grenzkohlenwasserstoflfe betrachten. Je nach
der Stellung der beiden Carboxylgruppen kann man sie als u-, ß-, y- etc.
-Dicarbonsäuren unterscheiden (vgl. S. 535, 569); Oxalsäure ist die
einzige denkbare or-Dicarbonsäure, Halonsäure eine /9-Säure, Bernstein-
saure eine ^'-Säure etc. Im Sinne der neueren Nomenclaturrorschlage
(vgl. Anhang am Schlüsse von Band I), nach welchen die Stellung der
Kohlenstoffatome durch Ziffern statt durch griechische Buchstaben an-
gegeben werden soll, wird es fortan indess wohl gebräuchlicher sein,
die Oxalsäure als 1-2-Dicarbonsäure, Malonsäure als 1-3-Säure, Bern-
steinsäure als 1*4-Säure etc. zu bezeichnen.
Man kann die einzelnen Glieder dieser Reihe durch eine interessante
Synthese auf elektrolytischem Wege^ mit einander verknüpfen, deren
Verlauf ganz der ParafQnsynthese bei der Elektrolyse der Fettsäuren
(vgl. S. 126 — 127, 313) entspricht. Elektrolysirt man nämlich das
Alkalisalz einer Estersäure, die sich von einer Dicarbonsäure mit nC- Atomen
ableitet, so erhält man den Ester der Dicarbonsäure mit 2(n—l)C- Atomen:
so gelangt man von der Malonsäure zur Bemsteinsäure:
CjHß.O.CO.CHjCO.K CjHj.O.COCH,
I +2C0, + K,
CjHs . 0 . CO . CH, . CO.K CjHs • 0 • CO • CH, ^^— '
Anion Kation;
von der Bernsteinsäure zur Adipinsäure, von der Glutarsäure zur Kork-
säure etc.
Von jeder einzelnen normalen Dicarbonsäure — mit Ausnahme der
Oxalsäure — kann man sich nun eine ganze Reihe von homologen
Säuren abgeleitet denken, indem die Wasserstoffatome der Mittelglieder
— CHg — durch Alkylreste vertreten werden:
/CO,H .CO,H CH,v /CO,H
CHs< CH3.CH/ >C< etc.,
^COjH \CO,H Cä'^ X)0,H
Malonsäure Methylmalons. Methylfithylmalons.
CH,-CO,H CjHg-CH-COjH . (CHg),C— CO^
I I I et€.
CH,^CO,H CH,-CO,H CHa-CH-CO,H
Bemsteinsäure Aethylbemsteins. Trimethylbemsteins.
So zerfällt bei dieser Betrachtungsweise die Klasse der gesättigten Di-
carbonsäuren in eine Anzahl einzelner homologer Reihen, deren jede
von einer der oben zusammengestellten normalen Säuren ausgeht
und durch eine bestimmte gegenseitige Stellung der Carboxylgruppen
charakterisirt ist.
Von den gesättigten Dicarbonsäuren ist die Oxalsäure und Beni-
steinsäure in der Natur ziemlich verbreitet; Malonsäure, Glutarsäure
und Adipinsäure sind nur höchst selten in Naturprodukten aufgefunden.
* Crfm-Bbown u. Walker, Ann. 261, 107 (1890).
(üigemeine Eigenschaßen, Schmelxpunkisregelmässigkeiten). 639
Die höheren Glieder (von der Glutarsäure bis zur Sebacinsäure)
werden häufig bei der Oxydation hochmölecularer aliphatischer Ver-
bindungen — so namentlich der Fette und Fettsäuren — mit Salpeter-
säure erhalten^. Die synthetischen Bildungsweisen bestehen in Modi-
ficationen schon besprochener Beactionen, die bei den einzelnen Gruppen
näher erläutert werden mögen; aus den synthetischen Bildungsweisen
ergiebt sich meist in bestimmter Weise die Constitution der einzelnen
Säuren.
Alle- gesättigten Dicarbonsäuren sind feste, gut krystallisirbare, in
Wasser — abgesehen von den höheren Gliedern — meist leicht lösliche
Substanzen von stark saurer Beaötion. — Mit Wasserdämpfen sind sie
nicht flüchtig; fiir sich können die Säuren, deren Garboxyle durch mehr
als drei Kohlensto£fatome von einander getrennt sind, unverändert destillirt
werden; die Säuren dagegen, deren Garboxyle einander näher stehen,
erleiden beim Erhitzen ganz oder theilweise Zersetzung — theils unter
Abspaltung von Kohlensäure und Bildung einbasischer Säuren, theils
unter Abspaltung von Wasser und Bildung innerer Anhydride (vgl.
S. 642, 645, 651, 655, 659, 665).
In der Reihe der normalen Dicarbonsäuren findet man für die Schmelzpunkte*
eine eigenthümliche Regelmässigkeit, welche an die Beobachtangen in der Fettsfture-
reihe erinnert (vgL S. 310); die Glieder mit einer paaren Zahl von Kohlenstoffiitomen
schmelzen stets höher als die mit einer unpaaren Anzahl; sehr merkwürdig und ab-
weichend von den Verhältnissen in der Fettsäurereihe ist es, dass in der Reihe der
paaren Glieder der Schmelzpunkt mit wachsendem Kohlenstofigehalt sinkt, umgekehrt
in der unpaaren Reihe steigt, so dass sich die Schmelzpunkte in beiden Reihen immer
mehr einander nähern:
Bemsteinsäure : 1 81 — 1 82 <^
Adipinsäure : 149— 149 . 5*
Korksäure: 141^
Sebacinsäure: 133°
Glutar8äure:97.5<»
Pimelinsäure: 103 <^
Azelainsäure : 107— 108 <>
Dekamethylendicarbons : 124*5—125°
Brassylsäure : 112°
Dodekamethylendicarbonsäure : 123°
Hexadekamethylendicarbonsäure : 118°
^ Vgl. Laurent, Ann. eh. [2] 66, 154 (1837). — Bboksis, Ann. 36, 86 (1840).
— Arppe, Ztschr. Chem. 1865, 295. — Gantteb u. Hell, Ber. 13, 1165 (1886); 14,
560, 1545 (1881); 17, 2212 (1884). — Noebdlinqeb, Ber. 19, 1893 (1886). — Cakbtte,
Compt rend. 102, 692 (1886).
• Vgl. Baeyeb, Ber. 10, 1286 (1877). — Henry, Compt. rend. 100, 60, 943
(1885). — XoBBDLiNOEB, Ber. 23, 2359 (1890).
640 BedetUung der DissoeiationsconsiarUen K.
Von Interesse ist auch ein Vergleich der Werthe der Dissociationsconstante
K für die einzelnen Glieder in dieser Reihe*:
Oxalsäure : ca. 10 Pimelinsäure: 0 00848
Malonsäure : 0 • 1 68 Korksfture : 0 • 00298
Bemsteinsäure : 0 • 00665 Azelainsäure : 0 • 00296
Glutarsäure : 0*00475 Sebacinsäure : 0-00271.
Adipinsäure : 0- 00871
£s &llt hier namentlich der grosse Abfall . von der Oxalsäure zur Malonsäure and
von der Malonsäure wieder zur Bernsteinsäure auf.
Die Bedeutung der Dissociationsconstanten K, die in der letzten Zeit zur
Charakterisirung von Säuren auf Grund von Ostwald'b' Untersuchungen erhebliche
Wichtigkeit erlangt haben und im Folgenden häufig bei den betreffenden Säuren an-
geführt werden sollen (vgl. auch S. 810 — 811), möge hier kurz erläutert werden, wenn
auch eine eingehende Ableitung hier nicht am Platze ist. Sie geben — im Sinne
der elektrolytischen Dissociationstheorie — ein Mass für die Leichtigkeit, mit welcher
in wässriger Lösung die Spaltung der Säuremolecüle in ihre Ionen erfolgt, und sind
aus Beobachtungen über das elektrische Leitvern^ögen von wässrigen Lösungen ver-
schiedener Concentrationen abgeleitet. Es ergiebt sich durch Berechnung dieser Be-
obachtungen zunächst eine Constante k, deren doppelter Werth (2 k) die Concen-
tration in Grammoleculargewichten auf 1 Liter Lösung darstellt, bei welcher der
Elektrolyt gerade zur Hälfte dissociirt ist Da diese Constante k unbequem kleine
Werthe besitzt, so giebt man unter der Bezeichnung K lieber ihren hundertfachen
Werth (100 k) an. Wenn also oben für Malonsäure K = 0-168 angegeben ist, so
bedeutet dies, dass eine wässrige Malonsäurelösung, in welcher von 100 MalonsSore-
0'163'2
molecülen 50 dissociirt sein sollen, auf 1 Liter ---— — 88 g Malonsäure (88:Mole-
cularge wicht der Malonsäure) enthalten muss.
Wenn eine Säure A nun z. B. eine zehnmal grössere Dissociationsconstante als
eine Säure B besitzt, so heisst das mithin: die Säure B bedarf einer zehnmal
grösseren Verdünnung als die Säure A, um bis zu demselben Umfang in Ionen
dissociirt zu werden. Im Sinne der elektrolytischen Dissociationstheorie hängt nun
auch die Fähigkeit zur Hervorbringung von chemischen Umsetzungen — die BeactioDS-
fähigkeit — von der Anzahl der freien Ionen, die eben als die Träger der Eeac-
tionsf^igkeit betrachtet werden, ab; eine Säure wird demnach in wässriger Losung um
so wirksamer sein, je leichter sie durch Wasser in ihre Ionen gespalten wird, je geringer
die zur Hervorrufung eines bestimmten Dissociationsgrades nothwendige Verdünnung,
d. h. je grösser ihre Dissociationsconstante ist. In der That hat es sich gezeigt^ dass
die aus gewissen chemischen Vorgängen — wie die Verseifung des Methylaoetats
(S.858), die Inversion des Bohrzuckers (Kap. 86) — abgeleiteten „Affinitätscoefficienten^'
zu einander in fast genau demselben Verhältniss stehen, wie die aus dem elektrischen
Leitvermögen ermittelten Dissociationsconstanten^, man darf daher letztere auch als
* Vgl. Bbthmann, Ztschr. f. physik, Chem. 6, 401 (1890). — Walden, ebenda,
8, 448 (1891). — Ceum-Bbown u. Walkeä, Ann. 261, 107 (1890).
• Ztschr. f. physik. Chem. 3, 170, 241, 869 (1889).
' Die aus dem Theilungsverhältniss einer Base gegenüber zwei Säuren ab-
geleiteten Coefficienten, welche die „Avidität" der Säuren angeben, sind indess nicht
direct mit den Dissociationsconstanten vergleichbar. Vgl. hierfiber AitBHENnrs, Ztschr.
f. physik. Chem. 6, 11 (1890)^ 10, 671 Ref. Nr. 42 (1892).
Derivate der xweibasisc^ien Säuren. 641
lass für die Fähigkeit, chemische Beactionen auszuüben, als „AMnitätsconstanten"
•etrachten und mit einigem Rechte z. B. die Säure A zehnmal stärker als die Säure
\ nennen. Dag^en darf man nicht glauben, dass A nun unter allen Umständen
ehnmal stllrker wirken wird als B; denn einerseits gelten jene Constanten lediglich
iir wSssrige Lösungen und dürfen nicht auf andere Lösungsmittel, deren dissociirende
vraft von derjenigen des Wassers abweicht, übertragen werden-, andereraeits muss
nan anch für wäsarige Lösungen beachten, dass der Dissociationsgrad bei den einzelnen
^fiaren in verschiedener Weise durch die Concentration verändert wird, und dass
Uher z. B. für gleiche oder äquimolecnlare Concentrationen das Verhältniss der
Dissociations grade in der Begel ein anderes sein wird als das Verhältniss der
Dissociations c 0 n 8 1 a n t e n.
Von den zweibasischen Säuren leiten sich Derivate in gleicher
Weise ab wie von den einbasischen (vgl. S. 344 ff.); sie bilden Chloride,
Ester, Amide, Amidine etc.:
.COCl /CO,. CA .CONH.,
CHj< CHX CH,<
\COCl '^COjCA ^CONHs
Malonjlchlorid Malonsäureester Malonamid
Die Gegenwart zweier Carboxylgruppen im Molecül bedingt aber auch
die Möglichkeit gemischter Derivate. Die eine Carboxylgruppe kann
ejiterificirt, amidirt werden, während die zweite unverändert bleibt; so
entstehen Estersäuren und Aminsäuren:
COOCsHft CO-NHj
! I
COOK CO. OH
Oxalestersäure Oxaminsäure
Oder jede der beiden Carboxylgruppen wird in verschiedener Weise
modificirt, z. B.:
COO.CjHs
CONH,
Oxaminsäoreester
Von besonderem Interesse ist der Fall, dass durch ßeaction der
beiden Carboxylgruppen auf einander ein Derivat mit ringförmiger Atom-
gruppirung entsteht. So sind manche Dicarbonsäuren zur Bildung
..innerer Anhydride" durch Wasserabspaltung befähigt, z. B.:
CHjCOOH CH^-CO
I - H,0 = I
CH^CO-OH CHj— CO
(Anhydridbildung durch Zusammentritt zweier Molecüle, wie bei den Fett-
5^ättren, ist bei den Dicarbonsäuren nicht beobachtet). Analoge Ver-
bindungen, in denen eine Imidgruppe NH<^ statt des Sauerstoffatoms
den Ringschluss bewirkt, leiten sich von den Amiden und Amidinen
ab; sie werden als „Imide" und „Imidine*' bezeichnet:
^ Metkr a. Jaoobson , org. ChenL I. ^^
642 Bildung von inneren Anhydriden
CH,-COv CH,~C/
I >NH I >NH.
Succinimid Succinimidiu
Die Anhydridbildung geht bei vielen Dicarbonsäuren schon vollständig dnrch
Erhitzen vor sich; in anderen Fällen kann sie zweckmässig durch Behandlang mit
Acefylchlorid bewirkt werden ^ — Dnrch Kochen mit Wasser können die Anhydride
in der Begel in die Säurehydrate zurückverwandelt werden; rasch — und zuweilen
unter beträchtlicher Wärmeentwickelung — vollzieht sich die Hydratation beim
Digeriren mit rauchender Salzsäure*.
Die inneren Anhydride und die Imide stehen zu den Dicarbonsäuren
und ihren Amiden in derselben Beziehung, wie die Alkylenoxyde zu
den Glykolen (vgl. S. 563 — 565, 570), die Imine zu den Diamineu
(vgl. S. 628). Bei der Besprechung jener Körperklassen ist hervor-
getreten, dass die Abspaltung von Wasser bezw. Ammoniak innerhalb
eines Molecüls dann besonders leicht eintritt, wenn dadurch die Bildung
eines flinf- oder sechsgliedrigen Bings herbeigeführt wird. Bei den Di-
carbonsäuren finden wir nun eine schlagende Beki-äftigung dieser Gesetz-
mässigkeit. Oxalsäure, Malonsäure und ihre Homologen, deren Anhydride
ein drei- bezw. viergliedriges Ringsystem enthalten würden, sind zur
Anhydridbildung überhaupt nicht fähig. Dagegen tritt die Anhydrid-
bildung leicht bei der Bemsteinsäure und der Glutarsäure sowie den
sämmtlichen alkylirten Homologen dieser Säuren ein, da sie hier wieder
die Bildung der Complexe:
C
f/ ^r C C
0
zur Folge hat. Die Adipinsäure dagegen, die ein Anhydrid mit sieben-
gliedrigem Ringe liefern würde, zeigt die Erscheinung der Anhydrid-
bildung nicht mehr, ebenso wenig die PimeUnsäure etc.; die Neigung
zur Ringschliessung verschwindet demnach, wenn weniger als zwei und
mehr als drei Kohlenstofi'atome die Carboxylgi'uppen trennen.
In den verschiedensten Körperklassen also — bei den Glykolen, Di-
aminen, Dicarbonsäuren, vgl. ferner die Oxysäuren (£ap. 29), Amidosäuren
(Kap. 31) — trefi'en wir zahlreiche Belege für die allgemeine Gültigkeit
der Erscheinung, dass gerade Ketten von 4 oder 5 Kohlenstoffatomeii
besonders leicht durch ein Sauerstoffatom oder ein Stickstoffatom zu
einem ringförmigen Complex geschlossen werden. Wir finden sofort
* Vgl. Anschütz, Ann. 226, 1 (1884). — Vgl. auch Markownikow, Bor. 13.
1844 (1880).
2 VoLHARD, Ann. 267, 51 (1892).
und Imiden aiis Dioarbonsäuren,
648
eine Erklärung dieser höchst interessanten Thatsache bei Berück-
sichtigung der räumlichen Verhältnisse des Kohlenstoffatoms^ (vgl. S. 88).
Wenn man an den untenstehenden Zeichnungen oder besser am Modell
die Systeme von 2, 8, 4 und 5 Kohlenstoffatomen ohne Ablenkung der
Valenzen in denjenigen Configurationen, die dem Ringschluss am günstig-
sten sind, betrachtet, so erhellt, dass die Bindestellen der endständigen
Eohlenstoffatome beim Zwei- und Dreikohlenstoffsystem ziemlich entfernt
von einander sind, während sie beim Vierkohlenstoffsystem zwischen sich
nur noch etwa soviel Raum, wie von einem Kohlenstoffatom beansprucht
wird, lassen und beim Fünfkohlenstoffsystem fast zusammenfallen. Denken
wir uns nun die beiden endständigen Kohlenstoffatome durch ein mehr-
werthiges Atom von dem Kohlenstoffatom ähnhchen Dimensionen ver-
bunden, so wird dies beim Zwei- und Dreisystem nur unter starker
Ablenkung der Valenzen möglich sein, beim Viersystem aber gar keine,
beim Fünfsystem nur eine geringe Ablenkung erfordern. Aus der Ueber-
einstimmung dieser Ueberlegung mit der oben besprochenen Gesetz-
* Vgl. WisLicEMus, Abhdlgn. d. kgl. sächs. Gesellsch. d. Wiss., 24, 67 (1887).
- V. Meysr, Ber. 23, 614 (1890).
41*
644 Ooccdscmre.
mässigkeit kann man auch mit Wahrscheinlichkeit folgern, dass die Di-
mensionen des Sauerstoflfatoms und Stickstoflfatoms nicht von anderer
Ordnung wie diejenigen des Kohlenstoffatoms sind.
I. Oxalsäure (Kleesäure): G^B^O^ = COaH-COjH .
Die Oxalsäure gehört zu den am frühesten bekannt gewordeneu
organischen Säuren; schon am Beginn des 17. Jahrhunderts war das
Vorkommen ihres sauren Kaliumsalzes im Sauerklee (Oxalis) beobachtet;
näher charakterisirt wurde die Säure 1773 von Savaby, 1776 von Schekle
und Beegman, 1779 von Wiegleb.
Oxalsäure ist in Form ihrer Salze — namentlich als saures Kalium-
salz und Calciumsalz — im Pflanzenreiche sehr verbreitet; so findet sie
sich im Sauerklee, Sauerampfer, Rhabarber, in fast allen Pilzen etc.
Calciumoxalat ist ein überall vorhandener Bestandtheil der Zellwände
und findet sich auch häufig im Inneren der Zellen krystallisirt ab-
gelagert ^.
Eine Reihe von theoretisch interessanten Bildungsweisen fuhrt von
einfach constituirten Substanzen zur Oxalsäure. Man erhält ihre Alkali-
salze beim Ueberleiten von Kohlensäure über Natrium und Kalium^ bei
etwa 360*^ durch directe Vereinigung:
2C0j + Na, = NaOCO-COONa.
Erhitzt man die Älkaliformiate unter möglichstem Abschlüsse der Luft
stürmisch über 400**, so entstehen unter Wasserstoffentwickelung die
Oxalsäuren Salze in sehr reichlicher Menge ^ (vgl. S. 318):
2H.C0.0Na = 2H + CO,Na.CO,Na.
Auch durch Oxydation mit Salpetersäure entsteht aus Ameisensäure
unter gewissen Bedingungen Oxalsäure*. — Das Cyan N:C-C:N kann
als Nitril der Oxalsäure aufgefasst werden und liefert dementsprechend
unter der Einwirkung verseifender Mittel Oxalsäure bezw. Oxamid^. —
Aus Perchloräthan Gfil^ (8. 556) entsteht Oxalsäure durch längeres
Erhitzen mit Kali®.
Die Oxalsäure ist die höchste Oxydationsstufe des Complexes zweier
Kohlenstoffatome; man beobachtet daher sehr häufig ihre Bildung, wenn
complicirtere organische Verbindungen durch kräftige Oxydations Wirkungen
in kleinere Bruchstücke zerfallen, z. B. bei der Oxydation der Zucker-
arten mit Salpetersäure^.
^ Ueber Bildung der Oxalsäure in der Pflanze vgl. Habtig, Liehrb. d. Anat u.
Physiol. der Pflanzen (Berlin 1891), S. 51—52. — Wehmer, Ann. 269, 383 (1892).
" KoLBE u. Drechsel, Ann. 146, 140 (1868).
» Merz u. Wetth, Ber. 15, 1507 (1882V * Ball6, Ber. 17, 9 (1884).
* Vgl. Liebio, Ann. 113, 246 (1860). — Sohmitt u. Glutz, Ber. 1, 66 (1868). -
VoLHARD, Ann. 158, 118 (1871). — Radziszewski, Ber. 18, 355 (1885).
« Geüther, Ann. 111, 174 (1859). ' Vgl. Thompson, Jb. 1847/48, 498.
Oxaiaäare,
Auch unter der Einwirkung schmelzender Alkalien biL
säure ans vielen organischen Verbindungen durch Spaltuü
lieber Menge aus Cellulose, Stärke, Kleie'. Hierauf ber
übliche technische Darstellungsmethode* der Oxalsäure;
^tiirke Kalilauge so viel Sägespähne ein, dass ein dicker
der nun auf eisernen Platten ausgebreitet und allmäblii
Temperatur erhitzt wird; die Schmelze wird dann mit
gelaugt, aus der Lösung durch Kochen mit Kalkmilch ux
niedergeschlagen, und aus letzterem durch Zersetzung mit
die freie Oxalsatu'e gewonnen. Man kann bei dem Schm
Aetzkali nicht vollständig durch Äetznatron ersetzen; es ist
worden, ein Gemisch der beiden Alkalien zu verwenden;
man allgemein lediglich mit Aetzkali zu arbeiten.
Aus Wasser krystallisirt. stellt die Oxalsäure farbh
Pnsmen dar und enthält 2 Mol. Krystallwasser, die bei 1(
ülier Schwefelsäure entweichen. Die krystallisirte Oxalel
hei 101 -5". Die wasserfreie Säure* kann bei vorsieht!
tlieilweise unzersetzt sublimirt werden; bei stärkerem Er
sif in Kohlensäure und Ameisensäure bezw. Kohlensäun
und Wasser' (vgl. S. 316); im Capillarröhrchen schmilzt'
Sie zieht begierig Wasser .an und kann daher als wassi
Mittel benutzt werden^ {vgl. S. 31" die Darstellung wasserfi
säure). lüO Th. Wasser lösen' bei 20" 8-8 Th. Oxalsäur
freie Säure berechnet), 100 Th. absol. Alkohol bei 15" 2c
Tli. Aether 1-27 Th. In grösseren Gaben wirkt Oxalsäui
Durch Erhitzen mit concentrirter Schwefelsäure zerfi
in Kohlensäure, Kohlenoxyd und Wasser. Die vollständ
m Kohlensäure wird durch kochende Salpetersäure nur
Wwirkt, dagegen erfolgt sie momentan bei Behandlung m
nianganat in schwefelsaurer Lösung — ein Umstand, der 1
der Maassanaijse benutzt wird.
In der analytischen Chemie wird Oxalsäurelösung als
ilir Ammonsalz als ßeagens benutzt. Technisch wendet n
und einige Salze derselben als Beizen in der Druckerei und
von ihren Salzen sind praktisch am wichtigsten das saure K
neutrale Kaliumsalz (zur Herstellung des ,.Eisenoxalatentw
S. 64H] gebraucht) und das Antimonoxydkaliumoxalat.
' V^l. PoeaoK, Compt. rend. 47, 207, 648 11856).
' Vgl, Tboks. J. pr. 12] 8, 182 (1814).
' Rambbuoer u. Altbaubse, Ber. 21, 1901 Aom. 1^1888).
' Vg]. V:lliek8, Bull. 33, 415 (1880). * Lorin, Ber. 9, 638 ■
' Vgl. AkscbOtz, Ber. 17, 1078 (1884).
' BoPMOiK, Bull. 29, 243 (ISIS). — Miczvn8ki, Monatali. 7, 25.
646 Oxalsäure Salze (Oxalate),
Von den Salzen der Oxalsäure^ (Oxalaten) sind nur die der
Alkalien in Wasser erheblich löslich. Charakteristisch ist bekanntlich
das in Wasser und Essigsäure unlösliche, in Salzsäure lösliche Galcinm-
salz GaCjO^, dessen Fällung als Reagens auf Kalk einerseits, auf Oxal-
säure andererseits benutzt wird.
Neutrales Kaliumoxalat C,K,04 + H,0 löst sich in 3 Th. Wasser von 16«.
Das aus vielen Pilanzensftften gewinnbare saure Kaliumoxalat C^HKO« bedarf
26 Tb. Wasser von S^ zur Lösung. Das im Handel befindliche Klee salz, welches
früher aus Pflanzensäften dargestellt wurde, heute durch partielle Neutralisation ?on
Oxalsäure mit Kaliumcarbonat erhalten wird, besteht gegenwärtig meist aus über-
saurem Kaliumoxalat' C^HKO« . CtH^O« + 211,0; man verwendet es bekanntlich
zur Entfernung von Tinten- und Eostflecken, seine Wirksamkeit beruht auf der
Bildung löslicher Kaliumeisenoxalate.
Die Natriumoxalate sind schwerer löslich; saures Natriumoxalat
C'^HNaO^ + HgO bedarf 67- 5 Th. Wasser von 10 ^ zur Lösung.
Silber Oxalat C^AgsO« ist in kaltem Wasser nur sehr wenig, in heissem Wasser
etwas mehr löslich; erhitzt man es vorsichtig, so beginnt es bei 100^ sich zu zer-
setzen und hinterlässt bei 150^ reines metallisches Silber; bei plötzlichem Erhitzen
detonirt es (vgl. S. 483).
Kaliumantimon Oxalat wird in der Färberei als Antimonbeize verwendetV
Kalium ferrooxalat^ KtFeCCfO«), -f H,0 besitzt ein ausserordentlich kräftiges
Keductionsvermögen; so reducirt es Platinchlorid und Silbemitrat vollständig zu
Metall; hierauf beruht die Wirksamkeit des für photographische Zwecke sehr viel
gebrauchten „Eisenoxalatentwickelers*S der durch Vermischen der Lösungen von
Eisenvitriol und neutralem Kaliumoxalat bereitet wird.
Zahlreiche Doppelsalze, wie z. B. KeFojCCjOJe + öHgO, KeCr,(C,04)6+ 6IL0.
K3Cr2(C204)4 + 10H,0, leiten sich vom Ferrioxalat und vom Chromioxalat ab;
sie sind als Salze complexer Säuren^ — Eisenoxalsäure, Chromoxalsäure — anfinifasBen.
Derlyate der Oxalsäure. In der Tabelle Nr. 34 auf S. 647 sind
mehrere Derivate der Oxalsäure zusammengestellt.
Das Chlorid der Oxalsäure Gl -CO «CO -Gl kann nicht in gewöhnlicher Weise
aus dem Säurehydrat bereitet werden; Phosphorpen tachlorid zersetzt die Oxalsäure
unter Entziehung von Wasser in Kohlensäure und Kohlenoxyd ^, indem es selbst in
Phosphoroxychlorid übergeht (bekanntlich eine Darstellungsmethode des Phosphor-
oxychorids). In unreinem Zustand ist neuerdings Oxalylchlorid durch Einwirkung von
Phosphorpentachlorid (2 Mol.) auf Oxalsäurediäthylester (1 Mol.) gewonnen worden*.
Ein 'Anhydrid der Oxalsäure ist nicht bekannt.
* Vgl. besonders: Soüchay u. Lenssen, Ann. 99, 81 (1856); 100, 308 (1856);
102, 35, 41; 103, 308 (1857); 105, 245 (1858). — Alluard, Ann. 185, 292 (1865). -
— StIdeler, Ann. 151, 13 Anm. (1869). — Svensskn, Ber. 3, 314 (1870). — Colliw,
ebenda, 315. — Nichols, Ghem. News 22, 14, 244, (1870). — Franz, J. pr. [2] 5, 302
(1872). — Clarke, Ber. 14, 2232 (1881). — Salzer, Ann- 223, 13 (1884). — Werker.
Journ. Soc. 51, 383 (1887); 53, 404, 602 (1888). — Seuhert u. Rauter, Ber. 25,
2821 (1892).
^ Vgl. BiscHOPF, Ber. 16, 1347 (1883).
» Vgl. Jb. 1886, 2183, 2184; 1888, 1747.
* Vgl. Eder u. Valekta, Jb. 1880, 324. — Eder, Ber. 13, 500 (1880).
^ Vgl. auch P^cHARD, Oompt. rend. 108, 1052 (1889) über Oxalmolybd&nsäure.
Gerhardt, Ann. 87, 67 (1853). ^ Fauconnier, Compt rend. 114, 122 (1892j.
Derivate der Oxalsäure,
647
Unter den neutralen Estern ist das leicht krystallisirbare Dimethyloxalat
CiO^ffiH^)^ hervorzuheben, das mit Vortheil zur Gewinnung von reinem Methylalkohol
ivgL S. 154) benutzt wird. Im Gegensatz dazu ist das Diäthyloxalat C204(C,H5),
bei gewöhnlicher Temperatur flüssig (vgl. S. 150, 167).
Tabelle Nr. 34.
Name
II
Formel
Spec.
Gewicht
Hmethyloxalat»-» .... I CHj.O.CO.CO.O.CHg
Hithylojuüat «-^^'-hmut ' q^jj^ . 0 - CO • CO • 0 • CjHj
c,Hb.o.co.co.oh
CsH^OCOCOCl
lethyloxalsÄure**"?"'***^ .
„ -Chlorid »•-"•"
Hehlorglykolsänrefithyl-
e?ter" 'CjHj.OCCljCO.O.CjHs
'etrafithylhalborthooxalat" i (CjH^ • 0)^0 • CO • 0 • C^Hg
ymmetr. Dimethylox- !
amid «-i»- «•»« ! CHg • NH • CO • CO • NH • CH,
Diäthylox- |
amid«»~"w .
^xaminsäure •*""'*••*• . .
„ -äthylester (Ox-
amäthan) i»-»-»*— >»•**•*» .
Kmethyloxaminsfture-
äthylester****'
)i&thyioxaminaftureäthyl-
ester"*^»«
>xal-imidoÄthyläther" . .
hal-ainidoxim*<^-^"" . .
CjHg.NH.COCONHCjHs
NHj.CO.COOH
NHjCO-CO.OCA
(CH8),N.CO.CO.O.C,H5
(C,H5)5,N.CO.CO.O.C,H5
(C,H60)(NH:)C.C(:NHX0.CjH5)
(NH, . XOH N : )C . C( : N . OHX • NH2)
+ 54«
flüssig
+ 217*»
179<>
210<»
114—115'^
ca. +25<^
196 <>
163«
185«
11 7« (15mm)
135—136«
84« (10mm)
98 «(12 mm)
242—245«
253—254«
ca. 170«
1-148(54«)
1. 086 (15«)
1.217(20*0
1-222(20«)
1-232(20«)
1-002(20«)
Citate zu der Tabelle Nr. 34: * Eblenmeteb, Jb. 1874, 572. — * Mala-
üi-n, Ann. 82, 49 (1839); 37, 66 (1841). J. pr. 37, 430 (1848). — " Cahoubs, Ann.
64, 313 (1848). — * Pübdie, Ber. 20, 1555 (1887). — * Wegeb, Ann. 221, 86 (1883). —
« WuRTZ, Ann. eh. [3] 30, 464, 490 (1850). — ^ Löwio, J. pr. 83, 129 (1861). —
^ Cahoubs u. Dehabcat, Compt. rend. 83, 688 (1876). — « Düvillier u. Buisine, Ann.
eh. [5] 23, 296 (1881). — ^« Schatzky, Ber. 18 o, 221 (1885). - " Brühl, Ann. 208,
27 (1880). — " Pebkdi, Joum. Soc. 45, 508 (1884). — " Eohis, Ber. 4, 580 (1871).
- '* Debüs, Ann. 166, 109 (1872). — " Mitscheblich, Pogg. 33, 332 (1834). —
" Ahschütz, Ber. 16, 2412 (1883). Ann. 264, 1 (1889). — " Henry, Ber. 4, 599
(1871). — " E. Fischer, Ann. 215, 296 (1882). — *« Franchimont, Reo. trav, chim.
2, 96 (1883); 4, 196 (1885). — «« Mylius, Ber. 17, 291 (1884). — »* Henry, Compt rend.
100, 946 (1885). — " A. W. Hopmann, Ber. 3, 779 (1870). — " Wallach, Ann.
184, 7, 33, 50. 70 (1877). — ** Schipp, Ber. 17, 1034 (1884). — " Balard, Ann. 42,
196 (1842). — " ToussAiNT, Ann. 120, 237 (1861). — «^ Coppet, Ann. 137, 105 (1866).
— » Engel, Compt rend. 79, 808 (1874). — *« Enqström, J. pr. 68, 433 (1855). —
^ Bacaloolio, J. pr. 81, 379 (1860). — ^^ Ost u. Mente, Ber. 19, 3229 (1S86). —
" V. Pecbmann u. Wehsarg, Ber. 21, 2990 (1888). — " Oelkers, Ber. 22, 1566, 2385
(1889). — »* Dumas u. P6liqot, Ann. 15, 46 (1835). — ** Weddiqe, J. pr. [2] 10,
196 (1874). — w A. W. Hofmann, Jb. 1861, 495; 1862, 329. — »^ Ladenburo, Ber.
14, 2130 (1881). — «« Wallach, Ann. 214, 268 (1882). — »« Pinner u. Klein, Ber. 11,
648 Derivate der Oxalsäure,
1481 (1878). — *<^ E. FiscHEB, Ber. 22, 1931 (1889). — ** Tikmann, Ber. 22, 1936,
2942 (1889); 24, 801 (1891). — " Ephraim, Ber. 22, 2306 (1889). — *» Zinkeisen, ebenda,
2946. — " Dumas, Ann. eh. \2] 54, 241 (1838). — ^^ Liebio, Ann. 9, 131 (1834). -
** Mathieu-Plessy, Compt. rend. 109, 653 (1889). — *' Lewy, J. pr. 37. 482 (184(1.
— " Ostwald, J. pr. [2] 32, 371 (1885). — *» Lossen u. Köhler, Ann. 262, 2o2
(1890). — *<^ Peratoner u. Strazzeri, Ber. 24c, 574 (1891). — ®^ Claisen u. Zedel,
Ber. 24, 127 (1891). — " Vorlander, ebenda, 810.
Die EstersSuren (Alkyloxalsäuren), wie CjHs-OCO.COOH, erhält man
neben den neutralen Estern duich Einwirkung von entwässerter Oxalsäure auf Al-
kohole; aus den neutralen Eltern erhält man durch Erwärmen mit concentiiiter
Kaliumacetatlösung leicht die Kaliumsalze der Estersäuren. Die Estersäuren sind
wasserhelle Flüssigkeiten, welche in Berührung mit Wasser in Oxalsäure und Alkohol
zerfallen, unter vermindertem Druck unzersetzt destillireu, dagegen durch Destillation
bei gewöhnlichem Druck unter Bildung von Ameisensäureestern und neutralen Oxal-
säureestem zersetzt werden.
Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid (1 Mol.) auf die neutralen Oxal-
säureester (1 Mol.) wird ein Sauerstoffatom durch zwei Chloratome ersetzt, und e?
entstehen die unter vermindertem Druck destillirbaren Dichlorglykolsäureester.
wie CgHg-O-CClg-CO'OCjHj. Letztere liefern bei der Destillation unter gewölin-
lichem Druck durch Abspaltung von Chloralkyl die Chloride der Alkyloxal-
säuren, wie Cl-CO-CO'OCjHj, andererseits durch Einwirkung von Natrium-
alkoholaten Halborthooxalester, wie (CjHs-OljCCO.O-CjHg.
Das Nitrll der OxslsKnre CN-CN ist das später zu besprechende Cyan (Kap. 401.
Oicamid^ NHg-CO-CO-NHj entsteht aus dem Cyan durch Wasseranlagerong,
umgekehrt aus dem Ammoniumoxalat durch Wasserabspaltung (beim Erhitzen). Es
stellt ein weisses, lockeres, krystallinisches Pulver dar, das in Wasser, Weingeist und
Aether fast ganz unlöslich ist; bei 7-3° bedarf es 2700 Th. Wasser zur Losung.
Beim Erhitzen über 180' sublimirt es zum Theil unzersetzt, ohne vorher zu schmelzen:
zum Theil zerfällt es in Cyan und Wasser.
Die alkylirten Oxamide sind viel löslicher, so löst sich symmetr. Dimethyl-
oxamid bei 9° in 41 Th. Wasser.
Oxamiusänre (vgl. d. Tabelle auf S. 647) XH^- CO- CO- OH wird durch Erhitzten
von saurem Ammoniumoxalat erhalten ; sie stellt ein weisses lockeres Pulver dar, das
in 71 Th. Wasser von 14° löslich, in absolutem Alkohol und Aether fast unlöslich ist.
Ihr Ammoniumsalz — in kaltem Wasser wenig löslich, prismaüscheKrystalle — ent-
steht durch Kochen von Oxamid mit wässrigem Ammoniak. — Ihr Aethylester
(Oxamäthan) NH^ • CO • CO • 0 • CjHs wird durch Einwirkung von alkoholischem Am-
moniak auf Oxalsäureester erhalten.
Alkyl-Derivate des Oxamids und Oxaminsäureesters (vgl. Tabelle)
entstehen durch Einwirkung von primären und secundären Aminen auf Oxalsäureee>ter
und können zur Trennung der Amine verwendet werden (vgl. S. 281).
Auf die symmetrisch dialkylirten Oxamide wirkt Phosphorpentachlorid^ zunficliat
wohl unter Bildung von Amidchloriden ein, z. B.:
1 Dumas, Ann. eh. [2] 44, 129 (1830); 54, 244 (1833). — Likbio, Ann, 9, VI.
129 (1834); 118, 246 (1860). — Playpair, Jb. 1849, 293. — Dessaignbs, Ann. 82,
233 (1852). ~ Geüther, Ann. 109, 72 (1859). — Toüsi>aint, Ann. 120, 238 (ISHl).
— Attfield, Ann. 128, 128 (1863). — Scheitz, Marsh u. Geuthbr, Ztschr. Chem.
1868, 302. — Radziszewski, Ber. 18, 355 (1885). — Henry, Compt. rend. 100, 948
(1885). — Matthieu-Plessy, Compt. rend. 109, 653 (1889).
* Wallach, Ann. 184, 33 (1877); 214, 257 (1882).
Derivate da- Oxalsäure.
CO-NH-CH, CCU-NH-CH,
I -—*- I
CONHCH, CCljNHCH,
lit! aber sehr leicht drei MolecOle BalzBSnre verlieren und in cl
- .,ChloroxaUne" — übei^ehen; so entsteht aaa Dimethyloiamid
jiethylin C4HJCIN,. Die Ghloroxaline liefern bei der Redaction 11
jiiter Austausch des Halogenatoma gegen Wasseratoff Olyoxaline 1
Ihloroxalmethylin z. B. Methjlglyoialin (\HjX, = , >CH.
CH-N<
CO.
Eine Subalanz von der Zusamnieusetzung dea Oxalimids' | y
Erhitzen von O:iamins&ore mit Phosphorpenlaehlorid oder Pbosp]
halten. Bie kryatalliairt in schön ausgebildeten, stark glänzenden, fa
ift in kaltem Wasser sehr wenig löslich, in heissem mehr, leichter
moniakwasaer, reagirt neutral, wird durch Kochen mit Wasser ra»
vciQ Oxamid und Oxalsäure zereetzt und UefeiC mit eoucentrirtem wfisi
tfiamid. Das Mo lecularge wicht dieser Verbindung ist noch nicht
daher nicht ausgeschlossen, dass in ihr ein Polymeres des Oialimidt
Das TUokmld der Oxalsäure CSNH^CSNH, entsteht du
von Cyan mit SchwefelwaBBerstoff und ist Rubeanw assers tof:
bildet kleine gelbrothe, glänzende Krystalle, ist in Wasser kaum, in
in verdünnten Alkalien leicht löslich; das Natriumsab ist anfangs
sich aber beim Liegen an der Luft raacb.
Durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf überschüssige
naveanwasscratoff CNCSNH, - halb NJtril, halb Thioamic
die Substanz krjBtallisirt aus Chloroform in gelben, 6achen Nadeln.
II. Malonsäurc and ihre Homologen.
Die Malonsänre CjH^O^ = COjH-CHjCO.H (Metl
säure) ist zuerst von Debsaiqnes* 1858 bei der Oxjdatii
säure mit chromsaurem Kalium beobachtet worden und hi
Namen erhalten. Natürlich gebildet findet sie sich im R
iliter Darstellung (Näheres vgl. S. 650} geht man stets '
■äure aus*, als deren Carboxylsubstitutionsprodutt die J
trachtet werden kann; man verwandelt Essigsäure in i
ilerivat, setzt letzteres mit Cyankalium um und veneift
t'yauessigsäiire, welche man übrigens nicht zu isoliren bri
' Ost u. Mentb, Ber. 19, 322B (1866).
' WOuLBB u. LtEBiQ, Pogg. 24, 167 (1832). — Voelckel, Ann
- WoLmEB, J. pr. [2] 29, 129 (1S84). — Wallach, Ber. 13, 529 (1
'iii IIS9I). — EpBKiJx, Ber. 22, 2305 (1889). — Foemanek, ebenda,
' VoBLCKEL, Ann. 3B, 919 (1841). — AnbcbI'tz, Ann. 264, 262
' Ann. 107, 251. ' v. Lippkann, Her. 14, 1183 11881).
' KoLBE. Ann. 181, 348 (1964). — H. MOLlkb, ebenda, 360.
650 Malonsäure und
CH3 CHjCl CHj.CN CHjGO.H
CO,H CO,H COaH COjH
Essigsäure Chloressigs. Cyanessigs. Malonsäure
diese Reactionen stellen nur einen speciellen Fall der allgemeinen Me-
thode dar, WasserstoflFatome durch Carboxylgruppen zu ersetzen. —
Theoretisch interessant, aber praktisch bedeutungslos ist auch der folgende
Weg^ von der Essigsäure zur Malonsäure, welcher die Einfuhrung der
zweiten Carboxylgruppe durch Einwirkung von Kohlensäure selbst gestattet;
Essigsäure giebt, mit Anilin NHg • C^Hg erhitzt, Acetanilid CH3 • CO • NH- C^Hg
(Phenylacetamid), das leicht in die Natriumverbindung CHgCO-NNa-CgH.
übergeführt werden kann; das Natriumacetanilid absorbirt nun in der
Kälte Kohlensäure unter Bildung von acetylphenylcarbaminsaurem Natrium:
/CO-CHg /CO-CHs
^Na \CO,Na
und letzteres Salz lagert sich beim Erhitzen auf 130 — 140^ derart um,
dass die Carboxylgruppe in den Acetylrest eintritt;
.CO • CHg /CO • CH, • CO.Na
CeH,.N<; >- CeH,N<;
\CO,Xa \H
es entsteht malonanilsaures Natrium, das durch Verseifung Anilin und
Malonsäure liefert.
Darstellung' von Malonsäure bezw. Malonsäurediäthylester. Eine
Lösung von 100 g Monochloressigsäure in 200 com Wasser wird mit 76 g Kaliom-
carbonat neutralisirt, dann mit 75 g Cyankalium von 98 ^/q versetzt und bis zum Ein-
treten der ziemlich lebhaften Reaction erwärmt. Handelt es sich nun um die Dar-
stellung der freien Säure, so versetzt man mit dem doppelten Volum concentrirter
Salzsäure, sättigt das Gemisch mit gasförmiger Salzsäure, giesst vom Chlorkaliam
und Chlorammonium ab, dampft im Wasserbade ein und entzieht dem Rückstand
die Malonsäure durch Aether. Will man dagegen den Ester gewinnen, so dampft
man das Reactionsgemisch, welches Chlorkalium und cjanessigsaures Kalium enthält auf
dem Sandbade unter Umrüliren ein, bis ein in die Salzmasse tauchendes Thermometer
ca. 185° zeigt, pulvert nach dem Erkalten, übergiesst mit Alkohol (Vs des Grewichts
der Salzmasse), sättigt unter Erwärmen im Wasserbade mit Chlorwasserstoff, giesst
dann nach dem Erkalten in Eiswasser und schüttelt den Malonsäureester mit Aether
aus; aus der ätherischen Lösung gewinnt man, nachdem sie gewaschen und g^
trocknet ist, durch Verjagen des Aethers den Malonsäureester, welcher durch Reeti-
fication gereinigt wird.
Malonsäure krvstallisirt in triklinen^ Tafeln und schmilzt bei 133 bis
134^; erhitzt man sie im Vacuum auf eine den Schmelzpunkt nicht völlig
^ Seipfert, Ber. 18, 1358 (1885).
» FiNKELSTEiN, Ann. 133, 339 (1865). — Franchimont, Ber. 7, 217 (1874V -
Grimaux u. Tscherniak, Bull. 31, ."338 (1879). — v. Miller, J. pr. [2] 19, 326 (1879).
— Conrad, Ann. 204, 121 (1880). — Bourqoin, Bull. 33, 572 (1880). — Claisex
u. Venable, Ann. 218, 1^1 Anm. (1883).
* Heintzel, Ann. 139, 131 (1866). — Haushofer, Jb. 1880, 781.
Malonsäweeat^. 661
rreicliende Tempei-atar, so subliniirt sie zum Theil unTerändert '. 100 Th.
iVasser lösen bei 16* 138 Th. Säure"; auch in Alkohol ist sip !«><>.>>(
üslich.
Gegen Temperaturen, die nur wenig ihren SchmelzpunI
-teigen, ist Malonaäure nicht beständig; auf etwa 140—150*
{ersetzt sie sich unter Aufschäumen und wird glatt in Kohlensi
E^säigsävtre gespalten:
CO,HCH,-CO,H = CO, + H.CH,CO,H .
Eine analoge Spaltung erleiden alle Homologen der Malonsi
steht demnach offenbar im Znsammenhang mit der Stellung de
Carboxylgruppen zu einander. Zwei Carboxylgruppen köi
einem und demselben Eohlenstoffatom bei höheren T*
tureii nicht haften.
Von concentrirter SalpeteraÄure wird Maiansfiure schon in der Kulte
Wickelung von 2 Mol. Kohlensäure zersetzt*.
Die Malonsänre erlangt besonderes Interesse und grosse
keit durch das eigenthümliche Verhalten ihrer Ester. In dense
uämlich die beiden in der mittelständigen Methylengruppe bei
W assers to ffatome , durch die Stellung zwischen den beiden (
gnippeu. ähnlich wie dies schon bei den Nitroverbindungen (S.
Poljsulfonen (S. 420, 573) hervorgehoben wurde, selbst ,,ac
Diese Wasserstoffatome können demzufolge durch Natrinmatc
treten werden — Natrium entwickelt aus Malonsäureester bei
badwärnae energisch Wasserstoff. Da die Natriumverbindungen
Olganischen Halogenverbindungen in sehr glatter Weise doppi
>etiiHngen eingehen, wie z. B.:
(C,H,0-CO),CHNa + JCH, = NaJ + (C,H50.C0),CH-CH,
iC,H,-0.00),CHNa + C|.CH,-CO,-C,Hs = NaCl + (C,HjO-CO),CH.CHj.
Ml bietet der Malonsäurediäthylester einen vortrefflichen Äusga
lur Synthesen organischer Säuren. Seit Conkad* zuerst im J
ati die Untersuchungen über die in ganz analogen Verhältni
gründeten Aceteasigestersynthesen (vgl. Kap. 39) von dieser ^
liarkeit des Malonsäureesters umfassenden Gebrauch machte
ilieser Ester zu den meistbenutzten Hülfsmitteln bei organisi
beiteu, TJeber die Ausführung der Malonsäureesterreactionen i
^. 655. — Auch durch Einwirkung eines Gemisches von Z
ilixialkylen * auf Malonsäureester lassen sich solche Synthesen 1
' Krafpt u. Noebdunoeb, Ber. 22, 816 (188B|.
' BotTHooiN, Bull. 33, 423 (1880). — Miczvnski, Monatsh. 7, 258 (188
' FaiNCHiMONT, Rec. trav. cliim. 3, 422 (18Sil.
' Vgl. Ann. 204, 127 (18B0|.
' Daimler, Ber. 20, 203 (18871. Ami. 249, 173 (1888). — Fükth, M
Kj, Ber. 21i:, 57 (18S8).
652 CJonstitution des Nairiummalonsäureesters,
Die hier benutzte Auffassung von der Constitution der Natrium-
Verbindungen des Malonsäureesters und ähnlicher Natriumverbindungen,
die sich auf die Annahme stützt, dass unter gewissen umstanden aL
Kohlenstoff gebundene Wasserstoffiatome durch Natriumatome vertretbar
werden, besitzt den Vorzug, die Umsetzungen dieser NatriumverbindungeL
in sehr einfacher Weise zu erklären. Sie ist viele Jahre hindurch fa^
widerspruchslos der Interpretation der betreffenden Erscheinungen ^ü
Grunde gelegt worden.
In neuester Zeit wird sie von einigen Autoren bekämpfte. Für die
Natriumverbindungen des Malonsäureesters wird von ihnen nicht die
gleiche Structur angenommen, wie für den Ester selbst; vielmehr s«»!!
die Bildung derselben auf der Addition von Natriumäthjlat und darauf
folgender Abspaltung von Alkohol im Sinne folgender GleichuDgLi
beruhen :
A„ \ONa I ^ONa
^^^ + CÄONa = CHj = CH + C^Hj-OH
CO.OCjHg cooaHB COOC.H,
COOCHs CvOCjHö C<
I " ! ^ONa i:^ONa
CH, + 2C,H5.0Na = CHj =0 + 2C,H6-OH.
I i /ONa II /ONa
CO-O-CÄ cC-O.CjHb 0<
\O.C,H, ^O.CjHs
Die Umsetzungen mit Halogenalkylen werden dann derart erklärt, da^^
zunächst Addition von Halogenalkyl, darauf Abspaltung von Halogen-
metall angenommen wird:
.OCA /O.C,H, /O.C.Hs
c< C:^ONa c<C
CH + CsHjJ = CHCjHs = ÖHC^Hß + NaJ .
COO.C.Hg COOCjHj COOCjHj
Aehnliche Annahmen, deren gemeinsames Merkmal darin besteht, dass
man die Metallatome als nicht an Kohlenstoff, sondern an Sauerstoff
(oder event. Stickstoff) gebunden betrachtet, werden zur Erklärung der
Metallverbindungen der Nitroäthane, des Acetessigesters (Kap. 39), des
Cyanwasserstoffs (Kap. 40) etc. vorgebracht.
Dem gegenüber muss betont werden, dass in Folge der Existenz der
Metallverbindungen der Acetylenkohlenwasserstoffe (S. 456, 459 — 46U),
deren Molecüle neben Kohlenstoffatomen nur die einwertliigen Wasser-
stoff- und Metallatome aufweisen und daher die Metallatome nur an
* Michael, J. pr. [2] 37, 496 (1888); 46, 194 (1892). — Nef, Ann. 266, «7.
113 (1891); 270, 330 (.1892).
Sähe utid Derivate der Modotisäure. 653
Kohlenstoff gebunden enthalten können, die Möglichkeit der Vertret-
barkeit von an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatomen durch Metall-
;itome unzweifelhaft feststeht.
Es muss aber andererseits zugestanden werden, dass die übliche Er-
klärung (S. 651), nach welcher in dem Malousäui-eester und ähnlichen Verbin-
dungen die an Kohlenstoff' gebundenen Wasserstoffatome sauren Charakter
durch die Nachbarschaft elektronegativer Gruppen erlangen sollen, keine
Hechenschaffc darüber giebt, warum z. B. Methylenchlorid CHgCIg nicht
m dem Malonsäureester analoges Verhalten zeigt.
Von den Salzen^ der Malonsäure sind nur die Alkalisalze leicht löslich. Das
Calciumsalz CaC3H204 — in kaltem Wasser fajst unlöslich — krystallisirt über 35®
in Schuppen mit 2 Mol. HjO und wird durch 20— 30-stündiges Erhitzen im Wasser-
stoflfetrom auf 135*^ wasserfrei. Das Bariumsalz BaCgHjO^ + 2HjO bildet glänzende
Prismen, ist in kaltem Wasser fast unlöslich, in heissem Wasser sehr wenig löslich
und verliert 1 Mol. H^O bei 100°.
BeriTate der Malonsäure. Malonylehlorld ' CH.2(C0C1), wird durch Ein-
Wirkung von Thionylchlorid SOCl, auf Malonsäure erhalten, stellt eine farblose
Flüssigkeit dar und siedet unter 27 mm Druck bei 58 ^ Ein Anhydrid der Malon-
sSure ist nicht bekannt.
MalonsSuredittthylester^ CHofCOj-CjHß), ist eine farblose, in Wasser unlös-
liche Flüssigkeit, siedet bei 198° und besitzt bei 15° das spcc. Gew. 1-061. Die
Mononatriumverbindung CHNaCCO^Hg^ erhält man in weissen glänzenden Kry-
Btallnadeln, wenn man zu dem Ester die äquivalente Menge Natriumäthylat in
10-procentiger alkoholischer Lösung zugiebt und einige Zeit in der Kälte stehen
ISsst. Versetzt man Malonsäureester mit der concentrirten alkoholischen Lösung von
2Aeq. Natriumäthylat, so erhält man die Dinatrium Verbindung CNaj(C08 • CaHj)^
als breiig gallertartige, rasch veränderliche Masse. Mit Jod in ätherischer Lösung
behandelt, liefert die Mononatriumverbindung nach der Gleichung:
(C0,-C,H6),.CHNa + 2 J = 2NaJ + (COjC2Hß)8CH.CH(CO,.C,H5),
Aethant«tracarbonsäureester, die Dinatriumverbindung den Aethylentetracarbonsäure-
ester (COg • C2H5)gC : CfCOj • C5H5)j . Erhitzt man die Mononatriumverbindung mit
Malonsäureester auf 120— 150 ^ so findet die Synthese eines Benzolderivats statt-
CAO.COCHNa CNaH.CO.OCjHj, C,Il5.0.C0.CNa CNa.COO.CjH«
CjHj.O.CO CO.O.C2H, =3CÄ.0H+ CO CO
/ ^^^
HCNa CNa
I I
CO-O-CiHs COO-CsHs
Natrium- Phloroglucin-
tricarbonsäureester.
* FiNKELSTEiN, Ann. 133, 338 (1865). — Haushoper, Jb. 1881, 699. — Miczynski,
Monatsh. 7, 259 (1886). — Massol, Compt rend. 108, 813 (1889).
* BtHAL u. AuoEE, Bull. 50, 631 (1888). — Auoer, Ann. eh. [6] 22, 345 (1891).
' PwiELSTBiN, Ann. 183, 349 (1865> — Conrad, Ann. 204, 121, 127 (1880).
- Hjelt, Ber. 13, 1949 (1880). — Perkin, Journ. Soc. 45, 508 (1884). — Bischofp
"^ Bach, Ber. 17, 2781 (1884). — Baeyer, Ber. 18, 3457 (1885). — Lang, Ber. 19,
2937 (1886). — Michael, J. pr. [2] 35, 449 (1887); 37, 478 Anm. (1888). — Franchimont
^Klobbie, Reo. trav. chim. 8, 283 (1889). — Nef, Ann. 266, 113 (1891).
654 Malonitnl, Gyanessigsäurey Malonumid,
Die gleiche Reaction tritt bei der Einwirkung von Zinkalkylcn auf den Malonsäare-
ester ein. — Natrium malonsfiureester wird durch Wasser sofort zersetzt; Malons&uiv-
ester löst sich daher — im Gregensatz zu Acetessigester (vgl. Kap. 39) — in wfijörigeu
Alkalien nicht auf.
MalonitriP CHj(CN)j (Methylencyanid) — aus Cyanacetamid CN-CHj-CO-
NHj (s. unten) durch Einwirkung von Phosphorpentoxyd gewinnbar — ist eine weisst-,
geruchlose, krystallinische Masse, schmilzt bei 29—30'', siedet bei 218— 219 ^ lö^t eich
leicht in Alkohol und Aether, weniger in Wasser und giebt mit ammoniakaliscber
Silbernitratlösung einen weissen, beim Erhitzen schwach verpuffenden Niederschlag
CAg,(CN),.
CyanessigsSnre' CN-CHs-COaH — das Zwischenprodukt bei der Darstellung der
Malonsäure (s. S. 649 — 650) — ist ein Halbnitril der Malonsäure. Die freie Sfture
bildet gut ausgebildete Riystalle, schmilzt bei 68^ und zerfallt durch Erhitzen aul'
etwa 1 65 ® in Kohlensäure und Acetonitril. Der Aethylester CN • CHj • CO, • CjHg (Siwle-
punkt 207 ^) liefert eine Natriumverbindung, welche analog dem NatriummalonsSureester
mit Halogenalkylen und Sfturechloriden reagirt, und kann durch Einwirkung von Ammo-
niak in Cyanacetamid CN-CHj-CO-NH, (Schmelzpunkt 118**) übergeführt werden.
Malonamid' CHgCCONH,), bildet silberglänzende Nadeln, schmilzt bei 1»^^
bis 170®, löst sich in 12 Th. Wasser von 8® und ist in absolutem Alkohol uod
Aether unlöslich.
Die Homologen der Malonsftnre können, wie die Malonsäure
selbst aus Essigsäure, so aus den höheren Fettsäuren gewonnen werdeu;
bei der Halogenirung der Fettsäuren unter bestimmten Bedingungen —
am bequemsten lässt sich die Bromirung ausführen — tritt das Ealogeu-
atom stets an das der Carboxylgruppe benachbarte Kohlenstoffatom (Tgl.
Kap. 28); wenn man demnach das durch directe Bromirung erhaltene
Bromdßrivat einer Fettsäure mit Cyankalium umsetzt und die cyanirte
Säure verseift, so erhält man eine homologe Malonsäure*, z. B.:
C3H7 C3H7 OjHy ^8^7
III 1
CHg CHj Clig Crij
i
I ^ I
Hs CHBr CH-CN CH— CO,H
III i
COJI CO4H COoH CO^H
^ Henbt, Compt rend. 102, 1394 (1886).
* KoLBE, Ann. 131, 848 (1864). — H. Müller, ebenda, 350. — Fikkelsteik, Ann.
133, 339 (1865). — Meves, Ann. 143, 201 (1867). — Wheeler, Ztschr. Chem. 1867.
69. — Moore, Ber. 4, 520 (1871). — van*t Hopp, Ber. 7, 1382, 1571 (1874). Jb
1875, 528. — Mulder, Bull. 29, 533 (1878). — Henry, Compt. rend. 102, 770, 13»:-
(1686); 104, 1618 (1887). — Haller, Compt. rend. 104, 1626 (1887); 106, 1088, llTl
(1888). — Cramer, Ber. 24, 1207 (1891). — Modeen, ebenda, 3437. - Muller, Compt
rend. U2, 1372 (1891).
' OsTERLAND, Ber. 7, 1287 (1874). — van't Hopp, Jb. 1875, 528. — M. Fekusp.
Ber. 17, 133 (1884). — Bischopf u. Bach, ebenda, 2795. — Franchimont, Rec. trav.
chim. 4, 199 (1885). — Henry, Compt. rend. 100, 944 (1885).
* Vgl. Byk, J. pr. f2J 1, 19 (1870). — Wislicenus u. ürech, Ann. 166, ^^
(1872). — Markownikow, Ann. 182, 329, 336 (1876). — Hell u. Lumpp, Ber. 17. 221T
(1884). — Hell u. Schule, Ber. 18, 624 (1885). — Franchi«iOnt n. Klobbie, Rec trav.
chim. 8, 285 (1888).
Hofnologe der Slalonsäure.
Viel häufiger abergeht man behufs Gewinnung der Homolo
MaloQSäure selbst aus und benutzt dieS. 651 — 652 besprochene
tahigkeit der Natriumderivate ihres Aethylesters. Für der
thesen • ist es nicht nothwendig, diese Natriumderivate zu iso
versetzt den Malonsäureester mit einer lOprocentigen alkoholisc
von 1 bezw. 2 Äequiv. Natriumäthylat , je nachdem mau i
dialkylsub8tituLri:e Malonsäureester darstellen will, giebt die
Menge des Halogenalkyts zu und erwärmt auf dem Wass
Rückflussk übler bis zum Aufhören der alkahschen Reaction;
der Alkohol verjagt, der Rückstand mit Wasser versetzt, d*
Malonsäureester mit Aether aufgenommen und durch Dest
reinigt. Will man zwei verschiedene Alkylradicale einfUhrei
man zunächst einen einfach alkylirten Malonsäureester dar
w-irft ihn wieder der Behandluog mit 1 Aeq, NatriumSthjlat
Halt^enalkyl. z. B.:
CO, ■ C,Hs CO, - C,Hj CO, ■ CjHs CO, . C,H,
; I I 1
CH, —>■ CHNa - — >■ CHCH, >- CNa-CH, ►
I 1 ! I
CO,-C,H, CO,-C,H, CO,.C,Hj CO,-C,H,
Aus den Estern gewinnt man die freien Säuren durch Tei
Alkalien und reinigt sie zweckmässig durch Vermittelung il
löslicbea Catciumsalze.
Die Homologen der Malonsäure sind fest, krystallinisch ui
nähme der sehr hochmolecularen Glieder in Wasser leicht '.
zerfallen zwischen 160 und 180" — zuweilen schon be
niedrigeren Temperaturen — in Kohlensäure und die entsprec
säure (Tgl. S. 651), z. B.:
C,H,CH(CO,H)ä = CO, + C,H;CHj-CO,H.
Die monoalkylirten Malonsäuren werden von conceutrirter Si
schon bei gewöhnlicher Temperatur unter Abgabe von 2 M
säure zersetzt, während die dialkylirten Malonsäuren mit 3i
nicht Kohlensäure entwickeln*.
Die folgende Tabelle Nr. 35 enthält eine Zusammenstellun
logen Malonsäuren, die hauptsächlich als Zwischenglieder b
these von Fettsäuren Interesse gefimden haben. Die Met
säure CH, ■ CH(CO,H)j wird wegen ihrer laomerie mit der
säure gewöhnlich Isobernsteinsäure genannt.
Citate zu der Tabelle Nr. 86 auf S. 656: ' Krafft, Ber. 17, 1
' Mtczihbki, Monateh. 7, 269 (1SS6). — ' H. MtfLLBB, Ann. 131, 3
' Ricmra, Ztachr. Chem. 1868, 452. — * Byk, J. pr. [21 1, 19 (1870). — ' K
Ber. 10, 409 (1877). — ' Züblik, Ber. 12, 1112 (1879). — ' Conrad
' CoKBAD. Ana. 3d4, 130 (1880).
' Frakchimüht, Rcc. trav. chim. 4, 393 (188Ö); 5. 281 (188(il.
656
Tabellarische lieber sieht über die Malonsäwehoniologen,
Tabelle Nr. 35.
Name der Säure
Formel der Säure
des Di&diylesters
Schmeb-
ponb
der Siopi
Methylmalonsäure *-»•". . . . CHj • CH(CO,II),
Aethylmalonsäure«-"-»-"-»*-»-^ CoH^ • CH(CO,H)s
Dimethylmalonsäure ••»<>•"•"•" (CH8),qC0,H),
Propylmalonsäure »•»«•»<>•"•»*••• ; C^U, • CH^ • CH(CO,H>i
laopropylmalonaäure »•••"•»* . . ; (CHa),CH.CH(C02ir),
199^ '1-021(15®)' 120-15(1
210''
196 <>
1-O12(15<0| 111'''
1.002(15<>)| 185-1*^'
Methyläthylmalonsäure^ .
222«! 0.993(15®)
214® 0-993(15*)
(CH3XC,H5)C(CO,H),
CjH, - CHa • CHs . CH(CO,H),
>CH.CH(C08H),
1219
213
1207— 208 ®|0-994(15®)
Batylmalonsäure'^ ....
Sec.-Butylmalonsäure " . .
Isobutylmalonsäure »*•"••* . . . (CH,)8CH.CH8.CH(COgH),
Diäthylmalonsäure«»®"-!«"-»« ;: (C,H5),C(C0,H),
Methylpropylmalonsäurew . . 1 (CH3)(C2H5CH5)C(C0,Hj,
Methylisopropylmalonsäure*®*' ( 'NCH )(CHa)C(C0,H;4
I' XCHj/ /
Pentylmalonsäure" (C,H5-CHj.CH2.CH8)CH(C02H),
laoamylmalonsäure»®" .... i(CH,),CH-CH,-CH,.CH((X),H),
233— 234 «10.988(15®)
%'
118"
101-5
0-983(17®)' IGT
-i
225
230® ,0-992(15®) 125
220—223®. —
IO6-IÖ:'
221® 0-990(15®)! 124'
Sea Hexylmalousäure'®. . . .
CH3
\
/
CH.CH(CO,H),
Dipropylmalonsäure" (CH, - GH, - CH,),C(CO,H),
Cetylmalonsäure »»1" CHj.(CH,)i6-CH(C0aH),
DioctylmaloDsäure ^
240—242®! —
251®
248—250®
Dicetylmalousäure ^^
CHj-(CHj)7
CH3-(CH2X6
CH3.(CH,X
^CO,H),
Nqco.Hj,
338—340®
0-896(18®)!
s2'
93*
84-S«^
15?
:.v
^ 86-:
Ann. 204, 143, 162 (1880). — • Perkin, Joum. Soc. 46, 510 (1884). — »® Francht-
MONT, Rec. trav. chim. 4, 203, 393 (1885)5 6» 281 (1886). — " FRANCHMoirr u. Klobbib.
ebenda, 8, 285 (1889). — " Wislicentjs u. übeoh, Ann. 165, 93 (1872). — " Tupoliw,
Ann. 171, 243 (1873). — ** Markownikow, Ann. 182, 329, 336 (1876). — " Cokbad,
Ann. 204, 134, 138 (1880). — »® Daimler, Ber. 20, 203 (1887). Ann. 249, 173 (1888).
— " B18CHOFF u. Haubdorfer, Ann. 239, 119 (1887). — " Freund u. Goldsmith, Ber
21, 1245 (1888). — " Thorne, Joum. Soc. 39, 543 (1881). Ber. 14, 1644 (1881> -
•® Täte, Dissertation (Würzburg 1879), vgl. Ber. 18, 852 (1885). — •* Fürth, Monatsh.
9, 308 (1888). — " Hell u. Lümpp, Ber. 17, 2219 (1884). — " v. Eombubgh, Bef.
Berasteinsäure.
trav. chim. 6, IM (1887). — ** Hjblt, Jb. 18S8, STB. — *> GIdthixit, Aon. «
236 (1881). — ** Sedxowbxi, Ber. 31o, 57 (1888). — *' v. SoMBinaB, Bec tni
K, 234 (1686). — *• Hell u. ScdOle, Ber. 18, 624 (1885). — *• Pau n. Hol
Ber. 23, 1498 (1890). — ** Lumdael, Ber. U, 789 (1888). — " Gdthzkit, Ann
357 (1880). — " PiHHEB. Ber. 16, 581 (1882). - •• Hku, n. Sadoiöiy, Ber. 2i
(1891). — •* Hkney, Ber. 24o, 73 (1891). — " Anosa, Ann. eh. [6] 32, 350
— ** Stusbht, Monsteh. 12, 591 (1891). — " Lasbab-Cohh, Ann. 261, 849
Ueber die DisBOciationgconatanten K der MalonB&orehoniologen vgl.
M.\s», Ztacbr. f. physik. Chem. 6, 402 (1890), — WiLDM, ebenda, 8, 448 (18
^'*iÄEB, Joum. Soc. 61, 711-718 (1892).
III. Benutelnsäare nnd Ihre Homologen.
BernsteinsSnre C^H^O^ = COjHCK^-CH,CO,H (ww'-Aeth
carboDBänre) ist schon im 16. Jahrhundert bekannt gewesen; als
«urde sie von Lbhebt (1675) erkannt Ihren Namen hat die
Ton ihrem Vorkommen im Bernstein; aber aach sonst ist sie i
i^atar Terbreitet; sie findet sich in fossilen Hölzern, in Braunko
in vielen Pflanzen* — namentlich in unreifen Früchten' in Form
Glykosids, der Glykobbrnsteinaäure.
Yen ihren künstlichen Bildiingsweisen seien zunächst diej«
erwähnt, welche von besonderer Wichtigkeit för die Beurtheilung
Constitution sind. Aus Äethylenbromid erhält man BemBteinsänre
Vermittelang des Aethylencjanids*:
CH,Br CH,-CN CH,-CO,H
I *■ I *- i
CH^r CH,CK CH,— CO,H
— also durch eine Synthese, welche dnrchaus dem Aufbau de
basischen Fettsäuren aus Halogenalkylen (vgl. S. 291 — 292) ents
(anomale Bildung aus Aethylidenchlorid vgl. S. 658). — Lässt ma
iJatriummalonsäureeater Chloressigester CHjClCOjCjHj einwirke
irhUt man den E^ter einer dreibasischen Säure, welche beim Er
unter Kohlen Säureabspaltung Bemsteinsäure liefert^:
CO,.C,H, CO,.C,Hs CO,H
CHNa >- CH-CH,-CO,-C,Hs >- CH-CH.-CO.H --t- CH.-CH,.
1 i I I
CO, .C,H» CO, ■ C,H, CO,H COjH
' Vgl. Reich, Jb. 1847/48, 499.
' Vgl. KöHNKK, Berz. Jb. 26, 443 (1848). — Walz, Jb. 1860, 2e3. —
sraifiEDr, Monatsh. 3, 136 (1882). — HiLass a. Gnosa, Jb. 1886, 1816. — ]
B«WHicv, J. pr. [2] 36, 274 (1687). — v. LiFnumc, Ber. 24, 3302 (1891).
' BsuMNER 11. Bru>i>enhuiiq, Ber. B, 982 (1876). — Bbukmeb u. Chuabd E
W (1886).
' SnmoR, Ann. 118, 875 (1661).
' BncHOFF, Ber. 13, 2161 (1860). — Vgl. auch Wibucends a. NoBLnuu
14ö, 22* (1868).
^- Krm n. JicaBUH, org. Cham. I. 42
658 Bemsteinsäure.
— Aus Bromessigsäure bildet sich beim Erhitzen mit Silberstaub Bem-
steinsäure in geringer Menge ^r
2CH,Br.C0,H + Ag, = 2 AgBr + COaH • CH, ■ CH, • CO,H .
Infolge einer Umlagerung bildet sich Bernsteinsfiure auch aus Aethylidenchlorid
CHj'CHClj durch Erhitzen mit Cjankalium und darauffolgende Verseif ung*. — Die
Elektrosynthese der Bemsteinsäure aus Malonsäure vgl. S. 638.
Wichtige Bildungsweisen der Bemsteinsäure gründen sich ferner
auf ihre Beziehungen zu zwei anderen Pflanzensäuren, die als Hydrox)!-
Substitutionsprodukte der Bemsteinsäure aufzufassen sind, — Aepfel-
säure und Weinsäure:
CHj.COjH CH(OH).COjH CH(OH).CO,H
II I •
CHjCO.H CHj.COaH CH(OH).CO^H
Bemsteinsäure Aepfelsäure Weinsäure
Diesen Beziehungen entsprechend erhält man Bernsteinsäure aus
Aepfelsäure und Weinsäure durch Reduction mit Jodwasserstoffe. Die
beiden Säuren liefern ferner Bernsteinsäure — unter gewissen Bedingungen
in reichlicher Menge — bei der Zersetzung, die sie bezw. ihre Salze bei
der Gährung durch Bacterien erleiden*. Auch durch SpaltpUzgähnmg
anderer Substanzen*, ferner durch Fleischfäulniss* entsteht Bemstein-
säure. Zu erinnern ist hier auch an die regelmässige Bildung von
Bernsteinsäure bei der alkoholischen Gährung von Zucker^ (vgl. S. 173).
Sehr häufig erhält man Bernsteinsäure bei der Oxydation von hoch-
molecularen Fettkörpem — wie Stearinsäure, Walrath — mit Sal-
petersäure ®.
Zur Darstellung der Bernsteinsäure* benutzt man zweckmässig
ihre reichlichö Bildung durch Gährung einer Lösung von weinsaurem
Ammon. Bernsteinsäure für medicinische Zwecke muss durch Destil-
lation von Bernstein bereitet werden, da ihre ai'zneiliche Wirkung gerade
von einer Beimengung des bei der Bernsteindestillation gleichfalls über-
gehenden Bernsteinöls herrührt, während chemisch reine Bemsteinsäure
nicht die gewünschte Wirkung zeigt.
Bernsteinsäure krystallisirt in Säulen oder Tafeln, schmilzt^*' bei
1 Steiner, Ber. 7, 184 (1874).
' Erlenmeyer u. Mühlhäüser, Ztschr. Chem. 1867, 593. — Simpson, Compt. rend.
65, 851 (1867).
" Schmitt, Ann. 114, 106 (1860). — Dessaiones, Ann. 115, 120 (1860).
* Dessaignes, Ann. 70, 102 (1849). Jb. 1850, 375. — Liebig, Ann. 70. 104,
363 (1839). — Kohl, Jb. 1855, 466. — König, Ber. 14, 211 (1881).
» Fitz, Ber. 10, 281 (1877); 16, 845 (1882).
• E. u. H. Salkowski, Ber. 12, 650 (1879). — Ekunina, J. pr. [2] 21, 482 (I8SÜ.1.
^ Schmidt, Jb. 1847/48, 466 Anm. — Pasteür, Ann. 105, 264 (1858). — Claüm»
u. Mobin, Compt rend. 104, 1109 (1887).
8 Vgl. Bromeis, Ann. 35, 90 (1840); 37, 292 (1841). — Sthambr, Ann. 48. 346
(1842). — Radcliff, ebenda, 349. — Rolands, ebenda, 356. — Arppe, Ann. 96, 242
(1855). Jb. 1864, 877.
» König, Ber. 15, 172 (1882). *« Reissert, Ber. 23, 2244 (1890).
Bemstnnsaure Sali€. Succinylcklorid.
ilsS"; unter vermindertem Druck lässt sie sich unterhalb des f
>unkts unverändert subümiren', während sie bei stärkerem ;
A'asser abspaltet; gegen 235'' geiüth die Säure ins Sieden', in
^öSBtentheils in ihrAnhydrid(S. 660) überseht. 100 Th. Wasser lö
>0»:6-9 Th., bei 50":24-4 Th. Bernateinsäure, 100 Th. Alk<
la^T-Sl Th., 100 Th. Aether:l-26 Th.
An dem chemischen Verhalten der Bernsteinsäure ist vor A
Bestreben znr Bildung des inneren Anhydrids:
CH,.CO-OH CH,^CO>
I - H,0 = I >0
CHj-CO-OH CH,-CO/
interessant; das Anhydrid entsteht, wie eben erwähnt, schon di
hitzen der Säure filr sich.
BerDsteinsanrc Sslze*'* (Succinat e). Das neutrale Kai
r,K,HtO, + 3H,0 bildet zerflieasliche, rhombiache Erystalle und wird
wasserfrei. — Das Calcinmaalz C^GaXL^O^ + 3HjO ist in Wasser achw
und zeigt ein LöBÜchkeitaraaximum bei 24° (1-29 Th. in 100 Th. Wasser);
verliert ee sein Eiyetallwasaer; dnrcb trockene Destillation' giebt es ein
TOD EeiooeD, Phenolen nnd Kohlenwasserstoffen. — Die F&Unng des h:
FerrisalEes wird in der analytischen Chemie zur Trenniuig des Eisenoxjde
Xfsngan, Nicket und Kobalt benutzt
Derivate der Bemstelnslllire. Das in den Derivaten d(
sich wiederfindende zweiwerthige Radical:
CII,- co-
1
CH,-CO-
wird „Succinyl" genannt.
SaccInylchlorid^COCtCHjCHg-COCl wird aus dem Bemsb
aohydrid durch Einwirkung von Fhosphorpentachlorid gewonnen; e:
ao der Luft rauchende Flüssigkeit von durchdringendem Geruch, be
apec. Gew. 1-39, erstarrt in der Kälte — in reinem Zustand i
schou bei Zimmertemperatur — krystallinisch nnd siedet bei 19
einigen Beobachtungen über das Verhalten des gewöhnlichen S
Chlorids kann man den Schluss ziehen, dass es der Hauptmer
CH,.001,,
aus einem isomeren Chlorid | )0 besteht (vgl. Fhtalj
CH, CO/
Bd. II).
' Krafit u. Nobrdukoeb, Ber. 22, 816 (1889).
' b'Aecbt, Ann. eh. [2] 68, 284 (1835).
' Cimoa, Ann. 142, U6 (1867). ~ Boubooin, Ann. eh. |5] 1, 569 (18
88, 2*3 (1878). — Miczinsbt, Monatsh. 7, 362 (1B86).
' DBppiko, Ann. 47, 253 (1843). ~ Fboliho, Ann. 4B, 154 (1844). -
Ber. la, S025 (1883). ' Pünaro, Ber. 14, 2240 (1881).
•GHBHiBDT u. CmozzA, Ann. 87, 293 (1853). — Mölleb, J. pr. [2
'1880). - Kaudee, J. pr. [2] 28, 191 (1883); 31, 2 (1885). — Auoeb, Bull
WB). Ann. eh. [6] 22, 310 (18911. — Eherv, Ber. 23, 3184 (1889).
42'
660 Anhydrid, Tkioatiiiydrid, Ester, Niiril der Benisieuisäure.
CHj.COv
BernsteinsSareanhydrid ^ | yO wird zweckmässig durch
CHjCO/
Digestion von 100 Th. Berns teinsäure mit 65 Th. Phosphoroxychlorid unter
Bückfluss bei 100 — 120® und darauffolgende Destillation gewonnen —
mehrmalige Destillation der Säure ftir sich liefert nur bei Anwendung
kleiner Mengen und sehr rascher Destillation reines Anhydrid. £$
krystallisirt im rhombischen System, schmilzt bei 116*5® und siedet bei
261®. In Wasser löst es sich unter Bildung von Bemsteinsäurehydrat^
doch ist es nicht gerade wasserbegierig, vielmehr an der Luft haltbar;
in Aether löst es sich nur wenig auf; Chloroform eignet sich besonders
als Erystallisationsmittel fllr das Anhydrid. Wird es längere Zeit in
gelindem Sieden erhalten, so geht es theilweise unter Abspaltung von
Kohlensäure in das Dilacton der Acetondiessigsäure (vgl. Kap. 39) über:
CO 0 CO 0 0 — CO
2 I I - CO, = I \/ I .
CH, • CHj • CO CHj • CH, • C • CH, • CH,
CHj' CS>v
ThiobemsteinsKureanliydrid ' | >0 kann durch Einwirkung von Sehwefel-
CH.CO/
phosphor auf Bemsteinsäure erhalten werden, bildet farblose Kiystalle, schmilzt bei
31®, siedet bei 225® und wird durch Erwärmen mit Wasser in Schwefelwasserstoff
und Bemsteinsäure zersetzt.
BemBteinsSuredimethylester^'" C4H404(CH8)j schmilzt bei +19", siedet bfi
195® und besitzt bei 15® das spec. Gew. 1-126. — Der DiSthylester«*« C^H404(C,H5U
ist flüssig, siedet bei 216-5® und zeigt bei 15® das spec. Gew. 1-046.
BemsteinsKurenitriF oder Aethjlencyanid CNCH,-CHs-CN — durch Ein-
wirkung von Cyankalium auf Aethylenbromid in alkoholischer Lösung und darauf-
folgende Yacuum- Destillation leicht gewinnbar — bildet eine farblose, bald krystalli-
nische, bald amorphe Masse, schmilzt bei 51 — 52®, siedet unter gewöhnlichem Druck
bei 265—267®, unter 10 mm Druck bei 147® und ist in Wasser imd Alkohol leicbt
löslich, in Aether sehr wenig löslich.
» d'Arcet, Ann. eh. [2] 68, 288 (1835). — Kraut, Ann. 137, 254 (1866). -
Möller, J. pr. [2] 22, 193 (1880). — Bodewig, Ber. 14, 2788 (1881). — Burckeb,
Ann. eh. [5] 26, 435 Anm. (1882). — Anschütz, Ann. 226, 6, 8, 12, 16 (1884V -
VoLHARD, Ann. 242, 148 (1887); 263, 206 (1889). — Krafft u. Noerdlixoer. Ber.
21, 816 (1889).
« Vgl. Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 8, 454 (1891),
' Weselskt, Ber. 2, 521 (1869). — Auqer, Ann. eh. [6] 22, 329 (1891).
* Fehlino, Ann. 49, 186, 195 (1844). — Perkin, Joum. Soc. 46, 515 (1884). -
Weger« Ann. 221, 88 (1883). > Emert, Ber. 22, 3185 (1889).
® d'Arcet, Ann. eh. [2] 68, 291 (1835). — Kopp, Ann. 96. 327 (1855). — Eom
Ber. 6, 1178 (1873). — Crum-Browk u. Walker, Ann. 261, 115 (1890).
^ Simpson, Ann. 118, 374 (1861); 121, 154 (1861). — Moore, Ber. 4, 520 (18711
— Nevolk u. Tscherxiak, Bull. 30, 101 (1878). — Pinner, Ber. 16, 360 (1883). —
Henry, Compt. rend. 100, 744 (1885). — Fauconnier, Bull, 60, 214 (1888). — Skm-
BRITZKY, Ber. 22, 2958 (1889). — Garny, Ber. 24, 3426 (1891). — Biltz, Ber. 26.
2542 (1892).
Sttcdnamid, Siiccina^nifisäure, Sttcdnimid, 661
8iieeinamid^ NHsCO-CH,-CH,-CO-NHs — aus Bernsteinsäurester und wässri-
gern Ammoniak oder aus Succinimid und alkoholischem Ammoniak — kiystallisirt
aus Wasser in kleinen Nadeln, schmilzt bei 242 — 243°, lost sich in 160 Th. Wasser
von 9°, in 9 Th. Wasser von 100 ^ ist in absolutem Alkohol und Aether fast un-
löslich und zerftllt bei höherer Temperatur in Ammoniak und Succinimid.
CH,.C(NH,U
Ein isomeres unsymmetrisches Succinamid' 1 ^0 entsteht bei
der Einwirkung von Succinylchlorid auf wässriges Ammoniak.
Sneeinftinliisllare ' OH • CO • GH, • GH, • CO • NH, krystalllsirt aus Aceton in schönen
weissen Nadeln, schmilzt bei 156— 157 ^ ist in Wasser ziemlich leicht, in absolutem
Alkohol schwer löslich, wird durch Erhitzen für sich bei 200° glatt in Wasser und
Succinimid zersetzt, durch mehrstündiges Kochen mit Wasser vollständig in saures
bemsteinsaures Ammoniak übergef&hrt Ihr Bariumsalz (in Wasser sehr leicht löslich)
wird durch gelindes Erwärmen von Succinimid mit Barythydrat in wässriger Lösung
erhalten, daraus die freie Säure durch Zersetzung mit Schwefelsäure abgeschieden.
Succininiid^ C^H^NO, wird durch Destillation von bemsteinsanrem
Ammoniak gewonnen; man könnte nach dieser Bildungsweise zwischen
den beiden Formeln:
CHjCN CH,-COv
I und I >NH
CHjCOOH CH,-CO^
Cyanpropionsäure Succinimid
schwanken; da erstens die Nitrilbildung in der Regel nicht so leicht
erfolgt, da femer die Aminsalze der Bemsteinsäure sich dem Ammonium-
salz analog verhalten, z. B. das Aethylaminsalz ein Aethylsuccinimid liefert,
was mit der ersten Formel nicht vereinbar ist, so kann die Imidformel
als wohlbegründet angesehen werden; die Formel CHj-C^^ ist wegen
CH3-CÖ
cl;-
derUeberföhrbarkeit des Succinimids in Pyrrolidin | ^NH durch
CH,-CH,/
Beduction mit Natrium in alkoholischer Lösung zu verwerfen.
* Fehlino, Ann. 49, 196 (1844). — Mehsohutkin, Ann. 162, 181 (1872). —
Hekbt, Compt. rend. 100, 948 (1885). — FiUNCHniONT, Rec trav. chim. 4, 201 (1885).
* AuoBR, Ann. eh. [6] 22, 326 (1891).
' Teuchebt, Ann. 134, 186 (1865). — Menschütkin, Ann. 162, 175, 179 (1872).
— Laxdsberg, Ann. 216, 200 (1882). — L. Wolff, Ann. 260, 114 (1890). — Sebda
u. WiEDEMANN, Ber. 23, 3284 (1890).
^ Fehling, Ann. 40, 198 (1844). — Dessaignes, Ann. 82, 284 (1852). — Eblen-
mbyeb, Ztschr. Chem. 1860, 174. — Bunge, Ann. Suppl. 7, 118 (1870). — Menschütkin,
Ann. 162, 166, 168 (1872); 182, 90 (1876). — Bell, Ber. 13, 877 (1880). — Bbbnth-
8EN, ebenda, 1047. — Landsbebg, Ann. 216, 200 (1882). — Ciamigian u. Silbee, Ber.
17, 556 (1884). - Rübzow, Ber. 18 c, 609 (1885). — G. Bender, Ber. 19, 2278 (1886).
— Ladenbubo, Ber. 20, 2215 (1887). — Bbedt u. Boeddinghaus, Ann. 261, 816 (1889).
— HoooENWEBFF u. VAN DoBp, ßcc. trav. chim. 10, 4 (1891). — Comstock u. Wheeler,
Ber. 25o, 282 (1892). — Seliwanoff, Ber. 25, 8618 (1892).
662 Sucdnimid,
Das Succinimid krystallisirt aus Wasser mit 1 Mol. Krystallwasser;
wasserfreies Succinimid schmilzt bei 125 — 126^; es siedet bei 287 — 288^,
löst sich leicht in Wasser, ziemlich leicht in Alkohol.
Succinimid besitzt in höherem Grade, als die Amide (vgl. S. 370',
die Fähigkeit zur Bildung von Metallverbindungen, wie Succinimid-
kalium C^H^OjNK, Silbersuccinimid C^H^OjNAg etc. Die Metall-
OMe
Verbindungen scheinen zum Theil der Formel: ^"^2*^\ (vgl. S. 374),
CHgCO/^
zum Theil der Formel: | \N-Me zu entsprechen (vgl. Phtalimid»
CHg.CO/
Bd. 11); wenigstens ist als Reactionsprodukt von Jodäthyl auf Natrium-
succinimid ziemlich sicher ein Aethylsuccinimid nachgewiesen, welchem die
CHgCO.
Formel | NN-C-Hg beizulegen ist, da sich aus demselben Aethyl-
CHgCO/
amin abspalten lässt; andererseits entstehen durch Einwirkung von Alkyl-
halogenen auf Silbersuccinimid alkylirte Succinimide, welche sich schon
an feuchter Luft in Succinimid und Alkohole umsetzen und daher ?er-
muthlich die Formel ^^a'^\ besitzen. Durch Einwii-kung von Jod
CH3 • CO/
auf Silbersuccinimid erhält man Jodsuccinimid C^H^OgNJ — fiarb-
lose harte Krystalle, die sich schon bei 100^ zu zersetzen beginnen,
in Wasser leicht, in Alkohol schwer löslich sind. — Ueber eine eigen-
thümliche Bildung von Methylsuccinimid C4H^02:N-CH3 aus Lävulin-
säure vgl. Kap. 39.
CH,-CC
I ^\H
Salzsanres Succinaraidin* x'ij*'2H^'l wird schon beim Um-
I /i>Wj
CH,-CC
krystallisiren aus Wasser in Salmiak und salzsaures Succinimidin
I \NH.HCI — lange, farblose, in Wasser sehr leicht, in Alkohol sehr wenig
lösliche Blätter — zersetzt.
* Pinner, Ber. 16, 362, 1657 (1883); 23, 2931 (.1890). — Lossen u. Gbabowskt,
Ann. 265, 168 (1891).
Homologe der Bemsteinsäure. 663
Homologe der Bemsteinsäure. Da in dem Molecül der Bernstein-
säure COaHCHj-CHg-COjH vier Wasserstoffatome an Kohlenstoff ge-
bunden sind, so hat man unter den Homologen einfach, zweifach, dreifach
und vierfach alkylirte Bemsteinsäuren zu unterscheiden. Während für die
mono-, tri- und tetraalkylirten Säuren die Structurtheorie nur je eine
Formel möglich erscheinen lässt, z. B.: »
CH, . CH-CO,H (CH,),C-CO,H (CH8),C-C0,H
I i . I ,
CHg— CO,H (CHs)CH-CO,H ' (CHs),C-CO,H
können dialkylirte Bemsteinsäuren in zwei structurisomeren Formen
auftreten, die man als symmetrisch und unsymmetrisch constituirte Säuren
unterscheidet:
CH, . CH . CO,H (CH,), . C • CO,H
[,.CH.'
CH, . CH . CO,H CH, . CO,H
Symmetr. Unsymmetr.
Dimethylbemsteinsänre.
Für die Gewinnung der Bemsteinsäurehomologen stehen die folgen-
den Methoden von allgemeinerer Anwendbarkeit zu Gebot, die sämmtlich
Modificationen der S. 657 — 658 angeführten Bildungsweisen der Bemstein-
säure selbst darstellen.
1. Umsetzung von Alkylenbromiden mit Cyankalium und
Verseifung der Dicyanide^, z. B.:
CH3.CH CHjCHBr CH,.CH.CN CHs.CHCO,H
- ^ I -—>- I — )- I
CH, CH,Br CH,.CN CH,.CO,H
2. Acetessigester- oder Malonsäureestersynthese unter An-
wendung von «-halogensubstituirten Fettsäureestern*, z. B.:
/CO,.C,H, /C0,.C,H5
CH, . CXa< + CH, . CHBr • CO, • C^U, = NaBr + CH, • C^ CH(CH,) • CO, • CjH- ,
^COjCjHj \CO,.C,Hß
/CO,H
CHs-CC CH(CH,).CO,H - CO^ = CH3.CH.CH(CH8).CO,H. .
^CO,H I
CO,H
Eine Modification dieser Methode' besteht in der Einwirkung von a-halogen-
substituirten Fetts&ureestern auf die oe-eyansubstituirten Fettsäureester, die zwischen
^ Vgl. Markowkikow u. LebedeW; Ann. 182, 327 (1876). — Hell u. Eothbero,
Ber. 22, 1737 (1889). — Krafpt u. Gbosjean, Ber. 23, 2354 (1890).
» Vgl. z. B. Conrad, Ann. 188, 226 (1877). — Kressneb, Ann. 192, 135 (1878).
~ Hardtmüth, ebenda, 142, — Hugqenbebo, ebenda, 146. — Waltz, Ann. 214, 58
(1882). — Roseb, Ann. 220, 273 (1883). — Bischofp u. Bach, Ann. 234, 54 (1886).
— PoLKO, Ann. 242, 113 (1886). — Barnstein, ebenda, 126. — Schleicher, Ann.
287, 121 (1892).
* Zelinsky, Ber. 21, 3160 (1888). — Zelinsky u. Bitschichin, ebenda, 3398. —
WiNSKY u. Besbedea, Ber. 24, 466 (1891).
664 Homologe der Bernsteinsäuren (ßüdungsweisenj
der Cyangruppe nnd der Carboxylgmppe ein durch Metalle vertretbares Wassentoff
atom enthalten (Vgl. CyanessigeBter S. 654), z. B. :
CH..C/ Br-CH-CH, „^g. . CH,.c/ CH-CH.
|\Na + CO CM ~ i I
CO,.C,H, '^".•^«"5 CO,C,H,
CO j • C1H5 ,
CH,.C/ '— CHCH, CH,.CH CH-CH,
io.H io.H ~^^'= CO.H CO.H
In Folge dieser Beactionen erhält man alkylirte Oyanbemsteinsftureester, die bei
der .Verseifiing durch Erhitzen mit Salzsäure alkjlirte Bemsteinsäure liefern, aadi
durch unmittelbare Einwirlqing von Cyankalium auf die a-Halogenderivate der Fett-
säureester neben den normalen Reactionsprodukten — den CyanfettsäureestenL
3. Einwirkung von fein vertheiltem Silber auf die a-Halogen-
derivate der Fettsäuren bezw. ihrer Ester^ z. B.:
{CH,),C-C0,-C,H5
2 (CHACBr . CO, • CjHg + 2 Ag = | +2 AgBr .
(CH3),C-C0,.C,H,
Die beiden letztgenannten Beactionen erleiden häufig Complicationen, welche
die Beurtheilung der Constitution der entstehenden Säuren sehr erschweren and
darauf beruhen, dass der angewendete halogenhaltige Ester theilweise nicht als
solcher in Reaction tritt, sondern erst nachdem er durch Abspaltung von Halogea-
wasserstoff verändert ist Bei der Einwirkung von Silber auf a-BromisobuttersSare*
ester entsteht z. B. nicht nur der nach obiger Gleichung zu erwartende Tetramethyl-
bemsteinsäureester; vielmehr bildet sich daneben — indem ein Theil des a-Bromiso-
buttersäureester Bromwasserstoff verliert, der dadurch entstandene Methakrylsäureester
wieder mit Bromwasserstoff zu ^-Bromisobuttersäureester zusammentritt, und Silber
nun auf ein Gemisch der beiden isomeren gebromten Ester einwirkt:
CHjv CH,. CH,Brv
>CBr . CO, . CjHfi = >C • CO, • C,H, + HBr = >CH • CO, • Cfi, ,
CR/ CR/ CH,^
CH,v
CjHb . CO,^CBr + CHjBr • CH • CO, • C,H5 + 2 Ag
= 2 AgBr + C^Hs-CCjC-CHi- CH-CCjC^H^ ,
— der Ester der isomeren Trimethylglutarsäure. Bei der Einwirkung von a-Brom-
isobuttersäureester auf Natriummethylmalonsäureester in alkoholischer Lösung erhftlt
man nicht den durch Verseifiing Trimethjlbemsteinsäure liefernden Ester:
r\ r\ /CO, • C,Hg
CHs-C^N?' '^* + BrC(CH,), = NaBr + CH,.(5-— C(CH,>,
\CO,.C,Hs I •! !
' ^ * C0,.C,H5 CO,C,H, CO,.C,Hs,
* Vgl. WisLiCENUs, Ber. 2, 720 (1869). — Hell u. Wittbkind, Ber. 7, 319(1874).
— Hell u. W. Mayer, Ber. 22, 48 (1889). — Hell u, Rothbero, ebenda, 60.
A tihydridinldung) .
"iideni als Hauptpiodnkt einen Ester, der bei der VerseUung Di^ethylgl
ii fert und durch Addition von Methakrylsfiureester an Natriommethjlnialong
•üistanden ist;
,CO,-C,H^
CH,-C^a' ' ' + CH,^C-CH, = CH,-a -CH.-CNa-CH,
\C0,-C,H. 1 1 I
' ' ^ CO,C,H» CO,-C,H, CO,C,H,
.tiefe früher nicht berückeichtigteD, eist in neuester Zeit au%edeoktea Verl
>ediDgen anch heute noch einige Unsicherheit in der Beurtheilnng der Co:
i't'U manchen nach den Reactioneii 2. und 3. gewonuenen SSnren,
Das erste Glied in der Reihe der homologen BerDSteiasäi
iie Methyibernsteinaäare COjH-CH{CHB)-Ca,-C0,H — ents
ier trockenen Destillation der Weinsäure* und wird daher gen
BrenzweliuSnre genannt (zuweilen bezeichnet man auch Uberhi
isomeren Dicarbonaäuren C^HgO, als Brenzweinsäuren). Von den
Sänren ist keine speciell bemerkenswerÜi, dagegen ist die ganze
als solche in theoretischer Beziehung sehr interessant und d
letzter Zeit sehr viel bearbeitet worden.
Zunächst ist hervorzuheben, dass alle Säuren gleich der Be
säure beim Erhitzen innere Anhydride liefern, wie dies bei der
seitigen Stellung der beiden Carboxylgruppen zu erwarten i
S. 642 — 643). Aber die Leichtigkeit, mit der die Anhydridbildi
tiitt. ist sehr verschieden; es hat sich die eigenthUmliche Ersc
ergeben, dass durch den Eintritt von Alkylgruppen in das Moli
Auhydridhildtmg wesentlich erleichtert wird". Während Bemsb
selbst durch mehrfache Destillation noch nicht vollständig in
hydrid ühergeflihrt wird, gen> z. B. bei der Tetramethylberasti
einmalige Destillation, und schon beim Destilliren einer wäi
Lösung, welche gleichzeitig freie Mineralsäure enthält, gehen 1
Wasserdampf reichliche Mengen des Anhydride als solches übi
liehe Beobachtungen in anderen Gruppen vgl. S. 615, ferner 1
unter Homologen der Maleinsäure).
Dann hat es sich gezeigt, dass man bei der Synthese d
metrisch disubstituirten Bemsteinsäuren :
R.CH-COiH
R-CH-COjH
' AuwBBS u. V. Meieb, Her. 22, 800Ö (1839); 23, 295 (IS90). — A
Jace^oh, Ber. 23, 1599 (I8»0). — Bischopf, Ber. 23, 3179 (1889); 23, 33S
24. 1041 (1891). — AirwEBS n. Korbner, ebenda, 1923.
' FoDBCSOT u. VAUftUBLiN, Ann. eh. (IT 36, 16 (1799); 64, 42 (1807). —
i-'ompt. read. 70, lOOO (1870).
' AirwEBS u. V. Mbieb, Ber, 23, 101 (1890).
* Vgl. Otto u. RötsiHO, Ber. 20, 2736 (1887). — Bisohoff, Ber. 20, 29(
- BuKMOFF u. Hjelt, Ber. 21, 2089 (1888). — Zkunhey, Ber. 21, 3167 (
Zeus^ky n. Kbapivin, Ber. 22, 846 (1889). — Bibchoff q. Voit, Ber. 23, 68
- BiKHOFF n. MiwTZ, Ber. 23, 858 11890,1.
666 Stereoisomerie hei homologen Bemsteinsäurefi.
stets zwei isomere Säuren erhält*, die wechselseitig in einander über-
geführt werden können, sich chemisch durchaus gleichartig verhalten und
daher als räumlich isomere Verbindungen aufgefasst werden. Sie
unterscheiden sich von einander namentlich durch Löslichkeit und Schmelz-
punkt; man bezeichnet nach Bischoff die hochschmelzende, schwer lösliche
Säure als Para-Modification, die niedrig schmelzende leichtlösliche als
Anti-Modification (bei ungleichen Radicalen Meso-Modification). Die
Verhältnisse sind am eingehendsten für die beiden symmetrischen Di-
methylbemsteinsäuren untersucht, die auch in zwei isomeren Anhydriden
existiren. Man gewinnt die Anhydride am besten aus den entsprechenden
Säuren durch Behandlung mit Acetylchlorid; so dargestellt liefert jedes
Anhydrid durch Einwirkung von Wasser wieder die Säure zurück, aus
der es entstanden ist. Dagegen erhält man durch längeres Erhitzen
der Parasäure ein nicht ganz einheitliches Anhydrid, welches durch
Hydratation der Hauptmenge nach die Antisäure liefert; auf diesem
Wege also kann die Parasäure in die Antisäure verwandelt werden,
während umgekehrt die Antisäure durch längeres Erhitzen mit Salzsäure
im Rohr auf 180 — 190^ in Parasäure übergeführt wird.
Eine durchaus befriedigende Erklärung dieser Isomerien, die wohl
zweifellos — namentlich in Anbetracht des leichten Uebergangs der
Isomeren in einander — auf räumliche Verhältnisse zurückzuführen sind.
ist bisher noch nicht gefunden. Die Theorie von van't Hoff und le Bel
lässt allerdings für Verbindungen mit zwei direct an einander
haftenden, gleichartig asymmetrischen Kohlenstoffatomen —
und solche liegen ja in den symmetrisch dialkylirten Bernsteinsäuren
vor — derartige Isomerieerscheinungen erwarten.
Da nun die Consequenzen der Theorie in dem eben präcisirten Fall
für die Erklärung einer erheblichen Zahl von Isomerieerscheinungen in
den verschiedensten Verbindungsgruppen von grosser Wichtigkeit sind,
mögen sie an dieser Stelle, wo wir zuerst einem derartigen Beispiel be-
gegnen, zunächst allgemein entwickelt werden^.
* Für das Verständniss der stereochemischen £ntwickeluDgen^ die Verbindungen
mit mehreren asymmetrischen Kohlenstoffatomen betreffen, ist die Benutzung vou
Modellen unerlässlich. Es mag daher hier mit einigen Worten auf die im Handel
befindlichen Arten von Atom modeilen hingewiesen werden.
Seit längerer Zeit bedient man sich in den Vorlesungen der KEKUii'schen
Modelle: die Kohlenstoffatonie sind durch Holzkugeln dargestellt, in welche an vier
die Ecken eines regulären Tetraäders bildenden Punkten Metallstäbe (als VerlfiDgeruuL'
des Radius) fest eingelassen sind; diese Stäbe bedeuten die Valenzen; indem mau
mehrere Modelle durch Vermittelung dieser Stäbe mit einander verknüpft und an
die nicht zur Kohlenstoff bind ung verbrauchten Valenzen die Modelle andersartiger
Atome bezw. Kadicale anfügt kann man die Configuration complicirterer Molecüle
gut veranschaulichen. Auf Verlassung von v. Baeyeb werden besonders construirte
Verbindungsstückchen — Schrauben mit Gelenken — beigegeben, mit deren HühV
auch Molecüle mit mehrfachen Bindungen oder mit ringfSrmiger Anordnung ohne
Schwierigkeit dargestellt werden können. Diese Modelle genügen für Vorlesungs-
Graphische Darstellung vo7i Baumformelfi. Aiommodelle. 667
Zuvörderst möge hier eine einfache graphische Darstellungsweise der
Laumformeln erkläxt werden, die sich in der Folge mehrfach von Nutzen
rweisen wird. Man construire sich am Modell das Molecül des Aethans
■Hg-CHg, drehe die beiden Kohlenstoffatome um die sie verbindende
^xe so weit, dass immer je ein an das obere C-Atom gebundenes
I-Atona vertical über einem am unteren C-Atom haftenden H-Atom
teht, halte dies Modell so vor sich hin, dass je ein Wasserstoffatom-
)aar links^ eines rechts und eines hinter dem vertical gehaltenen Kohlen-
»toffatompaar steht, und biege endlich die beiden hinten befindlichen
iVasserstoffatome derart nach vom, dass das obere vertical über, das
lütere vertical unter dem Kohlenstoffatompaar sich befindet. Durch
Projection des so gerichteten Modells auf das Papier erhält man die Figur:
H
H
H
H
H
H
in deren beiden Kreuzungspunkten die beiden Kohlenstoffatome zu er-
gänzen sind. Von diesem Schema kann man sich leicht die verschiedenen
Configurationsmöglichkeiten bei Substitutionsprodukten des Aethans ab-
leiten und graphisch darstellen. Um sie rückwärts auf das Modell zu
übertragen, braucht man sich nur daran zu erinnern, dass die in der
Figur oben und unten geschriebenen Substituenten im Modell sich hinter
dem Kohlenstoffatompaar befinden, wenn die links geschriebenen links
und die rechts geschriebenen rechts davon stehen.
Wenn es sich nun um die Ableitimg der Configurationsmöglichkeiten
für den Fall zweier gleichartig asymmetrischer und direct mit einander
verbundener Kohlenstoffatome, d. h. also für eine Verbindung von der
allgemeinen Formel:
zwecke allen Anforderungen, sind aber für den Gebrauch des Einzelnen unnütz
gross und vor Allem viel zu kostspielig.
Billige Kohlenstoffinodelle sind von P. Fbisdlaenber aus Gummischläuchen
construirt worden (vgl. ßer. 23, 572 [1890]); sie sind für die Veranschaulichung ein-
facher Verbindungen sehr bequem; in complicirteren Fällen, wo Einzelmodelle in
grosserer Zahl an einander gefügt werden müssen, sind indess die so entstehenden
Oehilde nicht stabil genug.
Auf Veranlassung von P. Jacobson (vgl. Cöthener Chem.-Ztg. 16, 1808 [1892])
werden neuerdings Modelle nach dem Princip der KsKüLig'schen Modelle, aber in
einfacher Ausfiihrungsform angefertigt. Die Atome werden als Kugeln dargestellt,
<iie Valenzen durch cylindrische, zum Mittelpunkt gerichtete Bohrungen markirt. Durch
Bleistfibchen, die in diese Bohrungen hineinpassen, wird die Verbindung hergestellt.
Infolge der Biegsamkeit dieser Stäbchen gelingt auch die Darstellung der mehrfachen
Bindimgen und die Zusammenfügung von Ringsystemen ohne Schwierigkeit. Die
Firma C. Desaga in Heidelberg liefert Kasten, welche eine genügende Zahl von
Modellen und Stäbchen enthalten, zu dem Preise von 5 Mk.
d
668
Isomeriemögliöhkeiten bei Verbindungen mit zwei
C(abc)
I
C(abc),
handelt, so kaun mau die Zahl der möglichen Isomerien auch schon
ohne Zuhülfenahme des Modells durch folgende Ueberlegung ermitteln.
Es können die Gruppen a, b und c derart an die beiden Kohlen-
stoffatome angelagert sein, dass
1. ihr Einfluss auf die Schwingungsebene des Lichts sich summirt.
d. h. in beiden Systemen entweder Linksdrehung oder Rechtsdrehung
bewirkt; so wird eine linksdrehende und eine rechtsdrehende Modification
(A und B) und durch Vereinigung von A und B eine inactive, in
die beiden activen Isomeren spaltbare Modification (C) möglich;
2. ihr Eilifluss auf die Schwingungsebene des Lichtes sich in beiden
Systemen aufhebt; so kommt viertens eine durch innere Compensa-
tion inactive und daher nicht spaltbare Modification (D) zu
Stande.
Diesen vier möglichen Modificationen entsprechen die folgenden
Raumformeln:
b b
A:
a-
— c
I
a
B:
c —
-a
c b
I
a
C:
a
b—
a
c-
-a
— b
a
D:
a-
a-
Dass die Formeln A und B zwei optisch activen und entgegen-
gesetzten Verbindungen entsprechen, erkennt man leicht am Modell;
wenn man z. B. die beiden Eohlenstoffsysteme aus A von einander trennt
und in jedem die nun freie Valenz nach unten stellt, so übersieht man
sofort, dass das eine System das Ebenbild des anderen ist und daher in
gleichem Sinne wirken muss; dasselbe gilt ftir die beiden Systeme von
B; vergleicht man aber ein System aus A mit einem solchen aus B, so
erscheint das eine als Spiegelbild des anderen. Ebenso erkennt man bei
gleichartig asymmetrischen Kohlenstoffatomen, 669
Betrachtang der Gesammtmodelle von A und B, dass sie sich mit
einander nicht zur Deckung bringen lassen, aber sich wie Gegenstand
und Spiegelbild verhalten. Wenn man dagegen zu dem Modell der
Formel D das Spiegelbild construirt, so sieht man, dass man letzteres
nur auf den Kopf zu stellen braucht, um zur ursprünglichen Configu-
ration zurückzukommen; diese Configuration ist mithin mit ihrem Spiegel-
bild identisch, und die entsprechende Verbindung muss daher inactiv
sein. £s erklärt sich dies auch leicht, wenn man wieder die beiden
Kohlenstoffsysteme von einander trennt und sie beide mit der freien
Valenz nach unten stellt; man übersieht, dass das eine System das Spiegel-
bild des zweiten ist, mit dem zweiten nicht zur Deckung gebracht
werden kann und daher die optische Wirkung desselben autheben muss.
Nach dieser allgemeinen Erörterung, der hier noch zugefligt werden
möge, dass von der Dioxybemsteinsäure (Weinsäure vgl. Kap. 30):
CH(OHXCO,H)
CH(OH)(COsH)
tbatsächlich vier isomere Modificationen bekannt und in ihrem Ver-
halten durchaus entsprechend den eben entwickelten Anschauungen ge-
funden worden sind, wollen wir nun wieder zu dem Problem der isomeren
Dialkylbemsteinsäuren zurückkehren. Wenn wir die durch obige üeber-
legungen gewonnenen Eesultate zur Erklärung dieses Isomeriefalles an^
wenden wollen, so wäre, da beide Säuren inactiv sind, der einen die
Raumformel C, der anderen die Raumformel D zu ertheilen; und zwar
wäre — um die Analogie mit den Weinsäure-Isomeren zu vervollständi-
gen — , die hochschmelzende Säure nach C, die niedrig schmelzende,
leichter lösliche Säure nach D constituirt anzunehmen. Unter Bezug-
nahme auf diese Auffassung hat eben Bisohofp die Säuren mit den
S. 666 erwähnten Bezeichnungen „Para" und „Anti** (bezw. „Meso")
— entsprechend den Bezeichnungen Paraweinsäure und Antiweinsäure —
belegt.
Wenn sonach die Existenz der symmetrischen Dialkylbemsteinsäuren
und ihrer Anhydride in je zwei isomeren, inactiven Modificationen zwar
durch die Consequenzen der Theorien von van'tHopf-lb Bel erklärt wird,
so hat sich doch bis jetzt kein experimenteller Anhaltspunkt daflir finden
lassen, dass eine solche Erklärung in diesem Falle wirklich zutrifft. Im
Falle der Weinsäuren giebt sie uns ein vollständig klares Bild der That-
sachen (vgl. dort), da es gelungen ist, die eine inactive Modification in
Aie beiden activen zu spalten, während dieser Versuch bei der zweiten
inactiven Modification erfolglos bleibt. Allein alle Versuche, eine der
symmetrischen Dialkylbemsteinsäuren in zwei active Modificationen zu
zerlegen, sind gescheitert^; und die der Theorie nach mögliche und
Bogar wahrscheinliche Analogie mit den Weinsäuren ist daher einstweilen
* BiBGHOFF u. Walden, Bcr. 22, 1822 (1889). — BiscHOFF, Bcr. 24. 1068 (1891).
670 Erklärung der Stereoisotnerie bei homologen Bemsteinsäuren.
noch nicht durch Beobachtungen als wirklich bestehend erwiesen; freilich
muss man berücksichtigen, dass der negative Ausfall jener Spaltungs-
versuche nicht etwa die Unmöglichkeit der Spaltung darthut, sondeiii
auch recht wohl dadurch bedingt sein kann, dass der Anwendung von
Methoden, die in anderen Fällen zum Ziel gefuhrt haben, sich hier in
der Natur der fraglichen Säuren begründete Hindernisse entgegenstellen
(Spaltungsversuche durch Pilzculturen fuhren hier nicht zum Ziel, da
den Dialkylbernsteinsäuren die Ernährungstüchtigkeit abgeht).
Man könate ferner für die Erklärung dieser Isomerief&lle die Mdglichkeit in
Betracht ziehen, dass die freie Drehbarkeit der Kohlenstoffatome um die sie ver-
bindende Axe (vgl. S. 84 — 85) auch bei einfacher KohlenstofiTbindang unter gewissen
Umständen aufgehoben wird ^, und daher ein System, wie
CH»
H
CO,H
COjH
H
nicht nur in der den stärksten Anziehungen entsprechenden Oonfiguration, sondern
in mehreren Configurationen beständig sein kann. Als Grund fdr die Aufhebung
der freien Drehbarkeit zieht Bischoff die Baumerfullung der Radicale herbei, welche
den bei kleineren Dimensionen ungehindert stattfindenden Uebergang einer Configu-
ration in eine andere durch den Anprall an einander hindern können, wenn sie
grossere Dimensionen besitzen („dynamische Isomerie'O* Mit dieser Vorstellung
ist indess die Existenz isomerer Anhydride wohl schwer vereinbar; auch ist nicht
einzusehen, warum die Isomerie lediglich bei symmetrisch dialkylirtcn Bernsteinsäureu
und nicht z. B. auch bei der Tri- und Tetramethylbernsteinsäure beobachtet wird.
Die Tabelle Nr. 36 giebt eine Zusammenstellung der Bemsteinsäure-
homologen; über die Bedeutung des Werthes K in Columne IV vgl.
S. 640 — 641 ; es erhellt aus den K-Werthen, dass alle Homologen stärkere
Säuren sind als die Bernsteinsäure selbst (K = 0-0067, vgl. S. 640).
Dies Ergebniss steht in eigenthümlichem Gegensatz zu den Verhältnissen
in der Malonsäuregruppe; alle Monalkylderivate der Malonsäure sind
schwächer als die Malonsäure.
Citate zu der Tabelle Nr. 36 auf S. 671: * Gedther u. RiemanNi Ztschr.
Chem. 1869, 318. — * Moldenhauer, Ann. 131, 340 (1864). — * Kekul£, Ann. Suppl.
1, 842 (1861); 2, 95 (1862). — * Simpson, Ann. 121, 161 (1862). — * Akth, Ck)mpt.
rend. 107, 109 (1888). — ® Hlabiwetz u. Barth, Ann. 138, 73 (1866). — ^ Kbessseb,
Ann. 192, 135 (1878). — « Conrad, Ann. 188, 227 (1877). — » Bourqoin, Ann. eh.
[5] 12, 419 (1877). — " Claus, Ann. 191, 39 (1878); 265, 247 (1891). — " Sekkamp,
Ann. 133, 253 (1865). — " Arppe, Ann. 06, 79 (1848); 87, 228 (1853). — »» Mala-
GüTi, Ann. 25, 274 (1838). — " Böttinoer, Ber. 11, 1352 (1878). — " Markowxikow,
u. Lbbedew, Ann. 182, 327 (1876). — *« Hjelt, Ber. 16, 2621, 2624 (1883). — " Bischofp,
Ber. 24, 1064 (1891). — " Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 8, 454 (1891). -
" Thorne, Joum. Sog. 39, 338 (1881). — ^^ Hügqenbero, Ann. 192, 146 (1876). —
" PoLKo, Ann. 242, 113 (1887). — " Bischoff, Ber. 24, 2015 (1891). — »> Bethmakn,
1 Bischoff, Ber. 23, 623 (1890); 24, 1085 (1891). — Baeyer, Ann. 258, 180 (1890).
TabellariscJie Zusammenstellung der homologen Bernsteinsuuren. 671
Tabelle Nr. 36.
Name
Zusammen-
setznng
Schmelz-
punkt
DiBBO-
""^cin"'"! Schm.- Siede-
stante k| punkt I punkt
der Säure
des Anhydride
Methvlbemsteinsäure*-*«-^»««-«« li C^HgO^
Aethvlbemsteinsäure "—**••*
m
Svinmetr. Dimethylbernsteins.*®*'— '^ Para-
„ Anti-
UDSVmmetr. „ 18.23.80.85.S8-40
Propylbemsteinsäure*'"**»-'^-«^
Isopropylbernsteinsaure»«"-*^-^-*^-»® ....
Symmetr. Methyläthylbernsteins.*''»" ** Para-
., „ Meso-
Trimethylbemsteinsäure "•**"*'
CeHjoO
CeHioO
C^HigO
C7H1JO
I CyHijO
C;Hi,0
aH,.o
Balylbemsteinsäure^* y^s^'^u
Ifiobutylbernsteinsäure"'^ CJluO
Svmmetr. Diäthylbernsteins."* ".""*» Para- '1 CgHi^O
„ „ Anti- C8H14O
Unsymmetr. „ ** ;| CgHj^O
Dimethyläthylbernsteinsäure ^8-*«-" Ij CgHi^O
Tetramethylbemsteinsäure "•**-«<> CgHi^O
Dimethylpropylbernsteinsäure "'
Ö7
C^H.eO
Düsopropylbemsteinsäure*' CjoHigO
Tetradecylbemsteinsäure" CjgHj^O
112<>
99 <>
1970
120<>
139<>
91 0
1140
84 <>
139-50
81 <>
104°
0.0086 31— 32 0
247
0-0085 flüss. 244—2450
0-0191 380
0-0123| 870
0 • 0080 29 0
|234—
2350
2300
0-0089
0-0075
0-0207
0-02011
0-0807
üüss.
flüss.
I
245—2500
2430
0-0343 flüss.
flüss.
0-0088 I —
189— 1900 0-0245, flüss.
1290
I 860
1390 0-0556 flüss.
190—1920 0-0314 1470
I
' j
140—1410 0-0551
167— 1680] —
1210 ' _ 89
245—2500
2710
230-50
Ztachr. f. physik. Chem. 6, 403 (1890). — ** Wislicenus, Ber. 2, 720 (1869). —
*' Hardtmuth, Ann. 192, 142 (1878). — " Weidel, Ann. 173, 109 (1874). — " WEroEL
u. Br«, Monatsh. 3, 612 (1882). — " E. v. Meyer, J. pr. [2] 26, 358 (1882j. —
•* Otto u. Beckurts, Ber. 18, 838 (1885). — 'o Leückart, Ber. 18, 2344 (1885). —
»' B18CHOFP u. Räch, Ann. 234, 54 (1886). — " Otto u. Rössino, Ber. 20, 2736 (1887).
— " Zelinskt, Ber. 21, 3167 (1888). — •* Zelinsky u. Krapivin, Ber. 22, 646 (1889).
•* Hell u. Rothbero, ebenda, 63, 1737. — *• Bischopf u. Voit, Ber. 23, 639, 644
(1890J. — •' AuwERS, Ber. 24, 1782 (1891). — »« Pinner, Ber. 15, 582 (1882). —
•• Lbvt u. Englaewder, Ber. 18, 3209 (1885). — *o Barnstein, Ann. 242, 126 (1887).
— ** Waltz, Ann. 214, 58 (1882). — *• Hlastwetz u. Grabowski, Ann. 146, 209
(1868J. — *» Kachler, Ann. 169, 168 (1873). — ** Roser, Ann. 220, 271 (1883). —
^* BiscHOFF u. Mintz, Ber. 23, 647 (1890). — ** Zelinsky u. Besredka, Ber. 24, 459
(1891). — *'' Bischoff, ebenda, 1041. — *® Aüwers u. Koebner, ebenda, 1923. —
*» Frmo n. A. Schmidt, Ann. 266, 105 (1890). — *o Walden, Ber. 24, 2036 (1891). —
" Hjelt, Ber. 20, 3078 (1887). — " Otto, Ann. 239, 279 (1887). — " Bischoff u.
Hjblt, Ber. 21, 2089, 2097 (1888). — " Bisohoff, ebenda, 2102. — " Hell, Ber. 22,
67 (1889). — *» BiscHOFP u. Mintz, Ber. 23, 3410 (1890). — " Bischopf, Ber. 24,
1050 (1891). — " Hell u. Wittekind, Ber. 7, 319 (1874), — »* Aüwers 11. V. Meyer,
672 Olutarsäure.
Ber. 22, 2018 (1889); 23, 101, 298 (1890). — ^ Auwebs u. Gardneb, Ber. 23. UH
(1890). — " Hell u. W. Mayer, Ber. 22, 50 (1889). — •• Keafft u. Gbosjbav, Ber
23, 2854 (1890). — •» Perkin, Journ. Soc. 46* 516 (1884); 63, 564 (1888). — •* Ljä^d
u. Köhler, Ann. 262, 207 (1890). -^ ^ Wdsbar, ebenda, 219, 232. — ^ Lora», Aeb.
266, 264 (1891). — •» Fittio, Ber. 24, 87 (1891). — « Wetoel, Monatah. 11, 52'
(1890). — •• Schleicher, Ann. 267, 114 (1892).
lY. OlutarsSure und ihre Homologen.
CHutarsäureiC5H30^=C0jHCHjCH2CH2C0jH(normaleBreD2.
Weinsäure, vgl. S. 665) findet sich im WoUschweiss und im Rübensafi:
ein Derivat der Glutarsäure — die Glutaminsäure (vgl. Kap. 31) — ist im
Pflanzenreiche sehr verbreitet und wird durch Spaltung von Eiweis^-
körpem erhalten; durch Umwandlung derselben ist die Glataxsäore zu-
erst gewonnen worden. Eine Reihe von synthetischen DarstellungsweiseL
beweist ihre Constitution; Glutarsäure entsteht aus Trimethylenbromii
durch Vermittelung des Trimethylencyanids , aus Natriumacetessigester
(bezw. Natriummalonsäureester) durch Einwirkung von /9-Jodpropio»-
säureester (bezw. /S-Brompropionsäureester) und Säurespaltung des ent-
standenen Acetglutarsäureesters (bezw. Verseifung des CarboxyglutÄr-
säureester):
CO,.C,Hß COjCjH, CO,H
I I
CH.CHjCHj.COj.C3H5 >- CHjCHjCHjCOjH,
CHNa
1
CO
1
>-
CH.
CO
1
CH,
CH,
Acetglutarsäureebter
aus Malonsäurester durch Condensation mit Formaldehyd (bezw. Ein-
wirkung von Methylenjodid oder Methylenchlorid auf Natriummalonsäure-
ester) unter Benutzung des Dicarboxylglutarsäureesters (Kap. 27) al-
Zwischenstufe:
yCOj . CjHj
CH,<
m:;o,-c,h,
/CO, . CjHg
CH<
1 \COj.CjH,
CH,-CO,H
CH,
>- CH,
1 /COj • CjHj
CH<
\CO,.C,H,
!
CH,-CO,H ;
* DiTTMAR, J. pr. [2] 6, 338 (1872). — Markowmikow u. Lerxoktow, Aun. 162,
341 (1876). — Markowkieow, Ber. 10, 1108 (1877). — Reboül, Ann. eh. [5] 14, 5(»1
(1878). — WisLicENUB u. LiMPACH, Ann. 102, 128 (1878). — Coitrad u. Guthzbtt. Ann.
222, 256 (1888). ~ Perkik Qun.), Ber. 19, 1054 (1886). — Nobrdlinoer, ebenda. 1898.
— Carette, Compt rend. 101, 1500 (1885); 102, 692 (1886). — Büisike, Comptrend
107, 789 (1888). — Guthzeit u. Dressel, Ber. 21, 2234 (1888). Ann. 256, 176(1889-.
— Krapft u. Noerdlinoer, Ber. 22, 816 (1889). — Crum-Brown n. Walker, Ann. 261
119 (1890). — Emery, Ber. 24, 288 (1891). — v. Lippmanh, Ber. 24, 8301 (18911. -
Perkin jun. u. Prentice, Joum. Soc. 69, 991 (1891). — Stobmann 11. Kleber. J. p^
[2] 46, 475 (1892).
Derivate der Glutarsäure. 673
letztere Bildungsweise dürfte sich am besten zur Darstellung eignen.
iTlutai-säure ist in Wasser sehr leicht, löslich und krystallisirt daraus in
2;lasglänzenden Prismen; sie schmilzt bei 97-5^; wird sie schnell und
^tark erhitzt, so kann sie bei etwa 290^ anscheinend unverändert über-
ile^tillirt werden; bei langsamerer Destillation aber erhält man ein Ge-
menge der Säure mit ihrem Anhydride. Von den Salzen der Glutar-
säure ist besonders das Zinksalz CßHgO^Zn charakteristisch; es ist in
kaltem Wasser schwer löslich (1 Th. in 102 Th. bei 18*^); da es in
heissem Wasser noch weniger löslich ist — eine Erscheinung, die bei
den Salzen der höheren Dicarbonsäuren übrigens sehr häufig beobachtet
wird, — so scheidet ^die kalt gesättigte Lösung beim Erwärmen einen
Niederschlag aus, der unter dem Mikroskop betrachtet rechteckige Täfel-
ehen mit einspringenden Winkeln darstellt.
DeriTate der Glutarsäure. Glutarsäurediäthylester^ QHQ04(CaH5), siedet
bei 236-5—2370; spec. Gew. bei 20» : 1 -024. — Das Anhydrid**« CH,<; \0
\CH,-CCK
schmilzt bei 56—57** nnd siedet unter theil weiser Zersetzung bei 286— 288**. — Das
Nitril»-* CN-(CH,)5.CN (Trimethylencyanid) siedet unter 10 min Druck bei 142^
unter gewöhnlichem Druck nicht ganz unzersetzt bei 276** und besitzt bei 11® das
/CHjCOv
<pec. Gew. 0-996. — Das Imid* CH,^ ^NH bildet glänzende, bei 154- 5**
schmelzende Täfelchen; sehr interessant ist seine Bildung durch Oxydation des Pi-
peridina mit Wasserstoffsuperoxyd:
<Crl2 • Cxjjv yCH j • COv
>NH >- CHj< >NH .
CHjCH/ ^CHjCO/
Piperidin Glutarimid
Homologre der GlutarsSSure sind hauptsächlich nach folgenden Beactionen ge-
wonnen worden:
1. Condensation von Aldehyden mit Malonsäure oder Malonsäureester^ (vgl.
S. 491) führt zu ^monalkylirten Glutarsäuren.
2. Einwirkung von ^-Jodpropionsäureester auf Alkylacetessigester' führt zu
«monalkylirten Glutarsäuren (vgl. die Synthese der Glutarsäure, S. 672).
3. Einwirkung von Methylenjodid auf die Natrium vefbindungen von «-Cjan-
fettsäureestem ® (bezw. Alkylmalonsäureestem®) führt zu symmetrisch dialkylirten
Glutarsäuren :
1 Rbboul, Ann. eh. [5J 14, 504 (1878). — Perkin (jun.), Ber. 19, 1055 (1886).
Perkin, Joum. Soc. 63, 567 (1888).
' Markownikow, Ber. 10, 1103 (1877).
' Krafft u. Noerdlinoer, Ber. 22, 817 (1889).
* Hbkby, Compt. rend. 100, 742 (1885). — Biedermann, Ber. 22, 2967 (18H9\
PiMKER u. DiETz, Bcr. 23, 2942 (1890). — Gabny, Ber. 24, 3431 (1891).
^ Bbrnhemeb, Ber. 16, 1683 (1883). — Wolffenstein, Ber. 25, 2778 (1892).
* KoMNENOs, Ann. 218, 145 (1883).
'. WisLicENUS u. LiMPACH, Ann. 192, 133 (1878).
* Zelinsky, Ber. 22, 2823 (1889). » Bihchoff, Ber. 23, 1464 (1890).
V. Mkykr u. Jacobson, org. Chem. I. 43
674 Homologe der Oluiarsäure.
CHj CHg CH,
I I i
2CN— CNa + CH,J, = 2NaJ + CN-C — CH,— C— CN ,
I ! I ■
CO,C,H, C0,C,H5 CO,C,H,
CH3 CH, CH, CH,
II i I
CN-C — CH, — C— CN +6H,0 = CH-CH,-CH + 2C,HaO + 2NH, + 2C0,.
II II
CO.CjHs CO,.C,H, CO,H CO,H
Zu analogen Produkten gelangt man durch Alkylirung des S. 672 genannten Di-
carbozylglutarsäureesters ^ :
/CO.CHs /CO,.C,H,
,CNa<^ .C(C,H,X^ CH(C,H5)-C0,H
\CNa<: ^CCCjHeK M)H(C,H5>-C0,H.
\co,.CÄ N:jo,.c,H5
4. Addition der Natriumverbindung des Malonsäureesters oder eLnes subetitmrteD
Malonsäureesters an den Ester einer J<^ß- ungesättigten SSure', z. B.:
CH, — CH /CO, • C,H5 /CO, • CjHj
I -fCH< = CH,-CH-CH<
CHbCOj-CH I \CO,.C,H, I \CO,.C,H,,
Na C,H5.C0,-CHNa
<C0, • CjHj
CH,-CH-CH,-CO,H
C0,.C,Hj + 3H,0 = 3C,H«04-C0,-h '
C,Hb . C0,-CH, CO,H-CH,
Zu erinnern ist endlich noch an die Bildung von Glutars&urehomologen daiek
Reactionen, die zu Bernsteinsäurehomologen fuhren sollten^ in Folge der S. 664-^65
erörterten Verhältnisse.
Auch in dieser Gruppe treten zu den durch verschiedene Stmctur bedingten
IsomeriefäUen Beispiele von räumlicher Isomerie^ die den stereoisom^en symme-
trischen Dialkjlbemsteinsäuren entsprechen. Die Dimethjlglutarsäure CO,H*CH(Cfl|)'
CH8'CH(CH,)'C02H ezistirt in einer leicht löslichen, niedrig schmelzenden und in
einer schwer löslichen, höher schmelzenden Modification. Die UmwandlungBrerhllt-
nisse liegen hier indess gerade umgekehrt wie in der Bemsteinsänrereihe; die schwer
lösliche Säure geht durch Erhitzen mit Salzsäure bis 200^ in die leicht IQsUch"
Säure über; aus beiden Säuren erhält man ein und dasselbe Anhydrid, welches daicb
Hydratation die schwer lösliche Säure liefert und demnach einen üebergang der
leichtlöslichen Modification in die schwerlösliche vermittelt
Aus dem elektrischen Leitvermögen ergiebt sich, dass alle bisher unterencbten
Homologen der Glutarsäure an Stärke die Grlutarsäure etwas übertreffen und sich ein-
ander sehr nahe stehen^. Eine Ausnahme bildet die Trimethylglutarsänre, deren
Dissociationsconstante kleiner als diejenige der Glutarsäure gefunden wurde; vielleicbt
wird die Constitution dieser Säure (Entstehung vgl. S. 664) noch nicht richtig gedeatet
^ GuTHZEiT u. Dressel, Ann. 250, 171 (1889).
* AüWEKS u. KoEBNER, Bcr. 24, 1923 (1891).— Auwers, Koebker u. v. toE>-
BÜRG, ebenda, 2887.
» Zelinsky, Ber. 22, 2823 (1889). — Zelinsky u. Besredka, Ber. 24, 459(1891'-
— Auwers u. Koebner, ebenda, 1923.
* Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 8, 488 (1891).
Adipinsäure und Dimethyladipinsäuren, 675
Die Tabelle Nr. 37 auf S. 676 giebt eine Uebersicht über die homologen
rlntarsäuren.
r. Die SSaren, deren Carboxyle durch mehr als drei Eohleu-
stoffatome ron einander getrennt sind.
Auf die häufige Bildung dieser Säuren bei der Oxydation hoch-
Qolecnlarer Fettkörper ist schon hingewiesen worden (S. 639); diese
Cntstehungsweise hat zu ihrer Entdeckung geführt.
Adipinsäure^ C^^io^^ = C02H(CH2)4COjH ist das erste Glied in
1er Reihe der normalen Dicarbonsäuren, das ohne jede Veränderung
lestillirt werden kann. Weder erleidet sie durch Erhitzen Kohlensäure-
ibspaltung, wie die Oxalsäure und Malonsäure, noch Wasserabspaltung,
wie die Bernsteinsäure und Glutarsäure; auch in anderen Eeactionen
[z. B. Elrhitzen des Silbersalzes mit Acetylchlorid) erweist sie sich als
unfähig zur Bildung eines inneren Anhydrids (vgl. S. 642 — 643), das einen
siebengliedrigen Ring enthalten würde. Dagegen erfolgt bei der Destil-
lation ihres Calcium- oder Bariumsalzes die Bildung eines cyclisch con-
stituirten Eetons, dessen Molecül einen funfgliedrigen Bing enthält —
des Ketopentamethylens (vgl. Bd. II):
CH,— CHj-COO. CHj-CH,.
I >Ca = I >C0 + CaCOs .
CH,~CH,-CO . 0/ CH,— CH/
Adipinsäure findet sich im Riibensaft; ihre Constitution ergiebt sich
durch die Bildung bei der Einwirkung von Silber auf /^-Jodpropionsäure
GHjJCHg-COgH und bei der Elektrolyse des ätherbemsteinsauren
Kaliums CaHg-OCO-CHjCH^-COjjK (vgl. S. 638); zur Darstellung wird
die Oxydation von Tetrahydro-a-Naphtylamin empfohlen. Sie krystalli-
sirt aus Wasser in matten Blättchen, die aus feinen Krystallnadeln be-
stehen, schmilzt bei 148 — 149^ siedet unter 100mm Druck bei 265°;
sie bildet sehr leicht übersättigte Lösungen; bei 15^ lösen 100 Th,
Wasser 1-44 Th. Adipinsäure, 100 Th. Aether 0-605 Th. Von ihren
Salzen sind die meisten in der Wärme weniger löslich als in der Kälte.
Sjmmetriselie DimethyladlpinsSure » CO,H • CH(CH,) • CH, • CH, • CHCCH,) ■ COjH
ist durch Combination von Aethjlenbromid mit Gyanpropionsäureester (vgl. dio
Bildungsweise 3 der homologen Griutarsfiuren, S. 673—674) gewonnen. Analog den
Dialkylbernsteinsäuren (S. 665—666) und Dialkylglutarsäuren (S. 674) existirt sie in zwei
* Laurekt, Ann. eh. [2] 66, 166 (1837). — Bromeis, Ann. 35, 105 (1840). —
Malagcti, Ann. eh. [3] 16, 84 Anm. (1846). — Arppe, Ztschr. Chem. 1866, 300. —
SYisLicBNUs, Ann. 140, 221 (1868). — Ladenburg, Ann. 217, 142 (1882). — Hell u.
Dibterle, Ber. 17, 2221 (1884). — Baeyer, Ber. 18, 680 (1885). — Carette, Compt.
rend. 101, 1498 (1885). — Ba»berger u. Althausse, Ber. 21, 1897 (1888). — Wislicenus
u. HrascHEL, Tageblatt d. 62. Naturforscherversammlung, S. 227 (Heidelberg, 1889).
- Krapft u. Noerdlinger, Ber. 22, 817 (1889). — Reformatzky, Ber. 23, 103 (1890).
- Crüm-Brow^' u. Walker, Ann. 261, 117, 121 (1890). — v. Lippmann, Ber. 24,
3302 (1891). — Walker, Journ. Soc. 61, 712 (1892).
* Zelinsky, Ber. 24, 3997 (1891).
43*
676
Tabeüarisehe üebersicht über die homologen Olutarsäuren.
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PimdUisäure, Kwksäure, Siiberon. 677
stereoiaomeren Modificationen, deren eine rhombisch krystallisirt, bei 74—76^ schmilzt
und in etwa 16 Th. Wasser von 15° löslich ist, während die andere Säure monoklin
kiystallislrt, bei 140—141° schmibst und bei '^2 ° etwa 180 Th. Wasser zur Lösung er-
fordert; die niedrig schmelzende Säure geht beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure
auf 200° in die hochschmelzende Säure über; beide Säuren sieden bei der gleichen
Temperatur (320—322°) und besitzen die gleiche Dissociationsconstante (K = 0'0042).
Pimelinsäure 1 CyS^fi, = GO^^'[GB^\CO^B. wird bei der Oxydation
von Ricinusöl mit Salpetersäure erhalten; ihre normale Structur folgt
aus der Sjuthese durch Einwirkung von Trimethylenbromid auf Natrium-
malonsäureester :
(C,H50.CO)8CHNa > (CjM^O- CO ),CH.CH,.CH,.CH,.C 11(00. OOjHj),
> CO,H . CHa . GH, . CH, • CH, • GH, • CO,H .
Sie kystallisirt aus Wasser in breiten, zu Büscheln vereinigten, tafel-
förmigen Krystallen, schmilzt bei 105-5 — 106^, siedet unter 100mm
Druck bei 272« und löst sich in 24 Th. Wasser von 20 ^ Sie spaltet
auch bei wiederholter Destillation kein Wasser ab und bleibt beim Er-
hitzen mit Acetylchlorid oder Essigsäureanhydrid unverändert, zeigt
mithin nicht die Fähigkeit zur Anhydridbildung.
Ueber symmetrische DialkylpimelinsUureii GOjHCHRGHj.CHjGHjGHR-
CO,H vgl. die Originalliteratur*.
Eorksftare» C^^^fi^ = i^O^YL'[GR^\GO^n wird durch Oxydation
von Ricinusöl dargestellt; sie krystallisirt in langen Nadeln, schmilzt bei
140*', siedet unter 100mm Druck bei 279^, unter gewöhnlichem Druck
gegen 300*^ ohne Veränderung; 100 Th. Wasser lösen bei lö-ö^ 0-142Th.
Säure. Ihre normale Structur folgt aus der Bildung durch Elektrolyse
von ätherglutarsaurem Kali (vgl. S. 638),
Von grossem Interesse ist eine durch Destillation von korksanrem Galcium ge-
wonnene Substanz — das Suberon^ G7H12O, welchem man unter der Voraussetzung,
' Baeteb, Ber. 10, 1358 (1877). — Schorlemmer u. Dale, Ann. 100, 148 (1879).
— Gantteb u. Hell, Ber. 17, 2212 (1884). — Haitinger u. Lieben, Monatsh. 5, 358
11884). — Perkin jun., Ber. 18, 3249 (1885). Joum. Soc. 51, 240 (1887). — Marck-
waldt, Ber. 21, 1400 (1888).— Krafpt u. Noerdlinoeb, Ber. 22, 817 (1889).— Walden,
Ztechr. f. phjsik. Ghem. 8, 490 (1891). — Perkin jun. u. Prentice, Joum. Soc. 60,
825 (1891). — Volhard. Ann. 267, 80 (1892). — Walker, Journ. Soc. 01, 700 (1892).
* Perkin jfn. u. Prentice, Journ. Soc. 50, 818 (1891). — Zelinsky, Ber. 24,
4004 (1891). — Walker, Jour. Soc. 61, 701 (1892).
* BoussiNGAULT, Ann. 10, 307 (1836). — Laurent, Ann. eh. [2] 66, 157 (1837).
— Bromeis, Ann. 35, 89, 96 (1840). — Tilley, Ann. 30, 166 (1841). — Sass, Ann.
61, 226 (1844). — Wirz, Ann. 104, 271 (1857). — Dale, Ann. 132, 244 (1864). —
Abppe, Ztschr. Ghem. 1866, 298. — Dale u. Schorlemmer, Ann. 100, 145 (1879). —
Gaxtter u. Hell, Ber. 13, 1165 (1880). — Gahours u. Demar^ay, Gompt. rend. 04,
610 (1882). — Perkin, Journ. Soc. 45, 517 (1884). — Hem. u. Rempel, Ber. 18, 812
11885). — Krafft u. Noerdlinoer, Ber. 22, 817 (1889). — Grum- Brown u. Walker,
Ann. 361, 119, 113 (1890). — Walker, Joum. Soc. 61, 713 (1892).
* BoirssiNGAüLT, Ann. 10, 308 (1836). — Tilley, Ann. 30, 166 (1841). — Dalk
u. Schorlemmer, Ber. 7, 806 (1874). Ann. 100, 147 (1879). — Ladenburo, Ber. 14,
2405 (1881). — Spiegel, Ann. 211, 117 (1881). — Näoeli, Ber. 16, 497 (1883). —
Markownikow, Gompt. rend. 110, 466 (1890); 116, 462 (1892).
678 Azelainsäure, Sebadnsäure eic.
dass die Reactioii analog der gewöhnlichen Ketonbildung verlfiaft, die Fono«.
eines Ketoheptamethjlens:
CM« CHa CHjy
1 >co
Cxi j — C H j — CH j
beilegen müsste, während nach anderen Erfahrungen zur Bildung eines riDgionLi^
geschlossenen Systems von 7 Kohlenstoffatomen wenig Neigung besteht (Näbs^
vgl. Bd. II).
Azelainsäure ^ CgH^gO^ = CO^H - {CH.^\ • COgH wird ebenfaUs am beste'.
durch Oxydation von Ricinusöl gewonnen; ihre Trennung von der Kork-
säure gründet sich zweckmässig auf die yerschiedene Löslichkeit in
Aether, welcher die Azelainsäure leichter als die Korksäure aufiiijnmr,
und auf die Krystallisation des Maguesiumsalzes (100 Th. Wasser lösei
bei 20^ 13-45 Th. korksaures Magnesium, aber bei 18** nur 3-62 TL
azelalnsaures Magnesium). Azelainsäure krystallisirt aus Wasser in grusvei:
dünnen, perlmutterglänzenden Blättern, schmilzt bei 106^ und m\e.
unter 100 mm Druck bei 286-5^ 100 Th. Wasser lösen bei 12<> 0-108 TL
der Säure, 100 Th. Aether bei 15 ^ 2-68 Th. — Für die norajal-
Structur der Azelainsäure kann einstweilen lediglich ihre Bildung bti
der Oxydation von Fetten und der Umstand angeführt werden, dass sie..
ihr Schmelzpunkt und Siedepunkt gut in die Reihe der normalen Dicarbon-
säuren einfügt (vgl. S. 639) ; synthetisch ist die Säure noch nicht ft-
wonnen worden.
Sebacinsäure» Ci^HigO^ = C03H(CH2)8-CO,H wird am besten üml
trockene Destillation der durch Verseifen von Eicinusöl mit Jiatronlaug
erhaltenen Natronseife gewonnen. Ihre normale Structur ist durch dir
'Elektrosynthese aus Adipinsäure (vgl. S. 638) erwiesen. Sie bildet glänzeuüe
Krystallblätter, schmilzt bei 127— 128^ siedet unter 100mm Druck be:
294- 5« und löst sich bei 17^ in 1000 Th., bei 100« in 50 Th. Wasser.
Die normale DicarbonsÄure der 12. Reihe — DekamethylcndiCÄrVon-
sMure COgH • (CHjJjo • COjH — liegt wahrscheinlich in der Säure vor, welche ac«
ündecylensäure (vgl. S. 509—510) auf folgendem Wege erhalten uird':
CH, CHjBr CHi-CN'
I > • 1 ^ I
CO^II . (CHj)8 • CH CO^H . (CH,)« • CH, CO,H • (CH.)» • CB^
^ Laurent, Ann. eh. [2] 66, 172 (1837).— Arppe, Ann. 124, 86 (1862). Zt^br.
Chem. 1865, 296. — Grote, Ann. 130, 207, 209 (1864). — Dale, Ann. 132, 247 (I864i
— Dale u. Schorlemmer, Ann. 199, 149 (1879). — Gantter u. Hell, Ber. 14, 36ö,
1545 (1881). — Krafpt u. Noerdlinoer, Ber. 22, 818 (1889).
^ Bedtenbacher, Ann. 85, 188 (1840). — Carlet, Compt. rend. 37, 128 (löJo-
— Calvi, Ann. 91, 110 (1854). — Petersen, Ann. 103, 184 (1857). — Abppb, Zt*
Chem. 1866, 296. — Neison u. Bayne, Jb. 1874, 625. — Neison, Jb. 1876, 5^^^
Joum. Soc. 27, 301 (1874). — Witt, Ber. 7, 219 (1874). — Dale u. Schoriemub-
Ann. 199, 149 (1879). — Cahoürs u. Demarcay, Compt. rend. 94, 610 (1S821 -
Perkin, Joum. Soc. 45, 518 (1884). — Carette, Compt. rend. 101, 1498 (1885). - KfiAm
u. Noerdlinger, Ber. 22, 818 (1889). — Crum-Brown u. Walker, Ann. 281, 12U l'^^
(1890). — Phookan u. Krappt, Ber. 26, 2252 (1892). — Walker, Joum. Soc. 61, 713(1892i.
' Noerdlinger, Ber. 23, 2356 (1890).
Ungesättigte Ld-Dicarbonsäuren (Methylenmalonsäure eic) 67^
CH,.CO,H
>- I
C0,H.(CH»)8.CH,
es ist ireilich noch nicht bewiesen, dass fhr die erste Phase dieser Reactionsfolge
nicht etwa eine Addition des Brom Wasserstoffe im Sinne der Gleichung:
CH, CHs
II + HBr =
CO,H . (CH8)ö • CH CO^H • (CU^)^ - CHBr
anznnehmen ist Die Säure schmilzt bei 124 •5—125*5 ^ siedet unter 10mm Druck
bei 245^ löst sich in 22225 Th. Wasser von 2S\ bei 100° in 891 Th.
BrassylsXure ^ Ci,Hm04 (Schmelzpunkt 112**) ist durch Oxydation von Behenol-
sfture (vgl. S. 519) mit Salpetersäure erhalten und besitzt daher höchstwahrscheinlich
auch normale Structur (vgl. S. 639).
Die normalen Dicarbon säuren der 14. und 18. Reihe' (vgl. S. 689) sind
durch Elektrosynthese (vgl. S. 638) aus Korksäure bezw. Sebacinsäure gewonnen; sie
sind in Wasser fast unlöslich.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Die ungesättigten Dicaxbonsäuren.
I. Dicarbonsfturen mit einer Doppelbindung.
(Allgemeine Zusammensetzung: CaB.^^_^0^).
A. /S-Dicarbonsäuren (1.3-Dicarbonsäuren).
Die ungesättigten ^-Dicarbonsäuren — Säuren mit einer Doppelbindung also,
welche die Carboxjlgruppen in der Malonsäurestellung enthalten — , kann man ihrer
Structur nach in zwei Abtheilungen sondern:
1. Säuren, an deren Doppelbindung das zwischen den beiden Carbozylgruppen
befindliche Kohlenstofiatom betheiligt ist:
CHjiG^ (Methylenmalonsäure) und ihre Homologen R-CH:C<f
X;0,H XJO.H
2. Säuren, deren Doppelbindung sich innerhalb eines in das Malonsäuremolecül
.CO,H
eingeführten einwerthigen Radicals befindet, z.B. CH, : CH • CH^ • CH<f
\CO,H
Nur wenige ungesättigte i^Dicarbonsäuren sind bekannt. Die Säuren der ersten
Abtheilung scheinen sehr veränderlich zu sein und sind bisher überhaupt noch nicht
in freiem Zustand gewonnen worden. — Den Diäthylester der Methylennuilon-
slnre' erhält man bei der Einwirkung von Methylenjodid (1 Aeq.) auf Malonsäure-
ester (1 Aeq.) und Natrinmäthylat (2 Aeq.) in alkoholischer Losung — aber nicht als
solchen, sondern zu einem dimolecularen Produkt CjeHg^Og polymerisirt, welches eine
weisse, harte, amorphe, paraffinartige, geruchlose Masse vom Schmelzpunkt 155—156^
darstellt; destillirt man dieses Produkt, so gehen zu Anfang der Destillation Dämpfe
von ätzendem Geruch über, die sich zu einer leicht beweglichen Flüssigkeit condensiren;
* Haüskhecht, Ann. 143, 48 (1867). — v. Grossmann, üeber d. Oxydations-
produkte der Behenolsäure, p. 16 (Inaug.-Diss. Leipzig, 1890).
* Cbum-Bbown u. Walker, Ann. 261, 123, 125 (1890).
* Zelinsky, Ber. 22, 3294 (1889).
I
680 Fumarsäure und Maleinmure
- — — — . ^^
letztere stellt wohl den moiiomolecularen Ester dar und bleibt, unJ;pr'''Wa83€r
aufbewahrt, einige Zeit unpolymerisirt, verwandelt sich aber in trockenem Zustand
unter P>wärmung wieder rasch in das bimere Produkt. — Eine homologe Säure —
Aethylidenmalonsäure ' CH3 - CH : C(CO,H}, — wird in Form ihres Esters (Siede-
punkt unter 21mm Druck: 118— 120^ spec. Gew. bei 15°: 1.0435) durch Conden-
sation von Acetaldehyd mit Malonsäureester (vgl. S. 491) erhalten; durch Vereeiftiiig
des Esters konnte die freie Säure nicht gewonnen werden, da sie weitere Ver-
änderungen erleidet.
Als Repräsentant der Säuren der zweiten Abtheilung sei die durch Einwirkung
von Allylbromid auf Natriummalonsäureester leicht erhältliche AllylmaloDsSnre'
CH2:CH.CH,.CH(C0,H), erwähnt. Sie bildet grosse Prismen, schmilzt bei 103»;
K = 0154; Siedepunkt des Esters: 219— 221^ spec. Gew.: 1017 bei 16°.
B. T'-Dicarbonsäuren (1.4-Dicarbonsäuren).
Von der Formel der einfachsten gesättigten ^'-Dicarbonsäure — der
Bemsteinsäure COgH-CHg-CHg-COjH — gelangt man durch Entziehung
zweier WasserstofFatome zur Formel der einfachsten ungesättigten ;'-Di-
carbonsäure :
COgH • CH : CH • CO^H : o) (»'- Aethy lendicarbonsäure,
welche auf Grund der stereochemischen Theorie die beiden Configurationen
COjH-C-H H-C-COsH
:; und |:
H-Ö-COsII H-C-CO,H
cis-trans- cis-
annehmen kann (vgl. S. 86). Wir kennen in der That zwei Säuren —
FumarsSure und HaleYnsäare — , denen beiden mit grösster Wahr-
scheinlichkeit die gleiche Structurformel der woZ-Aethylendicarbonsäui-e
beigelegt werden muss; seit ihrer Auffindung hat die Erklärung ihrer
Isomerie die Chemiker unausgesetzt beschäftigt^. Zur Zeit werden von
den meisten Forschern jene beiden räumlich verschiedenen Formeln als
befriedigender Ausdruck fiir die Isomerie der Fumar- und Maleinsäure
angesehen; allein auch heute noch wird das Problem vielfach umstritten,
und gegenüber diesen neueren Anschauungen wird noch von einigen Seiten
mit grosser Zähigkeit der Versuch fortgesetzt, die Isomerie lediglich auf
Grund der älteren Structurtheorie zu erklären. Mit der Chemie dieser
beiden Säuren betreten wir ein Feld, auf welchem mit Vorliebe der
Kampf für und wider die neue Lehre ausgefochten wird.
Fumarsäure ist häufig in Pflanzen gefunden worden*, namentlich
in vielen Pilzen; sie hat ihren Namen von ihrem Vorkommen im Saft
* KoMNENos, Ann. 218, 156, 162 (1883).
« Conrad u. Bischofi-, Ann. 204, 168f (1880). — Hjelt, Ann. 216, 52(1883).-
Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 8, 450 (1891), — Henry, Ber. 24o, 78 (1891.). -
FiTTiQ, Ber. 26, 43 (1,893).
' Historische Zusammenstellung der Erklärungsversuche vgl. bei AnschOtz, Ann.
239, 161 (1887). — Vgl. auch V. Meyer, Ber. 23, 586 (1890).
* Vgl. Winckler, Ann. 4, 230 (1832). — Probst, Ann. 31, 248 (1839). - Wickk,
Ann. 87, 225 (1853). — Bolley, Ann. 86, 44 (1853). — Dessaiones, Ann. 89, 120(18541.
(Varko7nmen, Darstellung und Bildung s weisen), 681
von Fumaria officinalis. Maleinsäure ist, natürlich gebildet, noch nicht
beobachtet worden. Zur Darstellung der beiden Säuren dient in der
Regel ihre Bildung durch Erhitzen von Aepfelsäure^:
CO,H.CH(OH).CH,.COjH - H^O = COgHCH: CHCOsH ;
beide Säuren bilden sich hierbei neben einander in Mengenverhältnissen,
die von den Bedingungen abhängig sind: bei niederen Temperaturen
erhält man hauptsächlich Fumarsäure, bei höheren Temperaturen da-
neben reichlich Maleinsäure; destillirt man das Produkt, so erhält man
im Destillat wesentlich Maleinsäure, da Fumarsäure durch Destillation
in das Anhydrid der Maleinsäure übergeht (vgl. S. 682).
Zur Darstellung der Fumarsäure erhitzt man daher Aepfelsäure etwa
40 St- auf 140—150°, behandelt die vollständig erstarrte Masse mit heissem Wasser
uud filtrirt die nach dem Erkalten abgeschiedene Fumarsäure ab; auch die Zer-
setzung der Brombemsteinsäure:
CO.HCHBrCHjCO.H - HBr = CO^HCII : CHCO.H
durch Erhitzen für sich oder Kochen mit Wasser kann vortheilhaft zur Darstellung
der Fumarsäure dienen'. Zur Darstellung der Maleinsäure behandelt man
zweckmässig Aepfelsäure zunächst mit überschüssigem Acetylchlorid , wobei sich
CHjCO.OCH— COv
unter Salzsäureentwickelung Acetyläpfelsäureanhydrid | ^0
CH,-CO/
bildet; destillirt man darauf das so gewonnene Produkt, so spaltet sich das Acetyl-
äpfelsäureanhydrid in Essigsäure und Maleinsäureanhydrid.
Zu erwähnen sind femer die folgenden synthetischen Bildungsweisen : Acetylen-
dijodid (vgl. S. 552 — 553) CHJ : CH J giebt, mit Cyankalium in alkoholischer Lösung
gekocht, dann mit Aetznatron verseift, Fumarsäure^; Aethenyltricarbonsäurecster ~
das Einwirkungsprodukt von Chloressigester auf Natriummalonsäureester (8. 699) —
chlorirt, dann durch Kochen mit Salzsäure verseift, liefert Fumarsäure*:
^^^^OjCA ^^^^COjCHs CH-C0,H
CH,-CO,.CA CH^-COaCA ^" ^^«"'
durch Kochen von malonsaurcm Silber mit Dichloressigsäure oder Dibrom essigsaure
in wässriger Lösung erhält man Fumarsäure^:
COjH.CHCl^, + CH,(COOAg), = COsHCH: CHCO^H + 2AgCl + CO,,
durch Erhitzen von Dichloressigester mit molecularom Silber^ Male'insäureester. Auf-
fällig ist die Angabe, dass aus a-Bromakrylsäure Cllg : CBr- COgH durch Einwirkung
* Lassaigne, Ann. eh. [2] 11, 93 (1819). — Pelouze, Ann. 11, 263 (1834). —
Dessa^gnes, Compt rend. 42, 494, 524 (1856). — Perkin u. Duppa, Ann. 112, 26
0859). — Kbkul6, Ann. 130, 21 (1864). — Henry, Ann. 66, 177 (1870). — Jüno-
FLEiscH, Bull. 30, 147 (1878). — Anschötz, Ber. 12, 2281 (1879); 14, 2791 (1881). —
Perkin, Ber. 14, 2547 (1881). — Baeyer, Ber. 18, 676 (1885). — Wislicenus, Ann.
246, 91 (1888). — Michael, J. pr. [2] 46, 231 (1892).
» FiTTiG u. Dorn, Ann. 188, 90 (1877). — Volhard, Ann. 242, 158 (1887);
268, 256 (1892). ~ Emeby, Ber. 23, 3757 (1890).
^ Reiser, Ber. 23 o, 346 (1890). * Bischoff, Ann. 214, 44 (1882).
^ Komnsnos, Ann. 218, 169 (1883). — Tanatar, Ann. 273, 50 (1892).
• Tanatar, Ber. 12, 1563 (1879).
682 Fumarsäwre und Maleinsäure
von Cyankaliam und darauffolgende Verseifung Maleinsäure entsteht*; die bei nor-
malem Verlauf dieser Reaction sich ergebende Formel CH, : CCCOsH), für die Malein-
säure ist durch ihr Verhalten völlig ausgeschlossen (vgl. unten).
Fumarsäure scheidet sich bei raschem Erkalten concentrirter
Lösungen in feinen Nadeln, aus weniger concentrirten Lösungen in
derben zackigen Spiessen ab; sie kann bei 200^, ohne vorher zu schmelzen,
im Wesentlichen unzersetzt verflüchtigt werden; bei höherer Temperatur
spaltet sie sich unter theilweiser Verkohlung in Wasser und das Anhydrid
der Maleinsäure^; glatter verläuft die Umwandlung in Malelnsäure-
anhydrid bei der Destillation mit Phosphorpentoxyd'; sie ist in Wasser
sehr schwer löslich, bedarf bei 16® fast 150 Th. Wasser zur Lösung;
ihre Lösung wird von Barytwasser nicht gefällt, dagegen selbst noch in
grosser Verdünnung von Silbemitrat*. Ihr Dimethylester * C^Hj04{CH3)j
bildet weisse Krystalle, schmilzt bei 102® und siedet bei 192®.
Maleinsäure krystallisirt in rhombischen Prismen, schmilzt bei
130® und beginnt bei etwa 160® zu sieden, indem sie sich in Wasser
und Malelnsäureanhydrid spaltet; sie ist in Wasser sehr leicht lös-
lich (schon in weniger als 2 Th. bei gewöhnlicher Temperatur); ihre
Lösung wird von Barytwasser gefällt®. Im Gegensatz zur Fumarsäure,
welche von Mycelpilzen leicht assimilirt wird, erweist sich Maleinsäure
denselben Pilzen gegenüber als nicht ernährungstüchtig ^. — Ihre Ester*
werden durch Einwirkung von Jodalkylen auf das Silbersalz erhalten,
wobei indess jede Spur von freiem Jod vermieden werden muss, da Jod
die ümlagerung der Malelnsäureester in B^imarsäureester veranlasst.
Der Methylester® C4H,0^(CH3)2 ist flüssig und siedet bei 205®. -
Malelnsäureanhydrid^® C^HgOg krystallisirt aus Chloroform in dünnen
Prismen, schmilzt bei 53® und siedet bei 202®.
BetreflFs des Verhaltens der beiden Säuren seien zunächst einige
Additionsreactionen hervorgehoben, die ihre Structurgleichheit erweisen.
Beide Säuren werden durch Natriumamalgam zu gewöhnlicher Bemstein-
säure reducirt^\ treten mit Bromwasserstoflf zu Brombernsteinsäure zu-
sammen ^* und liefern beim Erhitzen mit Wasser im geschlossenen Eohr
* Tanatar, Ber. 13, 159 (1880). « Vgl. Wklicenüs, Ann. 246, 93 (1888),
3 VoLHARD, Ann. 268, 255 (1892). — Tanatab, Ann. 273, 81 (1892).
^ Ueber Salze der Fumarsäure vgl. Rieckher, Ann. 49, 81 (1844).
* Anschütz, Ber. 12, 2282 (1879).
* üeber Salze der Maleinsäure vgl. Büchner, Ann. 49, 57 (1844).
^ Büchner, Ber. 25, 1161 (1892). « AnschAtz, Ber. 12, 2282 (1879).
» Knops,^ Ann, 249, 192 (1888).
»0 PEI.OUZE, Ann. 11, 270 (1834). — KEKULfi, Ann. Suppl. 2, 87 (1862). — HCineb
u. Schreiber, Ztschr. Chem.1871, 713. — Fimo u. Dorn, Ann. 188, 87 (1877). —
Anschütz, Ber. 12, 2281 (1879); 14, 2791 (1888). — Reicher, Rec. trav. chim. 2, 508
(1883). — VoLHARD, Ann. 268, 255 (1892).
" Kekulä, Ann. Suppl. 1, 133, 134 (1861); Ann. 131, 85 (1864).
" FiTTiG u. Dorn, Ann. 188, 88 (1877).
(Eigenschaften, Verhalten, Structur), 683
Aepfelsäure^ (und zwar inactive Aepfelsäure); aus dieser glatten Ueber-
fuhrbarkeit in Bernsteinsäure bezw. Derivate derselben geht hervor, dass
keine der beiden Säuren die Structurformel: CH2 = C<f besitzen
kann, dass vielmehr beide ihre vier Eohlenstoffatome in normaler Kette
angeordnet enthalten. Bemerkt sei, dass solche Additionsreactionen bei
der Maleinsäure meist leichter verlaufen, als bei der Fumarsäure, und
stets von einem theilweisen Uebergang der Maleinsäure in Fumarsäure
begleitet sind (vgl. S. 685). Die bisher erwähnten Eeactionen würden sich
auch mit einer früher zuweilen vertheidigten Anschauung^ vertragen,
nach der die Isomerie der beiden Säuren durch die Formeln:
CH-COjH j \c-COaH
ij und / I
CH-CO,H . CHs-CO^H
erklärt wurde, für die eine Säure lalso eine Doppelbindung, für die
andere aber zwei an demselben Kohlenstoffatom befindliche freie Va-
lenzen („LückenformeP') angenommen wurden. Diese an sich schon
wenig plausible Annahme wird indess dadurch widerlegt, dass beide Säuren
durch Oxydation mit Kaliumpermanganat^ Säuren von der Structur:
CO,H . CH(OH) . CH(OH) • COgH
liefern; freilich sind die Oxydationsprodukte nicht identisch: Fumarsäure
geht in Traubensäure, Maleinsäure in inactive Weinsäure über; aber
sowohl Traubensäure wie inactive Weinsäure enthalten, wie bei der Be-
sprechung der Weinsäuren gezeigt werden wird, die beiden Hydroxyl-
gruppen an zwei verschiedenen Kohlenstoffatomen; sie sind räumlich
isomere Verbindungen.
Auch mit Brom treten beide Säuren zu structuridentischen, aber räumlich isomeren
i^äuren COsHCHBrCHBrCOjH (vgl. S. 735—786) zusammen; Fumarsäure liefert
Dibrombemsteinsäure, Maleinsäure liefert Isobromdibemsteinsäure, geht dabei aber
theilweiae in Fumarsäure über^.
Da endlich eine Polymerie zwischen den beiden Säuren durch die
bei ihren Derivaten ausgeführte Dampfdichtebestimmung ^, auch schon
durch die geringe Differenz in den Siedepunkten ihrer Ester ausgeschlossen
* LoYDL, Ann. 192, 80 (1878). — Jüngfleisch, Bull. 30, 147 (1878). — Bbbmeb,
Rec. trav. chim. 4, 180 (1885). — Skraup, Monatsh. 12, 111 (1891). — Delisle, Ann.
269, 76 (1891). — Vgl. auch Purdib, Journ. Soc. 39, 344 (1881). — Pürdie u.
Marshall, Journ. Soc. 69, 468 (1891).
» Vgl. FrrriG, Ann. 188, 95 (1877).
» Kekttlä u. AäschOtz, Ber. 13, 2150 (1880); 14, 713 (1881).
* Kmül6, Ann. Suppl. 1, 181, 134 (1861); Suppl. 2, 92 (1862). — Petri, Ann.
196, 57 (1878). — Wiblicenus, Ann. 246, 61 (1888). — Fittig, Ann. 259, 30 (1890).
— Shieldb, Journ. Soc. 59, 739, 742 (1891). — Delisle, Ann. 269, 93 (1891).
* Vgl. HüBMER u. Schreiber, Ztschr. Chem. 1871, 713. — Ossipofp, Ber. 21o,
779 (1888).
684 Fmiiarsäure und Maleinsäure
wird, so bleibt, wenn man überhaupt beide Verbindungen als Dicarbon-
säuren auffassen will (vgl. S. 687), lediglich die Structurformel:
CO.H.CHiCHCOsH
übrig, die, wie schon S. 680 erwähnt, zwei räumlich verschiedene Con-
figurationen annehmen kann und daher eine Erklärung der Isomerie auf
Grund der stereochemischen Theorie ermöglicht.
Wie die zwei räumlich verschiedenen Configurationen auf die beiden
Säuren zu vertheilen sind, ergiebt sich sofort, wenn man die merk-
würdigste Seite in ihrem chemischen Verhalten — die wechselseitige
Ueberführung in einander — in Betracht zieht. Aus den unten
mitgetheilten Beobachtungen geht deutlich hervor, dass nur die Malein-
säure zur Bildung eines inneren Anhydrids befähigt ist, dass
dagegen die Fumarsäure die in der Hydratform beständigere
Säure ist. Da nun die cis-Form (vgl. S. 680) die beiden Carbox}!-
gruppen offenbar in der zur Anhydrisirung günstigsten Stellung enthält,
da andererseits die cis-trans-Form — infolge der grösseren Nähe der
einander anziehenden Gruppen von entgegengesetztem Charakter (Wasser-
stoff und Carboxyl) — offenbar unter den beiden Säurehydraten die
,, begünstigte Configuration^* (vgl. S. 84) darstellt, so ist in folgender
Weise zu formuliren:
CO,H-C-H H-C— CO,H
H-C— CO,H H-C-COjH
Fumarsäure Maleinsäure
Um die Schreibweise solcher „Raumformeln" noch mehr zu vereinfachen
und um sie von Structurformeln, die nichts über die räumliche Atoni-
gruppirung sagen sollen, in auffälliger Weise verschieden erscheinen zu
lassen, möge fortan in solchen Fällen das System von zwei doppelt ge-
bundenen Kohlenstoffatomen in Raumformeln durch das Zeichen:
ausgedrückt werden. Wir haben dann die beiden Configurationsbilder:
CO,H , — H H CO3H
H 1 - COjH H CO4H*
Fumarsäure Maleinsäure
Dass Fumarsäure beim Erhitzen für sich oder mit wasserentziehenden
Mitteln in Wasser und Malelnsäureanhydrid gespalten wird, ist schon erwähnt
(S. 682). Aber auch wenn man die Anhydridbildung durch Reactionen be-
wirkt, die nicht höhere Temperatur als 100® erfordern — Einwirkung von
Fumarsäurechlorid auf fumarsaures Silber, Digestion von Fumarsäm*e mit
Acetyl Chlorid in Gegenwart von Essigsäure — , so erhält man nicht ein be-
sonderes Anhydrid der Fumarsäure, sondern ebenfalls Malelnsäureanhydrid^
^ Vgl. W. H. Peiikin, Ber. 14, 2545 (1881); 15, 1072 (1882), — AnschCtx u.
Bennert, Ber. 15, 640 (1882). Ann. 254, 155 (1889).
(Raumfurfnehu Uehergünge in einander), G85
Durch Vermittelung des Anhydrids kann also Fumarsäure in Maleln-
äure übergeführt werden.
Sehr mannigfaltiger Art sind die Processe, durch welche umgekehrt
Maleinsäure in Fumarsäure verwandelt wird. Erhitzt man MaleTn-
säure nur einige Grade über ihren Schmelzpunkt, so geht sie nach und
nach in Fumarsäure über, die sich bei dieser Temperatur in Ejrystallen
abscheidet**'. Concentrirte Salzsäure^ bewirkt reichliche Umlagerung schon
bei 10®, rauchende Bromwasserstoflfsäure^'* schon bei 0^, starke Jodwasser-
stoffsäure bei einmaligem Aufkochen*. Malelnsäureester gehen beim Er-
wärmen mit Jod zum grössten Theil in Fumarsäureester über*; Maleln-
säureanhydrid liefert beim Destilliren mit Phosphorpentachlorid Fumar-
säurechlorid*. Durch Addition von Ammoniak liefert das Anhydrid Maleln-
aminsäure COgH-CHrCH-CONHj, welche zwar durch wässrige Alkalien zu
Maleinsäure, durch alkoholisches Kali aber zu Fumarsäure verseift wird '.
Beim Erhitzen mit Wasser unter Druck auf etwa 130® tritt Umwandlung
von Maleinsäure in Fumarsäure ein®*®-^®; Gegenwart von manchen Säuren
begünstigt die Umwandlung (z. B. Salpetersäure), andere Säuren (z. B.
Schwefelsäure) wirken wiederum verzögernd^®.
Die ümwandlungsprocesse der Maleinsäure in Fumarsäure hat kürz-
lich Skbaup*® in umfassender Weise untersucht und quantitativ verfolgt;
er stellte für viele Fälle fest, dass die Maleinsäure neben der Um-
lagerung noch eine anderweitige Veränderung erleidet, wie dies für einzelne
Fälle schon vorher bekannt war. Wenn z. B. die Umlagerung durch
Chlor- oder Bromwasserstoflf bewirkt wird, so geht ein Theil der Malein-
säure in Chlor- bezw. Brombernsteinsäure über; bei der Umlagerung
durch Jodwasserstoff wird unter Jodabscheidung Bernsteinsäure gebildet;
während ein Theil der Maleinsäure durch Erhitzen mit Wasser Fumar-
säure liefert, geht ein anderer Theil in Aepfelsäure über, eine voll-
ständige Ueberführung in Fumarsäure ist nicht möglich. In diesen Pro-
cessen, welche neben der Umlagerung sich abspielen, erblickt nun Skeaup
geradezu die Ursache der Umlagerung; er nimmt an, dass sie durch
katalytische Wirkung einen Theil der Maleinsäure zum Uebergang in
Fumarsäure veranlassen. Der Eintritt gewisser chemischer Processe in
(lern Medium, das die Maleinsäure enthält, soll diejenigen Malelnsäure-
molectile, welche zwar selbst an jenen Processen nicht theilnehmen, doch
* Pelouze, Ann. 11, 266 (1834). — Skbaup, Monatsh. 12, 117 (1891).
» Anöchütz, Ann. 254, 175 (1889). • Fittig u. Dokn, Ann. 188, 91 (1877).
* Kekul^, Ann. Suppl. 1, 134 (1861).
* Anhchütz, Ber. 12, 2282 (1879). Ann. 239, 181 Anm. (1887). — Skraup,
Monatsh. 12, 144 (1891).
« Pebkin, Ber. 14, 2548 (1881). ' Anschütz, Ann. 259, 138 (1890).
* Semenoff, Bull. 46, 816 (1886).
* Tanatar, Ber. 23c, 433 (1890). Ann. 273, 32 (1892).
" Smaup, Monatßh. 12, 107 (1891).
1
68^ Verwandlung der Maleinsäure in Fumarsäure,
noch beeiiitiussen und zwar derart beeinHussen, dass sie die labile eis-
Configuration mit der stabilen cis-trans-Configuration vertauschen.
Zu Gunsten dieser Anschauung sprechen namentlich einige weitere Be-
obachtungen Skraup's. Schwefelwasserstoff lässt bei mittlerer Temperatur
eine Malelnsäurelösung fast unverändert; wenn aber gewisse Schwermetall-
salze der Maleinsäure, z.B. das Kupfersalz, durch Schwefelwasserstoff zerlegt
werden, so wird eine beträchtliche Menge Fumarsäure gebildet. Man könnte
denken, dass schon bei der Salzbildung eine theilweise Umwandlung ein-
tritt; allein malelnsaures Silber liefert bei der Zersetzung mit Salzsäure
lediglich Maleinsäure zurück, bei der Zersetzung mit Schwefelwasserstoff
dagegen neben Maleinsäure eine nicht unbedeutende Menge Fumarsäure.
Es scheint demnach, dass gerade der bei der Schwefelwasserstoffzersetzung
eintretende chemische Process in gewissen Fällen die ümlagerung herbei-
führen hilft. — Wie Schwefelwasserstoff, so wirkt auch Schwefeldioxyd
für sich auf Maleinsäure wenig ein; auch wenn man Wasser mit Schwefel-
wasserstoff und Schwefeldioxyd sättigt und diese Lösung, nachdem
sich die Reaction zwischen den beiden Gasen abgespielt hat,
auf Maleinsäure wirken lässt, wird nur wenig Fumarsäure gebildet. Wenn
man dagegen eine Malelnsäurelösung mit den beiden Gasen sättigt und
dann erwärmt, so dass sich die Reaction zwischen Schwefel-
wasserstoff und Schwefeldioxyd in Gegenwart von Maleinsäure
vollzieht, so wird reichlich Fumarsäure gebildet.
Hiemach scheint es wirklich, als ob gewisse chemische Processe, die sich in
einem Maleinsäure enthaltenden Medium abspielen, — gleichsam durch eine Resonanz-
Wirkung — in den Malei'nsäuremolecülen Schwingungen erzeugen oder vielmehr
bereits stattfindende Schwingungen derart verstärken, dass ein Umschlag ans der
labilen in die stabile Configuration vor sich geht. Skraup^ denkt sich daher die freie
Rotation zweier Kohlenstofiatome bei der Doppelbindung nicht ganz aushoben
(vgl. S. 85), nimmt vielmehr an, dass stets Schwingungen um die Verbindungsaxe
der beiden Kohlenstoffatome stattfinden; diese Schwingungen werden in der ß^l
geringe Elongation haben, so dass das System auch in der unbegünstigten malelnoiden
Configuration fixirt bleibt; durch nebenher laufende chemische Processe aber können
die Schwingungen mächtig verstärkt werden, und wenn sie einmal einen Auffichlag
von mehr als 90^ erreichen, so wird das System nicht mehr in die Ruhelage der
unbegünstigten maleYnoiden Configuration zurückkehren, sondern um die Ruhelage
der begünstigten fumaroiden Configuration schwingen, d. h. es wird Umwandlung
der Maleinsäure in Fumarsäure erfolgen*.
Diese Erklärung hat den Mangel, dass ihre Ausdehnung auf analoge Um-
wandlungsprocesse, wie sie bei den stereoisomeren Derivaten gesättigter Ringe (vgl
die Thioaldehyde, S. 421 ff.) beobachtet sind, nicht gut angängig ist. Die ITmwandlung
des a-Trithioacetaldehyds in den ^Trithioacetaldehyd z. B. ist offenbar im Sinne der
stereochemischen Anschauungen ein Vorgang, welcher dem Uebergang von Malein-
säure in Fumarsäure durchaus entspricht: in beiden Fällen wird die labile CU-
» Monatsb. 12, 146 (1891).
* Einen ähnlichen Erklärungsversuch vgl. bei Werner, Beiträge zur Theorie
der Affinität und Valenz (Zürich, 1891), S. 14. — Vgl. auch zur Theorie solcher üm-
lagerungen Delisle, Ann. 269, 97 (1891).
s:?üy7i
Erklär uihg von Ansdvüix, für die honierie- d-Futnar- u. Maleinsäure, 687
Joufiguratioii verlaasen, die stabile cis-trans-Configuration aufgesucht. Man wird
laher auch eine Erklärung suchen müssen, welche alle derartigen Processe auf gleich-
irtige Ursachen zurückfuhrt; nimmt man den SKRAüp'schen Gedanken an, dass die
LTni&nderung der Configuration durch Verstärkung von schon vorher im Molecül
stattfindenden Schwingungen veranlasst wird, so wird man lieber diese Schwingungen
ien ein'werthigen Radicalen zuschreiben, welche durch Vertauschung ihrer Plätze den
CTebergang der einen Gonfiguralion in die andere bewirken können:
H
X [/\ \
CO,H
H-
H
- i.
OO.H
CH3 ^Hj
Man suchte früher^ die Umwandlung von cis-Modificationen der ungesättigten
Verbindangen in cis-trans-Modificationen durch die intermediäre Bildung gesättigter
Verbindungen zu erklären, welche durch Additions-Reactionen entstehen, dann infolge
der freien Drehbarkeit bei einfacher Bindung ihre Configuration ändern und nun
durcb Wiederabspaltung der vorher aufgenommenen Elemente die ursprüngliche Ver-
bindung in einer anderen Configuration erzeugen sollten. Gegen diese Erklärung sind
50 schwerwiegende Bedenken' geltend gemacht worden, dass sie heute wohl kaum
noch aufrecht zu erhalten ist.
Zur Prüfung der stereochemischen Erklärung für die Isomerie der
Fumarsäure und Maleinsäure wird sich femer bei der Besprechung
ihrer Halogenadditions- und Substitutionsprodukte (vgl. S. 734 flf.) und
der Weinsäuren (vgl. Kap. 30) Gelegenheit bieten. Von anderen Er-
klärungsversuchen wird zur Zeit nur noch der folgende in der Literatur
vertheidigt.
Anschütz' drückt die Isomerie der beiden Säuren durch die
Stracturformeln :
Am
CH— COOH CH— Cc~OH
CH-CO-OH l! \0
CH— Co/
Fumarsäure Maleinsäure
aus, fasst demnach nur die Fumarsäure als wahre Dicarbonsäure , die
Maleinsäure aber als ein ^-Dioxylacton auf. Mit Hülfe dieser Formeln
gelingt es ihm, das Verhalten der beiden Isomeren auch auf dem Boden
der älteren Structurtheorie in ziemlich plausibler Weise zu interpretiren ;
schwer verständlich bleibt freilich namentlich der Uebergang von Maleln-
säureestem in Fumarsäureester durch Jod; femer ist nicht einzusehen,
warum nicht auch für die entsprechende gesättigte Dicarbonsäure —
* W1SLICKNU8, Abhdlgn. d. königl. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 24, 30 ff. (1887). —
Vgl. auch C. LiEBERMAMN, Ber. 23, 2513 Anm. (1890).
» MiCBAEL, J. pr. [2] 38, 21 (1888). — Ansohütz, Ann. 254, 168 (1889). —
Frrno, Ann. 259, 30 (1890). — Skbaup, Monatsh. 12, 107 (1891).
« Ann- 239, 170 (1887); 254, 168 (1889). — Vgl. Roser, Ber. 15, 2348 (1882).
688 Häufiges Auftreten von „fufnarauien*^ und malet no'iden^* Isomeren,
die Bernsteinsäure — ein isomeres Dioxylacton existirt, das zu ihr in
derselben Beziehung steht, wie die Maleinsäure zur Fumarsäure ^
Allein selbst wenn man für den vorliegenden Isomeriefall und ähn-
liche Fälle in der Gruppe der Dicarbonsäuren eine solche Erklärung
zulässt, so ist damit nicht viel gewonnen; denn diese Erklärung ist
eben nur für eine beschränkte Zahl jener täglich häufiger be-
obachteten Isomerie-Erscheinungen anwendbar, welche die
stereochemische Theorie in ihrer Gesammtheit durch den
Unterschied zwischen eis- und eis -trans-Configuration zu
deuten vermag. Die gleichen Beziehungen, ivie zwischen Fumar- und
Maleinsäure, finden wir auch bei ungesättigten Monocarbonsäuren —
Crotonsäure und Isocrotonsäure (vgl. S. 496 — 504), Zimmtsäure und AUo-
zimmtsäure — , bei den Trithioaldehyden (vgl. S. 421 — 423), bei Halogen-
derivaten ungesättigter Kohlenwasserstoffe (vgl. Tolandichloride, Bd. II),
kurz in den verschiedensten Körperklassen wieder; überall haben
wir die Existenz zweier isomerer Modificationen — einer schwerer lös-
lichen, höherschmelzenden und einer leichter löslichen, niedriger schmelzen-
den — , von denen sich die eine in der Regel als stabiler erweist, da
sie aus der anderen durch den Einfluss der Wärme oder durch Dm-
lagerung bewirkende chemische Agentien entsteht*. Die Existenz zweier
Isomeren und die grössere Beständigkeit der einen Modification wird in
allen Fällen von der stereochemischen Theorie auf die gleiche Ursache
zurückgeführt. Ein grosses Gebiet von Erscheinungen, deren Analogie
dem unbefangenen Beobachter sofort auffällt, die aber dem Theoretiker,
der die Erörterung der räumlichen Atomlagerung perhorrescirt, ohne
Zusammenhang und grösstentheils ohne Erklärung bleiben, wird zusammen-
gefasst; und jede einzelne Erscheinung kann als noth wendige Consequenz
einer und derselben einfachen und leicht fasslichen Vorstellung über
den räumlichen Bau der Molecüle dargestelh: werden. Das Verdienst,
die Anwendbarkeit der Ideen van't Hofp's zum Verständniss dieser heute
schon in grosser Zahl bekannten und stets sich mehrenden Thatsachen
nachdrücklich betont zu haben, gebührt WisÄjenüs und Baeyer. Unter
allen sonst vorgebrachten Erklärungsversuchen lehrt kein einziger auf
gleich einfache und gleich umfassende Weise die beobachteten That-
sachen verstehen.
Die höheren ungesättigten ^^-Dicarbonsäuren können theila wahrt*
Homologe der Fumarsäure bezw. Maleinsäure sein, wie:
^ Einen Einwand gegen die Dioxylactonformel der Citraconsäure, welche jeden-
falls der Maleinsäure analog aufzufassen ist (S. 690), vgl. femer bei Dbuble, Ann.
269, 96 (1891).
* Unt«r Berücksichtigung dieser Analogie bezeichnet man häufig, da Famar-
und Maleinsäure den längst gekannten Isomeriefall dieser Art darstellen, von zwei in
ähnlichen Beziehungen zu einander stehenden Isomeren die schwerer lösliche stabilere
Modification als „fumaroid", die leichter lösliche labilere Modification als „maleTnoid^*.
Itaconsäurey Oitracon^äure und Mesaconsäure, 689
CHj-C-CO.H CHs-C-CO.H
'' i'
CO,H-b-H CHg-C-COjH '
Methylfumarsäure Dimethylmaleinsfiure
ihre Doppelbindung also zwischen den beiden die Carboxylgruppen trennenden Kohlen-
stofiatomen enthalten (Grruppe A). Oder ihre Doppelbindung kann sich ausserhalb
der von den beiden Carboxylgruppen begrenzten Kette befinden, so zwar dass ent-
weder eines der zwischenliegenden Kohlenstoffatome noch direct an der Doppel-
bindung betheiligt ist (Gruppe B), wie in der Säure:
CH,--C-CO,H
CH,
COjH
Methylenbemsteinsänre
oder dajss die Doppelbindung in einer Seitenkette entfernt von diesem Kohlenstoff-
atom sich befindet (Gruppe C), wie in der Säure:
CH,:CH.CHg.CH.C02H
CH,.COaH
Allylbernsteinsäure
IHe Sfturen der Gruppen A und B stehen zu einander durch gegenseitige Ueber-
führbarkeit in sehr nahen Beziehungen, die bei Besprechung der /-Dicarbonsäuren
von der Zusammensetzung CsH^O« gleich hervortreten werden.
Solcher Säuren kann es drei Isomere geben:
CH^-^C-COjH CH,-C-CO,H CH,--C--CO,H
I 11 II
CH,-CO,H CO,H-C-H H~C-CO,H,
Methylenbemsteinsäure Methylfumarsäure Methylmalel'nsäure
(Itaconsäure) (Mesaconsäure) (Citraconsäure)
and wir kennen in der That drei Säuren von dieser Zusammensetzung — Itaconsäure,
Citraeonsftnre und Mesaeoiuliure — , in denen allen das Kohlenstofl&kelett:
^ C-C-C
i.
C
anzunehmen ist, da sie alle ^urch Wasserstoffisufuhr in Brenzweinsäure (Methyl-
bemsteinsäure, vgl. S. 665):
CHa-CH-COjH
I
CH,~CO,H
abei^efuhrt werden können.
Den Ausgangspunkt zur Gewinnung dieser Säuren bietet die Citronensäure ;
vvenn man Citronensäure für sich möglich rasch erhitzt, so erhält man ein Destillat, das
die A.nhydride der Itaconsäure und Citraconsäure enthält; da das Itaconsäureanhydrid
bei der Destillation unter gewöhnlichem Druck in Citraconsäureanhydrid verwandelt
"f^ird^ so kann man durch Fractionirung jenes Destillats unter Atmosphärendruck
leicht reines Citraconsäureanhydrid in erbeblichen Mengen darstellen; die Beaction^
erklärt sich' durch folgende Gleichungen:
» Vgl. Anschütz, Ber. 13, 1541 (1880).
jiBYBR u. Jacobson, org. Chem. I. 44
690 ItaconsäurCj Oitraoonsäurey Mesaconsäure
CH,-CO^
CH,-CO,H ^ CO/^
1 CHa-CO,H y^ II
C< - H,0 = C— COjH = H,0 + COa +< ^ *
I Xnn.M X CH,
\ '
I CH— CO,H \. ■
CH,-CO,H Aconitsfiure ^ -<^^\j
Citronensfture Att qq/
Ita- bezw. Citracon-
säureanhjdrid
Das Citraconsäureanhydrid bezw. die daraus durch Hydratation in der Kälte erhältliche
Citraconfläure kann nun zur Darstellung der beiden mit der Citraoonsfture isomeren
Säuren dienen; erhitzt man es mit Wasser längere Zeit auf 150^, so erhält man Itacon-
säure; engt man aber die mit Salzsäure oder Salpetersäure versetzte Lösung der Gitracon-
säure ein, so erhält man Mesaconsäure; viel glatter wird Citraeonsäure in Mesaconsfiare
umgewandelt; wenn man sie in wenig reinen Aethers löst^ diese Lösung mit soviel
Chloroform versetzt, dass noch keine Abscheidung erfolgt, und nun nach Zusatz von
wenig Brom dem Lichte aussetzt.
Wie die drei Formeln auf die drei Säuron zu vertheilen sind, eigiebt sich aas
der Constitution ihrer Additionsprodukte. Es lääst sich zeigen (vgl. S. 738—739), dass
die durch Addition von Bromwasserstoff an Itaconsänre entstehende Hrombrenzwein-
säure die Structur:
CH,Br-CH-C(),H
CH,~-CO,H
besitzt, dass dagegen das Verhalten der Bromadditionsprodukte der CitracoDsäore
und Mesaconsäure sich gut erklärt, wenn man beiden die Structnrformel :
CH3— CBr-CO,H
I
CHBr-CO,H
zuertheilt. Demnach ist die Itaconsäure als Methylenbernsteinsäure au&afassen.
während Citraeonsäure und Mesaconsäure zu einandei^im Verhältniss von Maleinsäure
und Fumarsäure stehen, was auch durch ihr Verhalten in jeder Beziehung bestätigt
wird; da Mesaconsäure schwer löslich ist, kein eigenes Anhydrid zu bilden vermag,
vielmehr in das Anhydrid der Citraeonsäure tibei^eht, da umgekehrt Citraeonsäure
sehr leicht löslich ist und durch Behandlung mit Säuren (vgl. oben) sich in Mesacon-
säure verwandelt, so ist die Mesaconsäure als Methylfumarsäure, die Citraeonsäure
als Methylmalei'nsäure anzusprechen. Die Uebergänge der Citra- und Mesaconsäure
in einander beruhen danach auf der Aenderung der räumlichen Grruppimng, die
Uebergänge der Ita- und Citraeonsäure in einander auf Verschiebung der Doppel-
bindung.
Für die Gewinnung homologer, einfach alkylirter Säuren vom Typus:
RCH -C-CO2H R.CHa-C-COjH
I oder I
CHj-COaH CHCOjH
Aikylitaconsäure Alkylfumarsäure,
Alkylmaleinsäure
btehen die folgenden Methoden zu Gebot:
CHg.COCH-COjCjHj
1. Wenn man die Monoalkylderivate des Acetessigesters |
R
und ihre Hotnolotjen. 691
durch Einwirkung von Brom in Dibromderivate überführt und letztere mit alkoholischem
Kali zersetzt ^, so erhfilt man durch eine merkwürdige Reaction, deren einzelne Phasen
noch nicht klargelegt sind, Homologe der Fumarsäure (Demar^ay's Oxytetrinsäure,
Oiypentinsänre etc.), z. B. aus dem Dibromderivat
CHg . CH— COs . CaHs CHa • C— COjH
des Methylacetessigesters: 1 die Mesaconsäure : |] ,
CO-CHs CH-CO,H
C,H, . CH-CO, . CjHö CjHa • C-CO,H
(lesAethylacetessigesters: | dieAethylfumarsäure: {|
CO-CH, CH-CO,If
etc.
2. Aus den Estern der Alkjlparaconsäuren, deren Entstehung aus Aldehyden,
bernsteinsaurem Natrium und Essigsäureanhydrid S. 490 geschildert ist, erhält man
durch Einwirkung von Natrium oder Natriumäthylat und Verseifen des Reactions-
prodaktes Homologe der Itaconsäure', z. B. aus
(CH, )2CH • CH, • CH . CH-COj • C^U^
I (CH,),CH . CH, . CH : C-CO^H
CHa— CO I
CH,-CO,H;
Ö Isobutylitaconsäure
Isobutylparaconsäure
in geringer Menge bilden sich die ungesättigten Dicarbonsäuren auch bei der Destilla-
tion der Alkylparaconsäuren.
3. Von den durch Combination der a-Halogenfettsäureester mit Malonsäure-
esiter bezw. Aikylmalonsfiureestem erhältlichen Tricarbonsäureestem kann man auf
Terschiedenen Wegen zu Homologen der Fumarsäure bezw. Maleinsäure gelangen^,
z. B. wenn man sie zunächst chlorirt:
xCOj • CjHs /COj • C2H5
C2H5'C<^ CjH5'C<^
:\C0,.C,H5 ^ I \COs.CÄ ,
CH.-COaCA CHCI-COjCHs
dum den chlorirten Ester mit Salzsäure verseift (vgl. die Bildung der Fumarsäure S. 681):
PH /CO,. CA C,H3.C-C0,H
*^''^\rn rvf + 3H,0 = | + 3 C,HeO + CO, + HCl .
CHCl-COgC^Hs cn-üu.H
Diese Monoalkylderivate der Fumarsäure, Maleinsäure und Itaconsäure^
zeigen zu einander im Allgemeinen analoge Beziehungen, wie sie zwischen Fum ar-
und Maleinsäure, Ita-, Citra- und Mesaconsäure bestehen. Hervorgehoben sei, dass
die Homologen der Maleinsäure im Gegensatz zu den Homologen der Fumarsäure
und Itaconsäure mit Wasserdämpfen leicht flüchtig sind, indem sie sich in Wasser
und Anhydrid spalten, dass femer die Malel'nsäurehomologen, in Chloroformlösung
* Demab^at, Ann. eh. [5] 20, 448 (1880). — Beilstein, Handb. d. org. Chemie
(Hamburg u. Leipzig, 1886), I, 561. — Gorbow, Ber. 21o, 180 (1888). — Cloez,
Compt. rcnd. 110, 583 (1890). BuU. [8] 3, 602 (1890). — Walden, Ber. 24, 2033
(1891). — Michael, J. pr. [2] 44, 130 Anm. (1891). — Ssemjonow, Ber. 25c, 161 (1892).
* R08ER, Ber. 15, 294 (1882). — Fittig u. Fbost, Ann. 226, 363 (1884). — Fittio.
ß«. 20, 3179 (1887). Ann. 255, 14 (1889); 256, 50 (1889).
' Bischöfe, Ber. 23, 8420 (1890); 24, 2008 (1891)
* Vgl. FriTiG, Ber. 26, 43 (1893).
44*
692
Tabellarische Uebersicht über die
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694
Dialkylderivate der Maleinmure.
mit wenig Brom versetzt und dann dem Liebte ausgesetzt, in Fumarsfturehonaologe
übergehen, und dass die Maleinsäure- und Fumarsäurebomologen durch Kochen mit
Natronlauge in Itaconsfiurehomologe verwandelt werden.
Sehr eigenthümliche Verhältnisse sind flir die an den beiden, zwischen den
Carbozjlgruppen befindlichen Kohlenstoffatomen alkylirten Säuren:
R.C-CO,H
R.C— COjH
festgestellt. Diese Säuren nämlich konnten bisher nicht als Hydrate, wohl aber als
Anhydride, wie
CHjC— CO,
CH.C-CO^
— demnach selbstverständlicli in der maleinoiden Configuration — erhalten werden.
Durch Vereinigung der Anhydride mit Bajsen erhält man ihre Salze; wenn man aber
letztere durch Mineralsäuren wieder zersetzt, so tritt sogleich bei der Abscheidong der
Säure wieder die Anhydrisirung ein. Der in der Bemsteinsäuregruppe schon beobachtete
Einfluss der Alkylgruppen auf die Leichtigkeit der Anhydridbildnng (vgl. S. 665)
zeigt sich hier in erhöhtem Grade. Die Versuche, zweifach alkylirte Fumaisäoren
herzustellen, haben nicht zu dem gewünschten Resultat gefuhrt'.
Solcher zweifach alkylirter Maleinsäuren hat man die folgenden kennen
gelernt:
Dimethylmaleinsäore oder Pjrocinehonsäure ist zuerst als Abbauprodakt
des Cinchonins erhalten, entsteht ferner bei der Oxydation des Terpentinöls« ans
a,-Dichlorpropionsäure CHg • CClg • COgH durch Einwirkung von molecularem Silber,
aus den beiden Dimethylbernsteinsäuren (vgl. S. 666) durch Behandlung mit Brom,
aus Dimethyläpfelsäure durch Erhitzen, durch Condensation von BrenztraubenaSnre
mit bemsteinsaurem Natrium:
CH5.COCO3H
+
CHj'CH^'COjH =
CH^CCO
\
0 4- 2 H,0 + CO3
CHjCCO
CO,H
nnd liefert durch Reduction die beiden Dimethylbernsteinsäuren. Merkwürdigerweisi?
lässt sich Pyrocinchonsäureanhydrid nicht mit Brom vereinigen, während Chlor leicht
unter Bildung von Dimethyldichlorbernsteinsäureanhydrid aufgenommen wird.
DiäthylmaleYnsäare oder Xeronsäure entsteht als Anhydrid durch Zersetzung
des Citraconsäureanhydrids bei längerem Sieden, ist daher unter den Destillationä-
produkten der Citronensäure enthalten und ist ferner aus a^-Dibrombutters&nro
CHj-CHa-CBrg-COjH durch Einwirkung von molecularem Silber, sowie aus Diäthyl-
bernsteinsäure durch Behandlung mit Brom gewonnen.
MethyläthylmaleYnsSnre wird aus Methyläthylbemsteinsäure durch Behan«!-
lung mit Brom, aus Methyläthyläpfelsäure durch Erhitzen, ferner durch Condensation
von Brenztraubensäure mit Brenzweinsäure gebildet.
Säurrn der Gruppe C ;(vgl. S. 689) — Allylbemsteinsiare und je zwei
stereoisomere Allylmethyl-, Alljlftthylbernsteinsüuren — sind nach den S. 668—664
besprochenen Methoden zur Darstellung von alkylirten Bemsteinsäuren gewonnen
worden.
Die Tabelle Nr. 88 auf S. 692— 693 giebt eine Uebersicht über die ungesättigten ;'-Di-
* Vgl. BiscHOPF, Ber. 24, 2020 (1891).
ölutaconmure, 695
carbonsäoren CqH2q_^04. Betrefis der in der letzten Columne angeführten Dissociations-
constanten seien noch einige Bemerkungen zugefügt. Die Säuren der maleinoYdenConfigu-
ration sind stets viel stärker als die isomeren Säuren der fumaroi'den Configuration — eine
Erscheinung, welche mit der stereochemischen AufßEussung dieser Säuren gut harmonirt.
Was die dialkylirten, nur in der Anhydridform erhaltenen Maleinsäuren — Pyro-
cinchonsäure und Aethylmethylmale'insäure — betrifft, so muss man aus dem Um-
stand, dass die Lösung der Anhydride in Wasser elektrisch leitet, folgern, dass die
Losung nicht das unveränderte Anhydrid, welches kein Elektrolyt sein würde, ent-
halt, sondern ein Säurehydrat. Die gefundene Constante ist aber im Vergleich zu
den Constanten anderer Malei'nsäuren zu klein, um den Uebergang der gesammten
Anhydridmenge in das normale Hydrat:
RC— COjH
ii
RC— CO.H
wahrscheinlich zu machen. Vielleicht enthält die Lösung — ähnlich wie dies für die
Lösung der ebenfalls nur in der Anhydridform erhältlichen Chromsäure angenommen
wird — eine durch Zusammentritt mehrerer Molecüle gebildete Anhydrosäure*,
wie etwa
R.C— COOH OH. CO— CR RCCOOH OHCO-CB
I !■ ^^^'' Ji i •
K-C -CO — 0— CO-CR RC-COOCOCRrCRCOOCO-CR
C. Dicarbonsäuren mit entfernteren Carboxylgruppen.
Die der Glutarsäure entsprechende, um zwei Wasserstoffatome ärmere Säure
Kutt einer Doppelbindung:
COsHCH:CH.CH,.CO,H = O^^O^,
welche mit Ita-, Citra- u. Mesaconsäure und der Aethylidenmalonsäure isomer u<t,
wird Olntaeonsänre ' ((uoj'-Propendicar bonsäure) genannt. Man gewinnt sie,
vom Malonsäureester ausgehend; lässt man auf die Dinatriumverbindung desselben
in alkoholischer Lösung Chloroform einwirken, so erhält man die Natriumverbindung
des Dicarbozylglutaconsäureesters:
COjCjHa COjCjHs CO.CjHs
I i
2CNa, -f-CHCl, = 3NaCl -f- NaC CH=C
I ;
COj • C2H5 COj • CjHg CO^ ■ C2H5 ,
welch' letzterer bei der Verseifung:
CO.CHs COjCJIg
CH,-CH-=CH
GH CH C +4H,0- I I 4-2CO, + 4C.H,0
i CO,H CO,H
CO,.C,H5 CO.CjH,
Olutaconsäure liefert. Glutaconsäure ist eine weisse, prismatisch krystallisirende
» Vgl. BiscHOFP, Ber. 24, 2019 (1891). — Walden, Ztschr. f. physik. Chem.
8, -*98 (1891).
» Conrad u. Guthzeft, Ann. 222, 249 (1883). — Kiliani, Ber. 18, 2517 (1885).
OuTHZEiT u. Dresskl, Bcr. 22, 1421 (1889). — Buchneb, Ber. 23, 706 (1890). —
Rcäkmakk u. Mobbel, Journ. Soc 59, 744 (1891). — Walden, Zt«chr. f. physik.
Chem. 8. 501 (18Sri). — v. Pechmann, Ann. 264, 302 (1891).
696 Hfjdr07nuconsäur€n, Mticansäure.
Masse, schmilzt bei 132—184^, ist in Alkohol, Aether und Wasser leicht löslich,
liefert durch Behandlung mit Acetylchlorid ein bei 86—87° schmelzendes Anhydrid,
durch Reduction mit Natriumamalgam Glutarsäure und reducirt PermanganadSsong
sofort. K = 00183.
Homolog'e der Glntaeonsttiire ' erhält man, indem man die Natriumverbindung
des Dicarboxylglutaconsäureesters (vgl. S. 695) mit Halogenalkylen umsetzt:
NaC -CH- C + CHaJ « NaJ + CHjC CH -C
II- , !
und die so entstehenden alkjlirten Dicarbozylglutaconsäureester verseift.
Die der Adipinsäure C^HioO« entsprechenden ungesättigten Säuren CeHgO« werden
Hydromneonsftnren ^ genannt; je nach der Stellung der doppelten Bindung kann
man zwei Isomere unterscheiden:
CO,H . CHj . CH : CH . CH, • CO.H ^^^ CO,H • CH : CH • CH, • CH, - CO,H .
J^/y-Hydromuconsäure J«.^-Hydromucon8äure
Die J^'^-Säure (labile Hydromuconsäure) entsteht durch vorsichtige Beduction
mit Natriumamalgam (oder Zinn und Salzsäure) aus den folgenden Säuren:
Diacety lendicarbonsäure CO,H • C •: C • C • C • CO^H ,
Muconsäure COjH • CH : CH • CH : CH • CO,H ,
a u. |9-Dichlormuconsäure CO^H • CH : CCl • CCl : CH ■ COjH
(bezw. COjH . CCl : CH • GH : CCl • CO,H?) ,
die sämmtlich eigentlich die J^'ß-Sänre liefern sollten"; sie bildet zolllange, weiss«
Prismen, schmilzt bei 195° und löst sich in 170 Th. Wasser von 15°; ihre Constitution
ergiebt sich daraus, dass sie bei der Oxydation lediglich Malonsäure liefert. — Kocht
man diese Säure aber längere Zeit mit Natronlauge, so erleidet sie eine Umlagerang,
die durch eine Wanderung der Doppelbindung bedingt wird: es büdet sich die Jo/^-SSore
(stabile Hydromuconsäure), welche in warzigen Aggregaten von Krystallblättcfaen
sich abscheidet, bei 168—169° schmilzt, in 111 Th. kalten Wassers sich löst und bei
der Oxydation Bemsteinsäure liefert, wodurch sich ihre Constitution ergiebt üebcr
derartige Umlagerungsphänomene vgl. S. 494—495, 508, 518.
II. Diearbonsfturen mit zwei Doppelbindungen.
(Allgemeine Zusammensetzung C„H2n_^0j.
MueonsSnre * (w w'-Butadiendicarbonsäure) : C^HeO* = CO,H ■ CH : CH • CH : CH
CO2H . Dichlorderivate dieser Säure, deren Name an ihre genetischen Beziehungen
* Conrad u. Guthzeit, Ann. 222, 259 (1883). — Guthzeit u. Dressel, Ber. 23,
,3182 (1890). — Vgl. auch Hantzsch, Ann. 222, 31 (1883).
* BoDE, Ann. 132, 98 (1864). — Limpricht, Ann. 165, 262 (1873). — Baeybb,
Ber. 18, 680 (1885). — Baeter u. Rüpe, Ann. 266, 1 (1889). — - Rühemann u. Blackmas,
Joum. Soc. 57, 371, 937 (1890).
^ Eine Erklärung dieses sonderbaren Reactionsverlaufs (vgl. auch Sorhinsäure
S. 518) mit Hülfe besonderer Vorstellunßfen über das Wesen der Affinität vgl in
Werner's „Beiträgen zur Theorie d. Affinität u. Valenz", S. 30 (Zürich, 1891).
* Baeter u. Rufe, Ann. 256, 22 (1889). — Ruhemakn u. Blackman, Joum. Soc,
57, S73 (1890). — Ruhemann u. Elliot, ebenda, 931. — Rtthemann u. Duftojt, Joarn.
Soc. 59, 750 (1891).
Diallylmalonsäure, Acetylmdicarhonsäure, Ghäinsäure. 697
zur Schleimsfiure erinnern soll, erhält man aus der Schleirasäure C02H'CH(0H)-
CH(OH).CH(OH).CH(OH).COjH durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid ;
die Dichlonnuconsfiuren liefern durch Reduction die J^'y-Hydromuconsäure (vgl.
S. 696), letztere vereinigt sich mit Brom zu /9-y-Dibromadipinsäure COsH-CHj-
CHBr . CHBr . CH, . CO,H , und die |9-/-Dibromadipinsäure geht nun durch Be-
handlung mit Alkalien in die Muconsäure selbst über. Muconsäure krystallisirt in
sehr kleinen, moosartig verzweigten Nadeln, die sich gegen 250^ bräunen, aber bei
260^ noch nicht geschmolzen sind; sie braucht 5000 Th. kalten Wassers zur Lösung,
\st in heissem Wasser nur wenig löslicher, entfärbt Permanganatlösung sofort, liefert
bei gemässigter Reduction J^'Z-Hydromuconsäure (vgl. S. 696) und vereinigt sich mit
Brom zu Tetrabromadipinsäure.
DlallylmalonsBnre ' C^HijO^ = (CHjrCHCHjjACOsH), — durch Einführung
von zwei AUylradicalen in Malonsäureester leicht erhältlich — bildet prismatische
Krystalle, schmilzt bei 133® und ist in Wasser leicht löslich. K = 0«76.
III. DlcarbonsSuren mit dreifachen Bindungen.
Aeetylendiearbonsänre' ^411,04 = COjHC-CCOjH wird aus Dibrombemstein-
säore oder Isodibrombemsteinsäure (S. 736) durch Abspaltung von 2 Mol. HBr unter der
Einwirkung von Alkalien erhalten. Sie krystallisirt mit 2 Mol. Wasser, welche sie über
Schwefelsäure verliert, ist in Wasser, Alkohol und Aether sehr leicht löslich ; die wasser-
^ie Säure krystallisirt aus Aether in glänzenden, viereckigen Tafeln und schmilzt unter
Zersetzung bei 178 — 179^ Wie sich aus dem elektrischen Leitvermögen ergiebt, steht
die Acetylendicarbonsäure an Stärke den stärksten anorganischen Säuren nahe. Ihr
saures Kaliumsalz C4HO4K ist in Wasser schwer löslich und geht beim Erwärmen
mit Wasser unter Kohlensäureabspaltung in propiolsaures Kalium über (vgl. S. 516).
Ihr Silbersalz spaltet sich mit grösster Leichtigkeit glatt in Kohlensäure und Acetylen-
Silber. Acetylendicarbonsäure wird durch Wasserstoffzufuhr leicht in Bemsteinsäure ver-
wandelt und tritt mit Halogenwasserstoffsäuren zu Halogenfumarsäuren, wie COgH-
CCl:CH-COjH, zusammen; über Addition von Halogenen vgl. S. 737. Acetylen-
dicarbonsäureester (C02-C2Hä)-C • C-(C02-C8Hg) ist ein unter 20mm Druck bei
120—1210 siedendes Oel.
axü'-AllylendicarboBsaare oder Glntinsänre^: C5H4O4 = CO^HC -CCHj.
COjH . Zu dieser Säure gelangt man von der Citronensäure auf folgendem Wege:
CH,.CO,H CHsCOJI
1 /OH
C<^ — H • CO2H = CO : Acetondicarbonsäure ,
' ^COjH i
CHjCOjH CH.CO^H
* Conrad n. Bischoff, Ann. 204, 171 (1880). — Fittig u. Hjelt, Ann. 216,
61 (1882). — Matweeff, Ber. 21c, 181 (1888). J. pr. [2] 39, 451 (1889). —
Waiden, Ztschr. f. physik. Chem. 8, 451 (1891).
» Bandrowsky, Ber. 10, 838 (1877); 12, 2212 (1879); 13, 2840 (1880J; 15, 2694
»1882). — Baeyer, Ber. 18, 677, 2269 (1885). — Aronstein u. Holleman, Ber. 22,
1183 (1889). — WiSLiCENUS, Ann. 246, 68 (1888). — Büchner, Ber. 22, 2929 (1889).
— LovfeN, ebenda, 3055. — Ostwald, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 381 (1889). — Bruce,
Ber. 24, 4118 (1891). — Michael, J. pr. [2] 46, 210 (1892). — Michael u. Maisch
ebenda, 233. — Lossen, Ann. 272, 127, 139 (1892).
• Burton u. v. Pechhann, Ber. 20, 148 (1887).
698 Diacetylendicarbonsmit'e, Tetraacetylendicarhonsäure.
CH,.CO,H CHCOaH
I
CO + PCI5 = POCI3 + HCl + CCl : ^Chlorglataconaiurc.
CH, ■ COgH CH, . CO,H
CHCO^H CCOjH
I
h
CCl -HCl = C : Glutiusäure.
I I
CHaCOjH CHsCOoH
Sie bildet feine Nadeln, schmilzt bei 145—146^ unter Kohlensfiureentwickelmig um
ist in Wasser leicht löslich; auch beim Rochen ihrer wässrigen Losung findet Kohl^a-
säureentwickelung statt.
BiaeelylendiearboBsäure * (Butadiindicarbonsäure) CeH^O« = COtHCi<
C : C'COjH wird aus der Kupferverbindung des propiolsauren Natriums (S. 516— 51 T
durch Oxydation mit Kaliumferricyanid erhalten. Sie krystallisirt mit 1 MoL Wassr.
ist in Wasser ziemlich leicht, in Alkohol und Aether sehr leicht, in Ligrom nni
Benzol sehr schwer löslich, färbt sich bei 100^ braun und explodirt bei weitere
Erhitzen sehr heftig unter Abscheidung einer sehr voluminösen Kohle. Am Li« kt
förbt sie sich sofort dunkel rosaroth und ist nach einiger Zeit in eine purpürroth^
Masse verwandelt; alle Operationen mit dieser Substanz müssen daher unter An-
schluss des directen Tageslichts vorgenommen werden. Durch gemässigte Reduction
mit Natriumamalgam liefert sie Hydromuconsäure (vgl. S. 696), durch stärkere K^-
duction Adipinsäure unter theil weiser Spaltung in Propionsäure.
Behandelt man die Diacetylendicarbonsäure mit ammoniakalischer Kapffr-
chlor ürlösung, so erhält man durch Abspaltung beider Carbosylgrnppen schon l>i
30° die Kupferverbindung des Diacetylens (vgl. S. 467); erwärmt man ein sanrc>
Salz der Säure in wässriger Lösung, so wird unter Abspaltung einer Carboxyl-
gruppe die äusserst lichtempfindliche und daher nicht analjsenrein erhaltene Pi-
acetylenmonocarbonsäure COjH-C •: C-C • CH gebildet; oxydirt man nun die Kupf«*r-
verbindung der letzteren Säure mit Kaliumferricyanid , so entsteht die durch ihi-:;
Constitution höchst merkwürdige TetraaeetylendiearbonsXure:
COsHC : CC : CC : CC : CCOgH ;
in kleinen Mengen kann sie aus Aether in schönen Nadeln krystallisirt erhalten
werden, welche ausserordentlich explosiv sind Tvgl. S. 433) und im Licht nach waiigen
Minuten schwarz werden.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Tricarbonsäuren, Tetracarbonsäuren etc.
L Gesättigte Trlcarbons&uren.
Vom Methan kann sich nur eine Triwirbonsäure ableiten, welche drei Carboxjl-
gruppen an dasselbe Kohlenstofiatom gekettet enthält, — die Methan tri emrbonsliLre'
(Methenyltricarbonsäure) CH(C02H)3 , Da die leichte Kohlensäureabspaltong
^ Baeyer, Ber. 18, 678, 2269 (1885).
* Conrad u. Guthzeit, Ann. 214, 31 (1882). — Haller, Compt. rend. 106, 1«9
(188T). — Michael, Jb. 1888, 1786. — Franchimont u. Klobbie, Rec. trav. chim. 9,
220 (1890). — Nep, Ann. 266, 115 (1891).
Melkarttricarbonsäwe, AtHumtriaarbonsäure.
bei der .\[aloiisJliire nad ibreo Homologeo (S. 651, 655) zeigt, dass schou zwei C
tappen an einem and demBelben Kohlenstoflatom bei wenig erhöhter Tempera
haften können, so erscheint ea kaum auffallend, wenn die Methantricarboni
freie SSnre sowohl wie auch in Form von Salzen überhaupt nicht erhalten w(
vielmehr bei jedem Yersnch zu ihrer Äbacheidung unter Kuhlen»äureab
Malonsäare gebildet wird. Dagegen ist ihr Triäthylester CH(CO,-C,H,), I:
und kann leicht durch Umset^iung von NatriummalonBfiureeater mit Chtorkohl
eeter gewonnen werden; er ist eine farblose, in Wasser unlösliche Flüssigkeit,
in Alkalien und auch schon in Alkalicarbonaten unter Bildung von Salzen
dem Natriummalonsfinreester analog sind, eiedet bei 2Ci3<', besitzt bei 19° das üp
1 ■ 10, erstarrt in der KSIte zn langen Priemen und schmilzt dann erst wiedei
Tom Aetban kann schon eine Sfture abgeleitet werden, welche n
Carboiyte an demselben Kohlenstoff entbSlt und demzufolge auch — gli
Malonsäorc — in freiem Zustand isoUrt werden kann: die ci, u'-AethantrlearlHi
il'O,H),CH-CH,-C0,H (Aetbenyltricarbonsftnre); sie stellt eine weisse 1
niscbe Hasse dar, ist in Alkohol, Aetber und Wasser leicht, in Benzol wenij
und schmilzt bei 159°, indem sie sich in Kohlenafiure und Bemsteinsäiire
K=0.32. Ihr Triathy!eatet(CO,-C,Hj),CH.CH,.CU,.C,Hs wird durch Ui
zwischen Natrinmmalonsäureeeter und Cbloressigester erhalten:
iCO,-C,H,l,CHNa + CICH.CO.C.Hs = NaCI + (C0,.C,H.),C1I-CH,-Cü,
siedet bei 278° und besitzt bei 20° das spec. Gew. 1-095.
Ester von Tricarbonsäuren, welche die gleiche Stellung der drei C
grappen aufweisen, demnach als Homologe der u, u'-Aethintii carbonsinn
zeichnen sind, können nun in grosser Zahl durch mannigfaltige Variirun|
Kildungsweise des Aethantricarbonsänrcestei« dargestellt werden. Statt des Mal
esters kann man seine Monalkylderivale R-L'i((CO,-C,H,),, statt des Chlore«
die a- Halogenderivate anderer Fettsäureester, wie a-Brompropionsüureesti
OfIBr-CO,'C,Hs etc. verwenden. Auch kann man vom Aethantricarbonsj
selbat ausgehen und ihm, ähnlich wie dem MalonsSureester, Alkylreste incoi
/CO,.C.H. /CO,.C,Hj
(CO,-C,Hj-ClI,-C(Na ' + CH,.J = (CO,-C,H,)-CII..c( CH, h
\CO,-C,Hj • ' -OOjCiHj
Von diesem weiten Spielranm ist ausgiebiger Gebrauch gemacht worden*; c
groase Zahl derartiger Tricarbonsäureester ist gewonnen worden*, weil diese
erhSl (liehen Ester durch Verseifung und Abspaltang einer üarboxylgrupj
in Homologe der BemsteinsSurc (vgl. S. 663) Qbergcftthrt werden können ui
' BiscHOFF, Ann. 214, 3a, 71 (Ibn2). Ber. 21, 2112 (IbSs). - Zbi
BnecHicaiK, Ber. 21, 3399 (188ö|. — Wau.eb, u. IUrthk, Compt. rend. IC
(1888). — Babtre, Compt. rend. 108, 297 (1«B9); lU, 343 (1890). — Bis
V. KuBLBBBa, Ber. 23, 634 (1890). — Waldeh, Ztschr. f. phjsik. Cfaem. 10, 57
» Vgl. BisCBonr, Ann. 214, 53 (1882). — Wjltz, ebenda, 58. — Bosj
220, 27* (1883). — Hjkit, Ber. 16, 2622 11883). — Leuckart, Ber. 18, 234i
~ PoLEO, Ann. 242, 113 (1887). — Barvstein, ebenda, 126. — Bischoff u
Ber. 21, 2089 (1888). — Bischof» u. v. Kuhlsbho, Ber. 33, 634 (1890). —
u. Vorr, ebenda, 639. — Bischoff u. Mintz, ebenda, 647, 3410. — Bischoff,
339."). — Bischoff u. Jaunshiceer, ebenda, 3399. — Aüwbbs u. Jackson, eben{
— Bischoff, Ber. 24, 2012 (1891). — Schldcheh, Ann. 287, 121 (1891). — ^
Ztschr. f. physik. Chem. 10, 572 (1892).
» Vgl. die Zusammenstellung von Bisthoff u. Waldbn, Ber. 23, 660 (
700 Oyanbemsteitisäure.
bei den Untereuchungen über diese interessante Säuregruppe für die DaisteUmi^ der
einzelnen Säuren wichtige Zwischenglieder bildeten. Ueber den zuweilen b^ solehezi
Processen eintretenden anormalen Reactionsverlauf, der die Ejitstehnog von Alkvl-
derivaten des 6>sa>'-Propantricarbonsäureester:
COgCjHg CO,. CA
herbeiführt und nach Verseifung desselben zu alkjlirten GlutarsSoren f&fart, vgrL
S. 664—665.
CNCHCHjCO^H
Ester, welche sich von der Nitrilsäure | (Cyanbcrn-
CO4H
steinsäure) ableiten und für den gleichen Zweck verwendet werden können, bilden
sich ganz allgemein aus a-halogenirten Fettsäureestem bei der Einwirkung von
Cyankalium durch Condensation *, — z. B.:
CjHj . CHBr C Ä • CH • CN
I +KCN = I +KBr,
COj • C2H5 COj • CjHj
CA-CHCN CjHs.CKCN
1 + KCN = I + HON ,
COj • CjHj CO, • CjHj
GTT r^^-xr DT ' Lfki ' \j^n^ 1^ xj r^/_ inrpr ^^ xx
CO,. CA CO^CA COj.CA CO,.C,Hb
ferner durch Alkylirung des durch Combination von Cyanessigester (vgl. S. 654 :
mit Chloressigester erhältlichen Cyanbemsteinsäureesters':
CNCHNa CICH, CNCH CH,
I ■ + I = ! I
, COj'CaHs C02»C2H5 COj'CjHj COj-CjHj j
CN . CNa CHa CN - CrCHj) CR,
I I + CHjJ = i " I " + XaJ .
CO2C2H5 COa-CA CO^-CA CO,. CA
Vom Propan kann eine Tricarbonsäure deriviren, welche jede Car-
boxylgnippe an ein anderes Kohlenstoffatom gebunden enthält und
daher nicht so leicht Kohlensäure abspaltet. Diese a9c;a>'-Propaii tri-
carbonsäure:
CHj — CH CHj
111= CeHeOe
CO2H CO2H CO,H
entspricht in ihrer Constitution dem Glycerin; da sie durch Zutritt von
drei Carboxylgruppen an das Allylradical CHgrCH-CHg — entstehend
gedacht werden kann, so wird sie gewöhnlich als TricarballjrlsSare
bezeichnet. Sie ist besonders wichtig wegen ihrer Beziehungen zur
Citronensäure, welch' letztere ein Hydroxylderivat dar Tricarballylsäure
* Zelinsky u. Bitschichin, Ber. 22, 3398 (1888).
* Haller u. Barthe, Compt rend. 106, 1413 (1888). — Bartue, Compt. rend.
108, 297 (1889); 112, 1013 (1891).
TricarbaHylsäure.
darstellt; CitroneDSäure geht durch Wasserabspaltung in eine ur
Tricai'bon säure — Aconitsäure (vgl. S. 703) — über, welche t
duction mit Natriumamalgam Tricarballylsäure liefert ' :
CH,-CO,H CH-CO,H CH,-0O,H
K^— )► C-CO,H *- CH-CO,H.
0,H I I
ÖH, ■ CO,H CH,— CO,H CH,-CO,H
Zahlreiche synthetische Bildungsweisen * stellen die Constiti
Tricarballylsäure ausser Frage; so kann sie aus dem Tribi
durch Vermittelung des Tricyanhydrins CH,(CN) - CH(CN) -
gewonnen werden, aus Diallylessigsäure durch Oxydation mit
säure (vgl. S. 518—519); aus Malonaäureester erhält man du
malige Einführung des Restes — CH,-GO,H mittelst Cbloress
CH,-CO,-C
I
CNft,(CO,.C,H,), + 2C1CH,-G0,-C,H, = 2NaCl + C(CO,-C,H,
CH,-CO,-C,
oder durch Combination mit Cblorbemsteinsäureester:
CH(CO,-C,H
= N8Cl + CH-C0,.C,t
CHNa(CO,-C,H.l, + ClCH-CO,-C,Hs 1
" 11 + CH-C
CH-C0,-C,H6 I
CH,C0,C,1
oder durch Addition von Natriummalonsäureester an Fumart
bezw. M&lelnsäureester:
CH(CO,-C,H,),
.Ah
CHNaCO,-C,Hj
Propaotetracarbon Säureester (vgl. 8. 705), welche bei der ^
durch Eohleosäureabspaltung Tricarballylsäure liefern.
Tricarballylsäure wird zuweilen als Calcium salz in dei
schlagen gefunden, welche sich in den Zuckerfabriken währenc
dampfens des Rübensaftes bilden; in frischem Rübensaft k'
nicht aufgefunden werden'. Sie bildet prismatische Krystalle,
> Debsaiqnkb, Ann. Suppt. 2, 18S (1862). — WicaBLUAns, Ann. 182,
— HiostwBTz u. MiLiH, Ztechr. Chem. 1864, 754. — Ehest, Ber. 22, 2S
' SiMMON, Ann. 136, 272 (1865). — Claus, Ann. 170, 131 (1873
11878). — Clads u. LiscHKB, Ber. 14, 1089 (1881). — Mieule, Ann. 190,
— Wolf?, Ann. 201, 53 (1880). — Bjschoff, Ann. 214, 63, 66 (1882).
Ber. 23, 3756 (1890). _— Auwbrs, Koebngb u. v. MEYENauna, Ber. 24, i
— MitBAEL u. ScHDLTBEM, J. pr. [2] 46, 56 (1891). — MüLLBB. Compt.
1205 (1882).
■ T. LippMAMM, Ber. U, 707 (1878); 12, 1649 (1879).
702 Homologe der TricarbaÜylsäure,
bei 158^ und sublimirt dabei unter theil weiser Zersetzung; 100 ccm
Wasser von 18^ lösen 49*55 g, 100 ccm Aether 0-9 g^; Dissociations-
constante* K = 0-022. Destillirt man die Tricarballylsäure unter stark
vermindertem Druck, oder behandelt man sie mit Acetylchlorid, so erhält
man durch Abspaltung von 1 Mol. H3O die Anhydridsäure^ CgH^O.:
CHjCOv CHj.COs
CHCCK
CHCCK oder CO.HCH
I I
CHjCOOH düHj-CO'
welche aus einem Gemisch von Chloroform und Eisessig in feinen Nädel-
chen vom Schmelzpunkt 132® krystallisirt.
Homolog der Tricarballylsäare^ können durch Condensation von Fnmar-
Bäuveester mit den Natriumverbindungen der Alkylmalonsäureester und daranfPolgende
Verseifung der zunächst gebildeten Tetracarbonsäureester gewonnen werden, z. B.:
(C.Hs . CO,),C . CH, CO,H . *CH • CH^
C^Hj.CO.CH CHj.CXCOj.CjHs)^ | |
1+1 = CgHjCOjCH > CO,H.*CH .
CjHj.COj.CH Na | |
C.Hs . CO» . CHNa CO^H- CH,
Die nach dieser Reaction entstehende Methyltricarballylsäure — tfaß-BrntäMtn*
carbonsSare — enthält zwei asymmetrische Kohlenstoffatome Qn der Formel mit * be-
zeichnet); sie tritt in zwei stereoisomeren Modificationen vomSchmebspunkt 184* und
134* auf; beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure auf 190* bleibt die hochBchmelzende
Säure unverändert, die niedrigschmelzende Säure wird dagegen hierdurch in die hoch-
schmelzende Säure verwandelt — Eine structurisomere Methyltricarballylsäure
— mao^'-IsobatantriearbonsSare (Schmelzpunkt 164*) — entsteht durch CondenaatioD
von Citraconsänreester mit Natriummalonsäureester:
CH(CO, . C,Hß), CH« . CO,H
C/H8 • C • CO2 • C2H5
;HNa.C0,.C,H6 CH,.CO,H
>- CHaCCO.CsHs >- CHs.6.C0,H
CH.C0,.C,H5 1
C]
während durch Einwirkung von Itaconsäureester auf Natriummalonsäureester die
(üffcj'-ButaBtriearboBsSnre (Schmelzpunkt 116—120*) erhalten werden kann:
CH(CO, . C,H,), CH, . CO,H
CHa I I
l| Cila CH,
ÖCOi.CjHs >- I >■ I
I CNaCOjCjHs CHCOjH
CHjCOjCgHs I I
CH, . CO, • CjHs CH, . CO,H
* GuiNOCHET, Compt. rend. 110, 47 (1890).
« Walker, Joum. Soc. 61, 707 (1892). — Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 10,
563 (1892).
» Embby, Ber. 24, 596 (1891).
^ AuwERs, ebenda, 307. — Aitwess, Koebner u. v. Metbnbubg, ebenda, 2890. —
Müller, Compt. rend. 114, 12Ö7 (1892). — Waldek, Ztschr. f. physik. Chem. 10,
564 (1892). — Weidel u. Hoff, Monatsh. 13, 590 (1892).
Aconitsäure . 703
6>^a)'-PeiitaiitrieBrboB8aare' CH,(CO,H).CH,.CH(C08H).CH2.CO,H ist aus
MaloDBftnreester durch Combination mit ^-Brompropionsäureester:
CH(CO,.aH,)j
CHNa(CO,.C4H5), + Br.CHa.CH.,.COa.CsH5 = NaBr + !
CHj • CHg • COj • CjH,
»
^5
CNa(CO,.C,H,), I
I + Br . CH, . CH, . CO2 . CjHs = NaBr + C(CO, • C,H,),
CH) • C1I2 * CO2 • CjHg 1
CH| • CHj • CO2 • C2H5
und Verseifung des so entstandenen Tetracarbonsäureesters erhalten; sie schmilzt
bei 106— 107 ^
II. Unges&ttigte Tricarbons&uren.
Aeonits&ure G^R^O^ = C03H.CH2-C(C02H):CHC03H — eine nach
ihrem Vorkommen in Aconitumarten genannte Säure, die im Pflanzen-
reiche sehr verbreitet ist*; so begleitet sie den Zucker im Saft des
Zuckerrohrs, im Rüben- und Sorghumsaft. Sie ist ferner wichtig durch
ihre Beziehungen zur Citronensäure, aus welcher sie durch Wasser-
abspaltung — beim Erhitzen für sich oder mit starken Säuren — entsteht:
CH2-CO2H CH-COaH
i .OH !
C< - H2O = C-CO2H ;
I \CO2H ;
ÖHa-COsH CHj-COjH
diese Bildung^ wird zur Darstellung der Aconitsäure benutzt. Syn-
thetisch* ist Aconitsäure aus dem Oxalessigester CjHg-COj-CO-CHg-
t'Oj-CjHg gewonnen; lässt man letzteren mit concentrirter Kalium-
acetatlösung längere Zeit stehen, so condensirt er sich im Sinne der
ftleichung:
COjCjHs COjCsH, CO2C2H, CO2C2H5
CH, CH2 cn CH
+ I = \ ^\ +C2H,.0H
CO CO C CO
COjCiHs CO2.C2H5 CO2H CO2C2H,
» Emeby, Ber. 24, 284 (1891).
* Braconwot, Ann. eh. [2] 39, 10 (1828). — Regnault, Ann. 19, 145 (1836).
— Bacp, Ann. 77, 293 (1851). — Wicke, Ann. 90, 98 (1864). — Zanon, Ann. 58,
31 (1846)l — Hlasiwetz, Jb. 1857, 831. — LranERos, Ann. 182, 365 (1876). — Bahr,
Ber. 10, 351 (1877). — v. Lippmann, Ber. 12, 1650 (1879). — Pabsons, Ber. 15, 1763 (1882).
• Crasso, Ann. 34, 57 (1840). — Dessaiones, Compt rend. 42, 494 (1856). —
Mebcadante, J. pr. [2] 3, 356 (1871). — Geutheb u. Hergt, J. pr. [2] 8, 372 (1873).
— Pawollbk, Ann. 178, 153 (1875). — Hunaeus, Ber. 9, 1751 (1876). — Anschütz
u. Klinqbmann, Ber. 18, 1953 (1885). — Hentschel, J. pr. [2] 35, 205 (1887).
♦ Claisen u. Hori, Ber. 24, 120 (1891). — Vgl. auch Lovän, Ber. 22, 3053 (1889).
704 ÄGonüsäure.
zu dem Triäthylester der Aconitoxalsäure, welche durch Alkalien in
Aconitsäure und Oxalsäure gespalten werden kann:
CO.HCH CO.H.CH
COjHC +H,0 = CO,H.C +CO,H.CO,H.
I 1
COsHCHCOCOgH CO.HCHj
Aconitsäure bildet glänzende weisse vierseitige Krystallplatten, schmilzt
bei 191*^ unter Zersetzung, ist in Wasser, Alkohol und Aether leicht, in
rauchender Salzsäui'e schwer löslich; 100 Th. Wasser von 13® lösen 18-62
Th.^; Dissociationsconstante* K =0-158. Ueber die Zersetzung, welche sie
beim Erhitzen für sich erleidet, vgl. S. 690 ; auch beim Erhitzen mit Wasser
auf 180® spaltet sie Kohlensäure ab und geht in Itaconsäure über^ Durch
nascirenden Wasserstoff wird sie in Tricarballylsäure übergeführt, und
hieraus ergiebt sich ihre Constitution^**. — Das neutrale Calcium-
salz*^ (CgH30g)2Ca3 + SHjO scheidet sich beim Kochen seiner Lösung
in schiefen Prismen ab, die bei 210® zwei Mol. Wasser verlieren, das
dritte noch nicht bei 310®; sie sind sehr wenig in Wasser löslich, gehen
aber in Berührung damit allmählich unter üebergang in ein amorphes
leichtlösliches Salz in Lösung. — Die Ester^ der Aconitsäure werden
glatt erhalten, wenn man die Acetylcitronensäureester — durch ge-
lindes Erwärmen der Citronensäureester mit Acetylchlorid darstellbar
— auf 250—280® erhitzt, z. B.:
OCOCH, I
- OH-CO-CHg = CCOjCjHs ;
CHj • CO2 • C2H5 CH • COj • C1H5
der Triäthylester C^H30ß(C2Hg)3 siedet unter 14mm Druck bei 171".
Ueber die isomere Isaconitsäure^ CObH.CH:CH.CH(CO,H), vgl. die
Originalliteratur.
III. Tetracarbonsäuren.
Den Ausgangspunkt zur Gewinnung der Tetracarbonsäuren, wie
auch der Säuren mit noch mehr als vier Carboxylgruppen, bildet der
Malonsäureester.
* Dessaignes, Ann. Suppl. 2, 189 (1863).
* Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 570 (1892). — Walker, Joum. Soc.
61, 707 (1892).
' Pebal, Ann. 98, 94 (1856). * Wichelhaus, Ann. 132, 62 (1864).
* 6171NOCHET, Compt. rend. 94, 455 (1882).
® Mercadante, J. pr. |2] 3, 357 (1871). — Anschütz u. KLiNOEMAirXf Ber. 18,
1954 (1885). — Ruhemann, Ber. 20, 3368 (1887). — A. Schneider, Ber. 21, 669 (1888).
— Klimenko u. Buchstab, Ber. 23 c, 325 (1890). — Hotter, Ber. 22, 1078 (1889).
' Conrad u. Guthzeit, Ann. 222, 255 (1883). — Guthäeit u. Dressbl, Ber.
22. 1425 (1889).
Tetracarhonsätiren. 705
Es sind zunäclist einige Beactionen anzuführen^ welche vom Malon-
säureester zu Tetracarbonsäureestern führen, deren Molectil
nur einmal die Malonsäurestellung zweier Carboxylgruppen
aufweist. Da die diesen Estern entsprechenden freien Tetracarbon-
säuren durch Kohlensäureabspaltung in Tricarbonsäuren übergehen, sind
solche Reactionen — zweimalige Combiuation des Malonsäureesters mit
Halogenderivaten der Fettsäureester, einmalige Combination mit dem
Halogeoderivat eines Dicarbonsäureesters oder endlich Addition von
NatriuBimalonsäureestem an die Ester ungesättigter Dicarbonsäuren —
schon bei der Behandlung der Tricarballylsäure und ihrer Homologen
erwähnt und durch Gleichungen dargestellt worden (vgl. S. 701 — 703).
Durch solche Reactionen ist z. B. erhalten ci}».2((i'-PropBiit«tra6arboiisäur6e8ter^
asoallylentetracarbonsäureester) (CjHj • C0,)CH4 • C(CO, • C^Yi^\ • CHj(CO,.
CjHj) (aus Malonsäureester und Chloressigester): ein bei 295 '^ siedendes Oel vom
bpec. Gew. 1-102 (15^, aus dem durch Verseifung auch die freie Säure — bei 151^
unter Spaltung in Kohlensäure und Tricarballylsäure schmelzend — gewonnen ist. —
w, a ai'-Propaiit«traear1>ousäureest€r « (C.Hj • CO,),CH • CHiCOg • C^Hj ) • CHjCCOj • CaH^)
(ans Malonsäureester und Chlorbernsteinsäureester bezw. Fumarsäureester) siedet unter
18 mm Druck bei 203—204«; spec. Gew. bei 20°: 1-118. —
Andere Reactionen fuhren vom Malonsäureester zu Tetra-
carbonsäureestern, deren Molecül zweimal je zwei Carboxyl-
gruppen in der Malonsäurestellung enthält; die ihnen entsprechen-
den freien Säuren liefern demnach bei der Kohlensäureabspaltung Di-
carbonsäuren.
Man kann zwei Malonsäurereste direct — ohne Zwischenglieder —
an einander ketten, wenn man die Natriumderivate des Malonsäureesters
oder seiner Homologen mit den Chlorderivaten reagiren lässt, oder indem
man Jod auf Natriummalonsäureester einwirken lässt:
(C,H5.C0,),CHNa + Cl.CH(CO,CjIU = NaCl + {C^l{,'CO,)^CH'CU(COiC^U,).,
2(C,H5.CO,),CHNa + J^ = 2 NaJ + (G A • CO,),CH - CH(COj • C^Hg),
Aethantetracarbonsäureester.
(CjH.CO^CNaCl + CNaCl(CO, • CjHj), = 2NaCl + (CH^ • CO^C : 0(00, • C^H^),
2(C,H5.CO,),CNa, + 2J, = 4NaJ + (C,H6.C0,)jC:C(C0j.CsH8),
Aetbylentetracarbonsäureester.
üijCu^-AethautetraearbonsUureester^ (Acetylentetracarbonsäureester)
(CjH5.C0j)gCH.CH(C0j|.C,H5), kiystallisirt in langen Nadeln, schmilzt bei 76 «^ und
siedet unter tbeilweiser Zersetzung bei 305*^; durch Verseifung mit verdünnter Natron-
* Bischoff, Ann. 214, 61 (1882). — Haller u. Barthe, Compt. rend. 106, 1414
(188»). — BiscHOPF u. V. KüHLBBRG, Bcr. 23, 664 (1890). — Barthe, Compt. rend.
lU, 344 (1890).
* ExERY, Ber. 23, 3759 (1890). — Auwers, Koebner u. v. Meyenburg, Ber. 24,
2889 (1891). — Michael u. Schulthess, J. pr. [2J 46, 56 (1891).
* Conrad u. Bischoff, Ann. 214, 68 (1882). — Guthzeit, ebenda, 72. — Conrad
u. GüTHZBiT, Ber. 16, 2632 (1883). — Baeyer u. Perkin, Ber. 17, 449 (1884). — Bischoff
o-Rach, ebenda, 2781. — Bischofp u. Hausdörfer, Ann. 239, 129 (1887). — Buchner,
^«. 26, 1158 (1892).
V. Ukysr u. Jacobson, org. Chem. I. 45
706 Tetracarhonmuren.
lauge kann daraus die freie Aethantetracarbonsfture gewonnen werden, wekh«^
kleine Nadeln bildet, bei 167—169*^ unter Gasentwickelung schmilzt und bei an-
dauerndem Erhitzen auf 180*^ in Bemsteinsäure übergeht. Verseift man den EBt^-r
durch Erhitzen mit Salzsäure, so erhält man c^gCt^'-Aethantricarbonsäure (TgL S. 69:^.:
verseift man ihn mit alkoholischer Kalilauge in der Kälte, so erhält man den Aethao-
CjHg • COj>v /COj • CjHg
tetracarbonsäurediäthjlester >CH-CH<^ +VjH,0, welcher
CO,H/ ^CO,H
bei 132—133^ schmilzt und dabei in Kohlensäure und BemsteinsSureester zertalit:
der Tetraäthjlester liefert mit Natriumäthylat eine Dinatriumyerbindung (C^H •
C02)aCNa'CNa(CO,'CjH5),. — üeber Homologe des Aethantetracarbonfifittree3ter>
vgl. die Original-Literatur*.
AethylentetracarbonsSareester' (Dicarbintetracarbonsänreester) (C^U •
008)^0 : CCCOa'Cj Hg), bildet grosse Tafeln, schmilzt bei 58® und siedet unter thrü-
weiser Zersetzung bei 325—328°; verseift man ihn mit Kalilauge und säuert darauf
mit £6&i,::Fäure an, so erhält man ein saures Kaliumsalz der Aethjlentetra-
carbonsäure Cj(COgH)i(C08K)8 ; durch Salzsäure wird der Ester schwer vereeiftunJ
liefert dann Fumarsäure.
Man kann ferner zwei Malonsäurereste durch Zwischenglieder mit
einander vereinigen, indem man entweder Malonsäureester mit Aldehvdeii
condensirt (vgl. S. 491), z. B.:
CHa-CHO + 2CH,(C08.C8H6)j = CHjCH : (XCOjCJij), -}- CHjCCOjCiHs), + lU»
.CH(CO,.C8H,)8
= CH8.CH< +H,0,
^CHCCOjCjHg),
oder indem man die Natriumderivate des Malonsäureesters bezw. seiner
Homologen mit mehrwerthigen Halogenverbindungen inReaction bringt, z. B.
.CHCCOjCA),
CHjJj + 2CHNa(CO,C8Hj), = 2NaJ + CH,
^CHCCOjCsHs),
c(co,.aH,),
CHCla + 2CNa8rCO,-C,H3). = 3NaCl + Ch/
X:JXa(C0j.CjH5)|
/CH,Br /CH^— CH(CO, ■ CMjt
CHZ +2CHNa(C08.C8H5), = 2NaBr + CH,<
^CHjBr X^H, - CH(CO, - C^H^),
(ügCüg'-PropantetracarbonslSureester' (DicarboxylglutarsäureesterjlCH/
C08)8CH.CH8.CH(CO,.C2H8)8 — am besten aus Methylen-jodid oder -chlorid uml
Natriummalonsäureester erhältlich — ist ein farbloses Oel, das unter 100 mm Druck
bei 240—241° siedet und bei 20° das spec. Gew. 1'116 zeigt Durch Verseifung mit
1 BiscHOFF u. Räch, Ber. 17, 2785 (1884); 18, 1202 (1885). — Bischofp, Ber.21,
2085 (1888j.
* Conrad u. Güthzeit, Ann. 214, 76 (1882). Ber. 16, 2631 (1883). — Bischuff
u. Räch, Ber. 17, 2781 (1884). — Bischoff u. Hausdörper, Ann. 239, 180 (1887). -
Demuth u. V. Meyer, Ber. 21, 270 (1888J. — Conrad u. Brückner, Ber. 24, 2998(16^11.
« Perkin, Ber. 19, 1054 (1886). — Conrad u. Güthzeit, Ann. 222, 258 (18i>3t
— Kleber, Ann. 246, 107 (1888). — Güthzeit u. Dressel, Ber. 21, 2233 (1888). -
Güthzeit, Ann. 256, 171 (1889). — Perkin u. Prentice, Journ. Soc 59, 991 (1891).
— Stohmann u. Kleber, J. pr. [2] 45, 476 (1891).
Tetracarbofisäuren, 707
heisser concentrirter Kalilauge erhält man daraus die freie Tetracarbonsäure,
welche bei 168 — 170^ unter Kohlensäureentwickelung schmilzt und schliesslich in
Glutarsäure übergeht Mit Natriumäthylat liefert der Ester eine Dinatrium-
verbindung (CjH5«COj)iCNa'CH2'CNa(COj-C8H5)8 , aus welcher durch Umsetzung
mit Halogenalkylen Homologe^ des Dicarbozylglutarsäureesters gewonnen werden
können.
(^gCj^'-PropentetraearbonsSureester^** (Dicarboxylglutaconsäureester)
(C,H5.CO,),C:CH.CH(CO,.CsH5)8 wird in Form seiner Natriumverbindung (C.Hs •
€04)^0 rCH-CNaCCOj-CjHg), — hellgelbe, glänzende Prismen, die in Wasser und
Weingeist in der Kälte wenig, beim Erhitzen leicht löslich sind, — durch Einwirkung
von Chloroform auf Dinatriummalonsäureester (Gleichung s. S. 706) erhalten. Aus
der Natriumverbindung erhält man durch Umsetzung* mit Halogenalkylen bei höherer
Temperatur Homologe des Dicarboxylglutaconsäureesters, durch Zersetzung mit ver-
dünnten Säuren diesen Ester selbst. Letzterer ist ein Oel, besitzt bei 15^ das spec.
Gew. 1-131, liefert bei der Verseifung Isaconitsäure (S. 704) und Glutaconsäure
iS. 695), giebt in alkoholischer Lösung mit Eisenchlorid eine kornblumenblaue
Färbung und zersetzt sich beim Sieden im Vacuum in Alkohol und Aethoxy-pyron-
dicarbonsäureester :
/COOCgHs /CO.OCjH
/CH< /C^C.OCjHg
y \C0.0C,H5 / \
CH/ = C,H5.0H + CH< \^
\ /CO.OCä X /^
. ^COOCsHe ^CO.OCjH
8**5
Die Homologen des Dicarboxylglutaconsäureesters können im Vacuum ohne Zer-
setzung destillirt werden.
c*>,rV-lBobataBtetraearbousäureester^ CH,-CH{CH(CO,*C3H5),!3 — aus Acet-
aldehyd und Malonsäureester in Gregenwart von Essigsäureanhydrid — siedet unter
20mm Druck bei 209— 212^, &),&i/-ButautetraeBrbonsäareest«r^ (CjHg • COa)jCH •
CHj • CH, • CH(COj • CjHj), — aus Aethylenbromid und Natriummalonsäureester — unter
100 mm Druck bei 248— 252 ^ a),a),'-Peiitaiitetraearbousäureester^ (CjH8C02)2CH.
CH,«CH,-CH2'CH(C02'C2H9)2 — aus Trimethylenbromid und Natriummalonsäure-
ester — unter 80 mm Druck bei 230— 235 ^
Die denkbar einfachste Tetracarbonsäure, deren Molecül gar keine
Malonsäurestellung der Carboxyle aufweist, also alle vier Carboxyl-
gruppen an verschiedene Kohlenstoffatome gebunden enthält, ist die
(oußm- Butantetracarbonsäure ^ CHg (CO3H) • CHCCOjjH) • CHCCOgH) •
CH,-(COaH). Diese Säure (Schmelzpunkt 244 0, K = 0-040) ist einerseits
durch Verseifung des «cfg/Jgw'-Butanhexacarbonsäureesters (vgl. S. 708),
* Vgl. auch GüTHZEiT u- Deessel, Ber. 23, 3179 (1890).
* CoNBAD u. GuTHZEiT, Auu. 222, 249 (1883). — GuTHZEiT u. Dbessel, Ber.
22, 1413 (1889). — Ruheuann u. Morrell, Journ. Soc. 59, 745 (1891).
* KoMNENOS, Ann. 218, 158 (1883).
* Perün, Ber. 18, 3248 (1885); 19, 2039 (1886). Journ. Soc. 51, 241 (1887).
— Peekik u. Prentice, Journ. Soc. 59, 818 (1891). — Vgl. auch Freer u. Perkin,
Ber. 21, 738 (1888).
* BiscHOVF, Auwers, vgl. Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 578 (1892). —
AuwBBs, Ber. 26, 864 (1898).
45*
708 Pentacarbonsäuren etc.
andererseits durch Condensation von Aconitsäureester mit Natriummalon-
säureester und Verseifung des Condensationsprodukts:
CH(CO, • CjHs), CH, . CO,H
I
CH.C0,.C,H5 OH.COj.C4H5 (iJHCOjH
Jl )^ I ^ 1
CCOjCA CNaCOj.CA CHCO.H
CH, . COg . CSt CH, . CO, . CjHs CH, - COsH
erhalten worden; sie ist leicht löslich in Wasser und Alkohol, fast un-
löslich in Benzol. Durch Digestion mit Acetylchlorid geht sie in eiji
zweifaches inneres Anhydrid CgHgOg über, welches bei 172 — 173^ schmilzt.
lY. Pentaearbons&uren etc.
(ü^a^b)'- PropaupeiitaearbonsSiureester ^ (C2H5 - CO,)sCH . C(CO, • 0^11^1 - CH^
(COg'CsHg) ist aoB der Natrium Verbindung des AethantricarbonfiSnreester (S. 699
durch Combination mit Chlormalonsäureester, a)a2J?o'-Batanpeiitaearbonsiiijree6t«r*
(C2H5 . C02)CHg . C(CO, . CgHg), . CH(CO, • C^Hß) • CH,(COj • C^H^) mit Chlorbemsteinsäure
ester gewonnen worden; beide Ester sind dickflüssige Oele, die im Vacuom destillir-
bar sind.
(jcr^/^sCü'-Butanhexacarbonsäureester' (CjHg - COj)CH, • 0(CO, • CjH;), • OCO,-
CgHa)^ • CH2(C0, . CjHg) — sechsseitige, bei 56.5<> schmelzende Tafeln — entsteht
durch Einwirkung von Jod auf die Natriumverbindung des Aethantricarbonsänreesters.
Durch Einwirkung von Tetrachlorkohlenstoff auf NatriummaJonsäureestir bi
eine Substanz erhalten worden, welche als Pentanoctocarbonsäureester*:
C.CHCCOj.C.H,),!,
angesprochen wird.
Indem man für die auf den letzten Seiten vielfach erwähnten Beactionen -
Combination der Natriumderivate mit den Chlorderivaten der Ester von mehrbasischeji
Säuren — den Propanpen tacarbonsäureester zum Ausgangspunkt nimmt, kommt maa
zu immer complicirteren Produkten^, die bisher nur unvollkommen charakterigirt
sind', sie wurden als dickflüssige, auch im Vacuum nicht destillirbare Gele erh&iteD;
man glaubt, bis zum Octan-tetradeka-carbonsäureester:
(C2H5 . CO.,)CH, . CiCO, . C,U,\ . ClCO.CjHj), . C(CO, • C^B,\ • C{CO, • C^HJ, • 0(00, •
C,U,), . C(CO, . C,U,\ . CHa(CO, . C,H J
gelangt zu sein.
* BiscHOFP u. Emmekt, Ber. 16, 1108 (1882). — Bischoff, Ber. 21, 2118 (l^SH
* Emery, Ber. 23, 3760 (1890).
8 Bischoff u. Emmert, Ber. 16, 1046 (1883). — Bischoff u. Räch, Ber. 17, 27fe6
(1884). — Bischoff, Ber. 21, 2112 (1888).
* Chabriä, Bull. [3] 7, 20 (1892).
* Bischoff u. Emmert, Ber. 21, 2115 (1888).
HcUogenirung von Carbatisäuren. 709
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Halogenderivate der Carbonsäuren.
Allgemeines über Bildung und Verhalten halogenirter
Carbonsäuren.
Clilor- und Bromderivate der Carbonsäuren können direct durch
Substitution aus den Säurehydraten oder Derivaten derselben gewonnen
werden.
. Bei den Säurehydraten selbst freilich erfolgt die Substitution in der
Kegel — namentlich am Anfang der Reaction — nicht leicht und er-
fordert, um einigermassen vollständig zu werden, höhere Temperatur,
längere Einwirkungsdauer, Unterstützung durch Belichtung oder durch
Gegenwart von Halogenüberträgem. In der Reihe der Fettsäuren er-
weisen sich die einzelnen Säuren der Substitution um so leichter zugäng-
lich, je höher ihr Moleculargewicht ist. Beim Erhitzen molecularer
Mengen von Brom und Säurehydrat in zugeschmolzenen Röhren auf
100^ wurde z. B. gefunden, dass die Substitution bei der Essigsäure
erst nach 40 St., bei der Propionsäure schon nach 10 St., bei ^der
Buttersäure in weniger als 7 St. bis zum Betrage von 15 7o ^^^'
geschritten war^
Viel leichter als die Hydrate, lassen sich die Anhydride oder
Bromide (vgl. S. 349) bezw. Chloride halogeniren ^, Essigsäurehydrat
z. B. muss mit Brom tagelang im Wasserbade erhitzt werden, wenn man
eine reichliche Bromirung erzielen will, Essigsäureanhydrid und Acetyl-
bromid dagegen werden von Brom schon bei gewöhnlicher Temperatur
angegriffen und sind bei 100^ schon nach kurzer Zeit vollständig sub-
stituirt. Von diesem Umstand zieht man besonders für die Darstellung
bromirter Säuren Nutzend
Man verwendet zur Bromirung die Säurebromide in dem rohen Zustande, wie
sie beim Zusammenbringen des Säurehydrats mit Brom und rothem Phosphor resultiren,
und verfährt daher folgendermassen (HELL-VomARD-ZRLiNSKY'sche Bromirungs-
metbode): zu dem in einem Rückfiussapparat befindlichen Gemisch von Säure-
hydrat und amorphem Phosphor lässt man anfangs langsam, später rascher Brom
zutropfen, erwärmt darauf allmählich auf etwa 80^ und erhält bei dieser Tempe-
ratur einige Zeit. Das Brom vereinigt sich zunächst mit dem Phosphor zu Phosphor-
pentabromid, welches aus dem Säurehydrat das Säurebromid erzeugt, und substituirt
dann das entstandene Bromid. Zur Berechnung der in Reaction zu bringenden
Mengen kann für die Monobromirung von einbasischen Säuren die Gleichung:
* Vgl. Hell u. übech, Ber. 13, 531 (1880).
» Hell, Ber. 14, 891 (1881). — Michael, J. pr. [2] 36, 92 (1887). — Vgl. auch
Jazukowftsch, Ztschr. Chem. 1868, 235.
» Hell, Ber. 14, 891 (1881); 21, 1726 (1888). — Volhard, Ann. 242, 141 (1887).
Ber. 21, 1904 (1888). — Zelinskt, Ber. 20, 2026 (1887). — Auwers u. Bebnhardi,
Ber. 24, 2216 (1891).
I
710 Halogenirung von Carbonsäuren.
SCaHsn+i-COsH + P + llBr = 3CnH,„Br.C0Br + HPOg + 5HBr,
für die Dibromirung zweibasischer Säuren die Gleichung:
3Ci,Hjn(C0jH)s + 2P + 22Br = 3 Ci,H2a_8Bri,(COBr), + 2HP0, + lOHBr
dienen, doch giebt man schliesslich — um während der Operation nnvermeidliche
Bromverluste zu decken — noch weitere Mengen Brom hinzu, bis die Bromwasser*
Stoffentwickelung völlig aufgehört hat, und das Kühlrohr auch nach halbstündiger
Digestion noch von rothen Bromdämpfen erfüllt bleibt; auch wendet man zweck-
mässig einen kleinen Ueberschuss von Phosphor an. Das Reactionsgemisch zersetzt
man, nachdem man das noch vorhandene Brom abdestillirt hat, entweder behufb
Gewinnung der Säure durch Eintragen in Wasser oder behufs Gewinnung des Aethyl-
esters durch Eintragen in absoluten Alkohol.
Wie Phosphor, so hat sich auch Schwefel* als vortrefflicher Ueberträger fiir
die Chlorirung und Bromirung von Fettsäuren erwiesen; vermuthlich beruht seine
Wirksamkeit ebenfalls auf einer Ueberfuhrung der Säurehydrate in Chloride bezw.
Bromide durch die Halogenverbindungen des Schwefels.
üeber die Art und Weise, wie der Eintritt der Bromatome bei der
Bromirung unter den eben beschriebenen Bedingungen der Hell-Volhabd-
ZELiNSKY'schen Methode erfolgt, sind systematische Untersuchungen*
bei Mono- und Dicarbonsäuren ausgeführt, welche zu bemerkenswertheii
Ergebnissen geführt haben. Für eine Anzahl der niederen Glieder läset
sich leicht der Nachweis fuhren (vgl. S. 718 — 719), dass das eintretende
Bromatom ein zur Carboxylgruppe in «-Stellung befindliches WasserstoflF-
atom substituirt, z. B. :
CH3 . CHBr ■ CO2H , CHs . CH, . CHBr • CO,H , (CH3),CBr • CO^H .
Es zeigt sich ferner, dass alle Mono- und Dicarbonsäuren, sofern die-
selben «-ständige Wasserstoffatome besitzen, der Bromirung leicht zu-
gänglich sind, dass aber im Gegensatz dazu solche Säuren, in welchen
keine «-Wasserstoffatome vorhanden sind, bei dem Versuch der Bromirung
unter denselben Bedingungen keine Substitutionsprodukte liefern', so die
Säuren :
(Ciy^C-CO^H
I {CH3),C.C0,H,
(CH8).,C-C0,H
Tetramethylbemsteiusäure Trimethylessigsäure
Man schliesst daraus, dass alle nach der HELL-VoLHAiu)-ZELiNSKY*schen
Methode gewonnenen bromirten Säuren die Bromatome in der «-Stellung
enthalten, und man kann umgekehrt bei Carbonsäuren von zweifelhafter
Structur die Feststellung der Bromirbarkeit oder Nichtbromirbarkeit
nach dieser Methode als diagnostisches Mittel für die Prüfung auf Gegen-
wart «-ständiger Wasserstoffatome benutzen.
Wenn sich hiernach nur die «-ständigen Wasserstoffatome der Sub-
» AuGEE u. Bähal, Bull. [3] 2, 145 (1888). — Leperoq, BulL [3] 7, 859 (1892).
— Genvresse, ebenda, 364.
* AuwBRS u. Bernhardi, Ber. 24, 2209 (1891).
^ Au WEHS u. V. Meyer, Ber. 23, 305 (1890), — Refobmatsky, ebenda, 1594.
Hcdogenirting von Garbonsüuren. 711
stitution zugänglich erweisen^, so muss man sich ferner die Frage vor-
legen, ob sich die Substitution auf alle e^-ständigen WasserstofFatome
erstreckt oder beschränkt bleibt. Es hat sich ergeben, dass auch bei
Anwendung eines grossen Ueberschusses von Brom und verhältnissmässig
langer Einwirkungsdauer die Bromirung nur in ganz untergeordnetem
Mass weiter fortschreitet, nachdem neben jeder Carboxylgruppe ein
«^- Wasserstoffatom ersetzt ist. Sofern also neben jeder Carboxylgruppe
sich a- Wasserstoffatome befinden, nehmen Monocarbonsäuren in der
Regel ein, Dicarbonsäuren zwei Bromatome auf; bei einzelnen Di-
carbonsäuren, die nach dieser Regel leicht Dibromderivate liefern sollten,
— z. B. Bemsteinsäure und ihren Homologen — ist indessen beobachtet,
dass die Einführung des zweiten Bromatoms nur schwierig gelingt, bezw.
dass unter den Bedingungen der Reaction schon Bromwasserstoffabspaltung
unter Bildung einer monobromirten ungesättigten Säure erfolgt.
Bei energischeren Halogenirungsbedingungen kann sich die Sub-
stitution auch auf mehrere in der Nachbarschaft einer Carboxylgruppe
befindliche Wasserstoffatome erstrecken; so giebt Essigsäure durch
Chloriren im Sonnenlicht Di- und Trichloressigsäure, durch Bromiren in
Gegenwart von Schwefel bei etwa 150*^ Dibromessigsäure, Propionsäure
bei längerem Erhitzen mit überschüssigem Brom auf 220*^ cc^-Dibrom-
Propionsäure CHg-CBrgCOgH.
Eigenthümlich verhalten sich die höheren Fettsäuren (z. B. Stearinsäure) beim
Erhitzen mit der äquimolecularen Menge Brom in geschlossenen Rühren auf 180—140^;
während alles Brom verbraucht wird, bleibt etwa die Hälfte der Fettsäure unverändert,
der Rest wii*d in das Monobromderivat einer um zwei WasserstoflFatome ärmeren
Säure (z. B. Oelsäure) verwandelt*.
Jodatome fuhrt man in der Regel nicht direct durch Substitution ein;
die Chlorderivate — z. B. Chloressigester — können durch Digestion mit
Jodkalium leicht in die entsprechenden Jodderivate übergeführt werden.
Während nach Obigem die Substitution der gesättigten Carbon-
säuren zu «-Halogenderivaten führt, bietet die Addition der Halogen-
wasserstoflFsäuren an ungesättigte Säuren die Möglichkeit, Halogenatome
an die der Carboxylgruppe femer stehenden Kohlenstoffatome anzulagern
(vgl. S. 495—496, 498, 499, 504, 505, 508). Es werden nämlich in der
Regel die Halogenwasseratoffsäuren von J*»'^ -Säuren unter Bildung von
/^-Halogenderivaten :
CHj.CHCOjH + HC1 = CHjClCHjCOjH
CHg . CH : CH . COjH + H J = CH3 • CHJ • CH, • CO,H ,
von J^'/- und J^'^-Säuren unter Bildung von ^'-Halogenderivaten fixirt:
CHjCHiCHCH.COsH + HBr = CHjCHBrCHjCHaCOgH
CH, : CH . CH, . CH, . COjH + HBr = CH3 • CHBr • CH, • CH, • CO,H .
(Üebcr die Bedeutung des Zeichen J vgl. S. 491).
* Ueber c|ie Analogie dieser Erscheinung mit dem Verhalten der Halogen-
alkyle bei der Halogenirung vgl. V. Meyeb, Ber. 25, 3310 (1892).
' Krafft u. Beddies, Ber. 25, 481 (1892).
I
712 Verhalten der Halogenderivate
Wichtig ist auch die Bildung der /9-Jodpropionsäure aus Glycerin-
säure durch Einwirkung von Jodphosphor:
CH,(OH) . CH(OH) . CO,H > CH, J • CH, • CO,H
Glycerinsäure f?-Jodpropion8fture;
sie entspricht der Bildung von Jodalkylen aus mehrwerthigen Alkoholen
(vgl. S. 182).
Durch Addition der Halogene an ungesättigte Säuren gewinnt man
Polyhalogenderivate der Carbonsäuren, z. B.:
CHsCHiCHCOjH -hBr, = CHgCHBr.CHBr.COsH
CO,H.CBr:CH.CO,H-hBr, = CHsCBrj.CHBp.COaH
COjHCH.CHCHiCHCOjH + 2Br; =^ COsHCHBrCHBr.CHBr.CHBrCOjH.
Das Verhalten der halogenirten Carbonsäuren wird zunächst durch
die Gegenwart der Carboxylgruppe bestimmt. Sie zeigen die Iteactionen
der Carbonsäuren — Salzbildung, Bildung von Estern, Chloriden etc. — .
aber die saure Natur der Carboxylgruppe wird, wie vorauszusehen, durch
das Vorhandensein anderer elektronegativer Bestandtheile in demselben
Molecül noch erheblich gesteigert. Dies ergiebt sich deutHch bei einem
Vergleich der durch Bestimmung des elektrischen Leitvermögens er-
mittelten Dissüciationsconstante K (s. S. 640 — 641) für die Essigsäure
und deren Halogenderivate':
Essigsäure : K = 0 • 00 1 80.
Monochloressigsäure : K = 0- 155.
Monobromessigsäure : K = 0- 138.
Monojodessigsäure :K = 0-075.
Dichloressigsäure : K = 5 • 1 4.
Trichloressigsäure :K = 121.
Diejenigen halogenirten Säuren, deren Halogenatome ähnlich wie in
den Halogenalkylen an gesättigte Kohlenstoflfatome gebunden sind, zeigen
in Bezug auf die Austauschbarkeit des Halogens grosse Reactionsfähigkeit
(vgl. S. 183, 185); sie sind, wie die Halogenalkyle , zu zahlreichen
doppelten Umsetzungen befähigt, z. B.: /
CHjCl.COjC.Hft + NaOCjHj = CH,(0C,H5).C0,.C,H5 + NaCl
CHjClCOjH -f NHg = CH,(NHj).CO,H + HCl
CHaClCOjK + KCN = CH,(;CN)CO,K + KCl
und stellen daher — namentlich in Form ihrer Ester angewendet —
äusserst wichtige Hülfsmittel der organischen Synthese dar. Es sei
daran erinnert, dass bei einer grossen Zahl der in den letzten Kapiteln be-
sprochenen synthetischen Bildungsweisen fiir mehrbasische Säuren von
diesem Umstand Gebrauch gemacht wurde.
^ Manche Reactionen werden wesentlich durch die gegenseitige Stellung
der Halogenatome und der Carboxylgruppen beeinflusst; es tritt dies
* Ostwald, Ztsthr. f. pliysik. Cheni. 8, 176 (Ks89). — Walden, ebenda, 10.
647 (1892).
von Carhonsäuren, 713
jiamentlich in dem Verhalten der halogenirten Säuren beim Kochen mit
Wasser oder bei der Einwirkung von wässrigen oder alkoholischen Al-
kalien — d. h. also Mitteln, welche einen Austausch der Halogenatome
gegen Hydroxyl bezw. Alkoxyl bewirken können, — hervor. Dieser
Austausch verläuft bei den a-halogenirten Säuren meist sehr glatt ^;
schon durqh anhaltendes Kochen mit Wasser werden z. ß. Chloressig-
säui'e, «-Bromisobuttersäure etc. in die entsprechenden Oxysäuren über-
geführt. Dagegen wird diese Reaction bei den /?-halogenirten Säuren^
von anderen Processen begleitet oder auch ganz in den Hintergrund
gestellt; beim Kochen mit Wasser oder mit alkoholischen Alkalien gehen
diese Säuren nämlich zum grossen Theil unter Halogen wasserstoflFabspaltung
in ungesättigte Säuren über (vgl. S. 488 — 489); beim Erwärmen mit
kohlensauren Alkalien in wässriger Lösung — zuweilen auch schon in
der Kälte beim Neutralisiren mit kohlensaurem Natrium — erleiden sie
in beträchtlichem Umfang eine weitergehende Zersetzung unter Abspaltung
von Kohlensäure und Alkalibromid, die bei den Monohalogenderivaten
der Monocarbonsäuren einen ungesättigten KohlenwasserstofiF:
CH3.CHBr.CH(CH,).C0,Na = CHjCH: CH.CH, H- NaBr + CO,,
bei den a-/9-Dihalogenderivaten der Monocarbonsäuren das Halogen-
derivat eines ungesättigten Kohlenwasserstoffs:
CHs-CHBrCHBr.COjNa = CH,.CH: CHBr + NaBr + CO,,
bei den Halogenderivaten von Dicarbonsäuren eine ungesättigte Mono-
carbonsäure :
CH, • CBr . CO,Na CH, • C . CO,Na
p + NaBr + CO,
CH,
CH,.CO,Na
entstehen lässt. Die ^'-monobromirten Säuren' endlich zerfallen
beim Neutralisiren mit kohlensauren Alkalien oder beim Kochen mit
Wasser glatt in Lactone (innere Anhydride von Oxysäuren, vgl. S. 760)
und Bromalkali bezw. Bromwasserstoff, z. B.:
CHsCHBrCHj.CHj.CO.OH = HBr -f CH,.CH.CH,.CH,.CO
\o/
Die /J-^'-dibromirten Säuren liefern beim Kochen mit Wasser oder
beim Stehenlassen in schwach alkalischer Lösung als erstes Zersetzungs-
produkt ein gebromtes Lacton:
CjHj . CHBr • CHBr • CH, C.Hj • CH • CHBr • CH,
I I +HBr,
CO ■ OH 0 CO
• Erlenmeykr, Ber. 14, 1318 (1881). — Hell u. Waldbaur, Ber. 10, 449 (1877).
- BrecHOFF, Ber. 24, 1041 (1891). — Thomson, Ann. 200, 75 (1880).
• Vgl. Erlenmeyer, Ber. 14, 1318 (1881). — Fittio, Ann. 200, 88 (1880); 208,
114 (1881); 269, 34 (1890). Ber. 26, 41 (1893). — Wislicenus, Abhandlungen d.
kgl. sächa. Gesellsch. d. Wissensch. 24, 57 (1887).
• Pimo, Ann. 208, 116 (1881).
714 CMorderivate
welches bei längerer Einwirkung theUweise in das entsprechende Oxy-
lacton, theilweise in eine ^'-Ketonsäure (Kap. 39) übergeht^.
I. Halogenderiyate der Fettsftaren.
Chlorameisensfture CICO-OH, die nur in Gestalt ihrer Ester
existenzfähig ist, kann auch als Halbchlorid des Kohlensäurehydrats:
.OH yQ\
C0<: C0<
aufgefasst werden und wird später unter den Kohlensäurederivaten be-
sprochen werden (vgl. Chlorkohlensäureester Kap. 41).
Halogenderivate der Essigsäure.
Monochloressigsäure ^ CHjCl-CO^H bildet farblose Krystalle, die
an feuchter Luft zerfliessen, ist in der Kälte fast geruchlos , schmilzt
bei 63® und siedet bei 185 — 187®. Die geschmolzene, dann etwas über
den Schmelzpunkt erwärmte und wieder erstarrte Säure scheint eine
labile Modificätion darzustellen; sie schmilzt schon bei 52 — 52*5®; be-
rührt man sie aber mit einem Krystall gewöhnlicher Chloressigsäure,
so wandelt sie sich wieder in die stabile Modificätion um; die Krystalle
werden dadurch opak und schmelzen nun wieder bei 63®. Chloressig-
säure zieht auf der Haut Blasen; ihr Dampf reizt stark zu Thränen.
Darstellung von Monochloressigsäure': Chlor wird in die siedende
Mischung von 1 Theil Schwefel und 10 Theilen Eisessig eingeleitet; nach Beendigung
der Einwirkung wird die S&ure aus dem Reactionsprodnkt, das bei gut gelungener
Operation daneben nur geringe Mengen Acelylchlorid und Essigsäureanhjdrid ent-
hält, durch Destillation rein abgeschieden. — Darstellung von Chloressigsftare-
äthylester* CHjCl • COg • C,Hb (farbloses Oel, für Synthesen vielfach verwendet.
Siedepunkt 145 ^ spec Gew. bei 20« 1.158): Man erwärmt 200 g Chlore8sig8äQr&
120 g Alkohol und 25 g concentrirte Schwefelsäure 6 St. auf dem Wasserbade, versetrt
nach dem Erkalten mit dem gleichen Volum Wasser und rectificirt den dadurch als
Oelschicht abgeschiedenen Ester.
» FiTTiQ, Ann. 268, 55 (1891).
* Vgl. K. Hoppmann, Ann. 102, 1 (1857). — Gal, Ann. 122, 374 (18621. -
Müller, Ann. 138, 156 (1865). — Büchanan, Ber. 4, 340, 868 (1871). — Sghbobek,
J. pr. [2] 18, 436 (1876). — Thomson, Ann. 200, 75 (1880). — Fthisr, Ann. 206, 81
(1880). — Beckubts u. Otto, Ber. 14, 576 (1881). — Tollehs, Ber. 17, 664 (I8»4i.
— Michael, J. pr. [2] 35, 96 (1887). — Kbaut u. Goldbebo, Ber. 28, 2577 (1890^
» Vgl. Hentschel, Ber. 17, 1286 (1884). — Auobr u. B^hal, Bull. [8] 2, 145 (1889i.
* WiLLM, Ann. 102, 109 ri857). — Conrad, Ann. 188, 218 (1877). — Pribrab
u. Handl, Monatsh. 2, 696 (1881). — Brühl, Ann. 203, 21 (1880). — Schipp, Ann.
220, 108 (1882). — Fittig u. Erlenbach. Ber. 21, 2138, 2647 (1888). Ann. 269.
14 (1891).
der Essigsäure. 715
Diehloressigsftare ^ CHCla-COjH ist im Gegensatz zur einfach
chlorirten Säure bei gewöhnlicher Temperatur flüssig; sie siedet bei
189 — 191** und besitzt bei 15® das spec. Gew. 1«522. Zur Darstellung
wird am besten ihre sehr merkwürdige Bildung* bei der Einwirkung
von Cyankalium (bezw. Ferrocyankalium) auf Chloral CClg-CHO benutzt;
man kann sich vorstellen, dass in dieser eigenthümlichen Reaction, die
unter stromweiser Entwickelung von Blausäure verläuft, die eine Hälfte
des Chloralmolecüls — die Aldehydgruppe — durch den Sauerstoff eines
Wassermolecüls zur Carboxylgruppe oxydirt wird, während gleichzeitig
der Wasserstoff aus der anderen Hälfte ein Chloratom eliminirt:
CCLCOH
KCN + „' = HCN + KCl + CHC1,.C0,H .
Trichloressigsäare ^ CCljCOjH bildet rhomboedrische , zerfliess-
Uche Krystalle, schmilzt bei 52° und siedet bei 195®. Sie kann sehr
bequem durch Oxydation von Chloral mit Salpetersäure gewonnen wer-
den. Sie zerfallt sehr leicht — schon beim Kochen der wässrigen Lösung
— in Chloroform und Kohlensäure (vgl. S. 68). Sie wirkt sehr stark
ätzend und findet als Aetzmittel medicinische Verwendung. In Bezug
auf die hypnotische Wirkung des Chlorals ist es von pharmakologischem
Interesse, dass die dem Chloral so nahestehende Trichloressigsäure keine
Spur von schlafmachender Wirkung entfaltet.
Die Entdeckung der Trichloressigsäure durch Dumas war für die
Entwickelung der chemischen Theorien von grosser Bedeutung*. Die
Erkenntniss, dass trotz der Substitution von WasserstoflF durch Chlor
der Charakter der Stammsubstanz im Wesentlichen nicht verändert war,
' GsuTHER u. FiscHEB, Jb. 1864, 316. — Maumen£, Ann. 133» 154 (1865).
— MOlleb, ebenda, 159. — Claus u. Weiss, Ber. 11, 496, 1043 (1878); 14, 1066
(1881). — Beckürts u. Otto, Ber. 14, 578, 585, 1618 (1881). — Bogomolez, ebenda,
2066. — Brühl, Ann. 203, 22 (1880). — Friedrich, Ann. 206, 254 (1881). — Schipf,
Ann. 220, 108 (1882).
« Wallach, Ann. 173, 288 (1874). Ber. 9, 1212 (1876); 10, 1525, 2120 (1877).
— PiKNEB u. Fuchs, Ber. 10, 1066 (1877). — V. Meyer, ebenda, 1740. — Claus,
Ber. U, 498 (1878).
» Dumas, Ann. 32, 101 (1839). — Kolbe, Ann. 54, 183 (1845). — Judson, Ber.
8, 782 (1870). — Kathke, Ann. 161, 166 (1872). — Clermont, Compt. rend. 78, 112,
501 (1871); 74, 942, 1491 (1872); 76, 774 (1873). Ber. 9, 191 (1876). — Claus,
Ber. 9, 225 (1876). Ann. 191, 58 (1878). — Klien, Jb. 1876, 521. — Henry,
Ber. 12, 1844 (1879). — BhUhl, Ann. 203, 22 (1880). — Hübner u. Friederici, Ann.
209, 363 (1881). — Schiff, Ann. 220, 108 (1882). — Beckürts u. Otto, Ber. 14,
588 (1881). — BouROOiN, Compt. rend. 94, 448 (1882). — Silbebstein, Ber. 17, 2663
(1884). — Seubeet, Ber. 18, 3339 (1885). — Hermann u. v. Gendr^, Jb. 1886, 1866.
— Küster, Ztschr. f. physik. Chem. 8, 587 (1891).
• Näheres vgl. in Ladenburo's Entwickelungsgescbichte der Chemie (Braun-
echweig, 1887), S. 178 AFI — E. v. Meyer, Geschichte der Chemie (Leipzig, 1889),
S. 226 ff.
716 Brom- und Jodderivate der Essigsäure.
führte Dumas zum Kampf gegen die damals fast allgemein angenommenen,
dualistischen x^nschauungen von Bebzeliüs und zur Aufstellung der
älteren Typentheorie. Die neuen Ansichten, die Dumas im Anschlus>
an seine Entdeckung entwickelte, wirkten auf seine Zeitgenossen so be-
fremdend, dass sie von den hervorragendsten deutschen Chemikern jener
Zeit zunächst kaum einer ernsten Discussion gewürdigt, sondern in einer
ironisch gehaltenen, mit der Unterschrift „S. C. H. Windler** gezeichneten
Mittheilung ^ verspottet wurden.
MonobromessigrsMare' CHjBr-COjH schmilzt bei 50— 51^ siedet bei 208®; ikr
Aethylester siedet bei 159^ — DibromeHsigrsäare ' CHBr,-CO,H schmilzt bei 45— 50 ,
siedet unter geringer Zersetzung bei 232—234°. — Tribromesslj^Sare* CBr,-COiH
bildet tafelförmige, glänzende, luftbeständige Krystalle, schmilzt bei 129 — 130® un«i
siedet unter Abspaltung von Brom und Brom Wasserstoff bei 245®.
MonoJodesNigsSure ^ QW^^-COfl wird auf beciueme Weise gewonnen, indem mau
Chlorcssigsäure mit Jodkalium in wässriger Lösung längere Zeit auf 60° erhitzt®; uach
dem Extrahiren mit Aether erhält man braune Jodessigsäure, die auf Thon abgepresst
wird; sie krystallisirt aus Wasser in farblosen^ luftbeständigen Tafeln, bleibt bei
wochenlangem Aufbewahren am Lichte weiss, schmilzt bei 82® und zersetzt sich bfi
stärkerem Erhitzen. Der Aethylester siedet bei 178 — 180® und besitzt einen fiu-öPi^t
scharfen, die Augen angreifenden Geruch. Dijodessifrsaare ^ CHJj'CO,H bildet
gelbe, in Wasser kaum lösliche Krystalle.
Monohalogenderivate der Essigsäurehomologen.
Die Gewinnung der c^-Bromderivate von Essigsäurehomologen
durch directe Bromirung der Säurebromide ist S. 709 — 710 besprochen.
Die folgende Tabelle Nr. 39 giebt eine Zusammenstellung der so erhaltenen
Säuren bezw. ihrer Aethylester. Zur Ergänzung sei bemerkt, dass ilie
* WöHLER, Ltebig's Anu. 33, 308 (1840). (Vgl. A. W. Hofmann's NekroK--
auf Wohles, Ber. 15, 3258 (1882).
* Perkin u. Di'PPA, Ann. 108, 106 (1858). — Naumann, Ann. 129, 257 (1^H.^!.
— Gal, Ann. 120, 54 (1864). — Kekvl^, Ann. 130, 19 (1864). — OlDckkeb, Ann.
Suppl. 7, 107 (1869). — Demole, Ber. 9, 561 (1876); 11, 316 (1878). — Kachiee.
Monatsh. 2, 558 (1881). — Michael, Ber. 16, 2602 (1883). — Auwers u. Bebshardk
Ber. 24, 2218 (1891).
» Perkin u. Duppa, Ann. 108, 111 (1858); 110, 115(1859). Ztschr. Chem. 1868,
424. — Gal, Ann. 129, 55 (1864). •— Debus, Ztschr. Chem. 1866, 188. — Schaffer.
Ber. 4, 368 (1871). — Perkin, Jb. 1877, 695. — Benedikt, Ann. 189, 169 (ISTTl
— Demole, Ber. 11, 318 (1878). — Beckurts u. Otto, Ber. 14, 583 (1881). — Auweb-
u. Bernhardi, Ber. 24, 2219 (1891) — Genvresse. Bull. [3] 7, 365 (1892).
. * Gal, Ann. 129, 56 (1864). — Schäpper, Ber! 4, 370 (1871). — Petribff, Ber.
8, 731 (1875). — Ami'ERfl u. Bernhardi, Ber. 24, 2228 (1891). — Küster, Ztachr. f.
physik. Chem. 8, 587 (1891).
* Perkin u. Duppa, Ann. 112, 125 (1859). — Kekul^, Ann. 131, 228 (1864».-
BuTLEROW, Ber. 5, 479 (1872). — Brix, Ann. 225, 150 (1884). — Heket, Compt.
rend. 100, 117 (1885). — Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 647 (1892).
* V. Meyer, Unveröffentl. Beobachtg.
^ Peukix u. Duppa, Ann. 117, 351 (1860j. — Curtiüs, Ber. 18, 1286 (1885t. J-
pr. [2] 38, 433 (1888).
TahelL Zusammenstellung von fc-Bramderivaten def Essigsäurehomologen. 717
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718 a-BromderivcUe der Essigscmrehomologen,
Citate zu der Tabelle Nr. 39 auf S. 717: ^ Friedel u. Machuga, Ann. 120.
283, 286 (1861). — • KEMfc|, Ann. 130, 16 (1864). — * Henry, Ann. 156, 176 (18701
— * Schreiner, Ann. 197, 13 (1879). — * Scherks, Monatsh. 2, 541 (1881). — • Thomson.
Ann. 200, 75 (1880). — ' Bischofp, Ann. 206, 819 (1880). — * Gottotei», Ann.
216, 31 Anm. (1882). — « Volhard u. Weinio, Ann. 242, 163 (1887). — " BBCKrRT>
u. Otto, Ber. 18, 222 (1885). — " Zeunsky, Ber. 20, 2026 (1887). — " Hell u. Koth-
BERQ, Ber. 22, 60 (1889). — " Aüwers u. Bernhardi, Ber. 24t, 2219 (1891). —
»* Borodin, Ann. 119, 122 (1860). — " Tupolew, Ann. 171, 244, 248 (1873j. -
" Naumann, Ann. 119, 115 (1861). — " Wislicenus u. ürech, Ann. 165, 93 (1872), —
" Schneider, Ann. 120, 279 Anm. (1861). — " Cahours, Ann. SuppL 2, 77, 83 (1862).
— «<> Markownikow, Ann. 153, 229, 243 (1869); 182, 329, 336 (1876). — " Enoel-
HORN, Ann. 200, 68 (1880). — " Hell u. Wittekind, Ber. 7, 320 (1874). — "»Hell
u. Waldbaur, Ber. 10, 448 (1877). — »* Bischoff, Ber. 24, 1041 (1891). — »» Jusuh,
Ber. 17, 2504 (1884). — •• Ley u. Popow, Ann. 174, 63 (1874). — " Pfttiq u. Clark,
Ann. 139, 199 (1866). — " Volhard u. Schleicher, Ann. 242, 163 (1887). — •• Hell
u. W. Mayer, Ber. 22, 48 (1889). — ^ Böckinq, Ann. 204, 23 (1880). — « Hell
u. LüMPP, Ber. 17, 2217 (1884). — " Hell u. Schule, Ber. 18, 625 (1885). — " Hell
u. TwERDOMEDOw, Ber. 22, 1745 (1889). — ** Hell u. Jordanoff, Ber. 24, 938, 987
(1891). — " Oüdemans, Jb. 1863, 334. — »• Hell u. Sadomsky, Bsr. 24, 2390 (1891).
— •' Kachlsr, Monatsh. 2, 562 (1881). — '® Zeunsky u. Besredea, Ber. 24, 466
(1891). ~ •» Schleicher, Ann. 267, 115 (1891). — *« Marie, Bull. [3] 7, 111 (1892).
— *» Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 650, 655 (1892).
niederen und mittleren gebromten Säuren nicht nur in Form ihrer Ester,
sondern auch in freiem Zustand unzersetzt destillirt werden können
(a-Brompropionsäure z. B. siedet bei 205^, a-Bromisovaleriansäure bei
230^). Die Löslichkeit in Wasser nimmt mit dem Aufsteigen in der
Eeihe ab; a-Brombuttersäure erfordert schon etwa 15 Th. Wasser zur
Lösung; a-Bromstearinsäure ist in Wasser unlöslich, wirkt auch nicht
mehr, wie die Bromderivate der niederen Säuren, reizend auf die Haut.
* Wie bereits mehrfach erwähnt, werden die leicht erhältlichen Ester dieser ge-
bromten Säuren sehr häufig für Synthesen der verschiedensten Art benutzt, die
dann oft als Grundlage für die Beurtheilung der Constitution der Reactionsprodokte
dienen. Man nimmt bei solchen Schlüssen an, dass alle diese durch directe BromiroDg
gewonnenen Säuren Brom in der a-Steliuug zu Carboxyl enthalten. Für die Be-
rechtigung dieser Annahme konnten schon S. 710 gewichtige Gründe angefahrt
werden, denen hier noch zwei weitere Beweise angereiht werden mögen:
1. Soweit bisher untersucht, sind die Oxysäuren, welche aus den durch directe
Bromirung erhaltrenen Säuren nach Austausch des Bromatoms gegen Hydiozyl ent-
stehen, identisch mit denjenigen Ozysäuren, welche aus Aldehyden bezw. Ketonen
durch Anlagerung von Blausäure und Verseifung der Cyanhydrine gewonnen werden
(vgl. S. 740 — 741) und nach dieser Bildungsweise Hydroxyi und Carboxyl zweifellos
an dasselbe Kohlenstofiatom gebunden enthalten S z. B.:
CH8'CH2'C02H >- CHs'CHBr'COjH ► \ ^>,Tr r«w/niT\ nn u
CH,CHO >- CH.CH(OH).CN » / CH,CH(OH).CO.H
(CH8)2CH • COjH >- (CH3)2CBr-COjH >- 1 /pw ^ nrnun rn H
(Ch'i^CO ^ (ChI)AOH).CN ^ J (CH,),qOH).CO,H .
* Vgl. unter den oben stehenden Citaten zur Tabelle Nr. 39: Nr. 1, 6, 10, 20,
23, 25j 30.
ß' Jodpropionsäure. 719
Es ist dies festgestellt für die Bromderivate der Propionsäure, beider Buttersäuren,
der normalen. Yaleriansäure und der Methyläthylessigsäure.
2. Soweit bisher untersucht, erweisen sich femer die Dicarbonsäuren, welche
mau aus den in Frage stehenden bromirten Säuren erhält, wenn man Brom gegen
Cyan austauscht und darauf verseift, als Homologe der Malonsäure (vgl. S. 651, 655 j,
da sie beim Erhitzen sich leicht in Kohlensäure und Fettsäuren spalten*, z. B:
CH,.(CH,)^CH3.C08H - > CH8(CHa)4.CHBr.GO,H >^
XN ♦ /CO,H
CH,(CH,)4 • CH< >- CHs ■ (CH,), • CH< > CHg • (CH,)4 • CH, • CO,H .
\CO,H \CO,H
Dies ist z. B. coatrollirt f[ir die Bromderivate der normalen Buttersäure, Oenanth-
säure and Palmitinsäure.
Unter den MonohalogenderiyateH der Essigsäurehomologeu,
deren Halogenatom ron der Carboxylgruppe entfernter steht, ist
für synthetische Zwecke besonders wichtig die vielfach verwendete /9-Jod-
propionsäure^ (Bildung vgl. S. 712), welche glasglänzende Krystall-
blätter darstellt, bei 82^ schmilzt, in heissem Wasser sehr leicht, in
kaltem Wasser wenig löslich ist. Ihre Constitution ergiebt sich aus
ihrer üeberführbarkeit in Bemsteinsäure :
CH,J.CH,.CO,H > CN.CHjCHj.COjH >^ CO,H.CH,.CH,.CO,H,
ferner aus dem Umstand, dass die durch Kochen mit Wasser aus ihr
entstehende Oxypröpionsäure identisch ist mit der aus dem Glykol-
chlorhydrin (vgl. S. 616) erhältlichen Oxypröpionsäure (Hydrakrylsäure,
vgl. S. 758):
CHaJCHgCOsH-^^^
^" CHa(OH) . CHj . COaH .
CH,(0H).CH,C1 > CH,(OH).CH,.CN ^
Darstellung von j?- Jodpropionsäure^: -Man lädst zu einer Mischung von
50 g Glycerin und 50 g Wasser, die sich in einem schmalen hohen Gefö^s befindet,
durch eine zur feinen Spitze ausgezogene Trichterröhre 50 g rauchende Salpetersäure
flicasen, sodass sich letztere als schwerere Flüssigkeitsschicht unten ansammelt und
erst allmählich im Laufe von Tagen sich mit der Glycerinlösuug mischt. Nun lässt
man 3 — 4 Tage in der Kälte stehen, verdampft darauf auf dem Wasserbad und erhält
80 einen von überschüssiger Salpetersäure freien Syrup, der neben anderen Produkten
reichlich Glycerinsäure (vgl. S. 774 — 775) enthält. Diese rohe Glycerinsäure wird mit
Walser zu einer Lösung vom spec. Gew. 1*26 aufgenommen; von dieser Lösung giebt
man Mengen von je 30 ccm zu einzelnen Portionen von Jodphosphor, die zuvor im
Beactionskolben aus je 50 g Jod und 6*5 g gelbem Phosphor bereitet sind. Die
Reaction tritt entweder von selbst ein oder wird durch gelindes Erwärmen eingeleitet,
verläuft dann anter stürmischer Entwickelang von Jodwasserstoff, den man ak
» Vgl. unter den Citaten zm- Tabelle 39 auf S. 718: Nr. 15, 17, 20, 31, 32, 34.
* Beilstein, Ann. 120, 226 (1861); 122, 366 (1B62). — Moldenhaueb, Ann. 131.
328 (1864). — KEKüLi, Ann. 131, 223 (1864). — v. Richter, Ztschr. Chem. 1868, 449.
— WiatiCBNüs, Ann. 166, 1 (1872). — Thomson, Ann. 200, 81 (1880). - Beckübts
/ u. Otto, Ber. 18, 224 (1885).
* ERLEMiCBTsa, Auu. 191, 284 Anm. (1877). — Rosenthal, Ann. 233, 16 (1886).
— V. Meybb, Ber. 19, 3294 (1886); 21, 24 (1888).
720 /?- und y-Halogenderivate der Propionsäure^ Butiers, u. VcUeriansäine.
Nebenprodukt von Wasser absorbiren lassen kann, und wird nach Ablauf der ersten
stürmischen Phase durch Srhitzen auf dem Wasserbade bis zum Aufhören der Jocl-
wasserstoftentwickelung zu Ende gefuhrt Beim Erkalten erhält man nun einen
Krystallanschuss von fast reiner ^-JodpropionBäure. — ^- Jodpro pion säure äthy I-
ester** CH, J • CHj • COj • C^Hj siedet unter geringer Zersetzung bei 198—202'» und
besitzt bei 15** das spcc. Gew, 1-679.
f^-Chiorproploiisäure«-'* CHjClCHj.COjH (Schmelzpunkt 41-5 •, Siedepunkt
203-205<>) und /^-Brompropionsäure^'^ CHjBrCHjCOjH (Schmelzpunkt 62-5*'i
können aus fi^ Jodpropionsäure durch Einwirkung von Chlor bezw. Brom, aus Hydrakiyl-
säure CH2(OH)-CU2*CO|H durch Erhitzen mit den Halogen wasserstoflsäuren, aus
Akrylsäure durch Addition von HalogenwasserstofF (vgl. S. 495 — 496), endlich au?
den entsprechenden Aldehyden, die bei der Addition der Halogen wasserstoffsäuren au
Akrole'in entstehen (vgl. S. 523j, durch Oxydation erhalten werden.
^-Halogrenderivate der normalen Bnttersänre^ /?- Jodbuttersäure CHa-
CHJ-CHg'COsH entsteht sowohl aus Crotonsäure wie ans Isocrotonsäure durch An-
lagerung von Jodwasserstoff (vgl. S. 499), krystallisirt schön, schmilzt niedrig, liefert
beim Kochen mit Wasser p^-Oxybuttersäure (vgl. S. 759), beim Kochen mit über-
schüssigen Alkalien feste Crotonsäure.
^-Halogrenderivat« der normalen Buttersinre* T'-Chlorbuttersäure^ CH,C1-
CHg-CH^.COjH (Schmelzpunkt + 10— 10-5^ »pec. Gew. l-250(10ö), in Wasser wenig
löslich) ist aus Trimethylenchlorobromid erhalten:
CHsClCHjCHjBr - >- CHsClCHjCHsCN > CH,C1.CH,.CH,.C0,H
und zerföUt bei der Destillation in Salzsäure und Butyrolacton. — y-Brombutter-
säure« CHaBr-CHgCH.-COaH (Schmelzpunkt 32— 33<>) und /-Jodbuttersäure'
CHaJ-CHa-CHj-CO^H (Schmelzpunkt 40— 41<>) sind aus Butyrolacton (vgl. S. 762. T6^;i
durch Addition von Brom- bezw. Jodwasserstoff gewonnen:
CH,.COv CHa-COOH
>0 H- HBr =
CH,.CH/ CHjCHjBr
T^-BromTaleriansäure» CHaCHBrCHaCHj.COjH (flüssig) entsteht sow.hl
aus Allylessigsäure wie aus Aethylidenpropionsäure durch Addition von Brumwasser-
ötoff (vgl. S. 505)^ hieraus ergiebt sich ihre Constitution:
CHoiCHCHaCHs.COaH^^^
^ +HBr = CHaCHBr.CHj.CHi-COsH.
CH, . CH : ClI . CH, • COoH ^^
* WiSLicENus u. LiMPAcii, Ann. 192, 129 (1878). — FrrriG u. Wolfp, Ann. 216.
128 (1883). — Lewkowitsch, J. pr. [2] 20, 166 (1879). — Otto, Ber. 21, 97 (18S5>.
« Hejjry, J. pr. [2] 31, 126 (1885). • Lippmann, Ann. 129, 81 (1864).
* LiNNEMANN, Ann. 163, 95 (1872). — v. Richter, Ztschr. Chem. 1868, 450. -
Beckubts u. Otto, Ber. 18, 226, 846 Anm. (1885). — Lederek, J. pr. [2^^ 42, 3?4
(1890). — Emery, Ber. 24, 282 (1891).
^ Walden, Ztjäcbr. f. physik. Chem. 10, 650 (1892).
® Hemilian, Ann. 174, 324 (1874). — Fittio u, Alberti, Ber. 9, 1194 (18TH .
— Pinner, Ber. 12, 2056 (1879)^ 17, 2008 (1884). — Michael u. J^'keer, J. pr. ^2" 40,
95 (1889).
^ Henry, Compt. reiid. 101, 1158 (1885).
« Henry, Compt. reud. 102, 368 (1886).
® FiTTiG u. Messeksciimidt, Ann. 208, 94 (1881). — Fittio u. Frabnkeu Abu.
255, 30 (18.89).
Monoludogenderivate der Undecnjhäure y Stearinsäure^ Behensäure, 721
Eine Reihe von homologen ^-bromirten Säuren* ist durch Addition von
BromwasserstofF an die S. 507 — 508' besprochenen Homologen der Aethylidenpropion-
säure erhalten. Die Säuren stellen Oele dar und gehen durch Kochen mit Wasser
leicht in Lactone (vgl. S. 761) über.
Die durch Addition von Brom Wasserstoff und Jodwasserstoff an Undecylensäure
(S. 509 — 510) entstehenden Monohalogrenderivate der Undecylsäure ^ scheinen die
Structur CH8X'CHj-(CHj)8C02H zu besitzen, da die aus der Bromundecylsäure ge-
winnbare Dicarbonsäure ( Dekamethyl end icarbonsäure , vgl. S. 639, 678) ihrem Schmelz-
punkt nach in die Reihe der normalen Dicarbonsäureu gehört.
Monohalogrenderivat« der' Stearinsäure ° CigHsjXOg sind durch Anlagerung
der Halogenwasserstofi&äuren an gewöhnliche Oolsäure, £laidinsäure und IsoÖlsäure
(vgl. S. 511 — 514) erhalten; aus Oolsäure und Kla'idinsäure entstehen identische, aus
Isoölsäure davon verschiedene Produkte.
Monochlorbehensäure * CgaH^aCK), (Schmelzpunkt 38 ^} entsteht aus Erucasäure
und Brassidinsäure durch Salzsäureanlagerung.
Dihalogeuderivate der Essigsäiirehomologen.
Bihalog'enderivate der Propionsliare können in drei isomeren Formen vor-
kommen.
1. «,-Derivate CHs • CX, • CO^H . — 2. a-/9-Derivate CHsXCHX.COaH. --
3. (jf^-Derivate CHX, • CH» • CO^H .
Das Bromderivat der ersten Form ist durch directe ILilogenirung von Propionsäure
(vgl. S. 711), das Chlorderivat durch Chlorirung von Propionitril und Verseifung des
eutstehenden «2 " l^ichlorpropionitrils CHgCCla'CN erhalten. Die entsprechenden
«-^Derivate gewinnt man aus dem Allylalkohol (S. 480) oder aus dem Akrolei'n
fS. 523) durch Addition von Ilalogen und Oxydation der Additionsprodukte:
CH,.
1
OH
CH,.OH
CH
1'
.1
>
CHBr
1
CO. OH
CH,
CHaBr
1
(JHBr
CHO
1
CHO
1
CHjBr
CH
1 ■
>-•
CHBr
CH,
CII.,Br
«-^Dichlorpropionsäure ist auch aus Glycerinsäure CH2(OIl)CH(OH)-C02H durch
Einwirkung von Phosphorpentachlorid oder durch Erhitzen mit Salzsäure erhalten.
jVDichlorpropionsÄure ist aus j^-Chlorakrylsäure CHCliCH'CO^H durch Anlagerung
von Chlorwasserstoff gewonnen.
* Frrriou. Hjelt, Ann. 208, 67 (1881). — Hjelt, Ber. 15, 617 (1882). — Fittig
n. ScHKEEOANS, Auü. 227, 92 (1885). — FittIq u. A., Ann. 255, 64, 79, 93, 105 (1889).
» Brunneb, Ber. 19, 2226 (1886). — Noerdlinqer, Ber. 23, 2357 (1890).
* M. u. A. Saytzew, Ber. 19c, 20, 541 (1886). J. pr. [2| 37, 276 (1888). —
PioTBOWSKi, Ber. 23, 2532 (1890).
* LiEBERMANN u. Elpeld, Bcr. 23, 2533 .Anm. (1890).
V. MxYXB u, Jacobson, org. Cliem. I. 46
722 Dichlorpropionsäuren und IXbrompropionsäuren,
«s-Dichlorpropionsäure* CPIj-CClj-COjH ist eine bei 185—190® siedende
Flüssigkeit, in Wasser leicht, in concentrirter Salzsäure nicht löslich ; beim Erwärmen
mit der berechneten Menge Silberoxyd (1 Mol. Ag,0 aaf 1 Mol. SSare) wird sie glatt
in Brenztraubensäure übergeführt, beim Erwärmen mit überschüssigem Silberoxjd
unter Abscheidung von Chlorsilber, metallischem Silber und Abspaltung von Kohlen-
säure zu Essigsäure oxydirt. — «j-Dibrompropionsäure* CHj-CBr^-COgH schmilzt
bei 61°, siedet bei 220 — 221° und liefert beim Erhitzen ihres Silbersalzes in wässriger
Lösung Brenztraubensäure; K = 8-3.
a-^- Dichlor Propionsäure* CHjCl • CHCl • COjH bildet kleine weisse Nadeln,
schmilzt bei 50° und siedet unter theilweiser Zersetzung bei 210°. — a-^Dibrom-
propionsäure^ CH^Br'CHBr-COsH zeigt bezüglich des Schmelzpunkts ähnliche
Verhältnisse wie die Chloressigsäure (S. 714), die durch die Existenz zweier Modi-
ficationen bedingt werden; die stabile Modification schmilzt bei 64°; ist sie über den
Schmelzpunkt erhitzt und wieder erstarrt, so beobachtet man den Schmelzpunkt 51 ^
n-^'Dibrompropionsäure siedet unter theilweiser Zersetzung zwischen 220 und 240^
und ist in Wasser äusserst leicht löslich; K = 0-67.
^j-Dichlorpropionsäure* CHClj • CH, • CO,H bildet farblose, leicht losliche
Prismen; der Aethylester siedet bei 171—175° und liefert beim Erhitzen mit
alkoholischer Kalilauge ^-Chlorakrylsäure CHCl : CH'COjH , während aus ot-^J-Dichlor-
propionsäure durch die gleiche Reaction «-Chlorakrylsäure CHjiCCl-COjH ge
bildet wird.
Unter den Dihalogenderivaten der Essigsänrehomologen bieten vom Standponkr
der stereochemischen Theorie erhebliches Interesse diejenigen SSaren, welche
durch Halogenaddition an stereoisomere, einbasisehe, ungresSttigte SSaren ent-
stehen. Dem ersten Fall dieser Art begegnen wir bei der Addition der Halogenie
an Crotonsäure und Isocrotonsäure:
CH3 . CH : CH . CO2H + Clj = CHg • CHCl • CHCl • CO,H ;
es fragt sich, ob die beiden Säuren identische oder verschiedene Additionsproduktf
liefern werden. Derartige Fragen bieten sich sehr häufig dar, wenn es sich um den
Uebergang stereoisomerer ungesättigter Verbindungen in gesättigte Verbindungen mit
unsymmetrischen Rohlenstofiatomen handelt. Die Verhältnisse liegen vom Standpunkt
der Theorie aus in allen solchen Fällen ähnlich; um sie zu illustriren, seien für da^-
gerade vorliegende Beispiel, das uns zum ersten Mal Gelegenheit zur Erörterang
* Otto, Ann. 116, 195 (1860); 132, 181 (1864). Ber. 23, 836 (1890). — Bbckükt^
u. Otto, Ber. 9, 1593, 1877 (1876); 10, 263, 264 (1877); 11, 386 (1878); 18. 227
(1885). — Otto u. Voigt, J. pr. [2] 36, 78 (1887). — Tkögek, J. pr. [2] 46, 353 (1892i
* Friedel u. Machüca, Ann. Suppl. 2, 72 (1861). — Philippi u. Tollens, Ann.
171, 315, 333 (1874). — Beckurts u. Otto, Ber. 18, 235 (1885). — Walpen, Ztschr.
f. physik. Chem. 10, 651 (1892).
' WicHEUiAüs, Ann. 135, 253 (1865). — VVebiqo u. Okulitsch, Ann. 167, 49
(1873). — Weriqo u. Werner, Ann 170, 163 (1873). — Webioo u. Tasatar, Ann.
174, 367 (1874). — Henry, Ber. 7, 414 (1874). — Werigo u. Melikoff, Ber. 10.
1500 (1877); 12, 178 (1879).
* Münder u. Tollens, Ann. 167, 222*(1873). — Caspary u. Tollens, ebenda.
240. — Philippi u. Tollens, Ann. 171, 337 (1874). — Linnbmann u. Penl, Ber. 8.
1098 (1875). — Tollens, ebenda, 1448, 1452. — Zotta, Ann. 192, 102 (1878). -
Mauthneru. Suida, Monatsh. 2, 115 (1881). — Beckurts u. Otto, Ber. 18, 236(18bOi.
— Weger, Ann. 221, 84 (1883). — Michael u. Schulthes.s, J. pr. |2] 48, 589 (1891 .
— Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 651 (1892).
* Otto u. Fromme, Ann. 239, 257 (1887).
Halogenaddition an stereoisomere Säuren der Oelsäurereihe, 723
derartiger Fragen bietet, vor Besprechung der Beobachtangen zunächst die Gonse-
quenzen der Theorie entwickelt.
o-^- Dichlor- bezw. a-^-Dibrombuttersäure enthalten zwei ungleichartig
asymmetrische Rohlenstoffatome (mit * bezeichnet):
CHaCHClCHCl.COjH;
in Bezug auf jedes einzelne dieser Kohlenstoffatome kann die Anordnung der mit
ihm verbundenen Gruppen entweder derart sein, dass dadurch Rechtsdrehung der
Schwingungsebene des polarisirten Lichtstrahls bewirkt wird, oder umgekehrt derart,
dass ebenso starke Linksdrehung hervorgebracht wird. Für den optischen Charakter
des Gesammtmolecnls ergeben sich daraus nun vier Möglichkeiten; die beiden
asymmetrischen Kohlenstoffatome können rechtsdrehend oder umgekehrt beide links-
drehend wirken, ihren Einfluss also gegenseitig im einen oder im andern Sinne
verstärken:
{r.j CfH.Cl.COjH) |1.| C(H.C1.C0,H)
{r.J C(H.Cl.CHs) * {L| CCH-Cl-CHa)
andererseits können sich beide Systeme entgegen wirken, und da sie ihrer Ungleich-
artigkeit wegen verschieden stark wirken, so wird die optische Activität auch bei
solcher Anordnung nicht, wie bei Verbindungen mit zwei gleichartig asymmetrischen
Kohlenstoffatomen (vgl. S. 668—669), aufgehoben werden; vielmehr wird der optische
Charakter des Gesammtmolecüls durch die Differenz in der optischen Wirkung der
beiden asymmetrischen Hälften bedingt werden; diese Differenz kann sich wieder ent-
weder in rechtsdrehendem oder in linksdrehendem Sinne geltend machen:
{r.j C(H.C1.C0,H) {1.! C(H-C1.C0»H)
3. I 4. '
11.} ÖCH-Cl-CHs) ' {r.} C(H.C1.CH,)
Es ergiebt sich demnach die Existenzmöglichkeit von vier optisch isomeren Modi-
ficationen, die in zwei Paare zerfallen; das eine Paar besteht aus den beiden stark
drehenden Summenmodificationen (Nr. 1 u. 2), das zweite aus den beiden schwächer
activen Differenzmodificationen (Nr. 3 u. 4). Jedem Paar wird fernerhin eine inactive
Modification entsprechen, die durch die Vereinigung der beiden optischen Antipoden
zu Stande kommt; und diese beiden inactiven Modificationen sind es, welche wir
zunächst bei synthetischen Processen, die ja niemals direct optisch active Substanzen
liefern (vgl. S. 82 — 83), zu erwarten haben.
Wenn nun die feste Crotonsäure:
CH, H
V
Y
COjH Ü
zwei Halogenatome addirt, so ist es gleich wahrscheinlich, dass die Lösung der
Doppelbindung an der mit a oder an der mit b bezeichneten Stelle eintritt; es
werden daher die beiden Configurationen-
46*
724
Theorie der Halogenaddition an stereoisomere
I.
CIL
II.
CH,
Cl-
Cl
H
H
H
CO,H
H —
-Cl
-Gl
CO.H
die man leicht als einander enantiomorph erkennt, in gleichen Mengen entstehen.
Ebenso werden sich aus Isocrotonsäure :
CH3 H
\ /
Y
/\
/ \
< >
H bo,H
die beiden Configurationen:
III. CHa
IV.
CH,
Cl—
Cl
— H
H
COjH
CO,H
Cl
-Cl
H
H
die unter einander wieder enantiomorph, aber von I und TI durchaus verschieden
sind, in gleichen Mengen bilden. D. h.: Wir haben aus jeder Säure durch
Aufnahme von zwei Halogenatomen die Entstehung einer anderen in-
activen Dihalogenbuttersäure zu erwarten; jedes der beiden von ein-
ander verschiedenen Additionsprodukte ist aufzufassen als eine mole-
culare Verbindung von zwei optisch entgegengesetzten, im übrigen
identischen Substanzen; die activen Componentön der inactiven Modi-
ficationen sind aber in jedem einzelnen der beiden F&lle von einander
verschieden.
Durch den Uebergang der Doppelbindung in die einfache Bindung wird nun
allerdings nach unseren Anschauungen die freie Drehbarkeit der beiden asymmetrischen
Systeme um die ihre Centren verbindende Axe ermöglicht; allein man kann sich
leicht überzeugen, dass jede beliebige Drehung dieser Art nichts an der Ver-
schiedenheit der vier Configurationen von einander ftndert-. Eine solche Drehung
wird indess im Sinne der Wislicenus sehen Theorie (S. 84 — 85) nach der Addition
der Ilalogcnatome stattfinden; denn die unmittelbar nach der Addition gebildeten
Configurationen (s. oben) sind offenbar „uubegünstigt", da sich stets die einander ab-
stossenden Halogenatome über einander befinden, und es wird daher durch die richtenden
Kräfte innerhalb jedes Molecüls die Herstellung der „begünstigten** Configaratiou
bewirkt werden, welche für die einzelnen Modificationen durch die folgenden Baom-
formein wiedergegeben werden kann:
Säuren der Oelsäurereihe, 725
la. II IIa. H
CH, 1- Cl Cl -CH,
ci-
H
60jH
Cl
H
-CH3
Cl
- - COo]
II
-Cl
H H
CH«
oder
CO.H CO,II
- Cl
CO,H
Illa. Cl IVa. Cl
i
CH3- -H
t i
CO,H Cl
I
H II
Wenn man nun, von diesen begünstigten Configurationen ausgehend, den Process
räumlich verfolgt, der durch die Sti-ucturgleichung:
Cllg . CHCl . CHCl . CO2H - HCl --= CH3 . CH : CCl • CO^H
ausgedrückt wird, d. h. also die Bildung eines n-Halogensubstitutionsprodukts der
Crotonsäuren durch Halogen wasserstoffabspaltung aus den Dihalogcnadditionsprodukteny
— so gelangt man zu interessanten Folgerungen. Das Produkt nämlich, welches aus
den (,'onfigurationen la und IIa — also aus den Additionsprodukten der festen Croton-
säure — entsteht, muss die Configuration :
CH, -
I I
^^^^^^^^^^^^^^^^ ^^^^^ ^— ^^^ -^ — _ _. _ _. . . _
identisch
besitzen, also ein Derivat der Isocrotonsäure sein. Umgekehrt muss dem aus den
Configurationen Illa ui«i IVa — den Additionsprodukten der Isocrotonsäure — ent-
stehenden Produkt die Configutation eines Derivats der Crotonsäure:
H CH3 CH3 - H
oder
Cl COJI ' CO.,H Cl
identisch
zukommen.
Die eben gezogenen Folgerungen sind übrigens von der Hypothese
der begiinstigten und unbegünstigten Configurationen unabhängig;
ohne das man die „richtenden Kräfte" innerhalb des Molecüls in Betracht zieht, ge-
langt man zu demselben Resultat, wenn man einfach die ursprünglich entstehenden
Configurationen (I — IV) durch Drehung in diejenigen Configurationen (la -IVa) über-
führt in welchen überhaupt der Process:
CH3 . CHCl . CHCl . CO2H - HCl = CH3 . CH : CCl • CO^H
infolge der Superposition der austretenden Atome möglich erscheint.
Wenn man ferner den durch die Structurgleichung :
CH3.CHCl.CHCl.CO5H - 2HC1 = CHaCrCCOjH
ausgedrückten Process — d. h. also die Bildung von Tetrolsäure durch Abspaltung von
2 Mol. Halogen Wasserstoff aus den Halogenadditionsprodukten der Crotonsäuren —räum-
lich verfolgt, so ergiebt sich wieder ein bemerkenswerther Unterschied zwischen den Con-
figurationen I und II einerseits, III und IV andererseits. Die beiden letzteren können
durch Drehung in die Configurationen Illa und IVa übergeführt werden, welche die bei-
den Chloratome und die beiden Wasserstoffatome derart über einander gestellt enthalten.
726 Addition von Chlor und Brom an Orotonsäure tmd
dass dem Austritt von 2 Mol. Chlorwasserstoff durch die räumliche Anordnung kein
Hindemiss erwächst. Hingegen enthält unter allen beliebigen Configurationen, welche
aus den Configurationen I und II durch Drehung um die Aze entstehen können, kme
einzige die Superposition der Atome Wasserstoff und Chlor, die mit einander austreten
sollen, zweimal; die Configurationen I und II also sind dem Austritt von 2 Mol. Chlor-
wasserstoff bei weitem nicht so günstig*, wie die Configurationen III und IV.
Diese Betrachtungen fuhren uns also zu den Folgerungen:
1. Crotonsäure und Isocrotonsäure sollten von einander yerschiedene Additiooä-
produkte mit den Halogenen bilden.
2. Spaltet man aus den Additionsprodukten das ^- Halogenatom mit dem
o-Wasserstoffätom als Halogen Wasserstoff ab, so müsste man von der Crotonsäure zu
einem Substitutionsprodukt der Isocrotonsäure, umgekehrt von der Isocrotonsäure zo
einem solchen der Crotonsäure gelangen.
3. Die Additionsprodukte der Isocrotonsäure sollten leichter in TetroLsäure
überfuhrbar sein, als diejenigen der Crotonsäure.
Diese Folgerungen gelten natürlich nicht allein für die Crotonsäure und Iso-
crotonsäure, sondern es ergeben sich analoge Schlüsse für alle Säuren, deren Isomerie
auf die gleiche Ui*sache zurückgeführt wird (vgl. S. 734—736 die aus Fumar- and
Maleinsäure entstehenden Halogenderivate der Bemsteinsäure). Sie mögen nun zu-
nächst mit dem experimentell gesammelten Material verglichen werden, das über die
Additionsprodukte der beiden Crotonsäuren mit den Halogenen' vorließ.
Voraus muss bemerkt werden, dass die Beobachtungen verschiedener Forscher aber
diesen Gegenstand häufig zu abweichenden Ergebnissen geführt haben. Es ist dies
theilweise darin begründet, dass scheinbar geringfügige Aenderungen der Versnchs-
bedingungen den Verlauf der Versuche wesentlich beeinflussen. Auch compliciren
sich die Verhältnisse in diesem Falle dadurch, dass man für die Einheitlichkeit der
nicht krystallisirbaren und äusserst labilen Isocrotonsäure keine sicheren Merkmale
hat. Bei den älteren Versuchen ist zweifellos ein Präparat angewendet, das noch
feste Crotonsäure enthielt; für die^ neueren Versuche, deren Ergebniss unten angeführt
ist, wurden Präparate benutzt, die mit grösster Sorgfalt von fester Crotonsäure befreit
wurden, aber, wie aus den unten folgenden Angaben erhellt, doch nisht ein mit der
Theorie präcise übereinstimmendes Verhalten zeigen. Wesentlich auf Grund dieser
mangelhaften Uebereinstimmung mit den Folgerungen der Theorie stellt neuerdings
J. Ad. WiSLicENüs die Hypothese auf, die bisher erhaltene reinst« „Isocrotonsäure" sei
eine Molecularverbindung von fester Crotonsäure mit der in reinem Zustand noch
unbekannten eis - trans - ß- Methylakry Isäure.
Feste Crotonsäure liefert, in Schwefelkohlenstofflösung oder in Tetrachlorkohlen-
stofflösung mit Chlor bei niederer Temperatur behandelt, der Hauptmenge nach eine
a-^-Dichlorbuttersäure (Crotonsäuredichlorür), die grosse farblose prisma-
tische Kry stalle darstellt, bei 63^ schmilzt, unter 20 mm Druck unzersetzt bei 124-5^
^ Vorausgesetzt ist bei dieser Entwickeiung, dass der Austritt von Halogen-
wasserstoff st«ts durch Entnahme der beiden Atome je eines Halogenwasserstoff-Moleküls
von zwei verschiedenen Kohlenstoffätomen, nicht von einem Kohlenstoffatom erfolgt.
* KöBNER, Ann. 137, 234 (1866). — Michael u. Norton, Jb. 1880, 790. -
C. KoLBE, J. pr. [2] 25, 369 (1882). — Erlenmeyer u. Müller, Ber. 15, 49 (1882). -
Melikofp, Ann. 234, 201 (1886). — Michael u. Browne, J. pr. [2] 36, 257; 36, 174
(1887). — WiSLicENUs, Ber. 20, 1008 (1887). Ann. 248, 281 (1888). — Palmkr, Ber.
22c, 495 (1889). — Michael u. Schulthess, J. pr. [2] 43, 590 (1891); 46, 236 (1892».
— Lippmann, Monatsh. 12, 407 (1891). — Melikoff u. Petrenko-Erischenko, Ann. 266,
372 (1891). — H. Abbott Michael, J. pr. [2] 46, 272 (1892). — J. An. Wislicbkts,
Inaug. -Dissertation, Leipzig 1892.
Isocrotonsävre (a-ß-Dichlor^ bezw, a-ß-Dibrombuitersäuren). 727
äiedet und durch Wasser leicht verflüssigt wird; durch Einwirkung von kaltem
Alkali auf die durch Krjstallisation gereinigte Säure erhält man ein Gemisch von
ca. 16Vo a-Chlorcrotonsäure und 84*/o a-Chlorisocrotonsäure, durch Einwirkung von
kaltem Alkali auf das rohe Chloradditionsprodukt der Crotonsäure ein Gemisch von
etwa 26*/o n-ChiorcrotonsÄure und 74% a-ChlorisocrotonsÄure. — Isocrotonsäure, in
Chloroform- oder Tetrachlorkohlenstofflösung mit Chlor im Sonnenlicht behandelt,
liefert ein Additionsprodukt, das zum grossen Theil aus derselben a-^Dichlorbutter-
säure besteht. Dagegen erhält man eine stereoisomere n-^-Dichlorbuttersäure
(Isocrotonsäuredichlorür) durch Erhitzen von a-Chlorcrotonsäure mit Salzsäure:
CH, . CH : CCl . COjH + HCl = CHj • CHCl • CHCl • CO>H ;
sie krystallisirt in Prismen, schmilzt bei 78®, siedet unter 20 mm Druck bei 131-5®
und giebt durch Zersetzung mit Alkalien fast ausschliesslich a-Chlorcrotonsäure.
Bei der Addition von Brom zu fester Crotonsäure in Tetrachlorkohlenstofflösung
oder Schwefelkohlenstofflösung erhält man a-^-Dibrombuttersäure (Croton-
säuredibromür) vom Schmelzpunkt 89®, die, mit Alkalien zersetzt, neben -geringen
Mengen von a-Bromcrotonsäure mehr als 90®/^ a-Bromisocrotonsäure liefert Bei der
Addition von Brom zu Isocrotonsäure im Sonnenlicht erhält man fast ausschliesslich
das gleiche Additionsprodukt wie aus fester Crotonsäure (vgl. S. 728—729 die Versuche
mit Angelicasäure und Tiglinsäure); fuhrt man aber die Addition im Dunkeln aus,
äo entsteht ein Produkt, aus welchem eine andere krjstallisirbare, zerfliessliche Di-
brombuttersäure vom Schmelzpunkt 57 • 5® isolirt werden kann; dieses Isocrotonsäure-
d ihr 0 mär (von J. An. Wislicenus als Molecularverbindung von Crotonsäuredibromür
und eigentlichem Isocrotonsäuredibromür angesehen) liefert nun bei der Zersetzung
mit Alkalien Bromerotonsäure und Bromisocrotonsäure zu etwa gleichen Theilen.
Es erhellt aus diesen Beobachtungen, dass die S. 724 — 726 gezogenen Folgerungen
nur theilweise mit dem experimentellen Befund übereinstimmen. Die Consequenzen der
Theorie werden bestätigt, so weit die Anzahl der Isomeren in Betracht kommt;
dagegen werden sie hier, wie in vielen anderen Fällen, zum Theil nicht bestätigt, wenn
wir das Verhalten der Raumisomeren bei chemischen Reactionen verfolgen.
Der auf Grund der Theorie für die eine Säure erwartete Process tritt fast niemals
ausschliesslich ein, sondern wird meist von dem für die isomere Säure erwarteten
Process begleitet, ja in einigen Fällen von dem letzteren überwuchert. Nun mögen
zwar im vorliegenden Falle die abweichenden Versuchsergebnisse bis zu einem ge-
wissen Grade auf die Nichteinheitlichkeit der „Isocrotonsäure'^ zurückzuführen sein;
allein diese Erklärung ist auf analoge Fälle — vgl. Maleinsäure bezw. Dichlor-
hernsteinsäure S. 736, Citraconsäure bezw. Citradichlorbrenzweinsäure S. 739 — , in
denen ebenfalls die Versuche nicht präcise mit jenen Folgerungen der Theorie
übereinstimmen, doch wohl kaum anwendbar. Derartige Erfahrungen brauchen
indess keineswegs so aufgefasst zu werden, als ob sie den Werth unserer An-
^ehauungen über die räumliche Gruppirung der Atome herabzusetzen * geeignet
wären. Man könnte im Gegentheil die mangelhafte Uebereinstimmung solcher
Folgerungen, wie sie auf S. 724—726 gezogen wurden, mit den Versuclisresultateii
voraussagen. Wir erblicken ja gerade einen charakteristischen Unterschied zwi-
tK-hen Raumisomerie und Structurisomerie in dem Umstand, dass Raumisomere
durch allerlei Einflüsse — Wärme, Gegenwart gewisser fremder Stoffe etc. —
leicht und glatt in einander übergehen, während bei Structurisomeren eine glatte
Umwandlung in einander nur selten herbeigeführt werden kann. Eine Veränderung-
in der gegenseitigen Lage der an einem und demselben Kohlenstoffatom be-
findlichen Atome oder Radicale kann offenbar durch Ursachen von bedeutend ge-
> Michael, J. pr. [21 46, 400, 424 (1892).
728 Additon von Brom an Ängdieaaäure u, Tiglvisäure.
ringerer Inteusität herbeigeführt werden, als eine Gruppirungsverftndening, die dee
Transports eines Substituenten von einem Kohlenstoffatom zu einem anderen bedarf.
Dass gerade in dem Moment der chemischen Reaction die Schwingungen der einzelnen
Atome um ihre Gleichgewichtslage eine hohe Amplitude erreichen, wodurch einzelne
Atome oder Gruppen besonders leicht mit ihren unmittelbaren Nachbarn die Plätze
tausclien ', erscheint nicht auffällig, sondern durchaus plausibel (vgl. die Anschauungen
von Skraup, S. 686). Wenn man sich den Uebergang der Maleinsäure in Fumars&ure
durch Brom Wasserstoff, der Maleinsäureester in Fumarsäureester durch Jod (S. 685), der
Citraconsäure in Mesaconsäure durch Brom (S. 690) und zahlreiche ähnliche Fälle ver-
gegenwärtigt, so wird man sich nicht darüber wundern, dass Isocrotonsäure bei dir
Addition von Halogenen grosse Mengen desjenigen Produkts liefert, welches der
stereoisomeren festen Crotonsäure entspricht. Ergiebt sich doch aus zahlreichen Bt-
obachtungen, wie leicht gerade die Halogene und Halogenwasserstoffsfiuren den Ueber-
gang von Raumisomeren in einander veranlassen.
Bei Erwägungen, wie sie S. 723 — 725 angestellt wurden, ist vorausgesetzt, dass
diejenigen Theile eines Moleeüls, welche im Sinne unserer Gleichungen nicht un-
mittelbar von der Reaction betroffen werden, ihren Bewegungszustand während der
Reaction nicht bis zum Aufsuchen anderer Gleicligewichtslagen steigern. Wenn in
gewissem Fällen die Resultate der Erwägungen nicht mit den Resultaten des Ver-
suches übereinstimmen, so wird dadurch die Unrichtigkeit jener Voraussetzung für dieso
Fälle bewiesen. Namentlich bei solchen Reactionen, durch welche Halogenatome an
ungesättigte Verbindungen adilirt werden oder diesen Additionsprodukten durch Ein-
wirkung von Zinkstaub (vgl. S. 736, 739) wieder entzogen werden, femer bei Reactionen,
durch welche Halogenatome gegen Wasserstoff (vgl. S. 732, 737) oder Hydroxyl
(vgl. S. 812—813) ausgetauscht werden, scheint diese Voraussetzung nicht zuzutreffen.
Als ein für die Entwickelung der Stereochemie bedeutungsvolles Problem, das vielleicht
durch ausgedehnte Expcrimentalforschungen zu lösen ist, ergiebt sich die Aufsuchung
von Reactionen oder Reactionsbedlngungen, unter denen sich jene Voraussetzung
möglichst allgemein bestätigt; dass es derartige Reactionsbedlngungen giebt, zeigen
die Erfolge, die bei der Anwendung der stereochemischen Theorie in der Zucker-
gruppe erzielt sind (vgl. Kap. 35).
. Wie sehr bei Verbindungen, die sich leicht in Stereoisomere umlagern, der
Verlauf einer und derselben Reaction durch äussere Bedingungen beinflusst wird,
hat sich neuerdings in besonders schlagender Weise bei Untersuchungen über die
Addition von Brom an Angelicasäure und Tiglinsäure' gezeigt. Es wurde
schon S. 506 darauf hingewiesen, dass diese beiden Säuren wahrscheinlich in dem-
selben Verhältniss zu einander stehen, wie Crotonsäure und Isocrotonsäure: im Sinne
der stereochemischen Theorie sollte dann jeder Säure ein selbständiges Dibromid
entsprechen. Nun liefert Tiglinsäure, wenn man ihre Schwefelkohlenstofflösung zu
überschüssigem Brom unter Kühlung und im Dunkeln zugicbt, sehr glatt eine leicht
krystallisirbare, bei 87-5 — 87 «6® schmelzende Dibromvaleriansäure CHj-CHBr-
CBr(CH8 ) • COgH (Tiglinsäuredibromür). Angelicajsäure liefert unter den gleichen
Bedingungen glatt eine sehr schwer krystallisirbare Säure, welche nach passender
Reinigung zwar fast genau den gleichen Schmelzpunkt (86*5 — 87 •) zeigt, aber be-
stimmt von dem Tiglinsäuredibromür verschieden ist (Angelicasäuredibromüri:
während nämlich Tiglinsäurebromür, mit Wasser Übergossen, fest bleibt, wird Angelica-
* Vgl. Baeyer, Ann. 245, 136 (1888). — Auwers u. Kaüffmann, Ber. 25.
3228 (1892).
* Jaffa, Ann. 135, 293 (1865). — PAGENSTEruER, Ann. 196, 122 (1879). —
WisLiCENus u. PCCKERT, Ann. 250, 240 (1888). — Fittio, Ann. 259, 12 (1890); 273,
127 (1892). — WisucENüs, Ann. 272, 1 (1892).
Addition der Halogene an Erucasäure und Brassidinsäure, 729
säurebromür durch wenig Wasser schon zu einem Oel verflüssigt; Angelicasäurebromür
ist femer krystallographisch vom Tiglinsäurebromür verachieden und in allen Lösungs-
mitteln bedeutend leichter löslich; so lösen z. B. 100 Th. Schwefelkohlenstoff bei 3°
315 Th. Angelicasäuredibromür, aber nur 45 Th. Tiglinsäuredibron^ür. Unter den
obigen Additionsbedingungen also liefert in der That jede Säure der Theorie ent-
sprechend ein selbständiges und einheitliches Dibromid. Wenn man aber die Ad-
dition bei stärkerer Belichtung, bei höherer Temperatur oder derart ausfuhrt, dass
während der Addition nicht das Brom, sondern die Säure im Ueberschuss vorhanden
ist, so erhält man aus Tiglinsäure neben Tiglinsäuredibromür zwar nicht bedeutende
aber doch nachweisbare Mengen Angelicasäuredibromür, aus Angelicasäure dagegen
so grosse Mengen von Tiglinsäuredibromür, dass das letztere abnorme Reactionsprodukt
unter Umständen das Hauptprodukt werden kann *. Fertiges Angelicasäuredibromür wird
übrigens durch mehrmonatliche Belichtung seiner Lösung nicht in Tiglinsäuredibromür
übergeführt; der Grund für die anormale Entstehung von Tiglinsäuredibromid aus
Angelicasäure muss demnach gerade während des Additionsprocesses von Brom an
die Säure wirksam sein.
Wenn wir nun den im Sinne der stereochemischen Theorie theilweise abnormen
Verlauf solcher Reactionen auf eine im Moment der Reaction in Folge der Steigerung
der intramolecularen Bewegungen eintretende Veränderung der räumlichen Atom-
gruppirung zurückführen (vgl. S. 728), so werden wir erwarten, dass in denjenigen
Fällen, wo ein solcher Platzwechsel die Verschiebung complexer und daher schwerer
beweglicher Gruppen erfordern würde, der wirkliche Reactionsverlauf in präciserer
Weise jenen Folgerungen der Theorie, die ohne Rücksicht auf etwa während der
Reaction eintretende Gruppirungsänderungen gezogen werden, entsprechen wird.
Nun ist schon bei Besprechung der höheren Glieder der Oelsäurereihe S. 513 — 514
angedeutet worden, daSs wir die Isomerie zwischen Oelsäure und Elaidinsäure und
zwischen Erucasäure und Brassidinsäure vielleicht in ähnlicher Weise zu erklären
haben, wie diejenige der beiden Crotonsäuren. Für die Halogenadditionsprodukte
der Erucasäure und Brassidinsäure* sind nun neuerdings die drei auf S. 7^6 zu-
sammengestellten Forderungen der Theorie als durchaus zutreffend nachgewiesen worden.
1. Erucasäure giebt ein bei 46° schmelzendes, Brassidinsäure ein bei 65**
schmelzendes Dichlorid (Dichlorbehensäuren); das Dibromid aus Erucasäure
schmilzt bei 42— 43°, dasjenige aus Brassidinsäure bei 54° (Dibrombehensäuren).
Diese Additionsprodukte erweisen sich auch dadurch als chemische Individuen, dass
bei der Behandlung mit Natriumamalgam in alkoholischer Lösung aus denjenigen
der Erucasäure fast glatt Erucasäure, aus denjenigen der Brassidinsäure umgekehrt
Brassidinsäure zurückgebildet wird.
2. Die Additionsprodukte der Erucasäure werden durch alkoholisches Kali bei
120° in monohalogenirte ungesättigte Säuren übergeführt, welche bei der Ent-
halogenirung durch Natrium in alkoholischer Lösung Brassidinsäure liefern, demnach
Substitutionsprodukte der Brassidinsäure sind. Umgekehrt entstehen aus den Ad-
ditionsprodukten der Brassidinsäure monohalogenirte Säuren, die sich durch die gleiche
Reaction als Derivate der Elrucasäure zu erkennen geben.
3. Erucasäure-dichlorid und -dibromid geben bei 150 — 170° mit alkoholischem Kali
fast quantitativ Behenolsäure (S. 519J, Brassidinsäure- dichlorid und -dibromid bei der-
selben Temperatur keine Behenolsäure, sondern Monochlor- bezw. Monobromerucasäure.
* Daher findet sich S. 506 auf Grund der älteren, seit dem Druck jener Seite
durch WiSLicENcs berichtigten Arbeiten die Angabe, dass Angelicasäure und Tiglin-
säure das gleiche Dibromid liefern.
* Otto, Ann. 135, 226 (1865). — Hausknecht, Ann. 143, 40 (1867). — Holt,
'Ber. 24, 4120 (1891); 26, 961 (1892).
730 Tetrabromstearinsäure, Hexabromstearinsäure,
Unabhängig von der Stellung der Doppelbindung können Erucasäure and
Brassidinsäure, wenn man ihnen gleiche Structur beilegt, durch die Formel:
C'nHjn + i — CH : CH — Cjo—n^SQ— tn^s
X Y
ausgedrückt werden; ihre Raumformeln sind dann unter Berücksichtigung des Um-
stAuds, dass Brassidinsäure als stabilere Säure der festen Crotonsäure entspricht, dass
MoBobrombrassidinsäure durch Anlagerung von Bromwasserstoff an Behenolsäare
entsteht, femer auf Grund des eben sub 3 angegebenen Verhaltens in folgender
Weise zu schreiben:
H— - -X X H
H ' Y H— - ' Y
Brassidinsäure Erucasäure.
Die unter 1. und 2. mitgetheilten Thatsachen würden sich freilich auch durch
die Annahme erklären lassen, dass die beiden Säuren die Doppelbindung um ein
Glied gegen einander verschoben enthalten, z. B. :
CHj - CH = CH COjH : Erucasäure,
CH, - CHBr - CHBr .... CO^H : Erucasäuredibroraid,
CH = CH - CHBr CO,H : Brombrassidinsäure ;
CH = CH - CH, CO,H : Brassidinsäure,
CHBr - CHBr - CH, .... CO,H : Brassidinsäuredibromid
CHBr - CH = CH CO,H : Bromerucasäure.
id, 1
Aber diese Formeln würden die so prägnante Ungleichheit in der Widerstands-
fähigkeit der beiden isomeren Additionsprodukte gegen die Entziehung von 2 Mol.
Halogenwasserstoff unerklärt lassen.
Durch die vollständige Uebereinstimmung zwischen Theorie und Erfahrung in
der Chemie der von der Erucasäure und Brassidinsäure sich ableitenden Halogen-
derivate wird die Auffassung dieser Säuren als Stereoisomere mithin höchst wahr-
scheinlich.
Polyhalogenderivate der Essigsäurehomologen.
Erwähnenswerth sind die bromirten Stearinsäuren, welche aus den trocknen-
den Oelsäuren (S. 520—521) durch Bromaddition entstehen und für die Erkenntnis«
der Zusammensetzung dieser Säuren Bedeutung besitzen*. TetrabromsteariiisSure '
Ci8H82Br402 (Linolsäurctetrabromid) schmilzt bei 114—1150, Hexabrom-
stearinsäure CigHgoBreO, (Linolensäuretetrabromid) bei 177°.
II. Halogenderlvate der einbasischen ungesättigten Säuren.
Diese Gruppe bietet besonders vom Standpunkt der stereochemischen Theorie
aus wieder interessante Probleme.
Das Anfangsglied der Reihe — die Akrylsäure — kann nach der Stmctur-
theorie zwei Reilien von Monohalogenderivat^n ^ liefern:
* Hazüra, Monatsh. 8, 147, 156, 260 (1887); 9, 120 (1888); 10. 194 (1889). -
' Vgl. auch Arnaud, Compt. rend. 114, 80 (1892).
' Werigo u. Werner, Ann. 170, 169 (1873).— Werigo u. Melikow, Ber. 10, 14yt*
(1877). — Wallach, Ann. 193, 28, 55 (1878); 203, 94 (1880). — Philippi u. ToiLBXf,
Ann. 171, 833 (1874). — Wagner u. Tollens, ebenda, 340. — Pixner u. Bischoff,
Ann. 179, 85 (1875). — Bandrowsky, Ber. 15, 2702 (1882). — Otto u, BECKrRTS,
Ber. 18, 239 (1885). — Michael, J. pr. [2] 36, 133 (1887). - Stoij:, Ber. 19, :^40
(1886). — Ono u. Fromme, Ann. 239, 257 (1887).
Monohcdogenderivate der Äkrylsäure. 731
CH, : CX . CO,H , CHX : CH • CO,H
«-Derivate "" /^-Derivate '
die stereochemisclie Theorie sieht ferner für die ^-Derivate zwei Configurationen voraus:
H-C-X X-C-H
H-C-CO,H H-Ö-COjH
deren gesonderte Existenz aber bisher noch nicht sicher nachgewiesen worde.
rt-Chlorakrylsäure CH, rCClCOjH (Schmelzpunkt 64~65<^) und a-Brom-
akrvlsäure CH, rCBr-COjH (Schmelzpunkt 69—70^) entstehen sowohl aus den
»,-Dihalogen-, wie aus den a-^-Dihalogenderivaten der Propionsäure (vgl. S. 721 — 722)
durch Abspaltung von Halogenwasserstoff und liefern bei der Wiederanlagerung von
Halogenwasserstoff a-^-Dihalogenpropionsäuren.
^•Chlorakrylsäure CHC1:CH-C0,H (Schmelzpunkt 84<>) und /?-Brom-
akrylsäure CHBr:CH-CO,H (Schmelzpunkt 115— 116<*) entstehen aus Chloralid
CClj^CHOv
I ^CH • CCI, bezw. aus Bromalid durch Koduction mit Zink und Salzsäure,
coo/
ferner aus Propiolsäure (S. 516 — 517) durch Anlagerung von Halogen Wasserstoff.
f^Chlorakrjlsäure giebt durch Salzsäureanlagerung /?2-Dichlorpropionsäure(S.721— 722).
Jodakrvlsänre CgHgJO, entsteht aus Propiolsäure durch Jodwasserstoff-
anlagerung; man erhält mit starker Jodwasserstoffsäure eine bei 65^ schmelzende, mit
verdünnter Jodwasserstofisäure eine bei 140° schmelzende Säure; die beiden Modi-
ficationen scheinen in einander iiberfuhrbar zu sein und entsprechen vielleicht den
boiden Configurationeh der |9-Jodakrylsäure (s. oben).
MonohalogenderiTate der GrotonsSuren. Für die Crotonsäure wie für die
Isocrotonsäure ergiebt sich auf Grund der S. 499 — 503 begründeten stereochemischen
Auffassung ihrer Isomerie die Existenzmöglichkeit je eines «- und eines ^- Halogen-
derivats :
1. H-C-CH3 2. CHg-C-H
C1-C-C0,H Cl-6-C0,H
r<-Chlorcrotonsäure n-Chlorisocrotonsäure
3. CI--C-CH3 4. CHg-C-Cl
H-C-CO,H H-C-CO,H
^Chlorcrotonsäure f*^-Chlorisocrontonsäure.
In der That sind vier isomere Chlorderivate der Cro tonsäuren bekannt, welche
das Chloratom in der «- bezw. p^-Stellung enthalten. Wie die /?-Chlordcrivate aus
dem Acetessigester entstehen, ist schon S. 498—499 auseinander gesetzt; ihre Bildungs-
weise garantirt die ^-Stellung der Chloratome; aus der Reduction zu Crotonsäure bezw.
Isocrotonsäure ergiebt sich für jede einzelne Säure die Configuration. Wie die «-Derivate
aus den Chloradditionsprodukten der Crotonsäure bezw. Isocrotonsäure sieh bilden, ist
ebenfalb schon besprochen (S. 500 u. 726—727); da ihrer Entstehung aus «-/9Dichlor-
buttersäure zufolge ihr Chloratom nur in der «- oder (^-Stellung sich befinden kann,
und da sie verschieden sind von den aus dem Acetessigester erhältlichen und daher
zweifellos in der ;^-Stellung substituirten Säuren, so fasst man sie als «-substituirte
Säuren auf. Entsprechend den S. 725 angestellten Erwägungen betrachtet man die
durch Zersetzung des Crotonsäuredichlorüi-s als Hauptprodukt entstehende Säure als
'«-(lilorisocrotonsäure, die aus Isoorotonsäuredichlorür fast ausschliesslich gebildete
Säure alt« «-Chlorcrotonsäure.
732 MonoMlogefuIerivate der Crotonsäuren,
Die Isomerie Verhältnisse der rx-Bromerotousäuren sind denen der entsprechenden
Chlorderivate analog.
Zu Gunsten der Kaumformeln, welche auf Grund dieser Schlüsse den einzelnen
Säuren zu ertheilen sind, können noch weitere Gründe angeführt werden. Es bildet
sieh nämlich di(f hiemach als i^-Chlorcrotonsäure aufzufassende Säure auch aus Tetrol- I
säure durch ChlorwasserstoflGanlagerung (vgl. S. 503), und sie geht durch Salzsäure-
abspaltung wieder leichter in Tetrolsäüre über, als die isomere ^-Chlorisocrotonsänre.
Es muss indessen hervorgehoben werden, dass die Auffassung der hier und im
Folgenden „ot-Chlorisocrotonsäure" und „«-Bromisocrotonsäure" genannten Säuren als
Abkömmlinge der Isocrotonsäurc bisher experimentell nicht sicher begründet ist
Während man auf Grund dieser Auffassung erwarten sollte, von den genannten
Siiuren durch Austausch von Halogen gegen Wasserstoff zur Isocrotonsäure zu ge-
langen, erhält man bei der Eeduetion mit Natriumamalgam in alkalischer Losung
glatt feste Crotonsäure; auch bei der Reduction in saurer Lösung wird feste Croton-
säure in grosser Menge gebildet ; ob daneben Isocrotonsäure entsteht, kann noch nicht
als sicher festgestellt gelten (vgl. übrigens das ähnlich merkwürdige Verhalten der
Brommalei'nsäure, S. 737).
Chlorderivate der Crotons äuren^ a-Chlorcrotonsäure — aus Isocroton-
säuredichlorür durch Einwirkung von Alkali (vgl. S. 727), ferner aus Butylchloral
CHg-CHCl-CClg-CHO durch Einwirkung von Ferrocyankalium und aus der durch
Oxydation des Butylchlorals entstehenden Trichlorbuttersäure durch Behandlung mit
Zinkstaub und Wasser erhältlich — bildet schmale Nadeln, schmilzt bei 99—99-5*,
siedet bei 212 <>, löst sich in 47 Th. Wasser von 19 ^ ist mit Wasserdampf flüchtig
und wird von conceutrirter Kalilauge erst bei etwa 200 '^ verändert, wobei tiefgreifende
Zersetzung eintritt. Ihr Kaliumsalz C+H^ClOgK bedarf bei 16- 5^ etwa 736 Th.
absoluten Alkohol zur Lösung. — «-Chlorisocrotonsäure — aus Crotonsäuredichlorür
durch Einwirkung von Alkali (vgl. S. 726—727) — bildet zarte Nadeln, schmilzt Wi
66—66-5«, löst sich in 15-3 Th. Wasser von 19°, ist mit Wasserdampf viel leichter
flüchtig, als die «-Chlorcrotonsäure, und geht in letztere Säure theilweise schon bei
der Destillation mit Wasserdampf, glatt durch zwölfständiges Erhitzen auf 150— ItJO**
über; ihr Kaliumsalz löst sich bei 16-5« schon in etwa 22 Th. absol. Alkohol
I^-Chlorcrotonsäure — aus Acetes-sigester vgl. S. 498 — 499, und aus Tetrolsäüre
durch Anlagerung von Chlorwasserstoff — bildet lange nadelförmige Krystalle, schmilzt
bei 94«, siedet unter theilweiser Veränderung bei 206—211«, löst sich in 35-2 Th.
Wasser von 19« und ist mit Wasserdampf nur langsam flüchtig; bei längerem Er-
hitzen auf etwa 130« wird sie grösstentheils in >?- Chlorisocrotonsäure umgewandelt. —
^-Chlorisocrotonsäure — aus Acetessigester vgl. S. 498— 499 und, wie eben erwähnt,
durch Umlagerung aus /^-Chlorcrotonsäure — schmilzt bei 61«, siedet bei 195«, löst sich
^ Feoelich, Ztschr. Chem. 1869, 270. — Geüther, Ztschr. Chem. 1871, 239. -
Krämer u. Pinner, Ann. 158, 51 (1871). — Sarnow^ Ann. 164, 93 (1872). — Wallaih,
Ann. 173, 301 (1874). Ber. 10, 1530 (1877). — Kahlbaum, Ber. 12, 2335 (1879j. -
Claus u. Lischke, Ber. 14, 1089 (1881). — Friedrich, Ann. 219, 322, 368 (1883). -
Melikoff, Ann. 234, 200, 203 (1886). — Wislicenus, Ber. 20, 1008 (1887). Ann.
248, 281, 337 (1888). — Michael, Ber. 20c, 792 (1887). — Michael u. Bäowke,
J. pr. [2] 36, 174 (1887). Jb. 1887, 1679. — Michael u. Pendleton, J. pr. [2J 38, 1
(1888). — Michael, ebenda, 10 Anm. 1. — Koll, Ann. 249, 324 (1888). — Exke,
Ann. 256, 201 (1889). — Ostwald, Ztschr. f. physik. Cheni. 3, 244 (1889). — Aüten-
rieth, Ann. 259, 358 (1890). — Fittig u.- Clutterbuck, Ann. 268, 108 (1891). —
Michael u. Schülthess, J. pr. [2J 43, 594 (1891); 46, 237, 247, 254, 260, 264 (1892J.
— Michael, J. pr. [21 46, 270 (1892). — J. Ad. Wislicenus, Inaug.-Dissertation
(Leipzig 1892).
Hahgcnderioate der Mahnsäiire.
in 52'4 Tb. Wasser von Itt'' und ist mit Waaserdampf sehr leicht flüchtig
Sfiurea werden duri'h Erhitzen mit starker Kalilauge griisatentbeils tu Aci
KohlensJture fcespnlten. Lifiast man sie mit flbersehiisBi$;cr Natroiilauge bei
tempeiatur sti'lien, so gehen sie in Tetrolsäure über, und zwar die {3-0h1orcrc
bedeutend raaeher &bi die /^-Chlorisoerotonsäure. Die Natriumsalze beidei
werden durch Erhitzen auf 170—180° unter Bildung von Allyle.i, Kohlensi
Cblomatrium zersetzt.
Bromderivate der Crotonsftnrcn'. »-BromcrotonsSure - au
brombuttereSurc uud aas Isocrotonsliuredibromiir (vgl. S. 727) durch Broi
Hrißabapaltiing — bildet lan;;e Nadeln, schmilzt bei I06'I>° und spalti-t i
diinntcr Kalilange in der Wiirmc rasch uod vollständig Bromwasserstolf
KaliuDisalz löst sich bei 21° in 493-4 Th. »9-5proc. Alkohol; durch Heda<
Natrinuiamalgam liefert sie feste CrotonsSurc. — »-Bromisocrotonsüuri
Cri>ton!<äuredibromid — bildet lange Nadeln, schmilzt bei 92°, spaltet mit ve
Kalilauge langsam und unvollstSndig Bromwa<uersloff ab und geht durch 15-f
Erhitzen auf 130 — 140° glatt in ii-BromcroEousäure über; ihr Kaliumsalz
bei 21" schon in 10-8 Th, 99-5 proc. .Alkohol. Ueber ihr Verhalten beider E
vgl. S. TtS.
^-Bromcrotonsäurc — aus TctroMure und Bromwasserstoff — bild
Nadeln und schmilzt bei 94-5—95°. — fi-Bromisocrotonsfiure ist noi
bekannt.
Ueber Bromderivate der HethakrylsiCure vgl. S. 7.=i9.
Ueber Entstehung von Mono bromderi Taten bShercr Glieder der 0<
reihe durch Bromirnng von FetlaHuren vgl. S. 711.
Ueber Entstehung uud Verhallen von Mon «ha lobender) Taten der Em
und BrassIdlnsHurc vgl. S. 729.
III. UaLog^nderlrate der mehrbasischen SSurea.
Halog^DderlTate der MaloosSure. Chlurmalonsfiure* CO.H-CH(
— durch Verseifuog ihre,-' Esters mit kaltem alkoholischen Kali gowinnbar ■
glänzende Krystalle, schmilzt bei 1.^3", ist in Wasser leicht löslich uud zei
\m' in Kohlensliure und Chloressigsäure; ihr Diäthylester CO,(C,Hs
CO^HiHs) wird leicht durch Chlorirung von Malonsäiircestor gewonnen u
daher zuweilen zu Synthesen (vgl, S, TO.'JI; er siedet bei 221°, besitzt bei
spec. Gew. 1-185, giebt durch Erwärmung mit wSssrigeu Alkalien Tarb
mit alkoholischer Natriumäthylatlösung Natriumchlormalonsftureestcr CO
CNaCI-CO,H',ll,l. — Diehlormalonafiureeater' COjC,Hs)-(;Cl,-CO,lC,l
duTth weitere Chlorirung des MonoehlormalonsHureesters gewonnen werde
unter geringer Zersetzung bei 231 — 234° und besitzt bei 17" daa spoc. Gew. 1
' Michael u. Nobtos, Jb. 1880, 790. — Biscrofp u. GirruzEiT. Bfir,
(1881). — C. KoLBE, J. pr. |2| 26, 38S, 394 (1882). — Ehlenmever u. Müm
15. 49 [18H2I. — Michael u. Browne, J. pr. 121 36, 2r)7 (1MS7I, Jb. 1887,
Michael u. Pendleton, J. pr. [2] 38, 1 (18SM). — WisricKNua u. Lanobeih, Ai
31B (1X881 — WisucENDS, ebenda, 327, 337, 342, — Bisckoff, Ber. 23, 192
— Ftmo, Ann. 268, 34 (18901. — Michael u. Si.-hl'i.thess, J. pr. [2J 46,
(1992), - MtcHAEr,. ebenda, 2(i8.
' CoNHAU u, Biscnopr, Ann. 309, 218 (1881). — Cünrao, ebenda, 242, —
u. Gdthzelt, Ber. 16, 605 (1982). — Bischopp, Ber. 16, 1045 (IÖS3I.
' Conrad u. BallCKBER, Ber. 24, 2993 (1892J.
734 Monohalogenderivate der Bemsteinsäure,
Brommalonsäure**' COjH-CHBr-COjH kann durch Reduction von Dibrommalon-
Bäure erhalten werden und bildet zerfliessliche Krystalle; der Diäthylester entsteht
durch Bromirung von Malonsäureester, siedet unter theil weiser Zersetzung bei 233 — 235''
und besitzt bei 15° das spec. Gew. 1'426. — Dibrommalonsfiure*'* — durch Bromiren
von Malonsäure — schmilzt bei 126 — 128°, ist in Wasser äusserst löslich und giebt
beim Kochen mit Baryt Mesoxalsäure; ihr Diäthylester siedet unter theil weiser
Zersetzung bei 250—256°.
Die Halogenderivate der Bemsteinsäure stehen in nahen Beziehungen zur
Fumar- und Maleinsäure, diejenigen der Methylbernsteinsäure oder Brenzweinsäure
zur Ita-, Citra-, und Mesaconsäure; sie bieten daher wieder Anlass zu stereochemischoii
Discussionen.
Monochlorbernsteinsäure** COsH.CHCl-CHj.COgH (Schmelzpunkt
151 «5 — 152°) entsteht in optisch inactiver Form sowohl aus Fumarsäure wie aus
Maleinsäure durch Anlagerung von Chlorwasserstoff; active rechtsdrehende Mono-
chlorbernsteinsäure (Schmelzpunkt 174°) kann aus Linksäpfelsäurc (S. 795) durch vor-
sichtige Behandlung mit Phosphorpentachlorid gewonnen werden. M o n o b r o in -
bemsteinsäure*-* COjH-CHBr-CHj-COjH (Schmelzpunkt 159°) entsteht aus
Fumarsäure bezw. Male'msäure durch Anlagerung von Brom Wasserstoff (vgl. S. 682 1
und kann femer leicht durch Bromirung der Bemsteinsäure nach der ;Hell-
YoLHABD-ZELn^SKY'schen Methode gewonnen werden (vgl. S. 709 — 710). Brom-
bernsteinsäure liefert durch Kochen mit Wasser Fumarsäure (Darstellungsweise der
letzteren vgl. S. 681), Brombernsteinsäureester bei der Destülation unter gewöhnlichmi
Druck Fumarsäureester; Chlorbernsteinsäureester kann unverändert unter gewölin-
/CHCl-CO^
lichem Druck destillirt werden. Die Anhydride der beiden Säuren 1 ' ß
CHBr— COv \ ^^« ^^'
bezw. I ^0 1 spalten bei der Destillation unter gewöhnlichem Druck Halog«'"-
CH, CO/ /
Wasserstoff ab und liefern MaleYnsäureanhvdrid.
Durch Addition von Halogen an Maleinsäure und Fumarsäure ist die Entstehuui:
von structuridentischen (symmetrischen) Dihalogenbernsteinsäuren:
CO,H . CH : CH . COjH + Br, = COjH • CHBr • CHBr • CO^H
zu erwarten, die aber in. beiden Fällen bei normalem Reactionsverlauf räumlich
isomer sein müssen. Der Vorgang ist — vom Standpunkt der Theorie aus betrachtet
— im Allgemeinen analog der Halogenaddition an die stereoisomeren Crotonsioreu
(vgl. S. 722 ff), wird aber dadurch etwas modificirt, dass das entstehende Produkt
nicht zwei ungleichartig asymmetrische, sondern zwei gleichartig asymmetrisi'he
Kohlenstoffatome aufweist. In Bezug auf die Stereoisomeriemöglichkeiten haben wir
hier den gleichen Fall wie bei den symmetrisch dialkylirten Bemsteinsäuren (vjrl.
S. 668) und der Weinsäure (vgl. S. 801); es kann also das Additionsprodiikt in
folgenden Formen auftreten:
* Conrad u. Beückner, Ber. 24, 2993 (1891).
* Petriefp, Ber. 11, 415 (1878). — E. Knoevenagel, Ber. 21, 1355 (18S8).
» Petriepf, Ber. 7, 400 (1874). — Freund, Ber. 17, 782 (1884). — Wislicesi.-.
Ann. 242, 77 (1887). — Auwers u. Bernhardi, Ber. 24, 2229 (1891).
* Ansch(Jtz u. Bennert, Ann. 264, 155 (1889).
« Emery, Ber. 23, 3757 (1890). — Walden, Bef. 26, 214 (1893).
° KEKüLt, Ann. 117, 125 (1860); 130, 21, 30 (1864). — Fittio u. Dorn, Auu.
188, 87 (1877). — Schacherl, Ber. 14, 637 (1881). — Hell, ebenda, 891. — Volhibd,
Ann. 242, 141 (1887). — Auwers u. Imhäuser, Ber. 24, 2234 (1891). — Iaxatar,
Ber. 24c, 970 (1891). Ann. 273, 36 (1892). — Hell u. Poliakoff, Ber. 25, 640(1892).
Addition von Halogenen an Fumar- und Maleinsäure.
1. eine rechtsdrebende ond eine linkedTehende Form, in derei
die Wirkung der beiden asymmetriHchen Systeme in gleichem Sinne (
demnach summirt:
CO,H CO,H
I I
H- ' -Br Bi — ,"H
H H
Durch Vereinigung dieser beiden Formen wird eine inactive, spaltb
fication entstehen, und eine ähnliche Ueberlegung, wie sie S. 723^
Crotonsfloren angestellt wurde, zeigt, das? gerade diese Modification bc
Halt^enaddition aus der Pumarsfiure hervorgehen wird; noch der Drebuni
Halogen wasserstoffabapsltung geeigneten Confignralionen ihrer Componenl
Br Br
CO,H- H H 1 CO,U
CO.H - Br Br — Cü.H
ergeht man, daas durch Abspaltung von 1 Mol. Halogenwasserstoff ein
mslelnsäure:
CO,H ii
CO,H - Br
gebildet werden sollte.
S. eine Modification, in welcher die beiden asjm metrischen Sjsten
gegenwirken, welche mithin durch intr&moleculare Compensatio
demzufolge nieht spaltbar in active Modificalionen sein wird; sie en
Raum form el:
CO,H
H i Br
Man übersieht leicht, daaa diese Modification aus der MaloYns&ure bei normal
addition entstehen wird und dass ihre znr Abspaltung von 1 MolccQI Hai
Stoff geeignete Configuration:
CO,H
e HalogenfumaTBSure entstehen lassen wird.
I
786 DihcUogenderivate der Bernsteinsäure.
In der That sind zwei isomere Dichlorbernsteinsäuren* — Dichlorbern-
steinsäure aus Fumarsäure: Schmelzpunkt 215^, Isodichlorbcmsteinsäure aus Malein-
säure: Schmelzpunkt 175° — erhalten worden; .beide liefern bei der Abspaltung von
Chlorwasserstoff indessen Chlorfumarsäure.
Die Beobachtungen über die Dibrombernsteinsäuren* (vgl. S. 683) ent-
sprechen besser den Forderungen der Theorie.
Aus Fumarsäure entsteht eine gewöhnlich schlechtweg Dibrombernstein-
säure genannte Säure (Fumarsäuredibromid), welche grosse Krystalle bildet, etwa
50 Th. kaltes Wasser zur Lösung erfordert^ durch längeres Kochen mit Wasser
Brommaleinsäure liefert.
Aus Maleinsäure entsteht die davon verschiedene Isodibrombernsteinsäure
(Malcinsäuredibromid), welche ebenfalls gut krystallisirt, in Wasser sehr viel leichter
löslich ist als die isomere Säure, bei etwa 160^ schmilzt und beim Kochen mit
Wasser Bromfumarsäure liefert.
Beide Säuren entstehen auch durch directe Bromirung der Bemsteinsäure. Beide
können durch Behandlung mit Basen glatt in Acetylendicarbonsäure übergeführt werden.
Aus beiden Säuren erhält man durch Behandlung mit Silberoxyd Säuren von der Struetur
COjjH-CHCOHlCIKOHjCOjH (Näheres vgl. S. 812—813 bei synthetischen Bildnngs-
weisen der Weinsäuremodificationcn). Eine Structurverschiedenheit der beiden Säuren ist
daher zum mindesten höchst unwahrscheinlich. Abnorm im Sinne der stereochemischen
Theorie (vgl. S. 728) ist der Befund, dass sowohl aus Dibrombemsteinsäureester wie
aus Isodibrombernsteinsäureester durch Einwirkung von Zinkspähnen bei niedriger
Temperatur Fumarsäureester gebildet wird; im letzteren Falle wäre bei normalem
Reactionsverlauf die Entstehung von Maleinsäiireester zu erwarten.
Die Halogensabstittttionsproduke der Fumarsäure und MaleYnsäare werden
zweckmässig ghdch im Anschluss an diejenigen der Bernsteinsäure besprochen.
Monochlorderivate'*. Durch Einwirkung von Phosphorpen tachlorid auf
Traubensäure erhält man das Chlorid COCl-ClliCCl-COCl (Siedepunkt 184.5-187-5'')
der Chlorfumarsäure COjHClI : CCl-COs» , welch' letztere daraus durch Zer-
setzung mit Wasser gewonnen wird, bei 188—189° schmilzt und, mit Acetylchlorid be-
handelt, das Chlorraaleinsäureanhydrid C4HCIO8 (Schmelzpunkt +34-5^ Siede-
punkt 196-3°) liefert. Aus diesem Anhydrid entsteht durch W^asseraufnahme die
Chlormalei'nsäure, welche beim Eindampfen ihrer stark salzsauren Losung in
* MicuAEL u. TissoT, J. pr. [2] 46, 392 (1893).
« KEKULt, Ann. 117, 123 (1860); Ann. Suppl. 1, 131, 352 (1861); 2, 88 (1862).
Ber. 6, 624 (1873). — Fkanchimont, Ber. 6, 199 (1873). — AnschCtz, Ber. 10. 1884
il877). — Bandrowsky, Ber. 10, 838 (1877); 12, 344 (1879). — Petri, Ann. 195, 57
(1878). — PicTET, Ber. 13, 1669 (1880). — Claus u. Helpenstein, Ber. 14, 624 (18811.
— Leurfeld, ebenda, 1816. — Mulder u. Hamburger, Rec. trav. chim. 1, 154 (1882).
— Beilstein u. Wiegand, Ber. 15, 1499 (1882). — Baeyer, Ber. 18, 676 (18^5). —
Demuth u. V. Meyer, Ber. 21, 264 (1888). — Gorodetzky u. Hell, ebenda, 1729,
1801. — Ossipow, Jb. 1888, 1827. — Pum, Monatsh. 0, 446 (1888). — Mcldeb a.
Welleman, Rec. trav. chim. 7, 334 (1888). — Wislicenüs, Ann. 246, 64 (1888). —
AuwERS u. Imhäüser, Ber. 24, 2235 (1891). — Michael u. Schulthess, J. pr. (2 43,
591 (1891). — Shields, Joum. Soc. 59, 739, 742 (1891). — Hell u. Pouakoff, Ber.
25, 640 (1892). — Michael u. Maisch, J. pr. [21 46, 233 (1892). — Lossen, Ann.
272, 127 (1892). — C. Liebermann, Ber. 26, 250 (1893).
^ Perkin u. Düppa, Ann. 115, 105 (1860). — Kauder, J. pr. [2] 31, 28 (1884).
— Perkin, Ann. 129, 373 (1864). Journ. Soc. 53, 695 (1888). — Henry, Ann. 156, 178
(1870). — Claus, Ann. 191, 80 (1877). — Michael u. TissoT, J. pr. [2] 46, 393, 395(1893).
♦ Bandrowsky, Ber. 15, 2694 (1882). — Walden, Ber. 26, 210 (1893).
Halogendenvate der Fumar- und Maleinsäwe.
Chlorfamarstare übergeht; über Entstehung der ChlorfumarsSure &ub Die
sinre vgl. S. t36.
Monobromderivate'. Die Entetehnng der beiden etereoiaoi
C0,H.CBr:CH-CO,H aus den beiden DibTOmbemsteinoäoren ist 8. 73
BromfumaraSure schmilzt hei 178" und giebt durch Erhitzen Broi
uihydrid, BrommaleTnsäure schmilzt bei 128° und giebt mit rauc
waaBeratoflsäure Dihromheriisteinaöure unter theilweiaer Umlagerung ü
s:iiire, durch Kochen mit yerdünnter BromwaaserstoSaäure ebenfalls Bro
auch beim Erhitzen im zngeschmolzenen Bohr geht BrommaleVnsäure ü
säure über; Brommaleinsäureanhjdrid siedet bei 215'.
Diese Honobalogenderivate zeigen mithin zu einander ganz analoge
wie FamarsSure und Maleinsäure; es li^ daher nahe, in der Weise,
geschehen ist, die eine Säure als Brom- bezw. Chlorfiimaraäure, die and
bezw. ChlonnaleVnafiure zu bezeichnen. Aber es. muss betont werden, di
Spruch mit dieser Au£Eittaung beide Säuren bei der S^duction mit Nat
ziuKchat FumarsSure, dann Bemateins&nre liefern. Aach steht
iprechendeu Raumformeln die Thateache nicht in Einklang, dass Acel
sCore durch Addition von Brom Wasserstoff unter solchen Bedingung!
fertige Brommalelnsäure nicht in Bromfumaraäure umgelagert wird, Br
üeferL
Dihftlogenderivate'. DichlormaloTnsäure C0,HCC1:CC1-C
punkt 119-120') und Dibrommaleinsäure CO,HCBr:CBr.CO,H (
123°) sind ans Bemsteinsäure durch kräftige Einwirkung von Fhosphorpei
Zersetzung des Reactionsprodnkts (DichlormaleTnsäuretetiachloride) mit
beiw. bei der Bromimng erhalten worden. Ala Derivate der Maleinai
sie sich durch die leichte Ueberführbarkeit iu Anhydride. Ihre Imidc
der Einwirkung von Chlor bezw. Brom auf Succinimid und werden au
den dem Sncciuimid uahestehendeu Pyrrolderivaten (vgl. Bd. II) gebild
nalelDsäuTeanhydrid schmilzt b<;i 119 — 120°, das Imid bei IT!
naleinsäureanhydrid schmilzt bei IlT — 116", das Imid bei 225^
Dorcb Vereinigung von Acetylendicarbonsäure mit Brom' sollte si(
Dach bei normalem Kcactions verlauf lediglich Dibrommaleiusäurc biiilei
indessen bei der Addition im Sonnenlicht ei» Gemisch von Dibrom
imd DibrommalelneSure, in welchem eisteie Säure (Schmelzpunkt 22
wiegt Der Acet^lendicarbonsSureester giebt ebenfalls durch Bromadi
milch von DibromfumarHäureester und Dibrommaleinsäureester.
Ans Itaconsäure, Citraconsäure und Mesaconsäure entstehen durcl
ton Halogeuwasserstoff Honobslogenderivate, durch Anlagerung der
■ KsKinJ, Ann. 130, 1 (IttSi); 131, 87 (1S64); Ann. Suppl. 1, 368
I I3b2(. — Petri, Ann. 196, 61 (1876). — AmscbOtz, Ber. 10, 1884 (1877). ~
B«r. 12, 314 (1S79); 16, 2697 (1882). — Schbiies, Ann. 227, 234 (ISSI
II. V. Meveb, Ber. 21, 267 (1888). — Wisucends, Ann. 240, 53 (1888).
fMBuTOK, J. pr. [2] 38, 4 (1888). — Michael, J. pr. [2] 48, 215, 216,
' Kbeüi.£, Ann. 130, 2 (1864). ~ LiKPBicBT,..Ann. 165, 294 1137!
J. pr. [2j 31, 1 (1884). — Hill, Ber. 13, 736 (1880), — CiAiiiciiB u.
Ifl, 2384 (1833); 17, 553, 1743 (1884); 33, 33 (1889). — Zincke u. Fi
l.'tse (1890). — Hbndbikson, Ber. 23c, 584 (1890). — Anobu u. Ciahii
76, 1347 (1891). — Bbdce, ebenda, 4118. — Zincee u. Fircns, Ann. 2l
' Bakdbowsky, Ber. 12, 2213 (1879). — Wlslicendm, Ann. 246,
Michael, J. pr. [2] 48, 210 (1892).
V. HnKB u. JacObSOX, org. Clwiii. 1. 47
738 Haiogenderivate der
halosrenderiTate der Brenzweinsänre (vgl. S. 665). Die isomeren Säuren^ werden
durch Bezeichnungen unterschieden, welche ihre Provenienz angeben.
Itabrombrenzw einsäure (Schmelzpunkt 137°) muss ihr Bromatom in der
/-Stellung zu einer Carbozylgruppe enthalten, mithin die Constitutionsformel
CH,Br.CH.CO,H
I besitzen, da sie beim Kochen mit Wasser eine Lactonsäure — die
CHjCO.H
CH,-CH(CO,H).CH,
ParaconsÄure I I (vgl. S. 799) liefert.
Citrabrombrenzweinsäure (Schmelzpunkt 148°) entsteht aus Citracousäun'
sehr leicht (schon in der Kälte), aus Mesaconsäure schwieriger (erst beim Erwärmen)
durch Anlagerung von Bromwasserstoff. Sie zerfällt beim Kochen mit Soda iu
Kohleusäure und Methakrjlsäure (Gleichung s. S. 504); hieraus eigiebt sich ihre
CHaCBr.CO,H
Structur als der Formel | entsprechend, da eine Säure von der Stnictiir
Ccii * CofH
CHgCHCOgH
I in dieser Beaction Crotonsäure liefern müsste.
CHBrCOtH
CH,Br.CBr.CO,H
Itadibrombrenzweinsäure | liefert durch Kochen mit
CHjCOjH
/CH, . qCOjH) : CH CH : qCO.H) • CH, \
Wasser Akonsäure ( 1 | oder 1 I ) •
\Ö CO 0 CO /
Mesadibrombrenzweinsäure (Schmelzpunkt bei raschem Erhitzen: 204^jan<i
Citradibrombrenzweinsäure (Schmelzpunkt 150°) stehen zu einander in ähnlichem
Verhältniss wie Dibrombemsteinsäure und Isodibrombemsteinsäure, Crotoosaure-
dibromür und Isocrotonsäuredibromür. Ihre Zersetzungen sind leicht verständlich
wenn man für beide Säuren die Structurformel:
CH,.CBr-CO,H
i
)HBr-COjH
annimmt; Citradibrombrenzweinsäure muss nach der Theorie aus den beiden opüsib
entgegengesetzten Modificationen:
Br Br
CH,—
H—
— CO,H CO,H
und
— CO,H COjH
-CHa
H
Br Br
Mesadibrombrenzweinsäure aus den beiden ebenfalls enantiomorphen Configorationeo:
» KBKULi, Ann. Suppl. 1, 339 (1861); 2, 96 (1862). — Swarts, Ztschr. Chem.
1866, 722. Jb. 1873, 582. — Frrrio u. Prehn, Ann. 188, 42 (1877). — Fittio u.
Landolt, ebenda, 71. — Petbi, Ben 14, 1637 (1881). — Friedrich, Ann. 203, 353
(1880). — Fittio u. Krüsbmark, Ann. 206, 1 (1880). — Frrrio u. Beer, Ann. 21Ö, Ti«
(1882). — AüWERS u. ImhXüser, Ber. 24, 2237 (1891). — Michael u. ScHULTHias, J.
pr. [2] 43, 593 (1891); 45, 60 Anm. (1892). — Michael u. Tissot, J. pr. [2] 46, Sö4,
390, 396 (1892). — Fittig, Ber. 26, 47 (1Ö93).
— CH,
— CO,H
CH,-
CO,H-
Br
bestehen. Von besonderem IntereaBe ist die Zersetzung, welche beide Si
ErwSnnen mit Soda erleiden. Citradibrom brems Weinsäure liefert Koblensfim
aidebjd and eine SSnre C4HfBrO,, die aich als Brommethaktjlsfiure
Reducirbarkeit zu laobuttersäure erweist; MeBadibrombrenzweiDBäuxe liefert i
Prodnkte, aber neben jener BrommethakrylBäure in erheblicher Ueuge
zuaammengeeetzte Sfiure, die ebenfalls durch Reduction IsobuttersSnre '.
daher als Isobrommethakrylafiiire bezeichnet wird. Das Auftreten de
uldehyds kann man sieb durch Abapaltuug von 2 Mol. BTomnatrinm u
Kohlensäure unter gldchzeitiger Aulnahme von 1 Mol. Wasser erkläret
CH, ■ OBr ■ CO,Na CH, ■ CH,
I + H,0 = aNaBr + 3C0, + |
CHBrCO,Na CHO
Die Bildung von zwei st«reoisomeren ^BrommethakrylsSuren wird von der
fordert, wie sich leicht ergiebt, weuu man die Configurationen eonstruirt, in i
Br und CO,Na über einander, also in der zur Abspaltung geeigneten Stelhiii
CH, CH,
CO,Na— |— Br B[—
H— '— CO,Na CO.Na
— CO.Na
= NaBr + CO, +
CO,Na--
CHteadibrombrenzweinsäure
CO,N» CO,Na
Br
laobrommet]
Mesadibrombrenz wei nsliure
— Beim Kochen mit Wasser liefert die Mesadibrombrenz Weinsäure nebi
ul'lcbjd, Bromwaaserstoff und Kobicnsiturc Bromcitracousüureanhydrid; ci
dies der Bildung von BrommoleYnsäure aus Fumarsäuredibromid (])ibr<.
^Üurc, vgl. S. 736). — Auch hier indess steht das Verhalten dea Citradibroi
säureeatera bei der Entbromung durch Zink, wie dasjenige des Isodibrc
^iS^^eeaters (vgl. S. T3S), nicht im Einklang mit den Forderungen der Tl
des enrarteten GitraconsäurecsterB erbfilt man den Mesa on ä este
Die entsprechenden Chlorderivate — Citradicblo b n w n ä
pnnkt 119— 120°)andMesadichlorbreniWcin8Su (S hm 1 p nkt 123
b«ide bei der Abspaltung von Halogen Wasserstoff dur h Ikohol seh kal
vun Chlorcitraconsäure und Chlormesaconsänrc.
47*
740 Vorkommen und Büdwng von Oxyswuren,
Neunundzwanzigstes Kapitel.
Oxysäuren oder Alkoholsäuren I. Die Hydroxylderivate
der einbasischen Säuren.
(Allgemeines über Oxysäuren. — Die Monohydroxylderivate der Fettsäuren (Glykol-
säurereihe). — Die Poljhydroxylderivate der Fettsäuren (Glycerinsäure, Pentonsanreu,
Hexonsäuren etc.). — Die Hydroxylderivate der Oelsäuren.)
Allgemeines über Oxysäuren.
Die Hydroxylderivate der Carbonsäuren oder Oxysäuren — Ver-
bindungen also, deren Molecül sowohl Carboxylgruppen wie auch al-
koholische Hydroxylgruppen enthält, — vereinigen in ihrem chemischeD
Verhalten den Charakter der Carbonsäuren und Alkohole. Sie können
mithin auch als „Alkoholsäuren" bezeichnet werden.
Die Zahl der bekannten Oxysäuren oder Alkoholsäuren ist ausser-
ordentlich gross; es wird daher nothwendig sein, sie in verschiedene
einzelne Klassen nach der Anzahl der Hydroxyl- und Carboxylgruppeu
und nach der gegenseitigen Stellung dieser Gruppen einzuordnen.
Zu den Oxysäuren gehören einige der wichtigsten und verbreitetsten
Pflanzensäuren, so die Aepfelsäure, Weinsäure, Citronensäure. Es
gehört femer zu ihnen eine grössere Gruppe von Säuren, welche zu den
Zuckerarten in nächster Beziehung stehen und ausserordentliche Be-
deutung für die in der letzten Zeiten mächtig geförderte Kenntmss
dieses Gebiets erlangt haben. Auch besitzen einige Oxysäuren mit
asymmetrischen Kohlenstoflfatomen in theoretischer Beziehung besonderes
Interesse, da an ihnen die Theorie vom asymmetrischen KohlenstoflFatom
die eingehendste experimentelle Prüfung gefunden hat (vgl. Milchsaure,
Aepfelsäure, Weinsäure).
Für die künstliche Bildung von Gliedern dieser überaus wichtigen
Köi^perklasse besitzen wir Methoden in grosser Zahl. Fast alle jene
Processe, welche zur Bildung von Alkoholen oder Carbonsäuren tühren
(vgl. S. 143 ff., 306 ff., 487 ff., 561), können durch geeignete Modificationeu
oder durch Combination mit einander auch für die Gewinnung von
Alkoholsäuren brauchbar gemacht werden. Hier mögen nur einige
Reactionen hervorgehoben werden, welche besonders häutige Anwendung
gefunden haben:
1. die Auswechselung der Halogenatome in den Halogen-
derivaten der Carbonsäuren gegen Hydroxylgruppen (vgl. S. 713).
z. B.:
CH,C1C0,H + H,0 = CH,(OH).CO,H -h HCl.
2. die Verseifung der aus den Aldehyden und Ketoneu
durch Anlagerung von Blausäure hervorgehenden Cyanhydriue
(vgl. S. 388). Diese Eeaction, welche erlaubt, von Ketonen und Alde-
hyden zu um ein Kohlenstotfatom reichereu Oxysäui'en aufzusteigen, z. B. :
Oyanht/drinreaction.
-y CH,.CH(OH).i
/>H
(CH,),CO »- (CH^C<^ »- (CIUC(OH).C
ist voll gatiü besunderer Wichtigkeit, da sie in den meistei
glatt verläuft und — auf Verbindungen von bekannter Co
iiewendet — über die Constitution der entstehenden Prc
Zweifel lässt. Auch auf die zur Zuckergruppe gehörigen AI
und Ketonalkohole von complicirterer Structur ist sie anw'
CH^OH)-CH(OH)-CH(OH)-CH(OH)CHO + HCN
= CH^OH)CH(OH)CH(OH).CHlOH)-CH
CH^OH)- CH(OH) ■ CH(OHI ■ CH(OH) ■ CH
unil ist hierdurch für die Untersuchungen über die Coi
iiHtürlichen Zuckeratten von entscheidender Bedeutung g
^. 784 — 785). Sie soll im Folgenden kurzweg als „(
reaction" bezeichnet werden.
Zur Aasfilhrang der Reaction ' benutzt mBJi entweder fertige
DBEcirende BlKuafiure. Geht man von einfachen Aldehyden oder 1
vcrfthrt man zweckmässig in folgender Weise; man überschic):
reines Cyankaliuni mit einer Stiierischen L5sung des zu verwend
mler KetonE und liest nun unter gnter Kühlang und stetem Umräbrec
Menge mdglicliat stark raiiehender SalzsSure langsam ziitropfen; nach
2neast man die Ätherische Lösung von dem Salzbrei ab und erh&it
liunsten derselben das Cyanhjdriu in einem ffir die Verarbeitung ^
Zustand. Zur Verseifung übergiesst man dasselbe mit dem doppelt
ruure vom epcc. Gew. 1-2; naeh kurzem Stehen ist das entsprecht
^'i>hildet, durch längeres Stehen oder durch Kouben mit verdünnter S
<iii' freien Säuret).
Die Cyauhydrine l,Oiynitrilc) brauchen demnach für die Ai
Ki;a('tiDn nicht ieolirt zu werden; auch ist dies nur in wenigen Fl
Siweil bekannt, sind die Cyanhydriiie der niederen Aldehyde' Flüssi
l*i sewÖhnliehem Druck unter theÜweisem oder vollständigem Zer
iinii Blausäure sieden. Das Cyanhydrin des Acetons', das in reinen
iwlirt ist, geht leicht anter Blaus&ureabepaltung in kijstallisirtes Diac
,0H XN
lCH,l,d-0-d(CH,), aber.
Auch wenn man die Reaction auf die complicirteren Aldehyda
in ili-n Zuckerarten vorliegen, anwendet, ist eine Isolimng der Cy
' Vgl. WiBLiCBNca u. Ubbch, Ann. 164, 2S8 (1872). — Nähere;
Syuthetiscfae DanteUnngsmethoden I, 152, 166 (Leipzig, IBSd).
' Vgl. Henkv, Compt rend. 110, 759 (1890). — Simpson u. (
Chem. 1887, 6S0. — Lipp, Ann. 205, 24 (1880). — Erlbhheteb u. S
106 (1875).
' ÜBICB, Ann. 104, 256 (1872). — TaMAxn u. L. FBDWi.ii
1971 (1881)-
742 Bildung von Oxy säuren durch Oxydationsreactian/^n,
nöthig. Man versetzt meist eine wässrige, ziemlich concentrirte Lösung des Zuckers
mit der berechneten Menge Blausäure und lässt bei Zimmertemperatur oder ganz
gelinder Wärme einige Tage stehen; ein Zusatz von einer Spur Ammoniak hat sicli
in mehreren Fällen als sehr günstig fiir die Beförderung der Reaction erwiesin.
Unter diesen Bedingungen geht das Cyanhydrin gleich in das zugehörige Säureauiid
über, das sich häufig krystallinisch ausscheidet Man erwärmt nun auf dem Wasscr-
bade, bis die Blausäure entfernt ist, und verseift das Säureamid darauf, indem man
zur Lösung Baiytwasser zufügt und auf dem Wasserbade eindampft, bis der f4enuli
nach Ammoniak verschwunden ist. Die so erhaltene Lösung des Bariomsalzes wini
mit Schwefelsäure genau barytfrei gemacht, darauf nach Filtration vom Barium-
sulfat auf dem Wasserbade eingedampft, wobei man das Säurehydrat bezw. da>
Lacton erhält.
3. die Oxydation mehrwerthiger Alkohole oder mebrwerthi-
ger Aldehydalkohole; so erhält man z. B. aus
cHjCOH) CO. oh
Glycerin: CH(OH) die Grlycerinsäure: CH(OH) ,
I I
CH,(OH) Cn,(OII)
aus den Zuckerarten von der Structur:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CHO
durch milde Oxydation einbasische Oxysäuren (Aldonsäuren) :
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) - CH(OH) • CH(OH) • CO^H ,
durch kräftigere Oxydation zweibasische Oxysäuren:
COsH . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CO^H .
Manche Carbonsäuren lassen sich direct durch Oxydation mit Kaliumpermanganat
in alkalischer Lösung in Oxysäuren überfuhren* („hydroxyliren**); es sind das solche,
welche ein tertiär gebundenes Wasserstofife-tom — C/CH enthalten, z, B.:
-c/
^NCHCO^H )- No(OH).COjH,
CHjv OHjv
NCHCHj-CO^H > >C(OH).CHj.CO,H.
CU/ CH3/
Das chemische Verhalten der Oxysäuren wird durch die gleidi-
zcitige Anwesenheit von alkoholischen Hydroxylgruppen und CarhdX'vl-
gruppen bestimmt. Bei der Salzbildung ti'eten natürlich die Carboxyl-
gruppen in Reaction:
CEL(OH).CO.ONa , CH2(0H).CH(0H).C0.0Na;
bei der Esterbildung können sich je nach den Bedingungen die alkoho-
lischen Hydroxylgruppen oder die Carboxylgruppen oder beide zugleich
betheiligen:
* R. Meyer, Ann. 219, 234; 220, 1 (1882). — Prmn u. Bredt, Ann. 208,
59 (1881).
Derivat« der Oxt/sÖuren.
CH,.0-CH, CH,0-COCH, CH,.OH CH.-O-CH,
! ; I : 1 i I
CO -OH CO-OH COO-CH, CO OCH,
AethersKure Eeteralture Ester Aetherester
Die neutralen Elster mancher OxjBSnren — z. 6. der Weinsäure
durch Wasaer sehr leicht partiell verseift; man mos« daher bei der Darstel
meiden, sie mit Wasser in Berührung zu bringen. Man leitet zweckroä
alkoholische LSsnng der Oijsäure unter EQhlung SalzsSuregas bie zur Sät
läset 34 Stunden stehen, saugt daranf einen trockenen Lnftstroro hindnrcl
treibt durch Erhitzen auf dem Waeserbade unter stark Termindertem Di
den Alkohol und die Salzs&are. Der Rückstand wird nochmals in de
Menge Alkohol gelöst, mit Salzsäuregas behaudelt und in derselben We
von Alkohol und Salzsäure befreit, darattf zur Gewinnung des reinen
Vitcuum destillirt (Esterificimngamethode von AhschOtz u. Pictbt).
Die nähere Charakterisimng der Oxysänren wird bei den
Gruppen gegeben werden; hier sei indeas noch das Verhaltei
Wasserabspaltung besprochen, daa wesentlich durch die gef
Stellung der alkoholischen Hydroxylgruppen und Carhoxylgrn
einflusst wird.
«-Oxysänren spalten in der Regel beim Erhitzen — häi
■iilion bei gewöhnlicher Temperatur im Eiaiccator über Schwefe
Wasser üb, indem sich Anhydride durch Zusammentritt n
Molecüle büden (vgl. Glykolid S. 747, Lactid S. 754), z. B.:
CH,.CH(OH) CH,.'CH— 0-CO
2 1 =11+ 2H,0 .
COOK CO-0-CH-CH,
^-Oxysänren spalten in der Kegel beim Erhitzen für siel
schon beim Kochen mit Natronlauge* — Wasser ab, um in unge
Säuren (und zwar der Hanptmenge nach in J'''^-Sänren) übe
(vgl. S. 488), z. B.:
CH,CH(OH)-CH,-COtB = CH,-CH:CH-CO,H + H,0.
;'-Oxysänren sind dagegen schon bei gewöhnlicher od
erhöhter Temperatur zur Wasser ab Spaltung und Bildung von
Anhydriden (/-Lactonen) geneigt, welche durch Anhydrisir
sehen der alkoholischen Hydroxylgruppe und der Carboxylgrup
und desselben Molecüls entstehen:
CH,.CH,-CH,CO " CH,.CH,-CH,CO
OH OH \o^
diese Neigung ist so gross, dass die ^'-Oxysäuren in der Regel
theils selbst in wässriger Lösung langsam schon bei gewöhnliche
ratur, momentan bei Siedehitze in Wasser und Anhydride
Die Produkte dieser Wasserabspaltung — die Lactone, derei
' Vgl- AascBfm a. Piditbt, B«r. 13, 1178 (1880).
' Vgl. Frrria, B«r, 26, 40 (1893).
744 Verhalten der Oxy säuren hei der WasserahspaUung und Reduothn.
Kenntniss wir Fittig verdanken, — werden später näher charakterisirt
werden (S. 760 ff.). Aus mehrbasischen Säuren können sich Lactonsäureu :
/COjH QQ TT
CH,.CH-CH_CH,CO _ j^q ^ CH,CH-Ch/ci4
OH OH i ^
auch Dilactoue:
CO,H 0 CO
I I 1
CH(OH).CH(OH).CH(Oir).CH(OH)- 2H,0 = CH(0H)CH.CH.CH(OH)
I ■ II
CO,H CO 0
bilden.
Auch für d'-Oxysäuren (vgl. S. 765) hat sich ergeben, dass sie
leicht schon in wässriger Lösung Wasser unter Bildung von (^'-Lactonen
abspalten :
CHg . CH(OH) . CH, . CHj • CH, • CO • OH = CH, • CH • CH, • CH, • CH, • CO .
Diese Erscheinungen erinneni sofort an die durchaus analogen
Beobachtungen über die Anhydridbildung zweibasischer Säuren (vgl. S. 642).
Sie illustriren besonders deutlich die Tendenz, welche allgemein zui-
Bildung fünf- und sechsgliedriger Ringsysteme besteht, und werden durch
die S. 643 angestellten, stereochemischen Erwägungen verständlich.
Betreffs des Verhaltens der Oxysäuren sei ferner hier mitgetheilt.
dass man durch erschöpfende Behandlung mit Jodwasserstoff ihi*e
alkoholischen Hydroxylgruppen durch Wasserstoff ersetzen und sie dem-
nach auf hydroxylfreie Carbonsäuren zurückfuhren kann. Dies Ver-
halten ist iiamentlich für die Constitutionsermittelung complicirt^rer
Säuren sehr wichtig. Wenn man z. B. aus einer Hexaoxyheptylsäure
durch Reduction normale Heptylsäure:
CHg • CH) • CHg • CH| • CHj • CH2 • COjH
erhält, so ist damit für jene Säure die Structur:
CH,(OH) . CH(OH) . CH{ÖH) • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CO,H
so gut wie erwiesen, da sie einerseits nach diesem Befund eine normale
Kohlenstoffkette enthalten muss, da wir andererseits wissen, dass mehrere
Hydroxylgruppen sich an einem und demselben Kohlenstoffatom nur in
Ausnahmefällen halten können. Bei den Untersuchungen über die den
Zuckerarten nahestehenden Säuren hat man häufig durch diese Reactiou
Aufschlüsse erhalten, die für die Beurtheilung der Constitution der
Zuckerarten selbst entscheidend waren (vgl. S. 784 — 785).
Die Stärke der Carbonsäuren nimmt im Allgemeinen durch die Ein-
führung von alkoholischen Hydroxylgruppen zu, und zwar um so mehr,
je näher die Hydroxylgruppe der Carboxylgruppe steht. Es erhellt
dies namentlich, wenn man die der Propionsäure, a- und /9-Oxypropion-
Schwefelverbindungen, ivelehe den Oxysäuren entsprceJien, t
ääure entsprechenden Werthe der DisBOciationsconstante K (v
neben einander stellt:
CH,-CH,-CO,H:0-00134.
CH,-CH(OH)-CO,H: 0-0138.
CH,(OH)-CH,-CO,H:0003n.
Deu Oiysäureii entsprechende Schwefelverbindnngen (J
i<Ünren oder Sulfhydrylsäuren) erhält man aus den halogcnirten S
Umsetzung mit Katiumsulf liydrat, e, B. :
CH,CICO,H + KSH = CH^SH).CO,H + KCl.
Sic vereinigen die Charaktere der Carbonsöuren und Mercaptanc in e
lier WasaerstotT der Carboiylgruppe wie auch deijenige der Sutfhydryl]
durch Metallatome vertreten werden. Durch gelinde wirkende Oij"
werden eie in DisulfidsBuren', wie CO,HCH,.S-S-CH,-COiH, verw
Durch Umsebsung von halogenirteu S&uren mit Natriumsulfid oi
jnercaptiden gewinnt man SulfidaJtnren*, z. B.:
Na,S + 2C1-0H, CO,H = S(CH,-CO,H), + 2NaCl
C,HsSNa + 01-CH,-C0,-C,H, = 0,H.-S-CH,-CO,.C,H, + N
welche durch Kalininpennanganat zu Sulfoncarbons&uren oiydirt w
S(CH,-CO,H), + 20 = SO,{CH,-CO,HI,.
In den Estern der Sulfoncarboneäuren sind Khnlich, wie im Malotiaäu
l'<itvsulfonen etc., die an Kohlenstoff gebundenen Wasserstuffiitome, di(
iii'pitivc Gruppen beeinfluast werden, gegen Metallatume und Alkylreatc i
(vgl. S. 651—653), z. B.:
,CHNaCO,C^Ht ,CH(CH3)C0,.C,H,
80,< + 2CH^ = S0,< + :
^CHNa . CO, CjH; ^CH(CH3) CO, C,H,
Durch Umsetzung der HalogcufettsSurcn mit sullinsauren Salzen (vg
langt man zu Alkylsulfonearboneäuren:
C,H,-SO.-Na + CHrJ CH,CO,H = C,H,,-SO,-CH,-CH,-CO,H ^
unter letzteren sind diejenigen, welche zwischen der Sulfongruppe ui
pruppe nur eine Methylengruppe enthalten, leieht durch Erhitzen in
und Sulfone spaltbar;
C,Ht-SOi-CH,.CO,H = C,H6-S0,CH, +C0,,
wahrend diejenigen, deren Sulfou- und Carboiylgruppe durch inchrei
piippen getrennt sind, eine analoge Spaltung schwer oder nicht erleidi
analoge Verhalten der Kefousäureii in Kap. 39).
Dnrch Oiydatiou der Mercaptansäuren kommt man zu Säuri'n, wel
die Sulfogrnppe SOjH und die Carboxylgruppe enthalten (Carboaulfonsi
CH,{SHl-CO,H + 0, = CH^SO,H)-COiH ;
^''lchc RäuTcti können auch durch Einwirkung von Schwefclsäurcanhydric
^iilfoiisfiure* auf die Fettsäuren:
CH,.CO,H + SO, = CH,(SO,H)-CO,H,
' Vgl. CLAE880N, Ber. 14, 409 (1881).
* AsuuEASCB, Ber. 12, 1390 (1890). — I-oveh, Ber. 17, 2ölH (1884)
» R. n. W. Otto, Ber. 21, 992 (1889).
' Vgl. Hemilian, Ann. 170, 1 (1874).
746 Glykolsäure,
durch Einwirkung von gewöhnlicher concentrirter Schwefelsäure auf die Fettsaure-
anhydrideS durch Umsetzung von halogenirten Säuren mit Alkalisulfiten':
Na,SOa + CHjClCOjH = CH,(SOsNa).CO,H + NaCl
und durch Erhitzen von ungesättigten Säuren mit Alkalisulfiten ^ gewonnen werden.
I. Monohydroxylderivate der Fettsäuren.
Allgemeine Zusammensetzung C^Hg^Oj.
Von dem ersten Glied der Fettsäurereihe — der Ameisensäure
H-COOH — könnte die Oxysäure
OH. CO. OH
abgeleitet werden: das hypothetische Hydrat der Kohlensäure. Diese
Verbindung ist aber nicht eigentlich als Alkoholsäure aufzufassen. d;i
ihre beiden Hydroxylgruppen gleichartig gebunden sind; ihre zahl-
reichen organischen Derivate sollen daher an dieser Stelle nicht be-
sprochen, vielmehr im Zusammenhang später (Kap. 41) geschildert wer-
den. Wahre Alkoholsäuren, in deren Molecül man Hydroxylgruppe!)
mit alkoholischer und mit saurer Function unterscheiden kann, können erst
von der Essigsäure und allen höheren Homologen abgeleitet werden.
A. a-Oxysäuren.
(Jlykolsäure* C^H^Og = CHa(0H).C02H — das Hydroxylderivat der
Essigsäure — ist die denkbar einfachste Alkoholsäure. Ihre Constitution
ergiebt sich durch die auch zur Darstellung® am besten brauchbare
Bildung aus Monochloressigsäure® (durch Kochen mit Wasser allein oder
mit Wasser und Marmorpulter) :
CH,a.CO,H -f- H-OH = CH,(OH).CO,H + HCl
und aus ihrer Entstehung durch Verseifung des Formaldehydcyanhydrins'.
Interessant ist ferner ihre Bildung aus anderen theils weniger hoch,
theils höher oxydirten Sauerstoffderivaten des Aethans; durch Oxydation
mit Salpetersäure entsteht sie neben anderen Produkten aus Aethyl-
alkohol® und GlykoP, umgekehrt durch Reduktion mit nascirendem
* Fban(;himont, Rec. trav. chiin. 7, 26 (1888).
* Strecker, Ann. 148, 90 (1868).
^ Beifstein u. Wiegand, Ber. 18, 483 (1885).
* YjTste Charakterisiniug vgl. bei Socoloff u. Stke(;ker, Ann. 80, 3T (1S5P.
* Hölzer, Her. 16, 2954 (1883).
« Hoffmann u. KEKUi/fe, Ann. 105, 286 (1858). — Thomson, Ann. 200, 76 (1880;.
^ Henry, Compt. rend. 110, 760 (1890).
** Debus, Ann. 100, 1 (1856). — CloKz, Ann. 84, 282 (1852). — Deechsbl, Ann.
127, 750 (1863). — Fahlberg, J. pr. [2] 7, 829 (1873).
ö WüRTz, Ann. 103, 366 (1857).
Anhydride der Glyliolsäwe.
Wasserstoff aus Oxalsäure^. Sehr häufig wird sie äuB Zuckerart
sonders reichlich aus Fruchtzucker) und ihneu naheetehenden De
bei der Oxydatiou mit Silberoxyd erhalten, durch die gleiche Reactic
aus Glycerin'. Natürlich gebildet, ist sie iu den unreifen Weintri
hl den Blättern des wilden Weins* und im Rübensaft^ beobacht
Reine (rlykolsäure bildet luftbeständige Krystalle, welche bei 7
schmelzen und in Wasser sehr leicht löslich sind. Durch Salpet
wird Glykolaäure zu Oxalsäure oxydirt. Ihr Calciumsalz* (CgHgOg)^!
stallisirt in feinen Nadeln, enthält über Schwefelsäure getrocknet
Krystallwasser, löst sich bei 15« in 80 Th., bei 100* in 19 Th. 1
Anhydride der OlykolsBnre. Beim Erhitzen erleidet die GlykolsSure
ahapaltung; ea cnteteht znnfichst (bei ca. 100°) ein Anhydrid'-* von der Zoi
setsimg CjHjOs (= 2G,HiO, - H,0), welches ein weisses krystailiniBchea
darstellt, in Aetber, Alkohol and kaltem Wasser nicht löslich ist, bei li
:«'hinilzt und beim Kochen mit Wasser zii GljkolsSure gelöst wird. Bei sl
Erhitzen (anf ca. 240 — 280°) entsteht neben geringen Mengen von Oiymethylei
PolyglykoHd» iC.HjO,^ (= jC,HjO, - xH,0), welches zweckmSssigei
liiugeres Erhitzen von trockenem cbloressigsanrem Natrinm auf ISO° dargeet«
eiti leichtes, weisses, geschmackloHee Pulver bildet, bei 223° «chmiht, in
lacht löslich ist, bei längerem Erhitzen mit Wasser aber Glykolsfiure, mit
GlTkolsSurefithylester bildet. Dss eigentliche Glykolid''' (Diglfkolid) C,
CH,-0-CO
i(vgl. Lactid, S. 154) erhält mau, wenn man die Glykolsäure '
Polvglykolid oder bromeHsigMauroH Natrium im Vacuum destillirt; es bildel
irlSnzende BIfittcr, schmilzt hei 86—87°, ist in kaltem Alkohol schwer, in
leicht löslieh und geht beim Erhitzen fiir sieb in Polyglykolid über.
Als älberartiges und daher schwer hydrirbares Anhydrid der GlykoIsSi
femer die DiglykolsÄHro" C^HgO, = 0< aufgefasst werden, wi
\CH,.CO,H
' ScHULTZE, Jb. 1863, 284. — Crohhvdis, Bidl. 27, 3 (1876). — Forcha'
39, 310 (1883). — Balbiano u. Ai:Essi, Ber. 15, 3236 (1882).
* KiUAHi, Ann. 306, 168, 191 (1880). Ber. 16, 2414 (1883).
' ER1.ENHEYEB, Ztschr. Chem. 1866, 639. * Gobup, Ann. 161, 22
' V. Ldtmamn, Ber. 34, 8303 (1891).
' Vgl. über Salze: Schreibeb, J. pr. 12] 13, 436 (1876). — Heihtä. .)'
M2: 1861, 439. — KEKm,£, Ann. 105. 290 (1858). — Naitwakn, Ann. 129, 2:
- Fahldebo, J. pr. [2] 7, 337 (1873). — BüTTuiaER, Ann. 198, 227 (1
FoHCBAKn, Gompt. rend. 98, 1728 (1883). Ball. 39, 309, 401 (1BB3).
' Fahlbebo, J. pr. [2j 7, 329 (1873). ' Thomson, Ann. 200, 79 (1
* Deshaionbs, Ann. 89, 342 (1854). — Heintz, Jb. 1859, 362. — Keki
105, 288. — Norton u. Tscherhiak, Bull. 30, 102, 109 (1878). — Anschötz,
SSIl (1892).
'" BiscHOFP u. WAi.r.BN, Her. 26, 262 (1893). — AnschOtz, ehenda, 560
" WcBTz, Ann. eh. [3] 69, 342 (1863). — Heintj, Jb. 1859, 363; IS
Ann. 138, 129 (1863); 130, 257 (1864); 138, 40 (1865); 144, 91, 95 (1867);
iIRfifl). ~ Mons. Ztschr. Chem. 1886, 497. — Schreiber, J. pr. [2] 13, 486 (
Aa^lhütz u. Bieknacx, Ann. 273, 64 (1892).
748 Aether und Ester der Olykolsäure.
Glykolsäure in demselben Verhältniss wie Aether zu Alkohol steht. Sie wird direct
als Hauptprodukt aus Chloressigsäure neben Glykolsfiure (vgl. S. 746) durch 'Rochen
mit Kalkmilch (oder Baiyt, Strontian^ Lithion, dagegen nicht mit Kali^ Natron,
Zinkozydy Thonerde) gewonnen:
2CH,Cl.C0oH + H,0 = (XCHj.COäH), + 2Ha
und bildet sich femer durch Oxydation des Diäthylenalkohols 0(CH,'CHj-OH|, (vpl.
S. 567). Sie ist eine starke zweibaaische Säure, krystalHsirt in rhombischen Prismen,
schmilzt bei 148®, ist in Wasser und Alkohol leicht löslich und wird erst durch Er-
hitzen mit rauchender Salzsäure auf 120 — 140® gespalten — und zwar in Monochlor-
i'ssigsäure und Glykolsäure. Durch Erhitzen mit Acetylchlorid oder durch Destil-
lation unter vermindertem Druck liefert sie das Diglykolsäureanhydrid^
.CH,-CO.
C4H4O4 = CK^ \0 , welches aus Chloroform in langen Spieesen kryßtalHsdrt,
bei 97® schmilzt, unter 12 mm Druck bei 120® siedet und durch Wasser leicht in
Diglykolsäure verwandelt wird.
Aether- nnd esterartige Derivate der 6rly]Lol6änre.
Glykolsäureäthylester* CH4(OH)-CO-0*C2H5 — am bequemsten wohl au-
l^olyglykolid durch Erhitzen mit absolutem Alkohol auf 200® erhältlich — siedet
bei 160® und besitzt bei 0® das spec. Gew. 1-108.
Alkylglykolsäuren' CH^fO • R) • CO^H werden aus Chloressigsänre, Alkyl-
glykolsäureester CHo(0R)-C03R aus Chloressigsäureestem durch Einwirkung von
Natriumalkoholaten gewonnen. Aethylglykolsäure '•'•* CH^I 0 • C2H5) • CO^H ist eine
bei 206—207® siedende, Aethylglykolsäureester CHj(Ö • C.HO • CO^ • CA eino
bei 152® siedende Flüssigkeit (spec. Gew. bei 0®: 1-000).
Acylglykolsäureester*^ CHafO • CO • R) • CO...R werde« durch Umsetzung von
Natriumsalzen der Fettsäuren mit Chloressigestern gewonnen, z. B.:
CH3.CO.OKa + CH.ClCO.CsHs = NaCl -f-CHgCO.O.CHsCOj.CÄ.
Acetylglykolsäureester CH3 . CO . 0 • CR. . CO^ • C.H^ ist eine bei 175-177» sIp-
dende Flüssigkeit vom spec. Gew. 1.099 bei 13®.
Bezüglich der Verseif barkeit dieser Glykolsäurederivate besteht nattirlich eine
grosse Verschiedenheit, je nachdem es gilt, eine ätherartige oder esterartige Sauer-
stoffbindung zu l<)sen. Glykolsäureäthylester und Acetylglykolsäureester werden
leicht verseift, Aethylglykolsäure wird schwer gespalten, Aethylglykolsäureester wird
leicht zur Hälfte verseift etc.
Ueber Dichlorglykolsäureester vgl. S. 648.
^ AnsohCtz, Ann. 259, 187 (1890).
« Heintz, Jb. 1861. 446. Ann. 123, 326 (1862); 129, 39 (1863). — Nortox u.
TscHERNiAK, Bull. 30, 108, 109 (1878). — Schkeiner, Ann. 197, 5 (1879).
3 Heintz, Jb. 1869, 360; 1860, 314.
* Geuther u. Wackenroder, Ztschr. Chem. 1867, 708. — Henry, Bcr. 2, 27ß
(1869); 4, 706 (1871). — Geuther u. Brockhopp, J. pr. [2] 7, 115 (1873). — Föu^mo,
Rer. 17, 486, 669 (1884). — Curtius, J. -pr. [2! 38, 425 (1888).
^ Hetntz, Ann. 123, 328 (1862). — Gal, Ann. 142, 870 (1867). — Sbwff. Ann.
308, 270 (188X), — CuETiüs, Ber. 17, 1674 (1884). J. pr.l[2] 38, .426 (1888).
Sdacefetderivate der Qlykolsäure.
SfkirefeId«iiTate der OljkalsXiire (Bildung und Cbtuakter vg). S. '
ThioglykoUaure' CH,|bH)-CO^ ist ein mit Wasser, Alkohol m
miechbares Oel, das beim Erhitzen zersetct wird. Sie leigt ein sehr charakt«
Verhalten gegen ElBenchlorid; versetzt man ihre verdünnte wSssrige Li
einem Tropfen verdünnter EiseDchloridlösung und nacht darauf mit einigei
Ammoniak alkalisch, so erhält man eine intensiv roth gefSrbte Flüsaigk
. eiuigem Stehen verhlaast die F&rbuug, kehrt aber wieder, venu man die I
Luft schüttelt - DithioglykoUäure» CO,HCH,S-S-CU,-CO,H bildet
vom Schmelzpunkt 100°, ist in Wasser sehr leicht löslich, giebt mit Eif
keine Farbenreaction ond wird von Zink und Schwefelsäure leicht EU Tl
s&nre redncirt — Thiodiglykolsäure'' CO,H-CH,-S-CH,-CO^ bil
lose, dünne rhombiBche Tafeln, schmilzt bei 129", lost sich in 2-37 Th. W
lä° und giebt mit Eisenchlorid keine Farbenreaction. — Ein den Sulfinvert
entsprechendes Thioderivat der Glykokäure ist die Dimethylthetindi
CO,H-CH,. ,CH,CO
eiure* 7^ i welche doich Addition von Chloreasii
CO,H-CH,/ ^0
Thiüdiglykolsfiure gewonnen werden kann und farblose Kiystalle vom Schi
167-15»° bildet
Sulfondiesaigaäure» CO,H.CH,SO,CH,CO,H krystaUisirt in rho
l'afeln, achmiln bei 182°, ist in Wasser nnd Alkohol sehr leicht, in Aetl
weuiger leicht ISslich und liefert beim Erhitzen mit Baryt wasser auf 130 —
beim Erhitzen für sich gegen 200° Dimetbylsnlfon. — Aethybulfuness.
C,H,-SO,'CHa-CO,U bildet einen farblosen Syrup, der zwischen H^O" ua<
Kohlens&ure und MethylSthylsulfon zerfUlt; in wüssriger Lüauiig mit Brom
liefert sie unter KohlensJtureentwiokelung ein Dibromdcrivat des MetbylÜth
vun Zink und SalzsSure wird sie schnell unter Bildung vou Aethyli
reducirt
SulfoesaigBäure' CH^SO,H)-CO,H (vgl. S. 577 und 746-7*6) fcrysta
Wasser in zerfliesslichen wasserbaltigeu Krystallen, die bei e^va 75° »
verliert hei etwa 160° Wasser, indem sie sich stark tarbt, und entwickelt
Kohlensäure, indem gleichzeitig Essigsfiurt; Uberdestillirt; das CalciumsalzCi
KDth<, bei 240° getrocknet, noch 1 Mol. Wasser.
Von Interense ist es, die GlykolsSure, ihre Aethcrsäuren und Sehwefi
' Cawds, Ann. 124, 40 (1862). — Heimtz, Ann. 136, 241 (ISe.'j). — W
Ami. 148, 145 (186S). — Sumbms, Her. 6, 659 (1873). — Clarsson, Ann.
U877). — BöTTiKOKH, Ann. IDB, 215 (1879> — Amikeabcb, Ber. 12, 1385, 13
- C. LiEEEBMANN u. Lanoe, Ann. 207, 124 (lä81). Ber. 14, 1265 (1881). — Gi.
BuNDzi-NSEi, Ber. 19, 115 (1886). ~ Uonoartz, Ber. 19, 1931 (1886); 21, 4
• Claebso«, Ber. 14, 409 [1878). — Ginsbuko u. Bonpzvnsiii, Ber. 19, I
' ScHULTZE, ZtBclir. Chem. 1866, 73; 1866, 181. — Heiktz, Ann.
I16G5). — WisucBKüs, Ann. 146, 153 (1868). — Schreiber, J. pr. |2| 13, 4'
— AxDOEABca, Ber. 12, 1390 (1879). — Lbvi, Ber. 24c, 9 (1891). — Av
U1EIUU.U1, Ann. 273, 68 (1892).
• Dälibib, Ber. 26, 2«0 (1B92). ' Lovi«, Ber. 17, 2817 (1884
• CuRssoB, Jh. 1876, 514. J. pr. [2] 16, 223 (1877). — R. u. W. C
21, SS2 (I8a8>
' Mklsbwb, Ann. 62, 276 (1844). — Cariob, Ann. 124, 52 (1862). — (
Ann. 148, 109 (ISSB). — Sikmkms, Ber. 6, 659 (1873j. — Andreasch, Ber.
iieeo). — Cam, Ber. 14, 64 (18ÖI), — FsAMcHuioiiT, Jb. ISSl, 859. Reo. ti
1, 25 1I888). — HANzBuns, Ber. 21, 155Ü (1888).
750 Milchsäuregährung,
unter einander und mit der Essigsäure in Bezug auf ihre Stfirke zu vergleicheu; ea
sind die folgenden Dissociationsconstanten^ K (vgl. S. 640) gefunden:
Essigsäure: 0*0018.
Glykols^ure : 0* 0152.
Methylgljkolsäure : 0 • 0335.
AethylglykoLsäure : 0-0234.
Diglykolsäure : 0-11.
Thioglykolsäure : 0 • 0225.
Thiodiglykolsäure : 0 048.
Dithioglykolsäure : 0 • 065.
Sehr auffallend erscheint, dass die Diglykolsäure etwa siebenmal so stark ist wie
die Glykolsäure, während Thiodiglykolsäure nur etwa den doppelten Werth der
Thioglykolsäure erreicht und an Stärke hinter der Diglykolsäure zurückbleibt
«^-Oxyproplonsäure C3H^03 = CH3CH(OH)-COj,H wird gewöhnlich
als Gährungsmilchsäure, Aethylidenmilchsäure oder auch al^
Mllehsänre schlechtweg bezeichnet. Sie wurde 1780 von Scheblb in
der sauren Milch entdeckt. Ihr wichtigster Bildungsprocess ist die so
genannte „Milchsäuregährung***, welche Zuckerarten — Milchzucker.
Rohrzucker, Traubenzucker — leicht bei einer Temperatur von 30—40'
in Gegenwart von faulenden Eiweissstoffen oder besser in Gegenwart (le>
rein gezüchteten Milchsäureferments und geeigneter NährstoflFe erleiden
(vgl. S. 174). Das Ferment, das diese Gährung bewirkt, ist gegen freie
Säure sehr empfindlich; das durch die Gährung erzeugte Produkt hemnii
daher die Lebensthätigkeit der Gährungserreger. Von diesem Umstand
zieht man in den Kunsthefemaischen (vgl. S. 174) der Spiritusbrennereien
Nutzen: man führt hier zunächst absichtlich für kurze Zeit eine Milch-
säuregährung herbei, um in der gebildeten Milchsäure ein Gift für dif
Spaltpilze zu erzeugen; bei der darauf eingeleiteten alkoholischen Gährung
können sich dann die Hefepilze, die gegen die geringe Menge freier
Säure unempfindlich sind, ungestört von Spaltpilzen entwickehi, und
man erhält nun eine Hefecultur, welche zur Hervorrufung einer mögliebt
reinen alkoholischen Gährung geeignet ist und demnach zur Aussaat für
die Branntweinmaische benutzt werden kann. WiU man aber die Milch-
säuregährung zur Darstellung der Milchsäure^ benutzen, sie also möglichst
lange in Gang erhalten, so muss man natürlich das Gähiningsgemiseb
neutral erhalten; es geschieht dies, indem man von vornherein znr
Sättigung der entstehenden Säure eine genügende Menge Calciumcarboiwt
oder Zinkcarbonat zusetzt. Bei zu lange dauernder Gährung epüegen
die zunächst entstandenen niilchsauren Salze wieder-ihrerseits einer Um-
wandlung durch Gährung; es bilden sich Fettsäuren (vgl. S. 753 und
„Buttersäur egährung*' S. 326).
» OsTWALD, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 182 flP. (1889).
* Vgl. A. Mayer, Jahrbuch d. Chemie v. Richakd Meyer 1891, 368.
' Vgl. Bensch, Airn. 61, 174 (1847). — Lautemann, Auu. 113, 242 (1859). -
Harz, Jb. 1871, 560.
Oetvöknliehe Milchsäure.
Ana Zncherarten (Damentlich reichlich aus Livei'tzacker) i
Milchsäure ferner durch Erwärmen mit Alkalien ' (Milchsäure
dabei- anch in der Melasse); diese Bildung kann vortheilbaft
stellang der Milchsäure im Laboratorium dienen.
500 g Bohrsncber werden mit 250 g Wssaer und 10 ccm Schwef
3 Th. conc HjSO* und 4 Th. Waaaer gemiacht) 3 St hehufii Invertir
ertutEt Zu der erhaltenen Invertzuckeriösang giebt man unter Abk
hfinfigem UmBchwenken 400 ccm Natronlange (aus 1 Th. Aetznatron und 1
in Portionen von je 50 ccm. Man erwftrmt darauf auf 60—70°, bis ein
kochenden Wasserbade FEHLiHo'scbe Lösung ohne Abacheidung Ton F
uur mehr grün fSrbt, kühlt nun wieder ab und lässt die zur NeutratiBatio
verwendeten Aetcnatrons erforderliche Menge SchwefelB&nre tou der oben :
VerdOnniiDg zuflieseen (SchwefelsSure und Natronlauge mDssen vorher
tion auf einander eingestellt sein). Durch Abkühlen, Sinwerfeu eines
kryatalls und Schütteln bewirkt man möglichst rasche Abscheidung d
Sulfats, Ifisst 12—24 St. stehen, gieht dann unter Umschüttelu Alkohi
zu, bis auf weiteren Zusatz keine Abacheidnug mehr erfolgt und aaa
tilaubersals ab. Wenn man jetzt die Hälfte der alkoholischen Löaung
bade mit Zinkcarhonat ueutraliairt, kochend heiss filtrirt und mit der an
vereinigt, so erhält man eine reichliche Krjetalliaation von milchaauren
Fttr die techniacbe Danteilung' dürfte indess das Gähningsver
Anwendung von Tranbenzacker bezw. StäAe rationeller sein. Milch
einstweilen nur in der Phannacie praktiaehe Verwendung; doch denkt
im Itreniiereigewerbe zur Hefezüchtung fertige MÜchsSure zu verwenden
.Milchsäure erst in den Hefemaiacheu eiistehen zu lassen (Tgl. 8. 750).
Die Gährungsmilchsäure ist unzweifelhaft als a-Oxypropio
zusprechen, da sie durch Kochen von ot-Chlorpropionsäure ' mi
durch Oxydation von Propylenglykol (S. 568)*, aus Acetaldet
Anlagerang von Blausäure und Verseifung des Cyauhydrina erb:
Sie findet sich im Opium ^
Als Säurehydrat läast sich die Milchsäure wegen ihrer N
Wasserabspaltung in ganz reinem Zustand nicht gewinnen; s
Verdunsten ihrer concentrirten Lösung über Schwefelsäure bi
liehe? Temperatur findet theilweise Anhydridbildung statt. Ii
mncentrirtem Zustand stellt sie einen Syrup vom spec. Gew.^
15" dar, der mit Wasser and Alkohol mischbar ist; als Syrup
' HoppE-S»YUtB, Ber. 4, 346 (1871). — Kuum, Her. X5, 13(1. 6
ItErraife«, P^rkds q. Tollens, Ann. 366, 222. 228 (1889J. — Nbncki u. I
,2| 24, 498 (18B1).
* JACttUBiaH, Bnll. [3] 6, 294 (1691). — Labbieu, Cüthencr Chem.
(1891).
* Fbirdkl d. Hachuoa, Ann. 120, 285 (1861). — Bni»', Ann. 140, I
TuuMsoK, Ann. 200, 79 (1880).
* Woarrz, Ann. 106, 206 (18gB); 107, 192 (1856).
' WisüCBKOB, Ann. 128, U (1863).
* SuTH Jb. 1863, Ö38. — Bdckanak, Ber. 3, 132 (1870).
' HB)(i>£LEjitw, Jb. 1860, 7.
752 ReckismücJisäure und Linksmüohsäure,
Gew. 1-21 — 1-22 (entsprechend einem Gehalt von etwa 80 ^/^ Säure-
hydrat) ist sie officinell.
Unter den Salzen^ der gewöhnlichen Milchsäure (Lactaten) ist be-
sonders charakteristisch das Zinksalz (CgHgOg)jZn + SH^O , welches
sich in Krystallkrusten abscheidet, die aus kleinen rhombischen Prismen
bestehen, und bei 100^ sein Krystallwasser verliert; das wasserfreie Salz
löst sich in etwa 50 Th. Wasser von 10^, in 6 Th. kochendem Wasser;
in Alkohol ist es fast unlöslich.
Die synthetisch gewonnene Milchsäure, die gewöhnliche Gährungs-
milchsäure und die Opiummilchsäure sind optisch inactiv; da das Milch-
säuremolecül ein asymmetrisches Kohlenstoffatom enthält, so hat man die
Milchsäure dieser Herkunft mithin als die durch Vereinigung von ßecht<-
und Linksmilchsäure entstehende inactive Modification aufzufassen.
Eine optisch actlre Milchs&nre ist zuerst als Naturprodukt auf-
gefunden und besonders von Wislicenus ausfuhrlich untersucht; sie ist
von Liebig in der Fleischfiilssigkeit entdeckt, findet sich im Blut, wird
am besten aus Fleischextract dargestellt und entsteht auch unter beson-
deren Bedingungen aus Zuckerarten neben gewöhnlicher Milchsäure durch
(rähning, z. B. wenn letztere durch ein aus der todten Magenschleini-
haut des Schweines sich erzeugendes geformtes Ferment bewirkt wir<i.
Sie wird von der gewöhnlichen Milchsäure als Fleischmilchsäure.
Paramilchsäure oder besser als Beehtsmilchsäure^ unterschieden, ist
derselben in den äusseren Eigenschaften ausserordentlich ähnlich, zeigt
bei Umsetzungen ganz dasselbe Verhalten und besitzt daher jedenfalls die
gleiche Structur. Aber sie dreht die Polarisationsebene des Lichtes nach
rechts und giebt optisch active Salze und Ester. Ln Vacuum über
Scliwefelsäuie liefert sie Anhydride, welche im Gegensatz zum Säui*e-
hydrat stark nach links drehen; bei längerem Erhitzen auf 130 — 150"
aber geht sie in die optisch inactiven Anhydride der gewöhnlichen Milch-
säure über. Die Salze der Rechtsmilchsäure unterscheiden sich von
den gewöhnlichen Lactaten meist durch den Wassergehalt und grössere
Löslichkeit; sie sind linksdrehend. Das Zinksalz enthält 2 Mol. Kry-
stallwasser und löst sich in etwa 17-5 Th. Wasser von 14 — 15^ (aul
wasserhaltiges Salz berechnet).
Die zweite optisch active Milchsäuremodification^ die Linksmileh-
säure, ist zuerst von Schabdikgeb^ aus Rohrzucker durch Vergähning
* Vgl. Enqelhardt u. Maddrell, Ann. 63, 88 (1847). — Brükiko, Ann. 104.
192 (1857). — H. Meyer, Ber. 19, 2454(1886). — Kachler, Monatsh. 12, 348 (1891).
« LiEBia, Ann. 62, 326 (1847). — Enqelhardt, Ann. 65, 359 (1848). — Streckkb.
Ann. 105, 318 (1858); 123, 354 (1862). — Dossios, Ztschr. Chem. 1866, 449. -
ScHüLTZEN, Ztschr. Cham. 1867, 138. — Wislicenus, Ann. 167, 302 (187.3). — Maly,
Her. 7, 1567 (1874). — Berunerblaü, Jb. 1887, 2329. — Klimenko, Ber. 22, .SlM*
(1889). — Nencki u. Sieber, Monatsh. 10, 532 (1889). — Irisawa, Ztochr. f. phyml
Chem. 17, 340 (1892).
l Munatsh. 11, 545 (1890).
Umseixunffen der Milchsäure.
mittelst des Bacillus acidi laevolactici — eines Spaltpilzes, di
Brunnenwasser bestimmter Provenienz aufgefanden wurde, -
worden. Sie dreht als Säurehydrat nach links, bildet aber
and Salze, welche nach rechts drelieu. Ihr Zinksalz zeigt d
Krystallwass ergebalt und die gleiche Löslicbkeit wie das i
saure Zink.
Die beiden optisch activen Modificationen können nun .
Spaltung aus der gewöhnlichen inactiven Milchsäure bergestel
die Spaltung ist Pubdie und Waikee durch fractionirte Kr]
des Strychninsalzes gelungen (Näheres über derartige Method
Tranbensäure, S. 809); das Strycbninsalz der Linksmilchsäure i
löshch als dasjenige der Bechtsmüchsäure.
Wenn man die Zinksalze der beiden activen Säuren :
Mengen in Wasser löst, die Lösungen mit einander mischt ut
siren lässt, so schiesst das schwerer lösliche Zinksalz der g(
Milchsäure mit 3 Mol. Rrystallwasser an.
Die Forderungen der stereochemischen Theorie finden i
durch die Beziehungen der drei Milchsänremodificationen zu
Tollkommenster Weise bestätigt.
Unter den Umsetzungen der MiichMäure ist die Spaitu
aldehyd und Ameisensäure zu erwähnen, welche sie beim E
verdünnter Schwefelsäure erleidet (vgl. S. 404):
/0-H
"^ - CH,.CHO + HCOOHi
eine analoge Spaltung ist bei vieleu a-Oxysäuren beobachtel
loales Verhalten vgl. S. 757 bei Tert.-Butjloxyesaig8äure) ; sie i
massen die Umkehrung der "Synthese von Oxysäuren mittelst
hydrine (S. 740 — 741). — Durch Oxydation mittelst Kaliump<
kann man aus Milchsäure Brenztraubensäure CHj-CO-COjH ge
Milchsaurer Kalk wird durch Spaltpilze in Gährung^ versetz
duiig flüchtiger Fettsäuren; man erhält dabei mit gewissen
als Hauptprodukt Buttersäure (vgl. S. 326), mit anderen als
dukt Propionsäure und normale Valeri an säure.
Anhydride der Mllehsliore.Milchaäureanhydrid*CgH,„05f=2C
(ntsleht &11B Milchsäure beim Erhitzen auf 130— 140°, in eiuer trockenei
»cbon bei gewShulicher Temperatur; es bildet eine blasagelbe, leicht sc!
' LEWKOwrrscH, Ber. Id, 2720 (1883). — Tjnosbier, Bull. |3j 6,
PntiME n, Walkeb, Journ. Soc. 61, 754 (1892).
* Beosteiii u. Wieoaud, Ber. 17, 840 (1S84). — Ajubtow u. Dei
20c, 697 (1887).
' Paotedb, Jb. 1862, 477.— Steeckeb, Ann. 93, 80 (1854). — :
1898 (1878); 12, 479 (1879); 13, 1309 (1880); 17, 1188 (1884).
' Pelodze, Ann. 63, 114 (1845). — Enoelhabdt, Abu, 70, 242 (1
ut-EKüB, Adr. 133, 257 (18Ö5); 164, 181 (1872). — von bhr Beüuqen,
1869, 338.
V. Mei-eb u. Jacobson, org. Clieui. I. 48
754 Anhydride, Aether und Ester der Milchsäure.
Wasser kaum lösliche, amorphe Masse und wird durch längeres Sieden mit Wasser,
sofort durch Einwirkung von Basen wieder in Milchsäurehydrat übergeführt. Seine
Constitution entspricht wahrscheinlich der Formel:
CHj • CH(OH) . CO-O— CH • CO,H
I
CH,
da es auch durch Umsetzung von milchsaurem Kalium mit a-Broippropionsäare ge-
wonnen werden kann und, in ätherischer Lösung mit trockenem Ammoniak be-
handelt, in Lactamid und Ammoniumlactat zerfKllt:
CH3.CH(0H).C0~0-CH.C0,H + 2NH8 =
CH,
CHsCH(OH).CO.NH, + OHCHCO^CNHj
CH,
— Lactid* CeH804 (= 2 CaH^O, — 2 H,0) wird am besten erhalten, wenn man anhal-
tend trockene Luft durch auf 150^ erhitzte Milchsäure leitet oder das NatriumsaU
der «-Brompropionsäure im Vacuum destillirt. Eis krystallisirt in farblosen Tafelii.
schmilzt bei 125^, siedet unzersetzt bei 255°, ist in kaltem Wasser kaum, in kaltem
Alkohol schwer löslich und wird durch Erhitzen mit Wasser in Milchsäure zurück-
ver\i'andelt Die Dampfdichte wie auch die durch das Lactid hervorgerufene Gefriw-
punktsemiedrigung beweist die obige Molecularformel ; man hat ihm die Struetnr-
formel des Esteranhydrids:
CHj.CH— 0-CO
CO-O-CH-CHs
beizulegen, da es durch Einwirkimg von trockenem Ammoniak leicht in Lactamid
zerfilllt. Wäre es ein Aetheranhydrid
CHaCH-O-CHCH,
i I
co~o-co
so würde die Aetherbindung yCH— 0 — CH<(^ kaum so leicht gelost werden. — Di-
laetylsäure*» OCCHCCHJCOjH)^, (isomer mit Milchsäureanhydrid) entsteht als
Calciumsalz bei allmählichem Erhitzen von milchsaurem Calcium auf 180^; die üreit'
Säure krystallisirt aus Wasser, worin sie leicht löslich ist, in grossen Prismen vom
Schmelzpunkt 105—107°.
Aether- nnd est«rartig:e MilehsMurederlTate. Milchsäureäthylester***
CH3-CH(OH)«CO,'C2Hß wird durch Erhitzen von Milchsäure mit absolutem Alkohol
auf 160*^ gewonnen, siedet bei 155", besitzt bei 0" das spec. Gew. 1»055 imd winl
CHjCH— Ov
durch Wasser sofort zersetzt. — Milchsäureäthylidenester* | \CHCHj
_ CO-0/
* Gav-Lüssac u. Pkloüze, Ann. 7, 43 (1833). — Pkloüze, 63, 116 (1845 t. —
Enuelhardt, Ann. 70, 245 (1849). — Wisucknüs, Ann. 167, 318 (1873). — Hksrt,
Ber. 7, 753 (1874). — Anschütz, Ber. 25, 3511 (1892). — Bischofp u. Waldkn, l^r.
26, 203 (1893).
* Tanatar u. Tschelebijew, Ber. 23 o, 325 (1890).
' Vgl. auch WüRTz u. Friedel, Ann. eh. [3] 63, 101 (1861). — von de» Brüoqes.
Ann. 148, 224 (1868).
* WiSLiCENüs, Ann. 126, 57 (1863). — Schreiner, Ann. 197, 12 (1879).
" Leipen, Monatsh. 9, 45 (1888).
Chlorderivale der Milchsäure.
— die StammsabstaDE des Chloralids (vgl. S. 866) — wird durch Erhitze:
»iure mit Aldehyd auf ieo° erhalten, ist eine bei 151— 151-5° siedende Rl
wird ron kaltem Wasser langsam, von heisaem Wasser rasch in MilchsHure
ge8pallen.-Äcetyimilch8aure'CH,-CH(0-CO-CH,)-00,H bildet feine
Scbraetzpunkt 166—167°; ihr Zinbsalz (amoiph, gommiartig, in Alkohi
lieh) bildet sich iu geringer Menge beim Kochen der Lösung von milch
und essigsaurem Zink; man findet dasselbe, da in den Muskeln nebei
auch geringe Mengen von Essigsäure vorhanden sind, und grössere Me:
ginnender Fäulniss entstehen, hei der Darstellung von ParamilchsSure
IvgL S. 752) in der Mutterlauge des pei'amilchss.uren Zinks; es wurde fril
tich für dos Salz einer beaoDderen Milchsfinremodification gehalten.
ChlorderiTite der MllohsSnre. ^-Chlormilchafture' CH,CI-C]
(a-Ozy-^Chlorprop ionsäure) entsteht aus Monochloraldehyd durch Aul
Cyanwasserstoff und Verseifong, aus o-Monoclilorhydrin und Epichlorl
Oxydation mit Salpetersäure. Sie bildet glänzende Prismen, schmilzt
liefert, mit alkoholischen Alkalien behandelt, Olycidsäure CH,-CH
\o/
S. 775), bei der Umsetzung mit Silberozyd OlycerinsSure. — Trichlorni
CCla-CH(OH)-CO,H fn-Oiy-ft-Trichlorpropionsäure) ist infolge ihrer En
Chloral durch Anlagerung von Cyanwasserstoff und darauffolgende Vei
leicht zugänglich. Sie bildet hei 115—118" schmelzende Prismen; K =
Erwämien ihres Natriumsalzes in wässriger Lösung tritt Zerfall in C
Kobleusänre und Dichloraldehyd ein; durch Alkalien wird sie in Ameit
Chloral {bczw. Chloroform) gespalten. Ihr Aethylester C,CL,H,Oa-C,]
pnnkt 66—67°, Siedepunkt 233—237°) besitzt schwach saure Eigenschaft
in verdünnten Alkalien und wird aus dieser Lösung dnrch Kohlensäure
getollt, liefert beim Erwärmen mit Natronlauge Turtronsäure CO,H'CI
(vgl S. 791), bei der Beduction mit Zink und Salzsäure als Hauptprod
akiylsfiareester (vgl. S. 731). Ueber Chloralid vgl. S. 86».
Die Homologen der Olykolsäure und AethylldeiiuiJ
küniien iii zwei Gruppen eingetlieilt werden, je nachdem die a
Hydroxylgruppe ähnlich wie in den aecundären oder ähnlich
tertiären Alkoholen gebunden ist:
1 u
R.CH{OH).00,H and NcC0H).C0JI .
Verbindungen beider Gruppen können aus a-bromirten Säi
Äuswechselnng von Brom gegen Hytiroxyl erhalten werden. '
ersten Gruppe entstehen aus Aldehyden, solche der zweiten (
■ SiEOFRie», Ber. 33, 2711 (1SS9|. — Vgl. auch Wibucenti», Ann. IS
' GiJMBKV, Ztschr. Chem. X870, 515. — v. Ricbtkr, J. pr. |2] 30, 1
Mblieow, Ber. 13, 271 (1880). — Fuhk, Ann. 306, 344 (IgtjO). — Beiss
33« (1880).
» PiNNEB u. BiBCHOFF, Ann. 179, 78 (1875). — Pinnbb, Ber. 17,
18, 753 (1885). — Walucb, Ann. 103, 8 (1878). — CtiiSEii u. Antwei
1940 Anm. (1880). — Abscbütz u. Haslam, Ann. 353, 132 (1889). — ]
267, 331 (1890). — Ostwald, Ztschr. f. physik. Cliem. 3, 194 (18H9). —
Ber. 34, 3676 (1891).
' Vgl. Frakblamd u. Dcppa, Ann. 143, 1 (1967).
■48*
756 Bildung sreaciionen für Müchsäurehomologe.
Ketonen durch die Cyanhydrinreaction (vgl. S. 740 — 741). — Für die Syn-
these von Säuren der zweiten Gruppe ist ferner früher vielfach eine von
Fbankland entdeckte Reaction^ benutzt worden, die in der Einwirkung
von Zinkalkylen auf Oxalsäureester besteht und ganz ähnlich der Bildung
von Alkoholen durch Einwirkung von Zinkalkylen auf Aldehyde. Ameisen-
säureester oder Säurechloride (vgl. S. 145 — 146) verläuft:
/OCHj yOCH,
- -f-Zn(CH3), = |\o.Zn.CH3»
COOCHg COOCH,
\0z'n.CH. + Zn(CH.). = Yxg^z'n-CH. + Krn
OOCH, COOCH, ^"»
i
^\o"zn.CH + H,0 = C^gg» +ZnO + CH,.
/CH, /^CH,
I \O.Zn.CH3 + ^2^ - I \0H
COOCH, COOCH,
Durch passende Modificirung kann man diese Reaction auch so leiten,
dass der Ersatz des Sauerstoflfatoms durch zwei verschiedene Alkyl-
reste gelingt. Die nach dieser Reaction gebildeten Säuren wurden
früher häufig mit Namen belegt, die an ihre Entstehung erinnerten,
z. B. Dimethoxalsäure für (CH3)2C(0H)C03H, Methyläthyloxalsäure
für (CH3)(CaHß)C(0H)-C0aH. Rationeller ist es, in den Namen die Be-
ziehungen zur hydroxylfreien Säure mit ebensoviel KohlenstoflFatomen
oder zur Essigsäure zu betonen, also die Säure \C(OH)-COjH ent-
CH,/ i
weder a-Oxyisobuttersäure oder Dimethyloxyessigsäure zu nennen. j
Wie für die Milchsäure selbst, so werden auch für ihre Homologen j
häufig die Zinksalze zur Reinigung und Charakterisirung benutzt Die
niederen und mittleren Glieder der Milchsäurereihe sind in Wasser leicht
löslich. Die Säuren mit einer secundären Alkoholgruppe zeigen analog
der Glykolsäure und Milchsäure grosse Neigung, sich beim Erhitzen oder
beim Verweilen im Exsiccator zu anhydrisiren; im 0-egensatz dazu ver-
tragen die Säuren mit tertiär gebundener Hydroxylgruppe im Allgemeinen
höhere Temperaturen, ohne Wasserabspaltung zu erleiden (vgl. unten
die beiden isomeren a-Oxybuttersäuren).
«-Oxybttttersäureu C4H8O3. Normale a-Oxybutters&ure' C,H8-CH(0H)'
CO^H (Aethyloxyessigsäure) schmilzt bei 42 — 44®, geht beim Destilliren (bei etwa 225*)
theil weise in ein Anhydrid über und liefert bei der Oxydation mit Chromaauregemisch
* Näheres vgl. in Elbs, Synthet. Darstellnngsmethoden I, 27 (Leipzig 1889).
* Naumann, Ann. 119, 115 (1861). ~ Friedel u. Machitca, Ann. 120, 279
(1861). — Mabkownikow, Ann. 163, 242 (1869); 178, 811 (1875). — ScHBKiireR, Ann.
197, 14 (1879). — Thomson, Ann. 200, 83 (1880). — GuTHZiTr, Ann. 209, 234
(1881). — Güstavson u. Demjanow, Ber. 20c, 698 (1887). — Henry, Ber. 24c, 75
(1891). — HisciioFF u. Walden, Ber. 26, 264 (1893).
a-OxyhuUeraüuren, a-Oxyvalerians'iuren und a-OTi/ca)
(-«sigsäurc oiid Propionsäure; ihr Anhjdrid C,H,,Ot wird leiclit
lies Xatriumsalzea der a-BrombutterBäure erliiüten, schmilzt bei +
liei 257—258". - «Oiy isobatterBäure' |,CH,)iO(OH)-CO,H
säure, DimethyloialsÄure , AcetonsBure) sclimilzt bei 78—79°, a
etwa 50°, siedet bei 212° ftwt unEereetzt, ist mit Wnw^rdämpfeii
lii^i der Oxydation mit CbromsSuregemiscb Aceton neben Kohlensfit
a-OxyralerlaBsBuren C,Hi,0, . Normale n-Oxyvaler
CH,-CH(OH)-CO,H (PropyloxyeHsigsfinre) schmilzt bei 31«, gablic
nnhydrisirt sich allmählich im Exsiccator über Schwefelsäure. — n-
sSu're' (CH,),CH-CH{OH)-CO,H awpropylojtyeseigsSure) schmilz
ilurch liüigeres ErbitEen auf 200° ein swischen 220" und 240° siei
bares, bei 136° echmelisendea Anhydrid. — Ae thy I m e th y lo
iC,Hj|(CH,lC(OH)-CO,H schmilzt bei 66° und sablimirt reit^^hlich
rr - OxyeaprOBgluren C,H,,Oj. Normale n-OiycaproDB
CH,CH)OH)CO,H (BntyloiyesaigBäure) vom Schmelzpunkt 60— (
capronsaure erhalten worden, — IsobutylaiyeaaigsSure* (GH,)j
CO,H schmilzt bei 54° nnd anhydrisirt sich beim Erhitzen. —
pasigsSure' (CH,),C.CH(OH)-CO,H schmilzt bei S7-88°; 8i<
Rebandlang mit Schwefelsfinre eine eigenthümlicbe Umlageruni
AmeisensSoreabapaltung (vgl. S. 753) zu erwartenden Trimethylace
CHO bildet sich vielmehr das isomere Melhvl-isopropylketon (C¥
Diäthyloiyesaigsfture" (C,Hi),C(OH)-CO,'H (DiSthoitalsäure) i
imd liefert beim Erhitzen mit starker Salzsäure theils dnrch Abapa
fäure Propion, theils durch Abspaltung vou Wasser Aethylcrc
' Wdbtz, Ann. 107, 197 (1858). — STiEOEiEH, Anij. 111, 32(
USD u. Duppi, Ann. 133, 80 (1865); 136, 12 (1865). — Markoi
SHil (1867); 163, 228 (1669). — Wisi.icemds u. Urech, Ann. 164, 2
u. Paul, Ann, 183, 54 (1877). — Fittio u. Enoet.hob», Ann.
Thomwm, Ann. 200, 86 (1880), — R. Mevek, Ann, 21B, 240 (188
Bcr. 15, 2307 (1882); 20, 2445 (1887). — Pinseb, Ber. 17, 2009
II. Kesblee, Ber. 20o, 778 fl887l. — Osm-iLD, Ztsehr. f. phy
(1889). — Meueow, Ber. 17a, 421 (1884); Ann. 234, 210 (188
Pctrenko-Kbischenko, Bor, 22o, 759 (I8B9). — Lew u. Cbubch«
IIH.-'S); 254, 108 (1889).
' Mknozzi, Ber. 17o, 251 (1884). — Jusmn, Ber. 17, 2504 (1
• Clake n. Frrrio, Ann, 139, 206 (1866). — Schlebusch, An
— Ley u. Popow, Ann. 174, 63 (1874). — Makkowkikow, Ztschr.
— ScHinoT a. Sachtleben, Ann. 1B3, 106 (1878). — Lipp, Ann. S
' Fbaskland u. Düipa, Ann. 135, 37 (1866); 136, 8 (IBÖi
Smith, Ztschr. Cham. 1867, 440. — Miileh, Ann. 200, 265, 282
/um. 204, 14 (1879).
' Lby, Ber. 10, 231 (1677). — Elisafopc, Ber. 14. 1401 1188
LntiERsiK, Ber. 34, 678 (1891).
• EatENMBTZB u, Smel, Ber. 7, 1109 (1874). — Lev, Ber. 10, 231
Aon, 200, 239 (1881). — E. Schüize u. Lieiebsik, Ber. 24. 672 (If
' GLt'CEHMiB», Monatah. 10, 770 (1889); 12, 356 (18911. —
13, 647 (1892).
' Fa*KiusD u. Ddppa, Ann. 135, 26, 29 (1865); 136, 2 (18
1866, 490. — Fimo n. Howe, Ann, 200, 21 (16791. — Chapman i
451. — GEtrrHXK u. WACKBKwmKR, Ztschr. Cbem. 1867, 705. — I
(1812). - Gdthzeit, Ann. 306, 235 (18M1|.
758 a-Oxyönantlisäure bis a-Oxystearinsäure,
optisch active Oxycapronsäure* (Leucinsäure), deren Structur noch nicht
sicher feststeht, wird aus gewohnlichem Leucin (vgl. S. 834) durch Einwirkung von
salpetriger Säure erhalten; sie schmilzt bei 73 ^
Normale Oxy$iianths»ure> C-Hj^Os = CjHsiCHAOHiOHjCO^H schmilzt
bei 65° und ist in kaltem Wasser schwer, in heissem Wasser leicht loslich. —
Normale «-(JxycaprylsÄure* CgHigOg schmilzt bei 69-5''.— Normale «-Oxymyrlstiii-
sSure^ C14H28O3 schmilzt bei 51® und ist in kaltem wie in heissem Wasser unlöslich:
sie findet sich im ätherischen Oel von Angelica Archangelica L. — Normale «-Oxy-
palmitinsiure^ Oi^UggOs schmilzt bei 82—83*^ und ist in Alkohol leicht löslich. —
Normale rr-OxystearlnsSure* CigHjsOj schmilzt bei 84— 85^ löst sich bei 20'' erst
in etwa 170 Th. Alkohol, leicht in Aether.
B. /9-Oxysäuren.
/S-0xypropion8»ure^ CH2(OH)CH2COjjH — die einfachst« ^-Oxy-
säure — wird gewöhnlich, da sie sich von der Akrylsäiire um den Mehr-
gehalt der Elemente des Wassers unterscheidet, Hydrakrylsäure ge-
nannt; auch unterscheidet man die beiden stellungsisomeren Oxypropion-
säuren, da die eine ein Aethvlen-, die andere ein Aethvlideni'adicul ent-
hält, als Aethyliden- (a) und als Aethylenmilchsäure (ß):
/CO,H
CH-OH CH,~CO,H
I I
CH, CHt-OH
Aethylidenmilchsäure Aethylenmilchsäure.
Diesem Constitutionsunterscliied entsprechend treten in den Bildungs-
weisen der gewöhnlichen Milchsäure Beziehungen zum Aldehyd (vgl.
S. 751), in denjenigen der Aethylenmilchsäure Beziehungen zum Aethyle«
hervor; Aethylenmilchsäure kann aus Aethylen durch Vermittelung der
Zwischenstufen :
CH2 CH.,C1 CH,CN CH,.CO,H
> I ~ > \ — -> I
CH, CR/OH) CH^tOH) CH,(OH)
gewonnen werden, und dies ist die Bildungsweise, aus welcher sich ihre
Constitution ergiebt.
* Steeokbb, Ann. 68, 55 (1848). — Gössmann, Ann. 91, 135 (1854). — Waauk
Ann. 118, 295 (1861). — Thudichum, Jb. 1861, 780. — Körner u. Menozzi, Jb. 1883.
1027. — E. Schulze u. Lixiernik, Ber. 24, 673 (1891).
» Helms, Ber. 8, 1169 (1872). — Lry, Ber. 10, 231 (1877).
' Erlenmeyer u. Sigel, Ann. 177, 103 (1875).
* R. Müller, Ber. 14, 2480 (1881). — Hell u. Twerdomedoff, Ber. 22, 1746 (18S9i.
* Hell u. Jordanoff, Ber. 24, 939 (1891).
* Hell u. Sadomsky, Ber. 24, 2391 (1891).
^ Beilstein, Ann. 122, 369 (1862). — Moldenhauer, Ann. 131, 328 (1864).
Sokolow, Ann. 150, 167 (1869). — Hetntz, Ann. 157, 291, 298(1870). — Wislkems
Ann. 128, 2 (1863); 166, 6 (1872); 167, 346 (1873); 174, 286 (1874). Ber. 3, 8u!»
(1870); 8, 1206 (1875). — Linnemann, Ber. 8, 1095 (1875). — Erlenmeykb, Ann. 19L
261 (1878). — Thomson, Ann. 200, 81 (1880), — Klimenko, Ber. 23o, 825 (1890j.
ß-Ox.ypTo^misäurc und ihre Homologen.
Zur DarHtelliMig der ^-Oxypropionsäiire benutzt iiiiiii ihre
ilureh UmsetJtung von /S-Jodpropionsäure {vgl. S. 719) beim Ko(
Wasser allein oder in Gegenwart von Silberoxyd. Von Intel
Cemer ihre Bildung aus Akrylsäure (S. 495) durch Wasspraufiiah
Erhilzen mit Natronlauge auf 100".
Auch die yS-Oxy Propionsäure stellt, wie die gewöhnliche Mi
einen Syrup dar, unterscheidet sich aber von letzterer aebr wi
dadurch, dass sie bei der Wasserabspaltung — durch Erhitzen
oder mit starker Schwefelsäure — nicht in Anhydride, sondern
ungesättigte Säure — die Akrylsäure — übergebt (vgl. S. 743).
Erhitzen mit Jodwasserstoff wird sie sehr leicht in /3-Jodprop
verwandelt.
.■J-oiypropioDBaures Zink (C^HAü^n + *H,0 schmilzt bei 60«
Kr>-Btall Wasser, ist in Wasser aueserord entlich löslich 1100 Th. wüsserlial
lösen sieh bei 16-5" in 89 Th. Wasser), auch in Alkolioi löslich.
fS-Oxfbnttersanre' CH^ CH(OH)CH,-CO,H wird durch R
von Acetessigester erhalten (vgl, Darstellung der Crotonsäure
ist syrupöB und liefert bei der Destillation mit Wasserdamp
W asser abspaltung Cro tonsäure. Eiue optisch active und zwa
drehende Modification der y?-Oxybuttersäure findet sich im H;
Blut von Diabetikern.
Aus den Monalkylclerivaten des Aceiessigestera »loH durch Reduetiou
.'J-OxrbiittergliireB) CH,CHtOH)-CHR.CO,H gewonnen worden, welche
liitzen in alkylirte Crotons&uren übergehen, z. B.:
CH,-CO-CH-CO,-C,H. >- CH,CH|OHj-CH-CO,H > CH,.CH;'
I I
CH, CH, (
IHe aus den DialkylaceteBsiecstem gcwiniibaren n,-Alkyl-|?-Oxybutt«rHSi
Crpen, die «n dem KohtnnslolTHtom zwisehen der Hydrozylgnippe und der '
{Truppe kein Waseerstofiatoni mehr enthalten, verhalten sicli anders; bei
Stehen im Vaenum bilden sie Anhydride; durch trockene Destillation zer
fast glatt in Acetnidphyd ond die eiitsprcclicnde diatkylirtc EssigsSurc, z.
GH, ■ CHi,OH) ■ C ■ CO,H = CH, ■ CHO + CH • CO,H
ö^ C,H, (^ C,H. '
' WiBucBHUP, Ann. 149, 205 (1868). — Markownikow, Ann. 163, 2:
- MiNKOwflir, Her. 17c, 334, 585 (1884J. - Küls, Her. 17c, 534 (1884);
(I88S). — DeichkCller, SriMAKSKi n. Tou.kns, Ann. 228, 92 (1885). — Hui
llidl. 47, 545 (1B87). — Hbmbv, Ber. 24o, 75 (1831).
' BonsBECi, Ann. 188, 229 (1875). — Wai.tischmidt, ebenda, 240. —
knn. 200, 269 (187»). — Vgl. femer über älmlli;he Bildung von |9-0zysl
PropiopropionsAureester etc.: Haktzsch u. WohlbbL'ik, Rcr. 20, 1321, 2;
11887). Ann. 249, 54 (1888),
» Sadb, Ann. 188, 266 (1877). ~ Scbnapp, Ann. 201, 65 (1880), — Jo
226, 288 (1S84).
760 y-Oxysäuren und
^^-Dialkyl-p^-OxypropionsSureii ' RRiC(OH).CH,CO,H sind durch Oxydation
von Dialkyl-allyl-c«arbinolen gewonnen worden, z. B.: * •
'NC( OHj . CH, . CH : CH, > ^\X0YI) • CH, • CO,H .
C3H/ CH/
C. /-Oxysäureii und ;'-Lactone.
Es ist schon S. 743 — 744 hervorgehoben worden, duss die ;'-Oxy-
säuren eine eigenthümliche Stellung einnehmen durch die höchst charakte-
ristische Eigenschaft, mit grösster Leichtigkeit in innere Anhydride über-
zugehen. In diesen inneren Anhydriden — den von Fittig und seinen
Schülern ausfiihrlich untersuchten ;^-Lactonen, deren einfachster Re-
präsentant (Butyrolacton) von Saytzefp 1873 entdeckt ist, — lernen wir
eine neue Köi*perklasse kennen, der gewissermassen eine Mittelstellung
zwischen den y-AIkylenoxyden (S. 570) und den inneren Anhydriden von
/-Dicarbonsäuren (S. 642) zukommt:
\c-CH,v \c-COv \c-COv
NC-CH/ \C-CH/ Vj-go^
Alkylenoxyde Lactonc Säurcanhydride
Die ausserordentliche Leichtigkeit, mit welcher allgemein die offene Kette
der /-Oxysäuren:
C-C-C-COOH
I
OH
durch Wasserabst>altung selbst bei Gegenwart von Wasser in den ring-
förmigen Complex der Lactone:
C-COs^
übergeht, beweist besonders schlagend die auf Grund stereochemischor
Erwägungen (S. 643) vorauszusehende Tendenz zur Bildung funfgliedriger
Kinge. Wie bezüglich der Anhydridbildung der homologen Bernstein-
säuren (S. 665) und Maleinsäuren (S. 694), so hat sich auch hier heraus-
gestellt, dass die Homologen der y-Oxybuttersäure leichter, als die Oxy-
buttersäure selbst, Wasser abspalten^.
Nach der „Genfer Noraenclatur" (vgl. Anhang am Schluss von Band I) sollen
die Lactonc durch die Endung „olid" bezeichnet werden, z. B.:
CHa . CH • CH, . CH, . CO
: Pentanolid 1. 4.
' M. u. A. Saytzeff, Ann. 185, 163 (1877). — Miller, Ann. 200, 274 (1ST9K
— Lebedinskv, J. pr. [2] 23, 24 (1881). — Schirokow, ebenda, 197, 201. — Semliakkin,
ebenda, 263. — Vgl. auch S. Reformatzky, Ber. 20, 1210 (1887).
2 Hjklt, Ber. 24, 1236 (1891). — P. Henry, Ztschr. f.-physik. Chem. 10, 96 (1892>-
y-Laclonc.
Wegen des leichten Uebei^ange der y-Oxysänren and d«
IQ eioander können die Bildungsweisen für beide Giiippon gei
lieh besprochen werden; zurGewinnnng sind hauptsächlich die
Methoden benutzt worden:
1. Die Umwandlung ungesättigter Säuren, und zwar der
J'-^ Säuren, in die ihnen isomeren Lactone durch Erwärmen mi
säure oder Anlagerung und Wiederabspaltung von Bromwasse
Huch durch Destillation (vgl. S. 494, 509, 713), z. B.:
CH,-(CH,t.-CH:aH-CH,-CO,H + HBr = C,Hi.(CH,),-CHBr-CH,-CH.
= C,H,.(CH,),CH-CH,-CH,-<
2. Spaltung der durch Einwirkung von Glykolclilorhydiin
essigester oder seine Monalkylderivate erhältlichen Oxäthylace
mit Barythydrut, z. B.:
CH,C0-CHSa-C0,-Cyi6 + CH,ClCH,-0H = CH.CO-CHCO.-C,!
I
CH,.CH,-0
CIIj-CO-CH-CO,-C,Hj CH,CO,H
I + 2H,0 - CH.COOH + ' +
CH,-CH,-OH CH,.CH,OH
3. Die Eeduction der Lävullnsäure CHj-CO-CHj-CH,-
ihrer Homologen mit Natrinmamalgam :
CH,-CO.CHi.CH,CO,Na + 2H = CH,-CH(OH).CH,.CH,.CO,
Säuert man das vom Quecksilber abgegossene Reactionsge
Schwefelsäure an und kocht einige Minuten am RilckäusskUh
die zuerst in Freiheit gesetzte Oxysäure in das Lacton übergi
nun mit Aether ausgeschüttelt und nach dem Trocknen mit
Pottasche durch Rectificiren gereinigt wird.
Die freien, j'-Osysäuren sind äusserst unbeständig um
den meisten Fällen nicht isolirt; ihre Bariumsalze erhält ms
Lactone« durch Kochen mit Barythydrat; sie bleiben beim ""
der wässrigen Lösung in der Regel als amorphe gummiartige,
und Alkohol sehr leicht lösliche Massen zurück; die Silhersal:
— dui'ch doppelte Umsetzung leicht erhältlich — sind durch
satiousfähigkeit ausgezeichnet.
Die ;'-Lactone^ der Zusammensetzung C„H^^_jO^ sint
farblose, flüssige oder leicht schmelzbare Verbindungen von :
Orenich. Sie sind sowohl mit Wasserdämpfen flüchtig, als am
ohne Zersetzung destillirbar. Die beiden ersten Glieder (Bi
und Valerolacton) sind -in Wasser in jedem Verhältniss 1(
steigendem Molecutargewicht nimmt die Löslichkeit ah. Die '.
' Zur Cbantkterietik Tgl. besonders: Fittiu u. Bkedt, Ann. 200, I
FirtiQ, Ann. 208, 111 (1881). Ann. 256, 68, U7 (1889). Ber. 17, 301
KChlhann u. FiTTio, Ann. 226, 343 (1884> — Vgl. auch Oatwalu, Her. 23i
62
VerhaUen dei' y-Lactotie,
in Wasser zeigt eigenthümliche Veränderungen bei wechselnder Tempe-
ratur; die bei niederer Temperatur gesättigten Lösungen trüben sich
bei gelindem Erwärmen durch theilweise Abscheidung, werden aber
oberhalb vSO^ wieder klar. Aus den wässrigen Lösungen werden die Lactone
durch Kaliumcarbonat abgeschieden.
Wie die y-Oxysäuren beim Kochen ihrer wässrigen Lösung durch
Wasserabspaltung Lactone liefern, so gehen umgekehrt die Lactone beim
Kochen mit Wasser theilweise in Oxysäuren über; zwischen beiden Ver-
bindungen stellt sich ein Gleichgewichtszustand her^. Allein es wird
verhältnissmässig wenig Lacton hydratisirt; beim Kochen von Valero-
lacton z. B. mit der sechsfachen Menge Wasser ist der Gleichgewichts-
zustand schon erreicht, wenn 6-6 7o des Lactons umgewandelt sind.
Beim Kochen der Lactone mit kohlensauren Salzen werden laugsam.
mit Barythydrat rasch die entsprechenden Salze der Oxysäuren gebildet.
BromwasserstoflF^ wird von manchen Lactonen leicht, von andereu
kaum unter Bildung von /-bromirten Säuren aufgenommen:
CHjCHaCH^CO + HBr = CH,Br.CH,CHj.CO,H.
Mit wässrigem Ammoniak tritt schon in der Kälte Vereinigung zu
y-Oxvsäureamiden ein :
CH,CH.CH,.CH,.CO + NH3 = CH8.ClI(0H).CHj.CH,C0.NH, .
O
Durch Einwirkung von Nntrium oder Natriumäthylat liefern die Lactone wHSfior-
lÖBJiche Natriumverbindungen, aus denen durch Salzsäure Condensationsprodukte,
aus zwei Molecülen Lacton gebildet, abgeschieden werden, z. B.:
CH3 • CH • CH2 • CH2 CH3 • CH • CHj • CH^
II II
0 CO 0 c
+ = ILO + i .
CHgCH.CH.CH,
I I
0 CO
CHgCH-CHjC
I
0-
-CO
Aus letzteren erhält man durch Kochen mit Hasen Salze, die sich von einer uui
ein Molecül Wasser reicheren einbasischen Säure ableiten 5 werden diese auch für
sich isolirbaren Säuren erhitzt, so zerfallen sie in Kohlensäure und neutrale Körper,
die „Oxetone** genannt werden (vgl. S. 875):
CHgCHCHjCH, , CHj.CHCHj.CH,
CH,.CH.CH,-CH,
/
O -
OH
C
CHo • CH • CH« • C
I
\
oder
:C
0- -
O— -
I
CHo • CH • CH« • CH
\
CO, +
I
0 —
0 —
I
i
:C •
I
CO,H
CHjCHCHj-CH,
^ Eine chemisch -dynamische Studie über die wechselseitige Umwandlung drr
Lactone und Oxysäuren hat P. Henry [Ztschr. f. pbysik. Chem. 10, 96 (1892)"! geliefert.
2 Vgl. Henry, Compt, rend. 102, 368 (1886). — Bbedt, Ber. 19, 513 (1886).
Butyrolacton, Valei'olacton, Caprolactone, 763
Da88 diejenigen Oxysäuren, welche so leicht Lactone liefern, y-Oxy-
säuren sind*, folgt für die nach den Bildungsweisen 2. u. 3. (S. 761) ent-
stehenden Säuren unmittelbar aus der Entstehung. Es ist ferner zu be-
achten, dass die Hydroxylderivate der Essigsäure und Propionsäure nicht
die Fähigkeit der Lactonbildung zeigen, dass letztere vielmehr erst bei
einem Oxyderivat der Buttersäure auftritt. Nur in ganz vereinzelten
Fällen ist bei Benzolderivaten (vgl. Bd. II Derivate der Phenylmilchsäure)
die Bildung von wenig beständigen /?-Lactonen beobachtet worden; bei
den 7-hydroxylirten Säuren dagegen ist der üebergang in beständige
Lactone die Regel, üeber das Verhalten der d-Oxysäuren vgl. S. 765.
CHj-COv
Butyrolaeton* C^Yifit = I ^O siedet bei 204 ^ erstarrt bei -42'»
CH,-CH/
nnd besitzt bei 16*^ das spec. Gew. 1«129; Bildungsweise aus Acetessigester vgl.
8. 761; es entsteht auch aus Succinylchlorid (vgl. S. 659) dui*ch Reduction mit
N atrium amalgam.
CH,CO\
Talerolaet^^n ^ CjHgOa = | /O (y-Methylbutyrolacton) siedet bei
CHgCH— CHa
206—207«, erstarrt bei -31^ besitzt bei 0« das spec. Gew. 1072; es findet
sich im Holzessig; bei der Oxydation mit vei'dünnter Salpetersäure liefert es Bem-
steinsäure.
CH,.CO\
Caprolaetone CeHioO^. Normales Caprolaeton* I yO (y-Aethyl-
CHj • CH CjHs
butyrolacton) siedet bei 220**, erstarrt nicht bei —18", Icist sich in 5 — 6 Vol. Wasser
von 0^ — «-Aethylbutyrolacton* | yO siedet bei 215**, bleibt
CHjCH/
bei —17" flüssig, besitzt bei 16° das spec. Gew. 1-035 und löst sich in 10—11
CH3.CHC0\
Vol. Wasser von 0 ^ — n-y Dimethylbutyrolacton* | /O
Clxg • CH CHg
siedet bei 206«, bleibt bei -17° flüssig und löst sich in 20—25 Vol. Wasser. — i^-y-Di-
CHaGOx
methylbutyrolacton^ | yO siedet bei 209—211® und wird bei
CHg • CH • CH CHs
* Vgl. FiTTia, Ann. 208, 116 (1881); 216, 26 (1882).
* Saytzew, Ann. 171, 261 (1873). J. pr. [2] 25, 63 (1882). — Fkühlin«, Monatsh.
3, 700 (1882). — FiTTiG u. Chanlabow, Ann. 226, 325 (1884). — Fittiq u. Ström,
Ann. 267, 191 (1891). — P. Henry, Ztschr. f. physik. Cliem. 10, 97 (1892).
* FiTTio u. Messerschmidt, Ann. 208, 96 (1881). — Fittig u. Wolfk, ebenda,
104. — Neugebaueb, Ann. 227, 101 (1883). — Gbodzki, Ber. 17, 1369 (1884). —
Fittig u. Hasch, Ann. 266, 126, 149 (1889).
* Fittig u. Hjelt, Ann. 208, 67 (1881). — Hjelt, Ber. 15, 617 (1882). —
KiLiAio u. Klremann, Ber. 17, 1300 (1884). — Kiliani, Ber. 18, 642 (1885). -- Fittiu
u. DuBois, Ann. 256, 134, 152 (1889).
* Fittig u. Chanlarow, Ann. 226, 334 (1884).
* Fittig u. Gottstein, Ann. 216, 30(1882). — C. Liebermann u. Scheibleh, Ber.
16, 1822 (1883). — Kiliani, Ann. 218, 372 (1883). Ber. 18, 635 (1885).
' Fittig u. Gottstein, Ann, 216, 35 (1882),
761 Höhere y-LacUme,
CH, . C0\
— 22*^ nicht fest — y,-Dimethylbutyrolacton* I ^^^ (Isocaprolactoni
CH] • C\~CHj
entsteht aus Brenzterebinsäure durch Umlagerung (vgl. S. 509), aus IsobutylessigBftarf
durch Oxydation („Hydroxylirung", vgl. S. 742), schmilzt bei +7—8**, siedet bei
206-207° und löst sich in 2 Vol. Wasser von 0^
CH,.CO\
Heptolaetone C7H.4O,. Normales Heptolacton* | /Q
CH,.CHM5H,.C,H,
(y-Propylbutyrolacton) siedet bei 234-5— 235-5®, erstarrt nicht bei — 18° und ift
in Wasser sehr schwer löslich. — «-A e thy 1 -/-Methy Ibu ty r olacton'
CA-CHCOn.
I /O siedet bei 219- 5^ erstarrt nicht bei -18^ besitzt bei 16* da?
CH,.CH- CH3
spec. Gew. 0-992 und ist in Wasser ziemlich schwer löslich. — a,-y-TrimethyI-
butyrolacton^ | /O schmilzt bei 52°, siedet unter 15 mm Druck
CU3 • CH CH3
CH,.CO\
bei 86°. — y-Isopropylbutyrolacton» | X) siedet bei 224— 225 .
CH,.CH^CH(CHe),
erstarrt nicht bei —20° und löst sich in etwa 35 Th. Wasser von gewöhnlicher
Temperatur. — Das Ueptoiacton aus Terakrylsäure* (vgl. S. 509) schmilzt
bei +11°, siedet bei 218° und löst sich in 12 Vol. Wasser von 0°.
CH,.CO\
Oetolactoue C8H14O,. y-Isobutyl-butyrolactou^ | /O
CH,.CH-CH,.CH(CH,L
ist ein kümmelähnlich riechendes, in kaltem Wasser sehr wenig lösliches Gel. -
CH,.CO>
y,-Diäthylbutyrolacton* i ^^ entsteht aus Succinylchlorid und Zink-
CHj • (XCgHs),
äthyl und siedet bei 228—233°. — «-Aethyl- /?-/-dimethyl-butyrolacton
C,H,.CH.CO\
I /O siedet bei 226-227°.
CH3 • CH • CH CH3
CH.CH.COv
Ein NoiiolactoB »° CgHieO^ = | >0 («-Methvl-y-isobutrl-
CH^ . CH— CH, . CHCCHj),
» Bkedt u. FiTTiQ, Ann. 200, 58, 259 (1879); 208, 55 (1881). — Frrriü u.
Geisler, Ann. 208, 42 (1881). — Erdxann, Ann. 228, 181 (1885).
* KiLiANi, Ber. 19, 1128 (1886). — Pittig u. A. Schmidt, Her. 20, 3180 (1&J<«
Ann. 266, 80 (1889).
5 FiTTio u. YouNQ, Ann. 216, 38 (1882).
* Anschütz u. Gillet, Ann. 247, 107 (1888).
^ FiTTiG u. Zanner, Ann. 266, 94 (1889).
« FiTTiG u. Krafpt, Ann. 208, 86 (1881). — Amtbob u. G. Müller, J. pr. 2
42, 389 (1890).
^ Fittiq u. Schneeoans, Ann. 266, 106 (1889).
8 Wischin, Ann. 143, 262 ,(1867). — Emmert u. Fbiedrich, Ber. 16, 1851 (U^^-'j•
» Fittiq u. Youno, Ann. 216, 43 (1882).
10 i-jrriQ u. Feist, Ann. 266, 117, 124 (1889).
J
ä-Oxi/aäuren und S-Laetone.
bntvToIactDD) ist dnrch Destillation der aua Isovaleraldehyd und Brenzi
(vgl. S. 490) erhältlichen Methjlisobntylpar&consaare gewonnen worden.
CH,CO\
Wormale« l>ek«I»etoii ' C,„H,,0, = | >0 (r-Hex
CH,-CHHCH,),CH,
iRi'too) siedet bei 281° und ist in Wasser sehr wenig löslich.
D. iJ-Oxysänren und tf-Lactone.
Zu der normalen äi'-Oxyeapronsftiire^ CH3CH{0H)CH,-CI
C'0,H gefauigt man vom Acetessigester durch Combination mit
propioDSäureester :
CH,.CO-CHNa
i + J-CH,CH,CO,C,H,
CO. CA
CH. ■ CO ■ CH - CH, ■ CH, . CO, ■ C,l
= NaJ + 1
C0i-C,H6
Verseifung des so entstandenen Acetglutarsäureesters zu Acetobutt
CH,.CO.CH.GH,.OH,.CO,-C^, CH,.CO-CH,.CH,-CH,.CO,H
CO,-C,H, +2H,0- ^ ^^^ ^ ^^jj^^jj +'
und Reduction der Äcetobuttersäure mittelst Natrinmamalgam.
man die Säure aus der Lösung ihres Natriumsalzes durch ve
Schwefelsäure in Freiheit, kocht einige Minuten am RUckflusskUt:
sc)iUttelt nach dem Erkalten mit Aether aus, so erhält man Ai
CHjCHCHj-CHjCH,
prolacton { 1 — eine wasaerhelle FlUsaigh
0 — CO
schwachem aromatischen Geruch, die in der Kälte zu langen, bei '
19" Bcbmelzendeu Nadeln erstarrt, bei 230" — 231'* siedet und mit
mischbar ist. Auch die rf-Oxysäuren besitzen demnach die Pä
schon in väasriger Lösung innere Anhydride zu liefern. Das d-
lacton zeigt indes« gegenüber den isomeren Lactonen eine etwas |
Tendenz zum theilweisen Uebergang in die Oxysäure {vgl. S. 7<
:tnfangK neutrale wässrige Lösung nimmt schon bei gewöhnliclit
peratur nach einiger Zeit saure Reaction an, auch aus der Lu
lias Lacton Wasser an.
7-A«tli7lMpr«<eltalMton' OH,'CHCH(C,HJ CH.CH, ist anf i
I I
0 —CO
Wege, wie Caprodeltalacton erhalten, siedet bei 254—255", wird bei - 20° r
besitzt bei 20° das spec. G«w. 1-080, löst sich in 28 Th. Wasser von gewi
Temperatur, ist mit Wasserdämpfen flüchtig, veriifilt sich gegen Wasser wi
ileltalacton, bleibt aber beim Stehen an der Luft neutral.
' FlTTlO U. SCHHBBOASB, Ann. 227, 92 (1HH5).
' Firnu u. L. WotOT, Ann. 216, 127 {18821.
' Firn« n. Christ, Ann. 268, 111 (1891).
766 Oxystearinsäuren.
Ueber Verbmdnngen , d|e zur Klasse der d-Lactone gerechnet werden können,
vgl. femer in Band II „Cumarin" und „Pyronderirate".
E. Säuren mit unbekannter Stellung der Hydroxylgruppe.
Oxystearinstturen ^ CigHseO,. Von der Oelsäure gelangt man zu Oxystearin-
säuren (Ci8U340a + HgO = CtgHgeOa); indem man entweder zunächst durch Anlage-
rung von Jodwasserstoff Jodstearinsäure herstellt und dann in letzterer das Jodatom
durch Behandlung mit Silberoxyd auswechselt, oder indem mau durch Einwirkon!?
von conc. Schwefelsäure (vgl. S. 512—513) Stearinschwefelsäure sich bilden ISsst, die
durch Zersetzung mit Wasser Oxystearinsäure liefert Die aus der Jodstearinsänre
entstehende Oxystearinsäure kr}'stallisirt aus Alkohol in sechsseitigen Täfelchen
mid schmilzt bei 84—86^; 100 Th. einer bei 20^ gesättigten alkoholischen Loenug
enthalten 813 Th. dieser Säure, 100 Th. einer ätherischen Lösung 2-11 Th.; bei
mehrstündigem Erhitzen far sich auf 200^, beim Erwärmen mit rauchender Salzsäure
auf 100° oder beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure liefert sie ein — ver-
muthlich aus zwei Molecülen gebildetes — Anhydrid, das einen farblosen Sjrap
darstellt, in Wasser und Alkohol sehr wenig, in Aether leicht loslich ist und durch
Erwärmen mit alkoholischem Kali wieder in Oxystearinsäure verwandelt wird; bei
der Destillation liefert sie unter Wasserabspaltung als Hauptprodukt die Lsoölsänre
(S. 513); ihr Aethylester schmilzt bei 44*^. — Aus den Produkten der Einwirkung
von Schwefelsäure auf Oelsäure erhält man dieselbe Oxystearinsäure bezw. ihr An-
hydrid, daneben aber ein lactonähnliches Anhydrid CigHs^Og einer isomeren
Oxystearinsäure, welches in feinen weissen Blättchen vom Schmelzpunkt 47 — 48*^ kiy-
stallisirt und mit Basen Salze einer Oxystearinsäure liefert, die durch Säuren sofort
wieder in das Anhydrid übergeführt werden. — Aus der IsoÖlsäure entsteht durch
Yermittelung einer Jodstearinsäure eine Oxystearinsäure, welche, wie die oben auf-
geführte Säure, bei 82 — 85® schmilzt, von derselben aber verschieden ist, da sie in
Alkohol und Aether leichter löslich und fast ohne Zersetzung destillirbar ist; durt'h
successive Einwirkung von Schwefelsäure und Wasser auf IsoÖlsäure kann man je
nach den Bedingungen die bei der Destillation zerfallende oder die onzersetzt destil-
lirbare Oxystearinsäure erhalten. — Ebenso wie über den Ort der Doppelbindung
im Molecül der Oelsäure (vgl. S. 513) lassen sich auch über die Stellung der Hydroxyl-
gruppe in diesen Oxystearinsäuren einstweilen nur unsichere Vermnthongen auf-
stellen.
Natürlich gebildet sind einige OxysKnren C^Hsi^Os als Befittndthelle toi
Waehsarten beobachtet worden. Aus dem Camaubawachs' (vgl. S. 362) ist eine
Säure isolirt, welche — aus ihren Salzen in Freiheit gesetzt — sofort in ihr Lacton
C,iH4o02 (Schmelzpunkt 103-5^) übergeht und beim Erhitzen mit Natronkalk eine
Dicarbousäure C,9H8a(C02H)8 liefert — Das Coccerin (Cochenillewachs, vgl. S. 571 1
enthält als sauien Bestandtheil die Coccerinsäure* (Schmelzpunkt 92— 98**), welche
die Zusammensetzung C,iHeaOa zu besitzen scheint und durch Oxydation die gleiche
Pentadecylsäure wie der Coccerylalkohol (S. 571) liefert
» A. Saytzew, J. pr. [2] 33, 310 (1886). — M., C. u. A. Saytzbw, Ber. 19, 541
(1886). J. pr. [2] 36, 369 (1887); 37, 269 (1888). — Söabanejew, Ber. 19c, ^m
(1886). — Geitel, J. pr. [2] 37, 53 (1888).
« Stübcke, Ann. 223, 310 (1884).
' 0. LiEBERifAXN, Ber. 18, 1980 (1885). — C. Liebebmann u. Beroami^ Ber. 20, 964
(1887).
Bildungsreacliotten für h^rtxtytreicke, ünhasische Säuren
II. Polyhydroxylderiyate der Fettsäuren.
Allgemeine Zusammensetzung C„HjnO„.
Unter der Bezeichnung „Polyhydroxylderivate der Fettaäurt
diejenigen gesättigten Oxysäuren zusammengefasst werden, dere
neben einer Carboxylgruppe mehrere Hydroxylgruppen enthalten
Säuren sind in grösserer Zahl aus den mehrwerthigen Älkc
mehrwerthigen Aldehydalkuholen (Zuckerai-ten) durch Oxydatioi
Eegel mit verdünnter Salpetersäure oder mit Brom in Gegt
Wasser — oder aus den Znckerarten durch die Cyanhydrinreacti(
werden (vgl, S. 741); die so gewinnbaren Säuren werden im
zuweilen schlechthin als „einbasische Säuren der Zucke
bezeichnet werden; die einzelnen Repräsentanten sind in i
abtheiluDg Ä (S. 7 74 ff.) behandelt. — Eine wichtige Entstehung
einbasischen Säuren mit mehreren Hydroxylgi-uppen besteht
der Oxydation von ungesättigten einbasischen Säuren mit ]
manganat; an der Stelle der doppelten Bindung werden bei
(iationsprocess zwei Hydroxylgruppen angelagert (vgl. S. 493);
mit einer Doppelbindung giebt daher eine Dioxyfettaäure (
säure — >- Dioxystearin säure), eine Säure mit zwei Doppelbindi
Tetraoxjfettaäure etc. — ein Umstand, welcher fUr Constituti
raungen Wichtigkeit erlangen kann (vgl. trocknende Oelsäuren, S. t
diese zu ungesättigten Säuren in naher Beziehung s
Polyoxysäuren sind in der Uuterabtheilung B (S. 786 — 787) b(
Enthalten die Säuren dieser Klasse Hydroxylgruppen in i
lung zur Carboxylgruppe, so besitzen sie die Fähigkeit zur Bi
Oxylactonen', z. B.:
CH,(OH)-CH(OH).CH,-CH,-CO,H-H,0 = CH/OHjCH.CH,-
CH,{OH) . CH(OH) ■ CH(OH) ■ CH{OH) ■ CH(OH)
I -H,0
CO OH
CH,(OH) ■ OH(OH)- CH ■ OHIOH) ■
Die hydroxylreichen Oxylaetone sind oft im Gegensatz zu. den zi
Säurehydraten durch grössere Krystallisationsfahigkeit ausge>:ei(
Säurehydrate selbst sind für die Glieder der niederen und
Reihen nur in wenigen Fällen kryatallisirt erhalten; wo sie v.i
bildung befähigt sind, gehen sie häufig schon bei der AI
aus den Salzen oder beim Abdampfen der wässrigeii Lösung
IheiJs in Lacton über; in einigen Fällen aber bedarf es 7.nt
sirung auch des Frhitzens anf höhere Temperatur.
' Ueber die einracheren Oxylsctone vgl. Fririu, Aiiii. 268, 4. 3-1. 40. I
768 VerhaUen der meJirfach
Unter den Derivaten der zur Zucke|fgruppe in nahen Beziehungen
stehenden, mit Sauerstoff stark heladenen Oxysäuren, wie z. B. der Penta-
oxycapronsäuren, sind als wichtig für die Abscheidung dieser Säuren aus
Gemischen hervorzuheben die Phenylhydrazide * — Verbindungen, welche
das Hydroxyl der Carboxylgruppe durch den Phenylhydrazinrest
— NH-NH-CgHg ersetzt enthalten:
CH,(OH)~iCH(OH)U-COOH > CH,(OH)~{CH(OH)|4-CO.NH.NH.CeH5.
(Vgl. über Phenylhydrazin S. 889, 392; Näheres s. Bd. 11.)
Gerade aus den Säuren der Zuckergruppe bilden sich diese Produkte
sehr leicht, wenn man die Säuren oder die Lactone in wässriger, etwa
lOprocentiger Lösung mit Phenylhydrazin in Gegenwart von Essigsäure
erwärmt; sie sind in kaltem Wasser schwer löslich, lassen sich leicht
durch Erystallisation reinigen und können durch Kochen mit Baryt-
wasser leicht in die Säure zurtickverwandelt werden. Diese Eigen-
schaften machen die Hydrazide für die Isolirung der Säuren werthvoll:
weniger brauchbar sind sie für die Unterscheidung der Isomeren, da
sich die isomeren Hydrazide in Krystallform, Schmelzpunkt und Löslich-
keit vielfach sehr ähnlich sehen.
Ein höchst bemerkenswerthes Verhalten zeigen die Säuren der
Zuckergnippe gegen nascirenden Wasserstoff*. Während in den hydroxyl-
freien Säuren (Essigsäure etc.), in den einfacheren Oxysäuren, wie Glycerin-
säure CHjj(0H).CH(0H).C02H, die Reduction der Carboxylgruppe durch
nascirenden Wasserstoff zur Aldehydgruppe nicht ausführbar ist, gelingt
die üeberfiihrung jener „Säuren der Zuckergruppe*' in die zugehörigen
Aldehyde — d. h. die Zucker selbst — mit grösster Leichtigkeit durch
Behandlung mit Natriumamalgam unter geeigneten Bedingungen:
CH,(0H)-!CH(0H)l4-C0,H >- CH8(0H)-jCH(0Hl,-CH0.
Diese auffallende Eigenthümlichkeit hängt mit der Fähigkeit zur Lacton-
bildung zusammen; die Säuren selbst sind nämlich nicht reducir-
bar, sondern ihre Lactone; jene Beaction gelingt daher einerseits
unter Bedingungen, welche die Lactonbildung herbeiführen, und wini
andererseits durch Mittel, welche die Lactonbildung aufheben, verhindert.
Wenn man beispielsweise die alkalische Lösung der Säuren mit Natrium-
amalgam behandelt, also die Salze der Säuren der Einwirkung de>
nascirenden Wasserstoffs aussetzt, so erhält man keine Spur Zucker.
Wenn man aber von den Lactonen selbst ausgeht, oder wenn man bei
schwerer anhydrisirbaren Säuren zunächst durch Kochen der wässrigen
Lösung der freien Säure oder durch Eindampfen derselben, nöthigenfalli^
noch durch längeres Erhitzen des Abdampfungsrückstands die Haupt-
menge in Lacton überführt, darauf in Wasser löst, mit Natriumamalgaoi
reducirt und während der Reduction stets durch häufigen Zusatz von
^ E. Fischer n. Passmore, Ber. 22, 2728 (1889).
« E. Fischer, Ber. 22, 2204 (1889); 23, 930 (1890).
hydroxylirlen Feitsäuren. 769
verdünnter Schwefelsäure das Gemisch sauer erhält, um die BUck-
verwaDdlimg des LactoDs in das Salz der Säure zu verhüten, so erhält
man den zugehörigen Zucker in reichlicher Menge. Durch weitere Ee-
duction des Zuckers wird dann der Uebergang zu einem mehrwe'^'''"'"'
Alkohol ermöglicht.
Es ist demnach möglich (vgl. S. 602), von einem mehrwe
Alkohol durch stufenweise Oxydation über den Aldehydalkohol (Ak
der Alkobolsäure mit gleichviel Kohlenstoffatomen und von 1
wieder durch stufenweise Reduction zum Alkohol zurilckzugelanger
CH,-OH CHO CO,H CHO CB
JCH-OH;,— >-lCH-OH|, »-ICHOHji »- |CH-OH|, )► [015
CH,-OH 6h,-0H CH,0H CH,.0H ÖH
Um diese Beziehungen in den Klassennamen hervorzuheben,
man, anklingend an die Bezeichnung „Aldoae" für die Aldehyda!
die mehrwerthigen Alkohole ,,Aldite", die zugehörigen Säuren ,,.
säuren'- nennen. Denn es ist allgemein gebräuchlich, die einbt
Säuren der Zuckergruppe durch die Endung ,,on" zu charakti
die mit dem Stamm des Namens des correspondirenden Zuckt
banden wird; man nennt also z. B. die aus Glucose entstehen
in G lue ose überfiihrbare Säure „ Gl ucon säure." Andererseits
Bezeichnungen, wie „Arabinosecarbonsäure", „Rhamnosecarbonsäu
iiäufig gebraucht, um im Namen die Entstehung mittelst der Cyaii
reaction aus einem bestimmten, um ein Kohlenstoffatom ärmeren
anzudeuten.
Indem man die Cyanhydrinsynthese von Aldonsäuren aus ,
und die Reduction von Aldonsäuren zu Aldosen abwechselnd n
ander combinirt, kann man von niederen Aldosen bezw. Aldo
zu höheren Gliedern derselben Körperklassen aufsteigen :
C0,1
CH(OH)
CH((
CH(OH)
-- -*'
CH((
CHlOH)
»A"'««™«
CH(<
CHlOH)
CHt<
CO,H COH CH((
I I I
COH CH(OH) "
i 1
i;H(OH) * CH(OH)
CH(OH) ^'"U.™°s CHtOH) iR«
CH(Oiri ^ ■"*"*"■«' CH(OH)
I I I
CILiOH) CH,(OH) CH^OH) CH,(
Für den Ausbau der Zuckergruppe sind diese Reactionen die
vollsten Hülfsmittel geworden.
Im Vorbeigehenden sind die Aldonsäuren mehrfach als Oxyi
Produkte von mehrwerthigen Alkoholen und Zuckerarten betracht
den; im AnschluSs daran muss erwähnt werden, dass bei kr?
770 Stereoi^omerie hei Aldonsäuren,
Oxydation der Aldonsäuren die endständige primäre Alkoholgruppe in
Carboxyl verwandelt wird, und daher eine zweibasische Oxysäure mit
ebensoviel Kohlenstoffatomen entsteht, z. B.:
COjH CO,H
I I
CH(OH) CH(OH)
CH(OH) ^ CH(OH) .
I
CH(OH) CH(OH)
I • I
CH,(OH) CO2H
Die Säuren der Zuckergruppe enthalten meist eine normale Kette
von Kohlenstoffatomen und an jedes nicht in die Carboxylgruppe ver-
wandelte Kohlenstoffatom eine Hydroxylgruppe gekettet, z. B.:
CH,(OH)-CH(OH)-CH(OH)-CH(OH)-CH(OH)-CO,H.
Die zahlreichen Isomeriefälle, die man beobachtet hat^ sind fast aus-
schliesslich stereochemischer Natur und beruhen auf dem Reichthum
der Molectile an ungleichartig asymmetrischen Kohlenstoffatomen.
Vom Standpunkt der stereochemischen Theorie bieten die Aldon-
säuren genau denselben Fall dar, wie die zugehörigen Aldosen. Bei den
zur sechsten Reihe gehörigen Verbindungen z. B.:
CHO CO,H
*CH(OH) *CH(OH)
I
^CH(OH) *CH(OH)
CH(OH) *CH(OH)
I.
*CH(OH) •CH(OH)
CHj(OH) CHrfOH)
Aldohezosen Hexonsäuren
enthält das Molecül in beiden Fällen vier asymmetrische Kohlenstoff-
atome, und unter diesen vier asymmetrischen Kohlenstoffatomen ist jedes
einzelne von jedem anderen verschiedenartig. In beiden Fällen müssen
wir demnach auf Grund der Theorie zu der gleichen Zahl von Isomerie-
möglichkeiten kommen, jeder Aldohexose muss eine Hexonsäure ent-
sprechen. Es ergiebt sich für den besprochenen Fall z. B. die Existenz-
möglichkeit von je 16 structuridentischen, aber räumlich isomeren, optisch
activen Verbindungen, die ausserdem noch zu 8 inactiven Modificationen
zusammentreten können. Da die Aldonsäuren in der Regel aas den
optisch activen Zuckerarten gewonnen werden, so erhält man hier —
abweichend wie in anderen Körperklassen — meist als directe Reactions-
produkte die activen Formen und gelangt zu den inactiven Formen erst
durch Combination.
Die theoretische Ableitung der einzelnen Möglichkeiten und die
Bildung eines neuen asymmetr, Kohknstojfaioms durch d, Gyanhydrinreaction. 771
Verlheilung der sich ergebenden Raumformeln auf die bekannten Aldon-
sänren wird besser bis zur Besprechung der Zuckerarten selbst (Kap. 35)
verschoben. Hier sei nur auf die Existenzmöglichkeit einer grossen Zahl
von stereoisomeren Verbindungen hingewiesen, um es verständlich zu
machen, dass sich unten bei der Besprechung der einzelnen Verbindungen
für einen und denselben Structurfall eine stattliche Zahl von Repräsen-
tanten aufgezählt findet. Für das Verständniss der unten mitzutheilen-
den Bildungsweisen müssen indess hier noch einige Erwägungen auf
Grund der stereochemischen Theorie angestellt werden.
Wenn wir die Cyanhydrinreaction auf eine Zuckerart anwenden, so
bilden wir durch diesen synthetischen Process ein neues asymmetri-
sches Kohlenstoffatom; stellen wir z. B. aus einer Pentose eine Hexon-
säure dar:
COH
!
*CH{OH)
I -f HCN + 2H,0 =
•CH(OH) .
I Anlagerung v. HCN
*CH(OH) u. Verseifung
I
COsH
I
CH(OH)
CH(OH)
I + NH3 ,
CH(OH)
^ CH(OH)
I
CH^COH)
CH^OH)
so kommen wir von einer Verbindung mit drei asymmetrischen Kohlen-
stoffatomen zu einer solchen mit vier asymmetrischen Kohlenstoffatomen.
Während nun für die drei von vornherein vorhandenen asymmetrischen
Kohlenstoffatome eine bestimmte Anordnung feststeht, die durch den
Process — wenn keine Umlagerung eintritt — nicht verändert wird
und beispielsweise durch die Projectionsformeln^:
CHO
?(U,OH)
—OH
CHO
H-
OH—
?-
H
H
H
OH
OH
H"
—OH
— H
OK
CHaCOH) CHjCOH)
wiedergegeben werden mag, können sich um das vierte neu gebildete
asymmetrische Kohlenstoffatom zwei verschiedenartige Gruppirungen ein-
stellen. Es werden sich daher in der Regel Molecüle von zweierlei Art
bilden, d. h. es wird ein Gemenge von zwei Verbindungen:
* üeber die Bedeutung solcher Projectionsformeln vgl. S. 667, ferner Kap. 35
(Zackerarten).
49*
772 Wechselseitige Umwandlung stereoisomerer Aldonsäuren,
CO,H CO5H
H— I -OH OH
H — OH H
und
OH— - H OH
H— — ^OH H
H
— OH
- H
-OH
CH,(OH) CHg(OH)
entstehen, die von einander nur durch die entgegengesetzte AnordnuDg
um ein einzelnes asymmetrisches KohlenstoiFatom — und zwar um das
der Carboxylgruppe benachbarte — unterschieden sind. In der That
hat man bereits in mehreren Fällen diese Folgerung der Theorie be-
stätigt gefunden ^ Das erste Beispiel dieser Art bot die Z-Arabinose
(eine Pentose), welche durch Anlagerung von Blausäure zwei im be-
zeichneten Sinne isomere Hexonsäuren, /-Mannonsäure und /-Gluconsäurej
entstehen lässt.
Diese beiden Säuren nun — Z-Gluconsäure und Z-Mannonsäure — ,
die sich ihrer gleichzeitigen Bildung zufolge nur durch die räumliche
Anordnung in Bezug auf das der Carboxylgruppe benachbarte Kohlen-
stoffatom unterscheiden, können in einander theilweise umgewandelt
werden, wenn man sie mit Chinolin auf 140^ erhitzt; ob man von der
Gluconsäure oder von der Mannonsäure ausgeht, so erhält man durch
diese Operation ein Gemenge der beiden Säuren, indem unter dem Einfluss
der höheren Temperatur (vgl. ähnliche Verhältnisse bei den stereoisomeren
Weinsäuren S. 807, 810) in einer Anzahl von MolecQlen eine.Umlagerung
eintritt, die in Bezug auf das der Carboxylgruppe benachbarte Kohlen-
stoffatom die entgegengesetzte Anordnung herbeiführt, bis schliesslich
ein Gleichgewichtszustand zwischen den beiden Isomeren hergestellt ist
Eine solche Umwandlung ist noch in mehreren Fällen bei Aldonsäuren
und ähnlichen Säuren durch Erhitzen mit Chinolin oder anderen organi-
schen Basen (Pyridin, Strychnin etc.) ausgeführt worden; man nimmt
auch in den übrigen Fällen — gestützt auf die Analogie mit dem
üebergang von Gluconsäure und Mannonsäure in einander und auf andere
Verhältnisse (vgl. Kap. 35, Zuckerarten) — an, dass die herbeigeführte
Veränderung ebenfalls in der Umkehrung der Anordnung in Bezug auf
das der Carboxylgruppe benachbarte Kohlenstoffatom besteht.
Solche Verbindungen, welche sich nur durch den entgegengesetzten
Charakter eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms bei gleichbleibendem
Charakter der übrigen asymmetrischen Kohlenstoffatome unterscheiden,
müssen chemisch durchaus different sein, wenigstens in solchem Grade,
wie man es überhaupt bei nahestehenden Gliedern einer und derselben
Körper klasse erwarten kann. Denn die nähere Betrachtung ihrer Formeln
— namentlich am Modell — lehrt, dass die Gruppirung der einzelnen
» Vgl. E. F18CHEE, Ann. 270, 64 (1892).
■n
>.r. •
Gleiehzeitige Bildung stereoisomerer Aldonsäuren. 77 S
Atome in ihren Molecülen einen fiir jeden Fall durchaus verschiedenen
Gleichgewichtszustand bedingt. Demzufolge unterscheiden sie sich denn
auch thatsächlich wesentlich von einander in Schmelzpunkt, Löslichkeit,
optischem Drehungsvermögen ( — aber nicht etwa in dem Sinne, dass
sie einander gerade optisch entgegengesetzt sind — ), in der Leichtigkeit
der Lactonbildung etc.
Es ist daher auch bei Processen, welche die gleichzeitige Ent-
stehung zweier derartig isomerer Verbindungen möglich erscheinen lassen,
die Bildung der einen Verbindung keineswegs ebenso wahrscheinlich, wie
diejenige der isomeren Verbindung; und die Verhältnisse liegen mithin
bei der Neubildung asymmetrischer Kohlenstoffatome durch synthetische
Processe durchaus anders, je nachdem in der Ausgangssubstanz schon
asymmetrische Kohlenstoffatome vorhanden sind (Fall A) oder nicht (Fall B).
Im letzteren Falle (B) stehen die beiden Configurationen, deren Ent-
stehung möglich ist, im Verhältniss der Enantiomorphie zu einander; sie
repräsentiren denselben Gleichgewichtszustand; ihre Bildung ist daher
gleich wahrscheinlich^, und sie entstehen daher thatsächlich stets, wie
schon im allgemeinen Theil (S. 82) hervorgehoben ist, in gleichen Mengen.
In dem oben zur Besprechung stehenden Falle A dagegen ist es nicht
nur denkbar sondern sogar wahrscheinlich, dass die Tendenz
zur Bildung der einen Configuration grösser ist als diejenige
zur Bildung der stereoisomeren Verbindung, dass daher eine Ver-
bindimg in überwiegender Menge — eventuell auch ausschliesslich (vgl.
Mannoheptonsäure S. 785) — durch die Reaction entsteht; die Beobach-
tungen zeigen in der That, dass in solchen Fällen die beiden Reactions-
produkte keineswegs in gleichen Mengen gebildet werden. Während im Falle
B die Bildung genau gleicher Mengen der Isomeren als ein theoretisches
Postulat erscheint, würde sie im Falle A vom Standpunkt der Theorie
nur als ein Zufall zu betrachten sein, und die vorliegenden Thatsachen
schliessen sich den Ergebnissen der Speculation in jeder Beziehung an.
Von dem Verhältniss, das zwischen zwei Isomeren solcher Art, wie
/-Gluconsäure und /-Mannonsäure, besteht, sind demnach die Beziehungen
zweier Verbindungen, die in Bezug auf jedes einzelne asymmetrische
Kohlenstoffatom entgegengesetzte Anordnung aufweisen, z. B.:
COjH CO,H
L )
H- - OH OH -H
H- I OH OH H
OH H H - OH
H OH OH H
CH,(OH) CH,(OH)
^ Wenigstens so lauge, als nicht etwa besondere physikalische Einflüsse die
Entstehung der einen Configuration begünstigen sollten.
j
774 Dioxifpropionsäure (Olyoerinsäure).
wohl zu unterscheiden. Zwei Isomere letzterer Art stehen in demselben
Verhältniss zu einander, wie die optisch entgegengesetzten Modificationen
von Verbindungen mit nur einem asymmetrischen Eohlenstoffatom (vgl
S. 80 — 82). Ihre Molecüle sind einander enantiomorph; sie verhalten sich
wie Gegenstand und Spiegelbild, und daher besitzt die eine Verbindung
ein genau ebenso grosses Drehungsvermögen nach rechts, wie die andere
nach links ; aber in den Molecülen beider Verbinduügen herrscht derselbe
Gleichgewichtszustand, und sie zeigen daher v~ abgesehen vom optischen
Verhalten und der Krystallform — keine erheblichen unterschiede. Man
belegt sie daher auch mit dem gleichen Namen und unterscheidet die
beiden „optischen Antipoden" nur durch Voransetzung der Buchstaben
d und / — z. B. c?-Glucon säure und Z-Gluconsäure. Die Bedeutung dieser
Vorzeichen ist schon S. 609 erklärt; sie drücken nicht den Sinn des
Drehungsvermögens für die Substanz selbst aus, sondern beziehen sich auf
das Drehungsvermögen der correspondirenden Aldose. Wenn also eine
der beiden Gluconsäuren als rf-Gluconsäure bezeichnet wird, so wird
damit nicht gesagt, dass sie die rechtsdrehende Modification ist, sondern
dass sie aus einer rechtsdrehenden Aldose — der cf-Glucose — durch
Oxydation entsteht und in letztere durch Eeduction wieder übergeführt
werden kann.
Für derartige optisch gerade entgegengesetzte Modificationen besteht
die Möglichkeit der Combination zu inactiven Modificationen, die mit
dem Vorzeichen i bezeichnet werden. Allein nicht in allen Fällen ist
eine Vereinigung der optischen Antipoden zu einer besonderen Modifi-
cation beobachtet, zuweilen bilden sie mit einander nur ein inactives
mechanisches Gemenge (vgl. Gulonsäuren, S. 782).
A. Polyoxymonocarbonsäuren, welche durch Umwandlung von
mehrwerthigen Alkoholen oder Aldehydalkoholen entstehen.
Die Dioxy Propionsäure CsHeO^ = CH2(0H).CH(0H)C0,H, gewöhnHch Gly-
eerinsUare genannt, bildet das einfachste Glied dieser Gruppe. Man stellt sie
durch Oxydation von Glycerin^ dar und benutzt als Oxydationsmittel in der Regel
Salpetersäure (vgl. S. 719); sie wird femer aus der a-j^-Dibrompropionsäure*
CHsBr.CHBr.COjH (vgl. S. 722) und aus der ChlormUchsäure» CH,C1.CH(0H).C0,H
(vgl. S. 755) durch Behandlung mit Silberoxyd erhalten. Glycerinaäure bildet einen
dicken Syrup, mischt sich mit Wasser und Alkohol, ist in Aether unlöslich; beim
Aufbewahren der durch Abdampfen der wässrigen Lösung auf dem Wasserbade ge-
wonnenen Säure scheiden sich nach und nach Krystalle eines Anhydrids (CgHfOt)!
ab, welches sich erst in mehr als 600 Th. kochenden Wassers löst, beim Kochen mit
Wasser nur langsam, rascher beim Erhitzen mit Kalkmilch in die Säure zurückverwandelt
^ Debus« Ann. 106, 79 (1858). — Sokolow, ebenda, 95. — de la Rde u. MI^llkb,
Ann. 109, 122 (1859). — Beilstein, Ann. 120, 228 (1861> — Babth, Ann. 124, 341
(1862). — Moldenhauer, Ann. 131, 324 (1864). — Mülder, Ber. 9, 1902 (1876). -
BöBNSTEiN, Ber. 18, 3357 (1885). — Lewkowftsch, Ber. 24o, 653 (1891>
» Beckuets u. Otto, Ber. 18, 238 (1885). « Fbank, Ann. 206, 848 (1880).
TnosryhuUersäuren, 775
wird'. Bei höherem Erhitzen' bildet sich neben anderen Säuren Brenztraubensäure
CHj«CO*CO,H, die reichlich beim Erhitzen von Glycerinsäure mit saurem schwefel-
sauren Kalium entsteht':
CHg(OH).CH(OH).CO,H-H,0 = CH,: 0(OH).CO,H = CHa.COCOjH
(vgl. S. 475—476). Die wichtige Verwandlung der Glycerinsäure durch Jodwasserstoff in
^odpropionsäure, welche zur Darstellung letzterer Säure benutzt wird, ist schon er-
wähnt (vgl. S. 712, 719). Durch Spaltpilze kann Glycerinsäure als Galciumsalz in Gäh-
rung versetzt werden^; als Hauptprodukte der verschiedenen Gährungen sind Alkohol,
Ameisensäure und Essigsäure, als Nebenprodukt Bemsteinsäure beobachtet. — Unter
den Salzen der Glycerinsäure wird häufig das Blei salz Pb(CsHs04)2, das in kaltem
Wasser schwer, in heissem Wasser leicht lösUch ist und harte ELrystallkrusten bildet,
zur Abscheidung und Charakterisirung benutzt — Glycerinsäureäthylester*
CjHftO^-CjHg entsteht beim Erhitzen der Säure mit absolutem Alkohol auf 170—
190*, ist eine zähe Flüssigkeit, siedet bei etwa 230— 240^ besitzt bei 6* das spec.
Gew. 1*193 und wird in Berührung mit Wasser schnell sauer.
Die aus Glycerin entstehende Glycerinsäure ist inactiv; durch auswählende
Vezgährung kann eine optisch active, und zwar rechtsdrehende, Glycerinsäure* daraus
erhalten werden, deren Salze linksdrehend sind (vgl. Milchsäure, S. 752—753).
Zur Glycerinsäure in naher Beziehung — in der gleichen Beziehung wie Aethylen-
oiyd zu Glykol, Glycid zu Glycerin (vgl. S. 590) — steht die Gl jcidstture ^
CgH^Og = CHj-CH-C^OgH (Aethylenoxydcarbonsäure, Epihydrinsäure). Sie
entsteht aus den beiden isomeren Chlormilchsäuren:
CHjCl . CH(OH). COjH und CHj(OH). CHCl • CO,H ,
deren erste S. 755 besprochen ist, deren zweite bei der Einwirkung von unter-
chloriger Säure auf Akrylsäure sich bildet, durch Behandlung mit alkoholischem
Alkali, ist flüssig, besitzt schwachen, an Fettsäuren erinnernden Geruch, löst sich in
allen Verhältnissen in Alkohol, Aether und Wasser, geht durch Erwärmen mit Wasser
~ selbst schon beim Stehen an feuchter Luft — in Glycerinsäure über und reagirt
mit rauchender Salzsäure unter lebhafter Erwärmung und Bildung der |9-Chlormilch-
säure CH,C1.CH(0H).C0,H.
TrioxybnttersSuren C4H8O5. Normale TrioxybuttersKure» CH2(0H).GH(0H)-
CHOHl-COjH (Erythritsäure, Erythroglucinsäure) ist als Oxydationsprodukt
von Er^iJirit (S. 604), Fructose CH2(OH).CH(OH).CH(OH).CH(OH).CO.CH2(OH) und
^ SoKOLOW, Ber. 11, 679 (1878).
* MoLDENHAUEB, Ann. 131, 336 (1864). — Böttinqer, Ann. 196, 92 (1878). Ber.
10, 266 (1877).
' Erlemmeyer, Ber. 14, 320 (1881).
* FxTz, Ber. 12, 474 (1879); 13, 1312 (1880); 16, 844 (1883). — Frankland u.
Frew, Joum. Soc. 59, 81 (1891).
> Hekrt, Ber. 4, 705 (1871).
* Lewkowitsch, Ber. 16, 2720 (1883). — Frankland u. Frew, Joum. Soc. 59, 96
(1891). — Tutton, ebenda, 233.
' Melikofp, Ber. 13, 271. — Erlenheter u. Kinkelin, ebenda, 457. — Melikoff
u. Zeliksky, Ber. 21, 2052 (1888).
« JLampartbr, Ann. 134, 260 (1865). — Sell, Ztachr. Chem. 1866, 12. — Börn-
STEDf u. Herzpeld, Ber. 18, 3353 (1885). — Herzpeld u. Winter, Ber. 19, 390 (1886).
— IwiG u. Hecht, ebenda, 468.
A
776 Tetraoxyvaleriansäuren (Pentonsäuren),
Mannit beschrieben worden. — Trioxjisobutter säure ^ (CH,-OH),CH(OH)CO,H
entsteht aus der Glycerose — dem ersten Oxydationsprodokt des Gljcerins (vgl
S. 582) — durch die Cyanhydrinreaction als Hauptprodnkt und bildet farblose Pris-
men vom Schmelzpunkt 116°; ihre Constitution ergiebt sich daraus, dass sie durch
Reduction in Isobuttersäure übergeführt werden kann; aus ihrer reichlichen Bildung
darf man folgern, dass die Glycerose als Hauptbestand theil Dioxyaceton (CH,-OH)s(X)
enthält
TetraoxyYaleriansSuren oder PentoDstturen CgHioOe. Die normalen Pentoi-
sttnren CH,(0H).CH(0H).CH(0H).CH(0H).C02H sind die Oxydationsprodukte der
Pentosen CHj(OH).CH(OH).CH(OH).CH(OH)-CHO und werden nach den ihnen ent-
sprechenden Zuckerarten benannt. — /-Arabonsäare''^ entsteht aus /-Arabinose durch
Oxydation; beim Eindampfen ihrer wässrigen Lösung erhält man einen Syrup, der
beim Stehen über Schwefelsäure erstarrt und dann zum kleinen Theil aus freier
Säure, zum grösseren Theil aus ihrem Lacton besteht; das Lacton kiystaUisirt aus
Aceton in farblosen Nadeln, erweicht gegen 86^, schmilzt zwischen 95^ und 98^ und
dreht nach links ([«]d*® in etwa lOproc. wässriger Lösung = — 73 •9°). Erhitzt man
eine wässrige Arabonsäurelösung mit Pyridin auf ISO*^, so wird die Arabonsäure
theilweise in die stereoisomere Ribonsäare^ umgewandelt, welch letztere umgekehrt
beim Erhitzen mit Pyridin theilweise in Arabonsäure übergeht (vgl. S. 772); die
beiden Säuren lassen sich in Form ihrer Calciumsalze ti'ennen, da arabonsaures Calcium
sehr leicht kiystallisirt und in kaltem Wasser verhältnissmässig schwer löslich ist,
während ribonsaures Calcium sehr leicht löslich ist und beim Verdunsten der Lösung
als gummiartige Masse zurückbleibt; Eibonsäurelacton CsHgOs bildet farblose
Prismen, schmilzt bei 72 — 76® und ist ebenfalls linksdrehend, aber viel schwächer
als Arabonsäurelacton ([«]d*® in etwa lOproc. wässriger Lösung = — 18-0°); durch
Reduction entsteht aus dem Eibonsäurelacton die Ribose. — XylonsSure^ entsteht
durch Oxydation von Xylose und liefert ein nicht krystallisirendes Calciumsalz.
Tetraoxyeapronstturen CeHj-jOe- Eine normale Tetraoxycapronsäure
(Methylpentonsäure) CH3.CH(0H).CH(0H)CH(0H).CH(0H).C0sH ist die durch
Oxydation von Rhamnose entstehende RliaiiinonsSare^, deren Lacton GeHioOe bei
150 — 151® schmilzt, in Wasser und Alkohol leicht, in Aether schwer löslich ist und
nach links dreht.
Eine Tetraoxycapronsäure mit verzweigter Kohlenstoffkette:
CH^0H).CH(0H).CH(0H).C(0H).CH3 ist die Saceharlnsäure«, deren Calciumsabs
CO,H
aus Glucose und Fructose — daher auch aus dem Gemisch derselben, dem Invert-
^ E. Fischer u. Tafel, Ber. 22, 106 (1889).
* R. W. Baueh, J. pr. [2] 30, 379 (1884); 34, 46 (1886). — Kiliani, Ber. 19,
3031 (1886); 20, 345 (1887); 22, 3006 (1888). — Allen u. Toulens, Ann. 260, 312
(1890). — Wohl, Ber. 26, 744 (1893).
* E. Fischer u. Piloty, Ber. 24, 4214 (1892).
* Allen u. Tollens, Ann. 260, 306 (1890).
* Will u. Peters, Ber. 21, 1813 (1888). — Schnelle u. Tollens, Ber. 23, 2992
(1890). Ann. 271, 68 (1892).
* P6UG0T, Ber. 13, 196 (1880). Compt rend. 90, 1141 (1880). — Scheibleb, Her.
13, 2212 (1880). — KiLLiNi, Ber. 15, 701, 2953 (1882); 17, 1302 Anm. (18841 Ann.
2li5, 361 (1883). — C. Liebermann u. Scheibler, Ber. 16, 1821 (1883). — Hermahä u.
Tollens, Ber. 18, 1333 (1885). — Walden, Ber. 24, 2028 (1891). — Schnelle u. Tol-
lens, Ann. 271, 66 (1892).
Te^aoxycapronsäuren und Saecharine.
nicker, — durch einen sehr eigenth Um liehen und noch nicht klargele
setzungsprocesa beim Kochen oder besser beim längeren Stehen ihrer
Lösung mit überschüssigem Kalkhjdrat Bic)i in reichlicher Menge bildet
man das CalciumaalE mit der enlsprechcndeu Menge Oxalsäure, so erhalt
Losung von Saccharinaäure; beim Rochen derselben oder beim Eindampfen
äfinre indeas grösstentbeils in das „Saoeharln" genannte Lacton:
CH^OH).CH . CH(OH). C(OH)-CH,
I I
O — CO
aber, welches grosso Kry stalle bildet, bitter schmeckt, bei 161° schmilzt, si:
ist und nach rechts dreht ([njo in lOproc. Lüsung anfJinglich = -|- 94
mehrtÄgigem Stehen = + SS-T); 100 Th. Wasser lösen bei 15° 13 Th. tl
beim Kochen oder Stebea der LSsung geht ein Tbeil des Saccharins in f
siure über. Die Constitution der Saccharinsfiure bezw. des Saccharins erj
aas ihrem Verhalten hei der Rednction und Oxydation. Da durch Bedu
Jodwasserstoff und Phosphor aus Saccharin zunflchst «-y-Dimethylbu1
.CHj
CH,CH;CHi-CH<' (8. 783), durch weitere Eeduetion Methylpropyl
0 >°
/CH.
CHj'CH,'CHj-CH<; gewonnen wird, muss mit der Carboxvlgruppe c
\CO.H
/<=
C-C-C--C
verbunden Bein; der empirischen Zusammensetzung zufolge müssen vi
Koblenstofiatome hydroiylirt, das Tönfte hydroxylfrei sein. Da nun fem(
Oxydation mit Silberoiyd Essigsäure und Glykotsüure als Spaltungsprodul
achtet werden, so müssen sich im Molecül die Hethylgruppe und die Gruppe -
finden; es bleiben demnach zur Wahl die beiden Saccliarinsäureformeln:
I yCH^OH) II yi
CH, - CH(OH)- CH(OH) ■ d(OH) - COjH und CH^OHI • CH(OH) ■ CH(OH) - C(0:
Xun geht die einbasische Sacchariiisäure CgH„0, durch Oxydation mit Sal|
in zweibasische Saccharonsäare CgH[oO, über — offenbar, indem die Gruppe -
in ^CO'OH verwandelt wird; von den beiden Saccharonsäureformeln:
I ,CO,H " /(
CH,CH{OH)-CH(OH)qOH)-COiH und CO,H-CH(OH)CH(OH)-C(C
wird nnn die erste ausgeselilosseß, die zweite dagegen bestätigt durch dei
das8 auB Saccharonaäure durch Eeduetion mit Jodwasserstoff und Phosphor
glntarsänre CO,H-CH,-CH,-CH(CHj)CO,H (S. 676) gebildet wird.
Mit der Saccharinsäure bezw. dem Saccharin isomer sind Isosaccha
bezw. Isaiaceharlii *'* (Schmelzpunkt 95"; [kJd in lOproc. wässriger 1
-»■ 63-0°) und MeCasaccharin säure bezw. HetKBftccharin'-'(Scbmel2punktl
n'ti in lOproc. nässriger Läsung = — 46-7"), welche neben einander aus Mi
durch Einwirknng von Kalkbydrat entstehen. Für die Isosaccharinsäur
Stractarformel:
' CoisiNiEE. Bull, äe, 512 (1882). — KiLiÄNi, Ber. 18, 631. 2514
WiLDEK, Ber. 24, 2028 (1891).
» Schnelle u. Tollebs, Ann. 271, 66, 67 (1892).
' Kii.MNi, Ber. 18, 2C2.1 (1S83); 18, 642 (IS«--!),
778 Pentaoxycaprcmsäuren oder Heoconsäuren
/CH^OH)
CH,(OH) . CHtOH) . CH, • C(OHK
\CO.OH
sehr wahrscheinlich gemacht, während in der Metasaccharins&ure eine normale
Kohlenstoffkette anzunehmen ist.
Um Verwechslungen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass bedaaerlicher
Weise der Name Saccharin auch einer Substanz der aromatischen Beihe (Tgl. Bd. 11}
ertheilt ist, die in ihrer Constitution nicht dia geringste Beziehung zu den eben be-
sprochenen Verbindungen hat.
Die stereoslsomeren normalen PentaoxyeapronsSaren oder
Hexonsäuren CgH^jO^ = CH,(OH).CH(OH)CH(OH)-CH(OH)CH(OH)-
COjH sind von besonderem Interesse wegen ihrer Beziehungen zu den
wichtigsten Zuckerarten; aus den Aldopen tosen CHj(OH)-CH(OH)-
CH(OH)-CH(OH)-CHO entstehen sie durch die Cyanhydrinreaction, aus
den Aldohexosen CH3(0H).CH(0H).CH(0H).CH(0H).CH(0H).CH0 durch
Oxydation.
1. Oluconsäuren und MannonsSuren. e/-61uconsäure^ ist das
Oxydationsprodukt des Traubenzuckers (rf-Glucose) und kann in letzteren
wieder durch Reduction mit Natriumamalgam übergefiihrt werden. Beim
Verdampfen ihrer wässrigen Lösung erhält man einen farblosen Syrup,
aus welchem nach mehrstündigem Erhitzen auf dem Wasserbade und
mehrtägigem Aufbewahren über Schwefelsäure sich das Lacton C^Hj^O^
in Ery stallen abscheidet; letzteres schmilzt nicht ganz constant zwischen
130^ und 135®, ist in heissem Alkohol recht leicht löslich und dreht nach
rechts {[cc]jy in lOproc. wässriger Lösung 10 Minuten nach dem Auf-
lösen = -I- 61-6®). Gluconsaures Calcium krystallisirt in blumenkohl-
ähnlichen Aggregaten und ist, bei 100® getrocknet, wasserfrei; 100 Th.
Wasser lösen bei 15® 3-3 Th. des wasserfreien Salzes. Die normale
Structur der Gluconsäure ergiebt sich daraus, dass sie durch Jodwasser-
stoff zu normalem Caprolacton bezw. normaler Capronsäure reducirt wird,
die Gegenwart von fünf alkoholischen Hydroxylgruppen daraus, dass der
Gluconsäureäthylester, wie auch das Gluconsäurenitril, ein Pentaacetyl-
derivat liefert.
£f-Mannonsäure^ ist das Oxydationsprodukt der <f-Mannose. Beim
Eindampfen ihrer Lösung auf dem Wasserbade erhält man einen Symp.
der beim Erkalten zu einer strahlig krystallinischen Masse des Lactons
^ Hlasiwetz u. Habermann, Ann. 166, 120 (1870). — Hlabiwjbtz, Ann. 168, 253
(1871). — Habermann, Ann. 162, 297 (1872); 172, 11 (1874). — Grieshammeb, Jb.
1879, 852. — Hoenig, ebenda 666, 819. — Kiliani, Ann. 206, 182 (1880). — Hbez-
PKLD, Ann. 220, 385 (1883); 246, 27 (1888). — Kiliani u. Kxeemakn, Ber. 17, 1296
(1884). — VoLPERT, Ber. 19, 2621 (1886). — Boütroüi, Compt rend. 91, 236 (1880);
104, 369 (1886). — Hefpter, Ber. 22, 1049 (1889). — E. Fischer u. Passmobe, ebend*
2730. — E. Fischer, Ber. 23, 800, 2625 (1890). — Schnelle u. Tollkns, ebenda 2991.
— Wohl, Ber. 26, 732 (1893).
• E. Fischer u. Hirsohberger, Ber. 22, 3219 (1889). — E. Fischer, Ber. 23,
800 (1890).
(Olitconsäuren und Mannonsäuren). 779
erstarrt; letzteres bildet farblose glänzende Nadeln, schmilzt zwischen
149^ und 153^, löst sich ziemlich schwer in heissem Alkohol und dreht
nach rechts ([a]^ in 12proc. wässriger Lösung = + 53-8^).
J-Gluconsäure und rf-Mannonsäure können durch Erhitzen mit Chi-
nolin in einander übergeführt werden (S. 772); in ihrer Constitution unter-
scheiden sie sich durch die räumliche Anordnung in Bezug auf das der
Carboxylgruppe benachbarte Kohlenstoffatom.
Die beiden optischen Antipoden der rf-Gluconsäure und rf-Man-
nonsäure entstehen neben einander bei der Anwendung der Cyanhydrin-
reaction auf die Arabinose (vgl. S. 771 — 772). Aus dem Gemisch kann
man zunächst die /-Mannonsäure leicht in Folge der grösseren Krystalli-
sationsfahigkeit ihres Lactons abscheiden, aus dem dann bleibenden Rest
dann die Z-Gluconsäure durch Krystallisation ihres Calciumsalzes isoliren.
Die Z-Gluconsäure^ ist der rf-Gluconsäure äusserst ähnlich — so liefert
sie ein Phenylhydrazid, das, ebenso wie dasjenige der rf-Gluconsäure, bei
raschem Erhitzen gegen 200^ schmilzt; sie unterscheidet sich von ihr
dadurch, dass sie optisch entgegengesetzt ist (festgestellt für das Galcium-
sulz und das Lacton); durch Reduction liefert sie Z-Glucose, durch
Oxydation Z- Zuckersäure. Die Z-Mannonsäure* ist wiederum der
<Z-Mannonsäure äusserst ähnlich, aber optisch entgegengesetzt; für die
Hydrazide beider Säuren wurde bei raschem Erhitzen der Schmelzpunkt
214 — 216*^, für das Z-Mannonsäurelacton der Schmelzpunkt 146 — 151^
gefunden; durch Reduction liefert Z- Mannonsäure die Z-Mannose, durch
Oxydation Z-Mannozuckersäure; auch an dieser Säure ist die normale
Stnictur durch Reduction mit Jodwasserstoff zu normaler Capronsäure
nachgewiesen, üeber die UeberfÜhrbarkeit von Z-Gluconsäure und
Z- Mannonsäure in einander vgl. S. 772.
Durch Gombination der optisch entgegengesetzten activen Modifica-
tionen können die inactiven Modificationen erhalten werden. i-Glu-
consäure' unterscheidet sich von der eZ- und Z-Gluconsäure durch den
niedrigeren Schmelzpunkt (188 — 190^ ihres Hydrazids und durch die
bedeutend geringere Löslichkeit ihres Calciumsalzes in kochendem Wasser.
i-Mannonsäure* liefert ein Hydrazid, welches höher (bei etwa 230^ als
dasjenige der Componenten schmilzt, ein Lacton vom Schmelzpunkt
149 — 155® und ebenfalls ein beträchtlich schwerer lösliches Calciumsalz.
Für die Synthese der Zuckerarten ist letztere Säure von besonderer
Wichtigkeit gewesen. Denn sie kann einerseits aus synthetischem Ma-
terial hergestellt werden, indem man den synthetischen a-Akrit oder
i-Mannit (vgl. S. 609) durch Oxydation zunächst in i-Mannose, dann in
{-Mannonsäure überfuhrt:
> £. Fischer, Ber. 23, 2611 (1890).
• KiLiAÄi, Ber. 19, 3033 (1886); 20, 339 (1887). — E. Fischer u. Passmore, Ber.
22, 2732 (1889). — E. Fischer, Ber. 23, 373, 2616, 2627 (1890).
» E. Fischer, Ber. 23, 2617 (1890). * E. Fischer, ebenda, 376, 2618.
780 Pentaoxycap'onsäuren oder Hexonsäuren
CH^OH CHO CO,H
{CHOHU >- [CHOH}^ >^ JCHOH!,.
CHjOH CH^OH CHjOH
Sie kann andererseits in ihre Componenten — d- und /-Mannonsäiire —
gespalten werden; verwandelt man sie nämlich in das Strychninßalz und
kocht letzteres mit absolutem Alkohol aus, so bleibt das schwerer lös-
liche Strychninsalz der Z-Mannonsäure zurück, während das leichter
lösliche Salz der rf-Mannonsäure in Lösung geht; auf Grund dieses Ver-
haltens können die beiden activen Componenten aus der inactiTen Mo-
dification wieder in reinem Zustand abgeschieden werden; sie selbst wie
alle durch Umwandlung aus ihnen hervorgehenden Verbindungen —
z. B. d' und /- Gluconsäure — sind damit der Synthese zugängUch ge-
macht.
2. €f ulonsäuren. Wenn in einem Molecül vier asymmetrische Kohlen-
stoffatome, von denen jedes mit H und OH verbunden ist, mit einander
zusammenhängen, und die an den Enden der Kette noch verfugbaren
Valenzen duixh zwei gleichartige Radicale X befriedigt sind:
X- CH(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH)-X ,
1. 2. 3. 4.
SO kann man in Bezug auf die räumliche Bindungsart der Radicale X
unter den verschiedenen Configurationen, welche die Mittelgruppe
— {CH'OH}^ — annehmen kann, — es giebt deren zehn (vgl. in Kap. 35
die Tabelle Nr. 43, Columne JD) — zwei Hauptfälle unterscheiden. Es
-kann die räumliche Gruppirung um die Kohlenstoffatome 1 bis 4 entweder
derart sein, dass man, wenn das Modell zwischen dem Kohlenstoffatom 2
und 3 aus einander geschnitten wird, und die beiden Hälften in correspoii-
dirender Stellung neben einander gestellt werden, von beiden Hälften
durchaus den gleichen Anblick hat; in diesem Falle {A) sind die beiden
Radicale X, wie sie structurell gleichwerthig sind, auch räumlich durch-
aus gleichartig gebunden; wenn mithin ein Radical X durch ein davon
verschiedenes Radical Y ersetzt wird, so wird es gleichgültig sein, ob
das Radical Y an das Kohlenstoffatom 1 oder 4 tritt ^ Oder aber die
Configuration des Molecüls kann derart sein, dass die beiden Molecül-
hälften nicht einander gleichgebaut sind; in diesem Falle (JB) sind die
beiden Radicale X demnach räumlich nicht gleichartig gebunden, und e>
ist nicht gleichgültig, welches derselben durch Y ersetzt wird; vielmehr
sind dann die beiden Configurationen:
X- CH(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(0H1— Y
1. 2. 3. 4.
und Y-CH(OH). CH(OH). CH(OH) • CH(OH)— X
1. 2. 3. 4.'
* Dem Fall A entsprechen in Columne I) dor Tabelle Nr. 43 (Kap. 35) die
Configurationen + VI, - VI, -h VII, - VII.
(OulonaäurmJ.
nicht mit einander zur Deckung zu bringen, entsprechen
Stereo isomeren Verbindungen.
Im letzteren Fall (B) kann man, wie eine nähere Betrat
wieder zwei Möglichkeiten unterscheiden. Die beiden M
können entweder in der Art wie Gegenstand und Spiegelbild
differiren ; dann werden auch die beiden Verbindungen:
X- CH(OH)- CH(OH)- CH(OH)- CH(OH)-Y
und
Y— CH(OH)- CH(OH)- CH(OH)CH(OH)-X
optische Antipoden sein (Fall S a). Oder die beiden Moleci
Verbindung :
X-CH(OH).CH(OH)CH(OH)CH(OH)-X
sind überhaupt durchaus verschieden construirt, so dass sie
tisch, noch enantiomorph sind; dann werden auch nach I
Radicals X durch Y durchaus verschiedene, selbständige S
entstehen, je nachdem der Ersatz am einen oder am ande«
Kette erfolgt' (Fall Bb).
Eine derartige Tsomerie (Fall Bb) besteht zwischen i
säuren und den Gulonsäuren; man hat für X und Y d
— CHj-OH und — CO,H einzusetzen; es erhellt sofort, dass
au%ehoben werden muss, wenn man durch Reactionen ir
Art die beiden endständigen Kadicale einander gleichmacht
also z, B. EU identischen Produkten kommen muss, wer
Gluconsäuren oder Gulonsäuren zu sechs wertliigen Alkohole
CH^OH)— CH(OH)CH(OH)CII(OH).CH(OH)-CH^OH)
reducirt oder zu Tetraoxyadipinsäuren (Zuckersäuren);
CO^-CH(OH) ■ CH(OH) - CH(OH) ■ CH(OH)— CO.H
o\ydirt.
Man gelangt zur <f-Gnlonsäure* von der rf-Gluconsäurt
man letztere erst zur (/-Zuckersäure — einer Tetraoxyadipinsi
dirt, dann die rf-Zuckersäure bezw. ihr Lacton wieder mit Natri
reducirt, wobei erst durch Reduction einer Carboxylgruppe
hydsäure — die Glucuronsänre — , dann durch weitere Ri
den Gluconsäuren isomere rf-GuIonsäure gebildet wird:
CO,H CO,H CHO
jCHOHi. f- [CH-OH], — *- ICH-OHI, -
CH,-OH CG.H CO,H
OH
^ (CH
io
d-Gu
< Dem Fall Ba entsprechen in Columne l) der Tabelle Nr. 43 <
äonen +. - I und +. — VIII, dem Fall Bb die Configurationen + II.
■f-IV.V nnd - IV- V.
• Thikbpkldbh, Ztachr. f. phyaiol. Chem". 15, 71 (1891> — E. PiBC
Ber. 24, 525 (1891). — E. Fimheb u. Coaiia-^, Ber. 25, 1026 (1892).
782 Pentaoxycap'onsäuren oder Hexansäuren
Aus dem Umstand, dass das Endprodukt dieser Reactionsfolge von dem
Ausgangsprodukt verschieden ist, ergiebt sich, dass die räumliehe An-
ordnung der aus den vier Gruppen — CH{OH) — gebildeten Kette im
Molecül der vier eben neben einander gestellten Verbindungen eine räum-
liche Ungleichwerthigkeit der beiden an den Enden der Kette verfiigbar
bleibenden Valenzen bedingt; man ersieht ferner daraus, dass bei der
Eeduction der cf- Zuckersäure die aus der Gluconsäure übemommeDe
Carboxylgruppe der Reduction anheimfällt, während die durch Oxydation
der Gluconsäure erst gebildete Carboxylgruppe zunächst intact bleibt. Da
ferner das Endprodukt auch verschieden ist von der dem Ausgangsprodukt
optisch entgegengesetzten Verbindung (/-Gluconsäure), muss die räum-
liche Anord^nung der Mittelgruppe {CHOH}^ in den obigen Verbindungei
dem Fall Bb entsprechen, d. h. eine derartige sein, dass bei Inanspruch-
nahme der beiden restirenden Valenzen durch zwei ungleichartige Gruppen
im einen oder anderen Sinne weder identische, noch enantiomorphe Con-
figurationen zu Stande kommen. — c?-Gulonsäure liefert ein bei 180—
181^ schmelzendes, besonders schön krystallisirendes Lacton, welches
nach rechts dreht ([«Jd^^ in etwa lOproc. wässriger Lösung = 4-55-1")
und ein bei 147 — 149^ schmelzendes Phenylhydrazid, das im Gegensatz
zu den Hydraziden der Glucon-, Mannon- und Galactonsäure in heissem
Wasser leicht löslich ist; durch Reduction geht sie in </-Gulose, durch
Oxydation in (/-Zuckersäure über.
/-Gulonsäure^'^ würde zweifellos aus der Z-Gluconsäure durch die
gleichen Reactionen entstehen, die von der rf-Gluconsäure zur rf-Gulon-
säure führen. Diese Reactionen sind indess nicht ausgeführt, fla einer-
seits das Ausgangsmaterial sehr schwer zugänglich ist, da andererseits die
/-Gulonsäure viel einfacher auf anderem Wege gewonnen werden kann.
Sie bildet sich nämlich aus Xylose durch die Cyanhydriu-
reaction. Für das Lacton wurde der Schmelzpunkt 179 — 181^ für das
Hydrazid der Schmelzpunkt 147 — 149®, für das Lacton das Drehungs-
vermögen [«Jd^^ in 9proc. wässriger Lösung = — 55-3® gefunden. rf-Gulon-
säurelacton und Z-Gulonsäurelacton sind auch krystallographisch enantio-
morph. Durch Reduction entsteht aus Z- Gulonsäure /-Gulose, durch
Oxydation /-Zuckersäure.
2- Gulonsäure^. Wenn man gleiche Mengen der optisch entgegen-
gesetzten Gulonsäurelactone in wässriger Lösung zusammenbringt, so er-
hält man natürlich eine inactive Lösung; aus dieser Lösung schiesst in-
dess beim Krystallisirenlassen nicht ein f-Gulonsäurelacton als einheitliche
(„racemische", vgl. S. 808) Modification, sondern ein Gemenge der Krr-
stalle des d- und /-Gulonsäurelactons an, welche von einander durch das
^ E. Fischer u. Stahel, Ber. 24, 529 (1891).
' E. F18CHER u. CuRTiss, Ber. 25, 1026 (1892).
(Galaetonsäuren imd Talonsäure).
Vorkommen gewisser hemiedrischer Flächen zu unterschei
däber durch Auslesen getrennt werden können. Dagegei
aas der gemischten Lösung der beiden Lactone durch Üe
das Calcinmsalz ein Salz, welches bei Xft'* 3 — 4nial so vie
Lösung erfordert als die Salze der Optiset activen Säuren,
besondere Modification und nicht als Gemenge zu betrach
3. 6alaetonsSuren und Talonsäure. Auch fUr das
der Beziehungen der drei Galactonsäuren [d-, l- und i-} zu
die eben angestellten allgemeinen Erwägungen {S. 780 — 781)
keit. Diese Säuren stellen ein Beispiel itlr den Fall Ba c
cf-Galactonsäure ' ist das Oxydationsprodukt der
beim Verdunsten ihrer Lösung über Schwefelsäure im Va(
sich das Säurehjdrat in kleinen Xädelchen ab; es kann in
sirbares, in wasserfreiem Zustand bei 90 — 92" schmelzendes
geführt werden, das linksdrehend ist; das Calciumsalz {Cgi
stallisirt mit 5 Mol. H,0. von denen vier über Scbwefelsäui
das Phenjlhydrazid schmilzt bei raschem Erhitzen zwiscl:
205" und ist in heissem Wasser ziemlich leicht löslich. Du
mit Natrinmamalgam ist Galactonsäure in Galactose, mit Joe
normales Caprolacton überfilhrbar, durch Oxydation liefert sie
Die aus rf-Galactonsäure durch Oxydation entstehende
CO,HCH{0H).CH(OH)CH(0H)CH(OH).C0,H
ist nnn optisch inactiv und zwar durch intramoleculare
inactiv (vgl. die Begründung auf S. 820). Ihr Moleciil bes
Fall Ba (S. 781) entsprechende Configuration ; würde man e
theilen, so erhielte mau zwei einander enantiomorphe Häl
daher in ihrer Wirkung auf das polarisirte Licht im Schleii
compensiren. So erklärt es sich, dass bei der Reduction
säare (in Form des Lactons mit Natriumamalgam), indem je
Carboxylgruppen in ebensoviel Schleimsäuremolecülen zum
der Reduction wird, gleiche Mengen der beiden optisch entg
einbasischen Säuren:
C0,H-CH(OH).CH(0H)CH(OH)-CH{OH)-CH^0H)
1. 2. 3. 4.
CHrfOH)-CH(OH)-CH(OH)-CH(OH)CH(OH)-CO,H
1. 2. 3. t.
gebildet werden. Es wird demnach durch die Reactionsfo)
CO,H CO,H CO,H (
;cH(OH)i, > ;ÖH(OH);. — *■ !ch{oh)Ij + j(
injOH) (Oxydation) ^^^-^ (ReductioD) ciUOH)_(
' Barth u. Hlasiwetz, Ann. 122, 96 (1862). — Hlabiwbtz,
11871). - KiLiAMi, Ber. 13, 2307 (1880); 14, 661, 2529 (1881); 18, 15
FisCHEB n. Pamhobe, Ber. 22, 2731 (ISSS). — Schkellb u. Tollenb,
(1890). Abu. 271, 81 (1882). — E. Fischee, Ber. 23, 935 (1890).
784 Rkamnohexonsäure l>is Rhamnoocionsäure,
die (/-Galactonsäure in i-6alactonsäure^, deren Lactou nicht ganz
constant bei 122 — 125® ohne Zersetzung schmilzt und sich als optisch
inactiv erweist, verwandelt. Die 2 - Galactonsäure kann durch Krvstalli-
sation des Strychninsalzes in <5?-Galactonsäure und die ihr optisch ent-
gegengesetzte /-Galactonsäure^ gespalten werden.
Beim Erhitzen mit Chinolin oder Pyridin auf 140 — 150® wird rf-Ga-
lactonsäure theilweise in (/-Talonsäure^ umgewandelt, welch' letztere
wieder umgekehrt unter denselben Bedingungen theilweise in Galacton-
säure übergeht (vgl. S. 772); die beiden Säuren, die zu einander in ana-
loger Beziehung wie Gluconsäure und Mannonsäure stehen, können als
Cadmiumsalze getrennt werden, da galactonsaures Gadmium in kaltem
Wasser schwer, talonsaures Gadmium leicht löslich ist; auch das Talon-
säurehydrazid (Schmelpunkt: gegen 155®) ist in Wasser viel löslicher als
Galactonsäurehydrazid ; Talonsäure liefert durch Reduction Talose, durch
Oxydation Taloschleimsäure (S. 820—821).
Eine normale Pentaoxjoenanths&ure oder Methylhexonsaure C7H14O7 - CH,-
{CH^OHIs-COgH ist die Bhamnoliexonsäure^ (Isodulcitcarbousäure, Rham-
nosecarbonsäure), welche aus der Rhamnose 'durch die Cyanhydriureaction ent-
steht, beim Abdampfen ihrer Lösung ein Lacton CyHuOa (Schmelzpunkt: 169®, [«lu**
in lOproc. wässriger Lösung = 4- 83 «8^^) liefert und von Jodwasserstoff und Phos-
phor zu normaler Oenanthsäure reducirt wird. — Durch Reduction mit Natrium-
amalgam liefert sie einen Zucker, der durch die Cyanhydriureaction (vgl. S. 769) nun
in BhamnolieptonsUare^ CgHieOg = CHajCHOHigCO^H (Schmelzpunkt des
Lactons 158 — 160^, [otJd*® in lOproc, wässriger Losung = 4- 55 • 6^) verwandelt werden
kann. — Durch die gleichen Reactionen ist man endlich noch zur RhamnooetonsSure ^
CoHiaOe = CHg-ICH-OHIv-COjH (Schmelzpunkt des Lactons 171—172«, [a^ in
5proc. wässriger Lösung = — 50'8*^j aufgestiegen.
Die stereoisoineren normalen Hexaoxyoenanthsäuren oder
Heptonsäuren C.Hi^Og = CHa(OH).CH(OH)CH(OH)CH(OH)-CH(0E)-
CH(OH)-COgH sind ebenfalls wieder fiir die Kenntniss der Zuckergruppe
— und zwar einerseits bei den Untersuchungen über die Structur der
wichtigsten Zuckerarten, andererseits bei den Versuchen zur Synthese
höherer Zuckerarten — von grösster Wichtigkeit geworden. Sie ent-
stehen aus den Aldohexosen durch die Cyanhydriureaction; und zwar ist
aus denS. 771 — 772 entwickelten Gründen im Allgemeinen die gleichzeitige
Bildung zweier stereoisomerer Säuren zu erwarten. Wenn nun aus
einer derart gebildeten einbasischen Säure von der Zusammensetzung
CyHj^Og, deren Formel sich dieser Zusammensetzung zufolge zunächst in
^6^7
CO3H
auflösen lässt, durch Reduction mit Jodwasserstoff nor
(OH)e
* E. FiscHEB u. Hektz, Ber. 25, 1252 (1892). • ebenda, 1258.
» E. Fischer, Ber. 24, 3622 (1891).
* E. Fischer u. Tapel, Ber. 21, 1658, 2174 (1888). — Will u. Peters, ebenda,
1815. — E. Fischer u. Piloty, Ber. 23, 936, 3104 (1890).
* E. Fischer u. Piloty, Ber. 23, 3106 (1890). • ebenda, 3109, 3827.
Hexaoxyoenantkaänren oder Hepionsäuren. 785
males Heptolacton oder normale Oenaathsäure gewonnen wird, so ist
damit eben filr jene Säure die Structur einer normalen Hex«
säure:
CH,(OH)CH(OH)-CH(OH).CH{OH).CH(OH)CH(OH)CO,
und fßr das zu ihrer Darstellung benutzte Äusgangsprodukt i
CH,(OH) ■ CH(OH)- CBISm ■ CHCOH) ■ CH(OH)- CHO
erwiesen; bei diesem Schluse wird nur die wenig anfechtbar
viele Erfahrungen gestutzte (vgl. S. 578 — 579) Voraussetzu
dass sich an keinem Kohlenstoffatom der Kette mehrere Hydi
befinden. Dieser von Eiliani ersonnene und von ihm expen
gearbeitete Constitutionsbeweis ist flir die Glucosecarbonsäm
carboQsänre und Galactosecarbonsäure und damit för die enl
Zuckerarten erbracht worden.
Für die Synthese höherer Zuckerarten sind diese Säurei
da ihre Lactone durch Reduction mit ftatriumamalgam in i
CH JOH) ■ CH(OH) ■ CH(OH)- CH{OH)- CH(OH). Ce(OH) . CH
übergehen, die ihrerseits wieder als Ausgangspunkte zu neuer
der Cyanhjdrinreaction dienen können (vgl. S. 769).
filncoBeearbODsSnreii oder d-GlneoheptoisKaren '-*'-' aus d-
entstehen neben einander aus ä-Glucose die n-Glucoheptonsäure,
U5— 14S° Bchmelzendea linksdreh endes Lacton liefert und durch Oiy
iiinctive PentaoijpimelinBäure (S. 822) übergeht, und die ^-Glucohepto
Lacton bei 151 — ihi" schmilzt und ebeufalla linksdrehend ist, welcl:
Oxydation eine active PeDtaoxypimelinHfiure liefert; die ^-Glucobei
durch Erhitzen mit Pyridin theilweise in H-Glucoheptonaänre verwan
Confignration der beiden Säuren vgl. Kap. 35. — Aus cJ-Mannoee ist b
d-MannosmsrbouBSnre*-''' oder (^-MBnnoheptonxUnre — und zwar
beute von ST/o der Theorie — erhalten worden (vgl. S. 773); sie bil
hydrat kleine Priamen, die bei 175° unter Ga»entwickelung und Ueh
L&ctoM schmelzen; das Lacton schmilzt bei 148 — löO" und dreht nach I
sprechende Mfanuobeptoiisänre* und t-MannoheptonsKure* sind :
bezw. t^Mannoae dargestellt. ~ GalaetosecarboDsSnre'-' oder Galahei
i-Galactose) schmilzt als Sfiurehydrat bei 145°, indem sie in ihr La
punkt 140—150") übergeht.
Eine Heptonsftnre mit Terzwelgter Kohlenstoffbe
stellt die aus der d-Fructoae durch die Cyanhydrinreacti
PraetoBecarbonsKure^ oder if-Fractoheptoiütture dar; den:
■ RiLiAxi, Ber. 19, 767, 112S (1886).
' E. Fischer u. Passmore, Her. 22, 2732 (1889).
' E. Fischer, Ber. 23, 935 (1890). * E. Fischb«, Aiju. 270,
» E. FiscHEB u. HmscnBEROER, Ber. 22, 370 (1889). — E. PiaHEi
IJer. 23, 2226 (1890). — Hartmakn, Ann. 272, 190 (1892).
• Stakuey-Siuth, Anu, 272, 182 (ln92).
' KiLiiSi, Ber. 21, 91.^ (1888). — Maqüenke, Compt. rend. 108,
" KiLiANi, Ber. 18, 3070 (1885); 19, 221, 1914 (1886). — Kiliani
23, 449 (1890). — DdLr,, Ber. 24, 348 (1891).
V. Metbk d. Jtcoaaas, oig, Cbem. I. 5
786 Octonsäuren und Nononsäuren.
liefert bei der Beduction mit Jodwasserstoff ein Heptolacton und eine
Heptylsäure, welche von den normalen Verbindungen verschieden sind;
die 80 entstehende Heptylsäure konnte vielmehr mit einer Säure identi-
ficirt werden, die mittelst der Acetessigestersynthese (vgl. S. 807 — 308)
durch successive Einführung von Methyl und Normalbutyl entsteht und
demnach als Methylbutylessigsäure:
CHg • CHj • CHji • CHg • CH • CHg
I
CO,H
anzusprechen ist. Daraus folgt für die Fructosecarbonsäure die Struetur-
formel:
CHj(OH). CH(OH). CH(OH). CH(OH). C(OH) • CHsCOH)
I
CO,H
und für die zu ihrer Darstellung benutzte Fructose die Formel eines
Eetonalkohols (Ketose) :
CHj(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CO • CH^OH) .
— Das Lacton der Fructosecarbonsäure schmilzt bei 126 — 130^ und ist
rechtsdrehend.
HShere Aldonsfturen * sind von der cf-Mannoheptonsäure and »-(/-Glucohepton-
säure (s. S. 785) aus durch abwechselnde Reductlon und Cyanwasserstofianlagenmg
(vgl. S. 769) erhalten. (f-MannooetonsSare OHCHs{CH.OH}e.COjH giebt ein bei
167—170^ schmelzendes, linksdrehendes Lacton CgH^^Og, (MHannonononsiare OH*
CHa • {CH • OHJy • COgH ein bei 175—177* schmelzendes, ebenfalls linksdrehendes Lacton.
— Bei den von der n-d-Glucoheptonsfiure ausgehenden Synthesen ist die gleichzeitige
Bildung zweier isomerer Säuren (vgl. S. 773) beobachtet worden. Aus a-Glucoheptose
entsteht durch Anlagerung von Blausäure stets als Hauptprodukt n-GlneooetonsSnre
(das Lacton schmilzt bei 145 — 147*^ und ist rechtsdrehend), als Nebenprodukt — und
zwar in steigender Menge mit höherer Temperatur — |?-01iieooetons&iire (das Lacton
schmilzt bei 186 — 188* und ist rechtsdrehend). Ebenso entstehen aus a-Glucooctose
zwei GlueonononsSaren, von denen indess nur die leichter isolirbare genauer unter-
sucht ist.
B. Polyoxy-monocarbonsäuren, welche aus ungesättigten Mono-
carbonsäuren durch Additionsreactionen hervorgehen.
Von theoretischem Interesse ist in der Chemie dieser Säuren wieder die Piag<?
nach dem gegenseitigen Yerhältniss der gesättigten Dioxysäuren, welche den stereo-
isomeren Gliedern der Oelsäurereihe entsprechen. Die theoretischen Forderungen
sind hier wieder ganz ähnliche, wie sie zuerst bei der Besprechung der Dibalogen-
buttersäuren (S. 722 fF.) entwickelt wurden. Im einfachsten Falle also — bei der
Crotonsäure imd Isocrotonsäure — müssen wir erwarten, dass der Crotonsäure sowohl
wie der Isocrotonsäure je eine stereoisomere a-/^])ioxybiitters]tare CH,-CH(OH)-
CH(0H)-C02H (Methylglycerinsäure) enjtspricht — eine Forderung, die in der
That durch die Beobachtungen" bestätigt wird.
* E. Fischer u. Passmore, Ber. 23, 2233, 2236 (1890). — E. Fischer, Ann.
270, 64 (1892).
» FrrriG u. Kochs, Ann. 268, 7 (1891). — Vgl. femer C. Kolbb, J. pr. [2! 26,
390 (1882). — Melikopp, Ann. 234, 197 (1886). — Melikoff u. Zelinskt, Ber. 21,
2053 (1888). — Melikopp u. Petrenko-Krischenko, Ann. 266, 358 (1891).
HydrozyladditionsprodukU der einbasischen ungesättigt
Feste Grotonaäure liefert durch Oiydation mit Permaoganftt i
sSare, welche aus Wasser iu laiigen pTiamatischen KrystaUen i
achiessl, über Sehwefelsäare verwittert und waaaerfrei bei 74 — 75
der bei 15" geaSttigten Lösung ihres Silborsalzea entbalteu l'l ']
Bäure dagegen liefert die leodiozybuttersäure,' welche bei g<
ratur flOasig ist; 100 Tb. der bei IS-S" gesättigten Lösung ihi
halten 5'1 Tb. Salz. Beide Säuren zeigen keine Neigung zur
)Lma daher keine der Säuren die Structurformel C,H^OH)-CH(
aitien, vielmehr iat beiden die {gleiche Structurformel Cl{,-CH|
beizulegen.
Analog sind die Beobachtungen fiir die hSheren Paare
isomerer Säuren — Oebäure und GlaYdinaSure, Erucasäure und 1
DioxystearlnsBuren C„H„0. = C„H„(OH),CO,H. Die D
aus Oelsfiure' (durch Oiydatiou der Oelsäure mit Kaliumpermai
sfiuredibromid durch Einwirkung von feuchtem Silberoiyd} krystt
achmilat beilS6'5°, ist in Wasser unlöslich, in Aether und kal
in heiBsem Alkohol leicht löslich. — Uie Dioiystearinsäi
aäure* schmilzt bei 99—100° und ist in Alkohol und Aethei
lösUcb. — Die Dioiystearinaäure aus IsoÖlsäure' Bchmilzl
DioxjbehensünreB C,iH,(0« = C„H„(OH),.CO,H. Die !
aäure* schmilzt bei 133—133°, diejenige aus Brassidinaäure
Trioxystearinstturen' Ci,H„0. = C„H,^OH), ■ CO,H entate
von Kicinnsölääure und Ricinelai'dinsäure {vgl. S. 789—790).
Tetraoirsteariiisaiire '-' C„H„Oa = C„H„(OH), ■ CO,H (Sa
Oiydationsprodukt der Linolsäure (S. 530|; sie schmilzt bei 159-
Hexaoxystearlnsanren»-» C,sH„08 = C„H„(OH), - CO,H (1
entstehen durch Oxydation der Linoleosäure und Isolinotensäure
säure kr/dtallisirt aus Wasser in mikroskopischen Nadeln und
Isolinuainsäure krystallisirt in prismatischen Nadeln, löst sit
Waaaer und schmilzt bei 173—176",
III. Hydroxylderlrate der elabaslachen nagesät
Die Frage, ob es ungesättigte Oiysäuren giebt, i
gruppe an einem doppelt gebundenen Kohlenstoffatoni
erhebliches theoretisches Interesse dar. Nach den S. 475 — 476 \
' OvEHBECK, Ann. 140, 1i (1866). — A. Sattzbpp, J. pr. [2J
302 (1888). — Spiecdonow, Ber. 21o, 181 (1888). J. pr. f2] 40, 2(
Ber. 22, 620 (1889).
' Sattzeff, J. pr. [2| 3S, 315 (1886).
■Tu., C u. A. Savtzefp, J. pr. [2] 37, 282 (18S8).
* Hacsknboht, Ann. 143, 53 (1867). — Hazdra, Monatf
Hazdba u. GBÖssNEft, ebenda, 947. — Uewaszofp, J. pr. [2] 39.
* GBtrsstfEB u. Hazura, Mouatsh. 10, 196 (1889),
• Hazüba u. GbObsseb, Monatoh. 9, 475 (1868); 10, 198 (1
|2] 39, 341 (1889). — Manooi.dt, Monatah. 13, 326 (1892).
' Baoeb u. Hazuba. Monatah. 7, 223 (18861. — Hazoka, M.
», 188 (1888).
' A. Reforuatzkv, J, pr. [2J 41, 541 (1890).
• Hazuba, Monatsh. 7, 838 (1886); 9, 180 (1888). — 1
Monatsh. 8, 158 (1887).
788 Oxyakrylsäure, Oxycrotonsäure.
sprechung ungesättigter Alkohole mitgetbeilten Erfahrungen sollte man erwarten,
dass derartige Säuren sehr unbeständig sind und, wenn sie überhaupt existiren, sich
leicht in Aldehydsäuren bezw. Ketonsäuren umlagern, z. B.:
CH(OH) : CH • CO,H — > CHO • CH, • CO,H ,
CH8.C(OH):CH.C08H >^ CHs • CO • CH, • COgH.
Nun wird aber gerade umgekehrt z. B. für den Acetes^igester — eine Substanz, die
zu den meistgebrauchten organischen Reagentien gehört, die ja auch schon oft &U
Hülfsmittel für Beactionen mancherlei Art erwähnt wurde, und die von den meisten
Chemikern als Ester einer Ketonsäure:
CH,.CO.CH,.C04.C,H5
aufgefasst wird, — von einer Anzahl Forscher im Gegensatz zu der gebräuchlichen
Anschauung die Formel eines Oxycrotonsäureesters:
CH3 . C(OH) : CH . CO2 . C^Hs
vertheidigt. Die Gründe für und wider diese Anschauung werden später (Kap. 39)
angeführt werden; hier sei nur auf dieses Beispiel hingewiesen um anzudeuten, da^
vielleicht einige der gewöhnlich als Ketonsäuren angesprochenen Verbindungen
zu der Gruppe der ungesättigten Oxy säuren gehören könnten.
Mit grösserer Wahrscheinlichkeit dürfen Verbindungen, die ihrer Bildungsveise
zufolge Derivate von 1-3 Aldehydsäuren sein könnten:
CHO-CH-CO,H ,
I
auf GiTind der Beobachtungen über ihr Verhalten als Oxj'akrylsäurederivate:
CH(OH>--C-CO.H
I
angesprochen werden*; die Gründe dafür werden in Kap. 38 bei der Besprechung
des sogenannten Formylessigesters angegeben werden.
Zweifellos existiren Alkylderivate derartiger Oxysäuren, was ja auch an-
gesichts der Beständigkeit des Vinyläthyläthers etc. nicht überraschen kann« So ent-
steht z. B. aus »j'^i^^o^P^opi^^^^^^^ durch Erhitzen mit alkoholischem Kali in
Folge der Reactionen:
CHsCBrjCOgK-HBr = CH,: CBrCO^K ,
CH^rCBrCO.K + KO.C,Ha = CH,: 0(0.C,H5).C0,K -f KBr
AethoxyakrjlsSure* CH,: C(0C,H6)C0,H (weisse Krystalle vom Schmelzpunkt
110^). — Aus |?-Chlorisocrotonsäure bezw. ihren Estern sind durch Einwirkung von
Natriumalkylaten eine ganze Reihe von Alkoxycrotonsänren^ CH3-C(0-R):CH-CC)jH
bezw. Ester derselben gewonnen worden; die so erhaltene Aethoxycroton säure
CHa;C(0.C,H5):CH.C0,H z. B. krystallisirt in Prismen, schmilzt bei 137-5* unter
Gasentwickelung und wird beim Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäiue in Kohlen-
säure, Alkohol und Aceton gespalten; man erhält aus |9-Chlorcrotonsäure die gleiche
Aethoxycrotonsäure, hat daher unter den Versuchsbedingungen im einen oder im
anderen Falle eine Umlagerung der labilen in die stabile stereoisomere Form an-
zunehmen. Dagegen ist die entsprechende Schwefel Verbindung durch Einwirkung
von Natriummercaptid auf ^-Chlorcrotonsäure und ^Chlorisocrotonsäure in den beiden
» V. Pechmann, Ber. 26, 1040 (1892).
» Otto, W. Merz, Holst, Ber. 23, 1108 (1890).
3 Friedrich, Ann. 219, 322 (1883). — Koll, Ann. 240, 312, 322, 324 (1888). —
Enke, Ann. 266, 201 (1889). — Vgl. auch über Methoxymethakrylsäure (S. 793) Klebeb.
Ann. 246, 104 (1888).
Ä»gelic<üactone.
Etereo isomeren Modificationen erhalten worden; ^-Tbioäthjlcroton
C|S-C,Hj):CHCO,H schmilzt bei 112— 113», i^-Thiottthyliaocroti
91 — 92°; beide zerfallen beim Erhitzeo in KoblenaSure und, wie zu i
gleiche Thiofitliylpropylen (CH,)C(S-C,H.): CH,.
Aach in Form von Lactonen scheinen derartige Oiysäuren bestäi
weiiigatens geht LSvuUnsSure — eine Säure, welche i;ewcihDlicb als Ket
CH,
CO-CH,-CH,-COjH, ■
aufgefaeat wird, — bei sehr langsamer Destillation unter Wasserabspaltt
in Ewei isomere Verbindungen CsHgO, über, deren Verhalten gut ml
von Anyeliealaetotien * und der Bildungsgleicbung:
CH,C-CH,-CHi CH,-C:CHCH, CH,:C-CH
/ I -H,0 = I 1 oder I
OHO —CO O CO 0 -
Angelicalactou Isoangelics
übereinstimmt. Angelicalacton schmilzt bei +18— 18-5°, siedet unter
bei 51°, löst sich in 20—22 Tb. Wasser von 15", wird durch Pottasch
gef&lltund doTchKochen mit Wasser in Lävulinsäure übergeführt; Isoang
eretant bei -17° noch nicht, siedet unter 2ü mm Druck bei 83—84°,
Destillation unter gewöhnlichem Druck partiell in das isomere Lacton
Wasser mischbar, durch Pottasche daraus abscheidbar und gegen koch
sehr bestSndig; beide Lactone liefern mit kaltem Barytwaxser L&vi
fixiren in Schwefelkohlenstoff lösung Drom. — Aus Dimethyllfivulinstturi; (
ist ein Dimethylangeliealacton' erhalten.
Ungesättigte K-Oiyderivate der OelsSuren, deren Hydr.
nicht au einem doppelt gebundenen Kolilcnstoffatom haftet,
ongesfittigten Aldehyden durch die Cyanhydrinreaclion*, z. B. aus Crotoni
CH:CH-CHOdiea-Oiy-|-J-Sthyliden-propionsaureCH,-CH:CH-CI
iUcInaslllsSare'' CisH^Oa, welche als Glycerid neben kleinen
Stearin den HauptbcHtandtheil des Ricitmaöls ausmacht, kann ihrer Zusa
zufolge wie auch nach ihrem Verhalten als Ozyülsäure C,,H,^OH
gefaaat werden. Man erhfilt sie durch Verseifen des RicinusÖls uud passen
als blendend weisse harte Krystallmasse, die bei Zimmertemperatur el
ist, bei +16 — 17° schmilzt und auch unter sehr stark vermindertem
nnzeivetzt flüchtig ist Als normal constituirte S&ure erweist sie sich i
durch Einwirkung von Jodwasserstoff aus ihr eine Säure C„H,,JO|
durch nascirenden Wasserstoff in gewöhnliche Stearinsäure übergeht; d.
einer Doppelbindung kann man aus dem Umstand schliessen, dass die Ricii
' AuTEsaraTH, Ann. 364, 222 (18B9J.
' L. WoLFF, Ann. 339, 249 (1885); 364, 229 (1S91). Ber. 80, 4i
' PiKiTBit, Ber. IB, 579 (ise2). — AnschOiz u. Giilbt, Ann. 347,
Weioel u. Hoppe, Monatah. 13, 614 (1892). — Vgl. auch über das ^
AethyllÄTulinsÄure bei der Destillation Thobme, Joum. Soc. 89, 348 (1
* LoBBV DE Bbct», Bull. 42, 159 (1884). Rec. trav. chim. 4, 2
JoautHT, Monatah. 11, 399 (1890).
' Saalkölleb, Ann. 84, 108 (1848). — Ulrich, Ztaclir. Cliem. 1
Ptiüs u. Hasseneahf, Ber. B, 19:6 (1876). — Ksafft, Ber. 21, 27
Hazura u. ÖrOssnbb, Monalflh. 9, 475 (1888). — DtErF, J. pr, [2j 39,
ScHEUBEa-KESTMBR, Compt rend. 113, 201 (1891). — Mangold, Monatsli. 1
790 Ricinusölsäure. Eapinsäure.
Molecül Brom fixirt und, mit Kaliumpermanganat oxydirt, Trioxyetearinsäure liefert; die
Gegenwart einer alkoholiechen Hydroxylgruppe folgt aus der Acetylirbarkeit der
Kicinusöl säure. Die tiefgreifenden Zersetzungen, welche die Ricinusolefture beim
£!rhitzen mit Alkali und hei der Destillation ihres Glycerids erleidet, wurden als
Darstellungsmethoden fiir secundären Octylalkohol (S. 167), Sebacinsfiure (S. 67b).
Denan thol (408—409) und ündecylensfiure (S. 509) schon erwähnt Erhitzt man ilir
Bariumsalz im luftverdünnten Kaum, so zersetzt sich der grösste Theil, indem Spaltmig
eintritt, und Methylhexylketon überdestillirt; aus dem rückständigen Bariumsalz kann
die mit der Eicinusölsäure isomere BielnsSare^ ^18^84^8 isolirt werden, welche bei
81® schmilzt und unter 15mm Druck bei ca. 250 — 252® fast unzersetzt destillirt —
Gegen salpetrige Säure verhält sich die Ricinusöl säure analog der OelsÄure und
Erucasäure, sie wird in die isomere und höher (bei 52—53^) schmelzende RWn-
elaYdinsUnre* umgewandelt.
RaplnsSnre^ ^18^840, ist eine mit der Kicinusölsäure isomere flüssige Säure genannt
worden, welche als Glycerid neben Erucin im RübÖl sieh findet: zur Trennung von
der Erucasäure benutzt man den Umstand, dass ihr Zinksalz Zn(Ci^H330,)2 (Schmelz-
punkt 78^) in kaltem gewöhnlichen (alkoholhaltigen) Aether ziemlich löslich, das
erucasäure Zink dagegen fast unlöslich ist. Von der Kicinusölsäure unterscheidet
sich die Rapinsäure dadurch, dass sie durch Behandlung mit salpetriger Säure nicht
zum Erstarren gebracht wird.
Dreissigstes Kapitel.
Ozys&uren oder Alkohols&uren n. Die Hydrozylderiyate der
mehrbasischen S&uren.
lY. HydroxylderiTate Ton Dicarbonsänren.
A. Derivate der Malonsäure und der alkylirten Malonsäuren.
Die Oxymalonsäure CgH^O^ = CH(OH)< ist TartronsJure
\cO3H
genannt worden, da sie zuerst durch Umwandlung der Weinsäure* —
nämlicli durch Selbstzersetzung der Nitroweinsäure (vgl. S. 806) in
wässriger Lösung, wobei als intermediäres Produkt Dioxy weinsaure
anzunehmen ist, — erhalten wurde. Die Tartronsäure und ihre
.CO3H
eigentlichen Homologen R-C(OH)< (Alkyltartronsfturen) können
^CO,H
» Krafft, Ber. 21, 2736 (1888).
« Playpair, Ann. 60, 322 (1846). — Borns, Ann. eh. [3] 44, 82 (1855). - Vlwcv,
Ztechr. Chem. 1867, 548. — Krafft, Ber. 21, 2735 (1888). — Grüssnkr «. Haicw,
Monatsh. 10, 198 (1889). — Mangold, ebenda, 13, 329 (1892\
8 Reimer u. Will, Ber. 20, 2387 (1887).
* Dessaiones, Ann. 82, 364 (1852); 89, 339 (1854). — Vgl. auch Demole, Ber.
10, 1788 (1877).
Tarlronaäure und Ütre Homologen.
durch die folgenden, ihre Constitution beweisenden Reaction
werden:
1. ans den Monobalogenderivaten der Malonaäure (vgl. i
oder ihrer Homologen (bezw. aus den Estern der mont
MaloQsäuren) durch Äuswecbselung des Halogens gegen Hjdi
Silberoxyd • oder Barytbydrat*, z. B. :
,CO,H .CO,H
CHBr + AgOH = CH(OH) + AgBr;
^CO,H \C0,H
2. ans ß-Ketonsäaren durcb die Cjanbydrinreaction^, i
CH»COCO,H — >- CH..ti(OH)-CO,H ^>- CHa-QOH;
BrenztraubeDsäure MeÜijlhutr
Ihre nahen Beziehungen zu der Malonsäurereihe erweisen ■
auch in ihrem Verhalten beim Erhitzen, Sie spalten Koh
um in einbasische a-Osysäuren bezw, deren Anhydride überzi
GOjH-CH(OH)CO,H- CO, = CH,i;OH).CO,H,
Tartronatture*-* wird am besten auu TrichlormilchsSnreester
CO,-C,H, (vgl, S, 755) durch Erw&riDen mit Natronlauge dargeatcllt; e
ist auch die Bildung geringer Mengen von TartrorsBure durch Oxyd
eerins [vgl. S, 582); sie krystalliairt aus Waasei in harten, glasglänzend<
lufttrocken die Zusammensetzung 2CsH,0j + HjO zeigen und im Eisii
stallwasser verlieren, sublimirt bei voruchtigem ErhiUen anf 110 — 12C
165— IST" nnter Zersetzung in Kohlensäure, Wasser uud Polyglykolid (S,
Wasser und Alkohol leicht, in Aether schwer löslich; K. = 0- lOT; ihr
C,Hj.CO,-CH(OH)-CO,C,H, ist flüssig und siedet bei 222—225",
tartronstture« C.HiOs = CO,H-C(OH)(CH,)CO,H (iBOfipfelaäure)
edrische Krystalle und schmilzt bei 138° unter Koh lensSureentwickelui
tartronsäure»-' O.HA = (;0,H-C(OHXC,Hs)-CO,H schmilzt bei
ginnender Kohlensfturecntwicketung, zersetzt sich bei 180° vollständig.
/CO,H
tartronsBure* C,H„0, = CO,HC( OH schmilzt bei 1
^CH-CH(CH,),
wird ebenfalls bei 180° gespalten,
Biesen Säuren der Tartronsäurereihe, weiche ihi
grnppe an dem zwischen den beiden Carboxylgruppen
' ScHMöOEK, J. pr. [2] 14, 81 (1876), — Petoiepf, Ber. 11, 415 (
' BiBCHOFT n. HadsbOrpeb, Ann. 239, 126 (1887).
" BöTTiNOEB, Ber. 14, 87, US, 729 (1881); 17, 144 Anm. (1884).
* Gbim*ux, Ber, 10, 903 (1877). — Conrad u, Bischoit. Ann. 2
— M. FiBCNii, Ber. 17, 786 (1884). — Pisker, Ber. 18, 752, 2852 (
WALD, Zischr. f, physik. Chem, 3, 869 (1869).
" B5TTIH0EB, Ber. 14, 87, 148 (1881); 17, 144 Anm. (1884). — Schi
14, 77 (1876); 19, 168 (1879); 34, 38 (1881). — Tasatab, Ann. 373
BRnNNER, Uonatsh, 13, 834 (1892),
• GcTTHSSKrr, Ann, 300, 233, 238 (1881).
' BiscBon* n. HAnsoüHFER, Ann. 339, 12G (1887), Ber, 24, 201J
' CoHHAD u. BrOcemer, Ber. 34, 2997 (1891).
792 CJarhöbutyrolaetonsäure und Garbovalerolaeionsäure.
Kohlen Stoffatom, also in der r^-Stellung zu beiden Carboxylgruppen ent-
halten, kann man solche Hydroxylderivate von Älkylmalonsäureu
gegenüberstellen, deren Hydroxyl an ein Eohlenstoffatom des
eingefügten Alkylrests gebunden ist und demnach sich in grösserer
Entfernung von den Carboxylgruppen befinden kann. Man wird erwarten,
dass wie bei den einbasischen Säuren so auch hier, wenn die Hydroxylgruppe
die /-SteUung zu den Carboxylgruppen inne hat, Lactonbildung eintreten
wird; allein in Folge der Gegenwart von zwei Carboxylgruppen kann
sich nicht ein neutrales Lacton bilden; vielmehr muss eine Verbindung
entstehen, die zugleich Lacton und Carbonsäure ist. Die einfachste
Säure dieser Art, die solche Verhältnisse zeigen kann, ist die Oxy-
äthylmalonsäure CHa(0H)-CH2-CH(C03H)3; in der That entsteht aus
dieser Säure unter Wasserabspaltung einer der einfachsten ßeprasen-
tanten aus der Klasse der Lactonsäuren:
CHj.CHjCHCOjH CHjCHjCH.CO.H
I - H,0 = I
CO. OH O CO
— die a-Carbobutyrolactonsäure^ CgHgO^. Zu dieser Säure gelangt
man, indem man zunächst durch Combination von Aethylenbromid mit
Malonsäureester den Ester einer Trimethylendicarbonsäure (Vinaconsäure,
vgl. S. 501 und Bd. II) darstellt:
CHjBr /COj • Cgli5 CHjv yCOg • 0^05
1 + CH,< « I >C< + 2HBr,
CH,Br \C0,.C,H5 QK/ ^COj.CHs
welche darauf durch Addition von Bromwasserstoff in Bromäthylmalon-
säure verwandelt wird:
CH^v /COjH y COjH
I >C< + HBr «s Br.CHj.CH,.CH<
CH/ \CO,H \CO,H
letztere Säure nun spaltet schon beim Lösen in kaltem Wasser Brom-
wasserstoff ab, durch kurzes Kochen der wässrigen Lösung wird ihre
Spaltung in Brom Wasserstoff und Butyrolactoncarbonsäure befördert:
CH» . CHg . CH . CO,H CH, • CH, • CH • CO,H
I I - HBr = I I ;
Br CO. OH 0 CO
auch entsteht die Lactonsäure direct und glatt aus der Vinaconsäiu^
durch Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure. Sie stellt ein in Wasser
leicht lösliches Liquidum dar, das auch im Vacuum nicht erstarrt; bei
120® zersetzt sie sich in Kohlensäure und Butyrolacton. Wie zu er-
warten, bildet sie zwei Reihen von Salzen, deren eine sich von der
Lactonsäure selbst, deren zweite sich von der Oxyäthylmalonsäure ab-
leitet *
CH.CHj.CHCOOMei CHjCHj-CHCO-OMei
CO OH COOMei
> FiTTio'u. Rüder, Ann. 227, 19 (1885).
IHhydroxyldffrivale der Malonsäure wnd ihrer Homologe
Man erhält z. B. das Barynmsalz der LactonBänre (C^HgO,
NeutralisatioQ der wäsBrigen Lösung der Säure mit Baryum
der Kälte, das Bar7umsalz der OxyäthylmaloQBäare C^HgOgBi
durch Kochen mit Barytwasser. — Zu einer homologei
der CarbOTslerolactonsUnre^ C^HgO, = CHgCH-CH,-
I
0
(H-Carbo-/-MethyIbiityrolactonsäure), welche eine dielte
leicht, in Aether schwer lösliche Flüssigkeit darstellt und bc
sich in Kohlensäure und Yalerolacton spaltet, — gelangt n
AUylmalonsänre (S. 680] durch Anlagerung und Wiederabs
BromwasserstofF;
CH,:CH.CH,.CH.CO,H->-CH,.CHBr-CH,CH-CO,H-^CH,.CH-Cl
I I I
CO,H CO,H 0
Beim Kochen mit Barytwaeser liefert sie das Baryumsalz dt
pylmalon8äureCHjCH{0H)0HjCH(COjH),; zersetzt man
dee letzteren mit Schwefelsäure, so erhält man eine wässrige
freien Oxypropylmalonsäure , die aber beim Kochen der Lö
in die Lactonsäure Übergeht.
Die DloxymslonsSare COaHC(OH)j-COjH liegt höchst
lieh in der HesoxalsäDre vor; sie bietet vom theoretischen
namentlich aus dem Grunde Interesse, weil sie zu der se
Zahl von Körpern gehört, bei denen man Grund hat, mehrei
gruppen an ein und dasselbe Kohlenstoffatom gebunden n
In ihren Beactionen aber verhält sie sich wie eine durch W
tung entstandene Säure COjHCOCOgH und soll daher i
Kapitel „Ketonsäuren" (Kap. 39) behandelt werden.
Dibjdroiylderivate der alkjliTlen Malonsänreo kSonei
xjlgmppea an venchiedene KohleoBtoBatome gebunden enthalten. E
(CH,-OjCH,. ,CO,H
z. B. die DiBetkoxTdlmetkylmAlonBSnre* >C< ,
(CH,-0)CH,/ \CO,H
Combination von MalonsKareester mit Monochlormethylfithei CH^'O-C
erhalten werden kann, in Prismen krystallyeirl und bei 140° schnell in
<CH,0)CH,^
Methylalkohol und MethoiymethakrylaSure >CCO,H zeri
Ca/
ist hier ED erwShnendieDioiydipropylmaloDBfiure (CH,-CH(OH)'C
welche im Stande ist, ein Dilacton — das Nonftdllacl«D ' C,H,tOt
letsteies entsteht ans DiallylmalonsSure (S. S9T) durch Behandlunj
waaserstoff:
> Fima n. Hjblt, Aon. 216, 52 (1383).
* KuBEB, Ann. 246, 97 (1888).
• Fnria n. Hjelt, Ann. 216, 87 (1883).
794 Linksäpfelsäure (Vorkommen,
0 CO
CHjrCHCH,. /CO,H CH-CHBrCHsv XO,H CHjCHCH,.
>c<; — ^ >c< —> >c.
CH,:CH.CH/ ^CO.H CHgCHBr-CH/ XJO.H CHjCHCH/ ,
Ö CO
kiystalliBirt aus Alkohol in dünnen Blftttchen, schmilzt bei 105 — 106®, siedet hst
unzersetzt oberhalb 360^ und ist in kaltem Wasser kaum, in kochendem leicht lös-
lich; in kaltem Alkali löst es sich nicht; mit warmem Baiytwasser liefert es eine
Lösung, die wohl das Baryumsalz der Diozydipropjlmalonsfture enthält, sich aber bei
weiterem Erwärmen und in Abwesenheit von überschüssigem Baryt in folgender
Weise zersetzt: '
yOH .OH
CHj'CH'CHjv yCO'Os. CHj'CH'CHjv
>C< >Ba = BaCOg + >CH.
CH,.CH.CH/ ^COO/ CH,.CH.CH/
OH 0 - CO
B. Derivate der Bernsteinsäure und der alkylirten
Bernsteinsäuren.
Für ein MonohydroxylderiTat der Bemsteinsftare giebt es nur
CHgCOaH
eine Structurmöglichkeit 1 ; da diese Formel ein asym-
CH(OH).CO,H
metrisches Eohlenstoffatom aufweist, so ist die Existenz einer rechts-
drehenden, einer linksdrehenden und einer durch Combination der opti-
schen Antipoden gebildeten inactiven Modificatiou zu erwarten; die drei
stereoisomeren Modificationen sind bekannt und liegen in den drei
Aepfelsftnren C^H^Oß vor, unter welchen die natürliche (Links-)Aepfel-
säure und die inactive Aepfelsäure vielfach bearbeitet sind und nament-
lich auch den Untersuchungen, die zur Begründung und zur Befestigung
der stereochemischen Theorie unternommen wurden, häufig als Gegen-
stand dienten.
Die natürlich vorkommende Aepfelsäure ist optisch actir^:
sie wurde 1785 von Scheele in den unreifen Aepfeln aufgefunden und
ist im Pflanzenreiche sehr verbreitet*; zur Darstellung eignet sich be-
sonders der Saft nicht ganz reifer Vogelbeeren, die Fruchtzapfen des
^ Ueber ein natürliches Vorkommen von inactiver Aepfelsftnre vgl. Giktl, Jb.
1868, SOG.
• Braconhot, Ann. eh. [2] 6, 289 (1817); 8, 149 (1818); 61, 829 (1833). -
TaoififSDORF, Ann. 10, 828 (1834). — Gabot, Jb. 1853, 409. — Reinsge, Ztschr.
Chem. 1866, 221. — Lenssen, Ber. 3, 968 (1870). — Grabgkb, Jb. 1872, 796.- BUi-
TiHOEB, Monatsh. 2, 485 (1881). — E. Schmidt, Ber. 19c, 678 (1886). — Hiloeb u.
Gboss, Jb. 1886, 1815. — v. Lippmann, Ber. 24, 3300 (1891). — Ordokneait, Boll.
[3]. 6, 261 (1891).
Eigenschaften, Constitution, Verhalten).
Gerbersamachs, die Berberitzenbeeren, Sie krystallisirt ia
glänzender, zeröiesslicher Nadeln, die gegen 100'' schmelzen
leicht in Wasser und Weingeist, aber wenig in Aether lösen ; K. =
Sie wird ab Aepfelsäure schlechtHn oder auch als Linksäp
bezeichnet, weil sie in verdünnter wässriger Lösung linksdre
Ihr optisches Drehungsvermogen ' zeigt indes» eigenthümliche
ningen mit wechselnder Concentration der Lösung; wenn man
von verdünnten linksdrehenden Lösungen allmählich zu eoncei
Torschreitet, so nimmt die specifische Rotation stetig ab; ist
zu einem Öehalt von etwa 34% vorgeschritten, so wird die Li
die Temperatur von 20^ inactiv; bei noch steigender Concentrati
man nun recfatsdrehende Lösnogen, deren Rechtsdrehung mit
centration stetig wächst; die sogenannte Linksäpfelsäure ist n
wasserfreien Zustand vermuthlich eine rechtsdrebende Substan;
Erscheinung der Rotationsumkehrung zeigt sich auch bei einig
sauren Salzen. In Acetonlösnng ist das specifische Drehuugs'
der Aepfelsäure ziemlich unabhängig von der Concentnition ([«]„ =
Für die Auffassung der Aepfelsäure als Oxybernsteinsäui
sich viele Beweise beibringen. Durch gelindes Erwärmen mit I
pentachlorid kann sie in active Chlorbemsteinsäure ' (S. 734), d
wärmen mit Bromwasserstotf^ in Monobrombem stein säure, durch
mit Jodwasserstoff* in Bernsteinsäure Übei^eflihrt werden, j
basische Säure erweist sie sich durch die Zusammensetzung ih:
und Erster, als Alkoholsäure durch den Umstand, dass ihre Dialkyl
Acetylchlorid unter Bildung von Acetylverbindungen reagiren* (a
Endlich sind auch die S. 797 — 798 angeführten Synthesen der
Aepfelsäure für die Constitutionsfrage entscheidend.
Unter den Umsetzungen der Aepfelsäure ist vor allem wi.
schon S. 681 besprochene Uebergang in Fumarsäure bezw. MaJ
anhydrid durch Wasserabspaltung, die schon bald über 100* be
Während hiemach heim Erhitzen der Aepfelsäure für sich
abspaltung und Bildung einer ungesättigten Verbindung erfo
beim Erwärmen mit concentrirter Schwefelsäure die allgemeine
der ß-Oxysäuren (vgl. S. 7.53) — Abspaltung von Ameisensäuri
Koblenoxyd und Wasser) unter Bildung einer Aldehydgmppe —
als erstes Reactionsprodukt zu erwartende Aldehydsäure:
CO,H.CH,CH(OH).CO,H - H CO,H =. CO,H CH,.CHO
' Vgl. G. H. SciiMEiDEK, Ann. 207, 257 (1881). — Th. Thoksen, Be
11882). J. pr. [2] 36, 150 (ISSTj. — Bhemek, Rec. huv. ehira. 3, 162 (ISSJ
Jb. 1886, 812. — Güte, Ann. eh. [6] 26, 205 (1892).
* Waldeh, Ber. 26, 214 (1893). * Keevl^, Ann. 130, 21 (1864;
* ScawiTT, Ann. 114, 107 (1860). " Wislicenvs, Ann. 129, 179 (
* Whtb, Ber. 10, 1744 (1877). — v. Pechmann, Ber. 17, 936 (1884).
261 (1891).
796 Linksäpfelsäure (Salx€ und Ester).
— der Halbaldehyd der Malonsäure — ist freilich unter den Versuchs-
bedingungen nicht beständig, sondern condensirt sich der Hauptmenge
nach im Sinne der Gleichung:
CH, CHjCOjH GO. CCOjH
, + ' -2H,0 - ,
CO CHO CO CH
\0H \o/
unter Wasserabspaltung zu Cumalinsäure (vgl. Bd. 11 unter Pyronderi-
vaten), welche demnach als Hauptprodukt der Reaction auftritt. — Durch
Spaltpilze^ wird äpfelsaurer Kalk in Gährung versetzt; ein Spaltpilz
erzeugt als Hiiuptprodukt Bernsteinsäure neben Essigsäure, ein anderer
als Hauptprodukt Propionsäure.
Unter den Salzen der Aepfelsäure' (Malaien) sind namentlich die sanren
Salze durch Krystallisationsföhigkeit auegezeichnet Das saure Ammonianisalz'
der Linksftpfels&ure C^HsOg-NH« krystalUsirt wasserfrei in rhombischen Sfiulen;
100 Th. Wasser von 15-7^ lösen 32.15 Th. Das saure Calciumsalz* (C4H50s),Oa
krystallisirt mit 6H,0; 100 Th. Wasser lösen bei \b^ 1-29 Th. des wasserfreien
Salzes. — Für die Darstellung der Aepfelsäureester^ muss man, um die Bildung
von Fumar8Sui*e- oder Chlorbernsteinsäure-Estern zu vermeiden, Salzsäure unter starker
Abkühlung in die alkoholische Aepfelsäurelösung einleiten. Aepfelsäurediftthyl-
ester CjHs • CO, • CH, • CH(OH) • CO, • CjHj siedet unter 10 mm Druck bei 128^
Durch Behandlung mit Acetylchlorid entsteht daraus der AcetyläpfelsSure-
diäthylester CjHj • 00, • CH, • CH(0 • CjHgO) • CO, • CjHj — ein Oel, welches unter
10 mm Druck bei 187^ siedet Durch Einwirkung von überschüssigem Acet^lchlorid
C,H30.0.CH-C0v
auf Aepfelsäure erhält man das Acetyläpfelsäureanhydrid^ yO,
CH, Cü^
welches bei 53— 54'* schmilzt, unter 14 mm Druck bei 160—162* siedet und hei der
Destillation unter gewöhnlichem Druck glatt in Essigsäure und Malelnsäurcanhjdrid
zerfällt (vgl. S. 681); mit der berechneten Menge Wasser tritt es zu AcetylSpfel-
säure CjHjO • 0 • CH . CO,H zusammen, welche bei 132® schmilzt und mit Wasser
CHjCOjH
schon bei gelindem Erwärmen Aepfelsäure znrückliefert.
Die der gewöhnlichen Aepfelsäure optisch entgegengesetzte Rechts-
äpfelsäure^ ist aus Rechtsweinsäure durch Reduction mit Jodwasser-
stoff gewonnen.
Aepfelsäure, die auf künstlichem Wege aus inactiven Materialen
bereitet wird, muss natürlich inactiv sein; sie ist als Verbindung der
» Fitz, Ber. 11, 1896 (1878); 12, 481 (1879).
> Vgl. LiBBiG, Ann. 5, 147 (1838); 26, 135 (1888). — Hagen, Ann. 38, 257(184ii.
8 Pastbur, Ann. eh. [3] 38, 441 (1853); 49, 8 (1856). Ann. 82, 881 (1852).
* Iwm u. Hecht, Ann. 233, 166 (1886).
* Anbchütz, Ber. 18, 1952 (1885). — Anschütz u. Beknert, Ann. 254, 164 (1889).
— Vgl. auch W. WiSLicENUS, Ber. 26, 2449 (1892).
* Anschütz u. Bennert, Ber. 14, 2791 (1881). Ann. 264, 165, 166 (1889).
^ Bremer, Ber. 8, 1594 (1875); 13, 352 (1880).
liectttaäpfelsäurc und inaclire Aepfetsäure.
beiden enantiomorpheu Conüguratioiieii aufzufassen (vgl, S.
hat inactive Aepfelsäure erbalteii: aus inactiver Äs]:
NHjCHCO.OH
I (vgl. S. 838) durch Einwirkung von Balpetrigi
CHj-CO-OH
uns Traubensäure (vgl. S. 807) durch Keduction mit Jodwassersti
Brombemateinsäure durch Auswechselung des Bromatoms gegen I
aus Fumarsäure und Maleinsäure durch Anlagerung von Was
S. 682 — 683). Man hat einige Zeit geglaubt, dass es zwei ver
inactive Aepfelsänren gäbe, wie eo zwei verschiedene inactive W
giebt (vgl, S. 801); diese Isomerie hätte durch die Theorie nicl
werden können, da ja die Aepfelsäure im Gegensatz zurWeinsäur
asvmmetrisches Koblenstoffatom enthält und daher in einer
nicht spaltbaren Modi&cation nicht auftreten sollte. Die Theoi
diesem Falle zur Gorrection der Beobachtungen Anlass gegebe
sich herausgestellt, dasa die vermeintlichen Verschiedenheiten i
banden sind, und dass alle nach den obigen Reactionen ent
Säuren unter einander und mit der inactiven Aepfelsäure identi
welche durch Zusammenbringen von gleichen Mengen rechte- i
drehender Säure erhalten wird. — Die inactive Aepfelsäure ki
leichter als die gewöhnliche, ist nicht zerfliesslich und in Wasse
loslich; ihr saures Ammoniumsalz krystallisirt in zwei Formen:
in rhombischen Krystatten, welche mit den Kryatallen des actii
(vgl. S, 796) übereinstimmen bis darauf, dass sie nicht wie das a
bemiedrische Flächen zeigen, und ferner mit 1 Mol. Wasser
symmetrischen Krystallen. Durch Krystallisation des Cinchi
kann die inactive Aepfelsäure in Rechts- and Linksäpfelsäure
werden' (vgl. S. 809). Für die Lösung der inactiven Aepfelsäure
die gleiche elektrische Leitfähigkeit gefunden worden, wie fUr d
der Linksäpfelsäure^; man darf daraus schliessen, dass in de
nur ein Gemenge der optisch entgegengesetzten Hodtäcation
eine Verbindung vorliegt (vgl. Traubensäure, S. 810).
' Pastedh, Ana. 80, 152 (1851); 83, 330 11852).
■ BBBHeR, Ber. 8, 1594 (1875).
' KsKüLfi, Ann. U7, 126 (1861); 130, 24 (1864). — Tanatah, Ber. 3*0,
Ann. 373, S6 (1892).
* JoNOFLEiECB, Bull, 30, 147 (1878). — L1.0VDL, Ann. 193, 80 (1878).
Iler. 14, 2648 (1881). — Skeaup, Monatsh. 13, 111 (1891).
' Vgl. Wbbmo u. TiNATAR, ADD. 174, 371 (1874). — AnschÜtz, Be
( 188S). — J. H. VAM 't Hoff jun., ebenda, 2170, 2713. Bec. trav. chim. 4
- Bbbheb, Rec. trav. cbim. 4, 180 (1885). — Skbacp, Monatsh. 13, 111
Vgl. aueh J. H. van 't Hopp, Dil «nnöee dans l'bistoire d'une throne, p.
dsm 1887).
• Bbekrb, Ber. 13, 351 |1380).
' Ootwal», Ztßchr. f. physik. Chem. 3, 371 (1889).
798 Homologe der Aepfdsäure,
Synthetisch ist Aepfelsäure ferner durch Verseifung des Chloräthe-
ny Itricarbonsäureesters ^ C^Hg • COg • CH^ • CC^COg • CgHß)^ , durch Reduction
des Oxalessigesters ^ CaH.COgCHj-COCOg-CgHß mit Natriumamalgam
und aus der durch Condensation von Chloral mit Malonsäure hervor-
gehenden Trichloroxy buttersäure » CCl3-CH(OH)CH2.C02H durch Ein-
wirkung von concentrirtem Alkali gewonnen. Bei genauerer Prüfung
dürften sich die einstweilen nicht näher nntersuchten Säuren dieser Pro-
venienz unzweifelhaft als identisch mit der spaltbaren inactiven Modifi-
cation herausstellen.
Die MoBoliydroxylderlvate der alkylirteii BemsteinsSiireii können in zwei
Gruppen eingetheilt werden, je nachdem die Hydroxylgruppe, wie in der AepfelsÄnre,
an einem der die beiden Carboxylgruppen verbindenden Kohlenstofiktome haftet oder
in einem der eingefugten Alkylreste Platz findet, z. B.
CH, . C(OH) . CO,H CH, • CH(OH) • CH • CO,H
I oder I
CHj.COjH CHjCOjH
Die erste Gruppe umfasst die eigentlichen Homologen der AepfelsSure
(alkylirteAepfelsäuren). Als Repräsentant ist zunächst zu erwähnen die o-Methyl-
ttpfelsKnre« C^HgOs = CO,H. CHj.C(0H).C04H (Citramalsäure), welche aus
CHa
Acetessigester C4H5 • COj • CH, • CO • CH3 durch die Cyanhydrinreaction , aus Citracon-
sfture unter Benutzung der Reactionen:
/CO,H /CO.H
COjHCHiCK +01. OH = C0,H.CHC1.C(0H)C
^CHg XJH,
/CO,H /CO,H
C0,H.CHC1.C(0H)< + H, = 00,H • CH, • C(OH)< + HCl,
^CHa \CH,
^^H,
aus Isovaleriansäure COjH'CHj'CH^ durch Oxydation mit Salpetersäure er-
CHg
halten ist, grosse zerfliessliche Kry stalle bildet und bei 119^ schmilzt. Die isomere
/J-MethyiapfelsÄiire* C0jH.CH(CH8)CH(0H).C0jH, welche ebenfalls bei 11/
schmilzt, sich aber durch den Krystall Wassergehalt ihres Zinksalzes CsH^OsZn + BH^O
von der a- Methyläpfelsäure (CjHjOjZn + 2H,0) unterscheidet, wurde aus Methvl-
oxalessigester CjH5.COj.CH(CH8)-CO.CO,.C2H durch Reduction mittelst Natrium-
amalgam erhalten. — Dialkylirte Aepfelsfinreii«* COäHCHRCCOHj.CHg können
\C0,H
* BiscHOPP, Ann. 214, 49 (1882).
« W. WisLicENcs, Ber. 24, 8416 (1891); 26, 2448 (1892).
* V. TuRNLACKH, Monatsh. 12, 556 (1891).
* Cakius, Ann. 129, 160 (1863). — Morawski, Jb. 1878, 721. — Demarcay, Compt.
rend. 82, 1337 (1876). — Morris, Joum. Soc. 37, 6 (1880). — Brbdt, Ber. 14, lT8ä
(1881); 15, 2318 (1882). — Schiller- Wechsler, Ber. 18, 1038 (1885). — Michael n.
TissoT, Ber. 24, 2544 (1891). J. pr. [2] 46, 285 (1892).
* W. WiSLicENüs, Ber. 26, 196, 1484 (1892). — Vgl. auch Michael u. Tbsot,
J. pr. [2] 46, 294 (1892).
« H.^KüNio, Ber. 12, 768 (1879). — Michael u. Tissot, Ber. 24, 2545 (1891?.
J. pr. [ä] 46, 298 (1892).
Paraeonsäure und ikre Bomotogen.
Mi Hkjtiitea Acetesaigesteni C,Hi-CO,-CHR-CO'CH, mit Hflife Ai
reoction hei^eetellt werden.
Beiden Gliedern der zweiten Gruppe ist wieder die Möglich
dft«8 Hjdroxyl und C&rboijl ta einander in f-Stellnng stellen, da» n
buiscbe Oijsäure leicht in eine einbasiache LaetonsSare Obergeht (vgl.
USglicbkeit tritt schon bei dem H^droiylderivat der HethylbemBtein
siue, i8omer mit atramabdure) C^H^O, = OH-CH,-CH-CO,H ein, <
CH,CO,H
Dur in Form von Sahen bekannt ist, in freiem Zustand aber nicht :
69 sich äusserst leicht und wahrscheinlich schon im Momento des
Wasser und PfttMODBänre' C^R,0, = CH,CH(GO,H)-CH, (|?-Carbol
I I
0 CO
säure) spaltet. Man erhält die Paraconsäure am einfachsten durch 1
von Itabromhrenzweinsäure CH,Br-CH(CO,H|-CH,.CO,H (vgl. S. 73
sie bildet eine strahlig krystalUnische Masse, schmilzt bei 67° und ist si
mit Silbercarbonat in der KAlte neutralisirt, giebt sie paraconsaures Sii
mit Calciumcarbonat in der WSrme digerirt, dagegen itamalsaurcs Cai
■f- H,0 (bei 100° getrocknet). Bei der Destillation verhSlt sie sich
schieden von der stell ungsisomeren n-Carbobutyrolactonsaore (S. 762); i
weit bare Mengen von Butjrolacton entstehen, geht sie vielmehr
abspaltung in CitraconaSureanhjdrid über; vielleicht ist zunächst die ]
Itaconsänreanhydrid :
|^OH,.pO -H.0= ,^\0
anzunehmen, das bei der Destillation sich in Citraconsüureanhydrid
S. 689). — Dass monoalkyUrt« Puwwnsllareit ■-' R-CH-CH(CO,
0
Condenaation von Aldehyden mit bemateinsaurem Natrium entstehen,
besprochen, ebenso ihr Verhalten bei der Destillation (S. 490) ond bei i
von Natrinmfithylat (S. 681). — Dieselbe Reaction führt bei Anwend
weinsanrem Natrium zur Bildung von dlalbjllrten Paraeonslnnil*, i
sieb stets neben einander zwei isomere LactonsSuren, z. B.:
C,H,CHO + CH/CO,H)-CH-CH, C,H,.CH-CH(CO^. C
I ......
CO,H
.H.O. ■-^_
CH, CH,
(',H,-CHO + dHCCO,H)-CH, = H,0 + C,H,-CH(V;0,H)- CH,
I 1 I
CO,H 0 CO
diese dialkjlirten ParaconsSuren zcrfoUen bei der Destillation der Hs
in KohlenaSure und Alkjlene, zum kleinen Tbeil in BrenzweinsSure un
' RwAKTS, Jb. ISee, 404. Ztschr. 1867, 641:1. — Fmio u. Line
76 (1877). — Fima u. Bbbb, Ann. Sie. 77 (1882). — Fimo, Ber. 30
' Frrna n. ScHNEEoairB, Ann. 227, 85 (1885).
* Firno u. A., Ann. 266, 1 ff. (1889); 266, 50 ff. (1889).
800 Terebinsäure, Carhocaprolacionsäure.
welcher zu ihrer Darstellung diente, und liefern als Nebenprodukte ungesättigte
einbasische Säuren bezw. die ihnen isomeren Lactone. — Eine an dem gleichen
Kohlenstoff dimethylirte Paraconsfture ist die TerebinsSare^ C7H10O4
= (CHj),C.CH(CO,H)CH,, welche durch Oxydation von Terpentinöl mit Salpeter-
0 — CO
säure gewonnen wird, in grossen Rrys^allen anschiesst, bei 175° schmilzt, aber schon
bei niederer Temperatur zu sublimiren beginnt und in kaltem Wasser schwer loslicb
ist. Ihr Verhalten ist durchaus analog dem Verhalten der synthetisch gewonnenen
Säuren der Paraconsäuregruppe; hieraus und aus der Constitution ihrer Umwandlungs-
produkte — Brenzterebinsäure , Isocaprolacton , Teraconsäure — kann ihre Stmctor-
formel abgeleitet werden. Beim Kochen mit überschüssigen Basen erh< man die
Salze der um ein Wassermolecül reicheren Diaterebinsäure CfU^ifi^, aus denen
durch Säuren wieder unter Wasserabspaltung die Terebinsäure in Freiheit gesetzt
wird. Letztere liefert bei der Destillation unter Kohlensäureabspaltung die Brenz-
terebinsäure (S. 509) bezw. das isomere Isocaprolacton (S. 764) und daneben geringe
Mengen von Teraconsäure (CH3),C :C(CO,H).CH,CO,H (S. 692). In Isocaprolacton
wird Terebinsäure auch durch Erhitzen mit starker Schwefelsäure verwandelt; der
Uebergang in Teraconsäure erfolgt sehr leicht und glatt bei der Einwirkung von
Natriumäthylat auf Terebinsäureester (vgl. S. 691), umgekehrt geht Teraconsäure wieder
durch Behandlung mit Chlor- oder Bromwasserstoffsäure oder Schwefelsäure in Terebin-
säure über. Durch Erhitzen mit Barytwasser auf 150—170° wird Terebinsäure glatt
in Aceton und Bemsteinsäure gespalten:
(Cn^\C . CH(CO,H) . CH, CH,(CO,H) • CH,
I I + H,0 = (CH,),CO + I . .
0 CO CO.H .
Während die Säuren der Paraconsäuregruppe als Carboxylsubstitutionsprodakt«
des Butyrolactons bezw. seiner Homologen aufgefasst werden können, bei denen die
Carbozylgruppe direct an einem Kohlenstofiatom des Lactonrings haftet, gelangt
man von der Allylbemsteinsäure (S. 694) durch ümlagerung mittelst Bromwasserstoff
zu einer Carbocaprolaetonsäure ' C7H10O4:
OH, : CH.CHj.CHCHjCOjH CH8.CHBr.CH,.CH.CH,.C0,H
I ^ I >
CO,H CO,H
CHj • CH • CH| • CH • CH, • COjH
I I
0 CO
deren Carboxylgruppe durch eine Methylengruppe von den Kohlenstoffiitomen des
Lactonrings getrennt ist; sie schmilzt bei 68—69^ und unterscheidet sich von der
isomeren Terebinsäure wesentlich dadurch, dass sie unter nur geringer Zersetznng
bei 260 <> destillirt.
Für ein Dihydroxylderlyat der Bemsteinsftnre bleibt — wenn
man von der durch die Formel:
CO,H . C(OH), . CH, . CO,H
' Bromeis, Ann. 37, 297 (1841). — Rabourdik, Ann. 52, 891 (1844). — Caillot,
Ann. eh. [8] 21, 27 (1847). — Svanbkro u. Eykman, Jb. 1865, 650. — W. C. Williams,
Ber. e, 1094 (1873). — Fittio u. Mielck, Ann. 180, 45 (1876). — Frma u. Geisler.
Ann. 208, 37 (1881). — Roseb, Ann. 220, 254 (1883). — Prmo u. Pbost, Ann. 226,
863 (1884). — Erdmahn, Ann. 228, 179 (1885).
» HjELT, Ber. 16, 335 (1883).
Gmfiguratitmsinoglickkeilen für syttim. Diuxijbermstemsäwe
itusgedrilckteii, wegen der Gegenwart zweier Hydroxjlgi
und demselben Kohlenstoffatom voraussichtlich unbest
metrisch constituirten Verbindung , deren Wasseiabi
C0,H-CO-CH|-COjH später als Oxalessigsäure beaproch
— nur die symmetriscbe Structurformel :
CO,H . CH(OH) - OHiOH) - CO,H
übrig. Diese Formel weist zwei gleichartig asymmetris
alome auf — ein Fall, der vom Standpunkt der stereocbt
schon gelegentlich der Besprechung der symmetrisch di(
—669) und dibromirten (S. 734 — 735) Bernstein säuren t
Die Theorie lässt drei Configuratiouen möglieb erschein
CO,H CO,H
I. II. I rir.
H— — OH OH— — H OH
1
OH— — H H— — OH OH
CO.H CO,H
von denen die beiden ersten optisch activ und einand
sind, währeud die dritte durch intramoleculare Conipen^
Die den Configurationen I und II entsprechenden Verb:
endlich mit einander zu einer inactiven Modification:
COjH CO,H
IV. I
H— — OH OH—, H
lOJI
zusammentreten können, welche im Gegensatz zu de
Configuration III entsprechenden Verbindung in actii
gespalten werden kann.
Diese vier stereoisomeren Dioxybemsteinaäuren si
nibreo die Namen: KechtsirelnsBare und Linkswell
AntlwelnsXure (III) und Trsubensäure (IV); sie warei
Stellung der Theorie von Le Bel-van't Hoff bekannt, und
zu einander waren namentlich durch eingehende Unt^
Pastkur erforscht. Die merkwürdigen, durch die Stru
erklärbaren Beobachtungen in der Chemie dieser Si
erster Linie Änlass zum Entstehen der Speculationen
liehen Bau der Molecüle gegeben (vgl. S. 77 ff.}; sind dii
für die stereochemiache Theorie von geschichtlichem S
besonders interessant, so werden sie noch wichtiger da<l
in irgend einem anderen Falle ein so vollständiges
Material gesammelt ist, um die Beziehungen zu illustrii
V. MeYKR IL iAoaao», ori, Cbcml«, I.
802 Rechisueinsä'ure (Vorkommen, Darsteilung,
sehen stereoisomeren Verbindungen mit asymmetrischen Kohlenstofi-
atomen bestehen. Fast jeder Satz, den wir heute auf diesem Gebiete
anerkennen, fast jede Methode, die wir zur Umwandlung steieoisomerer
Verbindungen in einander anwenden, hat an den Weinsäuren zueilst
Prüfung gefunden.
Rechtsweinsäurc C^HgOg (gewöhnlich schlechthin Weinsäure,
officinell acidum tartaricuni genannt) ist in Form ihres sauren Kalium-
salzes — des Weinsteins — schon seit dem Alterthum bekannt, als
freie Säure zuerst von Scheele 1 769 untersucht. Sie ist eine der yer-
breitetsten Pflanzensäuren; ihren Namen hat sie von ihrem Vorkommen
im Saft der Weintrauben, in welchem sie sich theils als freie Säure,
grösstentheils aber als saures Kaliumsalz findet. Bei der Vergähning
des Traubensaftes zu Wein wird durch den sich bildenden Alkohol
dieses „Weinstein" genannte Salz allmählich ausgefallt und setzt sich
während der nicht mehr unter stürmischer Gasentwickelung verlaufenden
„Nachgährung" zusammen mit Hefe am Boden des Fasses als „Wein-
geläger" ab. Dieses Weingeläger dient neben anderen Rückständen der
Weinbereitung, wie z. B. Tröstern, zur technischen Herstellung
der Weinsäure und ihrer Salze, die in recht bedeutendem Umfang
betrieben wird, da Weinsäure viel in der Färberei und fiir officinelle
Zwecke gebraucht wird.
Die Weingeläger — Weinhefe, auch Drusen* genannt — werden mit Wasser
unter Zusatz von Salzsäure im Ueberschuss gekocht, die Losung wird mit Kalkmilch
bis fast zur Neutralisation ausgefüllt. Die ganze Menge des in den Hefen bezw. im
Rohweinstein enthaltenen Kaliumbitartrats und Calciumtartrats erhält man nun als
Calci umtartrat, welches durch mehrfaches Waschen mit Wasser von den löslichen
Salzen befreit und dann mit Schwefelsäure in Weinsäure und Gyps umgesetzt wird.
Die Weinsäurelösung wird zur Krystallisation eingedampft, aus der Rohkrystallisation
erhält man dann nach verschiedenen theilweise complicirten Manipulationen je nach
der Behandlung sogenannte spitze oder flache Weinsäurekry stalle, wie sie im Handel
zu den oben genannten Zwecken verwendet werden.
Weinsäure krystallisirt in grossen durchsichtigen monoklinen Säulen,
schmilzt^ bei 167—170^, ist in Wasser und Alkohol^ leicht, in Aether
nicht löslich; 100 Th. Wasser lösen bei 15« 132 Th., bei 100« 343 Tb.
Weinsäure*; Dissociationsconstante^-^ K = 0-097. Ihre wässrigen Lösungen
sind rechtsdrehend; ebenso wie bei der Aepfelsäure (S. 795) nimmt aber
auch hier die specifische Rotation« mit wachsender Verdtinnung zu, mit
* Ein speciell für feuchte, gcpresate Weinhefe gebräuchlicher Ausdruck.
* BiscHOFP u. Walden, Ber. 22, 1814, 1819 (1889).
' Schipp, Ann. 118, 189 (1860). — Boürgoin, Bull. 29, 244 (1878).
* Leidie, Compt. rend. 95, 87 (1882).
^ Ostwald, Ztschr. f. physik. Chem. 3, 371 (1889).
* Vgl. Krecke, Jb. 1872, 154. — Landolt, Ber. 6, 1073 (1873); 13, 2329 (IS.so».
— Tu. Thomsen, J. pr. [2] 32, 211 (1885); 34, 74 (1886); 36, 145 (1887). — Bku^
Jb. 1886, 312. — Pribram, Ber. 22, 6 (1889). — v. Sonnenthal, Ztschr. f. physikl
Chem. 9, 656 (1892). — Güye Ann. eh. [6] 26, 193 (1892).
Bigenschapen und Verhalten),
wachsender Con CO ntratioTi ab; aus denBeobachtuDgen kann
(iass fÖr die Temperatur von 24* und den blauen Strahl
umkehrung erfolgen würde, wenn der Procentgehalt an
beträgt; derart concentrirte wässrige Lösungen lassen
24* nicht herstellen.
Als Dioxybemsteinsäure ist die Weinsäure aufzufasae
Jodwaaseratoff unter intermediärer Bildung von Aepfelsäi
zu Bern stein säure reducirt wird ', da sie sich ferner durch
Setzung ihrer Salze und Ester als zweibasische Säure
die Gegenwart zweier alkoholischer Hydroxylgruppen i
halten ihrer Dialkylester gegen Acetylchlorid * (Bildanj
dialkylestern, s. S, 806) bewiesen wird. Wäre sie unaymi
bemsteinsäure CO,HC(OH}j-CHj-COgH, so wUrde sie
Ziehung zur Oxal essigsaure COjR-CO-CHj-COjH stehen ^
einer Eetonsäure ähnlich verhalten ; keine einzige ihrer Re
dafür, während die symmetrische Formel CO,H-CH(OH
ihr Verhalten gut erklärt und auch durch die S. 813 ange
Säuresynthese aus Olyoxal bewiesen wird.
Durch Erhitzen für sich geht die Weinsäure bei Te
iluen Schmelzpunkt nicht erbeblich überschreiten, in Sä
als Uetaweinsäure, Tartralsäure, Tartrelsäure bes
aber wenig genau definirt sind ; da sie durch Kochen mil
in Weinsäure verwandelt werden, stehen sie zur Weil
naher Beziehung und sind theilweise wohl als Weinsäur
zufassen. Durch stärkeres Erhitzen tritt eine comple
ein; man erhält bei der trockenen Destillation ein Desti
anderen Stoffen Brenzweinsäure (S. 665) CO,H-CHg-CH(i
Brenztraubensäure CH,-CO-COjH enthält und zur Da:
Süuren, deren Namen sich aus dieser Bildungsweise er
wird. — Weinsäure reducirt ammoniakalische Silberlös
daher als Vers ilberungs mittel angewendet werden'; 1
ammoniakalische Weinsäurelösung mit Silbercarbonat , S(
dationnprodukt reichlich Oxalsäure* neben einer ander
TT, Ann. 114, 109 (IBSO). ~ Dessaiqnes, Ann. 118
134 (1861).
■ WcBLicBMiTB, Adh. 129, 184 (1863).
' Erdmann, Ann. 31, 9 (1S3T). — Lacbknt u. Oebhardt, Jb.
Fr£ht, Ann. 29, 144 (1839); 78, 2S7 (1&51). — ^rifp, Ann. 13
BoticHARDAT, CoDipt rend. 89, 99 (1879). — Grobjeak, Jonm. äd
— Vgl. auch ScHEiBLEs u. MirrELMEiER, Ber. 26, 1994 (1892). — Cok
* VoELciRL, Ann. 89, 5T (1854). — BouRaoiN, üuli. 30, 309 (tl
MAXH. Ber. 15, 428 |18B3).
» BoTHE, J. pr. 93, 191 (1864).
• Claus u. Wieoamd, Ber. 8, 951 (1875).
804 Salxe der Weinsäure (Tartraie).
Säure auf. — Durch Bacteriengähruug ^ kann aus weinsaurem Ammern
Bernsteinsäure in grosser Menge erhalten werden (vgl. S. 658), während
aus weinsaurem Kalk flüchtige Fettsäuren — Essigsäure, Propionsäure
Buttersäure — entstehen, aber keine Bernsteinsäure.
Die analytische Identificirung der Weinsäure gründet sich zweckmässig
auf die Schwerlöslichkeit ihres sauren Kaliumsalzes — eine nicht zu verdünnte
Weinsfturelösung giebt mit Kaliumacetatlösung einen krystallinischen Niederschlag —
und auf die Eigenschaften ihres neutralen Calciumsalzes, welches aus den Losungen
weinsaurer Salze durch Chlorcalcium gefällt wird; das Caiciumsalz löst sich in
Salmiaklösung und in kohlensäurefreier Natronlauge auf, scheidet sich aber beim
Kochen der alkalischen Lösung wieder gelatinös ab.
Die Salze der Weinsäure^ werden Tartrate genannt; als zwei-
basische Säure kann die Weinsäure zwei Reihen von Salzen — neutrale
und saure — bilden. Die neutralen Alkalisalze sind leicht löslich, die
neutralen Salze der übrigen Metalle sind schwer oder gar nicht in Wasser
löslich; unter den aauren Alkalisalzen sind das Kalium- und Ammonium-
salz durch Schwerlöslichkeit ausgezeichnet.
Neutrales Kaliumtartrat C4H40eK8 -f- VjHjO löst sich in 066 Th. Wasser
von 14^ — Saures Kaliumtartrat C4HßOeK (Weinstein, [s. S. 802], Creroor
tartari) bedarf bei 10^ 235 Th. Wasser zur Lösung'; von seiner Schwerlöslichkoit
macht man zum analytischen Nachweis einerseits der Weinsäure (s. oben), anderer-
seits des Kaliums Gebrauch. — Kaliumnatriumtartrat C4H40gKNa + 4H,0 ist
unter der Bezeichnung „Seignettesalz" (nach seinem Entdecker SEtoHEfTE |1672-
genannt) bekannt, bildet grosse Krystalle, an denen zuweilen hemitidrische FläcJK'n
auftraten, und löst sich in 1-7 Th. Wasser von 6^ — Isomorph damit ist das
Natriumammoniumtartrat C4H40QNa(NIl4) + 4H2O, welches für die Darstellung
der Rechts- und Linksweinsäure aus Traubensäure (vgl. S. 808 — 809) wichtig ist, da
CS besonders leicht mit hemiSdrischen Flächen krystallisirt.
Neutrales Calciumtartrat C4H4O0Ca + 4H,0 bedarf zur Lösung etwa
350 Th. kochendes, mehr als 2000 Th. kaltes Wasser; über seine Benutzung zum
Nachweis der Weinsäure vgl. oben.
^.Neutrales Kupfertartrat C4H40eCu + 3HjO scheidet sich durch Fällung
von Kupfervitriol mit einem neutralen Alkalitartrat als hellgrüner Niederschlag ab,
der in Wasser sehr schwer, in Weinsäure leicht löslich ist. In Alkalien lost es sich
mit tiefblauer Farbe; hierdurch erklärt sich die Erscheinung, dass KupfeFsake in
Gegenwart von Weinsäure durch Alkalien nicht gefällt werden; 1 MoL Weinsäure
vermag 1 Atom Kupfer in Lösung zu halten^; die Erscheinung beruht wohl auf der
Bildung von Doppelsalzen, in denen auch der Wasserstoff der alkoholischen Hjdroxyl-
gruppen durch Metallatome vertreten wird, wie etwa Cu<f | . Auch die
^OCHCOjK
Fällbarkeit anderer Metalloxyde — z. B. Nickeloxyd, Bleioxyd — durch Alkali wird von
Weinsäure verhindert, und ähnlich der Weinsäure verhalten sich andere Oxysäuren*,
» Fitz, Ber. 12, 475 (1879). — König, Ber. 14, 211 (1881).
* Vgl. besonders Dulk, Ann. 2, 39 (1832). — Werther, J. pr. 32, 885 (18441.
— De LA Provostaye, Ann. eh. [3] 3, 129 (1841). — Dcmas u. Piria, Ann. eh. [5] 5.
353 (1842). — Pasteur, Ann. eh. |3] 24, 443 (1848); 38, 445 (1853); 42, 418 (1«54).
» Blarez, Compt. rend. 112, 434 (1891).
* StXdrleu u. Kkause, Jb. 1864, 74G. » Vgl. Ann. 189, 27 (1877).
Weinsäureesler.
wie Aepfelsfiurc, Citroaensäure. Man weht von dieser Erscheinung Nutze
JCusammenectzang der unter dem Namen „FsMMMa'sche Lösung" bckanntena
Kapferoxydiöeang, welche in der Regel bereitet wird, indem man einereeits ein
:{4-6g krj'stalliBirtes Kupfervitriol enthaltende Lösung, andererseits eine
173 g krystallisirtea Seignettesak und 60 g Aetznatron enthaltende Lösung
und gleiche Raiimtheile dieser beiden Löstingen vor dem Gebrauch mit
vermischt. Diese Lösung ist ein allgemein gebrifuchliches Reagens, um auf K
vennSgen zu prüfen; bringt man sie mit einer Substanz zusammen, die R
vennögen g^;en Kupferoxjd besitzt, so scheidet sich aus der blauen L
Xiederachlag von rothem Kupferoxydul üb.
Unter den viel&ch nnteiauchtcn ADtimonaalzen' der Weinsäur
praktischer Wichtigkeit der sogenannte Brechweinstein G^HfOjKSb -t- '/t^
Salz, welches durch Auflösen von i Th, Antimonoiyd und 5 Th. Weinstein
heissem Wasser und Kristallisation hergestellt, gewöhnlich als Kalium -an timo
CH(OH) COOSbO
aufgefasst und bekanntlich als Brechmittel verwendet
CHiOHlCOOK
hrystalliairt in rhombischen Octa€dem, löst sich in 12 6 Th. Wasser von 2
Alkohol unlöslich, verliert schon an der Luft theiiweise dos Kiystallwasaer
10Ü* wasserfrei und giebt durch Erhitzen auf 200—220° nocJi 1 Mot. V
indem ein Kahumantimoutartrat CilI|0,Käb cntateht, das beim Auflösen i
wieder gewöhnlichen Brechw einst ein regenerirt.
Ester können sicli von der Weinsäure ableiten, indem eiitw
Wasserstoffatome der Carboxylgru|»])eii durch Alkylreste, oder dio
eitoffatome der alkoholischen Hydroxylgruppen durch Säurei'ei
tretou werden, z. B. :
CH(OH)CO,C,H, CH(ONO,)-CO,H
I und I
CH(OH)-CO,-C,H, CH{0-NOO-CO,H
WeinsSurediKthylester Salpctcrsfiureestcr der Weinsäure
Nitroweinsänre.
Die Dialkylester der WeinsSurc' C,H^OHyCÜ,-R), lassen sieh
Zustand fast unzersetzt destillireu, werden aber äusserst leicht in Berül
Wasser partiell verseift; man muss daher hei ihrer Bereitung durch EinI
Chlorwasserstoff in alkoholische WeinsfiurelÖsungen es vermeiden, sie mit W
di'tn Rcactionsgemisch abzuscheiden. Der Dimethylester ist eine bei m°sct
Kryetallmasse, siedet bei 280°; der Difithylester ist flüssig, besitzt he
spcc. Gew. 1-210 und siedet bei 2B0°. Die Wasaerstofiatomc der alki
Hydroxylgruppen können in diesen Estern durch Natrium und Kalium ersetz
die M) entstehenden Alkoholate*, wie C,H^OKI,[CO,-C,H„), , sind zu dopp<
Setzungen indee-icn nicht brauchbar.
< BuHDES u. WABDEMBtTBo, Aun. 2, 71 (1832). — LiüBio, AnD. 36, 1
— PiuooT, Ann. 64, 2»2 (lS4ä). — Clakie u. Stallo, Ber. 13, 17»7 i
Clibu u. Evanh, Ber. 18, 2379 (1H83). — Wardeh, Ber. 17o, 105 (I8ö*).
Compt rend. 102, 1472 (1866). — Dcnhtan u. Boole, Jb. 1S88, 1821.
* Abbchütz u. Pictbt, Ber. 13, ins (1880); 14, 2789 (1881); 16, 22
» Febkin, Ann. Suppl. 6, 293 (18671. — Lassak-Cohh, Ber. 20, 2003 i
Mduikr, Rec trav. chim. 8, 361 (1889); 10, 171 (1891).
806 Linksujemmure,
Der Salpetersäureester der Weinsäure*, deasen Formel S. 805 gegeben
wurde, iät eine durch ihre ZusammenBetzung und Zersctzlichkeit höchst interessante
Substanz; man nennt ihn gewöhnlich ,,Nitroweinsäuro" — eine Bezeichnung, die
ebenso ineonsequeut ist, wie die analog gebildeten Namen „Nitroglycerin, Nitro-
mannit*' etc. Man gewinnt ihn, indem man 100 Th. gepulverte Weinsäure in 650 'FL
rauchender Salpetersäure löst und nach dem Erkalten 900 Th. reine Schwefelsäun*
zufugt, als seidenartig verschlungene Krystallmasse. Seine wässrige Losung ist aus-
nehmend unbeständig; schon wenig über 0° erleidet sie unter Gasentwickelung Zer-
setzung, indem der Saucrstofi der Nitrogruppen oxydirend auf die benachbarten TheÜe
des Molecüls wirkt; lässt man einige Tage bei niederer Temperatur stehen und er-
wärmt dann auf 40— 50^ so erhält man Oxalsäure. Bei vorsichtiger Leitung der
Scibstzersetzung gelingt es aber^ als erstes Produkt die Dioxy Weinsäure CO^H-
C(0H),-C(0II)2-C0jll zu ifiolircn, deren Bildung man sich durch eine vorher erfol-
gende Umlagerung der Nitro Weinsäure in einen Salpetrigsäureestcr:
CHCONCMCOjH C(OHXO.NO).CO,H
I > \
CH(0.\0,).CO,H C(OH)(O.NOj.C(),U
erklären kann. Da die Dioxy Weinsäure durch Kohlcnsäureabspaltung leicht in Tartron-
säure übergeht, so kann man unter gewissen Umständen auch Tartrousäure als Zer-
setzungsprodukt der Nitroweinsäure erhalten (vgl. S. 790).
Diacetylweinsäurc« C,H,(O.CgH,0),(CO,HV Das Anhydrid CsH^O, (aiis
Weinsäure und Acetylchlorid) schmilzt nicht ganz scharf bei 125 — 129** und geht an
feuchter Luft in das Säurehydrat CgHmOg — eine zerfliessliche Substanz, die mit
3 Mol. Wasser bei 58 • schmelzende Krystalle bildet, — über. Der Diäthylester
CgHgOgCCjHft), (aus Weinsäurediäthylester und Acetylchlorid) schmilzt bei 66-5® und
siedet bei 291—292''
Die Llnksweinsäiirc' — die der gewöhnlichen W^ einsäure optisch
entgegengesetzte Modification — kann nach den S. 808 — 809 besprocheDCU
Methoden durdi Zerlegung der Traubensäure hergestellt werden. Sie
besitzt den gleichen Schmelzpunkt und die gleiche Löslichkeit wie die
Rechts Weinsäure; ihre Salze zeigen dieselbe Zusammensetzung, denselben
Wassergehalt, dieselbe Löslichkeit wie die gewöhnlichen Tartrate; ihre
Ester schmelzen und sieden bei derselben Temperatur, wie die Kechts-
weinsäureester. Allein die Säure selbst sowohl wie ihre Salze uad
Derivate drehen die Schwingungsebene des polarisirten Lichtstrahles
stets um denselben Betrag nach der einen Seite, wie die Eechtsweiii-
säure bezw. ihre Abkömmlinge nach der anderen Seite. W^o ferner eiiie
1 Dessaiones, Ann. 82, 362 (1852). Jb. 1857, 306. — Uekry, Ber. 3, 533
(1870). — Demole, Ber. 10, 1788 (1877). — Kekulä, Ann. 221, 245 (1883). — Ma-
QUEMNE, Ann. eh. [6] 24, 524 (1891).
■ Pilz, Jb. 1861, 368. — Wislicenüb, Ann. 129, 184 (1863). — Pekkin, Ann.
Suppl. 6, 285 (1867). — Anschütz u. Pictet, Ber. 13, 1178 (1880); 14, 2790 (1S81);
15, 2242 (1882). — Colson, Compt. rend. 114, 177, 417 (1892). — Güve, ebenda, 4T5.
Ann. eh. [6] 25, 202 (1892). — Freukdler. Compt. rend. 116, 509 (1892).
« Pasteüb, Ann. eh. [3] 28, 71 (1850); 38, 460 (1853); 42, 424 (1854). — Lbidik,
Compt. rend. 95, 87 (1882). — Junopleisch, Jb. 1883, 1084. — AKSCBOrZt Ber.
18, 1398 (18S5). Ann. 226, 200 (1884); 247, 111 (1888). — Ostwaij), Ztschr. f.
physik. Chem. 3, 372 (1889). — Biscuoff u. Walden, Ber. 22, 1814, 1820 (18891,
TVaubensäure.
Kiystallisation mit liemiSdrisclien Flächen eintritt, titidet ma
i'iiien Reibe die hemiedrischeD Flächen auf der rechten, in de
Keihe auf der linken Seite (vgl. S. 78—79). In jeder Bezie
— abgesehen von der Hemiedrie und dem Vorzeichen des
Diehungs Vermögens — sind Kechts- und Linksweinsaure identi»
man sie aber mit anderen optisch activen Körpern combinirt, so l
mall nicht mehr Identität des Verhaltens, erhält vielmehr nu:
düngen von wesentlich verschiedenen Eigenschaften. So krystali
das saure Cinchoninsalz der Rechtsweinsäure C,gH,jN,0,CjH,'
und ist in absolutem Alkohol leicht löslich, während das ei
Salz der Linksweinsäure durchaus anders aussieht, mit IH^O
und in Alkohol sehr wenig löslich ist. Ueber das verschiedene
gegen Pilze vgl. S. 809.
Die Tranbensfture C^H^Og + C^H^Og (Paraweiusäure,
racemicum) — die nach unseren jetzigen Kenntnissen als V
von Rechts- und Linksweinsäure aufzufassende Modification (vgl.
ist zuerst um das Jahr 1820 beobachtet worden; 1830 zeigte E
dass sie mit der Weinsäure gleich zusammengesetzt ist; es ist in
dass gerade dieser Fall von Verschiedenheit der Kigenschaften bt
(irocen tischer Zusammensetzung, den wir heute eher als einen
Polymerie ansprechen, zur Einführung des Begriffs der Isomerie Ver
gegeben hat'. Man erhalt die Traubensäure neben der Anti
(vgl, S. 810) aus der gewöhnlichen Weinsäure oder ihren
(Cinchoninsalzen, Estern) durch die Einwirkung höherer Tem
— ein Vorgang, der nach unseren heutigen Anschauungen
.\enderung der Configuration in einer gewissen Anzahl von .
I>eruhen muss, die so weit fortschreitet, bis ebenso viel Hnk
wie rechtadrehende Molecüle vorhanden sind; es ist dies ein
Fall der sehr häufig beobachteten Erscheinung, dass optisch a'
bindungen durch Erhitzen ihr Drehungs vermögen verlieren^. D
gang der Weinsäure in Trauhensäure' bewerkstelligt man in
die Darstellung geeigneten Weise, indem man je 30 g Wein
3 — 4ccm Wasser 30 St. lang auf 175" erhitzt; fast die Gesan
der Weinsäure wird unter diesen Umständen in Tiaubensäure v«
Traubensäure entsteht ferner, wenn mau gloicho Mengen Re
Linksweinsäure in Lösung zusammenbringt*, und zwar untei
entwickelung. Ueber synthetische Bildungaweisen der Tra
vgl. S. 812— 8U.
■ BERZiLina, Pogg. IB, S19 (1630).
* Vgl väk't Hoff, üii ann^ea etc., B. 49 (Rotlcrdam, 1687).
* Pjlsteob, Ann. 88, 211 (185S|. — Dessaiohes, Comiit rend. «
(1856). Bull. 1868, B56. — Juhofj.eisch, Bull. 18, 201 (1872). Compl
805 (1877). - Ber. 14, 2688 (1881).
* FiSTEiTB, Ann. eh. [3j 28, 7ö (1850).
808 Methoden zur Zerlegung „racemischer Modi ficat tone n^'
Die Traubensäure unterscheidet sich von der Rechts- und Links-
weinsäure zunächst natürlich durch ihre optische Inactivität, aber auch
in vielen anderen Punkten. So krystallisirt sie in triklinen, wasser-
haltigen Prismen von der Zusammensetzung C^H„Og + C^HgOg+2HjO,
verliert ihr Krystallwasser durch Erhitzen auf 110° und schmilzt^ dann erst
unter Zersetzung bei 205 — 206®; in Wasser ist sie bedeutend weniger
löslich als Weinsäure, 100 Th. lösen bei 15« nur 15 Th., bei 100« 138 Th.
wasserfreie Traubensäure^ (vgl. S. 802). Ihre Salze^ (Racemate) unter-
scheiden sich von den Tartraten vielfach im Wassergehalt; sie krv-
stallisiren ohne hemiedrische Flächen, wenn nicht bei der Krystalli-
sation Spaltung (vgl. unten) erfolgt; das Calciumracemat* C^H^OgCa +
C^H^OgCa + 8H2O ist noch bedeutend schwerer löslich als das Calcium-
tartrat (S. 804) — daher wird eine Traubensäurelösung schon durch Gvps-
wasser gefällt, während eine Weinsäurelösung nicht gefällt wird; es löst
sich in Salzsäure und wird aus dieser Lösung im Gegensatz zum Gal-
ciumtartrat durch Ammoniak sogleich wieder gefallt. Die Ester der
Traubensäure* besitzen andere Schmelzpunkte wie die Weinsäureestcr
(der Methylester z. B. schmilzt bei 85« [vgl. S. 805]), sieden aber ki
derselben Temperatur (unter Zerfall, vgl. S. 810).
Von besonderem Interesse und entscheidend für die Auffassung der
Traubensäure sind die Vorgänge, durch welche eine Zerlegung der
Traubensäure in Rechts- und Linksweinsäure bewirkt wird. Dw
Methoden, welche uns überhaupt für derartige Spaltungen zur V^er-
fügung stehen, sind zuerst an der Traubensäure von Pastei-r angewendet
und ausgearbeitet worden; die Traubensäure kann als das klassisclio
Beispiel fiir inactive Modificationen, die in active Modificationen spaltbar
sind, bezeichnet werden, und man nennt daher auch neuerdings all-
gemein die aus zwei optisch activen Componenten gebildete Form der
Verbindungen mit asymmetrischen Kohlenstoffatomen ihre „racemische"
Modification**. Es sind drei Methoden von Pasteub^ aufgefunden, durch
welche aus Traubensäure active Weinsäuren gewonnen werden können:
1. Die erste, gewöhnlich zur Darstellung der Linksweinsäure (vgl.
S. 806) aus Traubensäure angewendete Methode beruht auf der eigen-
thümlichen Eigenschaft des Natriumammoniumsalzes der Trauben-
1 Bischoff u. Waldkn, Ber. 22, 1815 (1889).
* Leidie, Compt. read. 95, 87 (1882).
» Vgl. Fresenius, Ann. 41, 1 (1842). — Pasteub, Ann. eh. |3J 24, 453 (184M.
— Wyboüboff, Ann. eh. |6] 9, 221 (18ö6).
♦ AnschOtz, Ann. 226, 197 (1884).
* Pebkin, Ann. Suppl. 5, 286 (1867). — An8Ch(Jtz u. Pictet, Bor. 13, 1178
(1880). — ANscHtJTz, Ber. 18, 1897 (1885). Ann. 247, 111 (1888).
• Vgl. E. Fischeb u. Curtiss, Ber. 25, 1026 (1892).
^ Pasteüb, Ann. eh. [3| 28, 56 (1850). Ann. 88, 213 (1853). Compt. rend. 46,
61G (1858); 51, 298 (1860J. — Vgl. auch Gernez, Ahm. 143, 376 (1866). — Jr.NOFLEi.*tH.
Bull. 41, 222 (1881).
in die opUscfi activen Componenten, 809
säure, bei der Krystallisation unter gewissen Bedingungen in die
Salze der Rechts- und Linksweinsäure zu zerfallen; da diese Salze
mit entgegengesetzt hemiedrischen Flächen krystallisiren (vgl. S. 804),
so sind sie durch ihr Aussehen Ton einander zu unterscheiden, können
daher durch Auslesen gesondert und dann durch ümkrystalHsiren ge-
reinigt werden. Damit die Spaltung erfolgt^, muss die Krystallisation bei
einer Temperatur unterhalb 28® stattfinden; oberhalb dieser Temperatur
scheidet sich Natriumammoniumracemat CgHQOj2Na3(NH4)3 + 2H2O aus,
unter 28® aber krystallisiren die beiden optisch und krystallographisch
entgegengesetzten Tartrate C4H40gNa(NHJ + 4H2O gesondert in den ihnen
eigenthümlichen Formen.
2. Eine zweite Methode gründet sich auf die S. 807 erwähnte
Verschiedenheit der Verbindungen, welche die beiden entgegengesetzten
Weinsäuren mit anderen optisch activen Verbindungen eingehen. Wenn
mau z. B. Traubensäure mit Cinchonicin sättigt, so krystallisirt aus der
Lösung zuerst linksweinsaures Cinchonicin; umgekehrt scheidet sich aus
der Lösung des Chinicinsalzes zuerst das Rechtstartrat ab (vgl. über
ähnliche Spaltungen S. 753, 780, 784, 797).
3. Die dritte Methode endlich bewirkt nicht eigentlich eine Zer-
legung der inactiven Säure in die beiden activen Componenten, sondeni
vielmehr eine Zerstörung der einen activen Modification, infolge welcher
die andere übrig bleibende active Modification nun für sich isolirbar
wird. Sie beruht auf der Eigenthümlichkeit niederer Organismen, als
Nahrung die Molecüle der einen Configuration zu bevorzugen, die Mole-
cüle der anderen Configuration dagegen zu verschmähen: bringt man in
eine mit Nährsalzen versehene Lösung von Ammoniumracemat einige
Sporen von Penicillium glaucum, so verschwindet, während sich eine
Vegetation der Pflanze entwickelt, die Rechtsweinsäure, und es bleibt
eine Lösung des Linkstartrats zurück.
Da somit auf verschiedenen Wegen die Traubensäure in Rechts-
und Linksweinsäure gespalten werden kann, da sie selbst sowie ihre
Salze und Ester umgekehrt wieder durch Zusammenbringen gleicher
Mengen Rechts- und Linksweinsäure bezw. ihrer Salze und Ester ent-
stehen, so kann man nicht daran zweifeln, dass Traubensäure nichts
anderes als eine Verbindung von Rechts- und Linksweinsäure ist. Wie
diese Verbindung aufzufassen ist, ob es ein Traubensäuremolccül von
besonderer Structur — vielleicht der Formel:
CO,H . CH(OH) . CH(OH) • C<^ Nc • CH(OH) ■ CU (OH) • CO,H
in"
OH
oder ähnlichen Formeln entsprechend — giebt, oder ob wir es mit einer
' Vgl. vait't Hoff u. Deventek, Ber. 19, 2148 (1886). — Wyroüboff, Auu. eh.
L6J 9, 221 (1886).
810 Antiweinsäure (Mesowcinsäure
Aneinanderlagerung von Rechts- und Linksmolecülen mehr in physika-
lischem Sinne, ohne Aenderung der atomistischen Bindungsverhältnisse,
zu thun haben, bleibt einstweilen eine offene Frage. Jedenfalls handelt
es sich nur um eine lockere Vereinigung, die im Allgemeinen an den festen
Aggregatzustand gebunden zu sein scheint. Wo Traubensäure oder ihre
Derivate in den flüssigen oder gar gasförmigen Zustand übergehen, kann
man in der Regel durch physikalische Bestimmungen nachweisen, dass nnn
nicht mehr eine Verbindung, sondern ein Gemenge vorliegt. So zeigen
verdünnte Lösungen von Traubensäure und von Weinsäure gleichen
Gcfriei-punkt^, gleiches elektrisches Leitvermögen*, gleiches specifisches
Gewicht* (concentrirte Traubensäurelösungen scheinen allerdings, wenn
man nach ihrem Gefrierpunkt und specifischem Gewicht urtheilen darf,
einen kleinen Bruch theil unzerlegter Traubensäure zu enthalten); dieDi-
äthylester der Traubensäure .und der Rechtsweinsäure (beide flüssig)
besitzen gleiches specifisches Gewicht, gleiches magnetisches Drehungs-
vcrmögen*; endlich flihren Moleculargewichtsbestimmungen *, au den
Trauben säureestem im gasförmigen Zustand durch Dampfdichtemessung
oder im gelösten Zustand auf kryoskopischem Wege ausgeführt, zu dem
Werth der einfachen Weinsäureester.
Die Antiweinsäure (Mesoweinsäure, inactive Weinsäure) —
die durch intramoleculare Compensation inactive Modification der Wein-
säure (vgl. Configuration III auf S. 801) — kann neben Traubensäure
aus gewöhnlicher Weinsäure durch Erhitzen der freien Säure mit Wasser
oder des Cinchoninsalzes gewonnen werden®. Zur Darstellung empfiehlt
es sich, je 30 g Weinsäure mit 3 — 4ccm Wasser zwei Tage auf 165^
zu erhitzen; aus dem dadurch entstandenen Gemisch von Traubensäure.
Antiweinsäure und unveränderter Rechtsweinsäure kann man die Anti-
weinsäure in Folge der leichten Löslichkeit ihres sauren Kaliurosalzes
abscheiden. Antiweinsäure ist auch durch Oxydation von Kohlenhydraten^
und Erythrit® (vgl. S. 604) erhalten worden; über synthetische Bildungen
vgl. S. 812—814.
Die Antiweinsäure krystallisirt in langen, prismatischen Krystallen
von der Zusammensetzung C^HgO^ + H^O ; die entwässerte Säure schmilzt*
bei 189—143«; Antiweinsäure löst sich bei 15« in 0-8 Th. Wasser; in
ihrem Leitvermögen® weicht sie erheblich von den activen Weinsäuren
« Raoult, Ztdchr. f. phyeik. Chem. 1, 186 (1877).
* Ostwald, ebenda, 3, 372 (1889). • Marchlewski, Ber. 26, 1556 (1892).
* Perkin, Journ. Soc. 51, 362 (1887).
* Anschütz, Ber. 18, 1399 (1885). Ann. 247, 111 (1888).
* Pasteur, Ann. 88, 212 (1853). — Dessaiones, Bull. 1863, 356. — Jükofleisih.
Coinpt. reud. 73, 1769 (1872).
^ Dessaiones, Ann. Suppl. 2, 242 (1862). — Kiliani, Ann. 205, 166(1880). Ber.
14, 2530 Anm. (1881).
» Przybytek, Ber. 14, 1202 (1881); 17, 1412 (1884).
» BiscHOFF u. Walden, Bcf. 22, 1816, 1820 (1889).
oder inaelivG Weinsäure). 811
und der Traubensäure ab: K = 0-060 (vgl. S. 802, 810). Sehr wesent-
lich unterschieden von den stereoisomereu Modificationen ist sie ferner
durch die leichte Löslichkeit des sauren Kaliumsalzes, das bei 19*^
nur 8 Th. Wasser zur Lösung erfordert, und durch den Wassergehalt
ihres Calciumsalzesi C^H^O^Ca + SHgO (vgl. S. 804 u. 808). Im Gegen.
satz zu den flüssigen Diäthylestern der activen Weinsäuren (S. 805) ist
der Antiweinsäurediäthylester^ fest und krystallisirbar.
Während demnach unter den drei monomolecularen stereoisomeren
Weinsäuremodificationen Rechts- und Linksweinsäure nur in Bezug auf
den Sinn des optischen Drehungsvermögens, das Vorkommen hemiedri-
sclier Flächen, die Verbindungen mit anderen activen Substanzen, die
Krnährungstüchtigkeit für Pilze diflferiren, dagegen in Schmelzpunkt und
Löslichkeit der freien Säuren und ihrer Derivate, in der Leitfähigkeit etc.
vollkommen übereinstimmen, begegnen wir in der inactiven Antiwein-
säure einer Substanz, die in jeder Beziehung andere Eigenschaften auf-
weist und sich durchaus selbständig verhält. In den Raumformeln
(vgl. S. 801), zu denen die stereochemische Theorie führt, ünden diese
Verhältnisse ihre Erklärung. Die Configurationen I und II unterscheiden
sich von einander nur, wie Gegenstand und Spiegelbild ; was in der einen
rechts liegt, befindet sich in der anderen links; aber man übersieht am
Modell sofort, dass bei correspondirender Stellung die Entfernungen jedes
einzelnen Atoms bezw. jeder Gruppe von allen übrigen genau dieselben
für die Configuration I sind wie für die Configuration 11, dass demnach
in den Molecülen beiderlei Art derselbe Gleichgewichtszustand herrschen
uinss; die den Configurationen entsprechenden Verbindungen werden
daher Verschiedenheiten nur in einzelnen Eigenschaften zeigen können,
für welche eben noch der subtile unterschied enantiomoipher Formen
von Belang ist. Aber die Configuration HI ist in viel gröberer Weise
von I und II unterschieden; durch keine Drehung kann man sie in
eine solche Lage bringen, dass die Abstände sämmtlicher Atome bezw.
Gruppen von einander ebenso gross sind wie in I und II; in den Mole-
cülen dieser Art herrscht demnach ein anderer Gleichgewichtszustand,
der auch für die entsprechende Verbindung durchgreifendere Verschieden-
heit bedingen muss. (Vgl. ähnliche Verhältnisse bei den stereoisomeren
Hexonsäuren, S. 772—774).
Dass auch der Anti Weinsäure die Structurformel C03H-CH(0H)-
GH(0H)-C02H zukommt, kann aus den S. 812 — 814 angeführten synthe-
tischen Bildungsweisen geschlossen werden; vor Allem aber kann die
ausserdem einzig mögliche Formel einer Dioxy bernsteinsäure COgH -0(011)2 •
CHj-COjH als ausgeschlossen gelten, da die Antiweinsäure in ihrem
Verhalten durchaus keine Beziehungen zur Oxalessigsäure COgH-COCHjj-
COjH zeigt'. Unter den möglichen Configurationen (S. 801) ist I und II
« Anschötz, Ann. 226, 198 (1884). ' Anscuütz, Der. 21, 519 (1888).
• Vgl. Ahschütz, Ber. 21, 518 1888).
812 SyrUhciischc Bildung
in Folge der optischen Inactivität der Antiweiusäure zu verwerfen. Im
Gegensatz zur Traubensäure hat sich die Antiweinsäure bei analog au-
gestellten Spaltungsversuchen (vgl. S. 808 — 809) als unzerlegbar er-
wiesen^**; die Configuration III giebt somit von dem gesammten Ver-
halten der Antiweinsäure befriedigende Rechenschaft.
Durch Erhitzen kann Antiweinsäure theilweise in Traubensäure ver-
wandelt werdeni"^
Synthetische Bildung von Weinsauremodiflcationen. Wenn
sich Weinsäure aus gesättigten Verbindungen bildet, die keine asymme-
trischen Eohlenstoffätome aufweisen, so wird im Allgemeinen die Mög-
lichkeit zur Bildung aller drei Configurationen I, 11 und III (S. 801) be-
stehen. Da die Configurationen I und 11 einem und demselben Gleich-
gewichtszustand entsprechen, so wird die Chance für die Bildung der
einen ebenso gross sein wie für die Bildung der anderen; es werden
sich demnach stets ebenso viele Rechtsweinsäuremolecüle bilden wie
Links weinsäuremolecüle; d. h. wir können bei synthetischen Processen
dieser Art niemals die Entstehung activer Weinsäure, sondern müssen
stattdessen die Entstehung von Traubensäure erwarten. Die Configu-
ration in dagegen, die einen anderen Gleichgewichtszustand besitzt, wird
in ihren Entstehungsbedingungen eine unabhängige Stellung einnehmen:
die ihr entsprechende Antiweinsäure kann neben der Traubensäure in
wechselnden Mengenverhältnissen oder vielleicht auch ausschliesslich oder
umgekehrt gar nicht gebildet werden (vgl. S. 773). Als Beispiel für Re-
actionen dieser Art kann angeführt werden die Entstehung von Trauben-
säure durch Anwendung der Cyanhydrinreaction auf das Glyoxal*:
CHOCHO > CNCH(OH).CH(OH).CN > CO,H.CH(OH).CH(OH).C0,H
und durch die der Bildung von Pinakonen analog verlaufende Reduction
der Glyoxylsäure mit Zinkstaub in essigsaurer Lösung^:
OHO . CO,H CH(OH) • CO.H
+ 2H = I
CHO . CO«H CH(OH) • CO,H
ferner die Reduction von Dioxy Weinsäure« C03H-C(OH)2-C(OH)2-COjH
mit Zink in saurer Lösung, welche Traubensäure und Antiweinsäure zu-
gleich entstehen lässt.
Anders liegen die Verhältnisse, wenn W^einsäure sich aus Dibrom-
bcrnsteinsäure durch Auswechselung von Brom gegen Hydroxyl bildet:
CO,H . CHBr . CHBr • CO^H > CO,H • CH(OH) • CH(OH) • CO,H ;
» Pasteub, Ann. 88, 212 (1853). » Pkzybytek, Ber. 17, 1415 (1884).
® Dessaiqnes, Ann. 136, 212 (1865). — Jüngfleisoh, Compt. rend. 75, 1769 (1872i.
* ScuoYEN, Ann. 132, 168 (1864). — Stbeckeb, Ztschr. Chcm. 1868, 216. -
Staedel u. Gail, Ber. 11, 1752 (1878).
* Genvbesse, Compt. rend. 114, 555 (1892). Bull. [3] 7, 225 (1892). — Vgl
Debüs, Ann. 166, 127 (1872).
"" Kekui^, Ann. 221, 288 (1883).
von Weinsäuremodificationen,
813
uaob der Theorie sollten, wenn keine Umlagerungen (vgl. S. 727 — 728) ein-
treten, die einzelnen stereoisomeren Modificationen der Dibrombernstein-
säure (S. 736) in die entsprechenden Modificationen der Dioxybernstein-
säure übergehen, d. h. gewöhnliche Dibrombemsteinsäure in Traubensäure,
Isodibrombemsteinsäure in Antiweinsäure. Das Experiment liefert indess
keine Bestätigung der so gezogenen Folgerung: man hat aus gewöhn-
licher Dibrombemsteinsäure i durch Kochen des Silbersalzes mit Wasser
ein Gemenge von Traubensäure und Antiweinsäure, aus Isodibrombem-
steinsäure ^ dagegen nur Traubensäure erhalten. In der Chemie der Wein-
säuren ist dies der einzige Punkt, der einer befriedigenden Erklärung
noch ermangelt.
Die eben erwähnte Bildung der Traubensäure aus Dibrombemstein-
säure stellt eine Synthese derselben aus den Elementen dar, da Di-
brombemsteinsäure von dem Acetylen aus über die Zwischenstufen:
CH,:CH,; CH,(CN).CH2(CN) ; COjH.CHjCHjCOjH
aufgebaut werden kann. Traubensäure kann nun durch Krystallisation
ihres Natriumammoniumsalzes in Rechts- und Linksweinsäure zerlegt
werden (S. 808 — 809). Auf diese Weise gelang Jungfleisch ^ zum ersten
Hai die durchaus „künstliche" Herstellung einer optisch activen orga-
nischen Verbindung ohne Benutzung von Organismen oder von Substanzen,
deren Herstellung ausserhalb des Organismus noch nicht geglückt ist.
In stereochemischer Beziehung von besonderem Interesse ist der
Uebergang von Fumar- und Maleinsäure in Dioxybemsteinsäure durch
Oxydation mit Kaliumpermanganat. Aus den Raumgleichungen:
OH
COjH
H
CO,H
H
-CO4H
+ ILO 4- 0 =
H
C0,H—
-COjH H
oder
-H CO,H
-OH
OH
OH
H
H
H
CO.H H -
+ H,0 + 0 =
CO,H jj_
CO2H
OH
-OH
ÖO,H
ergiebt sich, dass aus Fumarsäure gleiche Theile Rechts- und Links
Weinsäure — d. h. Traubensäure — , aus Maleinsäure dagegen Antiwein
' Pbrxik u. Duppa, Ann. 117, 132 (1861). — Kekul^^, Ann. Suppl. 1, 376 (1861).
— Pasteür, Ann. Suppl. 2, 242 Anm. (1862). — Jiingpleisch, Jb. 1873, 569.
« R. Demuth u. V. Meyer, Ber. 21, 268 (1888).
» Coinpt. rend. 76, 286 (1875).
Öl4 Homologe der Weinsäuren bezw. Traubensäure.
säure gebildet werden sollte. Die Beobachtungen haben in der That
gezeigt, dass aus Fumarsäure^ lediglich Traubensäure, aus Maleinsäure*
Antiweinsäure entsteht*.
Durch Oxydation bilden sich Traubensäure und Antiweinsäure auch
aus Verbindungen von grösserer Eohlenstoffzahl, welche die Gruppe
^C — CH: CH — C(^- enthalten, unter Spaltung der Kohlenstoffkette; man
wird aus der Bildung der einen oder anderen Säure auf die Configuration
der Ausgangssubstanz schliessen dürfen. Traubensäure entsteht z. B.
aus der Sorbinsäure (S. 518) und anderen ungesättigten Säuren*; Anti-
weinsäure dagegen ist durch Oxydation des Phenols^ CqH5(0H) — ile<
Hydroxylderivats des cyclisch constituirten Benzols CgH^:
CH CH
CH CH
"N^H-^
— erhalten worden.
Homologie der WefnsHuren bezw« Traubensaare« Citraweinsfiure' CJ^fi^
= C02H.C(CH,)(OH).CH(OH).CO,H (Methylweinsäure) wmi in Form der zu
gehörigen Glycidsäure (Oxycitraconsäure) aus Citraconsfture durch Addition von
unterchloriger Säure und Zersetzung des Additionsproduktes mit Barytwasser oder
alkoholischem Kali:
CHjCCOjH CHjCClCOjH CH,.C(OH).CO,H CU^-C-COfl
I - ^ I od. I -^ ^(\
CHCOjH OH(OH).COjH CHCl-CO^H NiHCOjH
erhalten. Die Oxycitraconsäure CgH^Oj krystalHsirt aus Wjisser, worin sie leicht
löshch ist, mit 1 Mol. Ufi in grossen farblosen Krystalien, die an trockener Lott
verwittern; beim Kochen mit Wasser zerföllt sie zum grössten Theil in KohlensSure
und Propionaldehyd ; daneben entsteht die sehr zerfliessliche CitraweinsAure. -
DimethyltraubensÄure^ CeHioOe = C0,H.C{CH,)(0H).C(CH,)(0H).C0,H + H,0
ist aus Diacctyl CHj • CO • CO • CH« (vgl. S. 849) durch die Cyanhydrinreaction, aus
Brenztraubensäure CH,.CO«CO,H durch Einwirkung von Zink auf die alkoholische
Lösung gewonnen worden (vgl. die Traubensäurebildung aus Glyozylsäure, S. 8l2l;
die Säure schmilzt wasserfrei bei 178 — 179*^ unter Zersetzung.
» Tanatab, Ber. 12, 2293 (1879). — Kekülä u. Anschütz, Ber. 13, 2150 (l^HO».
— Anschütz, Ann. 226, 191 (1884).
* Tanatar, Ber. 13, 1383 (1880). — Kekulä u. Anschütz, Ber. 14, 713 (18811
3 Vgl. auch LE Bel, Bull. 37, 300 (1882).
* DoEBNER, Ber. 28, 2372 (1890).
* DoEBNER, Ber. 24, 1753 (1891).
« Carius, Ann. 129, 164 (1864). — Morawski, J. pr. [2] 10, 79 (1874); H
430 (1875). — ScHERKs, Ann. 227, 236 (1885). — Melikopf u. Feldmakn, Ann. 253.
Hl (1889).
' BöTTiNGER, Ann. 188, 315 (1877). Ber. 25, 397 (1892). — F'rrrio, Daimlebu.
Keller, Ann. 249, 208 (1888).
Monoxfi- und Dioxi/derivale dttr Qluiaraäura und iltrer Uom
C". Derivate der Glutart-Sure und der alkylirten Glt
MoHobydroxjIdcrlTftt«. n-Oijglutarsäure' C,H,0, = C
CH,-CH,-CO,H entotebt aus der entspreche öden AmidoglnCareäure f
a. S. 840) durch Ijnwirkung voq salpetriger Säure und findet sieh — i
Zersetzung der Olutaminsaure entstanden — in der Rübenzuckermelt
rfiaem Zustand nicht iBolirbar, du sie leicht in die BntjroIactDn-^-<
C,H,0, = CO,HCH.CH,.CH, übergeht, welche bei 49-50" schmilzt
I I
0 CO
(lieaatich ist; durch Rcduction mit Jodwasserstoff ist die &£ure in normi
verwandelt worden. — (J-Oiygluiarsaure' CjHbO» = COJICH,-
COjH entsteht aus AcetondicarbonsSure durch Beductiou mit Na
schmilzt bei 95", löst sich leicht in Wasser und Alkohol, liefert dun
öOprocentiger Schwefelsäure Glutaconsfiure (R. 695), durch Reduction i
Stoff Glutarsaure.— n-Methyl-n-Oiyglutarsäure' C,H,„Oj = CO,H
CH.-CHs-COiH entsteht sowohl aus Isocaprotacton (CH,>,CC1I,-CH
I I
0 -uo
nie aus Isocaproustturc durch Oxydation mit f^alpetersäure und kann
vnlinsäure CH,-CO-CH,-CH,-CO,H mit Hülfe der Cyanhydrinreacl
Verden; sie ist als freie ^äure nicht isottrt, da sie leicht in die bei 6
leude, im Vacuum unzersctzt deslillirbare ;--CBrboTalerolactonBSure
C-CH,-CH, Übei^eht. - f.j-,-Trimcthyl-«-Oiyglutarsäure' C,H
0 -CO
ClOHxCH,)-CH,-C|CH,),-COjH entsteht als Uclonsäure(CO,HX0H.)C
I
C
(Schmelzpunkt 103—104''], wenn das Anhydrid der aus TrimethylgU
>>. €64, 874) durch Bromirung erhältlidien Brom tri methylglutarsäure CO
CH,.C(CH,),-CO,H durch kaltes Alkali zersetzt wird.
Dlhydroxyldfrirate. Unsymmetrische (<i-|?) Dioxyglutara
= CO,H-CH(OH)CH(0H)CH,CO,H wird aus Glutaconsäure CO,H'
00,11 (S. 695) durch Addition von Brom und darauffolgende Ausn
Bromatome gegen Hjdroxyl erhalten und schmilzt bei ISS — 156°. — Sj
i«-r) DioiyglutarsSure* CO,H-CHiOH).CH,-CH(OH)-CO,H entst
DioiypropantricarbonsftDre(COjH),CtOH).CH,-CHtOH)-CO,H, welche dl
der leosaccharinsäure (vgl. S. 77T— 7TS) gebildet wird, beim Erhitzen
uSureabspaltung ; sie beginnt unter Wasserverluat bei ca. 106° eu erwe
erst bei viel höherer Temperatur völlig geschmolzen. — Symmetrisch
dioiyglutarsäure' C,ll„0, = CO,HC(CH^OH)CH,-C(CH,XOH)
' HiTTHAOaeK, J. pr. 103, 239 (1868). — Dittmar, J. pr. [2] 6, 338 (1
BOwsiKOW, Ann. 182, 347 (1876). — v. LipeHANN, Ber. 16, 1156 (181
(1892). — BRBm', Ann. 208, 66 (1881). — Wolff, Ann. 280, 126 (18
' v.Peckhahnu. jENiBCH.Ber. 34, 3250(1891). — AnschOtz, Her. as, 19'
■ Frmo u. Bredt, Ann, 208, 62 (1881). — Bredt, Ber, 14, 1781 (188
LEU, Bloc« u. Tollejis, Ber. 18, 2018 (lB8ö); 10, 706 (1886). Ann. 2!
* AüWBi« u. V. Meyeb, Ber. 33, 307 (1890)
<• KtMANi. Ber. 18, 2517 (1885). ' Ebenda, 2516.
' Zrlinbiv, Ber. 34, 4006 (1891). — Auwers u. jArESOH, Ber. 2S
~ AuwEBS u. Kaufhiann, Jkr. 25, 3221 (1S92).
816 TriaxygkUarsäuren,
Acetylaceton CHg-CO-CH^-CO'CIJg durch die Cyanliydrinreaction , fenier aus Di-
inethy Iglutarsäure (S. 674) durch Ueberführuug in Dibromdimethylglutarsfiure and
Auswechselung der Bromatome gegen Hydroxyl gewonnen. Sie existirt in zwei stereo-
isomeren Modificationen, von denen die eine als Säurehydrat nicht beständig ist,
sondern unter Wasserverlust in die bei 1P8 — 190^ schmelzende I^actonsäui-e
CyHjoOfi = CO,H.C(CH8)CH,..C(CH8XOH) übergeht, während die andere als zwei-
O CO
basisches Säurehydrat (oder etwa als Lactonsäure mit einem Molecül Kry stall wasser?)
isolirbar ist. Durch Destillation der bei 188 — 190'* schmelzenden Lactonsäure erhält
man das bei 104—105^ schmelzende, in kaltem Wasser fast unlösliche Dilacton
CO 0
CyHgO^ == CHj'CH-CHj'C-CHj. Ueber die namentlich vom stereocbemisclicn
i '
CO
Standpunkt aus interessanten Uebergänge dieser Verbindungen in einander, sowie
ihre Beziehungen zu den Bromderivaten der Dimethy Iglutarsäuren vgl. die Original-
literatur.
Die verschiedenen stereoisomeren Modificationen der Trloxyglntar-
säuro CßH.O^ = C02HCH(OH).CH(OH)CH(OH).C02H sind als Oxy-
dationsprodukte der Pentosen CHO-CH(OH)-CH(OH)-CH(OH).CHj(0H)
(S. 891 — 894) von Wichtigkeit für die Kenntniss der Zuckergruppe. Das
Molecül der Trioxyglutarsäure enthält zwei gleichartig unsymmetrische
Eohlenstoffatome; man könnte daher denken, dass aus der Theorie sich
hier dieselben Isomeriemöglichkeiten ergeben wie bei der Dioxybemstein-
säure; allein man erkennt am Modell leicht, dass die Verhältnisse hier andei-s
liegen, weil auch das in der Mitte befindliche Kohlenstoffatom bei nium-
lich verschiedenartiger Anordnung um die beiden benachbarten Kohlen-
stoffatome unsymmetrisch wird. Von der Baumformel der Glutarsäure
CO.H
H
H
H
H
„ (vgl. über derartige Projectionsformeln
S. 667 und Kap. 35)
H
COjH
kann man sich die folgenden vier ßaumformeln für Trioxyglutarsäuren^
ableiten :
COjH CO,H COsH CO,H
H- ' 011 11 OH II— ;-0H OH II
H— ' OH OH- -H H :-0n 0H~ H .
H
-OH H OH OH I H H OH
COjH 6o,H COJI COjH
II m IV
» Vgl. E. Fischer, Ber. 24, 1839 (1891).
D-hxi/gtutai
Man übersieht am Modell, dass I mit seinem Spiegf
gebracht werden kann, demnach einer durch jntram
sation inactiven Verbindung entsprechen muss; dassell
I verschiedene Configuration II, und die Theorie li
zwei inactive Modificationen von der Art dei
voraussehen. Die Configurationen III und IV stehe
ander in dem Verhältniss eDantiomorpher Gebilde, sie
nach einer rechtsdrehenden und einer linksdrehenden
die sich endlich zu einer ftinften racemischen Modi
könnten.
Man kennt zur Zeit drei Trioxyglutai'säuren , <
Zuckerarten bezw. aus den Zuckern nahestehenden V
Oxydation erhalten sind: 1. Trioxyglutarsäure, a
durch Oxydation mit Salpetersäure, bildet weisse Wärz
pnnkt 127", ist optisch activ ([esjo*'' in annähernd li
riger Lösung = — 22-7'^ nnd entspricht daher einer t
in oder IV; dieselbe Säure ist durch Oxydation v
S. 903, 912), Rhamnose (vgl. S. 894) und Quercit (v(
worden. 2, Inactive Trioxyglutarsäure aus Xylo
I.';. ig gestreckten Tafeln vom Schmelzpunkt 152'' und ^
pien ihrer wässrigen Lösung auf dem Waaserbade nie
säure ober. 3. Inactive Trioxyglutarsäure au;
iitibonsäure, vgl. S. 776) geht beim Gindampfen ihrei
im Vacuum in eine Lactonsäure über, welche in kleii
stalUsirt, bei leO** zu erweichen beginnt, bei 170 — 1'
beiden inactiven Säuren sind als G-lutarsäuresbkömmL
fuhrung in Glutarsäure mittelst Jodwasserstoff (vgl. S. 't
der Säure aus Xylose kommt die Configuration II, der
die Conäguration I zn, wie später (S. 912) näher begril
D. Derivate der Adipinsäure.
Unter Uebergebung der in geringer Zahl bekannt«
tigen Mono-, Di- und Trihydroxylderivate der Adip
nur die TetraoxyadlpinsäDren
C,HioOb = CO.H CH(OH)CH{OH)CH(OH)CH(0
besprochen. Der Umstand, dass in dem Molecül d
asymmetrische Kohlenstoffatome enthalten sind, bedi
möglichkeit einer grösseren Zahl von stereoisomeren,
> KiLiANi, Ber. 21, 3006 (ISSB). — Kiluni u. Scheibleb,
22, 519 (1889). — Will n. Petebb, Ber. 22, 1698 (1889). —
1644 (1891).
» E. FiscHBR, Ber. 24, 1842, 2fi88 (1891). — E. Fischer u.
' E. FiscHZH u. PiLOTV, Bei. 24, 4222 (1891).
818 Tetraoocyadipinsäuren (Allgemeines).
Modificationen; unter den vier asymmetrischen Kohlenstoffatomen kann
man zwei Paare von je zweien unterscheiden, die gleichartig unsym-
metrisch sind (in der Formel durch die Zeichen * und ° angedeutet); die
Verhältnisse liegen daher hier genau so wie bei den sechswerthigen
Alkoholen (S. 606 ff.):
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH,(OH) ;
• o o »
jedem Hexit muss eine Tetraoxyadipinsäure entsprechen; bezüglich der
Ableitung der möglichen Raumformeln (8 activen, 2 inactiven, 4 race-
mischen Modificationen entsprechend) und ihre Vertheilung auf die be-
kannten Säuren sei auf das Kapitel „Zuckerarten" (S. 904 ff.) verwiesen.
Wegen ihrer Beziehungen zu den Zuckerarten verdienen diese
Säuren eben besondere Aufmerksamkeit. In der Reihe der um jede
Aldohexose sich gruppirenden, durch directe Oxydation bezw. Reduction
wechselseitig in einander überführbaren Verbindungen werden die End-
punkte einerseits von den Hexiten, andererseits von den Tetraoxyadipin-
säuren gebildet:
CHj.OH CHO CO,H CO,H CO,H
ICH.0HJ4 <— {CH.OHJ4 ~> {CH.0HJ4 —^ ICH.0HJ4 — > {CH-OHl*.
CH.OH 6h,.0H CHjOH CHO CO.H
Hexite Hezosen Hezonsäuren Aldehydsäaren TetraozyadiptD-
sSoren
Dieser Beziehung entsprechend gewinnt man die Tetraoxyadipin-
säuren durch Oxydation — meist mit Salpetersäure — aus den Hexon-
säuren (vgl. S. 769 — 770) oder aus den Hexosen (wie Traubenzucker, Man-
nose etc.) oder aus complicirteren Kohlehydraten, welche durch hydro-
lytische Spaltung Hexosen liefern (wie Milchzucker, Stärke, Pflanzen-
schleim, Gummi etc.). Umgekehrt können die Tetraoxyadipinsäuren in
Form der zugehörigen Lactonsäuren oder Dilactone durch Natrium-
amalgam über die Stufen der Aldehydsäuren und Hexonsäuren hinweg
bis zu den Hexosen und Hexiten wieder reducirt werden (vgl. S. 768).
Durch energische Reduction — mittelst Jodwasserstoff (vgl. S. 744) —
werden sie in Adipinsäure übergeführt.
Von Interesse ist die Umwandlung der Tetraoxyadipinsäuren in Fur-
furanderivate 1. Beim Erhitzen mit starken Säuren liefern sie unter
Abspaltung von Wasser die sogenannte Dehydroschleimsäure — eine
Furfurandicarbonsäure (vgl, Bd. 11):
CH(OH)— CH(OH) CH — CH
CH(OH) CH(OH) - 3HjO = C C ;
» Vgl. E. Fischer, Ber. 24» 2140 (1891).
Mannox«ckersma■&^.
beim Erhitzen für sich liefern einige Säuren die BrenzscU
eine Furfuranmonocarbonsäure :
CH— CH
Ah i .
Dnrch trockene Destillation der Ämmoniumsalze ^ bezi
Litzen der Säuren mit Schwefelbarinm * können Derivate der d
analog constituirten cjclischen Stammsubstanzen Fyrrol bez'
CH CH CH — CH
CH CH und CH CH
\nh/ \s/
erhalten werden.
Die Einwirkung von Fhosphorpentachlorid auf einige Tei
säuren^ flührt zur Bildung von DichlormuconBäuren (vgl. S
1. HumozDckersKuren: die Oxydationsprodukte d
Mannosen und Mannonsäuren ; Kaumformeln vgl. S. 911.
rf-MannoznckersfiDre* bleibt beim Eindampfen der wSssrig
= CHI
Dilacton C,H,0, = CH(OH)-CH'CHCH(OH) znrück, velchesaiu Wai
I 1
0 CO
kogen Nadeln mit 2 Mol. Krystallwasaer kiystalliairt, zwischen 160'
GaaentwickeluDg schmilzt, in warmem Wasser leicht löslich ist, in de
UHo'sche LSaang sehr Btark reducirt nnd nach rechts dreht ([hId" i
niasriger LSfiuug = + 201 8'^; sie bildet kein schwer lösliches san
wie die Zuckeraäaren (vgl. S. 820); ihr Doppelhjdrazid C,H,0,(NH-NH-
bei caachem Erhitzen gegen 212° und ist selbst in heiasem Wasser t».
/-Mannozuckeraäure' (Mher MetazuckersKure genannt) liefen
welches mit 2 Mol. Kiyatallwasser in bei 68° sclimebenden Kijsta
wasser&ei ge^en 180° Bchmilzt und dem Ditacton der rf-Majinoznck
entgegengesetzt ist; durch ^sigaSiireanhjdrid wird es in ein bei 15!
Diacetj-lderivat C,HA(0-CO-CH,), übergeführt. — »"-Mannozucke
ein Dilacton, das unter v91iiger Zeraetzung gegen 190° schmilzt, und eil
schmelzendes Dihfdrazid.
2. ZackersBurcn: die Oxydationsprodukte der Sorbi
und Gulosen, Gluconsäuren und Gulonsäuren (vgl. S. 780 —
formein vgl. S. 911.
d-ZnckersSore' ist schon frQhzeitig als Produkt der Oiyda
• Vgl. BKit, Ber. 10, 1861 {1811). — Bell n. Lappkb, ebenda,
» Paal n. Tafsl, Ber. 18, 456 (1885).
* Lits-BoDAST, Awi. 100, 325 (1856). — Bell, Her. 12, 1272 (1
Motte, ebenda, 1571. — Rdhemanm u. Dufton, Joum. Soc. 69, 26 (I
* E. FiscsEB u. WiBTHLK, Ber. 24, 538 (1891). — E. Fiscbbr, el
Eastbbfibld, Joum. Soc. 59, 306 {1S91).
' KiuAKi, Ber. 20, 341, 2710 (1887); 31, 1422 (1888); 22, 524
• E. FiacBEB n. Smith, Ber. 24, 544 (1891).
' Vgl. die Citate unter Nr. 1 auf S. 820.
51
820 Zuckersäuren; Schleimsäure, Alloschleimsäure
zucker mit Salpetersäure beobachtet und vielfach untersucht worden; man gewinnt
sie am besten durch Erhitzen von Stärke mit Salpetersäure und reinigt sie dorch
Krystallisation ihres sauren Kaliumsalzes. Die freie Säure bildet einen Syrup, der
allmählich zu den bei 180—132^ schmelzenden Kiystallen der Zuckerlactonsäure
CeHgO, = C08H.CH(0H).CH.CH(0H).CH(0H) erstarrt; letztere reducirt nicht Feh-
6 CO
Lnfo'sche Lösung und ist rechtsdrehend. Für die Zuckersäure charakteristisch ist ihr
schwer lösliches saures Kaliumsalz CeHeOgK^ welches in Nadeln kiystallisirt und
89 Th, Wasser von 7** zur Lösung bedarf. Durch Einwirkung von Acetylchlorid
liefert Zuckersäure ein Diacetyldilaeton CeH404(0 • CO • CHs)« , welches bei 188<*
schmilzt; das Dihydrazid der Zuckersäure schmilzt gegen 210^ unter Zersetzung. —
/-Zuckersäure''' ist ebenfalls durch das schwer lösliche saure Kaliumsalz, das dem
Salz der (/-Zuckersäure zum Verwechseln ähnlich, aber optisch entgegengesetzt ist, be-
sonders charakterisirt; 1 Th. desselben bedarf bei 15*^ 68 Th. Wasser zur Lösung. —
t -Zuckersäure^ liefert ein ebenfalls schwerlösliches saures Kaliumsalz, das aber, ab-
gesehen von der optischen Inactivität, auch schon durch die äussere Form von den
activen Salzen unterschieden werden kann.
3. .Schleimsäure, Alloschleimsäure und TalosehlelmsSure. Die
gewöhnliche Schleimsäure — schon von Scheele 1780 durch Oxy-
dation des Milchzuckers erhalten — ist das Oxydationsprodukt des Dul-
cits, der Galactosen und Galactonsäuren. Sie ist optisch inactiv und
muss als eine durch intramoleculare Compensation inactive Modification
aufgefasst werden*, da sie sowohl aus rf-Galactose wie aus /-Galactose
— also aus zwei einander optisch entgegengesetzten Verbindungen von
unsymmetrischer Structur CHO-{CH-OH}4'CH3(OH) durch Oxydation ent-
steht, umgekehrt aber durch Reduction die racemische, spaltbare i-Ga-
lactonsäure (cf-Galactonsäure + /-Galactonsäure) liefert (vgl. S. 783), ferner
auch bei der Krystallisation ihrer Salze mit optisch activen Alkalolden sich
iils nicht spaltbar erweist {vgl. auch über die Configuration der Schleim-
saure S. 912). Beim Erhitzen mit Pyridin verwandelt sie sich theilweise
in die Alloschleimsäure, welche ihrerseits wieder durch Erhitzen mit
Pyridin theilweise in gewöhnliche Schleimsäure übergeht (vgl. S. 772);
auch die Alloschleimsäure ist inactiv. Die Taloschleimsäure endlich
ist das Oxydationsprodukt der Talose und Talonsäure, ist optisch activ
und kann durch Erhitzen mit Pyridin theilweise in gewöhnliche Schleim-
säure verwandelt werden.
* Trommsdorf, Ann. 8, 36 (1833). — Gu£rin, ebenda, 24. — Thaulow, Ano.
27, 113 (1838). — Hess, Berz. Jb. 18, 277 (1839). — Liebio, Ann. 113, 4 (1860).-
Heintz, Ann. 51, 183 (1844). Pogg. 105, 211 (1858); 111, 165, 291 (1860). -
HoRNEMAKN, Jb. 1863, 381. — Baltzer, Ann. 149, 237 (1868). — Kiliaki, Her. 14.
2529 (1881). — A. Herzpeijj, Ann. 220, 354 (1883). — Maquenne, Bull. 48, 719 (1.^87 1.
— SoHST u. Tollens, Ann. 245, 1 (1888). — Schrötter, Monatsh. 9, 442 (1888). —
E. Fischer u. Piloty^ Ber. 24, 521 (1891).
2 E. Fischer, Ber. 23, 2621 (1890).
* E. Fischer u. Stahel, Ber. 24, 534 (1891).
* E. Fischer u. Hertz, Ber. 25, 1247 (1892). — Ruuemann u. Dupton, Joiini.
Soc. 59, 753 (1891).
UTtd TalosßhleimBäure; laoxw
Schleimefinre''* (Aciduin macicum) wird ai
Milcbznckef mit SalpetenSare gewonnen, bildet ein
bei rsBcbem Erbitzen gegen 213° und ist im Gegensab
Waaaer schwor iösitcb. Sie reducirt nicht Fbhi.ujq'S'
WasBer gebt sie in eine T^actonsäure über, die bii
werden konnte, im Gegensatz zur Sclileimsfiure seli
Alkohol ist, beim Eindampfen der wSsarigen LSeung
ErwSnnen mit coacentrirter Salzsäure oder verdünn!
wieder in Schleimsäure verwandelt wird. Durch £Unv
Schleimsäare die Tetraacetylschleimsäure C4H4(0-CO-'
pnnkt 266°), der SchleimaäurediSthylester C,H,fOH),K'
den TetroacetyUchleimaftnredifithyleater C,H,(0-CO-<:
111"]. Das Dihydrazid der ScbleimsSure C4H,(0H),((
238—240°. — Alloachleimsäure* krystallinrt in 1
NSdeichen, schmilzt nicht ganz constant zwischen 161
leichter löslich als die SchleimBSure (in 10—12 Tb. k
sehr schwer löaUch, verwandelt sich heim Ahdampfi
lactonartiges Produkt, das in Alkohol leicht löslich
schmelzendes Dihydrazid. — Taloacbieimsäure* ki
eben, schmilzt gegen 158° und ist selbst in kaltem
in warmem absolutem Alkohol löslich; sie reducirt
reehtsdrehend ; ihr saures Kaliumaalz ist in Wasser s<
4. iBOZoekersXore' — eine einstweilen isolirt das
oiyadipins&uren nicht in nähere Bezichnng gebracht«
von Glucosamin mit Salpetersäure erhalten, bildet rh<
185°, ist in Wasser und Alkohol leicht löslich und dr
cenliger wässriger Lösung = +46-12'l. Ihr saures
Ihei 100^ waaeerfrei) ist in Wasser leicht löslich. It
C,H,), schmilzt bei 73*, kann fast unzeraetzt deatillii
lOslich und liefert, mit Acetylchlorid behandelt, den
acetyldiäthyleater C,H^(0 ■ CO • CH,),(CO, ■ C.Hj), .
E. Derivate der Pimeli
Die Peataoxyplmclinsaureii C^Hi^O^
CO,H-CH(OH)-CH{OH).CH{OH)-CH{OI
sind die Oxydationsprodukte der Heptoaen b
—785).
' K FiscBER u. Hertz, Ber. 26, 1247 (1892).
• Malaouti, Ann. eh. [2] 63, 86 (1836). Ann. ]
64, 347 (18*8). — Laurent, Ann. 76, 359 (1850). — J
Schwadert, Ann. 116, 265 (1860). — Cboh-Brown, An
u. Wrarao, Ann. 129, 194 (1864). — Limpbicht, Ann.
lUNH, Ann. 193, 186 (1878). — Klinkhardt, J. pr. [2]
14, 2529 (1881]; 15, 34 (1882). — ScHMrrr u. Cobknzi
u. ToLLSKS, Ann. 327, 221 (1834). — Bülow, Ann. 236.
48, 719 (1837). — E. Fischsr, Ber. 24, 2140 (18S1).
^<x. 59, 26, 753 (1891). — v. Lippmann, Ber. 25, 32
' E. FiacHEE, Ber. 24, 2136 (1891). ' E. Pia
» TiEitABH, Ber. 17, 247 (1884). — Tjemakb ti. h
822 Pentaoxypimelinsäuren.
Die Penlaozypimelinsätire aus a-Glucoheptonsäare* liefert eine bei
143^ schmelzende inactive Lactonsänre C^HioOg, diejenige aus |9-61ucohepton-
säure* eine gegen 177^ schmelzende, stark rechtsdrehende Lactonsäure; die
Pentaozypimelinsäure aus cf-Mannoheptonsäure' ist ebenfalls optisch activ.
Y. HydroxylderlTate ron TrlcarbonsSuren.
Die CltronensSure C^HgO^, die als ein Hydroxylderivat der Tri-
carballylsäure:
COjH . CH, . C(0HXC0,H) • CH, • CO,H
(a-Oxy-coacö'-Propantricarbonsäure) aufzufassen ist, verdient beson-
ders wegen ihres sehr häufigen Vorkommens in Pflanzentheilen* Interesse.
Erwähnt sei ihr Vorkommen in den Johannisbeeren, den Preisseibeeren,
den imreifen Maulbeeren, im Rübensafb, in Leguminosensamen; häufig
findet sie sich zugleich mit Aepfelsäure und Weinsäure. Zu ihrer fabrik-
mässigen Darstellung dient der Saft noch nicht ganz reifer Citronen,
der etwa 6 — 7 7o fr^i^ Citronensäure enthält; man scheidet die Säure
zunächst in Form ihres in der Hitze schwer löslichen Calciumsalzes ab,
setzt sie dann aus letzterem Salze wieder durch Zersetzung mit Schwefel-
saure in Freiheit und gewinnt sie endlich durch Eindampfen der Lösung
im Vacuum und Eiystallisation. Citronensäure wird hauptsächlich als
Aetzbeize in der Zeugdruckerei, ferner für Limonaden etc. verwendet.
Synthetisch* ist sie aus symmetrischem Dichlorhydrin, femer aus
Acet essigester unter Benutzung mehrerer Zwischenstufen erhalten worden:
1. Synthese aus Dichlorhydrin:
CHjCl CH,C1 CHjCl CH,C1 CH^-CN CH.CO.H
/OH .OH /OH /OH
CH(OH) ->- CO (vgl. S. 869) ->- C< ->- C< ->- C< ->. €<
1 i^CN x^o»H im:o,h N:o,
CHjCl CHjCl CHj.Cl CH.Cl CH.CxV CH,.CO,H
2. Synthese aus Acetessigester:
1 KiLiANi, Ber. 19, 1918 (1886). — E. Fischkb, Ann. 270, 91 (1892).
» E. FiscHEE, Ann. 270, 89 (1892). * Habtmank, Ann. 272, 194 (1892).
* Vgl. TiLLOY, Berz. Jb. 8, 245 (1829). — Libbiq, Ann. 5, 141 (1833). — Bba-
CONNOT, Jb. 1849, 486. — Michaelis, Jb. 1851, 394. — Bebtaokini, Jb. 1866, 4TS.
— Wittstein, Jb. 1857, 520. — Lakcaster, Plummer, Jb. 1860, 562. — Rochlsder.
Ann. 80, 322 (1851). — Wilhok, Ann. 82, 343 (1852). — Despaionbb, Ann. 89, 120
(1854). — Schrader, Ann. 121, 370 (1862). — G. Stein, Ber. 12, 1603 (1871). -
Graeoer, Jb. 1873, 590. — Wriqht u. Patterson, Ber. 11, 152 (1878). — Haitinoeb.
Monatsh. 2, 485 (1881). — Ritthausen, J. pr. [2] 29, 357 (1884). — Hilger u. Gross,
Jb. 1886, 1815. - Klinoer u. Buyard, Jb. 1887, 2303. — KossownscH, Ber. 20o,
549 (1887).
* Grimaüx u. Adam, Bull. 36, 21 (1881). — Haller u. Hbld, Ann. ch, [6] 23,
145 (1891). — Vgl. auch Andreoni, Ber. 13, 1394 (1880). — KjBKULt, ebenda, 1686.
Citronensäure, 823
CH, CHjCl CHj.CN CH,.C0j.C,H5
CO —V CO —>■ CO — )- CO
CH,.C0a.C,H5 CH,.CO,.C,Hß CHaCOjC.Hj CHj.COjCjH,
CUj • COj • CjHs CHj • COjH
I /OH
I \<
CO,H
CHg • COj • C2H5 CHji • COjH
Durch die glatte Ueberflihrbarkeit in Aconitsäure und Tricarballyl-
säure (S. 701 und 703) ist Citronensäure als ein Hydroxylderivat der
Tricarballylsäure gekennzeichnet; die Synthese aus Acetessigester lässt
über die Stellung der Hydroxylgi-uppe keinen Zweifel.
Citronensäure schiesst gewöhnlich mit 1 Mol. Krystallwasser in
wasserhellen Krystallen an, die in Wasser und Alkohol^ leicht, iuAether^-^
weniger leicht löslich sind; die wasserhaltige Säure schrumpft zwischen
70^ und 75^ unter Wasserabgabe zusammen, verliert im Exsiccator' das
Krystallwasser oft erst nach langer Zeit. Dampft man die wässrige
Lösung bis zu einer Temperatur von 130^ ein, so scheidet sich beim
Erkalten die wasserfreie Säure^ in farblosen Krystallen vom Schmelz-
punkt 153® ab; sie besitzt die merkwürdige Eigenschaft, beim Umkry-
stallisiren aus kaltem Wasser immer wieder wasserfrei anzuschiessen.
Dissociationsconstante^ K = 0-081.
Dass Citronensäure beim Erhitzen für sich auf etwa 175® in Akonit-
säore, bei der Destillation in Itaconsäure und Citraconsäure (unter gleich-
zeitiger Bildung von Aceton) übergeht, ist schon S. 689 — 690 und S. 703
besprochen. Bei der Destillation von citronensauren Salzen mit Aetzkalk^
werden neben anderen Produkten Aceton und Propionaldehyd gebildet.
Ein stufenweiser glatter Abbau zum Aceton ^ gelingt bei der Zersetzung
mit concentrirter Schwefelsäure ; es tritt zunächst die allgemeine Reaction
der a-Oxysäuren — Abspaltung von Ameisensäure (vgl. S. 753) — ein, die
hier zur Bildung von Acetondicarbonsäure führt; letztere Säure zerfällt
beim Erhitzen in Kohlensäure und Aceton:
CH, . C0,H CH, . COaH CH3
I
I
Co -
-> CO .
I /OH
C< >
CHjCOjH (i^Ha-COgH CH3
* BouRGOiN, Bull. 29, 244 (1878). « v. Lippmann, Ber. 12, 1650 (1879).
' Grosjean, Journ. Soc. 48, 331 (1883).
* Büchner u. Witter, Ber. 25, 1159 (1892),
* Walden, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 568 (1892). — Walker, Journ. Soc. 61,
708 (1892).
* Fretdl, Mooatsh. 4, 151 (1883). — Bischofp u. Hausdörfer, Ber. 23, 1915 (1890).
' v. Peckmann, Ber. 17, 2542 (1884).
A
824 Oitranensäurederivate.
Citronensaure Salze können in Gährung^ versetzt werden; bei der Spalt-
pilzgährung tritt namentlich Essigsäure auf.
Unter den Salzen' der Citronensaure eind nur die der Alkalien in Wasser
leicht löslich. Besonders charakteristisch ist das tertiäre Calciumsalz (GeH507)tCa3
+ 4H,0, welches in kochendem Wasser schwerer loslich ab in kaltem ist; fugt man
daher zu Citronensäureldsnng Kalkwasser bis zur alkalischen Beaction, so bleibt die
Mischung klar; beim Kochen aber trübt sie sich unter Abscheidung des Calcium-
salzes, das beim Erkalten im verschlossenen Gefftss sich wieder nahezu voUstfindig
auflöst.
Ester der CitronensKure'. Der Citronensäuretrimethy lester
C8H4(OHXCOj • CHjlj bildet gut ausgebildete Krystalle, schmilzt bei 785— 79«, siedet
unter 16 mm Druck bei 176^, unter gewöhnlichem Druck nicht ganz unzeisetEt bei
283—287° und kann aus heissem Wasser umkrystallisirt werden. Der Triätbyl-
ester C8H4(OH)(COj • CgHs)^ ist eine dicke Flüssigkeit, geruchlos, siedet unter 17 mm
Druck bei 185° und besitzt bei 20° das spec. Gew. 1'137; in seiner ätherischen
liösung löst sich Natrium auf, indem sich vermuthlich die Natriumverbindung
CgH/ONaXCOg-CjHg), bildet; durch Umsetzung mit Jodäthjl erhält man darauf den
Aethylcitronensäuretriäthylesther C8H4(0 • CoHjXCO« • CjHa), — eine ölige
Flüssigkeit von angenehmem Geruch, welche unter 145— 150 mm Druck bei 237—238'*
siedet und bei 20° das spec. Gew. 1 • 102 besitzt. Die Citonensäurfttrialkylester liefern
beim Erwärmen mit Acetylchlorid die Trialky lester der Acetylcitronensäure
CsH^CO . CO . CHaXCOjRJs — der Trimethylester siedet unter 15 mm Druck bei 171",
der Triäthyleater (spec. Gew. bei 15°: 1146) bei 197° — , welche beim Erhitzen auf
250—280° sehr glatt in Essigsäure und Aconitsäureester zerfallen (vgl. S. 704). —
Durch Einwirkung von Acetylchlorid auf Citronensaure selbst entsteht das Acetyl-
/CO. \
citronensäureanhydrid C,U4(0 • CO • CHjXCO.H)! ^0l — farblose, wohl aus-
gebildete Krystalle vom Schmelzpunkt 121°.
Citramid^ C8H4(0HXC0NHj)8 entsteht — neben Citrodiaminsäure C8H4(0Hi
(C0aH)(C0NIl2), und Citromonaminsäure C3H4(OHXC03H),(CO. NU,) — bei der Ein-
wirkung von Ammoniak auf Citronensäuretrimethylester. Es ist eine krystallinische
Substanz, die sich über 200° bräunt und bei 210—215° zu einer schwarzen Flüssigkeit
schmilzt; 100 Th. Wasser lösen bei 18° nur 2-7 TL, bei 100° 33.3 Th.; in Alkohol
und Aether ist es nicht löslich; durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure
geht es in die Citrazinaäure — ein Pyridinderivat (vgl. Bd. II) — über:
» llow, Jb. 1852, 469. — Personne, Jb. 1853, 414. — Phipson, Jb. 1862, 312.
— Fitz, Ber. 11, 1895 (1878). — Watts, Jb. 1886, 1872.
■ Vgl. besonders Heldt, Ann. 47, 157 (1843). — Heussbb, Jb. 1853, 412.—
Kämmerer, Ann. 148, 294 (1868); 170, 176 (1873). — Landbin, Ann. eh. ;5^ 25,
233 (1882). — Salzeb, Arch. f. Pharm. 229, 547 (1891).
» Vgl. Malaquti, Ann. 21, 267 (1837). — Heldt, Ann. 47, 195 (1843). — St.
EvRE, Ann. 60, 325 (1846). — Wislicenus, Ann. 129, 192 (1864). — Claus u. Rönne-
fahrt, Ber. 8, 867 (1875). — Hunaeus, Ber. 9, 1749 (1876). — Conen, Ber. 12, 1653
(1879). — Behrmann u. A. W. Hofmann, Ber. 17, 2683 (1884). ~ ANSCHttTZ u. Kusoe-
MANN, Ber. 18, 1953 (1885). — Ruhemann, Ber. 20, 802 (1887). — Klikqemank, Ber.
22, 984 (1889). — Easterfieu) u. Sell, Journ. Soc. 61, 1003 (1892),
* Behrmann u. A. W. Hofmann, Ber. 17, 2681 (1884).
Isodtronensäure, Desox<üsäur6, Oxydtronensäure. 825
CONH,
CH, OH CHg
CONHg CONH,
CO. OH
C
^ ^^
2NHa CH CH
OH-C ÖOH
Zu einer mit der Citronensäure stellungsisomeren Säure — der
IsoeitronensSure ^ :
CO,H . CH(OH) ■ CHCCOjH) ■ CH, • CO,H
(o-Oxy-coao'-Propantricarbonsäure) — gelangt man, wenn man vermittelst
der allgemeinen Paraconsäurebildungsreaction (S. 490, 799) unter Be-
nutzung Yon Chloral CClg-CHO und bemsteinsaurem Natrium zunächst
die Trichlormethylparaconsäure darstellt und letztere dann mit Baryt-
wasser zersetzt:
/COjH /COjba
CClj . CH . CH< CO.ba - CH • CH<
\CHa V ! ^CH, :
I OH I
0 CO CO.ba
Trichlormethylparacons. Isocitronens. Barium.
das Bariumsalz wird nach längerem Kochen in Wasser fast unlöslich;
setzt man die Säure in Freiheit, dunstet ihre Lösung ein und erhitzt den
Rückstand auf 100^, so erhält man die Lactoisocitronensäure C^HgOgi
COjH . CH . CHCCOjH) • CH,
I I .
0 CO
Al8a»w'-Dioxy-wG>,'-AethantricaTbon8äureCH(OH)(CO,H)— C(0H)(C0,Hj,
ist wahrscheinlich die leicht in Kohlensäure und Traubensäure zerfallende JDes-
oxftlsSiire' aufzufassen, deren Triäthylester (Schmelzpunkt 85^ bei der Einwirkung von
Natrinmamalgam auf Ozalsäurediäthylester entsteht.
Eine caa-Dioxy-wow'-Propant'ricarbonsäure" (Oxycitronensäurc) CeHgO^
wird aus Aconitsäure durch Addition von unterchloriger Säure und Rochen des Addi-
tionsproduktes mit Basen erhalten:
CHCOjH CH(OH).CO,H
i; ^ fCO,H ,
C.COjH >- CjHjCKOHKCO.H >■ OCOHICO^H
I lCO,H I
CH,.CO,H CH,.CO,H
und ist im Rübensaft aufgefunden worden.
* Prmo u. Miller, Ber. 20, 3181 (1887). Ann. 255, 47 (1889).
• Löwio, J. pr. 83, 1296; 84, 1 (1861). — Brunner, Ber. 3, 974 (1870J; 12, 543
(1879). — Klein, J. pr. [2| 20, 146 (1879).
» Pawollbk, Ann. 178, 150 (1857). — v. Lippmann, Ber. 16, 1078 (1883).
826 NüroderivcUe der Carbonsäuren.
Einunddreissigstes Kapitel
Nitro-, Amido- und Diazoderivate der Carbonsänren.
Nltroderirate der CarbonsSuren.
Nitroderivate der Carbonsauren sind nur in geringer Zahl bekannt und wenig
eingehend antersacht. Man hat sie theils analog den Nitrokohlenwasaerstoffen ans
halogenirten Säuren durch Umsetzung mit Silbernitrit, z. B.:
CH,J.CH,.CO,H + AgNOt = CH,(NO,).CH,.CO,H + AgJ,
— theils auch durch directe Nitrirung von Carbonsäuren gewonnen, z. B. Nitro-
isovaleriansäure (CH8),C(N0,)*CH,-C0sH aus Isovaleriansäure durch anhaltendes
Kochen mit starker Salpetersäure ^ Nitromalonsäureester CHCNOgXCOsR)) aus Malon-
Säureester durch Einwirkung wasserfreier Salpetersäure in der Kälte'. Durch Be-
dnction liefern sie Amidosäuren.
NitroessigsSure CHs(N0s)*C09H scheint als freie Säure und in Form Ton
Salzen nicht beständig zu sein. Sie bildet sich wohl vorübergehend bei der S. 260
erwähnten Reaction von Kaliumnitrit auf Chloressigsäure, um gleich in Nitromethan
und Kohlensäure zu zerfallen. Durch ELinwirkung von Silbemitrit auf JodessigsSure
in ätherischer Lösung erhält man einen Syrup, welcher neben stickstofifreier Säure
auch eine stickstoffhaltige Substanz enthält, die vielleicht Nitroessigsäure ist; ihre
Beindarstellung ist indessen bisher nicht gelungen; mit Diazobenzolsulfosftore und
Soda giebt sie eine intensiv orangerothe Lösung, bei der Beduction mit Zinkstaub
und Essigsäure eine bisher nicht kiystallisirte, stickstoffhaltige Säuret Der Aethvl-
ester^ CH^CNOg) • COg • C^Hj der Nitroessigsäure wird aus Bromessigestcr und Silber-
nitrit erhalten, ist flüssig, siedet nicht ganz unzersetzt bei 151—152^, besitzt hei 0^
das spec. Gew. 1*133 und wird beim Sieden unter Bückfluss unter Entwickelung von
Stickoxyd und Kohlensäure grösstentheils in Oxalsäureäthylester übeigefahrt —
Nitroderivate des Acetonitrils sind durch Zersetzung der Fulminureäure (Kap. 40)
erhalten; beim Eintragen von fulminursaurem Natrium in kalte Salpeterschwefel-
säure entsteht Trinitroacetonitril* C(N08)8-CN — eine weisse, kiystalliniacbe,
brüchige, leicht flüchtige Masse, die bei 41*5^ schmilzt, bei raschem Erhitzen auf
220^ explodirt und beim Kochen mit Wasser unter Bildung von Nitroform (S. 623—624)
zersetzt wird.
|9.Nitroplons8are^ CHj(NrOj)-CHj-C08H (Bildungsgleichung s. oben) krystallisirt
aus Chloroform in weissen Schuppen, schmilzt bei 66 — 67** und ist in Wasser sehr
leicht löslich; K = 0-0162.
» Dessaigkes, Ann. 79, 374 (1851). — Bredt, Ber. 15, 2819 (1882). — Vgl auch
Wmz, Ann. 104, 289 (1857). — Champion u. Pellet, Jb. 1876, 553. — Tassikaw»
Ber. 11, 2031 (1878). — Dagegen: Lewkowitsch, J. pr. [2] 20, 161 (1879). — Vgl
auch Claus u. Pfeiffer, J. pr. [2] 43, 161 (1891).
' Franchimont u. Klobbie, Rec. trav. chim. 8, 283; 9, 220 (1890).
' Unveröffentlichte Versuche von V. Meyer. — Vgl. auch Demüth u. V. Meyer,
Ann. 256, 43 (1889).
* Forcrand, Bull. 31, 536 (1879). — Lewkowitsch, J. pr. [2] 20, 168 (1879). -
Steiner, Ber. 15, 1604 (1882). — Vgl. auch Lepercq, Bull. [3] 7, 359 (1892).
* ScHiSGHKOW, Ann. eh. [3] 49, 310 (1875).
« Lewkowitsch, J. pr. [2] 20, 165 (1879). — Walden, Ztschr. f. phjsik. Cham.
10, 652 (1892).
Atnidosäwen (Vorkommen und Büdung).
ADÜdoderlrate der CarbonaSaren: AmIdosftuK
Die Gruppe der Aroidosäuren ist vorwiegend von Inte
ihrer Bedeutung für den Lebensprocesa. Wir finden Amidos
in Säften des Thier- und Pflanzenkörpers (vgl. unten Leucii
Amidoglutarsäure) und wir beobachten sie stets als Zersetzu
wenn Eiweiasatoffe, Leim und verwandte Materien tiefgreifend
— sei es durch Fäulnias, aei es durch Einwirkung von .
Alkalien — erleiden. In den complexen MolecUlen dieser phj
überaus wichtigeti Substanzen, deren Aufklärung und Synl
böchaten Zielen der organischen Chemie gehört, müssen <
Reste von Amidosäuren eisen integrirenden Bestandtbeil au
Für die kUnstliche Bildung von Amidosäuren ki
Mehrzahl der S. 229 ff. angeführten Entstehungsweisen von i
passender Modiflcation verwerthen. Um z, B, in Halogend
Carbonsäuren das Halogenatom gegen den Ämidreat ausitut
sich in vielen Fällen namentlich Gabbiel'b Phtalimidreacl
als geeignetes Htilfsmittel erwiesen^; von Xetonsaurea gel;
Amidosäuren, indem man ihre Oxime oder Hydrazone n
amalgam reducirt* (S. 234—235), z. B.:
CH, OH, CH,
I I I
CO C-.N-NH.C,H, CH(NH,i
(CH.). " (CK,). " (CH.),
I I I
CO,H CO,H CO,H
Speciell für die Darstellung von a-Amidoaäuren bietet sich
hafter Weg in der Einwirkung von alkoholischem Ammo
Cyanhydrine der Aldehyde und Ketone'; es entstehen zunäc
nitrile, z. B.:
<0H ,NH,
+ NH, = (CH,),C< +H,0,
CN NjN
welche mit Salzsäure zu den Amidosäuren verseift werden
Ämidonitrile entstehen auch bei der Einwirkung von B
Aldehydammoniake * und bei der Einwirkung von Cyanan
Aldehyde'. — Erwähnt sei endlich als theoretisch intereasan
praktiach nicht bedeutungsvoll die Bildung von Amidosi
Addition von Ammoniak (oder Aminen) an ungesättigte Sä
' Vgl. Gabriel u. Krobbbeho, Der. 22, 426 (1889). — Gabbiel,
'1889); 23, 1767 (1890). — AscHiN, Ber. 23, 3G92 (1890).
' TAPE^ Ber. 19, 2414 (1886). ' Vgl. Tiemanb, Ber. 14, 19E
* Vgl. LiPP, Ano. 205, 8 (1880); 311, 359 (1882).
» Ljobavin, Ber. 14, 2686 (1881).
• Ekqbs Compt. rend. 104, 1805 (1887); 106, 1677 (1888). — Küb
Ber. alo, 86 (1889); 22c, 735 (1889), — Wender, Ber. 320, 736 (18
828 Afnidosäuren (VerhcUterij
C0,H.CH:CH.C08H + NH3 = COjH.CH(NH,)-CHj.COjH;
die Reaction tritt beim Erhitzen der Säuren oder ihrer Ester mit
wässrigem oder alkoholischem Ammoniak in geschlossenen Röhren ein.
Die Amidosäuren sind krystallinische Körper, zuweilen von süssem
Geschmack, meist in Wasser leicht löslich, dagegen in Alkohol und
Aether nicht oder wenig löslich.
In ihrem chemischen Verhalten vereinigen sie die Charaktere
der primären Amine und der Carbonsäuren; durch die Gegenwart der
basischen Amidgruppe und der sauren Carboxylgruppe werden sie zur
Salzbildung sowohl mit Säuren wie mit Metalloxyden befähigt (vgl. Glyko-
koU, S. 831). Auch eine „innere Salzbildung" (vgl. Taurin S. 636) durch
gegenseitige Absättigung der beiden Gruppen von entgegengesetztem
Charakter erscheint denkbar^; der einfachsten Amidosäure z. B., der
Amidoessigsäure oder dem Gly kokoll, könnte man statt der Formel
CHj(NH2)'C02H die Formel eines „inneren Ammoniumsalzes":
CHaNHs , CH,.NH3— O-CO
I I oder I I ,
CO-0 CO . 0 — NH, . CH,
V
beizulegen geneigt sein^. Diese Auffassung erscheint in Rücksicht auf
die physikalischen Eigenschaften mancher Amidosäuren — ihre hohen
Schmelzpunkte, ihre Unlöslichkeit in Alkohol und Aether — beachtens-
werth und kann auch durch einige Punkte in ihrem chemischen Ver-
halten begründet werden'; sie ist unzweifelhaft geboten für die Tri-
alkylderivate, bei denen sich — wie z. B. bei dem Trimethylglykokoll
oder Betaln (vgl. S. 831—832):
CH,.N(CH,),
I I
CO-0
— durch die leichte Abspaltung tertiärer Amine nachweisen lässt, dass
sie drei Alkylreste an Stickstoff gebunden enthalten,
Alkylderivate können sich von den Amidosäuren ableiten durch
Einführung der Alkylreste in die Amidgruppe oder in die Carboxyl-
gruppe. Im ersten Fall entstehen Verbindungen vom Typus der secun-
dären, tertiären Amine oder Ammoniumverbindungen:
CH, . NH . CHj CHj . NCCHj), CH, • N(CHa),
I I II,
CO,H CO,H CO— O
* Vgl. Eelenmeyer, Ann. 176, 349 (1875).
^ Der Umstand, dass die kryoskopische Moleculargewichtsbestimmung in
wässriger Lösung einen auf die einfache Molecularformel des Glykokolls stimmen-
den Werth ergiebt (Curtius u. Schulz, Ber. 23, 8041 (1890]), kann natürlich nicht
^egen die zweite Foimel angeführt werden, da ein solches Salz in wässriger Lösung
in Ionen (NHaCHgCOO— und — NH, • CHj • CO • OH) dissociirt sein würde.
• Marckwald, Neümark u. Stelzner, Ber. 24, 3279 (1891).
Oonslitution, Derivate).
wie man nie durch Einwirkung von Aminen auf halogensubstituii
uder durch Älkylirung der primären Amidoeäuren erhält. Ir
Fall entstehen salzbildende Ester; ihre Chlorhydrate, wie
0,Hs-OCO.CH,.NH,.HCl,
erhält man, wenn man die alkoholische Lösung der Amido
Chlorwasserstoff sättigt i.
Verbindungen, welche Was Berstoff der Amidgrupp
Sänrereste vertreten enthalten, werden durch Einwirkung \
Chloriden oder Säureanhydriden auf die Amidosäuren gebildet,
CH,-CO-NH-CH,CO,H;
(D die Gruppe derartiger Verbindungen gehören manche phj
interessante Substanzen, wie Hippursänre, Glykocholsäure u. a
Durch Glühen mit Baryt können die Amidosäaren in K(
und Amine gespalten werden, z. B.:
CH,.CH{NH,)-CO,H = CH,.CH,-NHi + CO,;
auch schon beim Erhitzen fUr sich werden manche tz-Amidosä
Theil in dieser Richtung gespalten; andererseits kann man di
daaemdes Erhitzen mit Jodwasserstoff auf etwa 200 '^ den Am
spalten und die Amidoaäure in die entsprechende amidfreie Sä
Grlykokoll in Essigsäure, Überführen*.
Von grossem Interesse sind die Umwandlungen, welche d
üäu'en anter der Einwirkung der salpetrigen Säure erlei
Amidosäuren selbst verhalten sich den primären Aminen der
analog {vgl. S. 144); unter Austausch von Amid gegen Hydros
sie die entsprechenden Oxysäuren, z. B.:
CH,-CO,H CH,-CO,H
I > \
CH(NH,).CO.H CH(OH).CO,H
Die Ester der Amidosäuren dagegen gehen, in Form ihrer i
Salze mit Katriumnitrit behandelt, in Ester von Diazosäuren ül
CH((NH,)-CO,-C,H, *- CHN,CO,.C,H,,
— Glieder einer sehr eigenthümlichen Verbindungsgruppe, we
iler Schilderung der einzelnen Amidosäuren im Zusammenhang
»erden soU (vgl. S. 841 ff.).
Die nahen Beziehungen der Amidosäuren zu den Oxysi
man dnrch die eben erwähnte Reaction der salpetrigen Säur
scheinung bringen kann, treten femer im Verhalten bei dei
ahspaltung hervor, das bei beiden Klassen in ähnlicher We
die SteUtmg des Carboxyls zum Amid bezw. Hydroxyl beeinfl:
«-Amidosäuren liefern Anhydride durch Zusammentritt mehre
cüle, wie etwa:
' Cdbtips, Ber. 17, 959 (1884). ' Kwwdä, Monatsk 12, 419 (18
830 Lactame,
.NH-COv
CH,< >CH. ;
Y' und d'-Amidosäuren dagegen können in innere Anhydride über-
gehen, z. B.:
II I I ,
NH CO NH CO
welche den Lactonen analog gebaut sind und daher zuweilen auch
„Lactame" genannt werden.
Die Amidosäuren geben mit verdünntem Eisenchlorid blutrothe Färbungen';
ihre alkalischen Lösungen lösen Kupferoxyd auf, reduciren dasselbe aber beim
Kochen nicht.
A. cr-AmidoderiTate der Fettsäuren.
Amldoesslgsäure oder GlykokoU CaH^NOg = CHjjCNHj)^,!
(Glycin, Leimzucker oder Leimsüss) wurde zuerst als Spaltungs-
produkt des Leims — beim Kochen mit Baryt oder verdünnter Schwefel-
säure entstehend — beobachtet*. Es ist in unverbundenem Zustand
natürlich vorkommend bisher nur in dem Muskelgewebe der Muschel
Pecten irradians aufgefunden^, findet sich aber sehr häufig in natür-
lichen Produkten in Gestalt seines Trimethylderivats Betain (vgl. S. 831
—832) und seiner Acylderivate ßCO-NH-CHj-CO,H. Zu den letzteren
gehört die Hippursäure — das Benzoylderivat des Glykokolls (vgl. Bd. II)
CgHg-CO-NH-CHj-COjH — , welche sich beim Kochen mit wässrigen
Säuren in Benzoesäure und GlykokoU spaltet:
CeHfiCO.NHCHjCO.H + HaO = CeHa-COOn + NH,.CH,.CO,H.
Diese Bildungsweise * des Glykokolls wird am zweckmässigsten zu seiner
Darstellung* benutzt. Auch synthetisch — aus Chloressigsäure* durch
Austausch des Chlors gegen Amid — kann man es sich leicht ver-
schafifen. Erwähnenswerth ist auch seine Entstehung durch Einwirkung
von JodwasserstoflF auf Cyan^, wobei eine Cyangruppe reducirt, die
andere verseift wird:
N=C— C^N + 2H, + 2H2O = HjNCHj-COOH + NH,.
GlykokoU bildet monokline Krystalle^ löst sich in 4-3 Th. kaltem
» Hofmeister, Ann. 189, 6 (1877). • Braconnot, Ann. eh. [2] 13, 114 (1820t
" Chittenden, Ann. 178, 273 (1875). — Vgl. Gubtius u, Goebel, J. pr. [2] 37,
180 (1887).
^ Dessaiqnes Ann. 68, 822 (1846).
» CüBTius, J. pr. [2] 26, 150 (1882). — Gubtius u. Goebel, J. pr. [2] 37, 156(l88:i.
« Perkin u. Duppa, Ann. 108, 112 (1858). — Heintz, Ann. 122, 257 (1862). -
Nencki, Ber. 16, 2827 (1883). — Mauthner u. Süida, Monatsh. 9, 732 (1888); 11, 373
(1890). — Gabriel u. Kroseberg, Ber. 22, 426 (1889). — Kraut, Her. 23, 2577 (18901.
— Kraut, Goldberg u. Kunz, Ann. 266, 292 (1891).
' Emmerling, Ber. 6, 1351 (1873). — Vgl. auch Wallach, Ann. 184, 13 (1877'.
Qlyhokoll, Sarkosin. 831
Wasser, ist in absolutem Alkohol unlöslich, bräunt sich bei 228®, schmilzt
unter Zersetzung zwischen 232® und 236® und schmeckt süss.
Salze des Glykokolls^ Das Chlorhydrat CjHgNOj.HCl ist in Wasser
leicht, in Alkohol wenig löslich. -> Das Bariumsalz (NH, • CH, • C0,)2Ba + 4H2O
bildet Krjstallschuppen, die bei etwa 42^ schmelzen; es wird durch Wasser und
Kohlensfture theilweise zersetzt. Besonders charakteristisch und zur Abscheidung ge-
eignet ist für das Gljkokoll, ¥rie auch fiir andere Amidosäuren, das Kupfersalz';
Gljkokollkupfer (NH2*CH,-C0,),Cu + HgO krjstallisirt aus der heissen Lösung von
Kupferoxyd in GlykokoUlÖsung in blauen feinen Nadeln, löst sich in 173*8 Th. Wasser
von 15*^ und ist in Alkohol unlöslich. — Auch mit Salzen tritt das Glykokoll zu kry-
stallinischen Verbindungen zusammen, wie CsHsNOg.KNOa, C^HsNOa.KCl etc. —
/NHCHjv
Glykokollanhydrid» (C.HaNO), = C0< >C0 entsteht aus dem
\CH, . Nfl/
Gljkokollftthylester NHs-CHs.OO^.CtHs (S. 83 2), wenn man ihn mit dem vierfachen
Volum Wasser einige Tage stehen Ifisst oder ihn mit Wasser eindampft, krystallisirt in
grossen Tafeln, beginnt bei 245^ braun zu werden, schmilzt bei 275°, sublimirt bei
raschem Erhitzen unzersetzt in langen Nadeln und ist nur in heissem Wasser und in
verdünntem Weingeist leicht löslich. Seine Moleculargrösse ist auf kryoskopischem
Wege ermittelt Sein Platindoppelchlorid (C4HeNA-HCl)j.PtCl4 + 3H,0, dessen
Zutammensetzung ebenfalls für die Molecularformel C^HeNiOs spricht, bildet grosse
gelbe Krystalle.
Alkylderivate des Glykokolls. Ein in der Amidgruppe mono-
methylirtes Glykokoll ist das Sarkosin* CjH^NO, = (CH3)NH.CH3-C02H,
welches aus den natürlichen Stoffen Kreatin und KafFeln (vgl. Kap. 41)
durch Spaltung, synthetisch durch Einwirkung von Methylamin auf Chlor-
essigsäure gewonnen wird; es bildet rhombische Säulen, ist in Wasser
sehr leicht, in Alkohol schwer löslich und schmeckt schwach süsslich;
beim Erhitzen beginnt es zwischen 210^ und 215® zu schmelzen und
spaltet sich dabei theils in Dimethylamin und Kohlensäure, theils in
/CH,CO.
Wasser und Sarkosinanhydrid CfL-N^^ ^N-CH« ; letzteres
\CO-CH^/
schmilzt bei 149 — 150®, siedet fast unzersetzt bei etwa 350®, ist in
Wasser und heissem Alkohol leicht löslich, schmeckt bitter, geht durch
Kochen mit verdünnten Säuren wieder in Sarkosin über und liefert bei der
Oxydation mit Kaliumpermanganat neben Oxalsäure das Dimethyloxamid
CHg-NH-COCO-NH-CHj.— Das Trimethylderivat des Glykokolls — das
' Vgl. besonders: Hobsford, Ann. 60, 1 (1846). — Dessaiqnes, Ann. 82, 235
(1852). — CuRTius, J. pr. [2] 26, 158 (1882). — Kraut, Goldbero u. Kunz, Ann.
26e, 299 (1891)
* Vgl. ancb BIaütbner n. Süida, Monatsh. 11, 375 (1890).
* CuBTius, Ber. 16, 755 (1883). — Cubtius u. Goebel, J. pr. [2] 37, 173 (1887).
— CüBTius u. H. ScBULZ, Ber. 23, 3041 (1890).
* LiBBTG, Ann. 62, 310 (18i7). — Volhard, Ann. 123, 261 (1862). — Rosen-
OABTEai u. Strecker, Ann. 157, 1 (1871). — J. Traube, Ber. 15, 2111 (1882). —
E. Schmidt, Ann. 217, 274 (1883). — Franchimont, Reo. trav. chim. 2, 339 (1884). —
Mtuvb, Ber. 17, 286 (1884).
832 Betain j Olykokollester,
Betani^ CgH^^NO^ + HgO = (CH3)3(OH)N • CH, • CO • OH (vgl. S. 828) -
ist schon mehrfach erwähnt; zuerst wurde es von Soheibleb hi dem
Rübensaft aufgefunden ; auf der Ansammlung des Betalns in der Rüben-
Zuckermelasse beruht ja die Gewinnung von technischem Trimethylamiii
(vgl. S. 187, 243); später ist es dann häufig als Bestandtheil von Pflanzen-
theilen — so der Baumwollsamen und Wickensamen — beobachtet
worden; von physiologischem Interesse ist es auch durch seine nahen
Beziehungen zum Cholin (S. 634), aus dem es durch Oxydation gewonnen
werden kann. Synthetisch ist es durch Methylirung von Q-lykokoll und
durch Addition von Chloressigsäure an Trimethylamin erhalten. Es
krystallisirt aus Alkohol in grossen glänzenden Krystallen, die an der
Luft zerfliessen, verliert bei 100°, sowie beim Stehen über Schwefelsäure
das Krystallwasser, ist in Wasser sehr leicht löslich und zersetzt sich
beim Erhitzen unter Entwickelung von Trimethylamindämpfen und Zurück-
lassung von Kohle; sein Chlorhydrat CgH^^NOgCl krystallisirt wasserfrei
in schönen, monoklinen, luftbeständigen Krystallen.
""Der Aethylester des Glykokolls» NH^ • CHj • CO, • CjHg wird in Form des
Chlorhydrats erhalten, wenn man salzsaures Glykokoll in Alkohol snspendirt und
Salzsäuregas bis zur Auflösung einleitet; das Chlorhydrat besitzt hervorragend»
Krystallisations vermögen, ist in Wasser und Alkohol sehr leicht löslich, schmilzt bei
144^, sublimirt bei vorsichtigem Erhitzen unzersetzt und wird durch SodalÖsnng nicht
zersetzt; durch Umsetzung mit Silbemitrit unter trockenem Aether kann man daraas
den salpetrigsauren Glykokoll cster in grossen Krystallen erhalten; das Nitrit gebt
leicht in den Diazoessigester (vgl. S. 842) über. Sehr merkwürdig ist das Verhalten
des Chlorhydrats bei der Destillation mit Natriumcarbonat: es tritt Zerfall in Propyl-
amin und Kohlensäure ein:
NHj . CHj . CO, . C2H5 = NH, . CH, • CjH, + CO, .
Setzt man das Chlorhydrat mit trockenem Silberoxyd unter Aether um, so erhält
man den freien Glykokollester — eine wasserhelle stark basische Flüssigkeit von
eigenthümlichem aminartigen Geruch, welche bei 148 — 149** siedet, mit Wasser,
Alkohol und Aether mischbar ist; der Ester wird von concentrirten Mineralsäuren
und verdünnten Alkalien schon in der Kälte verseift und ist merkwürdig durch seine
Unbeständigkeit; in Berührung mit Wasser spaltet er sich in Alkohol und Glykokoll-
anhydrid (S. 831); im zugeschmolzenen Rohr sich selbst überlassen, erleidet er zum
Theil denselben Zerfall, daneben entsteht eine bei 160—178^ schmelzende Base, deren
Natur noch nicht aufgeklärt ist.
Acylderivate des Glykokolls. Als Beispiel sei das Acetylderivat — die
1 Scheibler, Ztechr. Chem. 1866, 279. Ber. 2, 292 (1869); S, 155 (1870). -
Liebreich, Ber. 2, 13, 167 (1869); 3, 161 (1870). — Griess, Ber. 8, 1406 (1875), -
Marm6 u. Husemann, Ann. Suppl. 2, 883 (1863); 3, 245 (1864). Jb. 1876, 828. -
Kraut, Ann. 182, 180 (1876). — Fbühlwo u. J. Schultz, Ber. 10, 1070 (1877). — Rrrr-
hausen u. Weger,: J. pr. [2] 30, 32 (1884). — E. Schültze, Ber. 22, 1827 (ISs^y .
Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 205 (1892). — E. Schmidt u. Schütte, Arch. f. Pharm.
229, 523 (1891).
2 Kraut, Ann. 177, 267 (1875); 182, 172 (1876). — Curtius, Ber. 16, 758 (18S3).
17, 953 (1884). J. pr. [2] 38, 399 (1888). — Cürtius u. Goebel, J. pr. [2] 37, i:»0
(1887). — Kraut, Goldbero u. Kunz, Ann. 266, 305 (1891).
Äcetursäure, Älcmin, Cystin, Serin. 833
AceturBäure* CHg'CO-NH'CHj'COgH — angeführt; sie wird am besten durch
Kochen von Glykokoll mit EsiSigs&areanhydrid und Benzol gewonnen, bildet farblose
Kiystalle, schmilzt bei 206*, löst sich in 37 Th. Wasser von 15 ^ in kochendem
Wasser imd Alkohol sehr leicht, in siedendem Aether nicht auf; sie verbindet sich
mit starken Mineralsäuren zu Salzen, die von Wasser zersetzt werden; andererseits
ist sie eine starke Säure (stärker als Essigsäure: K = 0*0230, vgl. S. 311) und bildet
daher mit Basen meist beständige Salze; ihre Ester CHsCO-NH-CHi-COsR sieden
anzersetzt.
Die c^-AmldopropionsSure^ C3H7NOa = CH3.CH(NHa)C03H —
auch Alanin genannt — ist nach den S. 827 angeführten Methoden ge-
winnbar. Als ein Derivat derselben kann das Cystln' CgHjjNjO^Sj
aufgefasst werden, welches zuweilen als krystallinisches Sediment im
Harne von Menschen und Sunden gefunden wird, bei manchen Personen
regelmäßig im Harne ausgeschieden wird, sehr selten in Form von Blasen-
steinen auftritt. Es bildet farblose Blättchen, ist in Wasser und Alkohol
anlöslich, löslich in Alkalien und Säuren und in salzsaurer Lösung stark
linksdrehend. Von Zinn und Salzsäure wird es zu Cysteln CgH^NOgS
— wasserlösliches, krystallinisches Pulver — reducirt, welches sehr leicht
schon durch Luftoxydation wieder in Cystin übergeht. Cysteln und
Cystin stehen daher zu einander wohl zweifellos im Verhältniss wie
Mercaptane und Disulfide und sind wahrscheinlich durch die Formeln:
CHgv xNHj CHgv ^NHj NHjv ^CHg
CysteYn Cystin
auszudrücken. Die Gründe für diese Auffassung sind hauptsächlich bei
dem Studium aromatischer Cystinderivate („Mercaptursäuren", vgl. Bd. II)
gewonnen worden. — Ein Derivat der a-Amidopropionsäure ist wahr-
scheinlich auch das Serln* CgH^NOg, welches beim Kochen von Seiden-
leim (Sericin) mit verdünnter Schwefelsäure erhalten worden ist, mono-
kline Krystalle bildet, in 32 Th. Wasser von 10^ löslich, in Alkohol und
^ Jazükowitsch, Ztschr. Chem. 1868, 79. — Kbaut u. Hartkamn, Ann. 133,
lOo (1865). — CuRTixrs, Ber. 16, 757 (1883); 17, 1668 (1884). — Ostwald, Ztschr. f.
physik. Chem. 3, 190 (1889).
» &TBECKEB, Ann. 76, 29 (1850). — Kolbe, Ann. 113, 220 (1860). — Kekül6,
Ann. 180, 18 (1864). — Preu, Ann. 134, 372 (1865). — Drechsel, Ber. 25, 3502
(1892). — Dtjvillier, Bull. [3] 7, 99 (1892).
* WoLLASTOH, Ann. eh. [1] 76, 21 (1810). — Lassaioke, Ann. eh. [2] 23, 328
U823). — TöL, Ann. 06, 247 (1855). — Clobtta, Ann. 99, 299 (1856). — Scherer,
Jb. 1867, 561. — Dewar u. Gamgeb, Jb. 1870, 814. — Niemamn, Ann. 187, 101 (1877).
— Baumakv u. Preusse, Ztschr. f. physiol. Chem. 6, 329 (1881). — Külz, Ber. 16,
1401 (1882); 17 o, 262 (1884). — Baümaitn, Ber. 15, 1734 (1882). Ztschr. f. physiol.
Chem. 8, 299 (1884). — Mauthner, Ztschr. f. physiol. Chem. 7, 225 (1883). Ber.
17. 293 (1884); 18, 451 (1885). — D£l£pine, Ber. 24o, 577 (1891). — Brenzikoer,
Ztschr. f. physiol. Chem. 16, 522 (1892)
* Gkamer, J. pr. 96, 93 (1865). — Erlenmeyer, Ber. 13, 1078 (1880). — Baü-
XAJTN, Ber. 15, 1735 (1882).
V. MxTKR n. Jacobson, org. Chem. I. 53
834 a-Ämidoderivate der Vdleriansäuren,
Aether unlöslich ist; da es durch Einwirkung von salpetriger Säure
Glycerinsäure liefert, so hat man ihm wohl eine der beiden Formeln:
CHj(0H).CH(NHa).C04H oder CH,(NH,).CH(OH).CO,H
zuzuschreiben, von denen die erstere für wahrscheinlicher gehalten wird ^
Die a-Amidoderivate der Buttersäuren und Valeriansäuren
besitzen kein besonderes Interesse; erwähnt sei, dass Amidovalerian-
säuren in der Bauchspeicheldrüse des Ochsen ^ und in Keimlingen von
Lupinus luteus' gefunden sind.
Dagegen ist eine «-Amido-capronsäure (oder vielleicht mehrere
isomere, vgl. S. 835) CßHio(NH2)C03H von hervorragender physiologischer
Bedeutung. Man ist Substanzen von diesej Zusammensetzung häufig
begegnet und hat sie Lencin genannt; vielleicht sind nicht alle unter
diesem Namen beschriebenen Körper mit einander identisch. Leucin ist
im thierischen (Trganismus * in kleinen Mengen sehr verbreitet, und zvar
ausschliesslich in der Drüsensubstanz (nicht in den Muskeln und Nerven).
wird auch aus Pflanzentheilen (namentlich aus Keimlingen) erhalten^
und entsteht aus Eiweissstoffen und Leimsubstanzen® durch Fäuhiis>
oder durch Zersetzung mit Säuren oder Alkalien; Leucin wird häufig.
sowohl bei seinem Vorkommen in der Natur wie bei der Bildung durcli
Spaltung der Albumine etc. von Tyrosin (vgl. Bd. IT) begleitet. So entsteht
es gleichzeitig mit Tyrosin beim Kochen von Hornspähnen mit ver-
dünnter Schwefelsäure — ein Vorgang, welcher auch zur Darstellung"
des Leucins benutzt wird. In grösserer Ausbeute wird es aus Nackeii-
band erhalten.
Synthetisch^ bat man die normale a-Amidocapronsäure CHg'OHfCII«'
CH,'CH(NH8)«C02H aus a-Bromcapronsfiure durch Einwirkung von Ammoniak, dif
ff-Amidoisobutyles8igsäure (CHj),CH • CH, • CH(NH,).CO,H aus Isovaleraldehvd-
» Vgl. Melikopp, Ber. 13, 1265 (1880j.
» GoRüP, Ann. 98, 15 (1856). — Vgl. Clark u. Fimo, Ann. 139, 200 (1866).
* Schulze u. Barbieri, J. pr. [2] 27, 353 (1883).
* Pkerichs u. Staedeler, Jb. 1864, 675; 1855, 729; 1856, 702. — Valentine,
Jb. 1854, 675 Anm. — Bödekeb, Jb. 1866, 713. — Stadeleb, Jb. 1856, 708 Amn
— GoRUP, Ann. 98, 7 (1856). — W. Müller, Ann. 103, 157 (1857). — Schwaez»-
BACH, Jb. 1857, 538. — Radziszbwski, Ztschr. Chem. 1866, 416.
* Ludwig, Jb. 1862, 516. - Gorup, Ber. 7, 146 (1874). — Schulze u, Bak
bieri, J. pr. [2] 20, 400 (1879); 27, 356 (1883). — v. Lippmakk, Ber. 17, 288 (1SS4l
— E. Schulze, Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 212 (1892).
* Bopp, Ann. 69, 20 (1849). — Hnn-ERBEBOER , Ann. 71, 75 (1849). — Zoui-
KÖPER, Ann. 82, 174 (1852). — - Leyeb u. Koller, Ann. 83, 332 (1852). — Rrrr-
HAusBN, J. pr. 107, 220 (1869). — Hlasiwetz u. Habermann, J. pr. [2] 7, 397 U^"^'-
— E. Schulze u. Barbieri, J. pr. [2] 20, 409 (1879). — Schützenberoer, Ann. eh. o
16, 336 (1879).
' Schwanert, Ann. 102, 222 (1857). — Erlemkeyer u. Schöfpeb, Jb. 1859.
596. — Hopmeister, Ann. 189, 16 Anm. (1877).
8 HüFNER, J. pr. [2] 1, 6 (1870). — E. Schulze u. Likiernik, Ber. 24, 669 (18911.
Ztj^chr. f. physiol. Chem. 17, 513 (1892).
Capronsäuren (Leudn) und höheren Fettsäuren, 835
ammoniak durch Einwirkung von Blausäure gewonnen. Mit der synthetischen a-Amido-
isobutylesBigsäure identisch hat sich das aus einem pflanzlichen Eiweissstoff (Con-
glutin) hergestellte und optisch inactiv gemachte (vgl. unten) Leucin erwieseti; auch
scheinen die inactivirten Leucinpräparate aus der Eiweisssubstanz der Kürbissamen,
sotirie aus Leim und Homspähnen damit identisch zu sein. Dagegen lieferte das aus
Casei'n gewonnene Leucin durch Erhitzen mit Jodwasserstoff^ normale Capronsäure und
wäre hiernach als normale Amidocapronsäure anzusprechen. Vielleicht existiren mithin
natürliche Leucine von verschiedener Structur. — Das natürlich vorkommende oder
aus natürlichen Materialien hergestellte Leucin ist in der Begel optisch activ' und
zwar in salzsaurer Lösung rechtsdrehend, wird aber durch Erhitzen mit Baryt auf
150—160^ inactiv'; synthetisch dargestelltes Leucin ist inactiv; aus inactivem Leucin
entsteht durch Einwirkimg von Penicillium glaucum ein actives, dem natürlichen
optisch entgegengesetztes Leucin. — Das natürliche active, aus pflanzlichen Eiweisstoffen
bereitete Leucin löst sich in 45—46 Th. Wasser von 18^ und liefert eine bei 7.H^
schmelzende Oxycapronsäure; die inactive oe-Amidoisobutylessigsäure löst sich in
106 Th. Wasser von 15^ und liefert eine bei 54-5*^ schmelzende Oxycapronsäure*
(vgl. S. 757—758).
^formale Ge-AmidoSnanthsaure» CH8-(CH,)4CH(NH2)CO,H bildet farblose
Blättchen und ist in kaltem Wasser schwer löslich. — Amldoeaprylsäure® CU^-
(CHt)5-CH(KHs)-C0,H bildet perlmutterglänzende Blättchen und löst sich in 150—
160 Th. siedendem Wasser. — Amidomyristiiisäure ^ CH3.(CHs)ii.CH(NH,)C0jH
schmilzt bei 253° und ist in verdünnten Säuren unlöslich. — Amidopalmitinsäure ^
CH3-(CHi)j3»CH(NH2)-C02H bildet ein weisses, krystallinisches Pulver und ist in
Alkohol und Aether nicht, in heissem Eisessig leicht löslich. — Amidostearinstture^
CH8.(CH,)i5.CH(NH2)-CO,H schmilzt bei 221 -222°.
B. /?-, y-y d' etc. Amidoderivate der Fettsäuren.
/S-Amidopropionsliure^^ CH3(NIl8)CH, -00,11 kann aus j9- Jodpropionsäure
durch Einwirkung von Ammoniak, aus ^- Oximidopropionsäure durch Reduction mit
Natriumamalgam, aus Oyanessigsäure durch Beduction mit Zink und Schwefelsäure,
aus Akrylsäureester durch Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak, aus Succinimid
durch Behandlung mit Brom und Alkali (vgl. S. 235) erhalten werden; sie bildet
farblose, tafelförmige Krystalle, ist in Wasser sehr leicht, in Alkohol nicht löslich
und schmilzt bei 196^ unter Zersetzung, indem Spaltung in Ammoniak und Akryl-
saure eintritt. — i^-AmidoisoTaieriansliure^^ (0Hj),0(NH8).0H,.OOjH ist durch Oxy-
^ HüFN£B, Ztschr. Ohem. 1868, 891. — Kwisda, Monatsh. 12, 423 (1891).
* Lewkowitscb, Ber. 17, 1439 (1884). — Mauthner, Ztschr. f. physiol. Ohem.
7, 222 (1883). — Gute, Ann. eh. [6] 25, 215 (1892).
' E. Schulze u. Bosshabd, Ber. 18, 388 (1885).
^ £. Schulze u. Likiernik, Ber. 24, 669 (1891). — E. Schulze, Ber. 26, 56 (1893).
* Helms, Ber. 8, 1168 (1875).
® Eblenmeter u. Siqel, Ann. 176, 344 (1875).
"* Hell u. Twbrdomsdoff, Ber. 22, 1747 (1889).
^ Hell u. Jordanoff, Ber. 24, 941 (1891).
* Hell u. Sadomsky, Ber. 24, 2395 (1891).
" HEiirra, Ann. 156, 36 (1870). — Enoel, Ber. 8, 1597 (1875). — Muldbr, Ber.
9, 1903 (1876). — Wender, Ber. 22c, 736 (1889). — Hooqewerf u. van Dorf, Rec.
trav. chim. 9, 54 (1890); 10, 4 (1891). — v. Peohmann, Ann. 264, 288 (1891).
" Heintz, Ann. 198, 51 (1879). — Bredt, Ber. 16, 2320 (1882).
53*
836 ß-, y-f S-Amidoderivaie der Fettsäuren, Amidocrotonsäure,
dation Ton Diacetonamin (S. 416) und durch Beduction von Nitroisovaleriansäure
(S. 826) erhalten, schmilzt bei raschem Erhitzen etwa um 215^, sublimirt aber schon
vorher.
^^-Amidobnttersllure^ NH,-CH,CH,*CH,- 00,11 (Piperidinsäure) entsteht
durch Oxydation von Piperylurethan (vgl. Bd. II), synthetisch aus /^Chlorbutyro-
nitril Cl • CH, • CHj • CH, • CN mittelst der Phtalimidreaction , ist in Wasser sehr leicht
löslich und schmilzt bei 183 — 184®, indem sie sich in Wasser und Pyrrolidon
CHjCOv
J >NH spaltet (vgl. S. 8B0). — T^-AmidoTaieriansllure* CH3.CH(NHe)CH,-
CH, • CH/
CH, • COsH — aus dem Hydrazon der Lävulinsäure durch Beduction (vgl S. 827) —
schmilzt bei 193 <'.
d-AmidoTalerianstture" NH,.CH,.CHsCH,.CH,.CO,H (Homopiperidin-
säure) entsteht als Benzoylverbindung durch Oxydation von Benzoylpiperidin (vgl.
Bd. II), entsteht ferner bei der Fftulniss von Fibrin und von Fleisch und ist syn-
thetisch durch eine Combination der Phtalimid- und Malonsfiureesterreaction gcTvonnen,
die aus den folgenden Gleichungen erhellt:
CeH^JCAINK + BrCHj.CHj.CHj.Br « CeH^IC.OsjN.CHj.CH.CHjBr + KBr,
CeH^lCaOjjN.CHjCHsCH.Br + NaCH(C0,.C,H5),
= NaBr + CeH4JCA|N-CH,.CH,.CH,.CH(C0,CA»i.
CeH4tCA|N-CH,.CH,.CHj.CH(C0,.C8H5), + 4H,0
= CeH,(CO,H), + NH,.CHj.CH,.CHjCH,.CO,H + CO, + 2C,H5.0H.
Sie bildet perlmutterglänzende Blättchen, ist in Wasser in jedem Yerhältnias lösUch,
in absolutem Alkohol fast unlöslich, schmilzt bei 157—158® und zerfällt dabei in
<CHj— CHjv
>NH.
CH,— €0/
0. Amidoderivate der einbasischen ungesättigten Säuren.
/S-AmidoerotonsKure« CH8CH(NH,):CH.C04H entsteht in Form ihrer Ester
bei der Einwirkung von Ammoniak auf die E^ter der Acetessigsäure CH,*CO-CH|-
COgH . — so z. B. der Aethylester aus Acetessigäthylester, indem sich zueist ein
Ammoniakadditionsprodukt bildet, das aber schon bei niederer Temperatur WsEser
abspaltet:
CHä-COCHsCCjCÄ + NHs = CH,.C(0H)(NH,).CH,.C0,.C,H5
= CH, . C(NH,) : CH • CO, - C^H. + H,0.
Der ^-Amidocrotousäureäthylester bildet stark glänzende monokline Prismen,
schmilzt bei 34^, destillirt im Vacuum fast unzersetzt, ist in Wasser kaum, in Alkohol
und Aether leicht löslich; mit wässriger Salzsäure regenerirt er sofort unter AbspHl*
» Schotten, Ber. 16, 643 (1883). — Gabriel, Ber. 22, 3338 (1889); 23,
1770 (1890).
' Tafel, Ber. 19, 2414 (1886); 22, 1860 (1889).
3 E. u. H. Salkowski, Ber. 16, 1191 (1883). — Schotten, Ber. 17, 2544 (1884i;
21, 2240 (1888). — Gabriel, Ber. 23, 1767 (1890). — Gabriel u. Aschan, Ber, 24,
1364 (1891).
* Precht, Ber. U, 1193 (1878). — Düisbero, Ann. 213, 166 (1882). — Kxorb,
Ber. 17, 1635 (1884). — Colue, Ann. 226, 294 (1883). Ber. 20, 445 (1887). — Cä^-
zoNERi u. Spica, Ber. 18 c, 141 (1885). — Kuckeet, Ber. 18, 618 (1885). — Cokrap
u. Epstein, Ber. 20, 3052 (1887). — Perkin, Joum. Soc. 61, 828, 859 (1892).
Ämidomdlonsäure und Amidobemsteinsäure, 837
tung von Ammoniak Acetessigester. Analoge Verbindungen entstehen bei der Ein-
wirkung von primären und secundären Aminen auf Acetessigester und bei der Ein-
wirkung von Ammoniak auf Monalkjlacetessigester CHg - CO • CHB • CO^ • CgH,, dagegen
nicht bei der Einwirkung von Ammoniak auf Dialkylacetessigester CHg^CO-CRg-
COs-CcHg. Hieraus ergiebt sich auch die Berechtigung der durch die obigen Glei-
chungen ausgedrückten Annahme über den Heactionsverlauf ; für das Einwirkungs-
produkt von Ammoniak auf Acetessigester könnte auch die Formel des Imidobutter-
sSureesters CHj-CCiNHj'CHj'COj-CjHg aufgestellt werden; dann aber wäre es nicht
verständlich, warum secundäre Amine dem Ammoniak gleich , zweifach alkylirte
Acetessigester dagegen nicht ebenso wie Acetessigester selbst reagiren.
D. Amidoderivate der Dicarbonsäuren.
AmidomalonsSure^ CH(NH2)(C02H), entsteht durch Heduction der Isonitroso-
malonsäure 00,11 • C( : N-0H)>C02H mit Natriumamalgam, krystallisirt aus Wasser
in grossen wasserhaltigen Prismen, spaltet sich beim Schmelzen in Kohlensäure und
Gly kokoll und wird durch Jod zu Mesozalsäure COjH-CO'COjH oxydirt.
Amldobernsteiiisäure C02H-CH(NH2)CH2-COaH ist eine Substanz
von grosser physiologischer Wichtigkeit; in Form ihres Monoamids —
des unten besprochenen Asparagins — findet man sie überaus häufig in
der Natur. Dieser Beziehung .wegen wird sie gewöhnlich Asparaginsäure
genannt, und man stellt sie in der Regel durch Verseifung des Asparagins*
mit kochender Salzsäure dar; als Verseifungsprodukt des in den Zucker-
rüben enthaltenen Asparagins (oder vielleicht auch als Zersetzungsprodukt
von Eiweissstoffen) tritt die Säure in dem mit Kalk geschiedenen Rüben-
saft der Zuckerfabriken auf und kann namentlich aus der Melasse bequem
gewonnen werden^; sie wird ferner durch Zersetzung von Eiweisskörpem *
mit verdünnter Schwefelsäure erhalten. Die Asparaginsäure krystallisirt
in rhombischen Blättchen, löst sicb^ in 222 Th. Wasser von 20®; ihr
Eupfersalz CuC^HgNO^ + ^^/^H^O krystallisirt in Nadeln und erfordert
2870 Th. kaltes, 234 Th. kochendes Wasser zur Lösung, löst sich da-
gegen ziemlich leicht in verdünnter kochender Essigsäure. Sie ist, wenn
nach den oben angeflihrten Bildungsweisen unter Vermeidung zu hoher
Temperaturen gewonnen, optisch activ® — und zwar in stark saurer
Lösung stark rechtsdrehend, in wässriger Lösung schwach linksdrehend,
in alkalischer Lösung stärker linksdrehend — und liefert durch Ein-
wirkung von salpetriger Säure gewöhnliche Aepfelsäure. Eine optisch
^ Baeyes, Ann. 131, 295 (1864).
' Plissok n. Henry, Ann. eh. [2] 45, 304 (1830). ~ Dessaiones, Ann. 83, 83
(1852). — B. Schulze, Ber. 16, 1872 (1883). — H. Schiff, Ber. 17, 2929 (1884).
' Scheibler, Ztschr. Chem. 1866, 278. Ber. 2, 296 (1869). — Hofmeister, Ann.
189, 21 Anm. (1877).
* Kreusler, J. pr. 107, 240 (1869). — Hitthausen, ebenda, 218. — Hlasiwetz
u. Habermaitn, J. pr. [2] 7, 408 (1873).
* GuAREscHi, Jb. 1876, 777.
* Pasteür, Ann. 82, 324 (1852). -- Landolt, Ber. 13, 2334 (1880). — A. Becker,
Ber. 14, 1035 (1881).
838 Asparaginsäuren
entgegengesetzte, in Rechtsäpfelsäure überführbare Asparaginsäure erhält
man durch Verseifung des süssen Asparagins ^ (vgl. S. 839). * Durch Ver-
einigung der beiden optischen Isomeren erhält man die inactive As-
paraginsäure^ (Asparacumsäure), welche aus den activen Asparagin-
säuren und Asparaginen auch beim Erhitzen mit Salzsäure auf 170— 180^
femer durch Erhitzen von saurem äpfelsaurem Ammonium auf 180— 200 ^
durch Erhitzen von Fumarsäure oder Maleinsäure mit alkoholischem
oder wässrigem Ammoniak und als Ester aus dem Oxim des Oxalessig-
esters C2HßC03-C(:N-OH)-CH3C02-CjHß durch Eeduction mit Natrium-
amalgam entsteht.
Die S. 837 erwähnte Erscheinung, dass die saure Lösung der Asparaginsäure auf
die Schwingungsebene des polarisirten Lichtstrahls in umgekehrter Richtung drehend
wirkt wie die alkalische, findet sich bei vielen Amidosäoi'en wieder. Sie findet eine
hübsche Erklärung in gewissen theoretischen Anschauungen über die Abhängigkeit
des Drehungsvermögens von der Vertheilung der Massen um das asymmetrische
Kohlenstofiktom. Auf diese neuerdings von Gttye' entwickelten Anschauungen kann
an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden; nur die Art ihrer Anwendung auf
den in Rede stehenden Fall sei angedeutet Bei der Auflösung der Amidosäure in
Alkali wird in Folge der Salzbildung die Carboxylgmppe, umgekehrt bei der Auf-
lösung in Säuren die Amidogruppe beschwert; die Verrückung, welche der Schwer-
punkt des ganzen Systems hierdurch nach der einen oder anderen Seite erfährt, vird
als die Ursache für die Aenderung der Drehungsrichtung aufgefiasst.
Für das Monoamid der Asparaginsäure (Amidosuccinaminsäure)
lassen sich zwei Structurf'älle:
CH(NH2) . CO . NH, CH(NHj) • CO • OH
I und I
CHa CO . OH CHj CO . NH,
voraussehen, deren jeder wieder die Existenzmöglichkeit einer rechts-
drehenden, linksdrehenden und racemischen Modification einschUesst.
Das gewöhnliche Asparagin — so genannt, weil es zuerst in den
Sprossen von Asparagus officinalis aufgefunden wurde*, — ist, wie S.83T
schon erwähnt, im Pflanzenreiche sehr verbreitet^-®; namentlich in Keim-
1 PiüTTi, Jb. 1887, 1661.
« Dessaiqnes, Compt rend. 30, 324 (1850); 81, 483 (1850). — Wolfp, Ann. 75,
293 (1850). — Pasteüb, Ann. 82, 826 (1852). — Schaal, Ann. 157, 30 (1871> -
Michael u. Wino, Ber. 17, 2984 (1884). — Piurri, Jb. 1887, 1662, 1730; 1888, 1811.
— Engel, Compt. rend. 104, 1805 (1887); 106, 1734 (1888). — Körher u. Mesozu.
Ber. 21c, 87 (1888).
3 Ann. eh. [6] 25, 145 (1892).
* Vauquelin u. Robtqüet, Ann. eh. 57, 88 (1806):
* Vgl. DuBRUNPAUT, J. pr. 53, 508 (1851). — Dessaignes, Ann. 82, 237 (1852).
— Portes, Ber. 9, 1934 (1876). — E. Schulze u. Barbteri, J. pr. [2] 20, 398 (1S79);
26, 145 (1881); 27, 340 (1883).
^ Ueber die Rolle, welche das Asparagin bezw. ähnliche Amidsubstanzen in dem
Emährungsprocess der Pflanzen spielen, vgl.: Sachs, Vorlesungen über Pflanzen-
Physiologie, S. 343 (Leipzig, 1887). — Frank, Lehrbuch d. Botanik, Bd. I, S. 611.
616 (1892).
und Asparagine. 839
lingen findet man es häufig und zuteilen in sehr grosser Menge, so in
Lupinenkeimlingen bis zu einem Betrage von 20 — 30^0 der Trocken-
substanz; erwähnt sei ferner das Vorkommen in Mandeln, in den Knospen
von Birken und Kastanien. Zur Darstellung^ benutzt man zweckmässig
den Saft gekeimter Wicken, Bohnen oder Erbsen. Es bildet mit 1 Mol.
HgO grosse rhombische, hemiedrische Prismen, löst sich in 47 Th. Wasser
von 20^, ist in Alkohol unlöslich, dreht* in wässriger Lösung nach links
(Md^^ in l-4procentiger Lösung = — 5-43) und ist geschmacklos;
durch Verseiftmg geht es in Asparaginsäure über (s. S. 837).
Bei der Erystallisation des aus Wickenkeimlingen dargestellten
Asparagins erhält man neben dem gewöhnlichen, linkshemiödrischen
Asparagin ebenso ausgebildete, aber rechtshemiedrische Krystalle des
optisch entgegengesetzten, in wässriger Lösung rechtsdrehen-
den Asparagins' (Md= + 5*41), welches sich von dem gewöhnlichen
Asparagin wesentlich durch seinen süssen Geschmack unterscheidet.
Diese sehr merkwürdige Erscheinung erklärt Pasteur* durch die An-
nahme, dass bei der Sinneswahmehmung die Nervensubstanz die Rolle
eines optisch activen Stoffes spielt, demnach auf die beiden optischen
Antipoden verschieden reagirt (vgl. Linksmilchsäure, S. 807), im einen
Falle den süssen, im anderen Falle den faden Geschmack veranlasst. Die
beiden optischen Antipoden, zu gleichen Gewichtstheilen in Wasser auf-
gelöst, geben natürlich eine inactive Lösung, aus der sich aber beim
Verdunsten nicht eine racemische Modification des Asparagins, sondern
ein Gemenge der beiden activen Modificationen abscheidet. Es resultirt
auch durch Einwirkung von alkoholischem Ammoniak auf den durch
directe Esterificirung erhältlichen, gegen 200® schmelzenden Monoäthyl-
ester der inactiven Asparaginsäure (s. S. 838) ein Gemenge der beiden
activen Asparagine, ebenso, wenn man das durch Einwirkung von alko-
holischem Ammoniak auf Brombemsteinsäureester erhältliche Imid der
Asparaginsäure durch Erhitzen mit wässrigem Ammoniak in Asparagin
umwandelt*:
— COv — CONH,
CjHaCNH,) >NH + H,0 = CgHsCNHg)
— C(K -CO OH
Biegen ist ein inactives Asparagin® aus einem Asparaginsäureester
* PiBiA, Ann. 68, 348 (1846). — Büchner, Jb. 1862, 310. — Gorup, Ann. 126,
291 (1868). — E. Schulze, Ber. 15, 2855 (1882).
* Pastedr, Ann. eh. [3] 31, 70 (1851). — Champion u. Pellet, Ber. 9, 724 (1876).
— Landolt, Ber. 13, 2338 (1880). — A. Becker, Ber. 14, 1028 (1881). — Piutti,
Jb. 1887, 1661.
» Piutti, Jb. 1886, 1343; 1887, 1660.
* Compt rend. 103, 138 (1887).
* Körner u. Menozzi, Ber. 20 c, 511 (1887). — Vgl. auch Hell u. Poliakofp,
Ber. 26, 640 (1892).
« Piutti, Jb. 1888, 1811 ff. Ber. 23 o, 561 (1890).
840 Oluiaminsäure und Glutamin.
durch Erwärmen mit alkoholischem Ammoniak gewonnen worden, welcher
durch Eeduction der Oximidoätherbernsteinsäuren C^Hj-CO^-CXtKOH)-
CHg-COjH entsteht und bei 165® schmilzt; dieser Bildungsweise zufolge:
(X : N . OH) . COj . C,Hö CH(NH,) • CO, • C^Hj CH(NH,) • CO • NH,
> I >- I
CH,-CO,H CH,— CO,H CH.-CO.H
wäre dem inactiven Asparagin von den S. 838 als möglich hingestellten
Formeln die erste zuzuschreiben. Da sich die beiden activen, natür-
lichen Asparagine nicht zu dem inactiven Asparagin combiniren. so
kommen ihnen und dem entsprechenden inactiven Asparaginsäuremono-
äthylester vermuthlich die Structurformeln:
CH(NH,) . CO . OH CH(NH,) • CO • OH
I bezw, 1
CH, -CO • NH, CH,-CO, • CjHj
zu.
Aus dem Oxim des Oxalessigesters C2Hß-COa-C(:N.OH)CH,-C0,-
CgHg kann durch Eeduction je nach den Bedingungen sowohl der das
inactive Asparagin liefernde, wie der das Gemenge von activen Aspara-
ginen liefernde Asparaginsäuremonoäthylester gewonnen werden.
Amldoglntarsfture^ C02HCH2.CH2.CH(NH3j)COjH — häufig auch
inconsequenter Weise Glutaminsäure genannt, obwohl dieser Name
eigentlich nicht einer Amidosäure, sondern der Aminsäure COjH-CHj-CH,-
CHj • CO • NHj zukommt, — schliesst sich nicht nur in ihrer Constitution an die
Asparaginsäure an, sondern ist auch durch gemeinsames Vorkommen und
Entstehung eng mit deraelben verknüpft. In Gestalt des dem Asparagin
analogen Glutamins C3Hg(NH,) po^NTT ^^^^ ^^^ ^^^^ zugleich mit dem
2
Asparagin im Rübensaft, femer in Keimpflanzen (Kürbis- und Wicken-
keimlingen), zugleich mit Tyrosin in den Wurzelknollen von Stachys
tuberifera. Neben Asparaginsäure tritt sie auch bei der Spaltung der
Eiweisskörper auf. Sie krystallisirt in kleinen Blättchen, schmilzt unter
Zersetzung bei 202 — 202-5^, ist in wässriger Lösung rechtsdrehend
und liefert bei der Einwirkung von salpetriger Säure Oxyglutarsäure
(S. 815). Das Glutamin CgHßCNfljj)^^ g^» krystallisirt aus Wasser
in feinen Nadeln, löst sich in etwa 25 Th. Wasser von 16^ und isfiii
* Ritthausen, J. pr. 09, 454 (1866); 103, 238, 249 (1868); 106, 445; 107, 21S
(1869). — Ritthausen u. Kreubleb, J. pr. [2] 3, 814 (1871). — Habebmann, Ann. 170,
248 (1875). — Hofmeister, Ann. 180, 22 (1877). — Hlasiwetz u. Habebmank, J. pr. [2'
7, "403 (1879). — Scheibler, Ber. 2, 297 (1869); 17, 1725 (1884). — Gorup, Ber. 10.
780 (1877). — E. Schulze u. Ubich, ebenda, 85. — E. Schulze u. Barbiebi, ebenda,
199. J. pr. [2] 20, 385 (1879). — Haitikoeb, Monatsb. 3, 228 (1882). — E. Scbulzk
u. Bosshabd, Ber. 16, 312 (1883); 17, 1610 (1884); 18, 388, 390 (1885). — E. Schulze,
Ztechr. f. pbysiol. Chem. 0, 256 (1885). — v. Planta, Ben 23, 1699 (1890j. —
L. WoLPP, Ann. 260, 118 (1890). — Menozzi u. Appioni, Ber. 24o, 398 (1891).
Diaxosäuren. 841
starkem Weingeist unlöslich. Spaltet man Eiweisskörper mit Barj't-
wasser bei 150 — 160®, so erhält man eine inactive Amidoglutarsäure,
welche durch Einwirkung von Penicillium glaucum die linksdrehende
Amidoglutarsäure liefert und synthetisch durch Reduction von a-Isonitroso-
glutarsäure C02H-C(:N-OH).CHj-CH,-C02H gewonnen ist..
BiazosSuren, Hydrazlsäoren, Hydrazinsäuren.
Es ist eine charakteristische Eigenthiimlichkeit der Verbindungen,
welche die Amidgruppe in einen aromatischen Kern — z. B. in den
Benzolkem C^Hg — eingefügt enthalten, unter der Einwirkung von sal-
petriger Säure in sogenannte „Diazoverbindungen" überzugehen
{Näheres s. in Bd. 11). Diese aromatischen Diazoverbindungen enthalten
die aus zwei Stickstoffatomen gebildete Gruppe — N — "N — einerseits
an ein aromatisches Badical, andererseits an ein Halogenatom oder
durch Vermittelung von Sauerstoff an ein Säureradical gebunden, z. B.:
CeH,— N : N-Cl CeHg-N : N— 0 • NO« ;
Diazobenzolchlorid Diazobenzolnitrat
man kann sie als Salze von Diazohydroxyden, wie CgHg — N:N — OH,
aufGsissen. Sie sind durch eine ausserordentliche Beactionsfähigkeit aus-
gezeichnet und namentlich geneigt, die Diazogruppe in Form von freiem
Stickstoff abzuspalten und dabei je nach den Beactionsbedingungen gegen
andere Gruppen — Cl, Br, J, OH, SH, CN etc. — auszutauschen.
Den Amidokörpem der Fettreihe dagegen geht die Fähigkeit, in
Diazoverbindungen tiberzugehen, im Allgemeinen ab. Lange hat man
vergeblich nach aliphatischen Repräsentanten der Diazoverbindungen ge-
sucht; das von Zobn 1878 entdeckte Diazoäthoxan CgH^O-N = N-O-CaHg
(S. 205) enthält zwar die Gruppe — N=N — , aber doch nicht an
Kohlenstoff gebunden. Im Jahre 1883 machte Cüetiüs endlich die folgen-
reiche Beobachtung, dass die Ester der Amidosäuren ein Verhalten gegen
salpetrige Säure zeigen, welches an das Verhalten der aromatischen
Amine erinnert; sie gehen in Ester ron Biazosftnren über. Diese
seither von Cubtius eingehend untersuchten Verbindungen sind nicht
nur an sich durch ihre Existenz, ihre Eigenschaften und ihre Eeactions-
fahigkeit interessant, sie haben 'eine besondere Bedeutung auch für die
anorganische Chemie erlangt; denn von ihnen ausgehend, gelangte Cur-
Tirs unter Benutzung von Reaktionen, in denen die Doppelstictstoff-
gruppe vom Kohlenstoffkern sich loslöst, zu der Entdeckung des Diamids
HgN'NHg, dessen Studium ihn weiterhin zur Auffindung der Stickstoff-
wasserstoffsäure i| yNH führte.
Die Diazoester besitzen nicht ganz analoge Structur^, wie die aro-
matischen Diazoverbindungen; die Diazogruppe — N^^N — ist in ihnen
* Cubtius, J. pr. [2] 39, 107 (1888). Ber. 28, 3036 (1890).
842 Diaxoessigester.
beiderseits an ein und dasselbe Kohlenstoffatom gebunden anzonehmeii.
So ist z. B. die Bildung von Diazoessigester aus GlykokoUester bezw.
aus dem vorübergehend entstehenden Nitrit des letzteren (vgl. S. 832)
durch die Gleichung:
CjHsO.COCH, + NO. OH = CjHs • 0 • CO • CH< I + 2HjO
^N
auszudrücken. Diese Auffassung wird durch die Zusammensetzung und
das Verhalten der Diazoester geboten; sie wird ferner dadurch bewiesen,
dass man dieselbe Verbindung, welche aus a-Amidopropionsäuremethyl-
ester durch Einwirkung von salpetriger Säure entsteht, erhält, wenn man
auf Brenztraubensäureester zunächst Diamid einwirken lässt:
CH3V CH3V /NH
>C0 + HjNNH, = >C< I + HjC
CHsOCO/ CHgO-CO/ ^NH
und den so entstandenen Hydrazipropionsäureester mit Quecksilberoxyd
oxydirt :
CHgv /NH CHjv /N
>C< I + HgO = >C< li + Hg + H,0.
CH3.O.CO/ \NH CHaO-CO^ ^N
DerBIazoesslgsäureäthylester^ CgHgOCOCHNg (Azomethylen-
carbonsäureester^) ist die am ausftihrlichsten untersuchte Diazover-
bindung der Fettreihe. Man erhält ihn durch Einwirkung von nasci-
render salpetriger Säure auf salzsauren GlykokoUester und reinigt ihn
durch Destillation mit Wasserdampf. Er stellt ein goldgelbes Oel von
eigenthümlichem st-arkem Geruch dar, das mit Aether und Alkohol misch-
bar, in Wasser kaum löslich ist, bei 24^ das spec. Gewicht 1-083 besitzt
und in der Kälte zu einer bei — 22^ schmelzenden Masse erstarrt In
unreinem Zustand verpufft er leicht schon bei wenig erhöhter Temperatur;
in ganz reinem Zustand dagegen können kleine Mengen (2 — 3 g) aus dem
Oelbad unzersetzt destillirt werden und gehen unter 720 mm Druck bei
140 — 14P über. Kalium und Natrium lösen sich in dem Diazoester*unter
Wassejrstoflfentwicl^elung auf; der Ester löst sich seinerseits in wässrigen
Alkalien und Ammoniak und kann diesen Lösungen kurz nach ihrer Be-
reitung mit Aether wieder entzogen werden, während bei längerer Ein-
wirkung die S. 843 besprochenen Umwandlungsprodukte entstehen; diese
Erscheinungen und die Existenz der schön krystaUisirenden, sehr explo-
siven Quecksilberverbindung Hg(CN3-C02-C3H5)2 zeigen, dass der Diazo^
essigester ein durch Metallatome vertretbares Wasserstoffatom enthält.
Seine Natur als Diazoverbindung giebt der Ester in zahlreichen
Reactionen zu erkennen, die unter Entwickelung des Stickstoffgehalts in
* CüRTiüs, Ber. 10, 2230 (1883); 17, 953 (1884); 18, 1283, 1302 (1885); 20,
1632 (1887) J. pr. [2] 38, 396 (1888). — Büchner u. Cürtius, Ber. 18, 2371, 2377
(1885). — Buchner, Ber. 21, 2637 (1888); 22, 842 (1889). Ann. 273, 214 (1892).-
CüRTius u. Lang, J. pr. (2] 88, 531 (1888).
^ Nomenclatiir vgl. Cürtius, J. pr. [2] 44, 96 (1891).
THazoessigsäure. 843
Form von freiem Stickstoff sich abspielen. So geht beim Eintropfen des
Esters in kalte concentrirte Salzsäure die Reaction:
CHN, . CO, . Ca + HCl = CHjCl • CO, • C^U^ + N,
mit explosionsartiger Heftigkeit vor sich; in Berührung mit concentrirter
Schwefelsäure erfolgt heftige Detonation; Erhitzen mit Wasser, Alkohol
oder organischen Säuren bewirkt Bildung von Glykolsäureester, seinen
Alkyl- oder Acylderivaten:
CHN, . CO, ■ CjHj + H,0 = CH,(OH) • CO, • C^Hg + N,
CHN, . CO, . C,H5 + CjHft . OH = CH,(0 • C,Hß) • CO, • CjHg + N,
CHN3.CO,.C,H5 + CHaCOOH = CH,(O.CO.CH3).CO,.C,H5 + N,.
Die Halogene wirken schon in der Kälte unter Erzeugung dihalogenirter
Essigsäureester ein:
CHN, . CO, . CHß + J, = CH J, . CO, • C^U^ + N,.
Mit den Estern ungesättigter Säuren tritt Diazoessigester zu Additions-
produkten zusammen, die beim Erhitzen in Stickstoff und die Ester von
Carbonsäuren des Trimethylens zerfallen, z. B.:
(CO, . C,H5)-CH (CO, . C,H5)~CHv
1 +CHN,.C0,.C,H5 = i >CH.C0,.C,H5 + N,.
(CO, . C,H5)~ CH (CO, . CjHfi)- CH/
Ebensowenig wie es gelingt, aus den freien Amidosäuren durch Ein-
wirkung von salpetriger Säure die freien Diazosäuren zu erhalten (vgl.
S. 829), ebensowenig kann man von den Diazoestem durch Verseifung
zu den Diazosäuren gelangen. Wenn man die kalte Lösung der Diazoessig-
ester in verdünnten Alkalien einige Zeit sich selbt überlässt, so erfolgt
zwar Verseifung und Bildung von Salzen der Diazoessigsäure; aber schon
beim Einleiten von Kohlensäure in diese Lösung imter starker Abküh-
lung tritt Stickstoffentwickelung ein. Bewirkt man die Verseifung durch
starkes wässriges Ammoniak, so erhält man als Hauptprodukt das
Diazoacetamid CHNg.CO'NHg, welches aus Wasser in gelben durch-
sichtigen Tafeln krystallisirt, bei 114® unter heftiger Gasentwickelung
schmilzt, in Wasser und Alkohol leicht löslich ist, von Mineralsäuren
schon in der Kälte unter Stickstoffentbindung zersetzt und durch Ein-
wirkung von Jod in Dijodacetamid übergeführt wird.
Sehr eigenthümliche Veränderungen erleiden die Diazoester bei der Ver-
seifung mit concentrirten wässrigen Alkalien: es tritt gleichzeitig
Verseifung und Polymerisation ein; man erhält aus Diazoessigester Salze
von der Zusammensetzung der diazoessigsauren Salze, welche sich aber
von einer trimolecularen, auch im freien Zustand beständigen Säure
ableiten — von der Trlazoessigsäure C3H3Nß(C02H)3 oder Triazotri-
methy lentricarbonsäure, deren Structur vermuthlich durch die Formel :
/N : N-CH;-CO,H
/ \x
CO,H-CH
\ /
\n : N-CH -CO,H
844 Diazopropionsäureester, Diaxobemsteinsäureester.
auszudrücken ist. Triazoessigsäure krystallisirt je nach den Bedingungen
mit 2 oder 3 Mol. Wasser; die dreifach gewässerte Säure bildet tief-
orangegelbe Tafeln, zersetzt sich durch schnelles Erhitzen bei 149^.
schmilzt bei 152® und liefert bei 155® unter lebhafter Kohlensäure-
entwickelung eine farblose Flüssigkeit; sie ist in kaltem Wasser fast
unlöslich, in kaltem absolutem Alkohol sehr leicht löslich, wird von
heissem Wasser und Alkohol allmählich zersetzt, von Jod in alkalischer
Lösung nicht angegriffen. Ihre Ester sind mit Wasserdampfen nur
schwer flüchtig, gegen kochendes Wasser beständig; der Aethylester
bildet prachtvolle morgenrothe Prismen und schmilzt bei 110®; seine
Moleeulargrösse ist durch kryoskopische Bestimmung sichergestellt Alle
Derivate der Triazoessigsäure färben sich prachtvoll carminroth, weon
die Dämpfe rauchender Salpetersäure auf sie einwirken. Von grösstem
Interesse ist die Spaltung, welche die Triazoessigsäure beim Erwärmen
mit Wasser oder verdünnten Säuren erleidet, — sie zerfällt in Oxalsäure
und Diamid:
,N : N-CH.CO,H + NH,.NH, + CO.HCO.H
CO.HCH ? + 6H,0 = CO.H.CO.H + | * ;
\ / • NH,
N : N-CHCO.H + NH,.NH, + CO.HCOjH
auf diesem Wege ist das Diamid zum ersten Mal erhalten worden.
a-Biazoproplonstturemethylester^ CHs-CNg-COs-CH, (^lethjlazometbjlen-
carbonsfiureester, Nomenclatiir vgl. S. 842) Biedet unter 18 mm Druck bei 53— 55'-
und ist viel weniger beständig als Diazoeesigester.
Biazobernsteinsttureester * CgHs • CO, • CH, • CN, • CO, • C,H5 (M e th y 1 azome-
thjlendicarbonsftureester) zersetzt sich beim Versuch, ihn im Yacuum zu destil-
liren, unter Explosion gegen- 150^ bei 12 mm Druck, zerfällt durch Kochen mit Wasser
in Stickstoff und Fumarsäureester und liefert bei der Einwirkung von Ammoniak den
schön krystallisireQden Diazosuccinaminsäureester C,H5-CO,-C,H,X,>C0-NHt
(Schmelzpunkt 110— 112<>).
Als Reductionsprodukte der Diazosäuren können die Hydrazisäuren and
Hydrazinsäuren, wie
/NH
CH,.C<: , CHj.NHNH,
I ^NH 1
' CO,H
CO,H
Hydrazipropionsäure Hydrazinessigsfiure
au%efa8st werden.
* CuRTiüs u. Koch, J. pr. [2] 38, 487 (1888). — Curtiüs u. Lang, Ber. 23,
3037 (1890). J. pr. [2] 44, 559 (1891).
« Curtiüs u. Koch, Ber. 18, 1293 (1885); 19, 2460 (1886). J. pr. [2] 38, 472
(1888). — Curtiüs u. Lang, J. pr. [2] 44, 562 (1S91).
Uydraxipropionsäwreester. Hydrazinessigsäure. 845
a-HydrazlpropionsKuremethylester^ (ygl. Bildung und Verhalten S. 842) kry-
stallisirt in farblosen Nadeln, schmilzt bei 82^, ist in Alkohol und Aether leicht, in
Wasser etwas weniger leicht löslich.
Hydrazlnessisrsäure' (Methylhjdrazincarbonsäure, AmidoglykokoU)
entsteht neben Benzoylhydrazin bei der Einwirkung von Diamid auf Benzoylglykol-
säureester:
CeHs.CO.O.CHj.COj.CjHB + 2NH,.NH,-
= CeHj.CONHNH, + NH, • NJE • CH, • CO,H + C.HgOH,
bildet grosse Tafeln, schmilzt bei 98°, ist in kaltem Wasser sehr leicht, in Aether
nicht löslich, schmeckt deutlich süss und kühlend und reagirt neutral.
Zweiunddreissigstes Kapitel.
Mehrwerthige Aldehyde, mehrwerthige Eetone, Eetoaldehyde.
Bialdehyde.
Der einfachste Dialdehyd und zugleich der in der Fettreihe einzig
bekannte Repräsentant dieser Klasse ist die Verbindung, deren Molecül
aus zwei Aldehydgruppen besteht:
0:HC-CH:0,
die als Aldehyd der Oxalsäure aufgefasst werden kann und als Glyoxal
bezeichnet wird.
GlyoxaP C^H^Og (Diformyl) entsteht durch Oxydation von Aethyl-
alkohol und Acetaldehyd mit Salpetersäure (vgl. S. 159); für die Darstel-
lung ist es zweckmässig, vom gewöhnlichen Aldehyd oder vom Paraldehyd
auszugehen. Man erhält das Glyoxal beim Eindampfen seiner wässrigen
Losung auf dem Wasserbade als farblose amorphe harte Masse, die
noch viel Wasser enthält und in Wasser leicht löslich ist; nach dem
Trocknen im Vacuum bei 110 — 120® löst es sich nur sehr langsam in
Wasser auf und hält noch immer etwas Wasser zurück. Die physika-
lischen Eigenschaften des Glyoxals erscheinen merkwürdig bei einem
Vergleich mit dem flüssigen und leicht flüchtigen Diacetyl CHgCO-
CO-CH3, das als Dimethylderivat des Diformyls aufgefasst werden muss;
man könnte daher der Ansicht zuneigen, das Glyoxal sei eine polymere
Modification des Diformyls ; diese Ansicht wird indess durch das chemische
Verhalten des Glyoxals nicht gestützt, denn das Glyoxal reagirt durch-
aus wie eine wahre Carbonylverbindung. — Als Aldehyd erweist sich das
Glyoxal durch die Fälligkeit, ammoniakalische Silberlösung unter Spiegel-
bildung zu reduciren, als Dialdehyd durch die Zusammensetzung der
* CuETiüs u. La»o, J. pr. [2] 44, 557 (1891). » Curtius, Ber. 23, 3029 (1890\
» Debus, Ann. 102, 20 (1857); 110, 323 (1859).— Schiff, Ann. 172, 1 (1873). —
LjUBAvm, Ber. 10, 1366 (1877); 14, 2685 (1881); 15, 8087 (1882). — Hantzsch, Ann.
222, 66 (1883). — Fobckand, Bull. 41, 240 (1884). Ann. eh. [6] U, 433 (1881). —
HmsBBKO, Ber. 24, 3236 (1891).
846 Dialdekyde (Glyoxal).
krystallinischen Verbindungen, die es mit sauren Alkali3ulfiten emgeht.
z. ß. C3H3O2 + 2NaHS08 + H^O, und durch sein Verhalten gegen Hydro-
xylamin; es entsteht ein Dioxim (OH-N:)CH-CH(:N-OH) — €Hyoxim^
genannt — , welches farblose, leicht sublimirbare Tafeln bildet, bei 178^
schmilzt, in Wasser leicht löslich ist, beim Erwärmen mit Essigsäure-
anhydrid in ein Diacetylderivat (Schmelzpunkt 120^, bei längerem Er-
wärmen mit dem Anhydrid in Cyau N:C-C:N ilbergefiihrt wird. — Eine
eigenthümliche Veränderung erleidet das Glyoxal durch die Einwirkung
der Alkalien schon in der Kälte; indem die eine Hälfte des Molecüls
reducirt, die andere oxydirt wird, entsteht Glykolsäure:
CHO jj CHjOH
CHO ^ ~ CO. OH
Interessant ist auch die Einwirkung des Ammoniaks aufGlyoxal; neben
einer, in geringer Menge auftretenden, in Wasser unlöslichen Base
Glykosin^ CgHgN^ entsteht als Hauptprodukt das Glyoxalin CjH^N,.
welches die Constitution:
CH.NHv
I ^CH
CH-N ^
besitzt und daher nebst ähnlichen Basen erst in Band n bei den ..Imid-
azolen" näher besprochen werden wird.
In demselben Verhältniss, wie Glyoxal zur Oxalsäure, würde zur Bemsteinsäure
der Dialdehyd:
CHOCHjCHjCHO
stehen; irrthümlicher Weise wurde früher dem isomeren Butyrolacton (S. 763) diese
Constitutionsformel zugeschrieben. Bernsteinsäuredialdehyd ist zur Zeit ab
solcher noch nicht bekannt; dagegen ist sein Dioxim — Succinaldoxim' CH(:N*OHi'
CH,»CH,«CH(:N'OH) — durch Einwirkung von Hydroxylamin auf Pyrrol:
NHOH CH^CHNHOH CH.-CHiNOH
CH— CHv H
>NH +
CH— CH'^ : H
- NHs = I
NH . OH CH^CH . NH . OH . CH,-CH : N • OH
erhalten worden; es bildet weisse Kryställchen, schmilzt bei 173^, ist in Wasser nicht
löslich, in Alkalien löslich, entwickelt mit salpetriger Säure Stickoxydul und liefert
durch Reduction mit Natrium in Alkohol das Tetramethylendiamin (S. 626, 630).
BIketone.
Die Kenntniss der aliphatischen Glieder aus der interessanten
Gruppe von Verbindungen, deren Molecüle zweimal die ketonartig ge-
bundene Carbonylgruppe enthalten, verdanken wir erst Arbeiten der
* Wittenberg u. V. Meyeb, Ber. 16, 505 (1888). — Lach, Ber. 17, 1573 (1884 j.
— PnwER, ebenda, 2001. — Hantzscii, Ber. 25, 705 (1892).
» Debus, Ann. 107, 199 (1858). — Wyss, Ber. 9, 1542 (1876). — Pqinbb, Ber.
17, 2000 (1884). — Japp u. Cleminshaw, Joum. Soc. 51, 552 (1887).
* CiAMiciA» u. Dennstedt, Ber. 17, 533 (1884). — Ciajuciak u. Zanetti, Ber. 22.
1968, 3176 (1889).
Ncyinendatu/r der Diketone, 847
letzten Jahre (seit 1885), welche namentlich von Claisen, Combes,
FiTTia, Paatj und v. Peohmann herrühren und fiir viele Repräsentanten
dieser Klasse einfache Gewinnungs weisen kennen lehrten. Vorher waren
nur Diketone der aromatischen Reihe bekannt. Dagegen waren die
Monoxime der einfachsten aliphatischen a-Diketone (Isonitrosoketone, vgl.
S. 848) bereits durch Untersuchungen von V. Meter u. Zübmn charak-
terisirt und leicht zugänglich gemacht.
Bildungsprocesse, Eigenschafben und Verhalten der Diketone sind
wesentlich abhängig von der gegenseitigen Stellung der beiden Carbonjl-
gruppen; es empfiehlt sich daher auch hier eine gesonderte Besprechung
der einzelnen Untergruppen, in welche die Gruppe der Diketone natur-
gemäss unter Berücksichtigung dieses Umstandes zerfällt. Im Einklang
mit der bisher in diesem Lehrbuch meist durchgeführten Bezeichnungs-
w^eise (vgl. S. 535) kann man die Diketone, wenn die beiden Carbonyl-
gruppen direct mit einander verknüpft sind:
-CO-CO-,
or-Diketone, wenn sie durch ein, zwei etc. KohlenstoflPatome getrennt sind :
_C0— C-CO-,
— CO— C— C— CO etc.
/9-, y- etc. Diketone nennen. Neuerdings indessen zieht man es vielfach
vor (vgl. „Genfer Nomenclatur" im Anhang zu Band I), Zahlen anstatt
der kleinen griechischen Buchstaben zur Kennzeichnung der Stellung
der einzelnen Kohlenstoffatome einer Kette zu benutzen; es sind dann
die Diketone
mit der Gruppe — CO CO — als 1-2 Diketone,
„ „ ,, — CO — C — CO ,, 1*3 ,,
„ ;, ;, _C0— C— C— CO „ 1-4 „ etc.
zu bezeichnen.
Um für die einzelnen or- Diketone Namen zu bilden, fasst man sie
in der Regel als Vereinigung zweier Säureradieale auf, z. B.:
CH3.CO— CO-CH^: Diacetyl,
CHj-CO— CO-CgHg: Acetylpropionyl etc.;
die ^-Diketone kann man als Monoketone ansprechen, die durch ein
Säureradical substituiii sind, z. B.:
CH3 • CO • CHj • CO • CH3 : Acetylaceton ;
indem man das einwerthige Radical des Acetons CHj-COCHj — ,.Ace-
tonyl" nennt, ergiebt sich für das einfachste /-Diketon die Bezeichnung:
CH3 . CO • CHj • CH2 • CO • CH3 : Acetony laceton.
Zu einer einheitlichen Nomenclatur der Diketone gelangt man bei ^^i^
Benutzung der Beschlüsse, welche der „internationale Congress für die ^
Reform der chemischen Nomenclatur^* zu Genf im April 1892 gefasst
848 a-Dikeione
hat. Die Ketone werden von den Kohlenwasserstoffen abgeleitet, welche
an Stelle der CO -Gruppen CH^- Gruppen enthalten, also Aceton CHj-
CO-CHg vom Propan, Diacetyl CHg-CO-COCHj von Butan etc. Anden
Namen des Kohlenwasserstoffs wird die Endung „on" oder bei Gegen-
wart mehrerer Carbonylgruppen „dion", „trion** etc. gehängt. Die Stel-
lung der Carbonylgruppen wird durch Ziffern bezeichnet. Die Bedeutung
der Ziffern, sowie die für die Nomenclatur der Kohlenwasserstoffe mass-
geblichen Principien sind im Anhang zu Bd. I auseinandergesetzt.
So gelangt man zu Namen, wie
CHg-CO-CHgi Propanon,
CHj-COCHjCHa-CHj: Pentanon 2,
CHg-CG-CO.CHj: Butadion,
CHj^COCOCHg.CHj*: Pentadion 2. 3.
CHjCO'-CHj.COCHg: Pentadion 2. 4.
CHj-CO-CHa-CHjCG-CHj: Hexadion 2. 5.
Analog werden die Oxime unter Benutzung der Endung „oxim*' be-
zeichnet, z. B.:
CH3.C(:NOH)-C(:NOH)-CH3 : Butandioxim.
Ueber die Benennung der Verbindungen, die zum Theil Keton, zum
Theil Oxim sind, ist noch kein definitiver Beschluss gefasst. Im Fol-
genden sollen sie bezeichnet werden, indem man sich die Oximidogruppe
durch Sauerstoff ersetzt denkt und die Stellung der Oximidogruppe angiebt:
CH3.CGC(:N-OH)-CH3: Monoxim des Butadions,
CH3.COC(:NOH)CH2CH3: Monoxim 3 des Pentadions 2. 3.
A. a-Diketone oder 1-2-Diketone.
Für die Gewinnung der a-Diketone geht man von den Mon-
alkylderivaten des Acetessigesters CHg-CO-CHR-COg-CgH^ aus und unter-
wirft sie zunächst der Einwirkung von verdünnten Alkalien in der Kälte,
dann von nascirender salpetriger Säure; es treten dadurch die ßeactionen:
CH3.CO.CH/ ' + KOK = CHj-COCh/ ' + CA- OH,
^COjCaH, \CO,K
CHjCO.Ch/ ' + ON.OH = CH3.C0.C(:N.0H).CH5 + CO, + H,0
^COjH
ein; die Oximidogruppe tritt an das der Ketongruppe benachbarte
Kohlenstoffatom, und es entsteht das Monoxim eines Diketons^ Der-
artige Verbindungen kann man auch als Isonitroso- Substitutionspro-
dukte der Monoketone auffassen und daher Isonitrosoketone nennen.
Die Isonitrosoketone kann man in manchen Fällen bequemer direct
durch Nitrosirung der Monoketone erhalten, indem man die Ketone
* V. Meyee u. Züblin, Ber. 11, 822 (1878).
(Bildungs'weisen, Eigensehaßen),
bei Gegenwart von Natriumäthylat oder Salzsäure mit Ämylnitril
Vermeidnng eines UeberschusseB (vgl. unten) behandelt'; durcl
Reaction entstehen indeaa nur aus den Ketonen K-CHj-CO-CHjl
oxime von Diketonen ß-CHjCO-C(:N-OH)-K, während sie bei K
R-CHj-CO-CHj infolge der grösseren Keactionsfähigkeit der ]
grnppe gegenüber der Methjlengnippe zu Monoximen von Eetoald<
R-CH,-C0CH(:N.OH) führt (vgl. S. 860). — Von den Isoni
ketonen gelangt man nan zu den entsprechenden Diketonen
Abspaltung von Hydroxylamin :
CH,-COC(:N-OH)CH, + H,0 = CHa-CO-COCH, + H.NOH;
diese Spaltung kann durch Kochen mit verdünnter, etwa ISproc
Schwefelsäure ausgeführt werden*; es. ist in der Begel nicht nöth
Isoni trosoketon zu isoliren, sondern man kann die Bildung des Isor
ketons aus dem alkylirten Acetessigester und die Spaltung dei
meist in einer Operation durchftlhren (vgl, S. 851 die Darstellu
Diacetyls). Auch durch Erwärmen mit Amylnitrit gehen die Isor
ketone in Diketone Uber^:
CH,.C(:N.OH).CO-C,H, + C,H„ 0 NO = CH,-COCOC,Hj + CjH„OH
man mnss daher bei der oben erwähnten Darstellung der Isor
ketone mit Amylnitrit einen Ueberschuss des letzteren vermeiden
Durch Einwirknng von Natrium auf SSnrechloride * entstehen Sub
welche früher entsprechend der Bildungegleichnng:
2C,H,C0C1 + 2Na = 2NaCI + C,H,CO CO-C.H,
als n-Diketone (Dibutyryl und DivalerylJ aufgefasat wurden, filr welch
ueuerdingB die ConstitutionsformelnL
C^,-C-OCO.C,H, C,H,-C-O.CO-C,H,
-C-OC" ""
C,H,-C-0-COC,H, C,H,-C-0-C0-C4H,
wabracheinlich gemtwht worden sind.
Die (^-Diketone sind gelbe, nicht erstarrende, unzersetzt sie
mit Wasserdampf flüchtige Oele von stechendem, in der Regel
zeitig etwas süsslichem Geruch. Sehr bemerkenswerth ist ihre i
gelbe Färbung im Gegensatz zu der Farhlosigk^t der Monoketoi
li; y- etc. Diketone; die Dämpfe des Diacetyls besitzen die Far
Chlors. Das Diacetyl löst sich in 4 Th. Wasser von 15" zu einer
Flüssigkeit; die LösUchkeit seiner Homologen nimmt mit stei$
Molecülargewicht ab.
Ihr Verhalten beweist deutlich die Gegenwart zweier Cai
gruppen. Mit Cyanwasserstoff treten sie zu Dicyanhydrinen
■ CuiSEx D. Manabse, Ber. 33, 526 (1889).
• V. PBCHHAirK, Ber. 30, 3213 (1887). — Ottb u. v. PBcavAini, Ber. 33, 2111
■ Mahasse, Ber. 21, 21T6 (1888).
* Fbkdnd, Ann. U8, 33 (1861). — BbÜhl, Ber. 13, 315 (1879). — Ku
ScKMiTi, Ber. 24, 1271 (1891).
T. HiTKB n. J*«iB«oir, org. Cham. I. 54
850 Isonürosokeione, Glyoxime.
CH3 • C(OH)(CN) • C{OH)(CN) • CH3 zusammen. Mit Hydroxylamin und Phenyl-
hydrazin reagiren sie unter Bildung von Monoximen^ Dioximen, Mono-
hydrazonen und Dihydrazonen:
CH3.CO CHg-CiNOH CHj.CrN.NHCeHs CHs-CiN-NHCeH»
CHaCiN-OH' CH,.C:N.Oh' CH3.CO ' CHa-CrN-NHCeHj '
Die Dioxime können als Homologe des Glyoxims HC(:N-OH)-CH(:N-0H)
{S. 846) aufgefasst und daher allgemein als Glyoxime bezeichnet wer-
den; die Dihydrazone werden Osazone genannt.
Die Monoxime der a-Diketone (Isonitrosoketone) sind farblose,
krystallinische Substanzen, sieden zum Theil unzersetzt und lösen sich
in Alkalien mit gelber Farbe auf. Die gelbe Farbe der alkalischen
Lösung ist für die Verbindungen mit der Gruppe:
-CO-C(:N.OH)-
höchst charakteristisch ist und unterscheidet sie namentlich scharf von
den farblos löslichen Dioximen mit der Gruppe:
— C( : N . OH)— C( : N • OH)-
(vgl. unten). Die bei der Eeduction der Monoxime mit Zinnchlorür nnd
Salzsäure zu erwartenden Amidoketone hat man nicht isoliren können,
kann aber leicht Condensationsprodukte derselben. (Ketine, Aldine)
gewinnen^, z. B. aus dem Monoxim des Diacetyls die Base:
/N\ / KH,
CH«.C/
^8
\c . CHj / CH. . CO *\CH . CHg
! = I + I -2H,0-H,
C . CH, I CH. . CH— NH, CO • CH,
CH. • Cv /C . CHs CHs . CH— NH,
w
(Näheres vgl. in Band II unter ,,Azinen"). — Die Dioxime* (Glyoxime)
schmelzen viel höher als die Monoxime, lösen sich im Gegensatz zu den
Monoximen in Alkalien farblos auf und liefern bei der Oxydation
mit Ferricyankalium oder mit Stickstoflftetroxyd Hyperoxyde wie
CH3— G=N— 0
I (farblose, im Vacuum unzersetzt destillirbare Flüssig-
CH3— C=N— 0
keiten, in Wasser etwas löslich, in Alkalien unlöslich).
Durch Ammoniak werden die a-Diketone glatt in substituirte
Glyoxaline (vgl. S. 846) verwandelt: so geht z. B. Diacetyl in Trimethyl-
glyoxalin über^ — ein Vorgang, den man sich durch die Gleichungen:
CHs.CO.CO.CHj + HjO = CHa-CO-OHH-COHCHa,
* Treadwell, Ber. 14, 1461 (1881). — Ueber die Zwischenprodukte vgl. E. Bbaün.
Ber. 22, 559 (1889). f
» Vgl. Schramm, Ber. 16,^80 (1883). — R. Scholl, Ber. 23, 3498 (1890).
3 V. Pechmann, Ber. 21, 1415 (1888).
Chinogene, Darstellung von LHacetyl, 851
CHjCO CH,-C-NHv
I +2NH, + CH0CH8 = 3H,0+ 1 ^CCH,
CHs-CO CHj-C— N*^
erklären kann.
Höchst interessant sind die Veränderungen, welche einige a-Diketone
unter dem Einfluss von Alkalien^ erleiden. Die gelbe wässrige Lösung
des Diacetyls z. B. wird bei vorsichtigem Zusatz von Natronlauge ent-
färbt, und man kann nach Eintritt der Farblosigkeit ein Condensations-
produkt der Lösung entziehen, das als ein ungesättigtes Triketon auf-
zufassen ist:
CH3CO.CO.CH3 ^ H 0 = ^^»'If'^^'^^»
+ CH8.CO.CO.CH3 » OHCO-COCHa'
diese ungesättigten Triketone sind „Chinogene" genannt worden, da
sie sich bei kurzem Erwärmen mit überschüssigen Alkalien unter wei-
terer Wasserabspaltung in „Chinone" — Verbindungen aus der Klasse
der Benzolderivate — umwandeln, z. B.:
CHg-CCO.CH, CH3.C.CO . CH
l -H,0 = Jl II .
CH.CO.COCHj CHCOCCHj
Xylochinon
Die Tabelle Nr. 40 auf S. 852 giebt eine TJebersicht über die
Eigenschaften der einzelnen a-Diketone und ihrer Oxime.
Darstellung des Diacetyls' (vgl. die Gleichungen auf S. 848 u. 849). 50g
Methylacetessigester werden mit ^/g Liter Wasser, dann mit 140 g Natronlauge (1 : 4)
übergössen; nach dem Umschütteln lässt man über Nacht stehen, wobei Verseifung des
Esters zu Methylacetessigsäure erfolgt. Nun fügt man 25 g Natrinmnitrit (98 pro-
centig) zu, kühlt durch Einstellen in Eiswasser und giesst portionenweise, indem
man durch Durchsaugen eines Luftstroms die Flüssigkeit in dauernder Bewegung er-
hält, verdünnte Schwefelsäure (1:5) ein, bis Tropaeolinpapier deutlich violett gefärbt
wird. Man macht nun wieder alkalisch, wodurch die Lösung gelb wird, dann mit
Schwefelsäure wieder sauer, so dass Lakmuspapier eben dauernd gerdthet wird. Die
Flüssigkeit, welche nun das Monoxim des Diacetyls enthält, wird jetzt mit Natronlauge
^-ieder bis zur deutlichen Gelbfärbung versetzt und nach Zusatz von 150 g Krystall-
soda möglichst rasch zur Vertreibimg des vorher abgespaltenen Alkohols auf die Hälfte
abdestillirt, darauf nach dem Erkalten mit verdünnter Schwefelsäure neutralisirt, mit
Wasser auf das ursprüngliche Volum aufgefüllt, ohne Kühlung mit 250 g concentrirter
Schwefelsäure versetzt und sofort abdestillirt, so lange noch im Destillat das nun
übergehende Diacetyl durch Braunfärbung beim Erwärmen mit Natronlauge nach-
weisbar ist. Das etwa 1 Liter betragende gelbe Destillat wird zur völligen Zerlegung
des Oxims mit dem siebenten Theil seines Gewichts an concentrirter Schwefelsäure
nochmals destillirt, bis kein Diketon mehr übergeht. Durch immer wiederholtes
Destilliren des üebergegangenen, zweckmässig unter Zusatz von Kochsalz, kann in den
Destillaten das Diacetyl soweit concentrirt werden, dass es sich schliesslich nach 4—5
Destillationen als leichtes Oel vom Wasser trennt. Man trocknet es mit Chlorcalcium
und rectificirt. Ausbeute: 10 — 12 g.
» V. Pechmank, Ber. 21, 1417 (1888); 22, 2115 (1889).
' V. Pechmakn, Ber. 24, 8954 (1891).
54'
852 Tabellarische Zusammenstellung von a-DikeUmen und ihren Ckcimen,
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ß'Diketone (BUdungsweisen), 853
Diacetyl undDiamid' reagiren je nach' den angewendeten Mengenverhält-
CHaC^N
niBsen unter Bildung von BimethylazlKtliaii I | (mattgelbes, mikrokrystalli-
CH,.C=N
nisches, über 270® schmelzendes, in siedendem Alkohol schwer, in Wasser fast unlös-
liches Pulver) oder Bimethylblsliydraxometliylen CH, — C C CHg (farb-
NH-NI
NHNHNHNH
lose, bei 158^ schmelzende Prismen, in kaltem Wasser schwer, in heissem Alkohol
beträchtlich löslich).
B. /S-Diketone oder l«3-Diketone.
Das einfachste /S-Diketon — Acetylaceton — entsteht, wenn man
das krystallinische Einwirkungsprodukt des Aluminiumchlorids auf Acetyl-
chlorid CeH^OjAlCl^ (= AICI3 + SCHg-COCl - 2HC1) mit Wasser zer-
setzt*; die Zersetzung verläuft unter Entwickelung von Kohlensäure;
die einzelnen Phasen der Beaction (vgl. die Einwirkung von Eisenchlorid
auf Säurechloride S. 386) können in folgender Weise formulirt werden':
2CH,.C0C1 + CHj-COCl + AlCl, = (CH3.C0),CH.CC1,.0.A1C1, + 2 HCl,
(CH3.C0),CHCC1,.0.A1C1, + 4H,0 = (CH3.C0),CH.C0.0H + A1(0H)8 + 4HC1,
(CH3.C0),CH.C0,H = CH3.C0.CH,.C0.CH8 + CO,.
Vom Acetylaceton ausgehend, kann man seine Homologen CHg-
CO-CHR-CO-CHj gewinnen, indem man die Natriumverbindung CHj-
CO-CHNa-CO-CHg (vgl. S. 854) mit Halogenalkylen umsetzt».
Einfacher und allgemeiner anwendbar aber ist zur Gewinnung von
/9-Diketonen die Condensation von Säureestern mit Monoketonen ^, z. B.:
CH3.CO.O.C,H8 + CH3.CO.CH3 = CHj.COCHj.CO.CHa + CHg-OH;
die Beaction verläuft sehr gut bei Gegenwart von Natriumäthylat oder
von metallischem Natrium (vgl. S. 856 die Darstellung des Acetylacetons),
namentlich wenn das angewendete Eeton eine dem Carbonyl benach-
barte Methylgruppe enthält, welche dann stets den AngrijQPspunkt des
Säureesters bildet, z. B.:
CHj.CO.O.CjH« + CH3.CO.C3H, = CH3.CO.CH,.CO.C3H7 + CHß.OH.
Befinden sich neben dem Carbonyl nur Methylengruppen, so ist der
£eactionsverlauf weniger glatt.
Natriom&thylat — alkoholfrei ' oder auch in alkoholischer Lösung angewendet —
ist ein vorzügliches, von Claisen^ der organischen Synthese zugefuhrtes Mittel, die
Säureradieale aus Säureestem in andere Verbindungen einzufuhren; seine Wirksam-
keit wird wahrscheinlich dadurch bedingt, dass die Ester mit Natriumfithylat zu losen
* CuBTius u. Thu», J. pr. [2] 44, 174 (1891).
* CoMBES, Ann. eh. [6] 12, 199 (1887).
■ Vgl. GusTAVSOK, J. pr. [2] 37, 108 (1888).
* Claisen u. Ehrhardt, Ber. 22, 1009 (1889). — Farbwerke in Höchst a. M.
(D. R.-P. 49542), Ber. 23o, 40 (1890).
* Claisem, Ber. 22, 1010 Anm. • Ber. 20, 655, 2178 (1887).
854 ß'Diketone (VerhcUtm),
/0.c,h;
Doppelverbindungen B*Cs— O^C^Hg zusammentreten, die dann unter Alkoholabspal-
\O.Na
tung reagiren:
yO.C,H«
R.Ce-O-CjHj + CHs-CO-CHs = R.C(ONa): CH-CO-CH, + 2CjH6.0H ,
\O.Na
R.C(ONa): CH.CO.CH3 + H,0 = R.CO.CHj.CO-CHb + NaOH.
An dem chemischen Verhalten der /S-Diketone ist zunächst be-
merkenswerth ihre Fähigkeit zur Bildung von Metallverbindungen^:
•die Wasserstoffatome, welche an dem zwischen den beiden Carbonjl-
gruppen befindlichen Eohlenstoff haften, sind gegen Metallatome aus-
tauschbar. Natrium wirkt auf Acetylaceton unter Entwickelung Ton
Wasserstoff und Bildung der Verbindung CHg-CO-CHNa-COCHj (vgl.
S. 651 — 653); die stark saure Natur des Acetylacetons zeigt sich nament-
lich in dem umstand, dass seine wässrige Lösung Magnesiumcarbonat,
Bleicarbonat, Kupferacetat etc. zersetzt, um die entsprechenden Metall-
verbindungen zu bilden; besonders das schwer lösliche Eupfersalz
(G^K^O^)^G\i ist charakteristisch und zur Abscheidung des Acetylacetons
aus Gemischen geeignet (vgl. S. 855 die Darstellung des Acetylacetons).
Interessant ist auch die Aluminium Verbindung^ da sie bei 314 — 315^
unzersetzt destillirt, und ihre Dampfdichtebesiimmung daher ausgeführt
werden konnte, um die Molecularformel Al(CßHy02)3 und damit die
Dreiwerthigkeit des Aluminiums sicherzustellen^ (vgl. S. 288). Bei den
/S-Diketonen K-CO-CHR-CO-R, welche in die zwischen den beiden
Carbonylen befindliche Methylengruppe einen Alkylrest eingefügt ent-
halten, ist die Säurenatur erheblich abgeschwächt': sie vermögen nicht
mehr Kupferacetat zu zersetzen, geben aber noch zum Theil mit
ammoniakalischem Kupferoxyd eine Fällung.
Beim Kochen mit Alkalien werden die /?-Diketone in Säuren und
Monoketone gespalten, z. B.:
CHa.COCHjCO.CH, -*- ROH = CHj-COOK + CHgCO-CHs.
Durch die 1*3-Stellung der beiden Carbonyle wird ein eigenthüni-
liches Verhalten gegen Hydroxylamin**^ bedingt: es entstehen nicht
eigentliche Oxime, sondern Verbindungen, welche aus den Monoximen
als durch Wasseraustritt entstanden gedacht werden können und sich
von einem geschlossenen stickstoffhaltigen Kern — dem „Isoxazolring**
(vgl. Bd. n) — ableiten, z. B.:
* Vgl. C0MBE8, Compt rend. 105, 868 (1887).
* C0MBE8, Compt rend. 108, 405 (1889).
° Claibek u. Ehrrasdt, Ber. 22, 1018 (1889).
* Zedel, Ber. 21, 2178 (1888). — Clatben, Ber. 24, 3900 (1891). — Dükstak u.
Dymokd, Journ. Soc. 50, 428 (1891).
» CoMBES, Bull. 50, 145 (1888).
Darstellung von Äcetylaoeton, 855
CH,-CO-CH, CH-C-CH,
I '' '
CHs-CO + NH^ = CH^Ö N +2H,0.
oh/ \o/
In analoger Weise entstehen durch Einwirkung von Phenylhydrazin ^'^
Abkömmlinge des „Pyrazols" (vgl. Bd. 11):
CH,-CO-CHa CH-C-CHj
I 11 II
CHg.CO + NH, = CHs-C N
NH-CeH, VCeHs
Die /ff-Diketone der Fettreihe sind farblose, unzersetzt siedende
Flüssigkeiten; Acetylaceton löst sich in etwa 8 Th. Wasser; die Tabelle
Nr. 41 auf S. 856 giebt über ihre Constanten Auskunft.
Darstellung von Acetylaceton'. Za einer gut abgekühlten Mischung von
Aceton (t Mol.) und alkoholfreiem Essigftther (3—4 Mol.) wird Natrium (1 Atom) in
Form von feinem Draht zugegeben; man läset zunächst -in der Kälte, dann bei ge-
wöhnlicher Temperatur stehen, bis das Natrium grösstentheils verschwunden ist,
erwärmt dann noch einige Zeit auf dem Wasserbade, ftigt nach Beendigung der
Reaction Eiswasser hinzu und trennt die alkalische, das Acetylaceton enthaltende
Schicht von dem aufschwimmenden Essigäther. Die alkalische Lösung säuert man
mit EssigBäure eben an und fällt nun das Acetylacetonkupfer durch eine concentrirte,
heissgesättigte Lösung von Kupferacetat aus. Das Kupfersalz wird durch Schütteln
mit kalter verdünnter Schwefelsäure zersetzt, darauf das Acetylaceton mit Chloroform
ausgeschüttelt und nach dem Verdunsten des Chloroforms rectificirt.
C. y-Diketone oder 1.4-Diketone.
Das Acetonylaeeton^ 06^10^2 = CH3COCH3.CH3COCH3 (Hexa-
dion 2.5) — der einfachste Repräsentant der y-Diketone — kann
ohne Schwierigkeit aus dem Diacetbernsteinsäureester, welcher durch Ein-
wirkung von Jod auf Natracetessigester entsteht:
C,H5 . CO, . CHNa C,Hj • CO. • CH-CH • CO, • CjHj
2 I + 2J = 2NaJ+ I I ,
CH,.CO CHs-CO COCHa
gewonnen werden, da die diesem Ester entsprechende Säure leicht in
Kohlensäure und Acetonylaceton zerfällt:
CO,H . CH-CH . CO,H CH,-CH,
I I - 2C0, = I I .
CHjCO COCH, CHsCO COCH,
Man Idst den Diacetbernsteinsäureester durch Schütteln in einer Sprocentigen
Xatronlauge auf, welche genau auf 1 Mol. Ester 2 Mol. NaOH enthält, yerschliesst
^ CoMBES, Bull. 50, 145 (1888).
' Knobb, Ber. 20, 1104 (1887). Vgl. auch Kohlraüsch, Ann. 253, 15 (1889).
' Claisen u. Ehbhabdt, Ber. 22, 1009 (1889). — Farbwerke in Hdchst (D. R.-P.
49542), Ber. 23 o, 40 (1890).
* Paal, Ber. 18, 58, 2251 (1885). — Dietrich u. Paal, Ber. 20, 1085 (1887).
— Käobb, Ber. 22, 168, 2100 (1889). — Ciamioian u. Zanbtti, Ber. 22, 3176 (1891).
— AwQELi, Ber. 24, 1805 (1891). — Eykman, Ber. 25, 3074, 3078 (1892).
856
Tabellarische Zusammensteüung von ß-Diketonen.
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Aoetonylaceton. 857
den Kolben mit einem Natronkalkrohr und erwärmt 2—8 St. auf dem Wasserbade.
Aus der erkalteten Lösung wird das Acetonylaceton durch Kaliumcarbonat ab-
geschieden und durch Aether ausgeschüttelt.
Aeetonylaceton ist eine farblose, angenehm riechende Flüssigkeit,
siedet bei 194®, besitzt bei 21® das spec. Gew. 0-970, ist mit Wasser,
Alkohol und Aether mischbar, in concentrirter Kali- und Potaschelösung
unlöslich. SeinDioxim CH3.C(:N.OH)-CH,-CH3.C(:NOH).CH3 bildet
weisse Erystalle, schmilzt bei 136-5® und ist in heissem Wasser leicht
löslich.
Das Aeetonylaceton und andere Verbindungen, welche zwei Car-
bonylgruppen in 1.4-Stellung enthalten, stehen in nahen genetischen
Beziehungen zu den cjclischen Stammsubstanzen: Furfuran, Thiophen
und Pyrrol. So liefert das Aeetonylaceton bei der Destillation mit Chlor-
zink das Dimethylfiirfuran:
CH — CH
I' k
CH3.C C.CH3»
mit Schwefelphosphor das Dimethylthiophen:
CH — CH
CHa-C CH.CH3»
beim Erhitzen mit alkoholischem Ammoniak das Dimethylpyrrol :
CH CH
CH3.C CCHa-
Umgekehrt bildet sich aus dem Dimethylpyrrol durch Einwirkung von
Hydroxylamin das Dioxim des Acetonylacetons, und das Aeetonylaceton
selbst entsteht glatt durch Erhitzen der Dimethylfurfurancarbonsäure
(Carbopyrotritarsäure, vgl. Bd. II) mit Wasser:
CH — C.CO.H
V CHj-CH,
CHi-C C.CH3 +H,0= I ] +C0,.
Dlmethfi-8.4-Hexadloii 2.5 CH8.COCH(CH3).CH(CH8).CO.CH3 ist durch
Einwirkung von Natrium auf Monochlormethyläthylketon CHj-CO-CHCl-CHg er-
halten^, ist flflflsig und siedet gegen 210 ^
D. 1.6- und 1.7-Diketone*.
Bei der Einwirkung von Aethylenbromid auf Natracetessigester entsteht neben
anderen Produkten der Diacetyladipinsflureester:
* Vladesco, Bull. [3] e, 809 (1891).
* Kipporo u. Perkin, Joum. Soc. 66, 330 (1889); 67, 13, 29 (1890); 69, 214
(1891). — Mabshaix u. Perkm, Joum. Soc. 67, 241 (1890). — Kippmo u. Mackenzie,
Joum. Soc. 69, 587 (1891). — Kippiko, Joum. Soc. 63, 111 (1893).
858 L6- und IJ-Biketone,
CHa-CO CHgCO GOCH,
I + CHjBrCHjBr = 2NaBr + I
CjHb . CO, . CHNa C.Hj • CO, - CH • CH, • CH, • CH • CO, • C^Hj
welcher bei yorsichtiger Verseifung das Oetadlon 2.7 (Diacetylbutan) liefert:
CHa-CO COCHa
I I + 2H,0 =
C2H5 • CO, • CH • CH, • CH, • CH • CO, • CjHa
CHa-CO COCHa
I I + 2C0, + 2C,HbOH
CH, • CH, • CH, * CH,
— eine farblose, krystalllnische Substanz, bei 48—44^ schmelzend, wenig Idslich io
Wasser. Schon bei der Destillation und beim Kochen mit alkoholischer Lauge zer-
fi&llt es in Wasser und Methjldihydropentenmethylketon:
CHa-COCH, COCHa CH8.C0.C==C.CH,
CH, CH, -H2O = in, ÖH, •
\CH,/ \CH,/
Ebenfalls mit Hülfe von Acetessigestersynthesen ist das Enneadion 2.8 (Di-
acetjlpentan):
CH, • CO • CH, • CH, • CH, • CH, • CH, • CO • CH^
(und einige Homologe desselben) gewonnen. Es schmilzt bei 48 — 49 ^ siedet unter
130 mm Druck bei 175—178^, spaltet sich, mit concentrirter Schwefelsäure behandelt,
in Wasser und Methyl-tetrahydro-acetophenou :
CHa-COCH, CHaCOC
CH, COCHa „^ ÖhI CCHa
I 1 - H,0 = I I
CH, CH, CH, CH,
N^H,/ \CH,/
und liefert als erstes Beductionsprodukt Dimethyldiozyheptamethylen :
.CH, . CH, . CO . CH, XH, • CH, • C(OHXCH,)
CH,< + 2H = CH,< I
^CH, . CH, . CO . CHa ' ^CH, - CH, • C(OHXCHa)
Trlketone und Tetraketone.
Triketone. Diacetylaceton» CHa-COCH,.CO.CH,CO.CHa (Heptatrion
2.4.6) entsteht aus Dimethylpyrou (vgl. Bd. H) durch Wasseraufnahme beim Kochen
mit Barytwasser und Zersetzen des entstandenen Bariumsalzes mit Salzsäure:
= CH,CO.CH,CO.CH,.CO-CH,;
es bildet glänzende, farblose ErystallblStter, schmilzt bei 49' und iSst sich in Soda;
schon bei längerem Aufbewahren, rasch beim Erhitzen zersetzt es sieh wieder io
Wasser und Dimetbjlpyron: ein Beispiel einer ungewöhnlich leichten Ringschliessong-
' Feist, Ann. 267, 276 (1890). — Pbbkim, Joum. Soc. 61, 82&, 858 (1892).
THketone und Tetraketone, 859
Ungesättigte Triketone (Cbinogene) entstehen, wie schon S. 851 erwähnt,
bei der Condensation der a-Diketone durch Alkalien, sind aber bisher nicht aber
nntersacht.
Tetraketone. Octatetron 2.4.5.7 oder Ozalyldiaceton^ CHsCO-CHt-CO-
CO-CHt-CO'CHs entsteht durch Condensation von Ozalester mit Aceton in Gregen-
wart von Natriumäthylat und schmilzt bei 120 — 121^
Das Dioxim 3.4 des Hexatetrons 2.3.4.5 CH8-C0.C(:N.0H).C(:N.0H).
CO • CHs entsteht bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf Diacetbernsteinsäure-
ester', schmilzt bei 152*5^ unter heftiger G-asentwickelung, löst sich in Alkalien mit
intensiv gelber Farbe und entwickelt bei der Behandlung mit verdünnten Säuren
Blausäure. Die Abspaltung von Hydroxylamin unter Bildung des entsprechenden
Tetraketons ist leider nicht gelungen.
Eetoaldehyde.
Die Gemiinungsweisen der Ketoaldehjde sind im Allgemeinen analog
denjenigen der Diketone; ihre Eigenschaften werden wesentlich beeinflusst
durch die gegenseitige Stellung der Keton- und Aldehydgruppe.
A. a-Ketoaldehyde.
Der einfachste Ketoaldehyd:
CHaCOCHO
kann als Methylglyoxal oder Brenztraubensäurealdehyd bezeichnet
werden. Sein Monoxim* CH3-C0-CH(:N-0H) (Isonitrosoaceton)
kann leicht durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Acetessigsäure
erhalten werden (vgl. die Bildung der Isonitrosoketone S. 848):
CHs.CO.CH,.CO,H + NOOH = CHj-COCHCiNOH) + CO, + H,0,
bildet silberglänzende Sjryställchen, schmilzt bei 65^, lässt sich in ganz
kleinen Mengen unzersetzt destilliren, ist mit Wasserdämpfen sehr flüchtig,
in Wasser und Aether leicht löslich und löst sich in Alkalien mit intensiv
gelber Färbung (vgl. S. 850). Durch Spaltung mit verdünnter Schwefel-
säure (vgl. S. 849) erhält man daraus das Methylglyoxal^ selbst als
gelbe, mit Wasserdämpfen flüchtige, in Wasser sehr leicht lösliche Flüssig-
keit Da8Dioxim«CH3-C(:N.OH).CH(:N.OH)(Acetoximsäure,Methyl-
glyoxim) entsteht aus dem Monoxim und auch aus unsymmetrischem
Dichloraceton CHj-CO-CHClj durch Einwirkung von freiem Hydroxyl-
amin, bildet weisse Krystalle, schmilzt bei 153^, löst sich in kaltem
Wasser schwer, in warmem Wasser leicht, in Alkalien augenblicklich
farblos auf.
» CuusKN u. Stylob, Ber. 21, 1141 (1888). « Thajl, Ber. 26, 1724 (1892).
* V. Meter u. Züblik, Ber. 11, 695 (1878). — Treadwell u. Steiger, Ber. 15,
1059 (1882). — Cbresole, Ber. 16, 1326 (1882); 16, 833 (1888). — v. Pecbxanv, Ber.
20, 2542 (1887). — R. Scholl, Ber. 20, 3578 (1887).
* V. Pechmank, Ber. 20, 2543, 3213 (1887).
* V. Meyer u. Jannt, Ber. 15, 1164 (1882). — Treadwell u. Westenberqer,
ebenda, 2786. — Schramm, Ber. 16, 2187 (1883). — K. Scholl, Ber. 23, 3500, 3579 (1890).
860 KetocUdekyde.
Durch Nitrosirung der Ketoue B^CO-CHg mit Amylnitrit (Tgl. S. 849) kann
man Monozime yon weiteren Homologen des Glyoxals B*CO*CH(:N-OH) erhalten V
Im Anschloss daran sei das Diisonitrosoaceton' CH(:N-OH)-CO-CH(:N-0Hi
erwähnt, das ab Dioxim des Mesoxalaldehjds CHO'CO*CHO anfgefaast werden
kann, ans Acetondicarbonsfture CO,H • CH,* CO 'CH) '00,11 durch Einwirkung von
salpetriger Säure entsteht, bei 143 — 144^ unter Zersetsung schmilzt und sich in
Alkalien mit rothgelber Farbe löst; beim Kochen mit Wasser zerftllt es grössten-
theils in Kohlensäure, Blausäure und Wasser; durch Einwirkung yon Hydrozrlamin
liefert es das bei 171^ unter Zersetzung schmelzende, in Alkalien farblos lösliche
Propantrioxim CH(:N.OH).C(:N-OH).CH(:N-OH) (Triisonitrosopropan).
B. /9-Ketoaldehyde.
Man erhält /S-Ketoaldehyde KCO-CH,-CHO durch Condensation
von Methylketonen R-CO-CHg mit Ameisensäureester in Gegenwart von
Natriumäthylat^, z. B.:
CHgCOCHs + CHO.O.CjHs + CjHj.ONa =
CHaCO-CHiCHCONa) + 2C,Hs.0H (vgl. S. 853-854).
Ihre Natriumverbindungen und andere Salze sind recht beständige die
freien Ketoaldehyde dagegen sehr leicht veränderlich und kaum isoHrbar;
der Acetessigaldehyd z. B. geht schon bei gewöhnlicher Temperatur unter
Wasserabspaltung in Triacetylbenzol über:
CHa-COCH^v CHgCOC
m:!HO X'^
CHO CH CH
I + SH^O.
CHaCOCH, CHj-COCH. CHs-COC CCO-CH,
CHO pH
Eine solche Condensation erscheint nicht möglich bei den Eeto-
aldehyden R-CO-CHR-CHO, welche in die Methylengruppe zwischen
Keton- und Aldehydgruppe einen Alkylrest eingef> enthalten. Solche
Ketoaldehyde entstehen durch die Anwendung obiger Reaction auf Ketone
R-CO-CHj-R und sind in der That auch in freiem Zustand bestandig
(vgl. S. 861 Propionylpropionaldehyd). Im Gegensatz zu den /9-Diketonen
R-CO-CHRCO'R sind auch die derart alkylirten Ketoaldehyde noch
sauer genug, um Kupferacetat zu zersetzen (vgl. S. 854).
Mit Hydroxylamin und Phenylhydrazin reagiren die /S-Ketoaldehyde
den /S-Diketonen analog unter Bildung von Isoxazol- und Pyrazol-
derivaten.
Gewisse Reactionen, die namentlich an analogen Verbindungen der
aromatischen Reihe beobachtet sind, machen es indess wahrscheinlich,
dass diese sogenannten „/9-Ketoaldehyde*' gar keine Aldehydgnippe eat-
halten, sondern dass sie als Oxymethylenverbindungen, wie
^ Claisen u. Makasse, Ber. 22, 528 (1889).
* V. Pechmann u. Wehsaro, Ber. 19» 2465 (1886); 21, 2989 (1888).
' Olaisen u. Meterowitz, Ber. 22, 8278 (1889).
Ketoaldehyde. 861
CH3.C0.CH:CH.0H
(vgl. S. 860 die Bildungsgleichung), aufeufassen sind. Während in vielen
Fällen die Vinylalkoholgruppe — CH:CH(OH) in die Aldehydgruppe
— CHj-CHO sich umwandelt (vgl. S. 476), scheint, es, dass umgekehrt
die Vinylalkoholform gegenüber der Aldehydform die stabilere Atom-
gruppirung darstellt, wenn im Acetaldehyd oder seinen Homologen E-
CHg-CHO ein Wasserstoffatom der Methyl- bezw. Methylengruppe durch
ein Säureradical ersetzt ist^ (vgl. Formylessigester und Homologe in
Kap. 38).
Aeetessigaldehyd' oder Oxymethylenaeeton (vgl. oben) — CHg-CO-CH,.CHO
bezw. CH,.CO-CH : CH(OH) — liefert ein in hellblauen Nädelchen krystallisirendea, in
Wasser zdemlich lösliches Knpfersalz (C4H50s)sCq ; mit Eisenchlorid giebt er eine tief-
dunkelrothe Färbong — Proplonylproplonaldehyd' oder Oxymethylenpropion —
CaH5CO.CH(CH3).CHO bezw. CjHg - CO • CCCHs) : CH(OH) — (aus Propion und
Ameisensäureester, vgl. S. 860) bildet farblose Krystalle, schmilzt bei etwa 40**, siedet
unter 45— 50 mm Druck bei 75—85**, riecht eigenthümlich, ist in Wasser merklich lös-
lich und giebt mit Eisenchlorid in alkoholischer Lösung eine prächtige dunkel violette
Färbung.
C. /-Ketoaldehyde.
Das Dioxlm eines /-Ketoaldehyds — - des a-MethyllSviiliBaldehyds^:
CHs.CH.CH:N(OH)
I
CH2.C(:N.OH)-CH3
entsteht aus Dimethylpyrrol:
CH8-C=CH\
CH=C— CHg
durch Einwirkung von Hydroxylamin (vgl. S. 846, 857) und schmilzt bei 87—90**.
Dreiunddreissigstes Kapitel.
Halogenderivate der Aldehyde und Ketone.
Halogenderirate der Aldehyde.
Chlorderlrate. Die Chlorderivate des Acetaldehyds werden
gewöhnlich nicht durch directe Chlorirung des Aldehyds (vgl. S. 866
Butylchloral) gewonnen; vielmehr geht man zur Darstellung des Mono-
und Dichloraldehyds von den Chlorderivaten des Diäthyläthers (vgl.
* Vgl. Cm^iöen, Ber. 25, 1780 (1892). — Vgl. auch Eliasberq u. Friedlaekdeb,
Ber. 26, 1753 (1892).
" Claisen u. Stylos, Ber. 21, 1144 (1888). — Stock, Ber. 22, 3274 Anm. (1889). —
CuLisBH u. HoBi, Ber. 24, 139 (1891). ^ Claisen u! Lakzendörfbb, Ber. 25, 1787 (1892).
' Claisew u. Meyebowitz, Ber. 22, 3275 (1889).
* CuMicUN u. Zanbtti, Ber. 23, 1788 (1890).
862 Chlord&rivate des Aceialdehyds.
5. 197 — 198) oder des Acetals aus, für die Darstellung de^ besonders
wichtigen Trichloraldehyds vom Aethylalkohol.
Dass der Dichloräther durch Erhitzen mit Wasser Monochlor-
aldehyd liefert, ist schon S. 198 erwähnt; filr die Darstellung führt
man indess den Dichloräther zweckmässig durch Einwirkung von Natrium-
alkoholat^ erst in Monochloracetal (Siedepunkt 156 — 158^ über:
CH,C1.CH< + NaOCjHB = CH,Cl.CH(O.C,Hft), + NaCl
und spaltet letzteres durch Erhitzen mit Oxalsäure:
CH,C1.CH(0.C,H5), + H,0 = CH,C1.CH0 + 2C,H5.0H;
analog erhält man durch Spaltung des durch Chlorirung von Acetal oder
von wasserhaltigem Alkohol (vgl. S. 863) gewinnbaren Dichloracetals
CHClj-CH(0-CjHg)2 den Dichloraldehyd.
Monochloraldehyd' CH,C1-CH0 ist eine leicht bewegliche, äusserst scharf
riechende, bei 85° siedende Flüssigkeit, die sich beim Aufbewahren rasch in eine
porcellanartige amorphe Masse umwandelt. Bei der oben erwähnten Darstellungs-
/ /OH
CH^aCH/
weise wird er zunächst in Form seines Hydrats 2C,H8C10 +HjO = \0
CH,C1.CH<
erhalten — in Wasser leicht lösliche Tafeln, die sich zwischen 48° und 50° verflässigen,
bei 85*5° unter Spaltung in Wasser und Chloraldehyd verdampfen; leitet man die
Dämpfe über auf 100° erhitztes Chlorcalcium, so erhält man den wasserfreien Chlor-
aldehyd. Durch Schwefelsäure wird er zu einer trimolecularen, in rhombischen Nadeln
krystallisirenden, bei 87 • 5° schmelzenden Modification (C^HgClO), polymerisirt, welche
sich im Vacuum ohne Dissociation vergasen lässt.
Dichloraldehyd« CHCljCHO ist eine bei 88— 89° siedende Flüssigkeit, poly-
merisirt sich leicht zu einer amorphen oder zu einer krystallisirbaren (Schmelzpunkt
129—180°) Modification und bildet ein Hydrat C,H,C1,0 + HjO.
Der Trichloracetaldehyd CClj-CHO ist der wichtigste Repräsen-
tant unter den halogenirten Aldehyden und bekannt unter dem Namen
Chloral. Das Chloral ist zuerst 1832 von Liebig* durch Einwirkung
von Chlor auf Aethylalkohol erhalten worden; dieser Beaction bedient
man sich auch heute noch zur fabrikmässigen Darstellung des Chlorais
(durch Chlorirung von Aldehyd selbst, vgl. S. 866, erhält man Chloral^
nur, wenn man den condensirenden Einfluss der entstehenden Salzsäure
durch Anwendung von verdünntem wässrigen Aldehyd oder durch Neu-
* Vgl. AuTENRiETH, Bcr. 24, 160 (1891).
* Glinsky, Ztschr. Chem. 1867, 678; 1868, 617; 1870, 648. — Jacobsek, Ber.
4, 216 (1871). — Natterer, Monatsh. 3, 442 (1882); 4, 539 (1888); 5, 491 (1884);
6, 519 (1885).
" Paternä, Compt rend. 67, 456 (1868). Ztschr. Chem. 1869, 893. ~ Ja-
OOBSEN, Ber. 8, 87 (1875). — Kbey, Jb. 1876, 475. — Dbhabo, Ber. 17 o, 567(1884).
— Grimaüz u. Adam, Bull. 34, 29 (1880). — Friedrich, Ann. 206, 251 (1881).
* Ann. 1, 189 (1832).
» Pikneb, Ber. 4, 256 (1871). Ann. 179, 25 (1875).
Chloral. 863
tralisation yerhindert). Man leitet einen langsamen Ghlorstrom zunächst
unter Kühlung, später unter Erwärmung mit Dampf in Alkohol, so lange
noch Chlor aufgenommen wird; die Operation dauert ca. 6 Tage. Die
ersten Gef&sse füllt man mit bereits ^^angechlortem^S ^* ^' schon theil-
weise mit Chlor gesättigtem Alkohol; aus diesen tritt das Chlor in Vor-
lagen, welche mit fiischem Alkohol beschickt sind. Nach dem Erkalten
stellt das Reactionsprodukt eine krystallinische Masse dar, die zum
grössten Theil aus Chloralalkoholat (vgl. S. 865) besteht; man zerlegt
dasselbe durch Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure, hebt oder
destillirt nun das als Oelschicht oben schwimmende Chloral ab und ver-
arbeitet es auf Chloralhydrat, nachdem man ihm durch Zusatz von etwas
Wasser und von kohlensaurem Ealk Salzsäure und kleine Mengen
Phosgengas entzogen hat. [Bei diesem Verfahren erhielt man jfrtiher als
Nebenprodukte in nicht unbeträchtlicher Quantität eine Reihe anderer
chlorhaltiger Verbindungen: Chloräthyl, Aethylenchlorid, Aethylidenchlorid
(8. 545), Chloräthylenchlorid (S. 554), Methylchloroform (S. 554); neuerdings
indess werden diese Nebenprodukte theils nicht, theils nur in geringer
Menge gewonnen.]
Man kann die Bildung des Chlorals^ in dieser Reaction am ein-
fachsten durch die beiden Gleichungen:
CHj . CHj(OH) + Clj = CHj . CHO + 2 HCl,
CHs • CHO + 3 Cl, = CCls • CHO + 3 HCl
erklären; allein man hat zweifellos zwischen der Bildung des Aldehyds
(erste Gleichung) und der Bildung des Chloralalkoholats noch eine Reihe
von intermediären Reactionen anzunehmen. Viel Wahrscheinlichkeit hat
die Annahme, dass sich zunächst aus Aldehyd und Alkohol Acetal
CH3-CH(0-CjHß)2 bildet, dieses bis zum Dichloracetal CHCla-C^O-CjHg)^
chlorirt wird, welches nun bei weiterer Chlorirung:
/OC^Hfi
CHCl,.CH(0.C,H5)j + Cl, = CClgCH/ + CjHjCl
\0H
Chloralalkoholat und Chloräthyl liefert. Thatsächlich tritt Dichloracetal
als Nebenprodukt der Fabrikation auf,
Chlorirt man Alkohol in Gegenwart von Eisenchlorid, so erhält man
nicht Chloralalkoholat, sondern ein Gemisch von Chloral und Chloralhydrat*.
Chloral' ist eine ölige Flüssigkeit von durchdringendem Geruch,
siedet bei 97-7^ und besitzt bei 20^ das spec. Gew. 1-512. Mit Wasser
ist es an sich nicht mischbar, verbindet sich aber damit nach wenigen
Augenblicken unter lebhafter Erhitzung zu leicht löslichem Chloral-
* WuBTz u. Vogt, Compt rend. 74, 777 (1872). — Lieben, Ann. eh. [8] 62,
313 (1858). Ber. 3, 907 (1870). — Patebn6, Ann. 160, 253 (1869). — Jacobsen u.
Nbuiceister, Ber. 16, 599 (1882).
* Page, Ann. 226, 209 (1884).
" Bbühl, Ann. 203, 11 (1880). — Thobpe, Journ. Soc. 37, 191 (1880). — Fassa-
VAKT, Journ. Soc. 39, 55 (1881). — Febein, Journ. Soc. 61, 808 (1887).
864 Chloralhydrat,
hydrat. Bei Gegenwart geringer Mengen Schwefelsäure oder anderer
Beimengungen geht es allmählich in festes, amorphes, polymeres ^ Chloral
(Metachloral) über; durch kleine Mengen Trimethylamin können grosse
Mengen Chloral unter lebhafter Reaction in eine weisse feste Masse
verwandelt werden, welche stickstofffrei ist und bei der Behandlung mit
alkoholhaltigem Aether Chloralalkoholat liefert.
Chloral reducirt ammoniakalische Silberlösung unter Spiegelbildung ^,
wird von rauchender Salpetersäure zu Trichloressigsäure (vgl. S. 715)
oxydirt, von Zink und Salzsäure in Aldehyd verwandelt*. Von beson-
derem Interesse, ist sein Verhalten gegen wässrige Alkalien; schon in
der Kälte wird es in Chloroform und ameisensaures Alkali gespalten:
CC1,.CH0 + KOH = CHCla + CHO-OK;
diese auffallende Reaction* illustrirt besonders deutlich den lockernden
Einäuss, den die Beladung mit negativen Radicalen auf den Zusammen-
halt der KohlenstofiFatome ausübt (ähnliche Spaltungen vgl. bei den Poly-
carbonsäuren [S. 651, 699, 705], der Trichloressigsäure [S. 715], den
/?-Diketonen [S. 854], den halogenirten Ketonen [S. 868] etc.). Auf dieser
Reaction beruht die übliche Darstellungsmethode des Chloroforms (S. 538).
Indem man sie mit überschüssigem titrirten Alkali ausfuhrt und dann
die nicht durch Ameisensäure neutralisirte Alkalimenge zurücktitrirt,
kann man eine quantitative Chloralbestimmung* darauf gründen.
Das Additionsbestreben der Aldehydgruppe — CHO ist durch die
Vereinigung mit der an elektronegativen Bestandtheilen reichen Gruppe
— CClg noch erhöht. Als besonders merkwürdig ist hervorzuheben, dass
Chloral sich mit Wasser schon beim Schütteln zu einem Hydrat ver-
einigt, das nicht als Krystallwasserverbindung, sondern als Dihydroxyl-
verbindung CCl3-CH(OH)2 aufzufassen ist. Dieses Chloralhydrat^ bildet
grosse monokline Krystalle, schmilzt bei 57^, siedet bei 96 — 98® unter
Zerfall in Wasser und Chloral, ist in Wasser leicht löslich und liefert,
mit concentrirter Schwefelsäure gemengt, wieder Chloral zurück. Es ist
diejenige Form, in welcher das Chloral auf den Vorschlag Ltebseigh's^
* Vgl. V. Meyer u. Dulk, Ann. 171, 76 (1873). — Grabowski, Ber. 8, 1436
(1875). — Byasson, Compt. rend. 91, 1071 (1880). — Lemoine, Compt rend. 93, 514
(1881). — CoMBEB, Ann. eh. [6J 12, 268 (1887).
" Staedeler, Ann. 106, 253 (1858). ^ PEBflONNE, Ann. 167, 113 (1871).
* Ueber die Benutzung dieser Eeaction zu Untersuchungen betreib der Ver-
zögerung oder Verhinderung chemischer Beactionen in gewissen Theilen der reagi-
renden Flüssigkeit („todter Raum bei chemischen Beactionen'*) ygl. Lisbbsich, Jb.
1886, 32. Ztschr. f. physik. Chem. 5, 529 (1890); 8, 83 (1891^ — Budde, Ztschr. f.
physik. Chem. 7, 586 (1891).
* V. Meter u. Hafftee, Ber. 6, 600 (1873).
^ Persottne, Compt. rend. 69, 1363 (1869). — Boucheb, Lebaigne u. Jukofleisch,
Ztschr. Chem. 1870, 351. — Flückigeb, ebenda, 482. — V. Meyeb u. Dulk, Ann.
171, 65 (1873).
^ Ber. 2, 269 (1869).
Derivate des Cklorals. 865
hin seit etwa 20 Jahren das beliebteste Schlafmittel darstellt; auf die
Idee, das Chloral als Schlafmittel zu prüfen, wurde Liebbeich durch
die Erwägung gefuhrt, es möchte innerhalb des Organismus Chloroform
abspalten; doch haben spätere Untersuchungen gezeigt, dass das Chloral
diese Spaltung im Körper nicht erleidet, sondern nach Reduction zu
Trichloräthylalkohol in Form einer eigenthümlichen Säure — der Uro-
chloralsäure (vgl. S. 952) — austritt ^ Die schlafmachende Wirkung des
Chlorals düi'fte eher auf seine Zugehörigkeit zur Klasse der Aldehyde
zurückzuführen sein (vgl. Paraldehyd S. 406, Trichloressigsäure S. 715).
— Für die Auffassung des Chloralhydrats als Dihydroxylderivat^ spricht
namentlich der Umstand, dass es im Gegensatz zum Chloral die Aldehyd-
reaction mit fuchsinschweiiiger Säure (S. 393) nicht zeigt; das Chloral-
hydrat bildet mithin eine Ausnahme von der Regel, dass mehrere Hydroxyl-
gruppen nicht an demselben Kohlenstoffatom haften können (vgl. S. 558).
Derivate des Chlorals. Das dem Cbloralhydrat analoge und äusserlich äbn-
/0C,H5
liehe Chlor alalkoholat"'* CCl3*CH<(^ — das Zwischenprodukt bei der
Chloraldarstellung (S. 868) — schmilzt bei 56— 57<>, siedet hei 115 <> unter Zer&ll.
Infolge der Alkoholabgabe entwickelt es beim Erhitzen im Gegensatz zum Cbloral-
hydrat brennbare Dämpfe; daher wird von dem officinellen Cbloralbydrat nach dem
Arzneibucb für das deutsche Reich gefordert, dass es keine brennbaren Dämpfe ent-
wickelt
/OH
Chloralammoniak*-« CClg-CH/ schmilzt bei 62— 64<>. — Auch mit Sfiure-
amiden^'^ tritt Chloral zu additioneilen Verbindungen zusammen; hierher gehört das
.OH
als SchlafiDaittel benutzte Chloral formamid CCl3-CH<; (Schmelzpunkt
^NH-CHO
114—115°).
Hydrozylamin reagirt ebenfalls zunächst auf Chloral unter Bildung eines
.OH
Additionsproduktes^ CCL-CH^ ; dasselbe krystallisirt in Schuppen und
^NHOH
schmilzt bei 98®. Durch Einwirkung von überschüssigem salzsaurem Hydroxylamin
in sehr concentrirter wässriger Lösung und bei gelinder Wärme erhält man das Tri-
chloraldoxim^ CClg • CH : N • OH, welches bei 39—40*^ schmilzt, in kleinen Mengen
* Vgl. V. Merino u. Musculus, Ber. 8, 662 (1875).
• Cabo u. V. Meter, Ber. 13, 2343 Anm. (1880). — Vgl. auch Peekin, Journ.
Soc 51, 808 (1887).
• Pebsonne, Compt. rend. 69, 1363 (1869). — Roucheb, Lebaiqne u. Jungfleisch,
ZtBchr. Chem. 1870, 351. — Mabtiüs u. Mendelssohn, Ber. 3, 444 (1870). — Lieben,
ebenda, 909.
* Pebsonke, Ann. 157, 114 (1871). — R. Schiff, Ber. 10, 166 (1877). — Bähal
u, Ghoay, Compt. rend. 109, 817 (1889); 110, 1270 (1890). Ann. eh. [6] 26, 5 (1892).
— Vgl. auch R. Schupf, Ber. 24 c, 628 (1891).
* Jacobsen, Ann. 167, 243 (1870). — Moscheles, Ber. 24, 1803 (1891).
• Hantzsch, Ber. 26, 701 (1892). ' V. Meyeb, Ann. 264, 118 (1891).
» Bähal u. Choay, Ann. eh. [6] 27, 319 (1893).
y. Mbtbk u. Jaoobsok, org. Chem. I. 55
866 Cldorderivate der höheren Aldehyde.
unzersetzt siedet, furchtbar reizende Wirkung auf die Augen ausübt und von Alkalien
explosionsartig unter Bildung von Blausäure, Salzsäure und Kohlensäure (nicht Chloro-
form) zersetzt wird. Durch Einwirkung von überschüssigem Hydroxylamin auf Chloral
in Gegenwart von überschüssigem Alkali entsteht das Chlorglyoxim* CC1(:N0H)'
CH(:N'OH) (Chloramphiglyoxim), welches aus Wasser mit 1 Mol. Krystall-
wasser in Nadeln krystallisirt und in verdünntem Nati'on und in Ammoniak sich
unverändert auflöst; leitet man in seine ätherische Lösung Chlorwasserstoff, bo
wird es in das stereoisomere Chlorantiglyoxim verwandelt, welches gegen
Alkalien äusserst empfindlich ist; durch sehr verdünnte Alkalien wird letzteres
augenblicklich in Chloramphiglyoxim zurückverwandelt, durch gewöhnliches Natron
unter Gelbfärbung, durch concentrirtes Ammoniak unter Bräunung explosionsartig
zersetzt. Es liegt hier ein specieller Fall von Stereoisoraerieerscheinungen vor, wie
sie bei Oximen in letzterer Zeit sehr häufig beobachtet sind (vgl. S. 950, 977, 985, 98Ti
und namentlich an den Oximen der aromatischen Reihe ausführlich studirt sind.
Ueber ihre Erklärung (wie auch über die Bedeutung der Vorsilben „amphi*' und
„anti^O vergleiche daher die Oxime aromatischer Aldehyde und Ketone in Band IL
Mit a-Oxysäuren (z. B. Milchsäure) tritt Chloral beim Erhitzen zu acetalartigeu
Verbindungen unter Wasserabspaltung zusammen, die als Chlorali de bezeichnet
werden, z. B. :
OH . CH ■ CH. /0-CH . CHj
f = CCl3-CH< 1
OH. CO ^O-CO
Chloralid^ war ursprünglich eine Substanz CsH^Cl^Os genannt, welche durch
Einwirkung von rauchender Schwefelsäure auf Chloral entsteht, bei 114—115®
schmilzt und bei 272—273^ siedet. Die Constitution dieser Verbindung, die lange
räthselhaft war, ist durch eine scharfsinnige Untersuchung von Wallach an%eklSrt:
da sie auch beim Erhitzen von Trichlormilchsäure (S. 755) mit Chloral entsteht, so
,0— CHCCl,
ist sie als Trichlormilchsäure-trichloräthylidenester CCls-CH<f (
^CO-CO
aufzufassen.
Chlorderivate der höheren Aldehyde, Wenn man gewöhnlichen Acetaldehyd
oder Paraldehyd der Einwirkung von Chlor aussetzt, so erhält man als Hauptprodukt
nicht ein Substitutionsprodukt des Acetaldehyds, sondern ein Trichlorderivat des
Butyraldehyds — das sogenannte Butylchloral', welchem bisher die Formel CH,-
CHCl • CCl, • CHO zuertheilt wurde, welches aber nach einer neueren Untersuchung
ein Gemijsch von zwei sehr ähnlichen Isomeren zu sein scheint; die Reaction verlSuft
wahrscheinlich derart, dass sich zunächst Monochloracetaldehyd bildet, welcher sich
unter dem Einfluss der entstehenden Salzsäure mit Aldehyd zu a-Chlorcrotonaldehyd
condensirt, worauf letzterer Chlor addirt:
CHs . CHO + CHjCl . CHO = CH, • CH : CCl • CHO + H,0 ,
CH, . CH : CCl . CHO + Cl, = CH, • CHCl • CCl, • CHO .
CCl,. CHO +1 = CC1,.CH< [ + H,0.
1 Nageli, Ber. 16, 499 (1883). — Hantzsch, Ber. 26, 707 (1892).
» StIdeleb, Ann. 61, 104 (1847); 106, 253 (1858). — Kekulä, Ann. 106, 293
(1857)1 — Geabowsky, Ber. 8, 1433 (1875). — Wallach, Ann. 193, 1 (1878). - Otto,
Ann. 239, 262 (1887). — Amschütz u. Haslam, Ann. 239, 297 (1887); 263, 121 (1889>
« KbImee u. Pinneb, Ber. 3, 388 (1870). — Sabnow, Ann. 164, 98 (1872). -
Pinneb, Ber. 8, 1561 (1875). Ann. 179, 26 (1875). — Engel u. Moitessibb, Oompt
rend. 90, 1075 (1880). — Lieben u. Zeisel, Jb. 1881, 598. Monatsh. 4, 531 (1883 <•
— BBtfHL, Ann. 203, 20 (1880). — Thomas, Jb. 1887, 1361. — IL Sohifp u. Taeuoi.
Ber. 24c, 828 (1891). — R. Schipp, Ber. 26, 1690 (1892),
Broni' und Jodderivate der Aldehyde. 867
Butylchloral ist eine farblose ölige Flüssigkeit, siedet bei 164— 165^ besitzt bei 20*^
das spec. Gew. 1*396, vereinigt sich mit Wasser zu einem krystallinisehen Hydrat,
wird von Salpetersäure zu Trichlorbuttersäure oxydirt.
a Chlorisobutyraldehyd ^ (CHa),CClCHO ist durch Einwirkung von Chlor auf
Isobutylalkohol erhalten.
Bromderlrate der Aldehyde.
Monobromaeetaldehyd* CH,Br>CHO ist durch Spaltung von Monobromacetal
mit Wasserspeier Oxalsäure (vgl. Chloraldehyd, S. 862) erhalten.
BromaP CRrj-CHO ist in Bezug auf Bildung und Verhalten dem Chloral durch-
aus analog; es siedet bei 172 — 173^, ist bei -20^ noch flüssig, besitzt das spec. Gew.
3-34; sein Hydrat schmilzt bei 53 -5^ — Tribrompropionaldehyd^ CH,Br-CBr,CHO
(Glycerinbromal) entsteht durch Einwirkung eines Gemisches von concentrirter
Bromwasserstoflfeäure und concentrirter Schwefelsäure auf Glycerin; sein Hydrat
C,H,Br,0 + 2H,0 schmilzt bei 61- 5^
JodderiTate. Monojodderivate der Aldehyde* lassen sich leicht durch
Einwirkung von Jod auf die in Wasser oder Alkohol gelösten Aldehyde in Gegen-
wart von Qnecksilberoxyd oder Jodsäure erhalten. Monojodaeetaldehyd CH,J*CHO
ist eine wasserhelle ölige Flüssigkeit vom spec. Gew. 2*14 bei 20^ die bei — 20^
nicht erstarrt, sich an der Luft schnell schwärzt, bei 80^ schon Zersetzung erleidet;
schon bei gewöhnlicher Temperatur stösst er Dämpfe aus, die ausserordentlich die
Augen und Athmungswerkzeuge angreifen. — Ein dem Chloral entsprechendes Jodal*
CJj-CHO ist, obwohl früher beschrieben, in Wahrheit nicht bekannt.
Halogenderirate der Eetone.
Die Halogenderivate der Ketone können leicht durch directe Sub-
stitution aus den Ketonen — sowohl aus den Monoketonen wie aus den
Diketonen — gewonnen werden^.
Hochhalogenirte Derivate der Ketone entstehen häufig aus Benzol-
derivaten durch Spaltung des KohlenstofiFringes® bei der Einwirkung der
Halogene; z. B. erhält man (unter intermediärer Bildung von Penta-
methylenderivaten, vgl. Bd. II):
» Brochet, Bull. [3] 7, 641 (1892).
' E. FiscHEB u. Landstbiner, Ber. 25, 2651 (1892).
" Löwio, Ann. 3, 288 (1832). — Schapper, Ber. 4, 366 (1871). — Hardt,
Gompt rend. 79, 806 (1874). — Pikneb, Ann. 179, 72 (1875).
^ NiEMiLowicz, Monatsh. 11, 87 (1890).
* Chautard, Compt rend. 102, 118 (1885). Ann. eh. [6] 16, 145 (1888).
« Vgl. AüATO^Jb. 1876, 473. — Bertrand, Jb. 1881, 588. — Mülder, Rec.
trav. chim. 7, 321 (1888).
' Vgl. S. 868—869 die Citate bei den Chlorderivaten des Acetons, femer: Emmer-
LDfO u. Wagner, Ann. 204, 28 (1880). — de Clermont u. Chautard, Compt. rend.
100, 745 (1885). — Norton u. JVestenhoff, Jb. 1888, 1564. — Vladesco, Butl. [3] 6,
395, 807 (1891). — Combes, Compt. rend. 111, 272 (1890).
* Vgl. WEroEL u. Gbcber, Ber. 10, 1145 (1877). — Hantzsch u. Schniteb, Ber. 20,
2040 (1887). — Hantzsch, Ber. 21, 2427, 2437, 2441 (1888); 22, 1254, 1255, 2847,
2849 (1889). — Lew u. Jedlicea, Ber. 20, 2318 (1887); 21, 318 (1888). — Zincke a.
Kegel, Ber. 23, 231, 235, 240, 1708, 1717 (1890). — H. Landolt jun., Ber. 25, 857
(1892).
55*
868 Halogenderivate von Kelonen.
CHCl, . CO • CHCl, /^^\
Tetrachloraceton Cl • C U • OH
und aus ; '
CHCljCO.CO.CHCl, ^*^-^ ^-^^
Tetrachlordiacetyl ^CO^
Chloranilsäure
durch Einwirkung von chlorsaurem Kali und Salzsäure, Hexabromaceton
aus .der entsprechenden Bromanilsäure; aus Phoroglucin entsteht bei der
Einwirkung von Chlor ein Hexachlortriketohexamethylen:
OH
^h .CO.
CH CH CCl, CCJa
I I . > \ ! ,
OH-C C~OH Co CO
"^ch/ \cci/
welches bei weiterer Behandlung mit Chlor und Wasser Octochlor-
acetylaceton :
COCCU-CO Qj^ CO.CCIj.CO.OH
A
+ 01
Cla-COCClj ^' CCla-COCCIi
COCCUCOOH COCCla
4-Cl.OH = ! +C0, 4-H,0
CCl, . CO . CCI3 CCl, . CO . CClj
liefert, etc.
Manche Halogenderivate der Ketone besitzen einen äusserst stechen-
den Geruch oder nehmen einen solchen beim Aufbewahren an; beim
Operiren mit denselben ist grösste Vorsicht geboten, da ihre Dämpfe
Augen und Athmungsorgane in der heftigsten Weise angreifen.
Die hochhalogenirten Derivate der Ketone erinnern an das Chloral
durch ihre Neigung zur Bildung krystallisirter Hydrate, wie CHCIjCO-
CHClg + 4H2O, und die Leichtigkeit, mit welcher sie durch verdünnte
Alkalien gespalten werden, z. B. Hexachloraceton CClg-CO-CCl^ durch
Ammoniak in Chloroform CHCI3 und Trichloracetamid NHj-CO-CClg.
Chlorderivate des Acetons. Durch Chlorirung des Acetons^ im zerstreuten
Licht erhält man als Endprodukt Tetrachloraceton, während die Chlorirung im directen
Sonnenlicht bis zur Substitution aller Wasserstoffatome durchgeführt werden kann-
Monochloracetoni-« CHjCl-CO-CH, siedet bei 118— 120^ zeigt bei 13» das spec
Gew. 1*158, ist in Wasser leicht löslich und bildet kein Hydrat; es besitzt in der
Regel einen äusserst heftige^, zu Thränen reizenden Geruch, der indess dem reinen
frisch bereiteten Präparat nicht zukommt und älteren Präparaten durch Waschen
mit seftr schwach alkalischem Wasser benommen w^en kann; man benutzt es zu-
* Clobz, Ann. eh. [6] 9, 145 (1886).
» RicHE, Ann. 112, 821 (1859). — Linnemann, Ann. 134, 171 (1865); 138, 122
(1866). — Glutz, J. pr.*[2] 1, 189 (1870). — C. Bischofp, Ber. 5, 863 (1872). -
Henry, ebenda, 190, 966. — Mulder, ebenda, 1009. — Glütz u. Fischer, J. pr. l21
4, 52 (1871). — TscHERNiAC, Ber. 25, 2629 (1892). — Feitsch, Ber. 26, 597 (1898).
Chlorderivate des Acetons und Di^iceiyls. 869
weilen für Synthesen, um das Acetonylradical CH,-CO-CHj — einzufuhren. — üu-
BjmmetrischeB Dichloraceton*'*' CHC1,«C0«CH, entsteht bei der Chlorirung
des Acetons, siedet bei 1*^0^ besitzt bei 15^ das spec. Gew. 1«284, ist in Wasser
wenig löslich, riecht stark reizend und bildet ein Hydrat mit 3 Mol. Wasser. — Sym-
metrisches Dichloraceton*-*-* CHjCl-CO-CHjCl entsteht, wenn man Aceton in
Gegenwart von Wasser mit Chloijod bedandelt und das so erhaltene Dijodacetou mit
Chlorsilber erhitzt; es schmilzt bei + 44° und siedet bei 170°. Durch Oxydation von
symmetrischem Dichlorhydrin CHjCl -011(011) »CHjCl erhält man ein Produkt von
der Zusammensetzung des Dichloracetons^*^, welches den gleichen Schmelzpunkt und
Siedepunkt wie das obige symmetrische Dichloraceton zeigt, aber doch nicht in allen
Stücken sich mit demselben gleichartig zu verhalten scheint. — Die beiden isomeren
Trichloracetone*-' CHC1,.C0.CH,C1 und CClg-COCHj entstehen bei der Chlori-
rung des Acetons; CCls'CO'CH, spaltet mit Alkalien Chloroform ab (vgl. S. 538). —
Unsymmetrisches Tetrachloraceton»» CClj-CO-CHjCl siedet bei 180—182°,
zeigt bei 17° das spec. Gew. 1*482, ist mit Wasserdämpfen sehr fltlchtig, besitzt
furchtbar heftigen Geruch, bildet mit 4 Mol. HgO ein bei 38 — 39° schmelzendes
Hydrat und liefert mit Ammoniak Chloroform neben Monochloracetamid. — Sym-
metrisches Tetrachloraceton**' CHClj • CO • CHClj wird am besten aus Tri-
amidophenol durch Oxydation mit Salzsäure und Kaliumchlorat erhalten, siedet bei
179 — 181°, besitzt das gleiche specifische Gewicht wie das unsymmetrische Tetra-
ebloraceton; mit 4 Mol. H^O bildet es ein Hydrat, welches aus warmem Wasser in
farblosen Säulen kiystallisirt und bei 48—49° schmilzt. — Pentachloraceton*"*'*°
CClj-CO-CHClj siedet bei 192°, besitzt bei 14° das spec. Gew. 1-576, löst sich in
der zehnfachen Menge Wasser von 0° und scheidet sich bei 50 — 60° wieder aus der
LfoeuDg ab, liefert mit Ammoniak Chloroform und Dichloracetamid. — Hexachlor-
aceton^ CClg-CO-CCl, (Perchloraceton) erstarrt in der Kälte zu grossen weissen
Bl&tte'm, die bei — 2° schmelzen, siedet bei 202 — 204°, besitzt bei 12° das spec. Gew.
1-744, bildet mit 1 Mol. Wasser ein Hydrat, spaltet sich beim Erhitzen mit Wasser
auf 120° glatt in Chloroform und Trichloressigsäure.
Halofenderivate des Diacetyls. Tetrachlordiacetyl" CHC1,C0.C0CHC1,
(Bildung s. S. 867 — 868) krystallisirt aus Aether in intensiv gelben Tafeln, schmilzt
bei 83 — 84°, siedet bei 201—203°, riecht stechend und ist in warmem Wasser löslich.
» Cloez, Ann. eh. [6] 9, 145 (1886).
• Glutz u. Fischer, J. pr. [2] 4, 52 (1871). — Tscherniao, Her. 26, 2629 (1892).
» FiTTio, Ann. 110, 40 (1858). — Bobsche u. Fittio, Ann. 133, 112 (1864). —
LiKNEMAKN u. ZoTTA, Ann. 168, 247 (1871). — Mulder, Ber. 6, 1007 (1872). — Thbe-
OABTBM, Ber. e, 897 (1873). — Biscuopf, Ber. 8, 1330 (1875). — Grabowsky, ebenda,
1438. — Conrad, Ann. 186, 235 (1877). — V. Meyer u, Jaknv, Ber. 16, 1165 (1882).
• VoELCKER, Ann. 192, 93 (1878).
» Fritsch, Ber. 26, 598 (1893).
^ Erlenbach, Ann. 269, 18, 46 (1891).
» Krämer, Ber. 7, 257 (1874). — Morawski, J. pr. [2] 12, 379 (1875). — Bi-
schoff, Ber. 8, 1336 (1875). — Combes, Ann. eh. [6] 12, 239 (1887).
• BiscHOFP, Ber. 8, 1342 (1875).
' Lbvy u. Jedlicka, Ber. 21, 319 (1888). — Levy u. Churchod, Ann. 262, 330
(1889). — Levy u. Witte, ebenda, 343. — Hantzscb, Ber. 21, 2438 (1888). — Zincke
n. Kboel, Ber. 22, 1478 (1889).
^^ Plantahoür, Berz. Jb. 26, 429 (1847). — Stadeler, Ann. 111, 293 (1859).
" Levy u. Jeducka, Ber. 21, 318 (1888). — Levy u. Witte, Ann. 264, 83
(1889). — Levy, ebenda, 374.
870 Halogenderivate des Acetylacetons.
— Das entsprechende Tetrabromdiacetyl* CHBr, • CO • CO • CHBr, (Schmelzpunkt
95 — 96^j kann durch directe Bromirung des Diacetyls erhalten werden.
Halopenderirate des Aeetylaeetons. Durch erschöpfende Halogenimng' des
Acetylacetons in der Wärme und im Sonnenlichte erhält man Hezachloracetyl-
aceton CClj-COCHj-COCCls (flüssig, Siedepunkt 190—195« unter 20 mm Druck)
uni Heiabromacetylaceton CBrj.CO-CHj'CO-CBr, (fiirblose Nadeln, Schmek-
punkt 107— 108*0 — Verbindungen, aus welchen Alkali mit grösstei* Leichtigkeit
Trichloraceton bezw. Tribromaceton abspaltet. — Octochloracetylaceton' (X)l,-
CO . CClg • CO . CCla (Bildung vgl. S. 868) schmilzt bei 42—48«, siedet unter Summ
Druck bei 165 — 168« und liefert mit Ammoniak Trichloracetamid. — Octobrom-
acetylaceton* CBr, • CO • CBr, • CO • CBr, (Phlorobromin) schmilzt bei 154-155*
und wird beim Erhitzen mit Wasser auf 180 — 140« in Bromoform, Kohlensäure und
Pentabromaceton gespalten.
I
I
Vierunddreissigstes Kapitel.
Die einfachen Aldehydalkohole und Ketonalkohole.
Die Gruppe der Aldehydalkohole und Ketonalkohole hat ein be-
sonderes Interesse erlangt, seitdem man erkannt hat, dass Substanzen
ihr angehören, welche die Natur im allergrössten Massstab im Pflanzen-
körper erzeugt, welche wichtige Bestandtheile unserer täglichen Nahrungs-
mittel ausmachen. Es sind dies die sogenannten ., Kohlenhydrate'*,
die theils nichts anderes als Aldehydalkohole oder Ketonalkohole sind
(Traubenzucker, Fruchtzucker etc.), theils anhydridartige Abkömmlinge
derselben (Rohrzucker, Stärke, Cellulose etc.), welche leicht in Aldehyd-
bezw. Ketonalkohole übergeführt werden können. Die Molecüle dieser
Substanzen bezw. der ihnen zu Grunde liegenden Aldehydalkohole oder
Ketonalkohole enthalten stets auf eine Carbonylgruppe eine grössere
Zahl von Hydroxylgruppen.
In diesem Kapitel sollen zunächst die einfacheren, nur künstlich
gewonnenen Aldehydalkohole und Ketonalkohole besprochen werden,
deren Molecüle neben einer Carbonylgruppe nur eine oder zwei
Hydroxylgruppen enthalten. Im Anschluss daran bringt das folgende
Kapitel die Schilderung der hydroxylreicheren Aldehyd- und Keton-
alkohole — der einfachen Zuckerarten oder Monosaccharide.
lldehydaikohole.
Der einfachste Aldehydalkohol — der Glykolsäurealdehyd * CH,(OH)'
CHO (Glykolaldehyd) — ist bisher nur in wässriger Lösung bekannt
* Keller, Ber. 23, 85 (1890). « Combes, Ann. eh. [6] 12, 236 (1887).
3 ZiNCKE u. Kegel, Ber. 23, 240 (1890). {
* Benedikt, Monatsh. 6, 702 (1885). — Zincke u. Kegel, Ber. 23, 1717 (1890). '
» Abeljanz, Ann. 164, 213, 223 (1872), — Pinneb, Ber. 6, 150 (1872). -
E. Fischer u. Landstbineb, Ber. 25, 2549 (1892). — W. Marcewald u. Eluxoer,
ebenda, 2984.
Glykolsäurealdehyd und ÄldoL ■ 871
Man bereitet seine Lösung, vom Acetal ausgehend; entweder bromirt
man Acetal, spaltet aus dem Monobromacetal durch Erhitzen mit wasser-
freier Oxalsäure die Aethylgruppen ab (vgl. S. 862) und entbromt den so
entstehenden Bromaldehyd durch kaltes Barytwasser:
CHgCHCOCjHg), >- CH,Br.CH(O.C,Hß), >- CHjEr-CHO
>- CH2(0H).CH0;
oder Chloracetal wird durch Erhitzen mit alkoholischer Kalilauge in
Glykolacetal übergeführt, und letzteres durch Kochen mit sehr verdünnten
Säuren gespalten:
CH,Cl.CH(O.C,Hö), >- CHj(0H).CH(0C,H5), > CHj(OH).CHO.
Die Gegenwart des sehr leicht veränderlichen, mit Wasserdämpfen übrigens
aus verdünnten Lösungen unzersetzt abdestillirenden Glykolaldehyds in
den auf passende Weise gereinigten, durch obige Beactionen erhaltenen
Lösungen ergiebt sich aus der Entstehung von Glykolsäure durch Oxy-
dation derselben mit Bromwasser. Die Lösung zeigt die folgenden, für
Verbindungen, welche die Gruppe
-CH(OH)-CO-
enthalten, typischen Reactionen:
1. sie reducirt FEHLiNö'sche Lösung (schon bei Zimmertemperatur),
2. sie färbt sich beim En^'ärmen mit Alkalien gelb,
3. sie liefert bei gelindem Erwärmen mit essigsaurem Phenyl-
hydrazin infolge von Oxydation der zur Carbonylgruppe benachbarten
Alkoholgruppe ein „Osazon" (vgl. S. 850), in diesem Falle dasjenige
des Glyoxals:
CeHB.NHNiCH-CHiNNH.CeHj.
Lässt man die Lösung bei 0^ mit schwacher Natronlauge längere Zeit
stehen, so ist der Glykolaldehyd durch Aldolcondensation (vgl. unten):
CH,(OH).CHO + CH,(OH).CHO = CH8(0H).CH(0H).CH(0H).CH0
in eine Tetrose (vgl. S. 891) verwandelt.
Wichtig ist femer der /S-Oxybutyraldehyd^ CH3.GH(OH)-CH2-CHO,
welcher von Wübtz entdeckt und Aldol genannt worden ist; er entsteht
durch Polymerisation des Acetaldehyds (vgl. S. 407):
CHjCHO + CHs-CHO = CH, • CH(OH) • CH, ■ CHO ,
und diese Bildung stellt den zuerst bekannt gewordenen Fall einer sehr
häufig eintretenden Reaction der Aldehyde dar (Aldolcondensation,
vgL S. 395). Aldol ist, frisch destillirt, leicht flüssig, wird aber bald
unter Erwärmung zäh, um bei erneuter Destillation wieder flüssig zu
werden; es siedet unter 20 mm bei 90 — 105^, besitzt bei 0^ das
* WuETz, Compt rend. 74, 1861 (1872); 76, 1165 (1878); 83, 255, 1259(1876);
92, 1438 (1881); 97, 1169, 1525 (1883). — Lobby de Brutn, Bull. 42, 161 (1884). —
MicHASL n. Kopp, Ber. 16, 2501 (1883). — Obndorbf u. Newbuby, Monatsh. 13,
517 (1892).
872 Ketonalkohole oder Ketok.
spec. Gew. 1-121. ist mit Wasser und Alkohol mischbar, in Aether
löslich, liefert beim Erhitzen auf 135® Crotonaldehyd (vgl. S. 526), durch
Oxydation mit Silberoxyd /S-Oxybuttersäure (S. 759) und polymerisirt
sich leicht.
lieber den dem Aldol isomeren a-Oxyisobuturyraldehjd^ (CHa),C(OH)-CH0
vgl. die Original literatur.
Ketonalkohole oder Eetole.
Die Verbindungen, welche zugleich Keton und Alkohol sind, be-
zeichnet man als Ketole* und unterscheidet je nach der Stellung des
Hydroxyls zum Carbonyl 1.2-Ketole, 1.3-Ketole etc.
A. 1.2-Ketole.
Die 1.2-Ketole — die Verbindungen also, welche benachbart zur
Carbonylgruppe eine alkoholische Hydroxylgruppe enthalten, — sind in
bemerkenswerther Weise durch ihre leichte Oxydirbarkeit ausgezeichnet
und wirken daher — ähnlich den Aldehyden — als kräftige Reduetions-
mittel. So reduciren sie alkalische Kupferoxydlösujigen zu Kupferoxydul,
ammoniakalische Silberlösung zu Metall. Bei der Einwirkung von Phenyl-
hydrazin erhält man zuerst zwar die entsprechenden Hydrazone, z. B.:
CHa-CiN-NHCeHj CHgCO
I aus I ;
CH, . CH . OH CHs . CH . OH
erwärmt man aber mit überschüssigem Phenylhydrazin, so wirkt das
Phenylhydrazin als Oxydationsmittel und erzeugt aus der zunächst nicht
in Reaction getretenen Carbinolgruppe eine Carbonylgruppe, welche nun
wieder mit Phenylhydrazin reagiren kann; demgemäss entsteht das Di-
hydrazon eines 1.2-Diketons oder 1.2-Ketoaldehyds, ein Osazon (vgl
S. 850), z. B.:
CH.C : N-NHCeH» CH.CO
I aus I
CHa-CiNNHCaHg CH,.CH.OH
1.2-Ketole können aus den Halogenderivaten der Ketone durch
Auswechselung des Halogens gegen Hydroxyl oder aus 1.2-Diketonen
durch partielle Reduction erhalten werden.
Methylketol**« CHa-CO-CH/OH) (Oxyaceton, Acetylcarbinol, Acetoli
— aus Chloraeeton gewinnbar, indem man daraus durch Einwirkung von Kalium*
' GoBBOW u. Kessler, Ber. 20 o, 779 (1887).
» v. Pbchmann, Ber. 22, 2214 (1889).
• „Metbylketol" wurde früher ein Homologes des Indols genannt, welches jetzt,
nachdem seine Constitution mit Sicherheit festgestellt ist, als oe-Methylindol be-
zeichnet wird (vgl. Bd. II).
* Henst u. Bischopinck, Ber. 5, 966 (1872). — Henry, Compt rend. 93, 421
(1881); 95, 850 (1882). — Emmerlino u. Wagner, Ann. 204, 27 (1880). — Emmebuko
u. LoGES, Ber. 16, 837 (1883). — Laubmann, Ann. 243, 248 (1887). — Frmo u.
1,2'Ketole. Alkylen-nitrosate ufid -nürosite. 873
acetat zunächst den Essigester des Acetylcarbinols CHg-CO'CHj'O.-CO'CH, darstellt
und letzteren dann durch Kochen mit Wasser und Bariumcarbonat verseift, — ist
sehr veränderlich; erst neuerdings ist nach vielen vergeblichen Versuchen die Ab-
scheidong der wasserfreien Substanz aus der wössrigen Lösung geglückt. Es ist ein
farbloses Oel, siedet nicht ganz unzersctzt bei 147^, erstarrt in der Kälte, zeigt bei
15^ das spec. Gew. 1*079, besitzt einen schwachen eigenthümlichen Greruch und
Bussen aber brennenden Geschmack und ist mit Wasser mischbar.
IHmethjlketol' CH8.COCH(OH).CH8 (Acetylmethylcarbinol) — aus
Monochlormethyläthylketon CHg • CO • CHCl • CHg durch Einwirkung von alkoholischem
Aetznatron oder aus Diacetyl durch Reduction mit Zink und Schwefelsäure — siedet
bei 141— 142^ besitzt bei 15^ das spec. Gew. 1*002 und ist mit Wasser mischbar.
Schon beim Destilliren unter Luftzutritt färbt es sich gelb und nimmt den Geruch
nach Diacetyl an.
MethylSthylketoP CH8-C0.CH(0H).C,H5 (Acetyläthylcarbinol) siedet bei
152— 153^ spec. Gew. bei 17*50:0.972.
Aus den S. 849 erwähnten Verbindungen, welche durch Einwirkung von
Natrium auf Butyrylchlorid bezw. Isovalerylchlorid entstehen, erhält man beim Ver-
seifen mit alkoholischem Kali neben Buttersäurc bezw. Isovaleriansäure Substanzen,
welche höchstwahrscheinlich zur Klasse der 1.2-Ketole gehören und die Constitutions-
formeln :
C8H7-CO CÄ-CO
I bezw. I
C,H7-CH(0H) • CA-CH(OH)
besitzen; diese unzersetzt destillirbaren, flüssigen Verbindungen sind ButyroYn und
LsoTaleroYn' genannt.
Als Abkömmlinge von Oximen der 1.2-Ketole sind femer die Verbindungen
zu erwähnen, welche aus gewissen Alkylenen durch Anlagerung von Stickstofl^tetroxyd
und von Stickstofibrioxyd entstehen, — die Alkylennitrosate und Alkylennitrosite^
(vgl. S. 444—445); die Reaction verläuft in folgender Weise:
(CH,),C (CH8),C-0*N0,
I, + N,0, = I
CHa-CH CHa*C=N.OH
(CH8),C (CH8),C-0.N0
CH8*6
H CH8*C— N*OH
die Produkte sind demnach Salpetersäureester bezw. Salpetrigsäureester von Oximen
der Ketole. — Das Amylennitrosat (aus Trimethyläthylen, Formel s. in obiger
Gleichung) krystallisirt in monosymmetrischen Würfeln oder Nadeln; seine Constitution
ergiebt sich aus folgenden Keactionen: durch Einwirkung von Cyankalium entsteht
unter Auswechselung der 0* NO, -Gruppe ein Cyanid (CH,)8C(CN)-C(:NOH)*CH8,
welches durch Verseifung eine auch aus Dimethylacetessigester (CH8)jC(COj*C4H5) —
CO -GH, durch Einwirkung von Hydroxylamin erhältliche Säure (CH8),0[C0,H)—
£ble37bach, Ber. 21, 2138, 2648 (1888). Ann. 268, 22 (1891). — Coubes, Compt
rend. 111, 422 (1890). — Perkin jun., Journ. Soc. 59, 786 (1891). — Perkin u. Tingle,
Ber. 24o, 726 (1891).
' V. Pechmann u. Dahl, Ber. 22, 2214 (1889); 23, 2421 (1890). — Vladesco,
Bull. [3] e, 811 (1891).
' V. Pechmakn u. Dahl, Ber. 23, 2425 (1890).
' Rldiobb u. Schmitz, Ber. 24, 1271 (1891).
* Wallach, Ann. 241, 288 (1887); 248, 161 (1888); 262, 324 (1891).
874 LS'Ketole und lA-Ketole.
C( : N • OH) • CHg liefert. - üeber eine ähnliche, durch Einwirkung von ealpetriger
Säure auf Aceton entstehende Verbindung (Isonitrosodiacetonnitrat) vgl. S. 410.
B. 1.3-Ketole.
Aeetoisopropylalkohol' CHs.CH(OH).CH,CO.CHs (Hydracetylaceton)
entsteht durch Aldolcondensation von Acetaldehyd «ait Aceton bei Gegenwart alkali-
scher Agenden, ist eine ketonartig riechende Flüssigkeit, siedet fast unzersetzt bei
176 — 177*^, besitzt bei 15* das spec. Gew. 0-978, ist mit Wasser in jedem Verhftltni&s
mischbar und liefert beim Kochen mit Essigsäureanhydrid unter Wasserabepaltnng
das Aethylidenacetou' CHg • CH : CH • CO • CHg .
Chloralaeeton* CClg.CH(0H).CHj.C0.CH8 — ein Trichlorderivat der eben
angeführten Verbindung — entsteht durch Condensation von Chloral mit Aceton in
Gegenwart von Eisessig bei 100*, bildet derbe Krystalle, schmilzt bei 75 — 76®, lo«t
sich leicht in Alkohol, ziemlich leicht in Wasser und geht durch Elrwärmen mit Sod&-
lösung in Acetakrylsäure CGaH-CHiCH-CO-CH, (S. 979) über.
BiaeetonalkohoP CHg • CO • CH^ • CCOHXCHg), — aus Diacetonamin und salpetriger
Säure, vgl. S. 416 — siedet bei 163.5—164.5*, besitzt bef 25* das spec. Gew. 0.931
und ist mit Wasser, Alkohol und Aether mischbar.
C. 1.4-Ketole.
Acetopropylalkohol * CHg • CO • CH, • CHj • CHj(OH) kann aus Acetessigester durch
folgende Reactionen gewonnen werden:
CHgCOCHNaCOj.CHs + Br.CH,.CHj.Br = NaBr + CHgCO.CHCOgCjH,
I
CHgCHgBr
Bromäthylacetessigester
CHg . CO . CH . CO, . CjHj CHg • CO . CH,
I + 2HjO = + CO, + CHgOH + HBr.
CH,.CH,Br CH,.CH,.OH
Er bildet eine farblose, ziemlich leicht bewegliche Flüssigkeit von eigenthümlichein
Geruch, siedet unter :^00mm Druck bei 144—145*, ist mit Wasserdämpfen ziemlich
leicht flüchtig, in Wasser leicht löslich, besitzt bei 0* das spec. Gew. 1*016 und
reducirt weder ammoniakalische Silberlösung noch FEHLiNo'sche Losung.
Bei langsamer Destillation unter gewöhnlichem Druck zerföllt er in Wasser und dn bei
72—75* siedendes, angenehm riechendes Anhydrid, das sich mit Wasser bei gewöhn-
licher Temperatur wieder zu Acetopropylalkohol vereinigt und wahrscheinlich eine
der Formeln:
CH, : CH . CH, • CH, • CH, CH, . CH : CH - CH, • CH,
^\ y^ oder \v
\o-^ \o-^
besitzt.
Als Derivate von Dioxymonoketonen, deren beide Hydroxylgruppen zur Carbonvl-
gruppe die 1.4-Stellung inne haben, sind die durch den Atomcomplex:
* Claisen, Ber. 25, 3164 (1892).
« KoENiGS, Ber. 25, 794 (1892). — Koenios u, Wägstaffe, Ber. 26, 554 (18931.
— J. WiSLicENUS u. Kircheisen, ebenda, 908.
8 Heintz, Ann. 169, 117 (1873); 178, 342 (1875).
* Perkin u. Freer, Ber. 19, 2566 (1886). — Colman u. Perkin, Journ. Soc. 55,
357 (1889). — Lirp, Ber. 22, 1196 (1889). — Marshall u. Perkin, Joum. Soc. 69.
866, 877, 882 (1891). — Vgl. auch Perkin u. Stenhouse, Journ. Soc. 61, 72 (1892.1
Oxetone. 875
c-c-c-
I I
c=g
I I
C-C-C-
charakterisirten Oxetone^ anzusehen, welche aus den Lactonen durch die S. 762 an-
geführten Reactionen entstehen. Von den hypothetischen 4.1.4-Dioz7ketonen kann
man sie sich durch Anlagerung von 1 Mol. H^O an die Carbonylgruppe und darauf-
folgende zweimalige Anhydrisirung gebildet ableiten:
C— C-C;;- C-C-C\ C-C-C-
I M)H I /OH M)H I I
CO >- C< )- n 0
I /OH I M)H /OH VJ 0 •
C-C-C^ c-c-c— I I
C-C-C-
Ihre Constitution ergiebt sich daraus, dass das aus Valerolacton entstehende Di-
methyloxeton:
CHj • CHj • CH • CHg
I I
0
C
o
I I
CH2 • CHj • CH • CHg
auch erhalten wird, wenn man an symmetrisches Diallylaceton, welches aus Aceton-
dicarbonsäureester (vgl. S. 990):
CHj • CO2 • CjHj CH(C8H6) • COj • C2H5 CHg • C^Hs
I I I
CO »► CO *- CO
I I I
CHg • COj • C2Hg CH(C8H5) • COj • C2H5 CHj • C^Hg
gewonnen werden kann, Bromwasserstoff anlagert:
CHj . CHj . CH : CHj CH, • CH, - CHBr • CH,
I I
CO 4- 2HBr = CO
1^ I
CH, • CHj • CH : CH, CH, • CH, • CHBr • CH,
und das so entstandene Dibromvaleron mit Wasser kocht. Die Oxetone sind flüssig,
mit Wasserdämpfen sehr leicht flüchtig, leichter als Wasser und darin wenig löslich,
bleiben beim Kochen mit starken Basen unverändert, reduciren ammoniakalische
Silberlösung, lösen sich in Natriumbisulfitlösung bei mehrtägigem Stehen und häufigem
Schütteln auf, reagiren nicht mit Hydroxylamin und verbinden sich mit Bromwasser-
stoff leicht zu Dibromketonen, die beim Erwärmen mit Wasser wieder die Oxetone
regeneriren (s. oben). — Das einfachste Oxeton C7H„0, siedet bei 159*4^ und löst
sich in 10 — 15 Th. Wasser von gewöhnlicher Temperatur. — Dimethyloxeton
(^"»HieO, siedet bei 169-5o, besitzt bei 0^ das spec. Gew. 0-978 und löst sich in
ca. 18 Th. Wasser von gewöhnlicher Temperatur.
D. 1.5-Ketole.
AeetobatylalkohoP CH8C0.CH,.CH,CH,CH,0H entsteht durch analoge
Eleactionen, wie Acetopropylalkohol (S. 874), aus Acetessigester, wenn man statt
* Frmo, Ber. 17, 3014 (1884), Ann. 256, 56, 130, 141 (1889); 267, 197 (1892).
— Voi^ARD, Ann. 267, 78 (1892). — Fimo u. Ström, ebenda, 186, 197.
» Lipp, Ber. 18, 8280 (1885). — Colman u. Perkin, Journ. Soc. 55, 352 (1889).
876 Lö'Ketole (Acetobuiylalkoholh
Aethylenbromid Trimethylenbromid verwendet; er stellt ein farbloses Gel dar, siedet
in reinem Zustand anzersetzt bei 225 — 227 ^ zersetzt sich dagegen in Gregenwart
geringfügiger Verunreinigungen bei der Destillation in Wasser und Methyldehydro-
hexon (Siedepunkt 109**):
(JH CH,
CHg • C CHj
Fünfunddreissigstes Kapitel.
Allgemeines über Kohlenhydrate. Die einfachen Zacker-
arten oder Monosaccharide.
(Triosen und Tetrosen. Pentosen. Hexoseu. Heptosen, Oetosen, Nonosen).
Eine Gruppe von Substanzen, die zu einander in nahen Beziehungen
stehen und für den Haushalt der Natur von der grössten Bedeutung
sind, wird seit langer Zeit unter der Bezeichnung „Kohlenhydrate"^
zusammengefasst, weil sie ihrer empirischen Zusammensetzung nach als
Verbindungen von Kohlenstoff mit Wasser — Cx + yH^O — angesehen
werden können; Formeln, wie CßHiQ0ß(==6C + öH^O), CeHi30g(=6C +
6H,0), Ci3H320ii(=12C + llHjO), mögen als Beispiele dienen. Um
die Wichtigkeit dieser Gruppe zu illustriren, sei vorweg erwähnt, dass
der Traubenzucker und Fruchtzucker, welche die Süssigkeit der Früchte
bedingen und durch ihre Vergährung uns den Alkoholgehalt des Weines
liefern, der Rohrzucker — das unentbehrliche Nahrungs- und Genuss-
mittel unserer Zeit, dessen Gewinnung die Aufgabe einer grossartig
entwickelten, mit der Landwirthschaft eng verknüpften Industrie bildet, —
die von der Pflanze erzeugte und uns als wichtiger Nährstoff dienende
Stärke, die Cellulose, welche das Baumaterial der pflanzlichen Zellwände
darstellt und in Form von Holz, Papier, Geweben täglich durch unsere
Hände geht, ihr angehören.
Die Bezeichnung „Kohlenhydrate'* passt heute streng genommen nicht mehr:
denn wir kennen Verbindungen, welche ihrer Natur nach unbedingt zu den eine
Unterabtheilung der Kohlenhydrate bildenden Zuckerarten gezählt werden mlLasea
Wasserstoff und Sauerstoff aber nicht in dem Verhftltniss 2 : 1 enthalten, x. B. die
Bhamnose CeHigOg (vgl. S. 894). Trotz dieser Ausnahmen dür£be man indess kanin
aufhören das Wort „Kohlenhydrate" als Sammelnamen jener Stoffe zu benutzen, d^
^ £ine eingehende monographische Behandlung der Kohlenhydrate aus neuerer
Zeit — freilich vor dem Erscheinen der wichtigsten Arbeiten £. Fischbb's abgeschlossen
— liegt in Tollens' „kurzem Handbuch der Kohlenhydrate" (Breslau 1888) vor. Am
dieses Werk sei auch in Bezug auf die sehr umfangreiche filtere Originalliteratur
verwiesen; im Folgenden sind nur die Citate neueren Datums gegeben.
Definition und Eintheilung der Kohlen-hydrate. 877
68 sich einmal namentlich in der physiologischen Chemie eingebürgert hat und für
die Mehrzahl der hierher gehörigen Verbindungen und gerade für die wichtigsten
zutreffend ist
Ihren sinnlichen Merkmalen nach sind die Substanzen, welche die
Gruppe der Kohlenhydrate umfasst, sehr verschiedenartig. Während ihr
einerseits die leicht löslichen, süss schmeckenden, in grossen Krystallen
erhältlichen „Zuckerarten** angehören, werden ihr andererseits auch Stoffe
wie Stärke, Cellulose, Gummi zugerechnet, welche kein Krystallisations-
vermögen und keinen charakteristischen Geschmack besitzen und zumTheil
in Wasser durchaus unlöslich sind. Allein diese letzteren, nicht zucker-
ähnlichen Kohlenhydrate stehen doch zu den eigentlichen Zuckerarten in
naher Beziehung, denn sie lassen sich leicht in Zuckerarten überfuhren;
der üebergang erfolgt unter der Einwirkung verdünnter Säuren in der
Wärme oder auch gewisser Fermente (vgl. Diastase, S. 173); er besteht
in einer Wasseraufnahme und gleichzeitiger Spaltung eines complicirteren
Molecüls in mehrere einfachere (hydrolytische Spaltung), z. B.:
Dieser üebergang legt die Auffassung nahe, jene nicht zuckerähnlichen
Kohlenhydrate seien anhydridähnliche Derivate der Zuckerarten —
„Polysaccharide", deren Molecül aus mehreren einfachen Zucker-
molecülen durch Wasserabspaltung gebildet ist.
Wir können femer unter den durch ihre äusseren Eigenschaften
als Glieder der Zuckergruppe charakterisirten Substanzen eine ähnliche
Unterscheidung treffen, wie eben zwischen zuckerähnlichen und nicht
zuckerähnlichen Kohlenhydraten; unter ihnen giebt es eine Anzahl von
Substanzen, welche — an sich schon mit zuckerähnlichen Eigenschaften
begabt — doch noch durch „hydrolytische Spaltung" in einfachere Ver-
treter der Zuckergruppe zerfallen können, wie z. B. Rohrzucker in
Traubenzucker und Fruchtzucker:
CijH„Oii -f 11,0 = CßHijOe + CeHjaOo ,
welche demnach ebenfalls als Anhydride einfacherer Zuckerarten be-
trachtet werden können. Man kann diese spaltbaren Zuckerarten als
„zuckerähnliche Polysaccharide" den ^, Monosacchariden" gegen-
überstellen — den Zuckerarten, welche durch hydrolytische Spaltung
nicht mehr in einfachere Zuckerarten zerlegt werden können.
Die Gruppe der Kohlenhydrate umfasst mithin die ein-
fachen Zuckerarten (Monosaccharide) und die Substanzen,
welche durch hydrolytische Spaltung in einfache Zuckerarten
übergeführt werden können. Man kann sie in die folgenden Unter-
gruppen eintheilen:
I. Einfache Zuckerarten. Monosaccharide (Traubenzucker, Holz-
zucker etc.).
IL Spaltbare Zuckerarten oder zuckerähnliche Polysaccharide (Rohr-
zucker, Raffinose etc.).
878 Definition und Eintheilung der Monosaccharide.
in. Nicht zuckerähnliche Polysaccharide (Stärke, Cellulose, Dex-
trine etc.).
Die einfachen Zuckerarten erscheinen als die Grundlage der ganzen
Gruppe; die Molectile der complicirteren Kohlenhydrate bauen sich aus
den Molecülen der Monosaccharide auf, indem sich eine Anzahl der
letzteren unter Wasserabspaltung zu einem Complex vereinigt, aus dem
durch Wasseraufnahme wieder die einzelnen Glieder abgetrennt werden
können.
Welcher Art sind nun diese einzelnen Glieder des molecularen
Aufbaus jener Substanzen, wie Stärke und Cellulose, deren die Natur
sich in so gewaltigem Massstab bedient, um die Erscheinungen de>
organischen Lebens hervorzubringen?
Einige äussere Eigenschaften, — Krystallisirbarkeit, Lösliclikeit
in Wasser, süsser Geschmack — sind jedermann als charakteristische Merk-
male des Begriffs ,, Zucker" geläufig; aber diese Merkmale reichen zur
Definition nicht aus; denn es giebt Substanzen, welche zwar diese Eigen-
schaften vereinigen, aber ihrer chemischen Natur nach zu den Kohlen-
hydraten nicht gerechnet werden können; andererseits erscheint auch die
Existenz von Verbindungen nicht undenkbar, welche durch ihr chemisches
Verhalten als Glieder der Zuckergruppe charakterisirt sind, ohne indess
jene äusseren Merkmale zu besitzen. Weiter unten (S. 881 ff.) wird das
chemische Verhalten der Zuckerarten ausfuhrlicher besprochen werden,
und es werden sich dann einige Gharakterzüge herausstellen, die für die
Zugehörigkeit einer Substanz zur Zuckergruppe wesentlich sind. Hier
aber sei zur Präcisirung des Begriffs „Zucker" das allgemeine Ergebniss
der Untersuchungen über die Constitution der Zuckerarten vorangestellt:
„Die Monosaccharide sind Aldehydalkohole oder Ketou-
alkohole mit offener Kohlenstoffkette, deren Molecül eine Carbonyl-
gruppe und mehrere Hydroxylgruppen enthält und zwar eine der
Hydroxylgruppen in Nachbarstellung (1.2) zur Carbonylgruppe.**
In den Benennungen charakterisirt man die Zuckerarten durch
die Endung „ose", welche an einen die Herkunft oder sonstige Be-
ziehungen der einzelnen Substanz andeutenden Stamm gehängt wird
(Xylose, Fructose, Lactose etc.); man theilt die Monosaccharide fenier
nach der Zahl der in einem Molecül befindlichen Sauerstoffatome in
Triosen, Tetrosen, Pentosen, Hexosen etc. ein:
CHj.OH
CHO CHO CO CHO
CHOH jCH-OHU {CHOHl, {CHOHi,
CHj-OH CHj CH.OH CH.OH
Triose Pentose Hexose Octose
Die Erkenntniss der chemischen Natur der Zuckerarten gehört der
neuesten Zeit an. Wenn auch Formeln, welche der oben angeführten
Neuere Entwickebing ufiaerer Kenntniss von der Zuckergruppe, 879
Definition und den heutigen Anschauungen entsprechen, schon früher ^ mit
ziemlicher Bestimmtheit aufgestellt waren, so erhielten die heute gelten-
den Structurformeln der wichtigsten natürlichen Zuckerarten doch ihre
definitive, experimentelle Begründung erst durch Kiliani^s bedeutungs-
volle Untersuchungen^ aus den Jahren 1885 — 1887.
Seitdem reiht sich in dem Gebiete der Zuckerarten in ununter-
brochener Folge eine wunderbare Entdeckung an die andere; wir sind
in diesen Jahren Zeugen von Erfolgen bei der Bearbeitung dieser Gruppe
gewesen, wie sie überraschender wohl noch niemals durch die Methoden
und Theorieen der organischen Chemie erzielt sind. Diese mächtige
Förderung unserer Kenntnisse auf einem Gebiete, dessen Aufklärung
schon lange den Forschern als eines der wichtigsten Probleme vor-
schwebte und doch kaum nenuenswerthe Fortschritte machte, verdanken
wir Emil Fischer^. Ihm gelang es, der experimentellen Schwierigkeiten,
welche die Zuckerarten durch ihre leichte Zersetzlichkeit, die dadurch
bedingte schwere Trennbarkeit von begleitenden Stoffen und andere Um-
stände bieten, in so vollkommener Weise Herr zu werden, dass die
synthetische Gewinnung von Zuckerarten, die Ueberftihrung der bekannten
Zucker in andere Vertreter derselben Körperklasse und damit die Auf-
findung zahlreicher neuer Zuckerarten und die Klarlegung ihrer gegen-
seitigen Beziehungen in rascher Folge als Früchte seiner planvollen
Untersuchungen geerntet wurden. Im Jahre 1887 gelang zum ersten
Mal die Abscheidung einer einheitlichen, zur Zuckergruppe gehörigen
Substanz (Akrose, vgl. S. 902) auf synthetischem Wege, 1890 die Syn-
these von natürlichen Zuckerarten. So siijd auch in diesem Gebiete
die Produkte der Lebensthätigkeit der Synthese zugänglich gemacht;
und wie in jeder Körperklasse, so wurde auch hier, sobald der erste
Schritt gelungen war, der Organismus in gewissem Sinne von der
Laboratoriums Werkstatt überflügelt: denn durch mannigfache Variirung
in den Bedingungen der künstlichen Processe lernte man eine bedeutend
grössere Zahl von Zuckerarten kennen, als solche in der Natui* aufge-
funden waren.
Unter der stattlichen Scliaar der heute bekannten Zuckerarten giebt
es eine grosse Zahl von Isomeriefällen, die lediglich auf der Verschieden-
heit der räumlichen Atomanordnung beruhen; wir kennen z. B. zur Zeit
nicht weniger als 13 verschiedene Zucker, denen sämmtlich die gleiche
Structurformel:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CHO
^ FiTTio, Ueber die Constitution der sogenannten Kohlenhydrate (Tübingen,
1871J. — ZiNCKE, Ber. 13, 641 Anm. (1880). Ann. 216, 318 flF. (1883). 'ji"J^^- -'■
• Ber. 18, 3066 (1885); 19, 221, 767, 1128, 1914, 3029 (1886); 20, 339, 1233 (1887).
' Eine zosammeniasBende Schilderung der Forschungsergebnisse in der Zucker-
grappe bis zum Jahre 1890 vgl. in £. Fischeb's Vortrag „Synthesen in der Zucker-
gruppe" : Ber. 23, 2114 (1890).
880 Monosticcharide (VorkonDnen, Bildungsweisen,
zukommt. Zu einer klaren üebersicht des Gebietes gehört mithin notii-
wendigerweise die Ermittelung der Configuration* der einzelnen Zucker-
arten : ein Problem, das in den neuesten Untersuchungen E. Fischeb*s in
Angriff genommen und für eine grössere Zahl von Einzelfällen gelöst
ist. Für die Anwendung der stereochemischen Theorie lag hier eine
Aufgabe vor, deren erfolgreiche Lösung die Nützlichkeit dieser Theorie
in besonders schlagender Weise erkennen liess.
Vor zehn Jahren noch ein Wirrsal zahlloser einzelner Beobach-
tungen, für die uns das einigende Band fehlte, bietet sich uns somit
heute die Gruppe der Zuckerarten als ein wohlgeordnetes Gebiet dar, in
dem wir ohne Mühe die Gliederung übersehen und die Beziehungen der
einzelnen Theile zu einander unschwer erkennen. Es liegt nahe, diese
Periode unserer Wissenschaft, welche am Ende des Jahrhunderts über
eine der wichtigsten Gruppen natürlicher Stoffe IQarheit verbreitete, in
Parallele zu setzen mit der Zeit, als zu Beginn unseres Jahrhunderts
Chevbeül durch die chemische Erkenntniss der Fette (vgl. S. 588)
eine ähnlich folgenreiche Grossthat in derselben Arbeitsrichtung voll-
brachte. Gehören doch Fette, Kohlenhydrate und Eiweisskörper als
„Baustoffe der pflanzlichen Organe" und als Nahrungsstoffe des Menschen
enge zusammen; wann wird das Dunkel gelichtet werden, das nun noch
die dritte der genannten Gruppen einhüllt?
L Die einfachen Zuckerarten oder Monosaccharide.
Vorkommen und Bildungsweisen. Die Monosaccharide finden sich
zum Theil fertig gebildet in der Natur (wie d-Glucose, cJ-Fructose). Aus
complicirteren natürlichen Kohlenhydraten (wie Rohrzucker, Milchzucker,
Stärke, Cellulose, Gummi etc.) können wir sie durch hydrolytische Spal-
tung (vgl. S. 877) darstellen, aus einfacheren Stoffen durch Synthese
aufbauen. Für die Synthese der Monosaccharide bietet die S. 871 er-
wähnte „Aldolcondensation** das Mittel, z. B.:
CHgO + CH,0 + CH,0 + CH^O + CH^O -f- CH,0
6CHjO
= CHj(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CHO,
CHa(OH).CII(OH)CHO + CH,(0H).C0.CH8(0H)
= CHjCOH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CO • CH^(OH).
Für die künstliche Bildung von Zuckerarten aus Verbin-
dungen von gleicher Kohlenstoffzahl ist besonders wichtig die vor-
sichtige Oxydation der mehrwerthigen Alkohole mit verdünnter Salpeter-
säure, Brom und Soda und ähnlichen Mitteln (vgl. S. 602), z. B.:
CH.(OH).CH(OH).CH.(OH) + 0 = H.O H- {S1oS'Ä(OH? '
und die Reduction der Aldonsäuren in Form ihrer Lactone mit Natrium-
amalgam (vgl. S. 768), z. B.:
CH8(0H){CH(0H)},.C0sH + 2H = H,0 + CH,(0H){CH(0H)!7.CH0.
StructuTj optisches Drehungsvermögen), 881
In der Natur finden sich die Monosaccharide nicht nur als solche
und in Form der complicirteren Kohlenhydrate, sondern auch in Form
von esterartigen Verbindungen mit phenolähnlichen, aldehydartigen Kör-
pern etc. gepaart; man bezeichnet solche Derivate der Zuckerarten als
„Glucoside^*; sie können durch verdünnte Säuren oder Fermente ge-
spalten werden, z. B.:
C„H,,NO„ + 2H,0 = C^HeO + 2CeHi,0e + HCN.
Amygdalin Benzaldebyd Glucose Blausäure
Für manche Monosaccharide, wie Rhamnose (vgl. S. 894), bietet die Ab-
spaltung aus Glucosiden den üblichen Weg der Darstellung.
Die Straetur der Monosaccharide ist bereits durch die S. 878 ge-
gebene Definition präcisirt; die Gründe für die in dieser Definition aus-
gesprochene Auffassung werden weiter unten (S. 888 ff.) entwickelt. Es
sei hervorgehoben, dass wir bis jetzt nur Zuckerarten mit normaler
Kohlenstoffkette kennen. Man unterscheidet die Zuckerarten, welche
eine Aldehydgruppe enthalten, als AI dosen von den Ke tosen, deren
Carbonylgruppe ketonartig gebunden ist. Unter den Ketosen kennt man
bislang nur solche, deren Carbonylgruppe das zweite Glied von einem
Ende der Kette an gerechnet bildet, wie:
CH,(OH) . CH(OH j . CH(OH) • CH(OH) - CO • CH,(OH) ;
ähnhche Verbindungen, deren Carbonylgruppe mehr in der Mitte der
Kette befindlich ist, wie etwa:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CO - CH(OH) • CH,(OH) ,
sind nicht bekannt, dürften aber vermuthlich auch zuckerähnliche Eigen-
schaften besitzen.
Allgemeine Charakteristik der Monosaccharide. Die Mono-
saccharide sind neutrale, süss schmeckende, farblose und geruchlose
Körper. Sie sind zum Theil in reinem Zustand gut krystallisirbar; doch
findet ihre Ejrystallisation häufig sehr langsam statt und wird namentlich
durch Beimengungen leicht verzögert oder ganz verhindert. Sie lösen
sich leicht in Wasser, schwer in absolutem Alkohol, nicht in Aether.
In höherer Temperatur zersetzen sie sich zunächst unter Bräunung,
später unter starker Verkohlung.
Die Zuckerarten sind sämmtlich optisch activ, so weit sie nicht
Verbindungen zweier optisch entgegengesetzten Individuen sind.
Das optische Drehungs vermögen ist eine für die Charakterisirung der einzelnen
Zackerarten sehr wichtige Constante und wird auch vielfach zur Bestimmung des
Procentgehaltes von Zuckeriösungen heniitzt. Man verwendet zu den Beobachtungen *
jetzt allgemein homogenes gelbes Natriumlicht, führt sie bei der Normaltemperatur
von 20° aus und bezeichnet als „specifische Drehung" die Ablenkung in Kreis-
graden, welche durch eine 1 dm lange und in 1 ccm 1 g active Substanz enthaltende
Flüflsigkeitsschicht bewirkt werden würde: diese Grösse wird durch das Zeichen [«^d
* Näheres über ihre Ausführung vgl. in WiEDEMAim-EBEBT's physikalischem
Praktikum (Braunschweig, 1890) S. 329 ff. — Landolt, Das opt. Drehungsvermögen
Organ. Substanzen (Braunschweig, 1879).
V. Mbysr u. Jaoobson, org. Chem. I. oß
882 VerJialien der Manosacckaride gegen FeJüing'sdie Lösung, Essigsäureankydrid,
angegeben; hat man an einer Lösung vom spec. Gew. d und dem Gehalt von
p Gewichtstheilen activer Substanz in 100 Gewichtsth. Lösung für eine Schicht
von /dm Länge die Drehung a beobachtet, so ist
100 a
In vielen Fällen ändert sich die Drehung der Schwingungsebene des polarisirten
Lichtstrahls nicht proportional mit der Concentration ; es ist daher nöthig, bei Angaben
über das specifische Drehungsvermögen die Concentration mitzutheilen , bei welcher
die Beobachtungen angestellt wurden. — Häufig beobachtet man, dass die Drehas^
der Zuckerlösung einen wesentlich anderen Werth zeigt, wenn sie einerseits frisch
bereitet ist oder andererseits 24 Stunden gestanden hat bezw. kurze Zeit aufgekocht
ist; man bezeichnet die Erscheinung^, dass das Drehungsvermögen allmählich ab-
nimmt, als „Birotation^^ oder „Mehrdrehung^^, die umgekehrte, nicht so häufig
beobachtete Erscheinung des Zunehmens als „Halbrotation" oder „Weniger-
drehung" und giebt in solchen Fällen meist die constant bleibenden Werthe (nach
längerem Stehen oder nach dem Aufkochen) an. Die Mehr- und Wenigerdrebung
wird dureh sehr kleine Mengen Ammoniak aufgehoben; löst man daher die Zucker-
arten, di6 diese Erscheinung zeigen, nicht in Wasser, sondern in O*lprocentigem
Ammoniak wasser, so kann man gleich nach der Auflösung die End werthe der Polari-
sation ablesen*. Die Erscheinung der Mehr- und Wenigerdrehung ist vielleicht durch
die Annahme zu erklären, dass die drehenden Substanzen mit dem Lösungsmittel
Verbindungen eingehen, dass bei Anwendung von Wasser also Hydrate entstehen'.
Die Monosaccharide reduciren sämmtlich aus alkalischer Kupferoxyd-
lösung (FEHLiNo'sche Lösung, vgl. S. 804 — 805) Kupferoxydul.
Auch dieses Verhalten dient häufig zu quantitativen Zuckerbestim-
mung en^; man kann hierbei titrimetrisch verfahren, indem man mit einer titrirten
Kupferlösung arbeitet-, oder man kann die Menge des reducirten Knpferoxyduls ge-
wichtsanalytisch bestimmen, indem man es abfiltrirt, durch einen Wasserstoffistrom
zu metallischem Kupfer reducirt und letzteres wägt. Da sich das Reductionsverhält-
niss mit der Concentration der Lösungen etwas ändert, ist es erforderlich, bestimmte
empirisch festgestellte Operationsbedingungen — auch bezüglich der Dauer des
Kochens — genau einzuhalten; man arbeitet stets mit höchstens einprocentigen Zacker-
lösungen. Neuerdings wird statt der FEHUNo'schen Lösung eine Kaliumkupfercarbomit-
lösung vorgeschlagen*.
Das Vorhandensein von alkoholischen Hydroxylgruppen in
den Molecülen der Zuckerarten erhellt aus der Fähigkeit, beim Kochen
mit Essigsäureanhydrid in Gegenwart von etwas Chlorzink oder Natrium-
acetat Acetylderivate® zu liefern; dieses Verhalten Icann auch zur
Ermittelung der Anzahl der Hydroxylgruppen dienen.
» Vgl. Parkus u. Tollens,' Ann. 257, 160 (1890).
» C. ScHULTZE u. Tollens, Ann. 271, 49 (1892).
» Vgl. Jacobi, Ann. 272, 170 (1892).
* Näheres über die Ausführung vgl. in Fbeseniüs' Anleitung zur quant. cheni.
Analyse (Braunschweig, 1877—1887) II, S. 586 flP.; auch Voetmann's Anleitung zur
ehem. Analyse organ. StoflFe (Leipzig u. Wien, 1891), S. 242,\246, 253, 257; Vibcho^.
Nahrungsmittel -Untersuchung (Berlin, 1891), S. 27fF.; Tollens, Handbach, S. 70 ff
* Ost, Ber. 23, 1085, 8008 (1890); 24, 1634 (1891). — Schmoeoer, Ber. 24,
3610 (1891).
* Erwiq u. Koenios, Ber. 22, 1464, 2207 (1889).
Basen, nasdrenden Wasserstoff, Blausäure, Hydroxylamin. 883
Es beruht ferner auf der Gegenwart von Hydroxylgruppen die Fähig-
keit der Zuckerarten, mit Basen — besonders mit den alkalischen Erden
(Kalk, Strontian) — zu losen alkoholatartigen Verbindungen (Saccha-
raten) zusammenzutreten, die durch Kohlensäure wieder zerlegt werden.
Von Alkalien werden die Zuckerarten unter Bräunung zersetzt (vgl.
Milchsäure, S. 751); bei stärkerer Einwirkung von Kalk erleiden sie
ebenfalls complexe Veränderungen (vgl. Saccharin, S. 776 — 777).
Zahlreiche Reactionen sprechen für die Gegenwart einer Car-
bonylgruppe im Molecül der Monosaccharide.
Bei der Behandlung mit Natriumamalgam fixiren sie allgemein zwei
Wasserstoffatome, um in mehrwerthige Alkohole, wie Arabit, Mannit,
Perselt etc. überzugehen (vgl. Kap. 22).
Nascirende Blausäure wird unter Bildung von hydroxylreichen Cyan-
hydrinen aufgenommen (vgl. S. 741).
Durch die BlaiiBfiureaddition wird stets, durch die Wasserstoffaddition nur bei
Ketosen ein neues asymmetrisches Kohlenstoffatom gebildet; es ist daher bei diesen
Beactionen die gleichzeitige Bildung zweier stereoisomerer Verbindungen möglich
(vgl. S. 771—773, 901).
Die beiden specifischen Reagentien auf Carbonylgruppen — Hydroxyl-
amin und Phenylhydrazin — erzeugen mit den Zuckerarten Oxime und
Hydrazone.
Die Oxime ^ der Zuckerarten — bisher verhältnissmässig wenig
untersucht — sind krystallisirbar und spalten beim Erwärmen mit con-
centrirler Natronlauge Blausäure ab; sie werden in Zukunft für die Er-
forschung der Zuckergruppe voraussichtlich grössere Bedeutung erlangen,
da sie bei der kürzlich entdeckten Methode zum Abbau der Zuckerarten
als Zwischenglieder benutzt werden (vgl. S. 887).
Ausserordentlich wichtig sind für die Chemie der Zuckerarten die
Verbindungen geworden, welche durch Einwirkung von Phenylhydrazin*
entstehen. Die Reaction verläuft zunächst, wie bei gewöhnlichen Ketonen
und Aldehyden, unter Bildung der entsprechenden Hydrazone, z. B. :
CH,iOH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH : N • NH • CeH^ ;
diese Hydrazone sind indess in den meisten Fällen in Wasser leicht
löslich und daher nicht leicht abzuscheiden^. Wenn man aber über-
schüssiges Phenylhydrazin in verdünnter essigsaurer Lösung bei Wasser-
badwärme einige Zeit auf die Zuckerarten wirken lässt, so bleibt die
Reaction nicht bei der Bildung der Hydrazone stehen, sondern geht in
* V. Meyeb u. E. Schulze, Ber. 17, 1554 (1884). — Rischbieth, Ber. 20, 2673
(1887). — Reiss, Ber. 22, 611 (1889). — E. Fischer u. Hirschbesqer, ebenda, 1155.
— Jacobi, Ber. 24, 696 (1891). — Wohl, Ber. 24, 993 (1891); 26, 730 (1893).
• E. Fischer, Ber. 17, 579 (1884); 20, 821 (1887); 21, 1806 (1888); 23, 2117
(1890).
■ In manchen Fällen erweisen sich die Bromphenylhydrazone (aus p-Bromphenyl-
hydrazin) als leicht isolirbar und daher zur Abscheidung und Erkennung geeignet;
vgl. £. Fischer, Ber. 24, 4221 Anm.
56*
884 Hydraxone und Osazone
derselben Weise weiter, wie dies schon S. 871 und 872 für die ein-
fachsten, die Gruppe:
-CH(OH)-CO-
enthaltenden Verbindungen besprochen wurde: durch Oxydation der
Carbinolgruppe, welche der ursprünglichen Carbonylgruppe benachbart
ist, wird eine neue Carbonylgruppe gebildet, die gleich wieder mit Phenyl-
hydrazin reagirt, wodurch ein Osazon entsteht, z. B.:
CH^OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • C- CH
CeHft.NH.N N-NH-CeHj'
Diese Auffassung des Processes wird dadurch geboten, dass man aus
der zur Ketosegruppe gehörigen Fructose und aus der zur Aldosegruppe
gehörigen Glucose:
CH j(OH) . !CH(0H)}8 . CO - GHj(Ofl) und CH^OH) • lCH(OH)!a • CH(OH) - OHO
ein und dieselbe Verbindung — Phenylglucosazon (vgl. S. 899, 901) —
erhält. Diese Osazone nun — gelbgefärbte, krystallinische Verbin-
dungen — sind in Wasser fast unlöslich, fallen daher selbst
aus den verdünntesten Lösungen heraus und sind infolge-
dessen zur Abscheidung der Zuckerarten aus Lösungen sowie
zu ihrem Nachweis besonders geeignet. Da sie sich durch Schmelz-
punkt, Löslichkeit und optisches Verhalten von einander unterscheiden,
können sie auch zweckmässig zur Charakterisirung der einzelnen Zucker-
arten benutzt werden.
Die Schmelzpunktbestimmungen der Osazone müssen bezüglich der Schnelligkeit
des Erhitzens^ gleichförmig angestellt werden; man findet den Schmelzpunkt hei
langsamem Erhitzen niedriger als bei raschem Erhitzen ; die in der Literatur ange-
gebenen Zahlen beziehen sich meist auf schnelles Erhitzen.
Der Hauptwerth dieser Hydrazinverbindungen besteht in der Mög-
lichkeit, mit ihrer Hülfe die Zuckerarten aus Lösungen, in denen sie
sich neben anderen organischen oder anorganischen Stoffen befinden,
abzuscheiden. Aus einem derartigen Gemenge durch mechanische Ope-
rationen — Eindampfen, Extrahiren mit Lösungsmitteln, Krystallisation
u. dgl. — die Zuckerarten zu isoliren, ist meist kaum möglich, da sich
die Zucker zu leicht zersetzen und in Gegenwart von Beimengungen zu
schwer kry^stallisiren. Die Hydrazinverbindungen sind hier das rettende
experimentelle Hülfsmittel gewesen ; durch ihre Benutzung ist es E. Fi-
BCHEE gelungen, die Synthese und die wechselseitige Verwandlung der
Zuckerarten in erfolgreicher Weise in Angriff zu nehmen. Hiertür
mussten aber noch Methoden^ gefunden werden, um die Hydrazin-
verbindungen wieder in Zuckerarten zurück zu verwandeln.
Aus den Hydrazonen kann der entsprechende Zucker leicht durch
einfache Spaltung mit rauchender Salzsäure bei gewöhnlicher Temperatur
» Vgl. Beythien u. Tollens, Ann. 265, 217 (1889).
* E. Fischer, Ber. 23, 2119, 2120—2121 (1890).
der Monosaccharide, 885
wieder erhalten werden^; da aber gerade die Hydrazone meist nicht
leicht abzuscheiden sind (vgl. S. 883), so ist das Problem, aus den Osazonen
Zucker zu regeneriren, weit wichtiger; seine Lösung gelingt durch fol-
gende zwei Methoden, von denen die zweite allgemeinerer Anwendung
fähig ist:
1. DieOsazone liefern bei derReduction mit Zinkstaub und Essigsäure
Osanaine* — Amidoderivate von Eetonalkoholen (vgl. S. 947) — , z. B.:
CH^OH). {CH(0H)J8 . C— CH
I! !! + HjO + 4H
CeH^.NHN N-NHCeH«
= CH^0H).{CH(0H)J3.C-CH, + CeHa-NH-NH, + CeHg-NH,;
Osamin i I
0 NH,
der Vorgang ist theil weise eine hydrolytische Spaltung, theilweise ein
Reductionsprocess im Sinne der TAFEL'schen allgemeinen Reaction
(S. 234 — 235); die Osamine, die aber nur in wenigen Fällen leicht er-
halten werden können, gehen nun durch Behandlung mit salpetriger
Säure in Ketoseri über (vgl. S. 144):
CH,(OH). {CH(0H)|8 • CO • CHj(NH,) + HNO,
= CH,(0H).{CH(0H)}s.C0.CH8(0H) + N, + H,0.
2. Die Osazone liefern bei der Spaltung durch ganz kurzes, ge-
lindes Erwärmen mit rauchender Salzsäure einerseits salzsaures Phenyl-
hydrazin, andererseits Osone' — Hydroxylderivate von Ketoaldehyden — ,
z. B. :
CH,(OH) . {CH(0H)!8 . C-CH
II II + 2HaO + 2 HCl
CeH^NH-N N.NHCaHj
• = 2 CeHg . NH . NH, . HCl + CH^OH) • JCHCOH)}, • CO • CHO ;
Oson
die Osone können in Form von Bleiverbindungen isolirt werden und
liefern bei der Reduction mit Zinkstaub und Essigsäure Ketosen:
CH^0H).{CH(0H)lsC0CH0 + 2H = CH,(0H).[CH(0H)}8.C0.CH,(0H).
In beiden Fällen also gelangt man vom Osazon zur entsprechenden
Ketose. Ist man von einer Aldose ausgegangen, so erhält man durch
die Verwandlung in Osazon und darauffolgende Umwandlung des letz-
teren nicht den ursprünglichen Zucker zurück, sondern einen isomeren
Zucker aus der Eetosegruppe :
.... CH(OH) . CHO > .... C— CH ^ .... CO • CH,(OH).
II '
CeHß.NHN N.NHCeHß
Wir besitzen mithin in diesen Reactionen auch ein Mittel, um Aldosen
in Ketosen, z. B. Traubenzucker in Fruchtzucker, zu verwandeln.
* E. Fischer u. Tapel, Ber. 20, 2569 (1887). — E. Fischer u. Hirschberoer,
Ber. 21, 1806 (1888).
» E. Fischer, Ber. 19, 1920 (1886). — E. Fischer ii. Tafel, Ber. 20, 2566 (1887).
» E. Fischer, Ber. 21, 2631 (1888); 22, 87 (1889).
886 Oxydation, Qährung der Zuokerarten,
Das Verhalten der Zuckerarten bei der Oxydation ist natürlich Ter-
schiedenartig bei den Aldosen und Ketosen. Die Aldosen können in
Carbonsäuren von gleicher Kohlenstoffzahl übergeführt werden, und zwar
liefern sie bei milder Oxydation (mit Chlor- oder Bromwasser, Silberoxyd
oder verdünnter Salpetersäure) einbasische Oxysäuren (vgl. 8.767,776,778):
CH,(OH).{CH(OH)54CHO >- CHs(0H).{CH(0H)|4.C0,H,
bei kräftigerer Oxydation mit Salpetersäure zweibasische Oxysäuren (vgl.
S. 769—770, 818):
CH,(0H).{CH(0H)l4.CH0 >- CO,H.}CH(OH)VCO,H.
Da diese Säuren durch Erhitzen mit Pyridin etc. in stereoisomere
Modificationen umgelagert (vgl. S. 772) und durch Reduction wieder in
Zucker übergeführt werden können (vgl. S. 768 — 769), so sind sie für
die Verwandlung der Zuckerarten in Stereoisomere von grosser Be-
deutung. — Im Gegensatz zu den Aldosen können die Ketosen durch
Oxydation nur Oxysäuren von niederer Kohlenstoffzahl liefern.
Von besonderer Wichtigkeit sind die Zersetzungen, welche die
Zuckerarten unter der Einwirkung von Mikroorganismen — durch „Gäh-
rung" — erleiden. Von Hefepilzen werden gewisse Zuckerarten unter
geeigneten Bedingungen rasch zu Alkohol und Kohlensäure vergohreu:
CsHiA = 2C,HeO + 2COj;
über die Bedingungen dieser „alkoholischen Gährung'', die dabei
entstehenden Nebenprodukte und ihre Bedeutung für die Praxis vgl.
S. 172 ff. Sehr interessante Verschiedenheiten haben sich in Bezug auf
die Gährungsfahigkeit der einzelnen Monosaccharide ergeben; die Eigen-
schaft der raschen Vergährbarkeit ist nur bei Zuckern von der Zu-
sammensetzung CgHgOg, CßHjjOg, CgHjgOg (Trioscu, Hexosen, Nonosen)
beobachtet, während sie Pen tosen, Heptosen, Octosen nicht zukommt.
Aber unter den vielen zur Zeit bekannten Hexosen CgHjjOg sind wie-
derum durchaus nicht alle rasch vergährbar; während z. B. <f-Glucose
und rf-Fructose — die in der Natur sehr häufig vorkommenden Hexosen —
leicht die Gährung erleiden, vergähren ihre optischen Antipoden — die
künstlich gewonnenen Zuckerarten /-Glucose und /-Fructose — nicht
oder nur schwach mit gewöhnlicher Bierhefe; vermuthlich würden auch
diese Zuckerarten durch ein passendes Ferment rasch vergohren werden
können, aber die uns zur Verfügung stehende Hefe ist eben an jene
natürlichen Zuckerarten als Nahrung gewöhnt und vermag sich nicht
sogleich einer veränderten Nahrung anzupassen. Die Mikroorganismen
wissen offenbar zwischen enantiomorphen Configurationen sehr wohl zu
unterscheiden; es geht dies ja auch daraus hervor, dass sie uns zur
Abscheidung von optisch activen Modificationen aus racemischen Modi-
ficationen dienen können (vgl. S. 809).
Unter dem Einfluss von Spaltpilzen erleiden die Zuckerarten
Gährungen anderer Art (vgl. S. 174); hierher gehört die „Milchsäure-
gährung" (vgl. S. 750) und „Buttersäuregährung" (vgl. S. 326); der
Aufhau und Abbau der Monosaccharide,
887
..Bacillus aethaceticus" und der ,,Pneumococcus (Fkiedländee)" erzeugt
aus Traubenzucker als Hauptgährungsprodukte Aethylalkohol, Essigsäure,
Kohlensäure und Wasserstoffe. — Durch die sogenannte „schleimige
Gährung", infolge welcher Wein und Bier zuweilen zähe werden, wird
Traubenzucker in eine gummiartige Substanz unter gleichzeitiger Bil-
dung von Mannit umgewandelt.
Aufbau und Abbau der Zuckerarten. Die Möglichkeit des
wechselseitigen Uebergangs zwischen kohlenstoffarmeren und kohlenstoff-
reicheren Zuckerarten ist für den Ausbau der Zuckergruppe von aller-
grösster Bedeutung.
Die Beactionen, mit deren Hülfe man innerhalb der Zuckergruppe
zu kohlenstoffreicheren Gliedern aufsteigen kann, sind bereits S. 769
besprochen; indem man die Cyanhydrinsynthese und die Reducirbarkeit
der Aldonsäuren abwechselnd benutzt, kommt man von Aldopentosen zu
Aldehexosen, von Hexosen zu Heptosen etc. Diese Methode ist bereits
in vielen Fällen von E. Fischer angewendet worden (vgl. S. 897 — 898,
900, 913—914).
Eine Methode, mit deren Hülfe man das umgekehrte Problem lösen,
den Abbau der Zuckerarten bewerkstelligen kann, ist erst kürzlich von
Wohl* aufgefunden und am Beispiel des Traubenzuckers ((f-Glucose)
erprobt worden. Wenn man das Glucosoxim CH3(OH)-{CH(OH))4-CH:
N-OH (vgl. S. 883) mit Essigsäureanhydrid bei Gegenwart von Natrium-
acetat behandelt, so werden seine fünf alkoholischen Hydroxylgruppen
acetylirt, während zugleich aus der Aldoximgruppe durch Wasser-
abspaltung die Cyangruppe wird (vgl. S. 391); es entsteht so das Penta-
acetylgluconsäurenitril CH2(0-C2H30)-{CH(0-C3H30)}^-CN, und dieses Nitril
spaltet nun bei der Einwirkung von ammoniakalischer Silberlösung Blau-
säure ab, um in das Acetylderivat einer Pen tose überzugehen; das so
gewonnene Acetylderivat kann durch Behandlung mit Ammoniak in eine
Acetamidverbindung der Pentose verwandelt werden, aus welcher endlich
die Pentose selbst (d-Arabinose, vgl. S. 893) durch Einwirkung von ver-
dünnter Schwefelsäure abgespalten wird. Die folgende Zusammenstellung,
in welcher die intermediäre Einführung von Acetylgruppen vernachlässigt
ist, giebt einen üeberblick über die wichtigster) Phasen der Reaction:
CHO
CH:NOH
CN
1
•
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CHO
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
CH(OH)
1
CH(OH)
CH^OH)
CHj(OH)
(!:jh,(OH)
CH,(OH)
' Perct Frankland u. Lumsden, Journ. Soc. 61, 432 (1892).
» Ber. 26, 730 (1893).
888 Ableitung der Structurformeln
Die (xrUnde fflr die gegenwärtig ttbliehen Straeturformeln
der Zuekerarteii. Die S. 883 besprochenen Eeactionen — Fixinmg von
Wasserstoff unter Bildung von Alkoholen, üebergang in Cyanhydrine durch
Anlagerung von Cyanwasserstoff, Bildung von Oximen und Hydrazonen —
fuhren übereinstimmend zu dem Schluss, dass das Molecül der Zuckerarten
ein Sauerstoffatom höchstwahrscheinlich in Form der Carbonylgruppe
enthält, üeber die Bindungsart der übrigen Sauerstoffatome kann man
schon aus der empirischen Zusammensetzung der Zuckerarten ein ürtheil
gewinnen; zieht man z. B. von der Bruttoformel der Hexosen C^H^jOg
die Elemente der Carbonylgruppe CO ab, so bleibt der Rest CgHjjOj
übrig, und dieser Rest ist so wasserstoffreich (Cg.-Hjj = C^:H2n + 2jj
dass er vollkommen gesättigt sein muss, weder doppelte Bindungen noch
auch ringförmige Complexe enthalten kann. Seine fünf Sauerstoffatome
können demnach nur entweder in Form von Hydroxylgruppen oder äther-
artig beiderseits an zwei verschiedene Kohlenstoffatome ( — C — 0 — C— )
gebunden sein; letztere Möglichkeit ist indess ganz ausgeschlossen, da
die durch Reduction der Carbonylgruppe aus den Hexosen z. B. ent-
stehenden Verbindungen, wie Mannit, Sorbit, Dulcit, sich als sech*^-
werthige Alkohole erweisen, bei der Reduction mit Jodwasserstoff Hexyl-
jodid liefern und demnach zweifellos eine ununterbrochene Kette von
6 C- Atomen enthalten (vgl. S. 606 ff.). Man kann somit — auch unter
Berücksichtigung des ümstandes, dass die Hexosen in Pentaacetylderivate
übergeführt werden können — den Hexosen die aufgelöste Formel:
CeH,0(0H)6
geben, in welcher das nicht hydroxylartig gebundene Sauerstoffatom als
Carbonylsauerstoff zu denken ist.
Die Kohlenstoffkette besitzt in den natürlichen Zucker-
arten normale Structur; denn die den Zuckerarten entsprechenden
mehrwerthigen Alkohole (vgl, oben) liefern bei der Reduction mit Jod-
wasserstoff normales secundäres Pentyljodid bezw. Hexyljodid (vgl.
S. 606, 608).
Der Ort der Carbonylgruppe innerhalb der Kohlenstoff-
kette kann ermittelt werden, indem man an den Zucker Cyanwasserstoff
anlagert, das Cyanhydrin verseift, die entstandene Oxysäure mit Jod-
wasserstoff reducirt und die Structur der so gebildeten, dem ursprüng-
lichen Zucker um ein Kohlenstoffatom überlegenen Fettsäure fest-
stellt; dasjenige Kohlenstoffatom, welches nun die Carboxylgruppe trägt,
muss vorher mit dem Carbonyl-Sauerstoffatom verbunden gewesen sein;
Näheres über diesen KiLiANi'schen Constitutionsbeweis, der gleichzeitig
auch eine Bestätigung für die normale Structur der Zuckermolecüle bei-
bringt, vgl. S. 784—786.
Nach diesen Feststellungen bleibt nur noch die Beurtheilung der
Vertheilung der Hydroxylgruppen übrig. In den natürlichen
Zuckerarten ist ihre Anzahl in der Regel ebenso gross als die Anzahl
für Monosaccharide, 889
der nicht cajbonylartig mit Sauerstoff verbundenen Kohlenstoffatome;
unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass nur in Ausnahme-
fällen an einem Kohlenstoflfatom mehrere Hydroxylgruppen haften, liegt
es demnach am nächsten, jedes Kohlenstoflfatom mit einer Hydroxyl-
gruppe verbunden anzunehmen. Nachdem also z. B. für Traubenzucker
die Stellung der Carbonylgruppe am Ende der Kette:
-C-C-C-C-C-CO-,
für Fruchtzucker um ein Glied nach innen verschoben:
-C— C-C-C-CO-C
durch die eben erwähnten Reactionen ermittelt ist, würden die voll-
ständigen Structurformeln dieser Zuckerarten folgendermassen zu schrei-
ben sein:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) - COH ,
CHj(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CO • CH^OH) .
Man könnte hiergegen freilich einwenden, dass bei der Beladung des
Molecüls mit Hydroxylgruppen gerade die Zuckerarten wie das Chloral-
hydrat (S. 865) einen Ausnahmefall von jener Regel darstellen könnten,
würde dann aber in der Deutung der Umwandlungen der Zuckerarten
überall Schwierigkeiten begegnen. Erhielte z. B. der Fruchtzucker eine
Formel wie etwa:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) - CH, • CO • CH(OH)j ,
80 würde ja der durch WasserstoflFaddition daraus hervorgehende Mannit
nicht mehr als eigentlicher sechs werthiger Alkohol, sondern als Hydrat
eines tetrahydroxylirten Aldehyds:
CH^OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH^ • CH(OH) - CH(OH),
aufizufassen sein und müsste dementsprechend Aldehydreactionen zeigen.
Da derartige Be9bachtungen niemals gemacht sind, vielmehr alle Beob-
achtungen in der Zuckergruppe leicht erklärbar sind, wenn jede Hydroxyl-
gruppe an ein anderes Kohlenstoflfatom gebunden angenommen wird, so
begegnet diese Annahme über die Vertheilung der Hydroxylgruppen kaum
einem Widerspruch^.
Durch Schlussfolgerungen, wie die eben entwickelten, sind zunächst
die Structurformeln der natürlichen Zuckerarten ermittelt worden. Für
die künstlich durch Umwandlung der natürlichen Zuckerarten gewonnenen
Monosaccharide ergiebt sich die Structur stets aus ihren Bildungsweisen.
Die Structurformeln, zu denen man auf diesem Wege gelangt ist,
weisen stets eine grössere Zahl von asymmetrischen Kohlenstoflfatomen
auf; jedem einzelnen Structurfall kann daher eine Anzahl von stereo-
isomeren Modificationen entsprechen; thatsächlich sind in der Zucker-
gruppe selbst und in den ihr nahe verwandten Körperklassen Fälle von
Stereoisomerie in solcher Zahl beobachtet, wie in keinem anderen 6e-
^ Ueber die Möglichkeit einer anderen Auffassung für Galactose, Dulcit und
SchleimsHure vgl. Maqüekke, Bull. 48, 722—723 (1S87).
890
Älkylenoxydfonnel der Zuckerarten,
biete, und für das Verständniss der ganzen Gruppe ist daher hier die
Ermittelung der Configuration besonders nothwendig und werthvoU.
Wie man zur Lösung dieses Problems gelangt, wird nach der speciellen
Besprechung der Hexosen in einem besonderen Abschnitt (S. 904 £F.) ge-
zeigt werden.
Mit den oben entwickelten Structurformehi der Zuckerarten stehen einige wenige
Punkte ihres Verhaltens anscheinend nidit ganz im Einklang. Die hiernach als
Aldehydalkohole aufisufassenden Substanzen zeigen nämlich insofern nicht das Ver-
halten der gewöhnlichen Aldehyde, als sie sich an der Luft nicht oxydiren und mit
fuchsinschwefliger Säure keine Röthung liefern^; die Pentaacetylderivate der Hexosen,
denen man nach jener Auffassung Formeln, wie:
CH,(0 . CjHjO) . {CH(0 . C,H,0)}4 • CHO ,
beilegen sollte, sind gegen Phenylhydrazin indifferent. Man kann diese ThatBachen
indess kaum als gewichtige Argumente gegen die Carbonylformeln gelten lassen;
denn man findet auch in manchen anderen Fällen, dass die — COH- Gruppe ron
Aldehyden, deren Molecüle mit negativen Bestandtheilen beladen sind, wenig oiy*
dationsfähig ist'; auch kann man es nicht als ausgeschlossen betrachten, dass Garbonyl*
gruppen durch die Nachbarschaft von Oxacetylgruppen die Fähigkeit zur Hydrazon-
bildung verlieren, so lange nicht direct nachgewiesen ist, dass Verbindungen mit der
Gruppe:
-CH-CO-
I
OCO-CHj
allgemein Hydrazone liefern. In Rücksicht auf jene Thatsachen indess werden Ton
einigen Autoren^'* die Aldohexosen als Verbindungen mit alkylenoxydartiger Bindung:
CHj(OH) . CH(OH) . CH • CH(OH). CH(OH) • CH(OH)
I 0 '
formulirt — eine Auffassung, die mit den Umsetzungen der Zuckerarten ebenfalls
verträglich ist. Die gebräuchlichere Aldehydformel der Zuckerarten erlaubt indess
jedenfalls eine einfachere und übersichtlichere Deutung fast aller ihrer Beactionea.
Die beiden Ansichten stehen einander übrigens durchaus nicht, unvereinbar gegen-
über, da die ihnen entsprechenden Verbindungen durch Wasseraufiiahme und Wasser-
abspaltung:
ch/
OH
CH(OH)
CH(OH) +H,0
0
CH
CH(OH)
CHjCOH)
/OH
CH<
I \0H
OH(OH)
ÖHCOH)
CH(OH)
CH(OH)
CHg(OH)
CHO
CH(OH)
CH(0H) + H,0
CH(OH)
CH(OH)
(iH,(OH)
1 V. Meyer, Ber. 13, 2343 Anm. (1880).
« Vgl. Bayman, Ber. 21, 2841 (1888).
* Erwig u. Koenios, Ber. 22, 2210 (1889); 23, 672 (1890).
* ToLLENs, Handbirch, S. 9—11. — Sohokin, J. pr. [2] 37, 312 (1888). — Skrafp.
Monatsh. 10, 401 (1889). — Wohl, Ber. 23, 2098 (1890).
Triosen und Tetrosen. 891
leicht in einander übergeben könnten. Man kann daher zur Erklärung der oben
berührten Punkte die Oxydformel annehmen und trotzdem für die Darstellung des
Gesammtverhaltens der Zuckerarten sich der Aldehydformel bedienen.
A. Triosen und Tetrosen.
Die Glycerose^ CgH^Oj — ein Gemenge von Glycerinaldehyd
CH2{0H).CH{0H).CH0 und Dioxyaceton, CH2(OH).CO-CH3(OH), über
dessen Entstehung aus Glycerin durch Oxydationsmittel schon S. 582 be-
richtet wurde, — ist als ein Syrup erhalten worden, welcher FEHLiNG'sche
Lösung stark reducirt und, wenn man ihn mit Wasser verdünnt und mit
Bierhefe versetzt, in lebhafte Gährung geräth. Mit Phenylhydrazin liefert
CH,(OH).C— CH
sie das Phenylglycerosazon ,1 , welches aus
CeHßNH.N N-NH.C.H,
Benzol in glänzenden, gelben Blättern krystallisirt und bei 131® schmilzt.
Das durch Einwirkung von Bromdampf auf Bleiglycerat erhältliche Gly-
cerosepräparat liefert, der Cyanhydrinreaction unterworfen, eine grosse
Ausbeute an Trioxyisobuttersäure (0HCHa)2C(0H)C03H (vgl. S. 776)
und besteht mithin zum grössten Theil aus Dioxyaceton^.
Erythrose* C4H8O4 (vgl. S. 604) ist aus Erythrit durch Oxydation mit verdünnter
Salpetersäure erhalten und in Form des bei 166—167° schmelzenden Phenyl-
erythrosazons Ci^HigN^Oj isolirt. — Die durch Aldolcondensation des Glykol-
aldehyds entstehende Tetrose*" (vgl. S. 871) liefert ein Osazon, das wahrscheinlich mit
dem Phenylerythrosazon identisch ist.
B. Pentosen.
In den Pentosen ^ begegnen wir nun Substanzen, die — wenn auch
bisher nicht als frei vorkommend in der Natur beobachtet — doch zu
natürlichen Produkten, und zwar Vegetabilien, in naher Beziehung stehen
und jedenfalls für den Aufbau gewisser Pflanzensubstanzen von grosser
Bedeutung sind. Um ihre Charakterisirung, die Erkenn tniss ihrer
chemischen Natur und ihrer Bedeutung haben sich namentlich Kiliani
und ToLLENs Verdienste erworben. Man gewinnt sie aus complexeren
Kohlenhydraten, besonders aus Gummiarten, durch hydrolytische Spaltung
(Kochen mit verdünnten Säuren).
* V. Deen, Jb. 1868, 501. — Qbihaux, Compt. rend. 104, 1276 (1887). — E.
Fischer u. Tafel, Ber. 20, 1089, 3384 (1887); 21, 2634 (1888); 22, 106 (1889). —
£. Fischer, Ber. 23, 2124 (1890).
■ Vgl. auch Grihiüx u. Lef^vre, Compt. rend. 107, 914 (1888). — Pitttq u.
Erlenbach, Ann. 269, 80 (1891).
» E. Fischer xl Tafel, Ber. 20, 1087 (1887).
* £. Fischer u. Lakdsteiker, Ber. 26, 2553 (1892).
' Allgemeines über Pentosen vgl. in den folgenden Abhandlungen: Tollens u. A.,
Jb. 1887, 2235. Ann. 243, 333 Anm. (1887); 249, 227 (1888); 254, 829 (1889);
260, 304 (1890). Ber. 22, 1046 (1889); 23, 137, 1751 (1890); 24, 694, 8575 (1891);
25. 2912 (1892). — Stone, Ber. 23, 3791 (1890); 24, 3019 (1891).
892 Pentosen.
Im Gegensatz zu den Hexosen werden die Pentosen durch Hefe
nicht in Gährung versetzte Während femer die Hexosen CgH^^Og beim
Erhitzen mit Schwefelsäure oder Salzsäure unter Bildung von Lävuliii-
säure zerfallen (vgl. S. 895), liefern Pentosen CgHjjjOg keine Lävulinsäure,
wohl aher hei der Destillation mit starken Säuren das mit Wasserdampf
leicht flüchtige Furfurol (vgl. Bd. II):
CH CH
■ 'I '
Ch c-cho
in grosser Menge. Da letztere Substanz durch Farbenreactionen leicht
zu identificiren ist (vgl. Bd. II), auch quantitativ bestimmt werden kann.
so kann man die „Furfurolreaction" als Kennzeichen fiir die AbspaltuDg
von Pentosen aus Kohlenhydraten benutzen und aus der gebildeten
Furfurolmenge Schlüsse über den Gehalt verschiedener Materiahen an
pentosebildenden Stoffen („Pentosanen") ziehen. So hat man nach-
gewiesen, dass aus Kleie, Bierträbem, Holz, Jute, Heu, Stroh, Loofah,
ßübenschnitzeln, Baumwollsamenschalen etc. beim Kochen mit Säuren
Pentosen gebildet werden; der Nachweis ist in manchen Fällen durch
die Isolirung derselben, in anderen Fällen durch die Furfurolreaction er-
bracht; es erhellt daraus die Bedeutung der Pentosen namentlich al^^
Baumaterial für die Grundstoffe der pflanzlichen Gewebe,
Beim Erwärmen mit Phloroglucin und Salzsäure geben die Pentosen
— und alle Materialien, welche Pentosen abspalten, — eine kirschrothe
Reaction.
Die zur Zeit bekannten Pentosen sind sämmtlich Aldosen.
Arablnosen G^^^^O^ = CB^(0H).{CH(0H)}3.CH0. Gewöhnliche
Arabinose* (Pectinzucker) — als /-Arabinose zu bezeichnen, da
sie mit der ^Glucose und /-Mannose correspondirt (vgl. S. 897 — 899). —
wurde 1869 von Scheiblee entdeckt und wird am besten durch Kochen
von Kirschgummi mit zweiprocentiger Schwefelsäure dargestellt. Sie
krystallisirt in hübschen Prismen, schmilzt bei ca. 160®, schmeckt an-
genehm süss, aber nicht so süss wie Rohrzucker, ist stark rechtsdreheml
* lieber Vergährnng durch den Bacillus aetbaceticus vgl. Pbbcy Frankluid u.
Mao Gregor, Joum. Soc. 61, 737 (1892).
• ScHEiBLi», Ber. 1, 60, 108 (1869); 6, 614(1873); 17, 1729(1884). — Claessos-
Ber. 14, 1270 (1881J. — v. Lippmann, Ber. 17, 2288 (1884). — Bauer, J. pr. [2] 80.
379 (1884); 34, 46 (1886); 43, 112 (1891). Ber. 22o, 835 (1889). — Cokbai) Q-
GuTHZBiT, Ber. 18, 2906 (1885). — Kiliani, Ber. 19, 3029 (1886); 20, 339, 1233
(1887); 21, 3006 (1888). — Stone u. Tollens, Ann. 249, 227, 267 (1888). — Stone.
Ber. 23, 3795 (1890). ~ Steiger u. E. Schulze, Ber. 23, 3110 (1890). — Pabccs c.
Tollens, Ann. 257, 173 (1890). — Allen u. Tollens, Ann. 260, 298 (1890). -
C. Schulze u. Tollens, Landwirthschaftl. Versuchsstationen 40, 379 (1892). — Sk*
MANN u. Langbein, J. pr. [2] 45, 305 (1892). — E. Fischer, Ber. 23, 2611 (1890):
24, 4221 Anm. (1891). — Wohl, Ber. 26, 743 (1893).
Ärabinosen, Ribose, Xylose, 893
([«]d in lOproc. Lösung = + 105^, zeigt Mehrdrehung und liefert ein hei
157 — 158® schmelzendes Osazon Cj^Hj^N^Og , dessen alkoholische Lösung
bald nach dem Auflösen rechts dreht, nach eintägigem Stehen aber inactiv
ist. Durch ßeduction geht sie in den optisch activen Arabit (S. 605 —
606), durch Oxydation mit Bromwasser in Arabonsäure (S. 776), mit Sal-
petersäure in optisch active Trioxyglutarsäure (S. 816 — 817), durch die
Cyanhydrinreaction in ein Gemenge von /- Gluconsäure und /-Mannon-
säure* (S. 771 — 772) über. Aus diesen Beziehungen ergiebt sich ihre
Structur. Besonders charakteristisch ist das Bromphenylhydrazon der
Arabinose. — d-Arabinose^ ist künstlich durch Abbau des Trauben-
zuckers (4-Glucose) mit Hülfe der S. 887 besprochenen Eeactionen ge-
wonnen; da der Traubenzucker synthetisch gewinnbar ist (vgl. S. 903), so
ist auch die d- Arabinose der Synthese zugänglich ; unter den Pentosen ist
sie einstweilen die einzige synthetisch herstellbare Verbindung; sie ist der
^ Arabinose optisch entgegengesetzt; in lOproc. wässriger Lösung wurde
[a]j,*o = — 1041® gefunden; der Schmelzpunkt des Osazons wurde bei
159 — 160® beobachtet. — i-Arabinose^ ist durch Combination der
beiden optischen Antipoden hergestellt; ihr Osazon schmilzt bei 163®.
Rlbose^ ist durch Eeduction des Eibonsäurelactons (vgl. S. 776) —
also mittelbar durch räumliche Umlagerung aus Arabinose:
(Umlagerang \
durch Erhitzen 1 •a-L. •. -n «r
mit Pyridin — ^ Kibonsaure — >■ Kibose
vgl. S. 772 /
— als farbloser Synip erhalten worden; mit überschüssigem Phenyl-
hydrazin giebt sie das gleiche Osazon wie die Arabinose, mit |?-Brom-
phenylhydrazin ein bei 164 — 165® schmelzendes Hydrazon; durch Ee-
duction geht sie in Adonit^ über.
Xylose* CgHjj^Oß (Holzzucker) — ebenfalls stereoisomer mit
Arabinose — ist 1886 von F. Koch entdeckt, wird aus Holzgummi
durch Kochen mit verdünnten Säuren erhalten, krystallisirt gut in
Prismen, schmilzt je nach den Bedingungen des Erhitzens zwischen
140® und 160®, ist schwach rechtsdrehend ([«Jd^® in 1 0 proc. Lösung =
> Wohl, Ber. 26, 730 (18Ö3).
» E. Fischer u. Piloty, Ber. 24, 4220(1891). — E. Fischer, Ber. 26, 638 (1893).
' Ein auch io der Natur vorkommender Inactlver Pentit, über dessen Auffindung
seit Druck des von den Pentiten handelnden Abschnitts (S. 605—606) E. Fischer
(Ber. 26, 633 [1893]) berichtet hat.
* F. Koch, Ber. 20o, 145 (1887). — Tollens u. Wheeler, Ber. 22, 1046 (1889).
Ann. 254, 304 (1889). — Parcus u. Tollbns, Ann. 257, 175 (1890). — Allen u.
ToiiENs, Ann. 260, 289 (1890). — Stone, Ber. 23, 8796 (1890). — E. Fischer u. Stahel,
Ber. 23, 2628 (1890); 24, 528 (1891). — E. Fischer, Ber. 24, 1842 (1891). — Ber-
TRAMD, Bull. [3] 5, 555, 740 (1891); 7, 499 (1892). - Stone u. Lotz, Ber. 24, 1657
(1891). — C. Schultzeu. Tollens, Landwirthsch. Versuchsstationen 40, 879, 381, 382,
U892). -Ann. 271, 40, 60 (1892).
894 Rhamfwse, Fucose,
+ 19®), zeigt aber die stärkste, bisher beobachtete Mehrdrehung ([ü]d
5 Minuten nach dem Auflösen = 75 — 80*^. Sie liefert ein bei 160^
schmelzendes linksdrehendes Osazon, welches von den Arabinosftzoneu
verschieden ist, durch Beduction den optisch inactiven Xylit (S. 605—
606), durch Oxydation Xylonsäure (S. 776) bezw. inactive Trioxyglutar-
säure (S. 816 — 817), durch die Cyanhydrinreaction /-Gulonsäure (S. 782).
üeber die Configuration dieser Pentosen vgl. S. 911 — 912.
Khamnose^ CgHigOß = CH3-{CH(OH)}4CHO — früher irrthüinlich
CgHj^Og formulirt, und daher „Isodulcit*- genannt — ist jetzt als eine
Methylpentose erkannt. Sie entsteht aus verschiedenen Glykosiden (Quer-
citrin, Xanthorhamnin, Naringin etc.) durch Hydrolyse, krystallisirt mit
1 Mol. Wasser in schönen, glänzenden, stark süss schmeckenden Krystallen,
schmilzt wasserfrei bei 93®, ist in wässriger Lösung schwach rechts-
dreliend {[«Jd^^ i^i etwa lOproc. Lösung = + 8-4®, für wasserhaltige
Rharanose berechnet), in alkoholischer Lösung linksdrehend; wasser-
haltige ßhamnose zeigt in wässriger Lösung Wenigerdrehung, während
wasserfreie ßhamnose diese Erscheinung nicht zeigt. ßKamnose liefert
ein bei 180^ schmelzendes Osazon CigH^jN^Og, durch Oxydation mit
Bromwasser Rhamnonsäure (S. 776), mit Salpetersäure active Trioxy-
glutarsäure (S. 816 — 817), durch die Cyanhydrinreaction Rhamnohexon-
säure (S. 784), durch Destillation mit Schwefelsäure Methylfurfiirol:
CH CH
CHgi CCHO*
Die Structur der Rhamnose ist aus folgenden Erwägungen abgeleitet Da die
durch die Cyanhydrinreaction daraus hervorgehende Bhamnohezonsäure durch Jod-
wasserstoff in normale Oenanthsäure überführbar ist, so ist Rhamnose eine Aldose
von normaler Structur und zwar ihrer empirischen Zusammensetzung zufolge ein
vierfach hydroxylirter Aldehyd mit sechs Kohlenstoffatomen; von den ftinf Kohlen-
Stoffatomen, die sich an die Aldehydgruppe anreihen:
C-C-C-C-C-CHO
5 4 3 2 1
miiss demnach eines hydroxylfrei sein. Nr. 1 kann nicht hydrozyifrei sein, denn die
Rhamnose liefert ein Osazon; da ferner sowohl die Rhamnonsäuro wie die Rhamoo-
hexonsäure leicht Lactone liefern, so sind höchstwahrscheinlich ^ie in diesen Säuren
zur Carboxylgruppe in ^-Stellung befindlichen C-Atome ebenfalls hydroxylirt das
sind Nr. 3 und Nr. 2. Es bleiben demnach übrig die beiden Formeln:
* Hlasiwetz u. Pfaundler, Ann. 127, 362 (1863). — C. Liebervann u. HöRNAiT'»
Ann. 196, 323 (1878). — C. Lieberhank u. Hamburger, Ber. 12, 1186 (1879). — Foersteb,
Ber. 15, 215 (1882). — Will, Ber. 18, 1316 (1885); 20, 297, 1186 (1887). — Will
ü. Peters, Ber. 21, 1813 (1888); 22, 1697 (1889). — Herzig, Monatsb. 8, 217 ll8f*T'.
— Rayman, Bull. 47, 668, 760 (1887). Ber. 21, 2046 (1888). — Rayjian u. Kbcis.
Bull. 48, 632 (1887). — E. Fischer u. Tafel, Ber. 20/ 1091, 2574 (1887); 21, 165:.
2173 (1888). — Maquenne, Compt. rend. 109, 603 (1889), — Jacobi, Ber. 24, 69:
(1891). Ann. 272, 170 (1892) ~ Schnelle u. Tollens, Ann. 271, 62 (1892).
Hexosen. 895
CH^COH) . CH, ■ CH(OH) ■ CH(OH) • CH(OH) • CHO
CHs • CH(OH) . CH{ OH) • CH(OH) • CH(OH) • CHO ;
von diesen wird die letztere, eiue endstftndige Methylgruppe aufweisende Formel da-
durch begründet, dass bei der Oxydation der Khamnose mit Silberoxyd Essigsäure,
mit Salpetersäure Trioxyglutarsäure erhalten wird, femer durch den Uebergang in
Methylfiirfurol.
Mit der Rhamnose isomer ist die Fucose^ — ein aus Seetang durch
Hydrolyse erhältlicher Zucker; Fucose krystallisirt in mikroskopischen
Nadeln, ist sehr stark linksdrehend ([a]©*® in 9 — 10 procentiger Lösung
= —76^, zeigt bedeutende Mehrdrehung und liefert beim Destilliren
mit Salzsäure Methylfurfurol; ihr Osazon schmilzt gegen 159 ^
C. Hexosen.
Die Gruppe der Hexosen umfasst die wichtigsten und bestgekannten
Zuckerarten; die seit langer Zeit bekannten natürlichen Zuckerarten —
Traubenzucker, Fruchtzucker, Galactose — gehören ihr an; in neuester
Zeit sind ihnen durch die S. 879 erwähnten Untersuchungen zahlreiche
„künstliche" Zuckerarten zugesellt, deren eine — die f/-Mannose — dann
auch als Bestandtheil von Naturprodukten aufgefunden wurde. Bis vor
wenigen Jahren noch galten die Hexosen als die einfachsten Zuckerarten
und als die Grundlage aller Kohlenhydrate; denn den Kohlenhydraten
kamen nach den damaligen Kenntnissen Formeln zu, welche entweder
sechs C- Atome oder ein Multiplum von sechs C- Atomen enthielten.
Seit man die Arabinose als Pentose erkannt hat (Kiliani 1887) und
darauf zahlreiche zur Zuckergruppe gehörige Verbindungen mit 5, 7,
8 etc. Kohlenstoffatomen kennen lernte, hat die Sechszahl der Kohlen-
stoffatome für die Präcisirung des Begriffs „Kohlenhydrat" ihre Bedeutung
verloren ; wenn heute zuweilen noch die Hexosen als eigentliche Zucker-
arten unterschieden werden, so ist dies nur durch die Tradition, nicht
durch ihre chemische Natur gerechtfertigt. Es sei indess daran erinnert,
dass in biologischer Hinsicht dem Dreikohlen^offcomplex eine Be-
deutung zuzukommen scheint, da nur Triosen, Hexosen und Nonosen
als gährungsfähig beobachtet wurden (S. 886).
Ueber das Verhalten der Hexosen vgl. die allgemeine Charakteristik
der Monosaccharide S. 881 ff.; die dort angegebenen allgemeinen Reactionen
sind grösstentheils durch das Studium der Hexosen festgestellt. Ein
speciell den Hexosen zukommendes Verhalten ist bei der Zersetzung
durch Kochen mit verdünnten Säuren beobachtet; unter gleichzeitiger
Bilung von „Huminsubstanz** und Ameisensäure entsteht Lävulinsäure^
CHj.COCHj.CHj-COaH (vgl. S. 973).
* GüKTHEB u. ToLLENS, Ber. 23, 2585 (1890). Ann. 271, 86 (1892).
' V. Grote u. Tollenb, Ann. 206, 226 (1881). — K^nt u. Tollens, Ber. 17,
608 (1884). — Wehmeb u. Tollens, Ann. 243, 314 (1887). — Vgl. hierzu auch Loew:
Landwirthsch. Versuchastationen 41, 131 (1892).
896 d-Mannose,
Die Tabelle Nr. 42 auf S. 897 giebt eine Uebersicht über die
zur Zeit bekannten Hexosen; es ist in derselben das optische
Drehungsvermögen der betreffenden Zuckerart und der Schmelzpankt
ihres Osazons angegeben, ferner werden die stereoisomeren secis-
werthigen Alkohole CH2(OH)-{CH(OH)}4-CH,(OH) (S. 606 ff.), die Pentaoxy-
capronsäuren CHj(OH)-{CH(OH)!4-C02H (S. 778 ff.) und Tetraoxyadipiii-
säuren C02H.{CH(0H)}4-C02H (S. 817 ff.) genannt, welche durch Reduction
oder Oxydation aus jeder einzelnen Hexose erhalten bezw. umgekehrt in
die betreffende Hexose übergeführt worden sind. Die Kenntniss dieser Be-
ziehungen ist von grösster Wichtigkeit für das Verständniss der Ueber-
fuhrung der Zuckerarten in' einander und für das Problem der Con-
figurationsbestimmung. Nach Besprechung der einzelnen Hexosen wird
letzteres Problem in einem besonderen Abschnitt (S. 904) behandelt
werden.
Die Bedeutung der Zeichen d und / ist schon S. 609 erklärt Sie
sagen über das Drehungsvermögen der einzelnen Substanz nur in
einigen Fällen etwas aus, wo sie zur Bezeichnung von Aldohexosen ge-
braucht werden; in allen anderen Fällen — also in Verbindung mit
den Namen von Eetosen, Hexiten, Hexonsäuren, Tetraoxyadipinsäuren,
Hydrazonen, Osazonen etc. - — dienen sie nur dazu, um die Beziehungen
der Substanz zu einer bestimmten Aldohexose hervortreten zu lassen. Auch
Aldosen, welche auf künstlichem Wege aus anderen Aldosen entstehen,
werden ohne Rücksicht auf ihr eigenes Drehungsvermögen mit diesen
Zeichen derart versehen, dass die genetischen Beziehungen hervortreten:
so wird z. B. die Octose aus f/-Mannose, obwohl sie linksdrehend ist
(f-Mannooctose genannt.
JL. Aldosen 9 welche durch Reduction in Xannite und durch
Oxydation in Mannozuckersäuren überführbar sind.
rf-Mannosei CeHj20o = CH3(OH).{CH(OH)|^-CHO (Seminose) ent-
steht neben rf-Fructo§e durch vorsichtige Oxydation des </-Mannits und
ist auf diesem Wege zuerst erhalten worden (1887); kurze Zeit darauf fand
man, dass sie auch durch Hydrolyse natürlicher Kohlenhydrate — Salep-
schleim und Reservecellulose (vgl. Hemicellulose, S. 934) — gewonnen wer-
den kann; ein an Reservecellulose reichhaltiges und sehr billiges Material
sind die Spähne, welche bei der Fabrikation von Knöpfen aus der Stein-
nuss abfallen; aus diesen Abfällen kann man durch Erhitzen mit verdünn-
ten Säuren leicht die f/-Mannose darstellen. rf-Mannose bildet eine harte,
leicht zerreibliche, zerfliessliche Masse, ist in Wasser sehr leicht löslich,
in Alkohol selbst in der Hitze schwer löslich, in Aether unlöslich, dreht
nach rechts und gährt leicht mit Bierhefe. Besonders charakteristisch
* E. Fischer, Ber. 20, 831 (1887). — E. Fischer u. Hirschberqer, Ber. 31, ISO?
(1888); 22, 365, 1155, 3218 (1889). — Gans u. Tollens, Ber. 21, 2150 (1888). Ann-
249, 251 (1888). — Keiss, Ber. 22, 609 (1889). — Lindset u. Tollens, Ahd. 261,
349 (1891). — Jacobi, Her. 24, 698 (1891).
Tabellariscke Zusammenstülung der Hexosen.
897
Tabelle Nr. 42.
II
Name der
Hezose
Optisches
Drehungs-
vermogen in
lOproc. wflssri-
ger Ldsung
Schmelz-
punkt des
Osazons
CjeH„N,0,
Zu-
gehöriger
Hexit
Zugehörige
Hexonsänre
CgHijOy
Zugehörige
Tetraoxjadipinsäure
CeHioOg
A. Aldosen.
ef-Mannose .
^Mannose. .
i-9dannose. .
rf-61ucose .
/-Glucose .
i-61uooee .
(2-Guloee .
^Galose
«-Gulose .
</*Galactose
/-Galactose
/-Galactose
Talose . .
B. Ketosen.
rf-Fruetose .
^Fructose .
t-Pructose
(a-Akrose)
Sorbinoee . .
[«Td =
-f- 14. 360 205—2060
gegen 205®
0
-f- 52.50
-51.40
0
0
[a]D= +80. 30
([a]D =-74.70)
0
[a]D= -930
[«]D
43.4
217—2180
204—205 0
204—2050
217—2180
1560
1560
157—1590
192—1950
192—1950
gegen2060
192—1950
204—2050
204-
217-
2050
2190
162—1640
<^-Mannit
/-Mannit
t-Mannit
(«-Akrit)
(i^Mannonsäure ' (^- Mannozuckersäure
/-Mannonsfture
f-Mannonsfiure
rf-Sorbit 1 «^-Qluconsäure
/-Gluconsäure
/-Mannozuckersäure
t-Mannozuckersäure
(^Zuckersäure
/-Zuckersäure
t-Gluconsfture 1 i-Zuckersäure
— I d-Gulonsäure I (i-Zuckers&ure
/-Sorbit
Dulcit
Dulcit
/"Gulonsäure
i-Gulonsfture
/-Zuckers&ure
i-Zuckersänre
fi^-Galactonsfture | Schleimsäure
Schleimsäure
i-Galactonsäure Schleimsäure
Talönsäure
TaloBchleimsäure
{d- Mannit
d-Sorbit
t-Mannit
(a-Akrit)
Sorbit
f&r die //-Mannose ist ihr schwer lösliches Phenylhydrazon CjjHjgNjOg
(vgl. S. 883); beim Vermischen der kalten wässrigenMannoselösung mit essig-
saurem Phenylhydrazin fällt dasselbe als krystallinischer Niederschlag aus,
der aus heissem Wasser in feinen Prismen anschiesst; es schmilzt bei
195 — 200^ unter Zersetzung, erfordert 80 — 100 Th. kochendes Wasser
zur Lösung und fallt beim Erkalten grösstentheils wieder heraus, während
die Hydrazone der übrigen Zuckerarten meist leicht löslich sind. Beim
Erwärmen der Mannoselösung mit überschüssigem essigsaurem Phenyl-
hydrazin entsteht das entsprechende Osazon, und dieses ist identisch
mit dem aus rf-Glucose und rf-Fructose entstehenden ^-Phenyl-
glucosazon (vgl. S. 899, 901). — /-Mannose^ ist aus Z-Arabinose auf
folgendem Wege:
» E. FißCHEB, Ber. 23, 373 (1890).
V. Hbtbr u. Jaoobsom, org. Chem. I.
57
b98 d-Glncose oder Traubenzucker,
/-Arabinose — (Cyanhydrinreaction) —>■ /-Maimonsäure — (Reduction) — ►
/-Mannose
erhalten worden (S. 769, 772); sie ist der rf-Mannose durchaus ähnhcfa,
aber optisch entgegengesetzt und wesentlich durch das Verhalten gegen
Bierhefe unterschieden; wenn überhaupt, so ist sie jedenfalls schwer
vergährbar. — i-Hannose^ ist durch Beduction von t-Mannonsäurelactou
(S. 779 — 780) dargestellt; sie vergährt mit Bierhefe partiell, indem die
^-Mannose verzehrt wird, die /-Mannose übrig bleibt; ihi* Osazon ist
identisch mit dem 2-61ucosazon und dem c^-Akrosazon (vgl. S. 902).
2. Aldosen, welche durch Beduction In Sorbite und dareh
Oxydation In ZuckersBuren fiberftthrbar sind.
d-Glucose* ist neben rf-Fructose das wichtigste natürliche Mono-
saccharid; ihres reichlichen Vorkommens in den Weintrauben wegen
wird sie gewöhnlich als Traubenzucker bezeichnet, mit Rücksicht auf
den Sinn ihres Drehungsvermögens wurde sie früher häufig als Dextrose
von dem linksdrehenden Fruchtzucker (Lävulose, s. S. 900) unterschieden.
rf-Glucose findet sich überaus häufig zugleich mit rf-Fructose in der
Natur, so namentlich in den süssen Früchten, aber auch in Samen.
Wurzeln, Blättern, Blüthen etc.; wichtig ist ferner ihr reichliches Aut-
treten im Harn bei der Zuckerharnruhr (Diabetes). Hydrolytisch ent-
steht sie aus vielen Glucosiden und Polysacchariden. Zu ihrer Dar-
stellung im Laboratorium benutzt man am zweckmässigsten die Hydro-
lyse (Inversion, vgl. S. 915 — 916) des Rohrzuckers, welche gleiche
Mengen c?-Glucose und rf-Fructose entstehen lässt; durch ihr grösseres
Krystallisationsvermögen lässt sich die Glucose von der Fruetose
trennen. Zu ihrer technischen Darstellung (vgl. S. 941) dient die Hydro-
lyse der Stärke.
Darstellung von Traubenzucker. In 12 Liter Alkohol von 90%, welche
mit 480 ccm rauchender Salzsäure versetzt sind und auf 45 — 50^ erwfirmt werden, trSgt
man 4 kg gepulverten Rohrzucker unter Umrühren ein ; nach zwei Stunden l&sst man
erkalten y fügt zur Anregung der Krystallisation etwas wasserfreien Traubenzucker
hinzu und Ifisst einige Tage zur Krystallisation stehen. Der nun abgeschiedene
Traubenzucker wird abgesaugt, mit verdünntem Alkohol nachgewaschen und nm-
krystallisirt, indem man ihn in etwa dem halben Gewicht Wasser im Wasserbade
löst, diese Losung mit dem doppelten Volum 90 — 95proceutigem Alkohol vermischt
warm filtrirt und nun nach Zusatz eines Traubenzucker-Krystfillchens kiystalliren iSast
Die rf- Glucose krystallisirt aus Alkohol oder auch aus concentrirter
wässriger Lösung bei 30 — 35^ wasserfrei in feinen Nadeln oder harten
» E. Fischer, Ber. 23, 381 (1890).
« Vgl. ToLLENS, Handbuch, S. 32 ff. — Femer: Erwio u. Köwios, Ber. 22, H64
(1889). — Skraup, Monatsh. 10, 406 (1889). — Parcus u. Tollkns, Ann. 267, 164
(1890). — E. Fischer, Ber. 20, 821 (1887); 23, 804, 1687 (1890), — Wohl, Ber. 23.
2096 (1890); 26, 730 (1893). — Meunier, Compt. rend. Ul, 49 (1890). — Jacob,
Ber. 24, 697 (1891). Ann. 272, 170 (1892). — Tollens, Ber. 24, 2000 (1891). -
Franchimont, Rec. trav. chim. 11, 106 (1892). — Pickardt, Ztschr. f. phjsiol. Chem.
17, 217 (1892). — ScHUNCK u. Marchlewski, Ber. 26. 942 (1893).
l'Glueose und i-Glucose, 899
Krusten vom Schmelzpunkt 146°; bei gewöhnlicher Temperatur krystalli-
sirt sie aus wässriger Lösung mit 1 Mol. Wasser in Täfelchen, die zu
Warzen vereinigt sind (vielleicht ist der wasserhaltige Traubenzucker
nicht als Krystallwasserverbindung, sondern als siebenwerthiger Alkohol
CH2(OH)-{CH(OH)}4-CH(OH)2 aufzufassen, vgl. S. 890). Traubenzucker
schmeckt weniger süss als Rohrzucker, ist in Wasser sehr leicht, in
absolutem Alkohol kaum löslich, ist stark rechtsdrehend und zeigt be-
deutende Mehrdrehung; er vergährt mit Bierhefe leicht und vollständig.
Beim Erhitzen mit Acetylchlorid liefert er die Acetochlorhydrose
CqH70-C](0-C3H30)^, beim Erwärmen mit Essigsäureanhydrid in Gegen-
wart von Chlorzink oder Natriumacetat zwei isomere Pentaacetylderivate
CgH70(0-CO-CH3)5, von denen eines bei 112^ das andere bei 134»
schmilzt. — Durch Einwirkung von Phenylhydrazin kann man je nach
den Bedingungen zwei isomere, leicht lösliche Phenylhydrazone von der
Zusammensetzung Cj^Hj^NgOg erhalten*. Durch Einwirkung von über-
schüssigem Phenylhydrazin in der Wärme erhält man das schwer lös-
liche rf-Phenylglucosazon CigH^N^O^ (vgl. Tabelle Nr. 42 auf S. 897),
das auch aus (2-Mannose und e2-Fructose entsteht, aus verdünntem Alkohol
in feinen gelben Nädelchen krystallisirt und linksdrehend ist. Sehr
charakteristisch ist ferner das Diphenylhydrazon CgHj205:N*N(CgH5)j,
welches beim Erhitzen des Traubenzuckers mit Diphenylhydrazin in
alkoholischer Lösung entsteht, bei 162 — 163^ schmilzt und aus heissem
Walser sehr leicht in farblosen glänzenden Prismen krystallisirt. —
Durch Einwirkung von Salzsäure entstehen aus der Glucose verschiedene
Polysaccharide („Reversion", vgl. S. 916), darunter die Isomaltose
(S. 920).
Mit der (f-Mannose ist die (f-Olucose eng verknüpft, da man die
beiden Zuckerarten infolge der wechselseitigen üeberfuhrbarkeit von
Mannonsäure und Gluconsäure (vgl. S. 772, 779) in einander um-
wandeln kann:
c?-Mannose — >- ^/-Mannonsäure — >- rf-Gluconsäure — > ef-Glücose,
(/-Glucose — > rf-Gluconsäure — >- rf-Mannonsäure — > c^-Manpose.
lieber die Synthese dieser Zuckerarten vgl. S. 903.
/-Glucose 2 ist ebenso wie die /-Mannose (vgl. S. 772, 779, 897
bis 898) aus /-Arabinose:
/-Arabinose (^^reSn"') —^ /-Gluconsäure —>- (Eeduction) — >• /-Glucose
gewonnen worden, ist an sich und in ihren Hydrazinderivaten der
rf-Glucose zum Verwechseln ähnlich, aber optisch entgegengesetzt, vergährt
indessen nicht mit Bierhefe oder jedenfalls nur sehr langsam. — i-GHucose'
* Ueber die Deutung dieser eigenthüm liehen Thatsache vgl. Skraup, Monatsh.
10, 408 (1889) u. Hantzsch, Ber. 25, 1698 Anm. (1892).
' £. Fischer, Ber. 23, 2618 (1890). ' Ebenda, 2620.
57*
900 GtUosm.
ist als farbloser Syrup erhalten worden, vergährt partiell, indem die
<f-Glucose verschwindet, die /-Glucose übrig bleibt, und liefert ein Di-
phenylhydrazon, das feine glänzende Blättchen bildet und schon bei
132— 133 <> schmilzt.
O^üloseil ^ sind künstlich gewonnene Zuckerarten genannt wordeu,
welche zu den Glucosen stereocheniisch in derartiger Beziehung stehen,
dass zwar die Anordnung der Wasserstoffatome und Hydroxylgruppen
um die vier mittleren Eohlenstoffatome:
-CHtOH). CH(OH). CH(OH) • CH{OH)-
12 8 4
dieselbe bleibt, die endständigen Gruppen aber — Aldehydgruppe und
primäre Alkoholgruppe — gegen einander vertauscht sind (vgl. S. 780 ff.):
COH.CH(OH).CH(OH).CH{OH).CH(OH).CH,(OH) : Glucose
12 3 4
CH,{OH).CH(OH).CH(OH).CH(OH)CH(OH).CHO : Gulose.
12 3 4
Man gelangt zur (f-O^alose von der ^-Glucose auf folgendem Wege
(vgl S. 781):
if-Glucose — ► rf-Gluconsäure — >■ rf-Zuckersäure — >- rf-Glucuronsäure ->
<f-Gulonsäure — >- rf-Gulose;
sie ist als farbloser Sjrrup erhalten und als nicht oder jedenfalls nur
sehr schwer vergährbar befunden worden. Leichter erhältlich ist die
/-Gulose, die aus der Xylose durch Vermittelung der Xylosecarbonsäure
(/- Gulonsäure, S. 782) entsteht:
Xylose -)-(^^reSJn"') ~^ /-Gulonsäure — > (Eeduction) -^ /-Gulose.
Sie schmeckt süss, dreht ganz schwach nach rechts und ist nicht gähr-
fähig. Ihr Phenylhydrazon CeHuOg : N-NH-C^Hg bildet feine weisse
Nädelchen vom Schmelzpunkt 143^, ihr Osazon ist im Gegensatz zu
anderen Hexosazonen in heissem Wasser merklich löslich, auch in Al-
kohol viel löslicher, als Phenylglucosazon. Viel weniger löslich ist das
Osazon der t-Gulose.
3/ Ketosen, welche durch Beductlon Mannlte und Sorbite
liefern.
e/-Fructose* (Fruchtzucker, LBtuIosc) ist schon als die den
Traubenzucker in den meisten süssen Früchten begleitende Zuckerart
* E. Fischer u. Piloty, Ber. 24, 526 (1891). — E. Fischer u. Stahel, ebeudi.
532. — E. Fischer u. Cürtiss, Ber. 25, 1029 (1892).
* ToLLENB, Handbuch S. 83 ff. — Ferner: Hökig u. Schubert, Monatsh. 8, 5ö3
(1887). — Seliwanopp, Ber. 20, 181 (1887). -- Hbrzfeld, Ann. 244, 274 (188TI -
Winter, ebenda, 295. — Honig u. Jesser, Monatsh. 9, 562 (1888). — Junqpleisö
u. Grimbert, Compt, rend. 107, 390 (1888). — Paboüs u. Tolleks, Ann. 257, I6i
(1890). — Erwiq u. Königs, Ber. 28, 672 (1890). — E. Fischer, Ber. 22, 94 (1889«:
23, 36H4 (1890). — Wohl, Ber. 23, 2092, 2107 (1890). — Gayon u. Düboüry, Corapt.
rend. 110, 865 (1890). — Ost, Ber. 24, 1686 (1891), — Tollens. ebenda, 2000.
d-Fruotose oder Fruchtzucker, 901
hervorgehoben worden (S. 898). Ein Gemisch gleicher Mengen von Trauben-
zucker und Fruchtzucker ist der sogenannte Invertzucker, welcher
durch Hydrolyse des Rohrzuckers entsteht; ein natürlicher Invertzucker
liegt im normalen Honig vor, der neben etwa 80®/^ Invertzucker und
16 — 18^0 Wasser geringe Mengen von Wachs, Eiweissstoffen etc. ent-
hält. Während die Abscheidung des Traubenzuckers aus dem Invert-
zucker verhältnissmässig leicht gelingt (vgl. S. 898), ist die IsoUrung des
schwer krystallisirbaren Fruchtzuckers aus Invertzucker eine recht müh-
same *Arbeit. Man wendet daher heute zur Darstellung des Fruchtzuckers
stets einen hydrolytischen Process an, der lediglich rf-Fructose entstehen
lässt: durch Erwärmen von Inulin (S. 927 — 928) mit schwach säure-
haltigem Wasser kann man bequem reinen Fruchtzucker gewinnen.
Erinnert sei ferner daran, dass Fruchtzucker neben if-Mannose sich
durch Oxydation von ^-Mannit bildet (S. 607, 896); er entsteht auch
bei der Oxydation des rf- Sorbits; über seine synthetische Gewinnung
s. S. 902—903.
Fruchtzucker schiesst aus alkoholischer Lösung in harten, wenig
hygroskopischen, wasserfreien Kry stallen des rhombischen Systems an;
aus concentrirter wässriger Lösung scheiden sich wasserhaltige Nadeln
von der Zusammensetzung 2GqS^^0q + H^O ab. Fruchtzucker dreht
stark nach links, stärker als Traubenzucker nach rechts; daher ist Invert-
zucker schwach linksdrehend; Fruchtzucker zeigt nur schwache Mehr-
drehung, sein Drehungsvermögen ist indess sehr mit der Temperatur
veränderlich. Er vergährt leicht und vollständig mit Bierhefe, durch
manche Hefesorten langsamer, durch andere schneller als Traubenzucker.
— Mit Essigsäureanhydrid in Gegenwart von Chlorzink behandelt, liefert
er Pentaacetylfructose CgHyO(0-CO-CH3)5 — ein zähes Harz, dessen
Chloroformlösung schwach rechtsdrehend ist. — Mit überschüssigem
Phenylhydrazin behandelt, geht er in dasselbe ^-Phenylglucosazon
über, das aus ^-Mannose und c^-Glucose entsteht (S. 899); da die
^-Fructose aus diesem Osazon mittelst der S. 885 besprochenen ße-
actionen regenerirt werden kann, so kann man cf-Mannose und d-Olu-
cose durch Vermittelung des Osazons in rf-Fructose überfuhren. —
Durch Einwirkung geringer Säuremengen in concentrirter wässriger Lösung
wird Fruchtzucker in dextrinartige Produkte verwandelt; durch Reduktion
mit Natriumamalgam liefert er ef-Mannit und ^/-Sorbit neben einander,
und, wie es scheint, in annähernd gleicher Menge; durch Oxydation mit
Quecksilberoxyd in Gegenwart von Barythydrat wird er in Glykolsäure
und Trioxybuttersäure (S. 775 — 776) gespalten.
i-Fmctose^ — die inactive Modification des Fruchtzuckers — ist
eine Substanz von besonderem historischen Interesse: sie ist diejenige
» E. Fischer u. Tapbl, Ber. 20, 1092, 2566, 8386 (1887); 22, 97 (1889). —
E Fischer, Ber. 21, 988 (1888); 23, 886 (1890). — E. Fischer u. Passmork, Ber.
22, 359 (1889). — 0. Loew, Ber. 22, 470, 478 (1889).
902 i'Fructose oder a-Akrose, l-Fnustose.
Znckerart, welche zuerst aus synthetisch herstellbaren Ausgangsmateriaiien
in einheitlichem Zustand abgeschieden ist, und bildet auf dem Weg, der
zur Synthese der natürlichen Zuckerarten geführt hat, das erste zur
Hexosegruppe gehörige Zwischenglied. Drei Wege haben zur directen
Synthese v.on Zuckerarten gedient:
1. Polymerisation des Formaldehyds durch Basen (Loew, vgl. Roh-
formose, S. 401).
2. Addition von Brom an Akroleln (vgl. S. 523) und Zersetzung des
entstandenen Akrolelndibromids mit Barytwasser (E. Fischer u. T^fel),
wobei zunächst üebergang des Akrolelndibromids CHjBr-CHBr-CHO in
Glycerinaldehyd und dann Aldolcondensation des letzteren (vielleicht
auch mit durch Umlagerung daraus gebildetem Dioxyaceton) anzunehmen
ist (vgl. S. 880).
3. Einwirkung von schwachem Alkali auf die durch Oxydation von
Glycerin erhältliche Glycerose (S. 891), wobei Aldolcondensation der
beiden Glycerosecomponenten — Glycerinaldehyd und Dioxyaceton —
eintritt (E. Fisohee u. Tafel).
Aus den durch diese Reactionen gebildeten Gemischen kann man
die künstlichen Zuckerarten in Form ihrer Osazone abscheiden; man
erhält in allen Fällen ein Gemenge von mehreren Osazonen, aus dem
sich ein Osazon von den Eigenschaften des z-Phenylglucosazons isoliren
lässt; letzteres unterscheidet sich von dem rf-Phenylglucosazon durch
seinen etwas höheren Schmelzpunkt (vgl. Tabelle Nr. 42 auf S. 897), die
optische Inactivität und die geringere Löslichkeit in Alkohol; es geht
durch die S. 885 besprochenen Reactionen in die zugehörige Eetose über,
und diese ist eben die inactive Form der Fructose. Sie zeigt alle
Eigenschaften des natürlichen Fruchtzuckers, abgesehen von der opti-
schen Activität; durch Reduction ist daraus die inactive Form des
Mannits (S. 609) erhalten worden. Da diese synthetisch gewonnenen
Glieder der Zuckergruppe in reinem Zustand zuerst aus dem Akroleln
dargestellt wurden, so hat man sie Akrosazon, Akrose und Akrit genannt
und unterscheidet sie von gleichzeitig gebildeten isomeren Produkten
als a-Phenylakrosazon, c^-Akrose und a-Akrit.
Ob in dem ursprünglicben, direct durch die obigen Synthesen erhaltenen Gemisch
schon a- Akrose enthalten ist, kann nicht mit Sicherheit behauptet werden; denn das
Akrosazon kann ja auch aus einer Aldphexose entstanden sein. Einige Beobachtungen
an den ursprünglichen Reactionsgemischen machen es indess wahrscheinlich, dass
wirklich die Akrose schon darin präformirt ist; ihre Bildung lässt sich leicht durch
Condensation von Glycerinaldehyd mit Dioxyaceton verstehen:
CH,{OH).CHfOH).CHO + CH,(OH) • CO • CH,(OH)
= CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH ) • CH(OH) • CO • CH,(OH u
Die durch Condensation von Formaldehyd mit Kalkmilch bei gewöhnlicher
Temperatur entstehende Bohformose besteht indess jedenfalls nur zum geringen Theil
aus «-Akrose, zum grössten Theil dagegen aus einem anderen Zucker (Formoaei
der noch nicht in reinem Zustand daraus abgeschieden ist und ein gegen 144*
schmelzendes Osazon liefert.
Synthese von Z/uckerarUn. Sori>inoae.
Die t-Fructose oder a- Äkrose geräth mit Bierhefe in lebhafte Qährung,
vei^ährt aber nur partieU, indem die rf-Fructose verzehrt wird, die
/-Fmctose' dagegen übrig bleibt; da die Hefe durch ihre Herkunft an
den gewöhnlichen Fruchtzucker als Nahrung gewöhnt ist, so ist dies
Resultat nicht überraschend (vgl. S. 886).
Die i-Fmctose kann nun durch eine Eeihe meist schon be
Keactionen in die natlirlichen Zuckerarten rf-Mannpse, d'G\
(f-Fructose verwandelt werden, welche damit ebenfalls der Sj
gänglich gemacht sind. Zu diesem Ziele ilihrt der folgende
i-Fructose liefert durch ßeduction den i-Mannit (S. 60'
durch Üxjdation in i-Mannose (S. 898} und t-Mannonaäure
780) übergeht:
?-Fructo8e — »- i-Mannit -->■ i-Mannose — >■ t'-Mannonsi
Die i-Maunonsänre kann in d- und /-Mannonsäure gespalt«
und die tf-Mannonsäure (S. 778 — 779) liefert nun einerseits
daction fZ-Mannose, andererseits durch ümlagerung beim Ei
Chinolin die in «j-Qlucose überführbare {f-Gluconsäure:
^JY «i-Gluconsänre — »- i
t-Mannonsäure — >- cf-Mannonsäure
"~*- if-Maunose;
endlich können (f-Mannose iind tf-Glucose mit Hülfe des d-
cosazons in rf-Fructose verwandelt werden (vgl. S. 885);
rf-GIucose -^
(i-Phenylglucosazon —>■ rf-Phenylglacoson — >- ■
G^-Mannose "'*'
Das Problem der Synthese der wichtigsten natürlichen Zuck
mithin durch diese Reactionen gelöst.
SorblnoM' C,H„0, (Sorbin; vgl. auch S. dI2) iat ein Zucker, de
beeraafl: unter gewiesen Bedingungen ieolirt werden kann, in dem Saft
prSformirt vorhanden ist, sondern erst bei längerem Stehenlassen deaselbeii
Oi^dationsprocess ans Sorbit zu entstehen scheint; er bildet farhlosl
Kryatalle, ist llukedtehcnd, liefert durch Oxydation mit Salpetersäure Trio:
(S. 817), durch Redaction mit Natriumamalgam Sorbit und besitzt dab^T
echetnlich gleich den Fructosea die Structurformel:
CH,(OH) . CH{ÜH) ■ CH(OIf]- CH(OH) - CO ■ CH,(OH) .
4. Aldosen, welche-^reh Rediictloii Bnlclt, durch •
ScliIelinsBiire oder Taloschlelmsänre liefern.
<f-6alactose^ CgHjjOg entsteht neben rf-Glucose durch
> £. FucHEB, Ber. 23, 38S (1B90).
* ToLLEHs, Handbuch S. 99. — Femer; G. Fibchbb, Ber. 20, 8'.
KiLUKi n. ScBEiBLEB, BeT. ai, 3276 (IBSS). -— Stone u. Tollen», An:
(1888). — Vkoemt u. DiLiCHiHAL, Compt. rend, 111, 51 (1890). — Freo
U, 680 (18S0).
' ToLLEHB, Handbuch S. 97. — Femer: v. Lifpmann, Ber. SO, 10<
E. FiBCHES, ebenda, 826. — Tollmb u. Stose, Ber. 31, 1572 (1888). A.
904 Ocdactosen, Talose, Rhamnohexose,
des Milchzuckers, ferner wird sie durch Hydrolyse mancher anderer Kohlen-
hydrate, z. B. gewisser Gummisorten, auch durch Spaltung des aus
Gehimsubstanz erhältlichen Cerebrins gebildet. Sie krystallisirt in mi-
kroskopischen Sechsecken, schmilzt bei 168*^, ist stark rechtsdrehend,
zeigt Mehrdrehung, vergährt langsamer als rf-Glucose, aber annähernd
ebenso vollständig. Ihr Pentaacetylderivat C^Hy 0(0 -CO -011^)5 bildet
glänzende rhombische Krystalle und schmilzt bei 142®; ihr Phenyl-
hydrazon CeHy(0H)5 iN-NH-C^Hg schmilzt bei 158—160® und ist Unks-
drehend. — z-O^alaotose ^ ist durch Eeduction der t-Galactonsäure (vgl.
S. 783 — 784), also aus tZ-Galactose durch folgende Zwischenstufen:
rf-Galactose — >■ Schleimsäure — >- z-Galactonsäure — >- i-Galactose
gewonnen; sie bildet harte farblose Krystallkrusten und schmilzt bei
140 — 142®. Lässt man sie vergähren, so vrird die (f-Galactose verzehrt,
und man erhält die /-O^alaetose^, welche der (f-Galactose zum Ver-
wechseln ähnlich ist.
Talose^ ist durch Eeduction der Talonsäure (S. 784), also aus
rf-Galactose durch die Zwischenstufen:
rf-Galactose — >- rf-Galactonsäure — ► Talonsäure — >■ Talose
gewonnen und liefert dasselbe Osazon wie die cf-Galactose.
Als eine Metfaylhexose ist femer zu erwähnen die Rhamnohexose^ CfHifO« =
CH3{CH(OH)!5CHO, welche aus der Rhamnose (S. 894) synthetisch durch die Q^-
hydrinreaction:
CH8.1CH(OH)!4.CHO— ^CH,.jCH(OH)}^.CH(OH).CO,H -^ CH,.{CH(OH)}5CH0
dargestellt ist, gut krystallisirt, bei 180 — 181^ schmilzt, linksdrehend ist ([a]D
in lOproc. wässriger Lösung = —61 «4^) und ziemlich starke Mehrdrehung zeigt
Die Configuration^ der Pentosen und Hexosen, sowie der zu
ihnen in naher Beziehung stehenden Verbindungen aus anderen
Klassen.
Um auf Grund der stereochemischen Theorie Baumformeln f&r die
zahlreichen stereoisomeren Zuckerarten und die mit ihnen nahe ver-
wandten mehrwerthigen Alkohole und Säuren zu ermitteln, muss man
zuvörderst sich die Zahl und Art der Configurationsmöglichkeiten klar
machen, welche von der Theorie für die einzelnen Fälle zui' Wahl ge-
stellt werden.
(1888). — Erwig u. Koenigs, Ber. 22, 2207 (1889). — Pabcus u. Tollsks, Ann. 267,
168 (1890). — Thierpelder, Ztschr. f. physiol. Chem. 14, 209 (1890). — Jaoobi, B«r.
24, 698 (1891). Ann. 272, 170 (1892). — Browh u. Morris, Joum. Soc. 67, 57
(1890). Ber. 24o, 723 (1891).
1 E. Fischer u. Hertz, Ber. 25, 1255 (1892). * Ebenda, 1259.
» E. Fischer, Ber. 24, 3625 (1891).
* E. Fischer u. Piloty, Ber. 28, 3104 (1890).
* Vgl. E. Fischer, Ber. 24, 1886, 2683 (1891).
Gonfiguration der stereoisomeren Zfuckerarten eto. 905
Es soll dies im Folgenden zunächst fiir die Pentosen und die ihnen
entsprechenden Pentonsäuren geschehen; da die Verbindungen beider
Klassen je drei ungleichai*tig asymmetrische Kohlenstoffatome enthalten:
CHg(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) - COH
* « *
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH). CO,H ,
* * *
so sind die einzelnen Möglichkeiten in beiden Erlassen einander natürlich
durchaus entsprechend.
Man construire sich am Modell (vgl. S. 666 — 667 Anm.) das Molecül:
CH,(OH)— CH, . CH, . CH,— CHO (bezw. CO,H) ,
indem man drei Kohlenstoffinodelle zu einer Kette zusammensetzt und
die daran gebundenen Atome bezw. Radicale durch verschiedenfarbige
Kugeln — etwa H durch weiss, CHj(OH) durch grün, COH (bezw. CO,H)
durch blau — markirt; durch Drehung der einzelnen Kohlenstofi^odelle
um die sie verbindende Axe richte man darauf die Combination derart,
dass in die durch die Gentren der drei Kohlenstoffatome zu legende
Ebene auch die Centren der grünen und blauen Kugel fallen, und
ein dieser Ebene entsprechender Schnitt durch das Modell den Anblick:
%,.
JOH (bezw. CO^H)
C<
^CHj-OH
zeigt; stellt man jetzt diese Ebene senkrecht zur Fläche des Papiers
und projicirt sie auf die letztere in Gestalt eines verticalen Striches,
so bleiben zu beiden Seiten je drei Wasserstoffatome, und man erhält,
indem man sich nun die Kohlenstoffatome in einer geraden Linie an-
geordnet denkt, die folgende Projectionsformel:
COH (bezw. CO,H)
H-
H
H
H
H
-H
CH,(OH)
in derselben sind an den drei Kreuzungspunkten die drei mittleren
Kohlenstoffatome zu ergänzen, deren Symbole der Uebersichtlichkeit
wegen fortgelassen werden mögen.
Ausgehend von dem derart gerichteten Modell oder von dieser Pro-
jectionsformel, kann man nun leicht die verschiedenen Isomeriefälle con-
struiren, welche sich ergeben, wenn an jedem der mittleren Kohlenstoff-
atome ein Wasserstoffatom durch die Hydroxylgruppe ersetzt ist; sie
sind in der Horizontalcolumne A der beigehefteten Tabelle Nr. 43 zu-
sammengestellt und mit den darüberstehenden römischen Ziffern bezeichnet.
906
Configuration der
Die Configurationen, die za einander sich wie Gegenstand und Spiegel-
bild Terhalten, sind mit der gleichen Ziffer versehen und dui'ch die
Vorzeichen + und — unterschieden. Es soll dadurch nur angedeutet
werden, dass sie einander optisch entgegengesetzt sind, aber nicht etwa,
dass gerade die mit + bezeichnete Configuration rechtsdrehend, die mit
— bezeichnete linksdrehend wirkt. Es giebt in diesem Falle, wie die
Ueberlegung zeigt, 8 verschiedene Configurationen , unter denen sich
4 Paare von je 2 enantiomorphen Configurationen befinden; ausser den
8 optisch activen Isomeren erscheinen mithin noch 4 racemische inactiTe
Modificationen denkbar.
Wir gehen jetzt zu den Pentiten und Trioxyglutarsäuren über,
die durch Eeduction bezw. Oxydation aus den Pentosen oder Penton-
säuren entstehen. Während wir es eben mit structur-unsymmetrischen
Verbindungen zu thun hatten, handelt es sich jetzt um Verbindungen
von symmetrischer Structur:
CH,(OH)~CH(OH) .CH(OH) .CH(OH)— CH,(OH)
« <c *
CO,H-CH(OH) . CH(OH) • CH(OH)-CO,H ;
♦ * «
von den drei im vorigen Falle ungleichartig unsymmetrischen Kohlenstoff-
atomen sind jetzt zwei — die beiden äusseren — einander gleichwerthig,
während das dritte — mittlere — überhaupt nicht mehr in allen Fällen
unsymmetrisch ist, sondern es nur bei verschiedenartiger Anordnung um
die beiden Nachbarkohlenstoffatome wird (vgl. S. 816); es leuchtet sofort
ein, dass die Anzahl der möglichen Isomeriefalle jetzt geringer sein wird
als im vorigen Falle. Wenn z. B. die beiden Configurationen:
COH COH
H
H—
H—
OH
OH-
— OH
- OH
und
OH—
OH-
H
H
H
CH,(OH) CH,(OH)
für Pentosen von einander unzweifelhaft verschieden sind, so werden sie
nach Herstellung der symmetrischen Structur durch Uebergang in Pentit:
CH,(OH) CH,(OH)
H
H
H-
OH
OH
OH
OH
und
OH
OH-
— H
H
H
CH,(OH) CH,(OH)
mit einander identisch; denn man braucht jetzt offenbar nur eines dieser
Systeme derart umzudrehen, dass das vorher untere Ende zum oberen
stereoisofneren Zfuckerarten, 907
wird, um es mit dem anderen System yöllig gleich aassehend zu machen.
Die nähere Ueberlegung zeigt, dass hier nur vier verschiedene Con-
figurationen möglich sind (vgl, S. 816 — 817); sie sind in der Horizontal-
columne B der Tabelle Nr. 43 derart zusammengestellt, dass sie sich stets
unter den entsprechenden Pentoseconfigurationen befinden, und sind mit
den darunter befindlichen Ziflfern bezeichnet, die diese Beziehung eben-
falls andeuten sollen. Wenn demnach eine Pentitconfiguration die Bezeich-
nung + III) IV erhält,» so ist .damit ausgedrückt, dass sie zwei optisch
activen, aber nicht entgegengesetzten Pentoseconfigurationen (+111 und
+ IV) entspricht. Die mit +,—11 bezeichnete Pentitconfiguration da-
gegen entspricht zwei optisch activen und einander entgegengesetzten
Pentoseconfigurationen (+11 und —11); es ist leicht ersichtlich, dafes
letzteres System durch intramoleculare Compensation der gleichartig un-
symmetrischen Kohlenstoflfatome inactiv sein muss; (Jenn construirt man
sein Spiegelbild und kehrt letzteres wieder um:
CH,(OH) CHg(OH)-<— I CHs(OH)
\ !
H OH OH H , H— i~OH
OH H — >■ H— '— OH
H
OH OH- I— H
= 0H--|— H
H— ,— OH
CH,(OH)
CH,(OH) CHs(OH) —
so kommt man zur ursprünglichen Gestalt wieder zurück. Gegenstand
und Spiegelbild sind hier nicht mit einander enantiomorph, sondern
identisch; diese Art der Anordnung entspricht mithin nicht zwei optischen
Antipoden, sondern einer inactiven Modification. Die üebersicht über
die Columne B zeigt, dass es für Pentite und Trioxyglutarsäuren zwei
verschiedene durch intramoleculare Compensation inactive Modificationen
(+, — I und +,—11) und zwei einander enantiomorphe Modificationen
(+111, IV und —in, IV) giebt, demnach endlich noch eine fünfte race-
mische inactive Modification denkbar erscheint.
In gleicher Weise kann man nun die Isomeriemöglichkeiten für die
Aldohexosen und Hexonsäuren
CH,(OH)— CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH)~CHO
« 4' * 4^
CH,(OH)-CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH)— COgH ,
« « * *
sowie für die Hexite und Tetraoxyadipinsäuren :
CH,(OH)-CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH)-CH,(OH)
« * • •
CO,H-CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(OH)-CO,H
* * * •
ableiten. Sie sind in den Horizontalcolumnen C und D der Tabelle, die
den Columnen A und B ganz analog angeordnet sind, zusammengestellt.
Hier sei nur noch das zahlenmässige Ergebniss der Ableitung angeführt.
908 Ganfiguratimi der
Für Aldohexosen und Hexonsäuren sind 16 active Modificationen
möglich; zu denen noch 8 racemische inactive Modificationen hinzutreten
können.
Für Hexite und Tetraoxyadipinsäuren sind zwei durch intra-
moleculare Gompensation inactive und acht optisch active Modificationen,
endlich noch vier racemische inactive Modificationen denkbar.
Um die Isomeriemöglichkeiten der Ketohexosen abzuleiten, bedarf
es keiner besonderen Betrachtung; sie entsprechen in stereochemischer
Beziehung durchaus den Aldopentosen:
CH,(OH)-CH(OH). CH(OH) • CH(OH)— CO • CH,(OH)
* >0 *
CH,(OH)-CH(OH) . CH(OH) . CH(OH)-COH ,
m * *
und demnach gilt f&r sie die Columne A mit.
Nach Ableitung der möglichen Kaumformeln handelt es sich nun
darum, sie auf die einzelnen bekannten Verbindungen zu vertheilen.
Es gelingt dies, wenn man sich auf die genetischen Beziehungen
stützt, welche die Pentosen mit Hexosen, die einzelnen Hexosen unter
einander und endlich die Zuckerarten mit mehrwerthigen Alkoholen und
Säuren verknüpfen (vgl. die Tabelle Nr. 42 auf S. 897).
Man kann zunächst unter den Pentosemöglichkeiten (Columne A)
eine beschränkte Auswahl für die Arabinosen einerseits und Xylose
andererseits treffen. Denn i-Arabinose ist in optisch activen Arabit
(S. 606) und optisch active Trioxyglutarsäure überflihrbar (S. 817)), muss
daher eine der vier Configurationen + III, + IV, — III, — IV besitzen.
Xylose dagegen liefert den optisch inactiven Xylit und die inactive Tri-
oxyglutarsäure; diese Verbindungen können nicht racemisch sein, da sie
aus einer einheitlichen activen Pentose hervorgehen; mithin muss Xylose
eine der vier Configurationen +1, — I, +11, — 11 besitzen.
Man kann ferner unter den Möglichkeiten der Columne D wieder
eine beschränkte Auswahl für d- und /-Zuckersäure bezw. d- und /-Sorbit
treffen, wenn man berücksichtigt, dass
1 . d- und Z-Zuckersäure optisch activ und einander entgegengesetzt sind,
2. jede Zuckersäure aus zwei verschiedenen Aldohexosen — Glucose
und Gulose — entsteht.
Durch 1. werden die Configurationen +, — I und +, — VIII, durch 2. die
Configurationen + VI, — VI, + VII, — VII ausgeschlossen.
Unter den übrig bleibenden Configurationen + 11, HI und — 11, IQ.
+ IV, V und — IV, V kann man eine weitere Auswahl auf Grund einer
Schlussfolgerung treffen, welche sich übereinstimmend aus mehreren
Thatsachen betreffs der stereochemischen Beziehungen zwischen den Ver-
bindungen Mannose, Mannit, Mannonsäure, Mannozuckersäure einerseits
und den Verbindungen Glucose, Sorbit, Gluconsäure, Zuckersäure
andererseits ergiebt. Numerirt man nämlich in der Formel der Hexosen
und Hexonsäuren die asymmetrischen Kohlenstoffatome wie folgt'.
stereoisomeren Zmkerarten,
909
OH,(OH)— CH(OH).CH(OH).CH(OH).CH(OH)-CHO (bezw. CO,H),
1. 2. 8. 4.
80 muss die Anordnung in Bezug auf die Kohlenstöffatome Nr. 1, 2 und 3
in beiden Verbindungsreihen die gleiche sein, und die Isomerie der
einander entsprechenden Verbindungen aus beiden Reihen kann lediglich
auf entgegengesetzter Gruppirung in Bezug auf das KohlenstolQFatom Nr. 4
beruhen; es folgt dies aus nachstehenden Beobachtungen:
1. Glucose und Mannose liefern ein und dasselbe Phenylglucosazon
(S. 899).
2. (i-Sorbit und 6^-Mannit entstehen neben einander durch Eeduction
einer Ketohexose (ef-Fructose, vgl. 901).
3. Z-Mannonsäure und /-Gluconsäure entstehen neben einander durch
die Cyanhydrinreaction aus einer Aldopentose (/-Arabinose, vgl. S. 893).
Durch diese Beziehungen werden nun die Configurationen + ü, HI
und -n,ni:
H-
H
CH,(OH)
-OH
-OH
CH,(OH)
H
OH
0H--
OH—
—OH
H
OH
H
— H
— H
H— |- OH
CH,(OH) (!)H,(OH)
itbr die Sorbite und Zuckersäuren unmöglich; denn bei ihrer Annahme
würden den Manniten und Mannozuckersäuren die Configurationen
+,-Vin oder +,-I:
CH,(OH) CH,(OH)
OH
H
H
OH
H
OH
—OH
— H
H
H
H
H
OH
OH
OH
OH
CH,(OH) CH,(OH)
(durch Umwechselung von H und OH entweder am untersten oder am
obersten asymmetrischen Kohlenstoflfatom entstehend) zufallen ; diese Con-
figurationen stellen aber inactive Systeme dar, während im Gegentheil die
Mannite und Mannozuckersäuren als optisch active Substanzen befanden
sind. Mithin bleiben nun für die Zuckersäuren und Sorbite lediglich die
Configurationen +IV, V und — rV,V als möglich übrig. Welche dieser
Configurationen der rf-Zuckersäure imd dem d-Sorbit, welche der /-Zucker-
säure und dem /-Sorbit zukommt, lässt sich ebensowenig entscheiden, wie
man beispielsweise für Rechtsäpfelsäure und Linksäpfelsäure eine bestimmte
910 Configuration der
Auswahl zwischen den beiden möglichen Raumformeln treffen kann. Es
ist dies auch flir alle weiteren Betrachtungen unnöthig, da beide Confi-
gurationen ja einander enantiomorph sind und demnach demselben chemi-
schen Gleichgewichtszustand entsprechen. Wir wollen willkürlich die An-
nahme machen, dass öf-Zuckersäure und rf-Sorbit die Configuration — IV» 7,
dagegen Z-Zuckersäure und /-Sorbit die Configuration + IV, V besitzt.
Nachdem somit die Configuration der Zuckersäuren und Sorbite be-
stimmt ist, bleibt fllr die zugehörigen Aldohexosen — Glucosen und
Gulosen — auch nur die Wahl zwischen wenigen Möglichkeiten der
Columne C Es ist nur zu entscheiden, welche von den beiden Con-
figurationen —IV und —V der rf-Glucose, welche der rf-Gulose zukommt;
ebenso sind die Configurationen +IV und +V auf /-Glucose und
/-Gulose zu vertheilen.
Für diese Auswahl braucht man sich nur daran zu erinnern, dass
4
Xylose durch die Cyanhydrin Z-Gulonsäure, i-Arabinose aber /-Glucon-
säure (neben /-Mannonsäure) liefert, und femer auf die schon früher
vorgenommene beschränkte Auswahl der Configurationsmöglichkeiten för
Xylose und Arabinose (S. 908) zurückzugreifen. Es ist leicht ersichtlich,
dass eine Hexonsäure von der Configuration +IV:
COgH
-OH
H
H OH
OH- -j -H
H— -OH
I
CH,(0H)
nur entstehen kann aus der Aldopen tose:
CHO
H OH
OH— |— H ;
H— --0H
6h,(0H)
und da sich letztere Configuration unter den Xylosemöglichkeiten befindet
(+ II in Columne A), so kommt die obige Configuration +rV der /-Gulon-
säure und /-Gulose zu; umgekehrt folgt aus den Beziehungen der /-Glucon-
säure zur /-Arabinose die Configuration +V für /-Gluconsäure und
Z-Glucose.
Hiermit sind nunmehr die Raumformeln für die Glucosen und Gulosen
festgestellt:
stercoisomeren Zuckerarten,
911
COH
H-
OH-
H
H-
OH
H
—OH
—OH
CH,(OH)
cf-Glucose
COH
OH— |— H
H OH
OH-
H
OH H
CH,(OH)
^Glacose
OH-
OH-
H-
OH-
COH
H
— H
—OH
— H
CHg(OH)
fl{-6ulose
COH
H—
H—
OH—
—OH
—OH
— H
H OH
CH,(OH)
/-Gnlose
Da aber die Glucosen mit den entsprechenden Mannosen und Fructosen
die gleichen Osazone liefern, so ergeben sich auch sofort die Kaum-
formeln für die Mannosen und Fructosen:
COH
I
OH— i— H
OH
H
H
H
OH
OH
CH,(OH)
(i-Mannose
H-
H
OH—
OH—
COH
—OH
—OH
— H
H
CH,(OH)
/-Mannose
CH,(OH)
CO
OH
H
H
H
-OH
OH
CH,(OH)
rf-Fructose
H
OH-
OH
CH,(OH)
OH
H
■H
CH,(OH)
^Fructose
Die Baumformebi der den Aldohexosen entsprechenden Hexonsäuren
sind natürlich ganz analog; zusammengestellt seien hier noch die Raum-
formehi der Mannite, Sorbite, Zuckersäuren und Mannozuckersäuren:
CH,(OH) (bezw. CO,H)
OH— — H
OH
H
H
OH
H— !— OH
6h,(0H) (bezw. CO,H)
tif-Mannit
(Mfannozackersfture
H-
H
OH
OH
CH,(OH)
OH
—OH
— H
— H
CH,(OH)
Mlaniiit
/-Mannozuckersänre
OH
OH
H-
CH,(OH)
OH
H
H
^H
H
CH,(OH)
rf-Sorbit
(^-Zuckersäure
H
H-
OH-
CH^OH)
—OH
OH
H
OH
H
CH,(OH)
/-Sorbit
/-Znckersäure
Aus den Beziehungen von Xylose zu ^Gulose, /-Arabinose zu Z-Man-
nose und /-Glucose, (2-Arabinose zu (i-61ucose und aus dem Umstand,
dass /-Arabinose und Kibose das gleiche Osazon liefern, ergiebt sich
femer die Gonfiguration der Pentosen:
912
Configuration der stereoisomeren Zuekerarten,
COH
H —OH
COH
COH
COH
H
OH H
H
OH
OH-
OH-
CH,(OH)
Xylose
OH
H
H
OH
H-
H
-H
-OH
— OH
OH
H
OH
H
CH,(OH)
/-Arabinose
CH,(OH)
ti-Arabinose
OH— I— H
CH,(OH)
Ribose
und im Anschluss daran diejenige der Pentite und Trioxyglutarsäureii
H
OH
CH,(OH) (b€zw. CO2H)
—OH
— H
CH2(0H)
CH,(OH)
H
—OH
H
OH
OH
OH
H
H
OH H
OH
OH
CH,(OH) (bezw. CO^H)
Xylit,
Trioxyglatarsäare
(Schinelzpanktl52<>)
CHs(OH)
/-Arabit,
Triozyglutarsäure
(Schmelzpunkt 127*)
H
H
CH,(OH)
Adonit,
TrioxyglatarsäuTe
Schmelzpunkt 170— 111 •>
Auch für die Verbindungen der Duicitreihe Iftsst sich die Configuration
soweit beurtheilen, dass ftlr die einzelnen Verbindungen nur eine geringe Zahl Fon
Raumformeln als möglich übrig bleibt. Schleimsäure und Dulcit sind aus den S. 820
angeführten G-ründen durch intramoleculare Compensation inactiv, besitzen also die
Configuration +>I oder + 1 VllI (ColumneZ>); bei einem Ueberblick über die Tabelle
ist es sofort ersichtlich, dass nur mit diesen Raymformeln die Bildung der gleichen
Tetraoxyadipinsäure aus zwei optischen Antipoden vereinbar ist. Für die Gralactosen
sind mithin die Configurationen + 1, — I, + VIII, — VIII (Colnmne CT) und för die
Talose, die das gleiche Osazon, wie die d-Galactose, liefert, die Configurationen
+ n, + HI, — n, — ni möglich. Der Taloschleimsäure endlich und ihrem noch un-
bekannten optischen Antipoden können daher nur die enantiomorphen Configurationen
+ n, ni oder — n, in (Columne D) zukommen ; und da nun von den optisch aetiven
Configurationen der Columne D alle bis auf + VII und — VH durch Tetraoxy-
adipinsfturen bereits besetzt sind, so bleibt für die Isozuckersäure nur eine dieser
beiden enantiomorphen Raumformeln übrig.
Die Rhamnose liefert die gleiche Trioxyglutarsäure, wie die ^Arabinose, und
besitzt daher entweder die Configuration +in oder +IV (Columne A; man ersetze
in der Pentoseformel — CHgCOH) durch — CH(OH).CH,).
Die Beobachtungen über die Sorbinose sind mit der Theorie nicht in Ein-
klang zu bringen. Sie soll dieselbe Trioxyglutarsäure, wie Arabinose, liefern; da
diese Säure aber nicht optisch untersucht ist, so könnte sie auch das optische Isomere
sein. Hiemach müsste die Sorbinose eine der Configurationen + HI, + IV, — HI, — IV
besitzen [Columne J.; man ersetze in der Pentoseformel — COH durch —CO -011,(0 H)].
Von diesen Configurationen sind aber — IV und + IV schon durch d- und /-Fructose
besetzt, und die übrig bleibenden + IH und — HI können wiederum durch Reduction
nicht die Configuration der Sorbite liefern. Vielleicht verschwinden diese Wider-
sprüche bei einer Revision der Beobachtungen.
Hepiosen, Octosen, Noiiosett.
D. Heptosen, Octosen, Nonosen.
Monosaccharide mit mehr als sechs Saueratoffatomen sind bis!
der Natur nicht aufgefunden. Ihre künstliche Bildung gelingt,
man — ausgehend von den Hexosen — abwechselnd die Cyanh
Synthese und die Reduction der Aldonsäuren in Form ihrer Li
ansführt (8. 769):
CH^0H)1CH(0H)I,.C0H »- CH,(OH).|CH(OH)],-CH(OH)CO,H -
CHj(0H)-JCH(OH)icCX>H etc.
Sü ist man z. B. von der i:2'Mannose zur if-Mannoheptose, Manno
und Mannononose — sämmtlich Zuckerarten, die gleich der rf-Ms
charakteristische, in Wasser schwer lösliche Phenylhydrazone liefe
»nfgestiegen ' ; von besonderem Interesse ist es, dass Mannononose €
leicht wie Mannose vergährt, während die Heptose und Octoae
gährungsfäbig sind (vgl. S. Ö86). Von der i-Mannose und i-JSs
ausgehend, hat man eine l- und i-Manuoheptose dargestellt'. Vc
Rbamnose als Ausgangspunkt ist eine Bhamnohexose (S. 904), Rh
heptose und Rhamnooctose gewonnen worden*.
Am ausführlichsten sind Reactionen dieser Art filr den Ai
von der (/-Glucose aus untersucht worden*; hier hat auch die |
zeitige Bildung zweier Stereoisomeren, die infolge der Neubildung
asymmetrischen Sohlen stoffatoms der Theorie nach möglich ers
(vgl, S. 771 — 773), bei der experimentellen Durcharbeitung eing
verfolgt werden können. Es sind zwei [:i-GlucoheptoBen isolirt wi
die als a- und /3-Glncoheptose unterschieden werden und ihrer f
zeitigen Entstehung aus if-Glucose zufolge den Raumformeln:
I. COR II. OOH
H On OH -H
H OH H- -OH
H OH H— |— OH
I
CH^OH) CH^OH)
entsprechen. Durch Oxydation können diese beiden Heptosen in
verschiedene Pentaoxypimeliueäuren (S. 821 — 822) übergeführt w
filr welche demnach die Raumformetn:
> E. PiBCHRB u. Pabshure, Bu. 23, 2226 (1690); vgl. auch ebenda, ü. dS
» Stamley Smith, Ann. 270, 182 (1892).
■ E. FisoBKB u. PiLOTT, BcT. 2S, 3102 (1890).
< E. FiMBEB, ADD. 270, 64 (1892).
V. Mktbr u. JaoobKh, arg. Cham I 5B
914
Heptosen, Ootosen, Nonosen,
I.
CO,H
H-
H
OH
H-
H-
OH
OH
H
IL CO,H
OH— !— H
H
OH
-OH
H
OH
—OH
H-
H
OH
OH
CO,H CO,H
zur Wahl stehen. Von diesen beiden Configurationen nun muss, wie
man sich am Modell leicht überzeugen kann, die erste durch intra-
moleculare Compensation inactiv, die zweite dagegen actiy sein. Nun
hat es sich in der That gezeigt , dass aus or-Glucoheptose eine inactiTe,
aus /?-Glucoheptose eine active Pentaoxypimelinsäure entsteht; dem zu-
folge besitzt or-Glucoheptose die Configuration I, /S-Glucoheptose die Con-
figuration 11. Von der or-Glucoheptose ist dann die Synthese über eine
a-Glucooctose bis zu einer a-Gluconose fortgeführt worden (vgL auch
S. 786), welch' letztere sich im Gegensatz zur Mannononose als nicht
gährfähig erwiesen hat.
cf-Mannoheptose G7H14O7 krystallisirt aus Alkohol in sehr feinen Nadeln,
schmilzt bei 184 — 185^, schmeckt rein süss und ist stark rechtsdrehend: [a]i>*^ in
lOprocentiger wässriger Lösung = +68-6^; ihr Hydrazon CyHuOeiN-NH-CeHj
schmilzt bei 197 — 200^ (das Hydrazon der /-Mannoheptose schmilzt ebenso, da-
gegen dasjenige der «-Mannoheptose bei 175 — 177**). — (/-Hannooetose CgHs^Os
ist schwach linksdrehend und liefert ein gegen 212^ schmelzendes Hydrazon. —
c?- Mannononose C^HigOg ist wieder stark rechtsdrehend; ihr Hydrazon schmilzt
gegen 223 ^
oc-Glueoheptose C7H14O7 ist ungemein krystallisationsfiLhig, schmeckt schwach
süss, schmilzt nicht constant zwischen 180^ und 190^, löst sich in 10*5 Th. Wasser
von 14^y dreht links und liefert ein leicht lösliches Hydrazon, das gegen 170*^ unter
Zersetzung schmilzt; ^-Glucoheptose konnte nicht kxystallisirt erhalten werden
und liefert ein Hydrazon, das bei etwa 192^ schmilzt; aus beiden Heptosen entsteht
das gleiche Osazon (Schmelzpunkt gegen 195^). — Glue^oetose CgHieOg krystalliart
aus Wasser in feinen Nadeln mit 2 Mol. H,0, schmilzt wasserhaltig bei 93% dreht
links und liefert ein in kaltem Wasser schwer lösliches Hydrazon (Schmelzpunkt
gegen 190^). — Glueononose C^HigO» wurde bisher nicht krystallisirt erhalten, ist
in Wasser sehr leicht löslich und dreht schwach nach rechts; ihr Hydrazon ist in
kaltem Wasser sehr schwer löslich und schmilzt zwischen 195^ und 200^.
faltbare Zuckerarten, 915
Sechsunddreissigstes Kapitel.
spaltbaren Kohlenhydrate oder Polysaccharide.
(ZackerShnliche PoljBaccbaride [Rohrzucker etc.]. — Nicht zuckerfthnliche Poly-
saccharide [Stärke, Cellulose etc.]. — Die Bedeutuog der Kohlenhydrate in der
Industrie.)
U. Die spaltbaren Zuckerarten oder zuckerähnlichen
Polysaccharide.
Die zuckerähnlichen Polysaccharide kommen fertig gebildet in der
Natur vor, wie Eohrzucker, Itfilchzucker, Raffinose etc. Itfan erhält sie
femer aus complicirteren Kohlenhydraten durch partielle hydrolytische
Spaltung; z. B. Maltose und Isomaltose aus Stärke, und kann sie endlich,
wie durch die Bildung von Isomaltose aus Traubenzucker:
2 C^HijOg — HjO = CijHjjOii
gezeigt ist, umgekehrt aus Monosacchariden durch Anhydrisirung (beim
Erhitzen mit concentrirten Säuren) gewinnen.
Gleich den Monosacchariden sind sie neutrale, süss schmeckende
farblose Verbindungen, welche in Wasser leicht löslich sind ; sie sind in
der ßegel durch grössere Krystallisationsfähigkeit als die Monosaccharide
ausgezeichnet.
Ihre empirischen Formeln enthalten die Elemente von n Mono-
saccharidmolecülen vermindert um die Elemente von n — 1 Wassermole-
cülen, 2. B. C„H„0„ = 2CeH,,0, - H3O, C„H„0„ = 3C,H,,0, - 2H,0.
Man kennt bisher fast ausschliesslich solche zuckerähnliche Polysaccharide,
welche sich von Hexosen ableiten^, deren Molectil mithin ein Multiplum
von 6 C-Atomen enthält; man unterscheidet sie je nach der Anzahl der
mit einander vereinigten Hexosemolecüle als Hexobiosen C^jHgjOn,
Hexotriosen CigHggOig etc.
An ihrem chemischen Verhalten ist vor Allem als allgemein gültig
hervorzuheben ihr Vermögen, unter der Einwirkung von verdünnten
Säuren in der Wärme oder auch unter der Einwirkung gewisser unge-
formter Fermente schon in der Kälte eine hydrolytische Spaltung
in Monosaccharide zu erleiden. Als Produkte dieser Spaltung tritt
zuweilen nur eine Hexose auf, z. B. öf-Glucose aus Maltose:
Ci,H,Ai + H,0 = 2CeHj,0e (Glucose);
* Nur eine von der Arabinose sich ableitende Pentobiose CioHjgOo (= 2C5HioOß
— H2O) ist bisher bekannt geworden. Diese Arabinon genannte Substanz entsteht
bei gemässigter Einwirkung von verdünnter Schwefelsäure auf Arabinsäure (S. 980)
und andere Guminisäuren; sie ist bisher nur in amorphem Zustand erhalten, dreht
stark nach rechts, wird von Schwefelsäure leicht zu Arabinose hydrolysirt; ihre
Moleculargrösse ist auf kryoskopischem Wege bestimmt. (Süllivav, Joum. Soc. 57,
59 [1890]).
58*
916 hiversion und Reversion,
häufiger aber werden mehrere isomere Hexosen neben einander ge-
bildet, z. B. rf-Glucose und (i-Fructose aus Rohrzucker:
Ci,H„0„ + H,0 = CgHigOe (Glucose) + CeHijO« (Fructose);
complicirtere Polysaccharide können auch partiell hydrolysirt werden,
indem einfachere Polysaccharide neben Monosacchariden entstehen, z. B.:
CisIIssOie (Meletrioee) + H,0 = Ci,H„0„ (Melebiose) + CeHi,Oe (rf-Fructoee).
Man hat diesen Vorgang der hydrolytischen Spaltung von Polysaccha-
riden zuerst und am eingehendsten beim Rohrzucker untersucht; in
diesem Falle fuhrt er von dem rechtsdrehenden Rohrzucker zu einem
Gemisch von gleichen Theilen der rechtsdrehenden d- Glucose und der
stärker linksdrehenden d- Fructose (vgl. S. 901), also zu einem links-
drehenden Gemenge; wegen dieser Umkehrung des Dreh ungs Vermögens
bei dem wichtigsten Beispiel der hydrolytischen Spaltung bezeichnet
man die Reaction häufig auch als „Inversion'^, das Reactionsprodukt
als „Invertzucker". Für die vollständige Inversion bedarf es nur
äusserst geringer Säuremengen; so wird z. B. ein Gemisch von 80 Th.
Rohrzucker und 20 Th. Wasser, das auf den Zucker berechnet nur
0-005 7o Chlorwasserstoff zugesetzt enthält, bei einstündiger Digestion
in siedendem Wasser nahezu völlig invertirt; bei Gegenwart grösserer
Säuremengen werden die Spaltungsprodukte ihrerseits wieder verändert,
indem sie zu complicirteren Kohlenhydraten (vgl. Dextrine) condensirt
werden^ („Reversion").
lieber die „Inversionsgeschwindigkeit^^ und ihre Abhängigkeit von der
Natur der invertirenden Säure sind mehrere eingehende Untersuchungen* ansgefubit
worden; der Vorgang der Zuckerinversion kann zur Bestimmung von Affinitäte-
coefficienten (vgl. S. 35S) benutzt werden.
Die Untersuchung der hydrolytischen Spaltung der Polysaccharide
fährt insofern zu einem Urtheil über ihre Constitution, als sie die ein-
zelnen zuckerartigen Componenten kennen lehrt, welche zu einem grösseren
Molecül vereinigt sind. Aus dem Umstand, dass die hydrolytische Spal-
tung so äusserst leicht eintritt, kann man ferner den Schluss ziehen,
dass bei der Wasserzufuhr nicht Kohlenstoffatome von einander gerissen
werden, dass mithin der Zusammenhalt der einzelnen Monosaccharid-
molecüle lediglich durch Bindung mittelst der Sauerstoffatome bewirkt
wird, dass die Polysaccharide eben Anhydride der Monosaccharide sind.
Welche Sauerstoffatome aber sind es, die sich bei der Verkettung
mehrerer Monosaccharidmolecüle betheiligen?
Man kann zunächst, wenn man die grosse Zahl der Hydroxylgruppen
in den Monosacchariden und die Zusammensetzung der Polysaccharide
* Vgl. Wohl, Ber. 23, 2084 (1890).
* Wilhelm Y, Pogg. 81, 413, 499 (1850). — Löwenthal u. Lekssen, J.
321, 401 (1862). — Fleury, Ann. eh. [5] 7,881 (1876). — Urech, Ber. 15, 21
17, 2165 (1884). — Ostwald, J. pr. [2] 29, 385 (1884). — Spohb, J. pr. [
(1885). — Tbevoe, Ztachr. f. physik. Chem. 10, 821 (1892).
Constitution der Disaccharide. 917
berücksichtigt, behaupten, dasa jedenfalls, wenn auch die Hydroxyl-
gruppen theilweise durch die Anhydrisirung verschwinden, die grössere
Zahl der Hydroxylgruppen noch in dem Polysaccharidmolecül vorhanden
sein muss. Dieser Schluss wird bewiesen durch die Zusammensetzung
der Acetylderivate, welche aus den Polysacchariden durch Einwirkung
von Essigsäureanhydrid entstehen, z. B. Octoacetyllactose aus Milchzucker
( — im Gegensatz zu den Zuckern selbst zeigen diese Acetylderivate bit-
teren Geschmack).
Man kann femer durch die Reactionen der Polysaccharide ein Ur-
theil darüber gewinnen, ob und in wieweit die Carbonylgruppen der
Monosaccharide bei dem Zusammentritt mehrerer Molecüle verändert
werden bezw. erhalten bleiben. Unter den Disacchariden CuHg^On
kann man in dieser Beziehung zwei Gruppen unterscheiden.
Es giebt einerseits Disaccharide, welche gleich den Monosacchariden
noch durchaus den Charakter von Aldehydalkoholen zeigen. Sie reduciren
FEHLiNö'sche Lösung und färben sich leicht mit Alkalien; sie reagiren
mit Phenylhydrazin unter Bildung von Osazonen, deren Zusammensetzung
^24-^2^4^9 beweist, dass ihr Molecül noch einmal die Nachbarcombi-
nätion von Carbonylgruppe und Carbinolgruppe enthält, und die im
Gegensatz zu den Osazonen der Monosaccharide in heissem Wasser ver-
hältnissmässig leicht löslich sind. Sie können durch vorsichtige Oxy-
dation in einbasische Säuren Cj^H^jOu verwandelt werden, die bei der
Hydrolyse nun in ein Molecül Hexose und ein Molecül Hexonsäure zer-
fallen :
CisHjsOis + HjO = CeHjjOj + C^HigO?;
ebenso können sie durch die Cyanhydrinreaction in einbasische Säuren
^13^24^13 verwandelt werden, die als hydrolytische Spaltungsprodukte
eine Hexose und eine Heptonsäure liefern. Alle diese Reactionen weisen
darauf hin, dass bei der Anhydrisirung die eine Carbonylgruppe zwar
verändert ist, die andere aber erhalten blieb; man kann sich eine der-
artige Vereinigung zweier Hexosemolecüle vorstellen, wenn man analog der
A'cetalbildung annimmt, dass die Carbonylgruppe des einen Hexosemole-
cüls mit zwei Hydroxylgruppen des zweiten Molecüls reagirt, dem ent-
stehenden Disaccharid mithin eine Formel, wie
CHjCOH) . {CH(0H)[4 . CH< I
\0 - GH . {CH(OH)[, . CH(OH) . CHO ,
beilegt. Zu dieser Gruppe von Disacchariden gehört der Milchzucker,
die Maltose und Isomaltose.
Im Gegensatz dazu zeigen andere Disaccharide, z. B. Rohrzucker,
kein Reductionsvermögen gegen FEHLiNa'sche Lösung und verhalten sich
gegen Phenylhydrazin indifferent. In ihren Molecülen sind mithin ver-
muthlich Carbonylgruppen nicht mehr enthalten. Man kann sich in, ihnen
die Verkettung der beiden Hexosemolecüle entsprechend der allgemeinen
Formel:
918 RohrTMcker.
C,H,(OHU-0-lc,H,(OH)«
••{33
denken, die Spielraum für zahlreiche Stellungs- und Eaumisomerien lässt
Auch in Bezug auf die Gährungsfähigkeit verhalten sich die
Disaccharide verschieden. Maltose z. B. vergährt leicht direct; ßohr-
zucker ist an sich nicht gährungsfähig und vergährt erst nach der b-
version, die aber von der Hefe selbst durch das in ihr enthaltene Invertm
(vgl. S. "178) bewirkt werden kann.
A. Disaccharide ^i^S^^^w ^^^^ Hexobiosen.
Kohrzueker^ CijHggOn (Saccharose) ist im Pflanzenreich sehr
verbreitet, findet sich z. B. neben Monesacchariden in manchen Früchten,
wie Ananas und Erdbeeren; in besonders grosser Menge aber ist er in
den Wurzeln der Zuckerrübe (bis ca. 16 ®/y), den Stengeln der Zucker-
hirse und des Zuckerrohrs (15 — 20 7o) — Materialien, welche zur tech-
nischen Gewinnung des Rohrzuckers dienen (vgl. S. 935 flf.), — enthalten.
Rohrzucker bildet grosse, klare, monokline Krystalle, ist in Wasser sehr
leicht löslich (bei 20® in etwa ^^ Th. Wasser), in starkem Alkohol schwer
löslich und dreht stark nach rechts: [ajp = +66-5®; sein specifisches
Drehungsvermögen wird durch Aenderungen der Concentration und der
Temperatur nur wenig beeinflusst. Rohrzucker schmilzt gegen 160® und
erstarrt dann wieder zu einer amorphen glasartigen Masse; durch stär-
keres Erhitzen bräunt er sich und bildet zunächst unter Zersetzung
das sogenannte „Caramel'* — ein nicht krystallisations&higes Substanz-
gemisch — , dann verkohlt er unter Entwickelung von Gasen und Dämpfen.
Er reducirt nicht alkalische Kupferoxydlösung, ist nicht direct gährungs-
fähig, reagirt nicht mit Phenylhydrazin und wird durch verdünnte Al-
kalien nicht verändert. Bei der Hydrolyse ( „Inversion* ', vgl. S. 916)
liefert er ein* Gemenge von gleichen Theilen c^-Glucose und d-Fructose
(„Invertzucker"), welches nun FBHLiNG'sche Lösung reducirt und von
Alkali unter Gelbfärbung zersetzt wird. — Octoacetylsaccharose
CiaHi403(0-COCH3)8 schmilzt bei 67« und schmeckt bitter.
Unter den Verbindungen des Rohrzuckers mit Basen (Saccharaten)
sind für die technische Abscheidung des Zuckers (vgl. S. 989, 989—940) namentlich
wichtig die Saccharate der alkalischen Erden. Man erhält das Mo nocalcinm-
saccharat CigHssO,!, GaO + 2H2O und das Dicalciumsaccharat CitH|,Oti.
2CaO, wenn man in Zuckerlösungen die entsprechenden Mengen Ejük löst und
darauf mit Alkohol fällt, als Niederschläge, welche sich in kaltem Wasser leicht
^ ToLLENS, Handbuch S. 104ff. — Vgl ferner: Stbombter, Ber. 20o, 574 (1S87K
— Wulff, Jb. 1888, 2322. — Washbubn u. Tollbks, Ann. 257, 156 (1890). -
Stone, Ber. 23, 1406 (1890). — Fabnsteiner, ebenda, 8570. — Scheibleb, Ber. 24,
434 (1891). — BoDLÄXDEB, Ztschr. f. physik. Chem. 7, 308 (1891). — O'Süluvak, Journ.
Soc. 61, 408 (1892). — Nasini u. ViLLAVECcmA, Ber. 25 o, 442 (1892). — Ewbix,
Cöthener Chem.*Zt^. Repert. 1892, 359. — B^hamp, Bull. [3] 9, 21 (1893).
Milchzucker. 919
lösen. Beim Kochen ihrer Lösung fällt das sehr schwer lösliche Tricalcium-
saccharat CisH^gOn, SCaO + SH^O (im Vacuum getrocknet) aus.
Milchzucker^ CjgHgaOj^ (Lactose) kommt in der Milch der Säuge-
thiere und des Menschen in einem Betrage von 3 — 67o ^^^ ^^d wird
aus den „Molken" — der Flüssigkeit, welche nach Abscheidung des
Caselns und Fetts aus der Milch zurückbleibt — , durch Abdampfen zur
Erystallisation und Umkrystallisiren dargestellt. Er schiesst in grossen,
weissen, harten Erystallen mit 1 Mol. H^O an, löst sich in 6 Th. kaltem,
etwa 2^/2 Th. kochendem Wasser, ist stark rechtsdrehend ([a]i> =
-f- 52 «5®) und zeigt starke Mehrdrehung. Der krystallwasserhaltige
Milchzucker wird nicht über Schwefelsäure, auch nicht bei 100^ wasser-
frei, kann aber bei 130^ entwässert werden; bei höherer Temperatur färbt
sich Milchzucker unter Zersetzung und schmilzt bei etwa 200 ^ Wasser-
freier Milchzucker zeigt, nach verschiedenen Bereitungsweisen hergestellt,
Verschiedenheiten in Bezug auf das anfangliche Drehungsvermögen
seiner Lösung; unter gewissen Umständen erhält man ihn weniger-
drehend, unter anderen Umständen mehrdrehend (vgl. S. 882). Milchzucker
reducirt FEHLiNa^sche Lösung, färbt sich mit Alkalien leicht gelb und
scheint nicht direct der alkoholischen Gährung fähig zu sein. Durch
Hydrolyse zerfällt er in c?-Galactose und rf-Glucose; durch Erhitzen mit
Essigsäureanhydrid liefert er eine Octoacetylverbindung CjjHj^Og(0-
CO-CH3)8, durch Einwirkung von überschüssigem Phenylhydrazin das
Phenyllactos8|.zon Cg^HjjN^Og, welches gelbe Nadeln bildet, bei 200**
schmilzt und in 80 — 90 Th. heissem Wasser löslich ist. Letzteres wird
durch rauchende Salzsäure in der Kälte in salzsaures Phenylhydrazin und
Lactoson gespalten, und das Lactoson liefert bei der tivertirung durch
Erhitzen mit verdünnten Säuren d-Galactose und c^Glucoson (vgl. S. 885).
Durch Oxydation mit Bromwasser geht Milchzucker in Lactobionsäure
CijHggOjg über, welche beim Erwärmen mit verdünnten Säuren in
d-Galactose und d-Gluconsäure gespalten wird. Mit Eücksicht auf die
Spaltungsprodukte des Lactosons und der Lactobionsäure kann man den
Schluss ziehen, dass beim Zusammentritt des Galactose- und Glucose-
molecüls zum Milchzuckermolecül die Aldehydgruppe der Galactose ver-
schwindet, diejenige der Glucose erhalten bleibt (vgl. S. 917).
Maltose^ ^12^22^11 entsteht aus Stärke (vgl. S. 927) durch Ein-
wirkung der Malzdiastase und anderer Fermente und ist daher von be-
sonderer Bedeutung für die Praxis derjenigen Gährungsge werbe, welche
von stärkehaltigen Rohstoffen ausgehen; sie stellt den gährungsfähigen
Zucker der Kartoffel- und Getreidebranntweinmaischen (vgl. S. 173, 177)
* Vgl. T0LLBN8, Handbuch S. 144ff. — Femer: E. Fischer, Ber. 21, 2632 (1888).
— £. F18GHEB n. J. Meybb, Ber. 22, 361 (1889). — Pabcus u. Tollens, Ann. 257,
170 (1890). — SoHMÖGBB, Ber. 26, 1452 (1892). >- Reinbbecht, Ann. 272, 197 (1892).
• T0LLEK8, Handbuch S. 150. — Femer: Pabcus u. Tollens, Ann. 257, 171
(1890). — £. Fischer n. J. Meter, Ber. 22, 1941 (1889). — Reinbrecht, Ann. 272,
200 (1892).
920 Maltose und Isomaliose.
und der Bierwüi-zen dar. Sie bildet feine, weisse Nadeln, krjstallisirt
mit 1 Mol. Krystall Wasser, das bei 100® entweicht, ist in Wasser leicht
löslich, stark rechtsdrehend ([aj^ = + 137®) und zeigt Wenigerdrehung.
Sie reducirt FEHLiNG'sche Lösung, wird durch Alkalien leicht zersetzt
gährt mit Hefe leicht und vollständig, wird von Diastase und Invertin
nicht verändert und liefert bei der Hydrolyse durch verdünnte Säuren
lediglich (f-Glucose. Mit Essigsäureänhydrid und Natriumacetat erhitzt,
liefert die Maltose ein bei 150 — 155® schmelzendes Octoacetylderivat
Cj,Hj^03(0-C0-CHg)g, mit Phenylhydrazin das bei 206® schmelzende, in
75 Th. kochendem Wasser lösliche Phenylmaltosazon Cj^Hj^N^O,, bei
der Oxydation mit Bromwasser die Maltobionsäure CjjHjjOjj, welche
durch Erhitzen mit verdünnter Schwefelsäure in d-Glucose und d-Glucon-
säure gespalten wird.
Isomaltose ^ ^12-^2^11 entsteht synthetisch aus rf-Glucose durch
längere Einwirkung von rauchender Salzsäure bei 10 — 15® neben dextrin-
artigen Produkten, findet sich daher im technischen Stärkezucker {S. 941);
sie wird auch bei der Einwirkung von Diastase auf Starke gebildet,
und zwar besonders reichlich bei 65 — 70® und nicht zu grossem Ueber-
schuss an Diastase; daher bildet sie einen Bestandtheil des gedarrten
Malzes und der Bierwürze; da sie nur sehr langsam vergährt, indem
sie wahrscheinlich erst sehr allmählich durch das Invertin der Hefe
verändert wird, ist sie auch nach der Gährung noch im Biere enthalten
(in einer Menge von ca. 25 — 30®/^ des Bierextracts) und scheint von
grosser Bedeutung für die Eigenschaften des Bieres zu sein. Die Iso-
maltose schmeckt intensiv süss, beginnt schon bei 65® in gelbbraune,
ebenfalls noch süss schmeckende Röstprodukte überzugehen — es wird
hierdurch vorzugsweise das „Böstaroma des Darrmalzes" bedingt — ,
während bei höherer Temperatur dunkelbraune Röstprodukte von bitterem
Geschmack entstehen. Dir optisches Drehungsvermögen ist fast gleich
dem der Maltose ([«Jd in lOprocentiger Lösung = + 139 — 140®). Durch
Diastase wird sie vollständig in Maltose übergeführt. Ihr Osazon
Cj^HjjN^Og bildet gelbe Nadeln, beginnt bei 140® zu sintern, schmilzt
bei 150 — 153®, ist in heissem Wasser ziemlich leicht löslich und wird
durch starke Salzsäure in Phenylhydrazin und Isomaltoson zerlegt,
welch' letzteres durch Hydrolyse in d-Glucose und d-Glucoson zerfallt
Trehalose* CisHssOn (NT ycose) ist ein natürlich vorkommendes Disaocharid, das
namentlich in frischen Pilzen verbreitet ist. Sie kiystallisirt mit 2 Mol. H,0, schmilzt
» E. Fischer, Ber. 23, 3687 (1890). — Ldttner, Jahrbach der Chemie von R
Meyer, I, 375 (Frankfurt a. M. 1892). Cöthener Chem.-Ztg. 1892, Repertoriom
S. 15. Ztschr. f. angew. Chem. 1892, 263, 329. — Scheibler u. Mittblmbieb, Ber.
24, 301 (1891). ~ DüLLy Cöthener Chem.-Ztg. 1892, 1178. — Prior, Ztschr. f. angew.
Chem. 1892, 315. — Lintner u. Düll, Cöthener Chem.-Ztg. Bepert 1892, 161. —
Schifferer, ebenda, 336.
■ ToLLBNs, Handbuch S. 154. — Femer: Boürquelot, Compt rend. 108, 56S
(1889); 111, 578 (1890). — Maqüenne, Compt. rend. 112, 947 (1891),
Trehalose, Melebiose, Turanose, 921
wasserhaltig bei 100^ wasserfrei bei 210*^, dreht stark rechts, wird von Alkalien
nicht gebräunt, reducirt nicht FEHLiNo'sche Lösung und ist schwer oder nicht
gährungsflähig; durch Hydrolyse liefert sie cI-Glucose.
Melebiose^ Oxfi%%Oii (Eucalyn) entsteht neben d-Fructose durch partielle
Hydrolyse der Meletriose (s. unten) sowohl bei der Einwirkung von Säuren wie auch
von Invertin. Sie ist stark rechtsdrehend, liefert ein bei 170 — 171^ schmelzendes
Octoacetylderivat Ci2Hi403(0« CO • CHj)8, ein Phenylhydrazon CigHjaOioN,,
welches bei 145^ schmilzt, in Wasser leicht, in Alkohol schwer loslich ist, und ein
in heissem Wasser leicht lösliches Osazon Ca4H8aN409.
Taranose' O^^^fin entsteht durch partielle Hydrolyse der Melezitose (vgl.
S. 922), schmilzt bei 65—70^ und ist rechtsdrehend.
B. Trisaccharide CjgHgjOjg oder Hexotriosen.
Meletriose oder BafSnose^ ^\^z%^i^ (Gossypose, Melitose)
lindet sich in geringer Menge in der Kübe und häuft sich bei der Zucker-
fabrikation aus Buben in der Melasse an; sie krystallisirt dann mit
Rohrzucker in eigenthtimlichen, spitzen Krystallen (verzerrte Formen der
normalen Rohrzuckerkrystalle). Sie ist ferner aus Baumwollsamen, aus
der Eucalyptus-Manna und aus Gerste gewonnen worden, ßaffinose kry-
stallisirt mit 5 Mol. HjO in dünnen Nadeln oder Prismen, wird bei
langsamem Erhitzen bis gegen 100^ wasserfrei, schmilzt wasserfrei bei
118 — 119^, löst sich in 6 — 7 Th. Wasser, auch ziemlich leicht in Methyl-
alkohol, dagegen kaum in Aethylalkohol und ist stark rechtsdrehend:
[«Jd in lOprocentiger Lösung = + 104-4^; da sie bedeutend stärker als
Rohrzucker dreht, so kann natürlich raffinosehaltiger Rübenzucker eine
Drehung zeigen, die bei der sich auf das Drehungsvermögen des Rohr-
zuckers gründenden Berechnung des Zuckergehalts eine Zahl von über
100% liefert („Pluszucker"). Raffinose ist gegen Alkalien und
FEHiiiNG'sche Lösung indiflFerent und kann mit Hefe vollständig ver-
gohren werden. Durch Erwärmen mit Essigsäureanhydrid und Natrium-
acetat liefert sie ein bei 99.— 101° schmelzendes Undekaacetylderivat
CjqH,j05(0-CO-CH3)ii; bei der Hydrolyse zerfällt sie zunächst in i-Fruc-
tose und Melebiose (s. oben), welch' letztere dann in c^Glucose und Galac-
tose gespalten wird. Die Melebiose ist, da sie ein Osazon liefert, ein
1 ScHSiBLEB u. MiTTELMEiEB, Ber. 22, 1682, 3118 (1889); 23, 1438 (1890).
* Alechin, Ber. 22 o, 760 (1889).
* JoHKSTON, J. pr. 29, 485 (1848). — Bebthelot, Ann. eh. [3] 46, 66 (1856).
Compt. rend. 109, 548 (1889). — Loiseaü, Compt. rend. 82, 1058 (1876); 109, 614
(1889). — RiTTHAUSBN, J. pr. [2] 29, 351 (1884). — Tollens, Ber. 18, 26 (1885). —
Ribchbiet n. Tollens, Ber. 18, 2611 (1885). Ann. 282, 169 (1886). — Scheibleb,
Ber. 18, 1409, 1779 (1885); 19, 2868 (1886). — O'Sullivan, Joum. Soc. 49, 70 (1886).
— V. LiPPMAMK, Ber. 18, 3087 (1885); 21 o, 889 (1888). — Haedicke u. Tollens, Ann.
238, 808 (1887). — Tollens u. F. Mayeb, Ber. 21, 1569 (1888). — Betthiem u. Tollens,
Ann. 266, 195, 214, 222 (1889). — Scheibleb u. Mittelmeieb, Ber. 22, 1678, 3118
(1889); 23, 1438 (1890). — Lindet, Bull. [3] 3, 413 (1890). Compt. rend. 110, 795
(l890j. — Passmoee, Ber. 24 c, 401 (1891). — Wintebstein , Landwirthsch. Versuchs-
Stat. 41, 382 (1892).
922 Meletriose (Baffinose) und Mdezüose,
milchzuckerähnliches Disaccharid mit einer Aldehydgruppe, und zwar
gehört die Aldehydgruppe wahrscheinlich dem Glucoserest an; denn
durch Beduction der Melebiose mit Natriumamalgam erhält man ein
Produkt (Melebiotit), das als ein aus einer Hexose und einem Hexit
gebildetes Anhydrid aufzufassen ist und bei der Hydrolyse als einzigen
Zucker Galactose liefert. Von den drei Hexoseresten des Meletriose-
molecüls ist mithin der Glucoserest der mittelständige; er ist einerseits
durch eine milchzuckerartige Bindung mit dem Galactoserest, anderer-
seits durch eine rohrzuckerartige Bindung mit dem Fructoserest ver-
knüpft.
Melezitose ^ CigUgiOie ist eine in mehreren Mannasorten — so im Terenshabm,
des persischen Manna von Alhagi Mauroram — gefundene Zuckerart. Sie kiystalli-
Birt mit 2 Mol. HgO in rhombischen Prismen; wasserfrei schmilzt sie bei 157^ Sie
löst sich in etwa 3 Th. Wasser von 17°, ist rechtsdrehend, gegen FsHLiNo'sche Losung
und Natronlauge unempfindlich, gährt mit Hefe schwierig und liefert ein bei 170*^
schmelzendes Undekaacetylderivat CjgH,i06(0-C0-CHg)u. Bei der Hydrolyse
zerföllt sie zunächst in Turanose (vgl. S. 921) und £^-Glucose; als Endprodukt entsteht
ausschliesslich cI-Glucose.
C. Krystallisirbare Polysaccharide von höherem
Molecularge wicht.
Die folgenden, noch wenig untersuchten Kohlenhydrate, deren Eigenschaften
auf ein hohes Molecularge wicht deuten und theil weise schon an die amorphen, nicht
zuckerähnlichen Kohlenhydrate erinnern, können auf Grund der bei ihrer AnaljBe
erhaltenen Zahlen als Hexasaccharid^e C^^e%^si aufgefasst werden; doch besitzt
man noch keine zuverlässigen Anhaltspunkte für die Beurtheilung ihrer Molecular-
grosse, und die Analysenzahlen würden auch mit anderen Formeln in Einklang za
bringen sein.
GenÜanose* ist aus der Wurzel von Gentiana lutea erhalten, schmeckt kaom
süss, schmilzt bei 210^, ifit in Wasser leicht löslich und rechtsdrehend: [aj) =
+ 65*7^; sie reducirt FEHLiNO^sche Lösung nicht, gährt aber mit Hefe und liefert
einen linksdrehenden Invertzucker.
Laetosin^ wird aus der Wurzel von Silene vulgaris und anderen Caiyophyl*
laceen erhalten und scheint in einer amorphen und einer krystalÜsirten Modification
zu exLstiren, die durch die Grrösse ihres Drehungsvermögens differiren. Das kiystal-
lisirte Lactosin enthält, über Schwefelsäure getrocknet, 1 Mol. H^O (auf die Formel
CjeHßjOsi berechnet) und wird bei 110° wasserfrei; es bildet schon mit wenig WjKser
eine klare Lösung, welche in concentrirtem Zustand wie Dextrinlösung klebt; es ist
stark rechtsdrehend ([«Jd in Sprocentiger wässriger Lösung = +211-7®) und redudri
FEHUNO^sche Lösung bei kurzem Kochen nicht. Bei der Hydrolyse liefert es ein Zncker-
gemenge, das etwa zur Hälfte aus (f-Galactose besteht
» Bebthelot, Ann. eh. [3] 56, 282 (1859). — Voliers, Bull. 27, 98 (1877). -
Alechin, Ber. 22 o, 759 (1889). — Stohmann, J. pr. [2] 45, 321 (1892).
• A. Mefee, Ztschr. f. physiol. Chem. 6, 135 (1881). — Vgl. Tollkkb, Hand-
buch S. 159.
8 A. Meyer, Ber. 17, 685 (1884).
OerUianose, Laotosin, Siachyose. 923
Stachyose ^ findet sich sehr reichlich in den Wurzelknollen von Stachys tuberi-
fera, bildet tafelartige glänzende wasserhaltige Erystalle, deren Zusammensetzung
der Formel CigHgjOie + 3H,0 oder CgeHejOgi + 7H,0 entsprechen; bei 103—104®
getrocknet, zeigt die Verbindung die Zusammensetzung CigHgjOie, bei 110—112® ge-
trocknet: C,oH02^8i* 3^^ schmeckt sehr schwach süsslich, löst sich sehr leicht in
Wasser, ist rechtsdrehend ([oJd in 9procentiger wässriger Lösung = + 148®), reducirt
nicht FEHUNO^sche Lösung und liefert bei der Hydrolyse c{-Galactose, cf-Fructose und
c?-Glucose.
III. Die nicht zuckerfthnlichen Polysaccharide.
Die in dem vorigen Abschnitt als „zuckerähnliche Polysaccharide"
zusammengefassten Anhydride der einfachen Zackerarten, deren Molecüle
eine verhältnissmässig geringe Zahl von Monosaccharidresten vereinigt
enthalten, verdienen das Prädicat „zuckerähnlich" insofern, als sie in
Wasser leicht löslich und krystallisirbar sind und süssen Geschmack
besitzen.
Ihnen kann eine Gruppe von Substanzen gegenüber gestellt werden,
welche sich als Polysaccharide ebenfalls dadurch erweisen, dass sie durch
hydrolytische Spaltung in Monosaccharide zerlegt werden können, welche
in ihren äusseren Eigenschaften aber durchaus nicht mehr an die ein-
fachen Zuckerarten erinnern; sie besitzen kaum noch Krystallisations-
fähigkeit, wenigstens nicht in gewöhnlichem Sinne; zum Theil sind
sie nur amorph erhalten worden, jsum Theil in sogenannten „Sphäro-
krystallen" — krystallinische Aggregate von knollig-rundlichen Formen,
die aus radial gestellten, nach einem gemeinschaftlichen Centrum zu-
sammenlaufenden Elementen zusammengesetzt sind; sie zeigen keinen
süssen Geschmack mehr, sind zum Theil allerdings in Wasser noch
löslich, zum Theil aber quellen sie auch nur in heissem Wasser auf
oder sind ganz wasserunlöslich.
Zu dieser Gruppe der „nicht zuckerähnlichen Polysaccharide" ge-
hören Substanzen von grösster physiologischer Bedeutung: die Stärke
und Cellulose, die Gummiarten und Pflanzenschleime.
Entsprechend der hohen Wichtigkeit, welche diese Stoffe för den
Lebensprocess der Pflanzen besitzen, sind sie Gegenstand sehr zahl-
reicher Untersuchungen gewesen. Wenn trotzdem unsere Kenntniss
dieger Gruppe noch weit davon entfernt ist, einen klaren Ueberblick zu
ermöglichen, wenn in vielen Punkten auch heute noch selbst über die
chemische Individualität von manchen überaus wichtigen Stoffen diver-
gente Ansichten herrschen, so liegt dies einerseits an den experimentellen
Schwierigkeiten, welche stets mit der Bearbeitung amorpher Substanzen
verknüpft sind, andererseits daran, dass erst die neueste Zeit Klarheit
» V. Plamta u. E. Schulze, Ber. 23, 1692 (1890): 24, 2705 (1891). Land-
wirthsch. Versuchs-Stationeii 40, 281 (1892); 41, 123 (1892). — E. Schulze, Ber. 26,
2215 (1892). — Stromer u. Stift, Ber. 26 o, 386 (1892). — Winterstein, Landwirthach.
VerBuchsstat. 41, 380 (1892).
924 Nicht ztwkercUinliche Polysaccharide,
über die Natur der einfachen Zuckerarten verbreitet hat, deren genaue
Kenntniss ja natürlich eine unumgängliche Vorbedingung für die Auf-
klärung der complexeren Polysaccharide bildet. Es ist zu erwarten, dass
die Erfolge, welche man neuerdings bei der Bearbeitung der Mono-
saccharide erzielt hat, nun auch bald ihre Wirkung auf die Förderung
unserer Kenntnisse im Gebiet der complicirten Polysaccharide äussern
werden.
Einstweilen können wir über die Natur der nicht zuckerähnlichen
Kohlenhydrate — abgesehen von der Beschreibung ihrer Eigenschaften
— nicht viel mehr angeben, als sich aus der Untersuchung ihrer hydro-
lytischen Spaltung — ihrer „Verzuckerung" — ergiebt: wir erfahren
dadurch, welche Monosaccharidreste die einzelnen anhydridartig ver-
knüpften Glieder ihrer Molecüle bilden. Ueber die Art der Verknüpfung
können wir nichts Bestimmtes aussagen; ja selbst bezüglich der Zahl
der in einem Molecül vereinigten Monosaccharidreste müssen wir uns
einstweilen mit unbestimmten Vermuthungen begnügen; ein sicher be-
gründetes Urtheil über die Moleculargrösse dieser complicirteren und
jedenfalls sehr hoch- molecularen Kohlenhydrate kann zur Zeit nicht ab-
gegeben werden.
Man bezeichnet gegenwärtig diese complexeren Kohlenhydrate zu-
weilen mit Namen, welche die Natur der bei der Hydrolyse entstehenden
Zuckerarten andeuten, z. B. Xylan, Galactan, Pentosane, Galacto-
Araban etc.
Versuche zur Anwendang der kryoskopischen Moleculargewichtsbestimmung'
sind an einigen dieser Kohlenhydrate (Inulin, Phlein^ Dextrin etc.) in wässriger
Lösung gemacht worden; selbst bei sehr grossen Concentrationen sind nur sehr
geringe Gefrierpunktsdepressionen gefunden, und insofern können die Beobachtongen
zur Bestätigung dafür dienen, dass wir es hier mit sehr hoch molecularen Verbin-
dungen zu thun haben; doch sind die beobachteten Depressionen eben so geiing
und daher so abhängig von unvermeidlichen Versnchsfehlem, dass man sie kaum mit
Vertrauen einer auch nur approximativen Berechnung des Moleculargewichts zu
Grunde legen kann.
Die Gegenwart von alkoholischen Hydroxylgruppen giebt sich auch
bei diesen complicirteren Polysacchariden durch die Fähigkeit zur Bil-
dung von Salpetersäure- und Essigsäure-Estern kund.
A. Stärke und ähnliche Kohlenhydrate.
Stärke^ (^gHioOs)! (Amylum) — eine Substanz, welche man in den
verschiedensten Organen des Pflanzenkörpers in Form von Körnchen.
^ Brown u. Morris, Journ. Soc. 55, 462 (1889). — Ekstrakd u. Mauzklits,
Cöthener Chem.-Ztg. 1889, 1302, 1337.
■ Vgl. ToLLENS, Handbuch, S. 165 £F. — Frank, Lehrbuch der Botanik I, S. 48 ff.
(Leipzig, 1892). — Vgl. ferner: Jb. 1887, 2262—2266. — Brown u. Morrq, Journ. Soc, 55.
449, 465 (1889). — Wohl, Ber. 23, 2101 (1890). — Scheibler u. Mittrlmeikr, ebenda.
3060, 3473. — Zulkowsky, ebenda, 3295. — Flourens, Compt. rend. 110, 1204 (1890».
— Lintner, Ztechr. f. angew. Chemie 1890, 546. Cöthener Chem.-Ztg. Repert. 1893,
stärke. 925
die organisirte Stnictur besitzen, findet; schon beim Assimilationsprocess
(vgl. S. 401) sieht man sie im Chlorophyllkorn entstehen; die durch den
Assimilationsprocess gebildete Stärke wandert in gelöster Form aus den
assimilirenden Organen in andere Gewebetheile. Sie wird dann als Bil-
dungsstofi zum Aufbau der Pflanzensubstanz entweder sogleich benutzt;
oder wenn der Verbrauch zum Zwecke des Wachsthums der Pflanze
gegen die gerade erzeugte Kohlenhydratmenge zurückbleibt, so lagert sich
zumeist der Kohlenhydratvorrath wieder in Form von Stärke als „ßeserve-
stoff'* — als Material für künftige Vegetationsperioden — ab; so finden
wir Stärke besonders reichlich in vielen Knollen, Wurzeln und Samen,
welche daher auch zur Gewinnung der Stärke (vgl. S. 940) dienen.
Die Foim und Grösse der Stärkekömer ist sehr wechselnd je nach
ihrem Vorkommen; Kartoffelstärke z. B. bildet ovale Kömchen von
durchschnittlich 0-07 mm Grösse, enthält aber auch grössere Körnchen
(bis zu 0*1 mm); Weizenstärke dagegen enthält hauptsächlich kreisrunde
Kömchen, einerseits kleinere von 0-005 — 0-007 mm Durchmesser, anderer-
seits grössere von 0-02 — 0-04 mm, während Kömchen von mittlerer
Grösse verhältnissmässig selten sich darin finden. Die Stärkekörner zeigen
häufig eine deutliche und charakteristische, durch die ungleichmässige
Vertheilung von Wasser und Stärkesubstanz bedingte Schichtung um
einen im Inneren befindlichen Kern; bei den Kartoffelstärkekörnern liegt
dieser Kern meist nach dem schmäleren Ende hin verschoben, und die
Schichtung ist daher excentrisch, während bei den Weizenstärkekömem
der Kern in der Mitte liegt, und die Schichtung concentrisch ist^ Im
polarisirten Licht zeigen die Stärkekörner ein schwarzes Kreuz und er-
weisen sich dadurch als doppeltbrechend.
Die Frage, ob die Stärkekömer aus einer einheitlichen Substanz
oder aus verschiedenen Substanzen bestehen, ist vielfach erörtert worden.
Wenn man Stärke mit kalten verdünnten Säuren oder diastatischen
Fennenten behandelt, so geht sie grösstentheils in Lösung; ein kleinerer
Theil bleibt ungelöst zurück. Diese Erscheinung wurde von C. Nägeli
dadurch erklärt, dass in den Stärkekörnern neben der eigentlichen, als
„Granulöse" bezeichneten Stärkesubstanz eine widerstandsfähigere Sub-
stanz — die „Stärkecellulose** — angenommen wurde. Neuere Unter-
suchungen haben indess wahrscheinlich gemacht, dass jener Rückstand
nicht eine ursprünglich vorhandene Substanz, sondern ein durch Fer-
mente oder Säuren entstehendes Umwandlungsprodukt darstellt, das sich
S. 15. — RouviEB, Compt. rend. 114, 128 (1891). — Villiees, Compt. rend. 112, 485,
536 (1891); 113, 144 (1891). - Tora, Cöthener Chem.-Ztg. 1891, 1523, 1583. — Prior,
Ztschr. f. angew. Chemie 1892, 317. — Mühlhaüser, Cöthener Chem.-Ztg. Repert.
1892, 190. — LiNTNER, ebenda, 161. — Bial, Ber. 26 o, 647, 912 (1892). — Röhmann,
Ber. 26o, 647 (1892). Ber. 25, 3654 (1892). — Schippeber, Cöthener Chem.-Ztg., Re-
pert 1892, 336. — V. AsBÖra, Cöthener Chem.-Ztg. 1892, 1517, 1560.
* Ueber den feineren Bau der Stärkekömer vgl. Bütschli, Verhandlungen d.
nÄturhisf.-medic. Vereins zu Heidelberg. N. P. Bd. V, 89 (1893).
926 Stärke.
unter besonderen physiologischen Verhältnissen auch schon in den Stärke-
kömern selbst anhäufen kann.
Die elementare Zusammensetzung der Stärke entspricht der Formel
CgHi^Og, die aber sicher keine Molecularformel ist, sondern noch mit
einem zur Zeit nicht sicher bekannten Factor zu multipliciren ist. Aus
Beobachtungen über die Zusammensetzung der Alkaliverbindungen der
Stärke und der Jodstärke (vgl. unten) kann man folgern, dass dieser
Factor mindestens gleich vier — der Formel G^ß^S^^o entsprechend —
ist; doch werden von manchen Autoren — und wohl mit gutem Grunde
— viel grössere Formeln mit mehr als 100 C- Atomen für wahrschein-
lich gehalten^. Auch ist es wohl nicht ganz ausgeschlossen, dass die
Stärke entsprechend der allgemeinen Formel der einfacheren Poly-
saccharide n(CßHj30ß) — (n— 1)1130 (vgl. S. 915) zusammengesetzt ist,
also etwa statt der Formel Cg^H^oOjo die Formel C34H42O31 besitzt.
Stärke enthält im lufttrockenen Zustand 10 — 20^0 Wasser; durch
vorsichtiges Trocknen bei allmählich auf 100 — 110® erhöhter Temperatur
vrird sie wasserfrei. In kaltem Wasser ist sie so gut wie unlöslich.
Beim Erwärmen mit Wasser quellen die Stärkekömer auf, platzen und
bilden den sogenannten „Stärkekleister" — eine schleimige, filtrirbare
Lösung, bei deren Filtration indess immer eine gallertartige Masse
zurückbleibt. Behandelt man ungelatinirte Stärke mit kalter verdünnter
Mineralsäure nicht zu lange Zeit (vgl. Amylodextrin, S. 929) — einige
Tage — , so verwandelt sie sich in „lösliche Stärke", welche sich in
heissem Wasser ohne Kleisterbildung auflöst*.
Stärke ist besonders charakterisirt durch die blaue Färbung, welche
sie mit Jod liefert, und kann durch diese schöne Reaction, die bekannt-
lich auch als Indicator bei wichtigen titrimetrischen Bestimmungen
(„ Jodometrie") benutzt wird, leicht erkannt werden. Die Färbung
beruht auf der Bildung der „Jodstärke" — einer Verbindung, welche
einen Jodgehalt von etwa 18®/^ Jod besitzt, und zu deren Bildung
vielleicht nicht ausschliesslich freies Jod, sondern daneben in geringem
Betrage auch JodwasserstoflFsäure oder eines ihrer Salze nothwendig ist.
Durch Verreiben der Stärke mit concentrirter Schwefelsäure in der Kälte ent-
stehen Stärkeschwefelsäuren, durch Einwirkung von rauchender Salpetersäure
Salpetersäureester (Nitrostärke), durch Einwirkung von Essigsäureanhydiid
oder Acetylchlorid Acetylderivate.
Die wichtigste Umwandlung der Stärke ist der Process ihrer hydro-
lytischen Spaltung — ihre Verzuckerung, üeber die Endprodukte dieses
Processes, welcher täglich in den Spiritusbrennereien (vgl. S. 173) und
* Wenn indess Brown u. Morris (Joum. Soc 56, 473 [1889-) auf Grund einer
kryoskopischen Moleculargewichtsbestimmung des Dextrins (vgl. S. 929) und auf Grond
ihrer Anschauungen über das Verhfiltniss von Stärke zu Dextrin die ungeheuerlicbe
Molecularformel CuooHiooo^iooo aufstellen, so geht diese Annahme doch wohl weit
über den Bereich des Wahrscheinlichen hinaus.
* Darstellung der löslichen Stfirke vgl. Lintmer, J. pr. [2J 34, 381 (18^6).
Lichenin, IntUin. 927
Bierbrauereien in grösstem Massstab ausgeführt wird und Gegenstand
zahlreicher sorgsamer Untersuchungen gewesen ist, herrscht kein Zweifei
mehr; über seinen Verlauf dagegen ist man noch immer nicht zu unbe-
strittenen Resultaten gekommen.
Es kann als festgestellt gelten, dass bei der Verzuckerung durch
Erhitzen mit verdünnten Säuren als einziges Monosaccharid die (i-61ucose
gebildet wird. Im Gegensatz zu der ein Monosaccharid erzeugenden
Säureverzuckerung bleibt die Hydrolyse durch Diastase unvollständig:
sie lässt, wie schon S. 919 — 920 erwähnt, Disaccharide — Maltose und Iso-
maltose — entstehen. Ein anderes ungeformtes Ferment — die Glycase,
von welcher grosse Mengen im Mais enthalten zu sein scheinen, geringe
Mengen aber auch in Gerste und Weizen sich finden, — vermag da-
gegen die Stärke in c^-Glucose zu verwandeln. Auch das Serum des
Bluts und der Lymphe enthält ein Enzym, das Stärke zu d-Glucose ver-
zuckert.
unter Einhaltung geeigneter Bedingungen kann man durch ver-
dünnte Säuren Stärke fast quantitativ in Traubenzucker überfuhren.
Unter anderen Bedingungen aber erhält man neben dem Zucker gummi-
artige Körper — „Dextrine" (vgl. S. 929) — , welche als Zwischenpro-
dukte bei dem Zerfall des Stärkemolecüls in Zuckermolecüle aufgefasst
werden. Derartige Dextrine entstehen ferner stets in beträchtlicher
Menge neben Zucker bei der Einwirkung von Diastase auf Stärke. Ueber
die Individualität dieser dextrinartigen Zwischenprodukte sind die An-
sichten noch sehr getheilt, ebenso über die Frage, ob bei der Spaltung
des Stärkemolecüls gleichzeitig Zuckermolecüle und complicirtere Dextrin-
molecüle, die dann ihrerseits wieder successive in Zuckermolecüle und
einfachere Dextrinmolecüle zerfallen, gebildet werden, oder ob anderer-
seits die Stärke zuerst in Dextrin verwandelt wird, welches allmählich
sich hydratisirend Zucker liefert. Bei der Verzuckerimg durch Säuren
hat man auch zu berücksichtigen, dass das Dextrin theil weise durch
„Beversion^^ wieder aus schon abgespaltenem Zucker entstanden sein
kann (vgl. S. 916, 930). — Erwähnt sei noch, dass auch durch Erhitzen
in Glycerinlösung ein Abbau des Stärkemolecüls bewirkt werden kann.
Liehenin^ (CeHio05)x ist ein in kaltem Wasser schwer lösliches, gallertartiges
Kohlenhydrat, welches aus isländischem Moos erhalten werden kann; es giebt mit
Jod keine Färbung; bei gemässigter Hydrolyse durch Säuren liefert es dextrinartige
Produkte, welche im Gegensatz zu dem rechtsdrehenden Stärkedextrin inactiv sind;
bei längerem Kochen mit verdünnter Schwefelsäure liefert es Traubenzucker.
Inulln* C^e^io^ö)« + ^ö findet sich in gelöster oder aufgequollener
Form in vielen Compositen und spielt in diesen Pflanzen die Rolle eines
^ ToLLENS, Handbuch, &, 198. — Hönio u. Schubebt, Monatsh. 8, 452 (1887).
' ToLLKNS, Handbuch, S. 199 ff. — Vgl. femer: Honig u. Schübebt, Monatsh. 8,
529 (1887). — Brown u. Mobris, Joum. Soc. 66, 463 (1889). — Ekstbano u. Mauze-
ijus, Cöthener Chem.-Ztg. 1889, 1337. — Wohl, Ber. 23, 2105 (1890). — Tanbet,
Compt. rend. 116, 514 (1893). Bull. [3] 9, 200 (1893).
928 Tritioiny Fhle'in, Graminin. Glykogen.
Reservestoflfs , ähnlich wie bei anderen Pflanzen die Stärke; man ge-
winnt es am besten aus Georginenknollen. Es stellt ein weisses Pulver
dar, welches aus kleinen doppeltbrechenden Sphärokrystallen best-eht^ ist
in warmem Wasser sehr leicht löslich, scheidet sich aus der Lösung
langsam wieder ab, rascher durch Gefrieren der Lösung oder durch
Alkoholzusatz, dreht links, giebt mit Jod keine Färbung und wd von
Diastase kaum verändert. Erhitzt man es für sich oder in Glycerin-
lösung, so erhält man dextrinartige Produkte. Durch verdünnte Säuren
wird es viel leichter hydrolysirt als Stärke und liefert hierbei die
(i-Pructose, soweit bekannt, als alleiniges Monosaccharid; es beruht
hierauf die bequemste Methode zur Darstellung der rf-Fructose (S. 901).
Inulin scheint nicht ein der Stärke entsprechend zusammengesetztes
Anhydrid des Fruchtzuckers zu sein, sondern eine einfachere Constitution
zu besitzen.
Tritiein, PhleYn (Iris in) und Graminiu sind inulinähnliche Kohlenhydrate ^
welche in verachiedenen monokotylen Pflanzen als ReservestofFe gefunden sind. Sie
besitzen, bei 100^ getrocknet, eine der Formel eCeHioOj + H^O entsprechende Zu-
sammensetzung, bilden doppeltbrechende Sphärokrystalle , sind in kaltem Wasser
ziemlich löslich, blänen Jod nicht, sind linksdrehend und liefern bei der Verzuckeroiig
d-Pructose.
Glykogen 2, (CgHioOg), oder vielleicht (CeH^oOJx + B^O, ist ein
stärkeähnliches Kohlenhydrat, welches im thierischen Organismus ver-
breitet ist. Es findet sich in den Muskeln (bis zu 0-6 — O-T^/J und ver-
schwindet darin während der Arbeit oder beim Hungern; besonders
reichlich ist es in der Leber gesunder Thiere aufgespeichert, namentlich
nach Genuss von stärkehaltiger und zuckerhaltiger Nahrung; es ist der
ßeservestöff, in welchen der thierische Organismus die überschüssig zu-
gefuhrten Kohlenhydrate verwandelt, um bei später zu verrichtenden
Functionen wieder daraus durch Spaltung Zucker zu erzeugen und dem
Blute zuzuführen. Glykogen findet sich in fast- allen embryonalen Ge-
weben, ferner in den Austern und anderen Wirbellosen, auch in vielen
Pilzen, endlich in dem aus fast reinem Protoplasma bestehenden Aetha-
lium septicum. Es ist ein weisses amorphes Pulver, das in warmem
Wasser leicht zu einer opalisirenden Flüssigkeit löslich ist, aus der Lö-
sung durch Alkohol wieder gefällt wird; die Lösung färbt sich mit Jod
roth bis braun und ist sehr stark rechtsdrehend. Durch diastatische
Fermente und durch Säuren wird Glykogen gespalten unter Bildung von
Dextrinen, Maltose bezw. c^Glucose.
Näheres über die physiologische Bedeutung von Stärke und Gly-
kogen vgl. in den Kapiteln des Anhangs zu Band II.
* ToLLENS, Handbuch, 8. 206. — EKsraA^ND u. Jouamson, Ber. 20, 3810 (1887):
21, 594 (18S8). — Wallach, Ber. 21, 896 (1888). — Ekstband ii. Maüzeltob, Clötbener
Cniem.-Z^. 1889, 1802, 1887.
' ToLLENS, Handbuch, S. 192. — Bumoe, Lehrbuch der physiol. u. pathol
Chemie (Leipzig 1889), S. 889 ff. — Vgl. ferner: S. Fbaenkbl, Cöthener CJhem.-Ztg.
Bepert., 1892, 212. — Huppebt, ebenda, 867.
Dextrine. 929
B. Dextrine und Gummiarten.
Dextrine aus Stärke \ Die Bildung dieser Substanzen aus Stärke
durch die Einwirkung von Säuren, von Diastase oder auch durch Er-
hitzen für sich ist schon S. 927 besprochen. Es sind wahrscheinlich
verschiedene Dextrine zu unterscheiden, die sich je nach den Bedingungen
der hydrolytischen Spaltung bilden; die einzelnen, von einigen Autoren
angenommenen Dextrinarten, wie Erythrodextrin, Achroodextrin,
Maltodextrin werden indess nicht allgemein als bestimmte chemische
Individuen anerkannt und seien daher hier nicht speciell beschrieben.
In krystallinischer Form ist ein nach sehr langer (monatelanger bis
jahrelanger) Einwirkung von kalter, verdünnter Mineralsäure auf Stärke
zurückbleibendes Produkt — das Amylodextrin — isolirt; es löst sich
in warmem Wasser, und durch Ausfrieren seiner wässrigen Lösung erhält
man es in Sphärokrystallen.
Die Dextrine sind in Wasser löslich und werden aus der Lösung
durch Alkohol ausgefällt; sie sind stark rechtsdrehend, geben mit Jod
theils keine Färbung, theils Rothfärbung und liefern bei der Hydrolyse
Traubenzucker. Sie sind nicht direct gährungsfahig, werden aber bei
Gegenwart von Diastase durch Hefe mit vergohren {vgl. S. 173).
Bezüglich der chemischen Natur des durch Säurewirkung aus Stärke
erhältlichen, von Zucker völlig befreiten Dextringemisches ist neuerdings
festgestellt, dass es aus Polysacchariden von Aldehydcharakter besteht
bezw. solche Körper enthält. Denn es wird durch Erhitzen mit Kali-
lauge gelb bis braun gefärbt, reducirt FEBLiNG'sche Lösang und liefert
beim Digeriren mit Phenylhydrazin in der Kälte einen weissen amorphen
Köiper, welcher ca. 1^/^ Stickstoff enthält, bei der Behandlung mit
rauchender kalter Salzs&ure wieder Phenylhydrazin abspaltet und dem-
nach vermuthlich ein Hydrazongemenge darstellt; es wird ferner durch
nascirebden Wasserstoff in ein Produkt verwandelt, das FBHUNö'sche
Lösung nicht mehr reducirt, von Kalilauge nicht mehr gelb gefärbt wird,
aber durch Einwirkung starker Säuren wieder eine FBHLiNG'sche Lösung
stark reducirende Flüssigkeit liefert; es geht andererseits durch Oxyda-
tion mit Bromwasser in ein Produkt von saurer Natur über, welches
Lackmus röthet, aus kohlensaurem Kalk Kohlensäure entwickelt und,
für sich FEHLiNo'sche Lösung nicht reducirend, nach vorherigem Er-
hitzen mit einer Mineralsäure starkes Reductionsvermögen annimmt
(SCREIBLEB U. MiTTELMEIEB).
* ToLLENS, Handbach, S. 173—178, 187—189. — Brown u. Moeris, Journ. Soc.
55, 449, 466 (1889). — Schbibler u. Mittelmeieb, Ber. 28, 3068 (1890). — Villiers,
Compt rend. 112, 435 (1891). — Petit, Compt. rend. 114, 76 (1892). — Prior, Ztschr.
f. angew. Chem. 1892, 315. — Lintner, ebenda, 328. — Röhmann, Ber. 25, 3656 (1892).
— ScHiFFEREB, Cöthcner Chem.-Ztg. Repert. 1892, 336.
V. Mkyxb u. Jacobson, org. Chem. I. 59
930 Natürlidie Gummiarien, Pflanxenschleinie
Dextrine aus Monosacchariden ^ Aas einigen Hexosen sind dnrch
Erwärmen mit verdünnten Säuren („Reversion", vgl. S. 916) Dextrine
gewonnen, bisher aber wohl kaum in einheitlichem Zustand erhalten
worden.
Natürliche 6ammlarten, Pflanzenschlelme und ähnliche Kohlen-
hydrate*. Als Gummiarten bezeichnet man gewisse Pflanzenprodukte,
welche zuweilen in compacter Form als amorphe durchscheinende Massen
zur Ausscheidung gelangen (wie Gummi arabicum) oder durch verdünnte
Alkalien aus Pflanzentheilen ausgezogen und aus der alkalischen Lösung
durch Salzsäure und Alkohol niedergeschlagen werden können (wie
Holzgummi aus verschiedenen Hölzern). Die eigentlichen Gummiarten
sind in Wasser löslich zu einer dicklichen, filtrirbaren, klebenden
Lösung; aus dieser Lösung werden sie durch Alkohol wieder gefällt; sie
reduciren nicht FEHLiNo'sche Lösung und werden durch Erhitzen mit
Säuren in Monosaccharide gespalten. Aehnliche Produkte, welche aber
in Wasser nur theilweise löslich sind, zum grössten Theil in Wasser
lediglich aufquellen, werden als „Pflanzenschleime" von den Gummi-
arten unterschieden. In den Gummiarten begegnen wir zum ersten Mal
Polysacchariden, welche bei der Hydrolyse nicht nur Hexosen, sondern
auch häufig und reichlich Pentosen liefern (vgl. S. 891 — 894); dienen
doch Gummiarten stets als Ausgangsmaterialien für die Gewinnung der
/-Arabinose und Xylose, Von Hexosen ist als hydrolytisches Spaltungs-
produkt der Gummiarten namentlich häufig ^-Galactose nachgewiesen wor-
den, und in Uebereinstimmung damit liefern viele Gummiarten durch
Oxydation mit Salpetersäure Schleimsäure.
Arabinsäure — bisher wohl kaum als einheitliche Substanz dargestellt — bildet is
Form von sauren Calcium-, Kalium- etc. -Salzen den Hauptbestandtheil des „Gummi-
arabicum^^ Als „arabisches Gummi^^ kommen die durch Eintrocknen erhärteten Au»-
8ch witzungen verschiedener tropischer Acacia- und Mimosaarten in den Handel; eg
enthält etwa 3°/o Asche und löst sich leicht in Wasser; aus dieser Losung erhSlt
man die Arabinsäure nach dem Ansäuern mit Salzsäure und Ausfällen mit Alkohol al^
farblose, amorphe Substanz. Sie reagirt schwach sauer, treibt aus Carbonaten Kohlen-
säure aus und liefert bei der Hydrolyse Galactose, Arabinose, Arabinon (S. 915 Anm.i
Auch aus Kübenmark kann Arabinsäure (Metapectinsäure) abgeschieden werden. —
Neuerdings sind die Säuren der rechtsdrehenden Geddagummi-Sorten von 0*Suluva>
* Grimaux u. Lef^vbe, Compt rend. 103, 146 (1886). — Wohl, Ber. 23, 2094.
2096 (1890).
» ToLLENS, Handbuch, S, 207—224. — Frank, Lehrbuch der Botanik I, & 620
(Leipzig 1892). — R. W. Bauer, Jb. 1888, 2825. — Wheeler u. Tollehs, Ann. 251
320 (1889). — Stone, Ber. 23, 2574 (1890) — E. Schulze, Ber. 24, 2285 (1891»;
25, 2213 (1892). Ztschr. f. physiol. Chem. 16, 430 (1892). Landwirthsch. Versuchs-
stationen, 41, 207 (1892). -- O'SuLLivAN, Joum. Soc. 59, 1024 (1891). — C.Schtui
u. Tollens, Landwirthsch. Versuchs-Stationen, 40, 367 (1891). — B£chaiip, Bull. :3
7, 587 (1892). — Garros, ebenda, 625..— v. Lippmann, Ber. 23, 8564 (18901 -
LiNTNER, Ztschr. f. angew. Chemie 1890, 520. — Lintner u. Düll, Ztschr. f. angew.
Chemie, 1891, 538. — Winterstein, Ztschr. f. physiol. Chemie 17, 381 (1892). Land-
wirthsch. Versuchsst. 41, 375 (1892). — Guichaed, Bull. [3] 9, 19 (1893).
U7id ähnlidie Kohlenhydrate. 931
eingehend untersucht, besonders in Bezug auf den stufenweisen Abbau dureh Hydro-
lyse. Es hat sich herausgestellt, dass bei der Hydrolyse zunächst die Arabinose-
gruppen abgespalten werden, und aus den verschiedenen in den natürlichen Gummi-
arten vorkommenden Säuren als Zwischenprodukt dieTrigalactangeddinsäure er-
halten wird, welcher die Formel SCuHj^Oio, CgsHgsOig zugeschrieben wird, und
welche bei weiterer Hydrolyse in Galactose und die stark rechtsdrehende Geddin-
säure CssHsgO,, zerfällt:
SCisHjoOio, CjgHggOjg + 9H2O = CssHggOg« + ßCgHuO^.
Aehnliche Resultate hatten sich bei der Hydrolyse des linksdrehenden arabischen
Gummis ergeben; man erhält beim Abbau desselben eine der Geddinsäure
isomere Säure O^^^O^^, welche aber im Gegensatz zur Geddinsäure gar nicht
oder nur schwach optisch activ ist.
Holzgummi (Xylan, vgl. S. 924) — namentlich in Laubhölzem in grösserer
Menge vorkommend, neuerdings den Hemicellulosen (vgl. S. 934) zugerechnet —
liefert bei der Hydrolyse Xylose, Kirsehgammi — das Gummi der Kirschen und
Mandelbäume — reichlich ^Arabinose, PArsiehgamiili, welches infolge von Verletzung
der Binde des Pfirsichbaums abgeschieden wird, liefert zugleich Arabinose und Galac-
tose; Gerstengammi — ein halblöslicher Gummikörper, welcher einen wesentlichen
Bestandtheil der sogenannten stickstofffreien Ektractstoffe bei Cerealien auszumachen
scheint, — liefert Galactose und Xylose.
Bassorin wird der in Wasser nur aufquellende Bestandtheil der Pflanzenschleime
genannt.
Galaetane sind einige gummiähnliche Kohlenhydrate genannt, welche in Legu-
minosen, besonders Lupinensamen, femer um Waschwasser vom Scheidekalk der
Kübenzuckerfabriken gefunden sind, und bei der Verzuckerung Galactose (eventuell
neben anderen Monosacchariden) liefern.
Als Pektinstoffe ^ werden gewisse in Früchten ( Aepfeln, Birnen) und fleischigen
Wurzeln (Rüben, Möhren) sich findende Substanzen bezeichnet, welche durch Alkohol
aus der wässrigen Lösung gallertartig gefällt werden, und auch beim Einkochen ihrer
Lösungen Gallerten liefern können. Sie scheinen den Kohlenhydraten nahe zu stehen
oder vielleicht auch zu ihnen zu gehören.
C. Cellulose und andere Kohlenhydrate der Zellmembranen.
Cellulose^ (CgHjoOg)x (Zellstoff) ist die Bezeichnung fdr das Kohlen -
hydrat (bezw. Kohlenhydratgemenge, vgl. S. 933), welches einen Haupt-
bestandtheil der Zell Wandungen bildet, in warmen verdünnten Säuren
unlöslich, in Kupferoxydammoniak dagegen löslich ist; über nahestehende,
durch verdünnte Säuren auflösbare Kohlenhydrate der Zellwandungen vgl.
S. 934. In ganz jungem Zustand bestehen die Membranen der Zellen
* ToLLENS, Handbuch, S. 242.
* ToLLENS, Handbuch, S. 224 ff. — Guionet, Compt. rend. 108, 1258 (1889). —
E. Schulze, Ber. 23, 2579 (1890); 24, 2279 (1891). — Lifschütz, Ber. 24, 1186(1891).
— Will, Ber. 24, 400 (1891). — Winterstein, Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 391 (1892).
liftndwirthsch. Versuchsst. 41, 383 (1892). — E. Schulze, Ztschr. f. physiol. Chem.,
16, 411 (1892). — GuicHAED, Bull. [3], 7, 55a (1892). — C. Schulze u. Tollens, Land-
wirthschaftl. Versuchsstat. , 40, 378 (1892). — Choss u. Bevan, Journ. Soc, 57, 1
0890). Ber. 24, 1772; 24o, 401 (1891); 25o, 432 (1892). — Lindsey u. Tollens,
Ann. 267, 370 (1891). — Wiesnek, Monatsh. 13, 384, 390 (1892). — Gross, Bevan
u. Beadlb, Ber. 26, 1090 (1893).
59*
932 GelkUose.
aus fast reiner Cellulose; in älteren Organen ist die Cellulose der Zell-
wände von „incrustirenden Substanzen" durchwachsen. Die Cellulose
zeigt in den Pflanzentheilen organisirte Structur. Bezeichnend ftir die
Widerstandsfähigkeit der Cellulose ist der Umstand, dass man sie noch
in Braunkohlen und Steinkohlen nachweisen kann.
Man benutzt zur Darstellung der Cellulose (technische Darstellung
vgl. S. 942) Materialien, welche von der Natur oder der Industrie ge-
liefert werden und schon zum grössten Theil aus Cellulose bestehen:
z. B. Baumwolle, leinene Lumpen, schwedisches Filtrirpapier. Da Cellu-
lose in allen üblichen Lösungsmitteln unlöslich ist und von schwachen
Beagentien nicht verändert wird, so unterwirft man diese Materialien
behufs Entfernung der begleitenden StoflFe einer successiven Extraction
mit Wasser, Alkohol, Aether, verdünntem Alkali, verdünnter Salzsäure
und Flusssäure und erhält als Bückstand nun reine Cellulose. Li ähn-
licher Weise verfährt man bei agriculturchemischen Arbeiten zur quanti-
tativen Bestimmung der Cellulose in Pflanzentheilen (Hennebsbg's
„Weender ßohfas er- Bestimmung") und zur Darstellung von Cellulose
aus solchen Pflanzentheilen, welche neben Cellulose noch grössere Mengen
anderer Substanzen enthalten; zur Entfernung der incrustirenden Sub-
stanzen digerirt man häufig auch noch mit „P. Schulze's Reagens"
— ein Gemisch von verdünnter Salpetersäure mit Kaliumchlorat — in
der Kälte.
Die Eigenschaften der Cellulose sind meist an dem aus BaumwoUe
gewonnenen Präparat festgestellt; es ist nicht unwahrscheinlich, dass
Cellulose verschiedener Herkunft abweichendes Verhalten zeigt, dass es
verschiedene Cellulosen giebt (vgl. S. 933).
Cellulose ist, wie schon erwähnt, in den üblichen Lösungsmitteln
und in verdünnten Säuren sowie Alkalien unlöslich. Ein specifisches
Lösungsmittel für Cellulose ist das sogenannte „ScHWEiTZEB'sche Reagens^^
— eine Lösung von Kupferoxydammoniak; aus diesem Lösungsmittel
wird die Cellulose durch Säuren und Salze wieder ausgefällt und bildet
nun nach dem Waschen mit Alkohol ein weisses amorphes Pulver.
Die Zusammensetzung der Cellulose entspricht der Formel C^Hi^jO^;
das Moleculargewicht ist zweifellos ein sehr hohes, da Cellulose ihren
Eigenschaften nach jedenfalls als ein Zuckeranhydrid von bedeutend
complexerer Structur aufgefasst werden muss, als es in der Stärke vorliegt.
Beim Verreiben von Cellulose mit concentrirter Schwefelsäure bilden
sich Schwefelsäureester,, welche in wässriger Lösung leicht zerfallen.
Durch kalte Schwefelsäure von 50° B. wird Cellulose in „colloldale
Cellulose" verwandelt, welche mit Wasser eine etwas milchige, leicht
filtrirbare Lösung bildet, aus der die colloldale Cellulose durch sehr ge-
ringe Mengen von Säuren oder Salzen gefallt wird; durch kurze Ein-
wirkung von stärkerer Schwefelsäure wird die colloldale Cellulose in
Wasser unlöslich. Löst man Cellulose in concentrirter Schwefelsäure
und fügt bald Wasser zu, so wird eine gallertartige Substanz gefallt.
Gellulose. 933
welche, so lange sie noch mit der Säure in Berührung ist, ähnlich der
Stärke sich mit Jod blau färbt und zur Andeutung dieses der Stärke
ähnlichen Verhaltens zuweilen mit dem Namen „Amyloid" bezeichnet
wird; daher wird Cellulose, die mit Jodlösung getränkt ist, durch con-
centrirte Schwefelsäure blau gefärbt (Beaction auf Cellulose; ebenso wirkt
auch eine mit Jodkalium und Jod versetzte Ghlorzinklösung). Von den
Veränderungen der Cellulose durch concentrirte Schwefelsäure macht
'man für die Darstellung des „Pergamentpapiers" Gebrauch: unge-
leimtes Papier wird rasch durch starke Schwefelsäure passirt, dann
durch Waschen mit Wasser von der anhängenden Säure befreit; das
Papier ist dadurch viel fester und weniger durchlässig f&r Flüssigkeiten
geworden, indem die Poren zwischen den Papierfasem nun durch col-
loldale Cellulose verkittet sind.
Wenn man Cellulose zunächst längere Zeit mit starker Schwefel-
säure bei gewöhnlicher Temperatur digerirt, darauf mit Wasser verdünnt
und längere Zeit am Hückflusskühler kocht, so erhält man, während ein
Theil ungelöst bleibt, eine Zuckerlösung. Als Produkt der Verzucke-
rung entsteht aus BaumwoUcellulose lediglich Traubenzucker; ebenso
wurde aus der Cellulose des Bothtannenholzes, der Bothkleepfianzen und
verschiedener Pflanzensamen Traubenzucker gewonnen; aber neben dem
Traubenzucker wurde aus mehreren Cellulosepräparaten — Cellulose aus
Kaflfeebohnen, Cocos- und Sesamkuchen — in beträchtlicher Menge d-
Mannose erhalten. Es kommt demnach als celluloseartiger Zellwand-
bestandtheil nicht nur die gewöhnliche „Glucosocellulose", sondern
auch ein Anhydrid der Mannose — die „Mannosocellulose" — vor.
Wenn man Cellulose in starke Salpetersäure oder in ein Gemenge
von Salpetersäure und concentrirte Schwefelsäure einträgt, so entstehen
je nach den Bedingungen der Einwirkung verschiedene Salpetersäure-
ester der Cellulosen oder Nitrocelllilosen, welche sich als Salpeter-
säureester dadurch erweisen, dass sie bei der Behandlung mit Alkalien
wieder Salpetersäure abspalten und bei der Einwirkung von reducirenden
Mitteln, wie Schwefelalkalien, Eisenchlorid, ebenfalls unter Abspaltung
des Stickstoffs Cellulose regeniren. Wie die Salpetersäureester allei mehr-
atomigen Verbindungen (vgl. S. 585), so sind auch die Nitrocellulosen äusserst
explosiv; sie werden 'als Sprengstoffe (und auch für andere praktische
Zwecke) benutzt und werden daher noch in dem Abschnitt über die in-
dustrielle Bedeutung der Kohlenhydrate besprochen werden (vgl. S. 944).
Eine Trennung der verschieden hoch nitrirten Nitrocellulosen von ein-
ander, die freilich kaum zur Abscheidung einheitlicher Individuen führt,
lässt sich durch Behandlung mit Lösungsmitteln wie Alkohol, Aether,
Essigäther bewirken; die Benennung der einzelnen Nitrirungsstufen be-
zieht man auf die Formel CjgHgjjOj^, z. B. Cellulosedinitrat C^^H^gOg
(0-NO,),, Cellulosehexanitrat CiaHi^04(0-N03)3; über die Stufe des
Hexanitrats geht die Nitrirung nicht hinaus.
Aus der Bildung dieser Salpetersäureester, wie auch aus der Bil-
934 Hemicellidosen, pflanxl. Amyloid, Lignin, Tunicin.
düng von Acetylderivaten und Benzoylderivaten kann man auf die Gegen-
wart alkoholischer Hydroxylgruppen im Cellulosemolecül schliessen.
Ueber Cellulosegährung durch Bacterien vgl. S. 130.
Hemlcellnlosen ^ Als «jH^i^ic^ll^los^i^^* werden neuerdings von
E. SchuLZE Kohlenhydrate der Zellwandungen bezeichnet, welche in Wasser
unlöslich sind, durch heisse verdünnte Mineralsäuren aber im Gegensatz
zur Cellulose bezw. den Cellulosen sehr leicht unter Verzuckerung in Lö-
sung gebracht werden. Derartige Kohlenhydrate sind namentlich in den
Pflanzensamen sehr verbreitet; so wurden sie in den Erbsen, Wicken,
Kaffeebohnen, Dattelkernen etc. gefunden. Bei ihrer Verzuckerung werden
fast stets mehrere Monosaccharide neben einander erhalten, besonders häufig
Galactose und (f-Mannose, in manchen Fällen auch Arabinose und Xylose.
Pflanzliehes AmyloYd*. Amyloid wird ein in vielen Pflanzen nachgewiesener,
als Reservestoff flingirender Zellwandbestandtheii genannt, welcher in kaltem Wassc-r
aufquillt, mit kochendem Wasser eine schleimige Lösung bildet und mit Jod schön
blaue Färbung liefert; aus der wässrigen Lösung wird es durch Alkohol als farblos*',
durchsichtige, voluminöse Gallerte gefüllt; es dreht stark rechts. Durcb Diastase
wird es nicht in Zucker übergeführt, leicht dagegen durcb Erhitzen mit verdünnter
Schwefelsäure, wobei es Galactose und eine Pentose (wahrscheinlieh Xylose), daneben
vermuthlich auch etwas Traubenzucker und andere Zuckerarten liefert.
Als Holzsubstanz oder Lignin^ bezeichnet man die incrustirende Substanz
(bezw. das Gemenge von Substanzen), mit welchem die Cellulose im Holz und in
verholzten Zellen durchwachsen ist. Bei der Digestion der betreffenden Pflanzen-
theile mit Säuren und Alkalien bleibt das Gemisch von Cellulose und Lignin (odtr
vielleicht eine Verbindung von Cellulose und Lignib) — ,,ItohfaBer'^ (vgl. S. 932) —
surück. Ueber die chemische Natur des Lignins, das jedenfalls nicht zur (rrappi^
der Kohlenhydrate gehört und hier nur seiner nahen physiologischen Beziehung znr
Cellulose wegen erwähnt wird, herrscht noch Unklarheit Es giebt zwei schöne
Farbenreactionen: mit schwefelsaurem Anilin färbt es .sich intensiv gelb, mit einer
Lösung von Phoroglucln in concentrirler Salzsäure schön roth. Diese Reactionen
können zur Prüfung von Papier auf IJolzstoff verwendet werden.
Tuniein^ (thierische Cellulose) ist ein der- Pflanzencellulose nahestehender
Stoff, welcher in niederen Tbieren (Ascidien) vorkommt und bei der Verzuckerung
Traubenzucker liefert.
Die Bedeutung der Kohlenhydrate In der Industrie ^
Unter den Monosacchariden wird in Substanz auf technischem Wege
lediglich der Traubenzucker gewonnen und zwar durch Hydrolyse der
* Reiss, Ber. 22, 609 (1889). — E. Schllze, Steioeb u. Maxwell, Ztschr. f.
physiol. Chem. 14, 227 (1890). — E. Schulze, Ber. 22, 1192 (1889); 24, 2277 (1891'-
Ztschr. f. physiol. Chem. 16, 887 (1892). — Toixens, Landwirthschaftl. Versuchs-
stationen, 40, 389 (1892). — WnfiEBSTEiK, Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 876 (1892.
» WiNTKRSTBiN, Bcr. 26, 1237 (1892). Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 353 (1892u
* ToLLENs, Handbuch, S. 230. — G. Lange, Ztschr. f. physiol. Chem. 14, 15.
217 (1890). — LiNDSEY u. ToLLENS, Ann. 267, 341 (1891).
* ToLLENS, Handbuch, S. 238. — Winterstein, Ber. 26, 362 (1893).
* Der Abschnitt ist von Herrn Dr. Edmund 0. v. Lippmann (Halle) freondlicbfr
einer Durchsicht unterzogen worden.
Rohrzucker-Industrie (Geschichte, Bedeutung). 935
Stärke; seine Bereitung und Verwendung wird daher erst später (S. 941)
im Anschluss an die Technik der Stärke besprochen werden. Lösungen,
welche Traubenzucker und Fruchtzucker als wesentliche Bestandtheile
enthalten, sind die Fruchtsäfte, welche behufs Gewinnung von Trau-
benwein, Obstwein, Obstbranntwein der alkoholischen Gährung über-
lassen werden.
Der Rohrzucker^ ist die technisch wichtigste Zuckerart; seine Ab-
scheidung aus pflanzlichen, an Rohrzucker reichen Materialien ist die
Aufgabe hoch entwickelter und volkswirthschaftlich bedeutsamer Industrien.
Als Ausgangsmaterial dient in den tropischen Ländern das Zuckerrohr,
in Europa die Zuckerrübe. Das Vorkommen von krystallisirbarem
Zucker iu der Rübe und anderen einheimischen Pflanzen war schon
1747 von Maeggbaf entdeckt; aber erst 1799 wurde die erste Rüben-
zuckerfabrik von AcHABD in Schlesien — und zwar damals noch ohne
bedeutenden Erfolg — errichtet. Durch Verbesserung der Reinigungs-
methoden und der Apparate kam dann die Rübenzuckerindustrie, deren
hoher Aufschwung während der Continentalsperre nur ein vorübergehen-
der gewesen war, zuerst in Frankreich gegen Ende der zwanziger Jahre
in dauernde Blüthe, etwa 15 — 20 Jahre später auch in Deutschland.
Heute erzeugt Deutschland 1-2 bis 1-3 Millionen Tonnen Rübenzucker
— ein Betrag, der etwa 20^0 ^^^ Weltproduktion an Rohrzucker (5 —
6 Millionen Tonnen) entspricht. Die Gesammtproduktion an Rohrzucker
yertheilt sich zu etwa gleichen Beträgen auf Kolonialzucker (Zucker aus
Zuckerrohr) und Rübenzucker. An der Rübenzuckererzeugung sind neben
Deutschland namentlich Oesterreich- Ungarn, Frankreich und Russland
betheiligt. Deutschland flihrt fast gar keinen Zucker ein, exportirt da-
gegen den grösseren Theil seiner Produktion (0-7 — 0-8 Millionen Tonnen).
In Nordamerika*, England und Italien bildet bisher weder das Zucker-
rohr, noch die Zuckerrübe die Grundlage einer Industrie; diese Länder
sind daher auf den Import angewiesen.
Seit dem Aufschwung der Rübenzuckerindustrie ist Rohrzucker ein
allgemeines Genuss- und Nahrungsmittel geworden. Im deutschen Zoll-
gebiet wurden im Betriebsjahre 1890/91 470253 Tonnen Rohrzucker
verbraucht, was pro Kopf der Bevölkerung . einen Betrag von 9-5 Kilo
ausmacht; noch erheblich höher (25 — 32 Kilo) wird der Verbrauch in
England und in den Vereinigten Staaten geschätzt, in Australien'* gar
auf 45—60 Küo.
Diese ausserordentliche BedeutuDg des Zuckers als Genussmittel hat natürlich
die Kegiemngen zur Besteuerung des Zuckers veranlasst. Seit Jahren steht die
Frage über die rationellste Art der Zuckerbesteuerung im Yordexgrunde der wirth-
^ Ausführliche Besprechung der Zuckerindustrie vgl. in Ost s Lehrbuch d. techn.
Chem. (Berlin 1893), S. 347 ff. — F. Fischer, Handbuch d. ehem. Technologie (Leipzig
1893), S. 851 ff.
• Vgl. Cöthener Chem. Ztg., Repertorium i892, S. 86.
• Vgl. Cöthener Chem. Ztg., Repertorium 1892, S. 223.
936 Bohrzucker-Industrie (Besteuerung,
schaftspolitischen Discussionen. Deutschland hatte bis vor wenigen Jahren eine reine
Materialsteuer, d. h. es erhob die Steuer von dem Rnbenquantum, das zur Ver-
arbeitung gelangt; durch dieses Steuerprincip wurde die Industrie veranlasst , ihre
Ausbeute aus einem bestimmten Rübenquantum einerseits durch Vervollkommnung
der Abscheidungsmethoden, andererseits durch Züchtung möglichst zuckerreicher
Rübensorten, so weit es irgend möglich war, zu erhöhen, und hat in beiden Rich-
tungen bedeutende Erfolge erzielt Diese Bemühungen erhielten noch einen grösseren
Anreiz durch die Gewährung der ,,Ausfuhrvergütungen*^ Da nämlich nur der im
Zollgebiet verbrauchte Zucker besteuert werden sollte, so wurde bei dem Export die
Steuer zurückgezahlt und zwar nach Massgabe einer gesetzlich normirten Annahme
über die durchschnittliche Zuckerausbeute aus den Rüben. Aber dieser angenommene
Ausbeutebetrag (1 : 11*25 in den Jahren 1869—1886, später 1 : 10*15) blieb natOrlich
infolge jener Bemühungen der Zuckerfabriken hinter dem wirklichen mittleren Aus-
beutebetrag (1:10*5 im Betriebsjahre 1882/83, 1:8«09 im Betriebsjahre 1889/90)
immer mehr zurück; der Staat zahlte daher den Zuckerfabriken — namentlich den
besser situirten — erheblich mehr an Vergütung bei der Ausfahr zurück, als sie
selbst an Steuer bei der Fabrikation des exportirten Zuckerquantums entrichtet hatten;
er gewährte ihnen eine „Exportprämie'^ Diese Verhältnisse waren zwar für die
Entwickelung der Industrie überaus günstig, führten aber, als der Export immer
grösser wurde, zum Verfall der Zuckersteuer; während der Reinertrag der letzteren
1873/74 noch 60*6 Millionen Mark betrug, war er 1887/88 auf 6*6 Millionen zoräck-
gegangen. Nach langen parlamentarischen Kämpfen hat sich Deutschland 1888
endlich zu einer Aenderung des Steuersystems entschlossen; es soll fortan nicht mehr
die Rübe besteuert, sondern der im Inland zum Consum gelangende Zucker mit einer
Verbrauchsabgabe belegt werden. Im Interesse der Zuckerindustrie ist diese
Aenderung der Steuerverhältnisse indessen nicht mit einem Schlage durchgeführt,
sondern etappenweise. In der Uebergangsperiode , in welcher eine „gemischte" Be-
steuerung — Materialsteuer und Verbrauchsabgabe — herrschte, wurde zimfichst der
Steuersatz für Rüben und die Ezportvergütung herabgesetzt, die Verbrauchsahgabe
schrittweise erhöht. Vom 1. August 1892 ab kam die Materialsteuer ganz in Fort&U;
die Verbrauchsabgabe beträgt jetzt 18 Mark auf 100 Kilo; den Zuckerfabriken wird
noch eine massige „offene^^ Exportprämie gewährt, welche 1895 eine weitere Ver-
minderung erfahren, 1897 ganz aufgehoben werden soll.
Was die Einzelheiten des Verfahrens der Zuckerabscheidung betrifft,
so sei hier nur die Gewinnung aus der Zuckerrübe als für unsere Ver-
hältnisse besonders wichtig etwas eingehender beschrieben, die sehr
ähnliche Fabrikation aus Zuckerrohr aber übergangen. Die Bübenzacker-
fabrikation ist bei uns ein wichtiges landwirthschaftliches Gewerbe;
die Landwirthe sind häufig Societäre der Zuckerfabriken, liefern ihnen
die Rüben und benutzen wieder die Abfallprodukte — Bübenschnitzel
und Scheideschlamm (vgl. S. 939) — als Viehfutter bezw. Düngemittel in
ihrem Betriebe. Da die Rüben beim Lagern an Zucker verlieren, so suchen
die Fabriken in einer möglichst kurzen Arbeitszeit ihr Bübenqoajitam
aufzuarbeiten; ihl-e „Campagne" beginnt unmittelbar nach der Ernte —
Ende September — und dauert nur 2 — 4 Monate. Der Betrieb zeri&llt
in die drei Theile: Safkgewinnung, Saftreinigung und Saftconcentration.
Zum Zwecke der „Saftgewinnung" werden die vorher gewaschenen
Eüben zunächst in Schnitzel zertheilt, welche zweckmässig 1 — P/j mm
dick und 4 — 6 mm breit sind; aus diesen Schnitzeln wird nun durch
Saftgewinnung y Saflreinigung), 937
DiflPasion — d. h. durch methodisches Auslaugen mit warmem Wasser
bezw. noch nicht gesättigter- Zuckerlösung — der Zucker ausgezogen.
Die concentrirte Zuckerlösung der Zellen giebt durch Diffusion an das
umgebende Wasser bezw. die verdünntere Zuckerlösung Zucker ab und
nimmt andererseits Wasser von aussen auf. Die Operation geschieht in
eisernen Cylindem („Diffuseure"), von denen eine grössere Zahl (10 —
12) zu einer Batterie vereinigt ist; durch geeignete Bohrverbindungen
ist dafür gesorgt, dass die Flüssigkeit durch das ganze System circuliren
und an jedem einzelnen Diffuseur je nach Wunsch ihren Kreislauf be-
ginnen bezw. endigen kann. Man arbeitet nun so, dass das frische
Wasser zunächst mit schon fast zuckerfreien Schnitzeln zusammengebracht
wird, um letztere möglichst vollständig zu entzückern, worauf die so ent-
standene — einstweilen noch schwache — Zuckerlösung durch Diffuseure
mit immer zuckerreicheren Schnitzeln und endlich im letzten Diffuseur
schon reich an Zucker über ganz frische Schnitzel passirt; hier reichert
sie sich, so weit möglich , an und gelangt darauf zur weiteren Ver-
arbeitung;- die Temperatur der Zuckerlösung wird allmählich bis 90^
gesteigert, in den letzten Diffuseur en wieder etwas herabgesetzt. So
gelingt es, einen Saft zu gewinnen, der fast die gleiche Goncentration wie
der Zellsaft (12 — 15% Zucker) besitzt, und andererseits den Zucker fast
vollständig (bis etwa ^4 7o) auszuziehen. Die entzuckerten Schnitzel
werden ausgepresst und als Viehfiitter benutzt, neuerdings auch durch
sofortiges Trocknen^ unveränderlich haltbar gemacht.
Die „Saftreinigung'' wird durch „Scheiden" mit Kalk und „Sa-
turiren" mit Kohlensäure bezw. schwefliger Säure ausgeführt. Wenn man
den Zuckersaft mit Kalk in der Wärme behandelt, so werden die freien
Säuren gebunden, welche beim nachherigen Eindampfen den Bohrzucker
invertiren könnten; es werden femer Phosphorsäure und manche orga-
nische Säuren wie Oxalsäure, Citronensäure vollständig oder theil weise
in Form unlöslicher Calciumsalze abgeschieden, Eiweisskörper und Amido-
säuren werden zum Theil gefällt und zersetzt, Farbstoffe ausgefällt;
gleichzeitig geht aber auch Kalk (als lösliches Saccharat?, vgl. S. 918)
in Lösung, und auch der dadurch etwa gebundene Zucker muss nun
wieder durch Kohlensäure in Freiheit gesetzt werden. Kalk und Kohlen-
säure erzeugen die Zuckerfabriken selbst durch Glühen von Kalk-
stein in Kalköfen. Die Operation der Saftreinigung geschieht in den
„Scheidepfannen" — meist rechteckigen, eisernen Kästen, die mit
einer Dampfschlange und einem Zuführungsrohr für Kohlensäure ver-
sehen sind; nachdem der vorgewärmte Zuckersaft eingelassen ist, wird
Kalkmilch, Aetzkalk oder staubförmiger Aetzkalk zugegeben, Kohlen-
säure eingeleitet, und auf 70 — 80^ erhitzt. Man wendet jetzt fast allge-
mein eine erhebliche Kalkmenge an — 2 — 3^/^ vom Gewicht der Rüben — ,
die fast hinreichen würde, um allen Zucker in Monocalciumsaccharat
^ Vgl. M. Müller u. Ohlmeb, Ztschr. f. angew. Chem. 1893, 142.
938 Bolivucker-Indttstrie (Saflconcentration,
überzuführen; man saturirt zunächst nicht vollständig; sondern nur bis
auf etwa 0-12^/^j Alkalität des Saftes (auf Ealk berechnet) und filtrirt
dann durch Filterpressen. Der filtrirte Saft wird nun wieder in den
Scheidepfannen mit V^Vo ^^^^ — j^^zt in der Siedehitze — behandelt
und mit Kohlensäure auf 0*04^/^ Alkalität saturirt, darauf filtrirt und
jetzt meistens endlich zuletzt mit schwefliger Säure auf 0-02 ^/^ Alkalität
saturirt; nach abermaliger Filtration kommt er nun zum Verdampfen.
Die schweflige Säure, welche in den Zuckerfabriken entweder durch Ver-
brennen von Schwefel erzeugt oder in flüssigem Zustand bezogen wird,
fällt den Ealk als schwer lösliches Calciumsulfit aus und wirkt ausser-
dem entfärbend; da sie, im Ueberschuss angewandt, den Rohrzucker
invertirt, so ist sie mit grosser Vorsicht zu handhaben, namentlich ist
zu beachten, das Bisulfite auf Lackmus noch alkalisch reagiren. Die
früher allgemein übliche Filtration des Saftes über Knochenkohle hat
sich als durchaus entbehrlich erwiesen und ist in den letzten Jahren
wohl überall aufgegeben worden. Der bei den obigen Operationen ab-
fallende „Scheideschlamm" wird mit Wasser ausgesüsst — freilich nicht
ganz vollständig, um das Volum des zu verdampfenden Saftes nicht gar zu
sehr zu vergrössem, — und als Dünger verwendet, wofür er wegen
seines Kalk-, Phosphorsäure- und Stickstoffgehalts besonders geeignet ist.
Die „Saftconcentration" wird, um Zersetzung des Zuckers zn
verhüten, stets im luftverdünnten Baume in Verdampfapparaten mittelst
schwach gespannten Dampfes vorgenommen, und zwar in zwei Stadien.
Man verdampft die von der Saturation kommende, ziemlich verdünnte
Zuckerlösung — den „Dünnsaft" — zunächst auf eine sehr concentrirte,
aber noch nicht krystallisirende Lösung — den „Dicksaft". Der Dick-
saft wird dann, da die Alkalität (vgl. oben) durch die Concentration zu-
genommen hat, nochmals saturirt — mit Kohlensäure oder schwefliger
Säure — , filtrirt und nun in anderen Vacuum -Verdampfapparaten „auf
Korn verkocht", d. h. unter öfterem Nachziehen von Dicksaft so weit con-
centrirt, dass schon während des Kochens im Vacuum reichliche E^rystall-
bildung in Form nicht zu feiner und möglichst scharfer Körner erfolgt.
Das hierbei resultirende Gemisch von krystallisirtem Zucker und Zucker-
syrup wird die „Füllmasse" genannt. Sie wird in eiserne Kästen abge-
lassen, bleibt bis zur Beendigung der Krystallisation 24 Stunden stehen und
wird dann auf Centrifugen abgeschleudert, wobei einerseits der Rohzucker,
andererseits Zuckersyrup erhalten wird. Der Syrup wird dann im Vacuum
weiter eingeengt und liefert das Produkt 11 und eventuell weitere „Nach-
produkte", endlich die nicht mehr krystallisirende Melasse (vgl. S. 939).
Neuerdings wird die Füllmasse auch in sogenannten Kühlmaischen sofort
abgekühlt und dann centrifugirt, oder unter Wiedereinwurf der Nach-
produkte der sogenannten Krystallisation in Bewegung unterworfen:
man erhält so nur ein einziges, einheitliches Verkaufeprodukt
Der „Rohzucker" der Zuckerfabriken enthält etwa 94 — 977© Zucker
und ist zum Verbrauch noch nicht rein genug. Seine Verarbeitung auf
Rafßnerie, Verwertkung der Melasse). 939
„Verbrauchszucker" geschieht in der Eegel nicht in den Zuckerfabriken,
sondern in besonderen „Zuckerraffinerien". Hier wird er zunächst
mit Zuckersyrup angerührt und nochmals abgeschleudert, oder einer
systematischen Auswaschung mit Syrupen von steigender Reinheit unter-
worfen; man löst ihn darauf in Wasser und filtrirt die Lösung nach
etwaiger Behandlung mit chemischen Reinigungsmitteln über Knochenkohle,
welch' letztere, wenn sie unwirksam geworden ist, durch Behandlung mit
Salzsäure und Glühen „wiederbelebt" wird. Der filtrirte Saft wird
wieder im Vacuum — meistens unter Zusatz von einer Spur Ultramarin
zur Verdeckung der gelblichen Färbung — auf Füllmasse eingekocht;
die Füllmasse wird dann durch verschiedenartige mechanische Behand-
lung auf die einzelnen Verkaufsiformen — Hutzucker, Würfelzucker,
PiW, Kandiszucker etc. — verarbeitet. Als „Saftmelis" wird ein ge-
ringerer Verbrauchszucker bezeichnet, der zuweilen in den Zuckerfabriken
direct aus dem Rübensafte gewonnen wird. Der raffinirte Zucker des
Handels („Raffinade") ist sehr rein; er enthält 99-9*^/^ Rohrzucker
und mehr.
Sowohl bei der Verarbeitung des Dicksafts auf Korn in den Zucker-
fabriken, wie bei den Krystallisationsprocessen der Zuckerraffinerien
bleibt schliesslich ein dicker, schwarzbrauner Syrup zurück, welcher
noch etwa 50^0 Zucker enthält, aber trotzdem nicht mehr durch Ein-
kochen auf Zucker verarbeitet werden kann, weil die begleitenden Stoffe
— organische Nichtzuckeratoffe und anorganische Salze — die Kry-
stallisation des Zuckers verhindern. In dieser „Melasse" die man als
eine gesättigte Lösung von Zucker in einer Nichtzuckerlösung zu be-
trachten hat, steckt ungefähr ^/g des Gesammtzuckers der Rübe; im
Laufe der letzten 20 Jahre etwa — in jener Periode, in welcher die
Steuerverhältnisse dazu anreizten, die Zuckerproduction bis auf den
höchstmöglichen Betrag zu heben, — wurde in Deutschland auch die
Melasse grösstentheils durch besondere „Entzuckerungsmethoden"
(vgl. unten) theils in den Fabriken und Raffinerien selbst, theils in
eigenen Melasseentzuckerungsanstalten auf Zucker verarbeitet. Ob alle
diese Verfahren sich auch weiterhin unter dem neuen Stenergesetz als
rentabel erweisen werden, muss als zweifelhaft bezeichnet werden; viel-
leicht wird man wieder allgemeiner dazu übergehen, die Melasse durch
Vergährung auf Alkohol zu verarbeiten (vgl. S. 178); in der That hat
schon im letzten Jahre die Spritgevrinnung aus Melasse gegen die Vor-
jahre, in denen sie auf sehr geringe Beträge gesunken war, wieder er-
heblich zugenommen.
Unter deDveiBchiedenenMelasseentzuckerungemethoden ist die „Osmose"
die älteste: vermittelst Diffusion der Melasse gegen Wasser durch Pergamentpapier
wird ein Tbeil der die Losung des Zuckers vermittelnden, leicht diffusiblen Salze
entfernt, sodass aus der zurückbleibenden Melasse nun wieder ein Theil des Zuckers
nach dem Eindampfen im Yacuum krystallisirt. Bei anderen Verfahren wird der
Zucker zunSchst als Calciumsaccharat abgeschieden und daraus wieder gewonnen
(Elntions verfahren von Scheibler, Ausscheidungs verfahren von Stbffek). Die
940 Teo^mik der Stärke.
vollkommenste Methode ist das Strontianver fahren, bei welchem der Zucker zu-
nächst durch Kochen der etwas verdünnten Melasse mit überschüssigem Strontium-
hydroxyd als Bistrontiumsaccharat Ci^HssOti, 2SrO ausgeföUt wird; dieses Saccharat ist
obgleich in heissem Wasser löslich, in heisser Strontianlösung feist unlöslich und kann
daher mit letzterer ausgewaschen werden ; es wird dann mit kaltem Wasser (unterhalb
15^) zusammengebracht und zerfHUt dabei in Zucker und Strontianhydrat; von den
abgeschiedenen Strontiankrystallen wird die Lösung getrennt, der Best des Strontians
aus der Lösung durch Kohlensäure gefällt, die strontianfreie Zuckerlösung im Va-
cuum eingedampft. Der wiedergewonnene Strontian wird natürlich immer wieder
benutzt, das Strontiumcarbonat durch Glühen und Löschen in Strontian verwandelt:
man verliert auf 100 Th. Melasse etwa 4 — 4V9 Th. Strontianit — Auch als Barium-
saccharat lässt sich der Zucker abscheiden; theils wegen der Giftigkeit, theils wegen
der höchst schwierigen Segenerirung der Bariumverbindungen hat dieses Verfahren
aber nur wenig Anwendung gefunden.
Unter den nicht zuckeräJinlichen Polysacchariden sind Stärke und
Cellulose für die Technik wichtig.
StSrke^ wird in grosser Menge aus Kartoflfeln, Weizen, Eeis,
Mais und einigen tropischen Pflanzen abgeschieden. Für Deutschland-
ist der billigste Bohstoff die Kartoffel; die Gewinnung der Starke dar-
aus ist eine einfache, nur mechanische Operation. Die Kartoffeln
werden gewaschen, dann zerrieben; der Kartoffelbrei gelangt dann auf
eine Reihe von terrassenförmig aufgestellten Büttelsieben (oder ähnUche
Apparate), auf welchen er mit Wasser angespritzt wird, um die Starke
aus den geöffneten Zellen herauszuwaschen; die Zelltrümmer und
„Schwarten** bleiben auf dem Sieb zurtlck und werden als Viehftitter
(„Pulpe") verwendet. Die feinen Stärkekömer gehen mit Wasser als
Stärkemilch durch die Maschen des Siebes ; nach gehörigem Auswaschen
wird dann die Stärke langsam getrocknet. — Weizen ist zwar viel
reicher an Stärke als Kartoffeln; aber die Abscheidung der Starke ist
hier schwieriger, weil die Stärkekömer mit stickstoffhaltigen Substanzen
— Ei Weissstoffen, Kleber — innig verwachsen sind; man überlässt in
der Begel den Brei, der durch Zerquetschen der eingeweichten Weizen-
körner erhalten wird, einer Gährung („Sauerverfahren"), durch welche
der Kleber gelöst wird, während die Stärke kaum angegriffen wird; die
Stärke wird dann ausgewaschen und getrocknet. — Beis* ist am reichsten
an Stärke, aber am schwierigsten zu verarbeiten'; man löst die Stoffe,
welche die Stärkekörner des Beis fest mit einander verkitten, durch
Behandlung mit schwacher Natronlauge. — Arrow-root ist einein den
Tropenländern aus Maranta-Arten gewonnene Stärke. — Sago wird aus
dem Mark der Sagopalme, jetzt aber auch vielfach aus Kartoffelstärke
hergestellt, indem man die gekörnte feuchte Stärke auf eine heisse
' Vgl. Ost, Lehrb. d. techn. Chem. (Berlin, 1893), S. 393 ff. — F. Fibceeb,
Handb. d. chem. Technologie (Leipzig, 1893), S. 836 ff. — Saare, Jahresbericht d.
chem. Technologie 1891, S. 8X8 ff.
• Vgl. Beroeb, Cöthener Chem. Ztg. 1890, 1440, 1557, 1571.
StärkexiAcker, Dextrin. 941
Metallplatte fallen lässt, wodurch sie theilweise verkleistei-t, theilweise
auch in Dextrin verwandelt wird.
Stärke wird in möglichst fein vertheiltem Zustand als Puder ver-
wendet, in Form von Kleister als -Klebemittel bei Tapezier- und Buch-
binderarbeiten und als Verdickungsmittel beim Zeugdruck. Sie dient
femer bekanntlich zum Steifen der Wäsche; ihre Wirkung beruht dar-
auf, dass die zunächst als Kleister aufgetragene Stärke durch das heisse
Bügeleisen in einen steifen glänzenden Ueberzug von Dextrin verwan-
delt wird.
Die Bedeutung der Stflrke als Nahrungsmittel, die Brotbäckerei etc. wird in
dem Kapitel ,,Nahrungs- und Genussmittel (Band 11)^' besprochen werden.
Stärke ist femer das Ausgangsmaterial für die Gewinnung von Stärke-
zucker und Dextrin.
StSrkezueker ((i-61ucose als wesentlichen Bestandtheil enthaltend)
wird durch Kochen von Kartoffelstärke oder Maisstärke mit verdünnter
Schwefelsäure hergestellt; nach der Verzuckerung wird die Schwefelsäure
durch Zusatz von Schlämmkreide als Gyps fortgeschafft, die filtrirte
Zuckerlösung im Vacuum so weit verdampft, dass die ganze Masse beim
EIrkalten zu einem harten, fein krystallinischen Kuchen erstarrt. Eine
weitere, technisch ausfuhrbare Beinigung dieser Masse durch Abschleu-
dern oder Krystallisation ist bisher nicht gelungen; durch Verzuckern
in verdünnterer Lösung lässt sich zwar sehr reiner Traubenzucker
herstellen, den man im Vacuum auf Krystall verkochen kann, doch hat
sich diese Fabrikation nicht als rentabel erwiesen. Der technische
Stärkezucker ist daher ein recht unreines Produkt; er enthält neben
Traubenzucker noch Maltose, Isomaltose ^ und Dextrine. Da er viel billiger
als Rohrzucker ist, wird er vielfach — in fester Form oder als Syrup —
als Süssmittel für Konditoreiwaaren etc., als Ersatzmittel für Honig und
für äJinliche Zwecke verwendet. Grosse Mengen wurden früher beim
.jGallisiren" des Weines als Zusatz zu dem mit Wasser verdünnten
Most verbraucht; seitdem man weiss, dass derart hergestellter Wein in-
folge der unvollständigen Vergährung der Verunreinigungen des Stärke-
zuckers stark rechtsdrehende und daher sehr leicht nachweisbare Be-
standteile enthält, hat man sich wohl allgemein entschlossen, hier statt
Starkezucker den freilich kostspieligeren, aber reinen und vollständigen
vergährbaren Bohrzucker anzuwenden , gegen dessen Benutzung vom
sanitären Standpunkt aus wenigstens kaum Bedenken vorliegen. —
Durch Erhitzen von Stärkezucker — zuweilen unter Zusatz von Soda —
stell man die Zuckercouleur dar, die zum Färben von Liqueuren und
Bier gebraucht wird.
In unbedeutender Menge wird auch Maltose technisch durch Verzuckerung der
Stärke mittels Malzauazug bereitet.
Technisches Dextrin (Stärkegummi) wird theils durch Erhitzen
von Stärke für sich auf 220—250® (Röstgummi), theils durch kurzes
^ Sgheibleb u. MrrrSLMEiEB, Ber. 24^ 301 (1891).
942 Technik der Gdlulose (Oespinnstfasern,
Erhitzen mit verdünnter Salzsäure oder Salpetersäure (Säuredextrin)
dargestellt; es dient als wohlfeiler Ersatz der natürlichen Gummiarten.
beim Zeugdruck als Verdickungsmittel, als Klebemittel für Brief-
marken etc.
Die Cellnlose hat in technologischer Beziehung zunächst als wesent-
licher Bestandtheil der pflanzlichen Oespinnstfasern^, wie Flachs,
Hanf etc., eine grosse Bedeutung. Um die Bastfasern des Flachses
möglichst rein und unversehrt von einander und von der Binde und dem
Kern, zwischen welche sie in der Leinpflanze gelagert sind, zu trennen,
werden die Flachsstengel zunächst unter Wasser gelegt oder, auf Feldern
gelagert, häufig mit Wasser begossen. Bei diesem mit der Entwickelung
sehr unangenehmer Gerüche verbundenen und daher sehr belästigenden,
sogenannten „Röstprocess** tritt eine Fäulniss ein, durch welche die
Stoflfe, welche die Bastfasern verkitten, zerstört, die Fasern selbst aber nicht
angegriffen werden. Nach beendigter Röstung können nun die Bast-
fasern von den mürbe gewordenen, anhängenden Theilen durch ge-
eignete mechanische Operationen — Klopfen, Brechen, Schwingen,
Hecheln — getrennt und spinnfähig gemacht werden. — In ähnlicher
Weise wird der Hanf zubereitet. — Baumwolle ist die Samenwolle
der Früchte von Gossypiumarten , welche namentlich in Ostindien und
in den Südstaaten Nordamerikas angebaut werden; an den Orten, wo
die Baumwolle geerntet wird, wird sie gleich ,,egrenirt", d. h. von den
Samenkörnern, an denen die Baum wollhaare festsitzen, befreit; die
Samen dienen als Viehfutter, Düngemittel und zur Bereitung des Baum-
wollsamenöls.
Bevor die Gespinnstfasem bezw. die daraus gefertigten Gewebe zur Verwendung
in weissem Zustande gelangen oder einem Färbeprocess unterworfen werden, mossen
sie bekanntlich gebleicht werden'. Das „Bleichen" beruht darauf, dass die Stoffe,
welche die Faser verunreinigen, von chemischen Agentien leichter verändert oder zer-
stört werden, als die sehr widerstandsfähige Cellulose. Man benutzte fräher stets die
„Rasenbleiche", bei welcher wohl hauptsächlich Wasserstoffsuperoxyd als wirk-
sames Agens auftritt. Heute werden die Gewebe aufl Pflanzenfasern, nachdem man
sie zur Entfernung der während des Spinnens oder Webens aufgenommenen Ver-
unreinigungen — Fett, Schmutz, Schweiss, Weberschlichte — mit verdünnten Alka-
lien und Säuren behandelt hat, stets schliesslich mit verdünnter ChlorkalkldsBD^
gebleicht. Die Textilindustrie verbraucht daher ausserordentlich grosse Mengen von
Chlorkalk, und letzterer ist dadurch eines der wichtigsten Produkte der anorganisch-
chemischen Grossindustrie geworden.
Bei der Zubereitung der Gespinnstfasern sucht man die Cellulose-
fasem möglichst intact zu erhalten; bei der Papierfabrikation handelt
es sich umgekehrt darum, zunächst das Cellulosematerial so weit zu zer-
* Eine ausführliche Schilderung der Pflanzenfasern vgL in Otto N. Witts
chemischer Technologie der Gespinnstfasern, S. 108—165 (Braunschweig, 1888).
* Näheres über den Bleichprocess vgl. in Hummel-Kkecht's Färberei u. Bleicherei
der Gespinnslfaser, S. 51 fl^. (Berlin, 1891).
Papier fabrikation), 943
kleinem, dass man es mit Wasser zu einem dünnen Brei („GanzstoflF")
anrühren kann, der dann, in dünne Schichten gleichmässig ausgebreitet
und darauf entwässert, einen dünnen Filz von Cellulose — das Papier-
blatt — hinterlässt. Bis etwa zur Mitte unseres Jahrhunderts waren,
nachdem das schon den Arabern bekannte Baumwollpapier wieder in
Vergessenheit gerathen war, die Lumpen und Hadern, welche bei der
Verarbeitung und bei dem Verfall der Gewebe abfallen, — namentlich
die leinenen Lumpen — der ausschliessliche Rohstoff der Papierfabriken.
Seitdem aber durch die Entwickelung des Zeitungswesens der Papier-
bedarf in enormer Weise gestiegen ist, musste man andere cellulosehaltige
Materialien heranziehen und benutzt jetzt in grösstem Massstab Holz zur.
Erzeugung von Zellstoff für die Papierfabrikation. Durch ein-
fache mechanische Zerkleinerung von Holz erhält man den ligninhaltigen,
sogenannten „Holzschliff", der nur für die Herstellung geringerer
Papiersorten verwendbar ist. Für feinere Papiere muss man die Cellu-
lose möglichst von dem Lignin und den sonstigen incrustirenden Sub-
stanzen befreien und daher eine chemische Trennung ausfuhren. Man
kann dieselbe durch Erhitzen mit Natronlauge oder mit Galciumbisulfit-
lösung unter Druck bewirken. Namentlich das Sulfitverfahren, welches
1866 von TiLGHMAN patentirt, hauptsächlich aber von Mitscheelich aus-
gebildet und in die Praxis eingeführt wurde, in Bezug auf die Art seiner
Wirksamkeit übrigens noch wenig aufgeklärt ist, wird seit 15 — 20 Jahren
in grossem umfang ausgeübt. Im Jahre 1891 wurden in Deutschland
150 000 Tonnen Holzzellstoff erzeugt, welche einen Werth von etwa
32 Millionen Mark repräsentiren, davon etwa 137 500 Tonnen nach dem
Sulfitverfahren ^ Man verwendet als Rohstoff meist Nadelholz, selten
Laubholz, ferner Stroh und Espartogras; das zuvor von der Binde be-
freite Holz wird auf Haselnussgrösse zerkleinert und nun entweder direct
in eisernen Cylindern, die innen mit Bleiplatten ausgeschlagen sind, mit
Calciumbisulfitlösung 18 Stunden durch Dampf auf 4 — 5 Atmosphären
erhitzt (BiXTsn-KELLNEB'sches Verfahren) oder zunächst mit Dampf
bezw. heissem Wasser extrahirt und darauf mit der Calciumbisulfitlösung
28 — 36 St. in den geschlossenen Kesseln auf ca. 120° erhitzt (Mitscher-
uch's Verfahren)^. Nach dieser Behandlung zerfällt die zurückbleibende
Cellulose leicht, wird in den sogenannten „Holländern" zu Brei zerrissen,
darauf gründlich ausgewaschen und durch mechanische Operationen auf
Papier verarbeitet. Das bei anderen Verfahren nothwendige Bleichen
des Papierbreis mit Chlorkalk kann hier in der Regel unterbleiben, da
die Sttlfitlauge selbst schon bleichend wirkt.
Die Cellulose erlangt endlich weitere praktische Bedeutung durch
die Verwendung ihrer S. 933 erwähnten Salpetersäureester.
* Vgl. Wichelhaus, wirthschaftl. Bedeutung chemischer Arbeit (Braunschweig,
1893), 8. 25.
* Ueber die Substanzen, welche sich nach dieser Behandlung in der ,.Holz-
Sulfitflässigkeit^* befinden, vgl. LiNDSEy u. Tollens, Ann. 267, 341 (1891).
944 Gollodium, CeUiUcnd, SchiessbaumwoUe.
Die niederen Nitrirangsstufen der Gellulose (Cellulose-dinitrat bis
-tetranitrat, vgl. S. 933) sind in einem Gemisch von Alkohol und Aether
löslich. Eüne solche Lösung — hergestellt durch Behandlung von Baum-
wolle mit Salpeterschwefelsäure bestimmter Goncentration, Auswasdien
der so entstandenen ,,Collodiumwolle*' und Auflösen derselben in Aether-
Alkohol — wird „Collodlum^^ genannt; sie hinterlässt beim Verdunsten
die Collodiumwolle in Gestalt zusammenhängender Häute und wird be-
kanntlich in der Chirurgie, femer in der Photographie verwendet. Eine
Auflösung von schwach nitrirter Baumwolle in geschmolzenem Kampher
(zuweilen auch vermischt mit anderen Substanzen) ist das CelluloTd —
jene vorzüglich plastische, aber sehr feuergefährliche Masse, welche heute
so vielfach zur Imitation von Hom, Hartgummi etc. benutzt wird. Die
Verwendung der Collodiumwolle in der Sprengstoffbechnik als Gelatininmgs-
mittel für Nitroglycerin ist schon S. 600 — 101 besprochen.
Höher nitrirte Salpetersäureester der Cellulose (Tetranitrat bis Hexa-
nitrat) sind die Bestandtheile des wichtigen, unter dem Namen ^^Sehless-
banmwolle^^ bekannten Sprengstoffs, welcher 1846 von Schönbkik uod
von BöTTGER entdeckt wurde. Zu seiner Herstellung werden Baumwoll-
abfälle in ein Gemisch aus stärkster Salpetersäure und stärkster Schwefel-
säure getaucht, einige Minuten darin herumgezogen, dann wieder
herausgenommen und, von dem Säuregemisch durchtränkt, längere Zeit
sich selbst überlassen; hierauf wird die nitrirte Baumwolle mit Wasser
gewaschen, im Holländer zu Brei zerrissen, nochmals sehr sorgfältig ge-
waschen, da ungenügend gewaschene Schiessbaum wolle sich allmählich
von selbst — zuweilen unter Explosion — zersetzt, und endlich vor-
sichtig getrocknet. Lose SchiessbaumwoUe gleicht in ihrem Aussehen
durchaus der gewöhnlichen Baumwolle, fühlt sich aber rauher an, ist in
Alkohol und Aether nicht löslich, entzündet sich leicht und verbrennt
äusserst lebhaft ohne Explosion. SchiessbaumwoUe hat zuerst in com-
primirtem Zustand als Sprengstoff zur FüUung von Torpedos und Gra-
naten Bedeutung erlangt; obgleich gegen Stoss und Schlag ziemUch un-
empfindlich, explodirt die zu Prismen oder Cylindem durch hydrauUschen
Druck comprimirte SchiessbaumwoUe mit grösster Heftigkeit durch die
Entzündung von Knallquecksilbersätzen. Bei der Explosion unter Druck
Uefert sie freien Stickstoff, Wasserstoff, Wasserdampf, Kohlenoxyd und
Kohlensäure als Zersetzungsprodukte; es entstehen mithin nur gasformige
Produkte, die SchiessbaumwoUe explodirt ohne Entwickelung von Bauch
und ohne Hinterlassung eines Rückstandes. Ihrer directen Verwendung
als rauchfreies Gewehrpulver und Geschützpulver stand indessen ihre
gar zu hohe Brisanz entgegen. Neuerdings ist diese Schwierigkeit über-
wunden; die mächtige Umwälzung in der miUtärischen Technik, welche
jüngst durch die Einführung des rauchlosen Pulvers veranlasst ist, wurde
dadurch ermöglicht, dass man Mittel auffand, die Verbrennungsgeschwin-
digkeit der SchiessbaumwoUe durch geeignete Behandlung so weit herab-
zusetzen, dass sie als Gewehrpulver benutzbar wird. Die Einzelheiten
Amidoaceialdehyd. 945
der Verfahren zur Herstellung der gegenwärtig in den Armeen einge-
führten rauchlosen Pulver werden natürlich geheim gehalten. Das Princip
dieser Verfahren^ aber besteht darin, dass fein zertheilte Schiessbaum-
wolle mit Essigäther, Aceton oder ähnlichen Lösungsmitteln ,,gelatinirt<<
wird; ohne dass eigentliche Lösung stattfindet, quillt die Schiessbaum-
wolle in diesen Flüssigkeiten unter Bildung einer homogenen, gallert-
artigen Masse auf; aus der gelatinirten Masse kann nun durch Pressen
oder Verdunsten das Lösungsmittel ganz oder theilweise entfernt werden ;
aus der dann zurückbleibenden plastischen Gelatine wird endlich das
Pulver selbst durch Zerschneiden in dünne Blättchen oder durch Aus-
stanzen zu Eömern hergestellt; durch verschiedenartige Behandlung bei
der Entfernung des Lösungsmittels — eventuell noch durch Beigabe
unwirksamer verbrennKcher Zusätze, — kann man die Brisanz reguliren
und die Eigenschaften des Pulvers je nach Wunsch den einzelnen Waffen
anpassen.
Siebenunddreissigstes Kapitel.
Amidoderivate der Aldehyde und Eetone.
Amidoderivate der aliphatischen Aldehyde und Ketone sind nur in
äusserst geringer Zahl bekannt. Verbindungen, welche die Amidogruppe
und Carbonylgruppe benachbart enthalten:
-CO— C(NH>)-
sind in freiem Zustand sehr unbeständig^ und condensiren sich leicht
unter gleichzeitiger Oxydation zu complicirteren Basen mit cyclischem
stickstoffhaltigem Kern (Aldine, vgl. S. 850, Näheres in Bd. II).
Die einfachste hierhergehörige Verbindung — der a-Amldoacet-
aldehyd^ CHj(NH3)-CH0 — ist daher erst in jüngster Zeit isolirt
worden; Derivate derselben, welche durch Modificirung der Aldehyd-
bezw. Amidgruppe grössere Beständigkeit erlangen, waren schon vorher
bekannt. So ist das a-AmidoacetaH CH3(NH2)-CH(0C2Hß)3 durch Um-
setzung von Chloracetal (S. 862) mit Ammoniak erhalten; es stellt ein
farbloses Oel von starkem Amingeruch dar, siedet bei 163^, bildet mit
wenig Wasser eine Emulsion, ist in mehr Wasser löslich, wird aus der
Lösung durch festes Alkali wieder abgeschieden und ist mit Wasser-
* Vgl. Lbpsius, Verhandlungen d. Gesellsch. dtsch. Naturforscher u. Aerzte (64.
Versammlg. zu Halle, 1891) Th. I, 8. 36. — TmEL, Jahresbericht d. ehem. Technologie
1891, S. 437.
» Vgl. E. Braun u. V. Mbyee, Ber. 21, 19 (1888). — E. Braun, Ber. 22, 559 (1889).
— Vi-ADESOO, Bull. [3] e, 818 (1891).
» E. Fischer, Ber. 26, 92 (1893).
* Wohl, Ber. 21, 616 (1888). — - Wolpp, ebenda, 1482. — Marckwald u. Ellinqer,
Ber. 25, 2855 (1892).
V. MsYXB n. Jacobson, org. Ghem. I. 60
946 Mtcscarin. Amidovaleraldefiyd,
dämpfen flüchtig. Durch Behandlung mit rauchender Salzsäure in der
Kälte wird daraus Alkohol abgespalten, und das Ghlorhydrat des
Amidoacetaldehyds gebildet, welches nach dem Verdampfen der
Lösung im Yacuum als farbloser Syrup hinterbleibt; es ist in Form des
Platindoppelchlorids (CHO-CHj- NHj. HCl) jPtCl^ analysirt worden, das aus
alkoholischer Lösung in Nädelchen mit 2 Mol. Erystallalkohol ausfallt;
der Amidoacetaldehyd ist äusserst veränderlich, reducirt FEHLiNo'sche
Lösung, wird durch Oxydation in GlykokoU, durch EIrwärmen mit über-
schüssigem essigsaurem Phenylhydrazin in das Osazon des Glyoxals
(S. 845) verwandelt
Eine vom Amidoacetaldehyd sich ableitende quatemäre Ammonium-
base ist höchstwahrscheinlich das in der Natur vorkommende Muscarin,
welches demzufolge eine Zwischenstellung zwischen Cholin (S. 634) und
Betain (S. 832) einnehmen würde:
CH, . NCCHs), OH CH, . N(CH,)s • OH CH, • N(CHA - OH
I I I .
CH^OH CH(OH), CO OH
Cholin. MuBcarin. Betain.
Mnscarin^ CgHjßNOj ist von Schmiedbbeeg u. Koppe im Fhegen-
schwamm (Agaricus muscarius) entdeckt, bildet zerfliessliche Krystalle
und ist ein sehr starkes, herzlähmend wirkendes Gift; beim Erhitzen
liefert es Trimethylamin. Seine Constitution kann noch nicht als ganz
sicher gestellt gelten, da der Vergleich des durch Oxydation von Cholin
erhaltenen „künstlichen Muscarins" und des natürlichen Muscarins nicht
völlige Identität ergeben hat. Die beiden Basen stimmen zwar chemisch
vollständig überein; aber in ihrer physiologischen Wirkung beobachtet
man gewisse Verschiedenheiten. Eine aus dem Acetaltrimethylammonium-
chlorid (CH3)3C1N.CH2 -011(0 -C^Hß), durch Spaltung entstehende Base
weicht auch in der Zusammensetzung ihres Platindoppelsalzes und Gold-
doppelsalzes von dem ,,Oholin-Muscarin" und dem „Pilz-Muscarin" ab.
^-Amldoraleraldehyd» NHj.OHg-CHa-OH^.OHjOHO ist durch
Oxydation von Piperidin mit Wasserstoffsuperoxyd:
CHj
CHg CH^ CH] CH]
I I + H,0, = 1 I + H,0
CH, CH, CH, CHO
NH NH,
erhalten, bildet weisse Blättchen, schmilzt bei 39^, besitzt einen starken
^ ScBMiEDBBEBo u. RoppE, Jb. 1870, 875. — ScHMiEDSBEBQ u. Habkack, Jb. 1876.
803, 804. — Berlinebblau, Ber. 17, 1139 (1884). — Boehm, Archiv f. experiment
Pathol. u. Pharmakol. 19, 94 (1885). — Lochest, Bull. [3] 8, 858 (1890). — E. Fkceii.
Ber. 26, 468 (1893). — G. Nothnaoel, Ber. 26, 801 (1893).
« Wolppenstein, Ber. 25, 2781 (1892).
Diamidoaceton. Osamine. 947
eigenthümlichen Geruch, ist sehr leicht flüchtig, in Wasser leicht löslich
nad condensirt sich beim Erhitzen zu Tetrahydropiridin:
Cxig Ciif CHg CH
I I -H,0 =1 ^ .
CH, CHO CH, CH
NH, NH
Diftmidoaceton ^ CO(CH,«NH,), ist in Form von Salzen auf complicirtem Wege
aus verschiedenen Körpern, welche sich bei der Einwirkung von Natriumäthylat
ans HippoTSäureester bilden, durch Behandlung mit Säuren erhalten worden. Die
freie Base konnte nicht isolirt werden.
£in |?-Amidoketon ist das schon S. 416 besprochene Diacetonamin.
Amidoderivate von ungesättigten Ketonen entstehen durch Einwirkung
von Ammoniak bezw. Aminen auf 1.3-Diketone', z. B.:
CHj.COCHj.CO.CHg + NH, = H,0 + CH,.CO.CH:C.CH,
I
Kh,
(vgl. die Bildung von Amidocrotonsäureestern [S. 836—837] aus Acetessigester).
Als Amidoderivate von Aldehydalkoholen bezw. Keton-
alkoholen müssen hier noch die schon S. 885 erwähnten Osamine be-
sprochen werden, welche als Monosaccharide aufzufassen sind, in deren
Molecül eine Hydroxylgruppe durch die Amidgruppe ersetzt ist.
Glueosamin^ CgH^gNO^ ist ein von Leddebhose entdeckter Körper
genannt worden, der unter den hierher gehörigen Verbindungen als erste
aufgefunden wurde. Sein salzsaures Salz wird durch Spaltung des Chitins
(vgl. Bd. 11) — einer Substanz, aus welcher die Panzer der Crustaceen
der Hauptmenge nach bestehen, — mit heisser concentrirter Salzsäure
erhalten; zur Darstellung eignen sich namentlich Hummerschalen als
Ausgangsmaterial. Das salzsaure Salz CgH^gNO^-HCl bildet schöne, glän-
zende Kry stalle von deutlich süssem Geschmack, ist in Wasser leicht,
in Alkohol sehr wenig löslich und dreht stark rechts. Glucosamin reducirt
FBHLiNG'sche Lösung, wird durch Einwirkung von salpetriger Säure in
einen rechtsdrehenden, nicht gährungsfähigen Zucker verwandelt, durch
Oxydation mit Salpetersäure in Isozuckersäure (S. 821) übergeführt und
liefert beim Erwärmen mit überschüssigem essigsaurem Phenylhydrazin
das c?-Phenylglucosazon (S. 899). Aus den beiden letzten Reactionen
ergiebt sich, dass ihm die Structurformel:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CH(NH,) • CHO
beizulegen ist. (In stereochemischer Beziehung stehen indessen die
^ BüOHBiMEB, Ber. 21, 3329 (1888); 22, 1955 (1889). — Rüqheimeb u. Misghel,
Ber. 25, 1562 (1892).
« A. u. C. CoMBBS, Bull. [3] 7, 778, 788 (1892).
" LuDDERHOSE, Ber. .9, 1200 (1876). Ztsckr. f. -phyaiol. Chem. 4 , 139 (1880). —
TiBMANN, Ber. 17, 241 (1884); 19, 49, 155 (1886). — Baumann, Ber. 18, 3220 (1886).
60*
948 Olyoxyl^äure.
beiden Uebergänge in Isozuckersäure (vgl. S. 912) einerseits und d-Phenyl-
glucosazon andererseits mit einander in Widerspruch).
Isoglncosamln ^ ist das aus dem c?-Phenylglucosazon durch Se-
duction mit Zinkstaub und Essigsäure entstehende Osamin genannt
worden^ welches durch salpetrige Säure in c?-Fructose verwandelt wird
und daher die Structurformel:
CH,(OH) . CH(OH) . CH(OH) • CH(OH) • CO • CH,(NH,)
besitzt (vgl. S. 885). Sein Acetat C^H^gNOß . C^H^O, krystallisirt in
schönen farblosen Nadeln und ist in Wasser sehr leicht löslich. Mit
Phenylhydrazin regenerirt es leicht (/-Phenylglucosazon. Seine Salze
drehen in wässriger Lösung stark links.
cc-AkrosamiB' ist aus a-Pbenylakrosazon (S. 902) gewonnen worden.
Achtunddreissigstes Kapitel.
Aldehydsäuren.
OlyoxylsSnre CHO-CO,H ist die denkbar einfiachste Verbindung
aus der Klasse der Aldehydsäuren, deren Repräsentanten in der Fett-
reihe ziemlich selten sind. Es sei gleich bemerkt, dass die freie Säure,
welche beim Eindunsten der wässrigen Lösung zunächst als Symp, dann
bei längerem Stehen über Schwefelsäure in rhombischen Prismen krystal-
lisirt erhalten wird, nicht die der obigen Structurformel entsprechende
Zusammensetzung C^H^Og besitzt, sondern 1 Mol. Wasser mehr enthält und
nicht ohne Zersetzung entwässert werden kann, dass ebenfalls ihre Salze
— ausser dem Ammoniumsalz C^HOj'NH^ — Wasser enthalten, welches
ihnen nicht ohne Zersetzung entzogen werden kann. Man fasst daher
häufig die wasserhaltige Glyoxylsäure analog dem Chloralhydrat (S. 865)
als atomistische Verbindung — Dioxy essigsaure CH(0H)j-C02H — auf'.
Die Reactionen der Glyoxylsäure erklären sich am besten aus der Formel
CHO-CO^H.
Die Glyoxylsäure ist von Debus* entdeckt; sie entsteht dnrch
Oxydation* von Alkohol, Glykol oder Glykolsäure mit Salpetersäure,
femer aus Dichloressigsäure bezw. Dibromessigsäure* durch Erhitzen mit
* E. Fischer, Ber. 19, 1920 (1886). — E. Pischbr u. Tafel, Ber. 20, 2569(1887).
* E. PiacHKB u. Tafel, Ber. 20, 2578 (1887).
^ Vgl. über die Constitation : Debüb, Pebkin u. Odlimq, Ber. 4, 69 (1871); 8,
188 (1875). — Otto u. Beckübts, Ber. 14, 1616 (1881). -- E^osl, Compt. rend. 98,
628 (1884). — Otto u. Tröqeb, Ber. 25, 3425 (1892). — Berthblot u. Matiokoj.
Ann. eh. [6] 28, 189 (1898).
* Ann. 100, 1 (1856); 102, 28 (1857); 110, 316 (1859); 126, 129 (1863).
^ Vgl. auch Böttinqeb, Ann. 198, 206 (1879). — Hsnrrz, Ann. 152, 331 (18691
* Fischer u. Geutheb, Jb. 1864, 316. — Debtts, Ztschr. C^em. 1866, 168. - ^
Pebkin u. Duppa, Ztschr. Chem. 1868, 424. — Gbixaüx, Compt. rend. 83, 63 Amn.
(1876). — Beckubts u. Otto, Ber. 14, 578 (1881).
Formylessigsäure. 949
Wasser; letztere Methode dient am besten zu ihrer Darstellung^. Sie
findet sich allgemein verbreitet in unreifen Früchten^; mit zunehmender
Keife nimmt ihre Menge allmählich ab; bei völliger Maturität verschwindet
die Glyoxylsäure aus den Früchten, doch lässt sie sich dann noch in
den Blättern nachweisen; vielleicht gehört sie zu den Zwischenprodukten
des Assimilationsprocesses ^ (vgl. S. 401).
Glyoxylsäure ist in Wasser sehr leicht löslich und mit Wasser-
dämpfen flüchtig. Sie reducirt ammoniakalische Silberlösung unter
Spiegelbildung, wird von nascirendem Wasserstoff zu Glykolsäure reducirt,
von Salpetersäure zu Oxalsäure oxydirt; kocht man Glyoxylsäure mit
überschüssigem Kalkhydrat oder Ealihydrat^, so entstehen Glykolsäure
und Oxalsäure neben einander. Mit Alkalibisulfiten bildet Glyoxylsäure
Verbindungen, mit Hydroxylamin und Phenylhydrazin reagirt sie unter
Bildung eines Oxims bezw. Hydrazons. — Das Oxim ^ — Oximido-
essigsäure CH(:N-0H)-C02H — krystallisirt in langen farblosen Nadeln
mit 1 Mol. Erystallwasser, wird über Schwefelsäure wasserfirei, ist in
Wasser und Alkohol sehr leicht löslich, schmilzt wasserfrei bei 137 — 138^
unter Zersetzung in Kohlensäure, Wasser und Blausäure und zerfällt in
dieselben Produkte beim Erhitzen mit Wasser auf 120^; K = 0-0995.
Homologe der. Glyoxylsäure im eigentlichen Sinne kann es nicht
geben; denn ersetzt man das einzige an Kohlenstoff gebundene Wasser-
stoffatom durch Alkyl, z. B.:
CHa.COCOjH,
so gelangt man zu einer Verbindung aus einer anderen Klasse — einer
a-Ketonsäure (vgl. Brenztraubensäure, S. 956).
Aber es erscheinen weitere Aldehydsäuren möglich, deren Aldehyd-
gruppe und Garboxylgruppe durch Zwischenglieder von einander ge-
trennt sind.
FormylesslgsSure CHO-CHj-COjH wäre unter den Säuren dieser
Art diejenige, welche sich zunächst an die Glyoxylsäure anschliessen
würde; sie könnte auch als Halbaldehyd der Malonsäure aufgefasst
werden. Sie ist in freiem Zustand nicht bekannt, da sie sehr leicht zu
Gondensationsprocessen geneigt erscheint; ihre vorübergehende Entstehung
wird bei der Cumalinsäurebildung aus Aepfelsäure (S. 795 — 796) ange-
nommen. Als Natriumverbindung ihres Aethylesters* CHO'CHj-COg-
CjHg wurde bisher die Substanz angesehen, welche sich bei der Eün-
» Vgl. Cbambb, Ber. 25, 714 (1892).
' Bruhneb u. Chüabd, Ber. 19, 595, 616 (1886). — Vgl. auch v. Lippkann, Ber.
24, 8305 (1891).
' Vgl. auch KoENiQS, Ber. 25, 800 (1892).
* BamNQER, Ber. 13, 19S2 (1880).
^ Gramer, Ber. 25, 718 (1892). — Södesbaüm, Ber. 25, 912 (1892). — Hantzsgh
u. MiOLATi, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 6 (1892).
• PiUTTi, Ber. 20, 537 (1887). — W. Wislicenüs, ebenda, 2931. — v. Peghvakn,
Ann. 264, 283 (1891). Ber. 25, 1040 (1892).
950 ß - Oximidopropionsävre, Homologe des Formylessigeaiers
Wirkung von Natrinm (vgl. S. 853 — 854) auf ein Gemisch von Ameisen-
säureester und Essigester bildet:
CHOOCjHs + CHaCO.O.CjHg = CHO.CH.COO.CjHj + C^OH;
der Est^r, welcher aus der durch diese Reaction gebildeten Natrium-
verbindung entsteht, löst sich in Alkalien und Alkalicarbonaten auf; er
ist in freiem Zustand sehr unbeständig und condensirt sich äusserst
leicht zu einem Benzolderivat — dem Trimesinsäureester:
CH,-CO, . C,Hß CH-CO, . CjHs
CHO CHO CH CH
CHO , CH
COj • CsH5 COj • C2H5
neuerdings wird er als /S-Oxyakrylsäureester CH(OH):CH-C02-C,H5
aufgefasst, vgl. unten. —
Das Oxim der Formylessigsäure — /S-Oximidopropionsäure^
CH(:N-OH)-CH2-C03H (Isonitrosopropionsäure) — entsteht durch
Spaltung der Cumalinsäure (S. 796) bei der Einwirkung von Hydroxyl-
amin in alkalischer Lösung; es schmilzt bei 1 1 7 — 118^ unter plötzhchem
Aufschäumen, wird durch kochende verdünnte Schwefelsäure in Hydroxyl-
amin, Kohlensäure und Acetaldehyd gespalten und von nascirendem
Wasserstoff zu /9-Amidopropionsäure (S. 835) reducirt; K = 0-0099.
Die Acetylverbindung der Oximidopropionsäure existirt in zwei rfimn-
lich isomeren Modificationen :
H-C-CHj . CO,H H-C-CHj • CO.H
II und
CÄO.O-N N-O.C,H,0 ;
der ireien Oximidopropionsäure ist die Configuration:
H-C— CHj.CGjH
OH-N
zuzuschreiben. Näheres über diese Verhältnisse vgl. in Bd. II bei den Oximen der
aromatischen Aldehyde und Ketone.
Das Nitril der Formylessigsäure liegt in dem Cyanacetaldehjd*
CHO-CHj-CN vor, welcher aus Jodaldehyd (S. 867) durch Umsetzung mit Cyansilher
entsteht; er ist farblos, siedet bei 71 «5®, besitzt bei 15^ das spec Gewicht 0-881 und
ist mit Wasser mischbar.
Es ist eben schon bemerkt worden, dass der sogenannte Formylessig-
ester neuerdings als /S-Oxyakrylsäureester CH(OH) : CH • CO3 • C^Hj aufgefasst
wird. Analoges gilt für die Verbindungen, welche durch Condensation
des Ameisensäureesters mit den Homologen des Essigesters'
* V. PECHMAim, Ann. 264, 285 (1891). — Hantzsch, Ber. 25, 1904 (1892V -
Haktzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 17 (1892).
* Chautard, Compt. rend. 106, 1167 (1888). — Ueber Homologe vgl. Ann. fh.
[6] 16, 182 flF. (1888).
» W. WiSLiOENiTS, Ber. 20, 2984 (1887). — v. Pechmaiw, Ber. 26, 1040 (1892>
bezw. Oxahrylsäureesters. Mtufockhrsäure und Mucobromsäure. 951
gewonnen werden, und welche im Gegensatz zu dem Formylessigester
auch im freien Zustand beständig sind, da sie infolge der Gegenwart
einer Alkylgruppe an Stelle eines WasserstofFatoms eine der Trimesin-
säurebildung analoge Condensation nicht mehr erleiden können. So ent-
steht z. B. durch Combination von Ameisensäureester und Propionsäure-
ester der Methylformylesslgester CHO-CH(CH3)-COaC3Hß bezw. /9-Oxy-
metliakrylsftiireester CH(0H):C(CH3)-C0a-CaHß, welcher bei 160—1620
siedet und mit Eisenchlorid eine intensive röthlichviolette Färbung giebt.
Die neue Constitutionsauffassung wird hauptsächlich dadurch begründet,
dass diese Verbindungen sich analog den Hydroxylverbindungen durch Ein-
wirkung von Essigsäureanhydrid direct acetyliren lassen, und dass die
so gewonnenen Acetate, wie CH(O-CO-CHg): CH-COg-CaHg, ein Molecül
Brom addiren. Vgl. über eine analoge Constitutionsfrage S. 860 — 861.
Als Halogenderivate des Halbaldehyds der Maleinsäure COH*CH:
CH-COsH werden die MueocMorsäare C4H,ClsO, und Mueobromsäure C4H,Br208:
CCl-COH CBrCOH
CCl.COjH CBrCO.H
aufgefasst. Diese Säuren^ bilden sich bei der Einwirkung von Chlor bezw. Brom auf
Brenzschkimsäure (vgl. Bd. II):
CH-CH
CH CCOjH
in wässiger Lösung. Mucochlorsäure schmilzt bei 125^, Mucobromsäure bei 120^ bis
121^; von überschüssigen Alkalien werden sie in Ameisensäure und Dichlor- bezw.
Dibromakrylsäure gespalten; durch Oxydation liefert Mucobromsäui'e die Dibrom-
maleinsfture (S. 737).
Glyknronsäure * COH • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • CH(OH) • COjjH
(Glucuronsäure) ist eine Oxyaldehydsäure, welche durch Reduction
von ei-Zuckersäure entsteht, durch Oxydation wieder in c?- Zuckersäure
übergeht, durch weitere Reduction aber rf-Gulonsäure liefert (vgl. S. 781).
Aus diesen Beziehungen ergiebt sich die obige Structurformel und auch
die Configuration dieser Säure (vgl. S. 911):
* Schmelz u. Beilstein, Ann. Suppl. 3, 276 (1865). — Limpricht, Ann. 165,
293 (1878). — Jackson u. Hill, Ber. 11, 289, 1671 (1878). — Tönnies, Ber. 12, 1202
(1879). — Hill u. Sänger, Ber. 16, 1906 (1882). — Hill, Ber. 17, 238 (1884). — Hill
u. Palmeb, Jb. 1887, 1670, 1674.
' Schxiedebero u. H. Meyer, Ztschr. f. physiol. Chem 3, 422 (1879). — Spiegel,
Ber. 16, 1964 (1882). — v. Mebino, ebenda, 1020. — Grünling, Jb. 1883, 1094. —
Thtbrfelder u. V. Merino, Ztschr. f. phjsiol. Chem. 9, 514 (1885). — Thibrfelder,
Ztschr. f. physiol. Chem. 11, 888 (1887); 13, 275 (1888); 16, 71 (1891). — KFiscfiER
n. PiLOTY, Ber. 24, 522 (1891). — Günther, de Chalmot u. Tollens, Ber. 25, 2569
(1892). — Bunge, Lehrb. d. physiol. u. pathol. Chem. (Leipzig, 1889), S. 251.
952 Olykuransänre, ürochloralsäure, Ckondrosin,
COJtL
OH—
OH—
H
OH
H
-H
■OH
-H
CHO
Glykuronsäure ist eine Substanz von physiologischer Wichtigkeit;
sie erscheint nach Eingabe gewisser Substanzen — wie Campher, Chloral,
Orthonitrotoluol etc. — im Harn in Form von gepaarten Säuren, die
bei der Spaltung einerseits Glykuronsäure, andererseits jenen Substanzen
nahestehende Umwandlungsprodukte — Oxydationsprodukte oder Ee-
ductionsprodukte — liefern. Beim Eindampfen der wässrigen Lösung
geht sie in ein Lacton C^HgOg über, welches monosymmetrische Tafeln
bildet, angenehm süss schmeckt, bei raschem Erhitzen gegen 170^ sintert,
darauf bei 175 — 178^ unter Zersetzung schmilzt; es dreht nach rechts:
[cc]jy^^ in etwa lOproc. wässriger Lösung = + 19.P; beim Destilliren
mit Säuren liefert die Glykuronsäure gleich den Pentosen (vgl. S. 892)
Furfurol.
Unter jenen eben erwähnten gepaarten Säuren ist die UroeUoralsSsre ^
CgHiiClgO, von besonderem Interesse. Diese Säore tritt im Harn von Menschen oder
Hunden nach dem Einnehmen von Chloral auf (vgl. S. 865). Sie bildet seidenglänzende
Nadeln, ist leicht löslich in Wasser und Alkohol, reducirt alkalische Kupferoxrd-
lösung beim Kochen und ist linksdrehend. Beim Kochen mit verdünnten Säuren wird
sie in Glykuronsäure und Trichloräthylalkohol (S. 620) gespalten.
Ein erhöhtes physiologisches Interesse hat die Glykuronsäure ge-
wonnen, seit man ihr jüngst als Abbauprodukt der Knorpelsubstanz be-
gegnet ist. Aus dem zerkleinerten Knorpel der Nasenscheidewand vom
Schweine erhielt Schmiedeberg ^ durch Behandlung mit Pepsin und
Salzsäure als wasserunlöslich zurückbleibende Masse das Peptochondrin.
welches durch Einwirkung von Alkalien Salze der Chondroltinschwefel-
säure C^gEg^NSOiy liefert; aus dieser Säure wird durch Spaltung neben
Schwefelsäure und Essigsäure das Chondrosln CjaHgiNOu gewonnen.
Letztere Substanz verbindet sich nach Art der Amidosäuren sowohl mit
Säuren wie mit Basen, wirkt stark reducirend, dreht rechts und hefert
beim Erwärmen mit Barytwasser Glykuronsäure ; daneben entstehen ähn-
liche Produkte, wie sie bei der Behandlung des Glucosamins (S. 947) mit
Baryt gebildet werden. Das Chondrosinmolecül scheint demnach durch Zu-
> V. Merino u. Musculits, Ber. 8, 662 (1875). — Külz, Ber. 14, 2291 (1881);
17c, 334 (1884). Jahresb. über Thierchemie 1882, 92. — v. Merino, Ber. 15, 1019
(1882). ZtBchr. f. physiol. Chem. 6, 480 (1882).
» Archiv f. experim. Pathologie, 28, 351 (1891), referirt in Richard Mktkh's
Jahrbuch d. Chemie I, S. 249 (1891) und Ber. 25 o, 472 (1892).
Ketonsäuren. 953
sammentritt von Glucosamia und Glykoronsäure gebildet zu sein und
ist vielleicht durch eine Formel, wie
CHO
CH-N : CH.{CH.0H}4.C0,H
I
{CH.OH},
C]
auszudrücken.
JH,(OH)
Neununddreissigstes Kapitel.
Ketonsäuren.
Ketonsäuren — Verbindungen, deren Molecüle neben Carboxyl-
gruppen ketonartig gebundene Carbonylgruppen enthalten, — sind durch
synthetische Untersuchungen in grosser Zahl bekannt geworden, während
sie kaum jemals als Naturprodukte aufgefunden sind. Die Anzahl der
zur Zeit bekannten aliphatischen Ketonsäuren ist so gross, dass es nöthig
ist, die Gruppe der Ketonsäuren nach Zahl und Stellung der charakte-
ristischen Gruppen — Carboxyl und Carbonyl — in verschiedene Ab-
theilungen zu zerlegen. Da auch die Bildungsweisen und Reactionen
von diesen Umständen wesentlich beeinflusst werden, so sollen sie erst
bei den einzelnen Unterabtheilungen näher besprochen werden.
Fiine Bildungsreaction von sehr allgemeiner Bedeutung sei
indess gleich hier hervorgehoben. Sie besteht in der Einwirkung von
metallischem Natrium oder Natriumäthylat auf Säureester bezw. Gemische
von Säureestern ^. Es beruht auf ihr die lange schon bekannte, aber ver-
einzelt gebliebene Bildung von Acetessigester CHg-CO-CHg-COg-CgH^ aus
E^sigester durch Behandlung mit Natrium. Neuerdings hat sie durch
Untersuchungen von W. Wislicbnus* und von Claisbn (vgl. S. 853 — 854)
wesentlich an praktischer Brauchbarkeit und Allgemeinheit der Anwend-
barkeit gewonnen. Der Effect dieser Beaction ist einfach eine Abspal-
tung von einem Molecül Alkohol aus zwei Estermolecülen, z. B.:
CHs-CO.O.C,H6 + CH,.CO.O.C,H5 — CjHs.OH = CHs.COCHjCOO.CjHg
COO.CjHg CHs.COOCjHj CO.CHjCO.OCÄ
I + -C^Hß-OH = I ;
COOCjHs COO.CjHj
ihr Verlauf aber ist jedenfalls nicht so einfach. Nach Claisbn und
^ Eine ausführliche Besprechung dieser Beaction in historischer Beziehung etc.
vgl. beiELBS, Synthet. Darstellungsmethoden d. KohlenstoflFverbindungen (Leipzig, 1889),
I, S. 84 S.
' Ann. 246, 806 (1888).
* Vgl. ebenda, S. 308.
954 Bildung der Ketonsäuren aus Säureestem,
LowMANN^ (vgl. S. 853 — 854) findet zunächst eine Addition von Natrium-
äthylat an den Säureester statt:
/O.CA
CHj.CO.OCjHß + CjHft.ONa = CHa.C^CjHg;
^O-Na
dieses Additionsprodukt reagirt dann unter Abspaltung von Alkohol:
CH3.qO.CaH5), + CHa-COO-CA = CH5.C:CH.C0.0.C,H, + 2CÄ-0H,
I I
ONa ONa
und aus der so entstandenen Natriumverbindung entsteht nun beim An-
säuern der Ketonsäureester durch einen Bindungswechsel:
CH,.C(OH):CH.CO.O.C,Hß >- CH, • CO - CH, - CO, • C^Hj.
Dass man die Beaction mit metallischem Natrium ohne Zusatz von
Alkohol ausflihren kann, erklärt sich daraus, dass eine Spur Alkohol, wie
sie den Säureestem stets anhaftet, wenn nicht ganz besondere Beinigongs-
massregeln getroffen sind, zur Bildung einer kleinen Menge Natrium-
äthylat und damit zur Einleitung der Reaction genügt, und durch den
Fortgang der Beaction nun immer neue Alkoholmengen entstehen. (In
der That wird Essigester, der absolut von Alkohol befreit ist, durch
Natrium in der Kälte gar nicht und beim Kochen nur sehr langsam an-
gegriffen *).
Die Beaction erfolgt stets derart , dass der Eingriff des einen Estermolecöls an
dem der Carbozäthylgruppe benachbarten Kohlenstoffatom des zweiten Estermolecüls
stattfindet:
CH3 • CHg • COj • CgH5 + CHj • CHj • COj • CjHs
= CHa.CHj.CO.CH.COj.CtHs + CjHj.OH.
I
CH3
Es ist dabei nothwendig, dass der eine der zu combinirenden Ester eine Methylen-
gruppe ( — CH,— ) benachbart zur Carboxäthylgruppe enthält; mit Estern wie Iso-
buttersäureester (CH8)jCH'CO,*CjH5 ist eine Condensation nicht zu erzielen.
Die Ketonsäuren besitzen besondere Wichtigkeit in ihrer Eigenschaft
als Zwischenprodukte bei vielen Synthesen. Sie gehören zu den
reactionsfähigsten Verbindungen, leihen sich zu Umformimgen der mannig-
faltigsten Art her und werden daher, insbesondere da gegenwärtig viele
Ketonsäuren leicht herstellbar sind, einige sogar technisch gewonnen
werden (vgl. Acetessigester S. 961, Dioxy Weinsäure S. 987), fortwährend
im Laboratorium für den Aufbau organischer Verbindungen benutzt
Wie man in früherer Zeit namentlich von der Eigenschaft des Acetessig-
esters CHg-CO-CHj-COa-CjHg Nutzen zog, die Wasserstoffatome der
zwischen Carbonyl- und Carboxylgruppe befindlichen Methylengruppe leicht
gegen Metallatome und darauf gegen Badicale auszutauschen (vgl. z. B.
S. 308, 386, 761), so hat man in den letzten Jahren mit grösstem Erfolg
die Einwirkung von Stickstoffverbindungen auf Ketonsäuren studirt und
» Ber. 20, 651 (1887); 21, 1154 (1888).
' Ladenbübg, Ber. 3, 305 (1870). — Vgl. dagegen Fbseb, Her. 24e, 662(1891)-
Wichtigkeit der Ketonsäuren für Synthesen. Nomenclatur. 955
hat dadurch einfache Methoden zur Gewinnung Ton Verbindungen mit
cyclischem, stickstoffhaltigem Kern kennen gelehrt. Nur wenige Beispiele
mögen hier zur Erläuterung dienen:
Cxi« • C CH)
CH,.CO.CH, I I
I + HjN.NHCeHj = N CO + H,0 + CjHß-OH
CO-O-CA \/
j^g CO-CH, /^""\^^'
CHj.C^ + ^CH, = CHa-Cf Vh + H,0 + CAOH.
Um für die Ketonsäuren Benennungen zu bilden, fasst man sie
in der Regel entweder als Carboxylsubstitutionsprodukte von Eetonen
oder als Acylsubstitutionsprodukte von Säuren auf. So erklären sich
einerseits Bezeichnungen, wie:
COaH . CH, • CO • CH, • COjH : Acetondicarbonsäure
CH3 • CO • CO • CH, - COjH : Diacetylcarbonsäure
etc.,
andererseits Namen, wie:
CHj'CO-CHj-COjH: Acetylessigsäure oder Acetessigsäure,
CH3.COCH .CO3H
I : Diacetbemsteinsäure
CH3.COCH .CO3H
etc.
Endlich kann man die Ketonsäuren von den gleich kohlenstoffreichen
carbonylfreien Garbonsäuren ableiten und mit Namen, wie:
CHj-CO-COgH: a-Ketopropionsäure ,
COjH-CHjCHjCO-COaH: a-Ketoglutarsäure,
CO,H . CO • CO • COjH : Diketobemsteinsäure
etc.
versehen (vgl. S. 382). — Auf dem Genfer Nomenclaturcongress (vgl.
S. 1091) sind noch keine Regeln für die Benennung der Ketonsäuren
vereinbart worden.
I. Einbasische Ketonsäuren.
A. OesSttlgte einbasische Eetonsftnren mit einer Carbonylgmppe.
1. (^-Ketonsäuren.
Als €if- Ketonsäuren sind diejenigen Säuren zu bezeichnen, welche
die. Carbonylgmppe und Carboxylgruppe benachbart enthalten:
RCOCO,H.
956 a-Ketonsäuren.
Sie entsprechen den a-Oxysäuren R-CH(OH)«CO,H, gehen durch Eeduc-
tion in letztere Säuren über und können umgekehrt durch Oxydation
— wenn auch nur in schlechter Ausbeute — aus ihnen erhalten werdend
Beweisend flir ihre Constitution ist femer die ebenfalls wenig er-
giebige, durch die folgenden Gleichungen ausgedrückte allgemeine Bil-
dungsweise ^:
CH,.C0C1 + AgCN = CHs-CO-CN + AgCl,
CHjCOCN + 2H,0 = CHaCOCOjH + NHa,
welche die Nitrile der a-Eetonsäuren oder Cyanide der Fettsäureradieale
als Zwischenglieder benutzt, sowie ihre Entstehung aus Oxalessigester
(vgl. S. 984) bezw. seinen Homologen durch Kochen mit verdünnter
Schwefelsäure'*, z. B.:
CH.3 • CH * COf * C2XI5 Cxig * CHf
+ 2H,0= I +00, + 2C,H5.0H.
JO.OO.CjHs OO.COjH
k.
Die Oxime der e^-Eetonsäuren — auch als £^-Isonitrosofett-
säuren, Oximidofettsäuren, Eetoximsäuren^ bezeichnet — , welche
natürlich aus den Eetonsäuren selbst durch Einwirkung von Hydroxylamin
entstehen^, können femer allgemein durch eine interessante Beaction aus
den monalkylirten Acetessigestem CHg • CO • CHR • CO3 • C3H5 gewonnen
werden«; unterwirft man letztere der Einwirkung von nascirender salpe-
triger Säure, so entstehen durch Abspaltung des Acetylrestes die Ester
von Isonitrososäuren, z. B. :
0Hs.C0.0H.C0,.C,H5 + N0.0H = CHj-CO-OH + OH-N: COOj.CA,
[ I
CHj OH3
aus welchen dann durch Yerseifung die freien Isonitrososäuren erhalten
werden.
Das Verhalten der cr-Eetonsäuren ist hauptsächlich an dem einfach-
sten Glied — der Brenztraubensäure — untersucht worden und sei daher
auch an diesem Beispiel geschildert.
Brenztranbensfture CgH^O, wird diese ihrer Constitution nach als
Acetylameisensäure oder Methylglyoxylsäure zu bezeichnende,
einfachste Eetonsäure CE^-CO-CO^B. gewohnlich genannt, weil sie zuerst
durch Destillation von Weinsäure und Traubensäure erhalten wurde
^ Beilstbik a. Wieoand, Ber. 17, %840 (1884). — Aiustow u. Deiuakow, Ber.
2O0, 697 (1887).
' Olaisen u. Shadwell, Ber. 11, 621, 1563 (1878). — Olaisen u. Mobitz, Ber.
13, 2121 (1880).
• W. W18LICENU8, Ber. 19, 3225 (1886). — W. Wislicekub u. Abkold, Ber. 20,
3895 (1887).
* Vgl. Wallach, Ann. 248, 169 Anm. (1888).
* V. Meyeb u. Jankt, Ber. 15, 1527 (1882).
• V. Meyeb u. Züblin, Ber. 11, 692 (1878). — Wleüoel, Ber. 16, 1057 (1882). -
FüBTH, Ber. 16, 2180 (1888).
Brenxtraitbensäure, 957
(Bebzeuus ^), und weil die Zersetzung der Weinsäure durch trockene De-
stillation auch heute der zu ihrer Darstellung übliche Weg ist. Man kann
sich diese Bildung leicht erklären, wenn man annimmt, dass zunächst
durch Kohlensäureabspaltung Glycerinsäure CHj(0H)-CH(0H)C03H aus
Weinsäure entsteht, welche dann durch Wasserabspaltung* Brenztrauben-
säure liefert (vgl. S. 774 — 775). Während die Ausbeute bei der Destilla-
tion der Weinsäure für sich* nur gering ist, wird sie vortrefflich beider
Destillation mit saurem Kaliumsulfat ^. Ausser den S. 956 schon be-
sprochenen allgemeinen Bildungsweisen sei noch die Entstehimg der
Brenztraubensäure aus a,-Dichlor- imd «g-Dibrompropionsäure (vgl. S. 722)
durch Behandlung mit Silberoxyd erwähnt^.
Brenztraubensäure ist eine farblose Füssigkeit, krystallisirt in der
Kälte®, wird dann erst wieder bei +9^ flüssig, siedet ziemlich un-
zersetzt bei etwa 165^, riecht ähnlich der Essigsäure, ist mit Wasser
mischbar und besitzt ein specifisches Gewicht^ von etwa 1-27 bei 20^;
Dissociationsconstante^ K = etwa 0-56.
Während die Säure, wie oben bemerkt, fast unzersetzt siedet, also nicht
dabei in Acetaldehyd und Kohlensäure (vgl. Acetessigsäure, S. 960 — 961):
CH.CO.COiH = CH,.COH + CO,
zerfällt, erleidet sie diese Spaltung® beim Erhitzen im Rohr mit ver-
dünnter Schwefelsäure auf 150^; es beruht auf dieser Spaltung auch das
Vermögen der Brenztraubensäure, ammoniakalische Silberlösung unter
Spiegelbildung zu reduciren, und manche Umsetzungen derselben, so die
Bildung von Grotonsäure durch Behandlung mit Essigsäureanhydrid und
Natriumacetatiö (vgl. S. 491).
Brenztraubensäure zeigt das allgemeine Verhalten der Ketone, bildet
ein Oxim (vgl. S. 959) und ein Hydrazon (Näheres vgl. Bd. II), welch'
letzteres sich zum Nachweis der Säure in verdünnter Lösung eignet ^^;
Einwirkung von Diamid vgl. S. 842. Mit nascirender Blausäure liefert
sie einCyanhydrin^*; mit Thioglykolsäure ^* bildet sie ein Additionsprodukt
^ Pogg. 36, 1 (1885). ' MoLDENHAUEB, Ann. 181, 338 (1864).
» Klimenko, Ber. 3, 466 Anm. (1870). — Seisbl, Ann. 249, 297 (1888).
• Erlenmeyeb u. Böttinqer, Ber. 14, 321 (1881). — Doebner, Ann. 242, 268
(1887). —
» Bbckubts u. Otto, Her. 10, 265 (1877); 18, 228, 235 (1885). — Eine Syn-
these des Brenztraabensäoreanilids vgl. Nef, Ann. 270, 295 £f. (1892).
• SniON, Bull. [3] 9, 111 (1893).
' YoELCKEL, Ann. 89, 67 (1854). — Claisen u. Shadwbll, Ber, 11, 1567 (1878).
— Pebcek, Joum. Soc. 61, 807, 836 (1892).
• Haktzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 7 (1892).
» Beuotew u. Wiboand, Ber. 17, 841 (1884).
" HoMOLEA, Ber. 18, 987 (1885).
" E. PiscHEB u. JouRDAN, Ber. 16, 2242 (1883).
" Böttwobb, Ber. 14, 88 (1881). — Gebson, Ber. 19, 2963 (1886).
" Bokoabtz, Ber. 19, 1933 (1886); 21, 484 (1888). — Vgl. auch Bbehzinobb, ZtBchr.
f. phyßiol. Chem. 16, 582 (1892).
958 Condensationen der Brenztraubensäure,
CH, /SCH,CO,H ~"
yC\ , in Gegenwart von Salzsäure ein Mercaptol
CO^W ^OH
CH3 /SCH3.CO3H
j/C\ (Brenztaraubensäuredithioglykokäure). Mit Sul-
COgH/ ^S-CHj.COgH
fiten ^ tritt sie zu Additionsprodukten zusammen.
Bemerkt zu werden verdient, daas Phosphorpen tachlorid auf die Methji-
gruppe chlorirend wirkt und Mono- und Dichlorbrenztraubensaurechlorid eraeogt'. —
Ueber die Einwirkung von Phosphorwasserstoff' vgl. die Originalliteratar.
Besonders eigenthümlich ist die Neigung der Brenztraubens&ure zu Conden-
sationsprocessen^. Wenn man Brenztraubensäure mit einer zur Neutralisation
ungenügenden Menge Baiythydrat und wenig Wasser kocht, so zersetzt sie sich in
CH3.CH.COjH
Kohlensfture, Essigsfiure, Brenzweinsfture | (S. 665) und PvrotritaisSure
CH,.CO,H
HC CCOjH
IL IL (^S^' ^^' ^^) ^ ^^^ Bildung dieser Produkte kann man eine
CH* • C C • CHa »
Erklärung finden, wenn man annimmt, dass Brenztraubensäure analog der Gljoxjl-
säure (S. 949) unter dem Einfluss des Alkalis eine gleichzeitige Beduction und Oxy-
dation erleidet:
CH3 . CO • CO,H CH, . CH(OH) • CO,H
+ H,0 = +C0,;
CH, . CO . CO,H CH3 . CO . OH
Milchsäure und Essigsäure könnten im nascirenden Zustand mit einander zu Brenz-
weinsäure :
CHs . CH(OH) . CO,H CH. • CH • CO,H
-H,0 = I
CH,.CO,H CHj-COjH
Milchsäure und Essigsäure mit Brenztraubensäure zu Pyrotritarsäure:
CHs • CH(OH) . COjH CH C • CO,H
'' i
CHa-CO COCH, -SHgO-CO, = CH-C C-CH,
OH COjH O
zusammentreten. — Fügt man zur wässrigen Lösung der Brenztraubensäure aber-
CH,.qOH).C0,fl
schüssiges Barytwasser, so fällt das Bariumsalz der Hydru vinsäure yO iT'
CH3.d(OH).C0,fl
aus, welches beim Kochen mit Wasser sich in kohlensauren, Oxalsäuren, uTitinsaaren
und uvitonsauren Baryt verwandelt; unter diesen Säuren ist die Uvitinsäore (vgl
Bd. II) ein Benzolderivat von der Constitution:
* Clewing, J. pr. [2] 17, 241 (1877).
' Seissl, Ann. 249, 299 (1888).
' Messinger u. Engels, Ber. 21, 834, 2919 (1888).
* FiNKH, Ann. 122, 182 (1861). — Bötttooer, Ber. 6, 895(1873); 8, 1583 (18j5):
9, 836 (1876); 18, 609 (1885). Ann. 172, 239 (1874); 188, 300 (1877); 208, 122
(1881).
Äceiyleyanid, Oadmidopropionsäure, 959
COjH.C CCOjH
CH CH
die üvitoüBflare wird als ätherartiges Anhydrid von Milchsäure und Brenztraubensäure :
CH, . CH-0~C(CH,)-0-C(OH)(CHa)
I . I I angesprochen: es ist schwer, eine plausible
CO,H CO.H CO,H
Erklärung f&r diese merkwürdige Zersetzung zu finden. — In Gegenwart von Ammoniak
entstehen durch Condensation der Brenztraubensäure Pyridinderivate.
Unter den Salzen der Brenztraubensäure sei das Zinksalz (CgHgOslsZn
erwähnt, welches ein weisses, glanzloses, krystallinisches Pulver darstellt, in Wasser
schwer löslich ist, lufttrocken 3 Mol. H^O enthält und bei 120^ wasserfrei wird. —
Der Aethjlester* siedet bei 145—146® und zerföUt in Berührung mit Wasser rasch
in Alkohol und Säure.
Brenztraubensäurenitril oder Acetylcyanid* CHg*CO-CN ent-
steht durch Einwirkung von Chloracetyl auf Cyansilber, femer durcTi
Behandlung von Isonitrosoaceton CHg-CO-CHrN-OH (S. 859) mit Essig-
säureanhydrid. Es ist eine bei 93® siedende Flüssigkeit, wird durch
Wasser langsam in Essigsäure und Blausäure gespalten, dagegen durch
vorsichtige Behandlung mit concentrirter Salzsäure in Brenztraubensäure-
amid übergeführt. Beim Aufbewahren oder beim Behandeln mit festem
Aetzkali oder Natrium polymerisirt es sich zu Diacetyldicyanid C^HgO^N,
(Schmelzpunkt 69®, Siedepunkt 210®), welches auch durch Einwirkung
von Essigsäureanhydrid auf Cyankalium erhalten wird. — Brenz-
traubensäureamid* CHj-CO-CO-NHg bildet wohlausgebildete wasser-
klare Krystalle, schmilzt bei 124 — 125®, sublimirt aber zum Theil schon
früher und löst sich leicht in Wasser.
Brenztraubensäureoxim oder a-Oximidopropionsäure^CHg*
C(:N-0H)-C02H (Isonitrosopropionsäure) entsteht nach den S. 956
besprochenen Bildungsweisen, bildet kleine, kömige, weisse Krystalle, die
in Wasser leicht löslich sind, zersetzt sich bei 177® plötzlich unter leb-
haftem Aufkochen und verschwindet dabei fast rückstandslos, löst sich
in Alkalien farblos, wird durch gelindes Erwärmen mit Essigsäureanhy-
* BorriHOER, Ber. 14, 316 (1881). — Seissl, Ann. 249, 300 (1888). — Cübtiüs
u. Lang, J. pr. [2] 44, 557 (1891). — Steupe, Ann. 261, 24 (1891). — Simon, Bull.
[3] 9, 112 (1898).
' HüBNER, Ann. 120, 334 (1861); 124, 315 (1862). — Claisen a. Sbadwell,
Ber. 11, 1565 (1878). — Ci.aisen u. Manasse, Ber. 20, 2196 (1887). — Klbehank,
Ber. 18, 256 (1885). -> Bbunneb, Monftteh. 13, 834 (1892).
* Claisen u. Sbadwell, Ber. 11, 1566 (1878).
* V. Meter u. Züblin, Ber. 11, 693 (1878). — Gütknecht, Ber. 13, 1116 (1880)*.
— V. Mbteb u. Janny, Ber. 16, 1527 (1882). — Bebgbeen, Ber. 20, 533 (1887). —
Hantzsch, Ber. 24, 50 (1891). — Hantzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik. Chem. 10,
7 (1892). — Walden, ebenda, 651.
960 Homologe der Brenxiraubensäure,
drid in Kohlensäure, Wasser und Acetonitril gespalten, liefert durch
Reduction mit Zinn und Salzsäure c^-Amidopropionsäure, durch Oxydation
mit Kaliumpermanganat Aethylnitrolsäure; E = 0-01. Ihr Aethylester
CH3-C(:N0H)C0a-CaHß (Bildung s. S. 956) entsteht auch durch Einwir-
kung von salpetriger Säure auf Methylmalonsäureester CH3-CH(C0jH)-
COj-CgHg unter Abspaltung von Kohlensäure (vgl. auch die Bildung aus
Propionylpropionsäureester, S. 971), stellt atlasglänzende Krystalle dar,
schmilzt bei 95^, siedet unter geringer Zersetzung bei 233^ und löst sich
in Alkalien farblos auf.
Als OxybTenztraubensäure^ CH2(0H)-00-00tH ist wahrscheinlich eine Sftnre
aufzufassen, welche bei der Zersetzung von Nitrocellulose durch Alkali entsteht
Homologre der Brenztraubensäure'. — Propionylameisensäure CH^'OE,-
CO'COaH (Methylbrenztraubensäure, Aethylglyoxylsäure) ist flüssig, siedet
unzersetzt unter 23 mm Druck bei 78—81^ und besitzt bei 17*5^ das spec Gew.
1-200. — Trimethylbrenztraubensäure (CH,),C-CO-CO,H ist durch Oxydation
von Pinakolin (CH,)3C • CO • CH, (vgl. S. 410, 419) mit Kaliumpermanganat gewonnen,
bildet sauer riechende Prismen, schmilzt bei 90—91^, siedet wesentlich unzersetzt
bei 185 — 185*5^, ist in kaltem Wasser schwer, in heissem Wasser leicht loslich, mit
Dampf flüchtig und wird durch Silberoxyd sowie durch Raliumbichromat zu Trimethyl*
essigsaure oxydirt.
2. /3-Eetonsäuren.
Als eine besonders charakteristische EigenthümUchkeit der /9-Keton-
säuren, welche diese Säuregruppe von den c^-Ketonsäuren und y-Keton-
säuren scharf unterscheidet, sei gleich ihre ausserordentliche Neigung
erwähnt, Kohlensäure abzuspalten und dadurch in Ketone überzugehen«
z. B. :
CHs.CO.CHj.COsH = CH,.COCH, + C0,.
Diese Neigung ist so gross, dass die fi'eien Säuren und ihre Salze ihrer
Unbeständigkeit wegen überhaupt nur unter besonderen Vorsichtsmass-
regeln erhalten werden können. Beständig sind dagegen die Ester, wie
CH3 • CO . CHg • CO3 • CgEß , deren Bildung schon S. 953—954 besprochen wurde.
Die Neigung zur Kohlensäureabspaltung bei den /9-Ketonsäuren ist
analog der Leichtigkeit, mit welcher aus den /^-Sulfoncarbonsäuren
(S. 745), wie CaH5-SP2.-CH3-C02H, und den /S-halogenirten Carbonsauren
(S. 713) die Carboxylgruppe abgespalten wird.
AcetessigsSure ^ CHg-COCHj-COjH (Acetoncarbonsäure) ist die
denkbar einfachste /?-Ketonsäure. Wenn man ihren Aethylester (3. S. 961)
in etwas mehr als der berechneten Menge 2^/2procentiger Kalilauge löst
* Will, Ber. 24, 400, 3831 (1891).
* Hübneb, Ann. 131, 74 (1864). — Claisek u- Mobitz, Ber. 13, 2121 (1880). —
Mobitz, Joum. Soc. 39, 13 (1881). — Wleüoel, Ber. 16, 1057 (1882). — POeth, Ber. le.
2180 (1883). — Lobby de Bbuyn, Rec. trav. chim. 8, 387 (1884). — Abistow u. Dexjakov,
Ber. 2O0, 698 (1887). — W. Wislioenus u. Abnold, Ber. 20, 3395 (1887). — GlCcbs-
MANN, Monatsh. 10, 770 (1889).
^ Cebesole, Ber. 15, 1327, 1871 (1882). — Deichmülleb u. Tollens, Ann. 208, 21
30 (1881). — V. Jaksch, Ztschr. f. physiol. Chem. 7, 487 (1882). — Otto, Ber. 21, 93 (18S8).
Acetessigsäure und Acetessigester, 961
und diese Lösung in der Kälte 24 Stunden stehen lässt, so erhält man
eine Lösung ihres Ealiumsalzes. Säuert man letztere mit Schwefelsäure an,
schüttelt mit Aether aus und verdampft die ätherische Lösung vorsichtig,
so hinterbleibt ein Gemisch von Acetessigester und freier Acetessigsäure;
wird dies Gemisch mit Bariuracarbonat und Wasser verrieben, so bleibt
der Ester zurück, die Säure geht als Bariumsalz in Lösung; schon beim
Verdampfen dieser Lösung im Vacuum über Schwefelsäure tritt indess
theilweise Spaltung ein. Die freie Säure ist als hygroskopischer Syrup er-
halten worden, zerfällt beim Erwärmen schon unterhalb 100^ unter stürmi-
schem Aufbrausen in Aceton und Kohlensäure, giebt in wässriger Lösung
mit salpetrige!* Säure momentan Kohlensäure und Isonitrosoaceton (vgl.
S. 859), mit Chlor Kohlensäure und Chloraceton. Mit Eisenchlorid giebt
sie eine schön rothviolette Reaction ; es scheint, dass die rothe Eisenchlorid-
reaction des Harns von Diabetikern, welcher bei der Destillation Aceton
liefert, durch Acetessigsäure bedingt wird (vgl. S. 414).
Der Acetesslgsftnrejftthylester C^-CO-CHj-COaCaHg (Acetessig-
ester) ist 18^ von Geütheb^ entdeckt worden. Seine Natriumverbindung
(vgl. S. 963) entsteht durch Einwirkung von metallischem Natrium auf
Essigsäureäthylester (vgl. S. 953 — 954). Acetessigester ist eines der wichtig-
sten Hülfsmittel für organische Synthesen geworden und daher eine in den
organischen Laboratorien täglich gebrauchte Substanz ; seit einigen Jahren
wird er auch technisch in grossen Mengen hergestellt, da er als Zwischen-
produkt bei der Darstellung des Antipyrins (vgl. Bd. II) benutzt wird.
Darstellung von Acetessigester^ 30 g Natrium werden in möglichst feine
Scheiben geschnitten, in einen Kolben mit Kückflusskühler gebracht und mit 800 g
reinem Essigester, der über Chlorcalcium destillirt war, Übergossen. Nach kurzer
Zeit geräth in der Regel die Flüssigkeit ins Sieden; wenn die Keaction nachlftsst,
bezw. wenn sie nicht von selbst eintritt, erhitzt man im Wasserbade bis zur voll-
ständigen Lösung des Natriums. Die Reactionsmischung enthält nun den Natracet-
essigester und wird, nachdem sie etwas abgekühlt ist, unter äusserer Kühlung mit
verdünnter Essigsäure (1:1) bis zur sauren Reaction versetzt, um den Acetessigester
in Freiheit zu setzen. Nach Zusatz eines gleichen Volums gesättigter Kochsalzlösung
hebt man die obere Essigesterschicht von der wässrigen Salzlösung ab, destillirt den
unveränderten Essigester aus dem Wasserbade ab und fractionirt den Rückstand —
aber nicht zu oft, da sich Acetessigester bei jeder Destillation zum kleinen Theil zer-
setzt. Die Fraction von 170—180^ (uncorr.) ist fast reiner Acetessigester.
Acetessigester ist eine farblose Flüssigkeit von angenehm erdbeer-
artigem Geruch, siedet bei 181®, besitzt das spec. Gew.^ 1-030 bei 15®,
ist in Wasser nur wenig löslich, mit Wasserdämpfen flüchtig und färbt
sich mit Eüsenchlorid violett. Bei der DestiDation wird ein kleiner Theil
des Acetessigesters unter Bildung von Dehydracetsäure (S. 966, Näheres
vgl. Bd. II) zersetzt.
' Jb. 1863, 323. Ztschr. Chem. 1866, 5. — Historisches vgl. bei Wislicenüs,
Ann. 186, 163 (1877).
' Vgl. Wblicekus u. Cokrad, Ann. 186, 210 (1877).
» Bbühl, Ann. 203, 26 (1880). — Elion, Rec. trav. chim. 3, 246 (1884). —
Perkik, Joum. Soc. 61, 836 (1892).
y. Metkr o. Jaoobsoh, org. Chem. I. 61
962 Acetessigesier {Ketcmspaitung, SäurespcUtung,
Dass Acetessigesier durch Torsichtige Verseifaug mit kaltem yer-
dünnten Alkali in Alkalisalze der Acetessigsäure übergeführt werden
kann, ist schon S. 960 — 961 erwähnt. Durch Erhitzen mit verdünnten
Säuren wird er in Aceton, Kohlensäure und Alkohol gespalten:
CH3.CO.CHj.CÖ,.C,H8 + H,0 = CHj-COCHj + COj + CAOH;
durch Erwärmen mit stärkeren Alkalilaugen erleidet er zum Theil die
gleiche Spaltung, zum Theil zerßlllt er — umgekehrt, wie seine Bildung
erfolgt, — in zwei Molectile Essigsäure*:
CH8C0-CH,.C0,.C,H5 + 2K0H = CHjCOOK + CHsCOOK + C,Hj^H.
Diese beiden Spaltungsreactionen sind auch für die Homologen des
Acetessigesters und andere /S-Ketonsäureester typisch und werden als
„Ketonspaltung" und „Säurespaltung'' von einander unterschieden
(vgl. S. 968—969).
Bevor die weiteren Umsetzungen des Acetessigesters zur Besprechung
gelangen, sei hier gleich darauf hingewiesen, dass die durch die Be-
zeichnung „Acetessigester" ausgedrückte, von Fbanklaio) und Düppa*
herrührende Auffassung der Constitution des in Bede stehenden Esters
als Ketonsäureester :
CH,.C0.CH,.C0,.C,H5
nicht von allen Seiten anerkannt wird; Geuthee — der Entdecker dieser
wichtigen Verbindung — sprach sie als Ester der /S-Oxycrotonsäure:
CH, . (HOB) : CH • CO, • C,Hj
an , und auch in letzter Zeit . ist diese Ansicht noch verfochten und
wieder bekämpft worden. Die Wahrscheinlichkeit der beiden Formeln
soll weiter unten (S. 964) discutirt werden.
Die bemerkenswertheste Eigenschaft des Acetessigesters ist seine
Fähigkeit zur Bildung von Metallverbindungen. Acetessigester C^Hj^^O,
reagirt zwar neutral, leitet auch die Electricität so gut wie gar nicht ^.
besitzt aber doch ein durch Metallatome vertretbares Wassersto&tom.
wie durch die Existenz von Metallverbindungen CgHgOjNa, (CgHj03)j|Hg.
(CßHgOg)jCu etc. bewiesen wird; er kann daher in gewissem Sinne als
Säure — Geuthee nannte ihn Aethyldiacetsäure — bezeichnet wer-
den; in verdünnten Alkalien löst er sich auf; in wasserfreien Lösungs-
mitteln mit Natrium zusammengebracht, löst er das Metall unter Wasser-
stoflFentwickelung und Bildung der Natriumverbindung CgH^OjNa auf*.
Die Bildung solcher Metallverbindungen hat man entweder darauf zurück-
zuführen, dass die Wasserstoflfatome der Methylengruppe, welche zwischen
der Acetyl- und der Carboxäthylgruppe steht, durch den Einfluss dieser
sauren Gruppen austauschbar werden (vgl. Malonsäureester, S. 651 — 653.
* WisLicENUs, Ann. 190, 257 (1877).
* Ann. 138, 842 (1865).
* Walden, Ber. 24, 2030 (1891). — Vgl. dagegen Mulldcen nach Nkp, Ann.
270, .S34 (1892).
* WiSLicBKüs, Ann. 186, 183 (1877).
Aktaüderivate). 963
^-Diketone, S. 854), oder im Sinne der Oxycrotonsäureformel auf die
Gegenwart einer alkoholischen Hydroxylgruppe:
CH, . CO . CHNa • CO, • C^Hj bez W. CH3 • C(ONa) : CH • CO^ • C,Hß .
Wenn man nun auf die Natriumverbindung Halogenalkyle einwirken
lässt, 80 entstehen Verbindungen, welche ihrem Verhalten nach unzweifel-
haft als wahre Homologe des Acetessigesters von der Structur CHj-CO-
CBni-CO,-CgHß aufgefasst werden müssen (vgl. S. 968). Dies ist auf
Grund der Eetonsäureformel sofort als Folge einer doppelten Umsetzung
verständlich :
CH,.C0.CHNa.C0,.C,H5 + CÄ-J = CHa.C0.CH(C,H6).C0,.C,H5 + NaJ;
bei Annahme der Oxycrotonsäureformel dagegen ist nur durch Aufein-
anderfolge einer Additions- und Abspaltungsreaction das Endresultat
zu erklären, z. B.:
CHs . 0(0Na) : CH • CO, • CjH^ + CjE^ • J = CR, • CJ(ONa) ■ CHCCjHg) • CO, • CjHj ,
CH, . C J(ONa) • CH(C,H5) • CO, • CHj = CH, • C(ONa) : C(C,H5) • CO, • C,H5 + HJ
= CH, . C(OH) : C(C,H5) • CO, • C.Hj + NaJ.
Es liegt auf der Hand, dass die Bildung einer Verbindung CHj-C(0-
C2H5):CH-COg-C,H5 in letzterem Falle von vornherein für wahrschein-
licher hätte gehalten werden müssen. Eine Verbindung von solchem
Typus — CH3-C(0-C03-CaHß):CHCO,-CjH5 — entsteht übrigens that-
sächlich bei der Einwirkung von Chlorkohlensäureester Cl-COj-CjHg
auf Natracetessigester^. — Erwähnt sei ferner gleich hier als Ar die
Beurtheilung der Constitution des Natracetessigesters wichtig, dass Natra-
cetessigester mit Jod unter Bildung von Diacetbernsteinsäureester (S. 988)
reagirt — ein auf Grund der Eetonsäureformel direct verständlicher
Process:
CH,.CO.CH.CO,.C,Hg
2CH, • CO • CHNa- CO, • C,H5 + 2 J = | +2 NaJ.
CH,.C0.CH.C0,.C,H5
Metallverbindungen des Acetessigesters^ Natracetessiges ter
CgH^OsNa ist wasserfrei in Aether löslich, bildet aber mit Wasser ein in Aether
unlösliches, krystallinisches Hydrat. Für die Synthesen, bei denen er als Zwischen-
produkt verwendet wird, stellt man ihn in der Kegel nicht in fester Form dar (vgl.
S. 968). — Kupferacetessige&ter (CqH90,),Cu wird erhalten, wenn man eine
verdünnte Losung von Kupfersulfat mit einer Mischung gleicher Volumina Acet-
essigester und Alkohol versetzt und dann die zur Neutralisation erforderliche Menge
titrirten Ammoniaks unter Umrühren einträgt; er löst sich in etwa 10 Th. kochendem
Benzol und krystallisirt daraus in grünen Nadeln.
In einigen Beactionen verhält sich Acetessigester ganz wie ein
Keton. So wird er von nascirendem Wasserstoff zu /S-Oxybuttersäure
* Vgl. Michael, J. pr. [2] 37, 473 (1888); 45, 580 (1892). — Claisen, Ber. 25,
1760 (1892).
• LippMANN, Ztschr. Chem. 1869, 29. — Conrad, Ann. 188, 269 (1877). —
Harbow, Ann. 201, 143 (1880). — Elton, Rec. trav. chim. 3, 240 (1884). Ber. 23,
3123 (1890). — Conrad u. Guthzeit, Ber. 19, 21 (1886). — Nbf, Ann. 266, 95 (1891),
61*
964 Acetessigester (Eirvwirhwng v. Wasserstoff, Blausäure, Phosphorpentaehlond,
(S. 759) reducirt, bildet mit Natrinmbisulfit eine farblose, krystallinische
Verbindung^, mit Blausäure ein Cyanhydrin (vgl. S. 798), reagirt mit
Thioglykolsänre* in Gegenwart von Salzsäure unter Bildung der Ver-
bindung CHg • C(S • CHj, • COaH)a • CH, • COg • CaH^ ; Phosphorpentachlorid wirkt
unter Erzeugung von Chlorcrotonsäuren ein (vgl. S. 498 — 499). Es ist
leicht ersichtlich, dass alle diese Beactionen auch durch die Oxycroton-
Säureformel ganz gut gedeutet werden können.
Hydroxylamin^, in alkalischer Lösung angewendet, erzeugt das
innere Anhydrid der /S-Oximidobuttersäure (Methylisoxazolon):
CHj.C-CHj-CO
!' I ,
N 0
welches mit Basen zu Salzen der Oximidobuttersäure CH3-C(:N-0H)-
CHj-CO-OH zusammentritt. Phenylhydrazin* reagirt unter Bildung einer
Verbindung, für welche die von der Oxycrotonsäureformel sich ableitende
Structurformel:
GH,.C:CH.C0j.CaH5
I
NHNH.CeHj
wahrscheinlich gemacht ist.
Auch die Einwirkung von Ammoniak und Aminen verläuft, wie schon
S. 836 — 837 ausgeführt wurde, in diesem Sinne und fuhrt zur Bildung
von Amidocrotonsäureester CH3-C(NHg):CH-C02-C,Hß bezw. Esteni von
Alkylamidocrotonsäuren.
Es sind namentlich diese letzterwähnten Beactionen, welche zu
Gunsten der Oxycrotonsäureformel angeführt werden; bei Annahme der-
selben erscheinen sie einfach als bedingt durch eine Auswechselung der
Hydroxylgruppe gegen ein einwerthiges stickstoffhaltiges Radical. Anf
Grund der Ketonsäureformel erklären sie sich indess ebenfalls einfach,
wenn man die keineswegs unwahrscheinliche Annahme macht, dass zu-
nächst Addition^ und darauf Wasserabspaltung eintritt:
CHaCOCHjCOj.CjHß + HjNNH.CeHj = GH, • C(OH) • CH, • CO, • CjH»
NHNH.CeHs
= CH,.C:CH.C0,.C,H5
I -h H,0.
NHNHCeHj
Die Annahme der Oxycrotonsäureformel für den Acetessigester ist
mithin auch in den Fällen nicht nöthig, wo als Umsetzungsprodukte
desselben wirklich Derivate der Crotonsäure erhalten werden. Bei Be-
trachtung des Gesammtverhaltens wird man kaum zweifelhaft sein, dass
* Elion, Rec. trav. chim. 8, 245 (1884). « Bongartz, Ber. 21, 485 (ISSSV
' Westbnberqee, Ber. 16, 2996 (1883). — Hantzsch, Her. 24, 496 (18911 -
Hantzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 17 (1892).
* Nkf, Ann. 266, 70 (1891). — Vgl. auch Freer, J. pr. [2] 47, 237, 246 (1893^.
* Vgl. Nkf, Ann. 270, 289, 300,- 319, 322 (1892).
HydroQoylamin, Ämmonicüc etc. Constitution). 965
die Ketonsäureformel CHj-CO-CHj-COj-CjHg eine einfachere Deutung
erlaubt, als die Oxycrotonsäureformel. Als Argument in dieser Streit-
frage^ können ferner die physikalischen Constanten des Acetessigesters
(Lichtbrechungsvermögen, magnetische Rotation) herbeigezogen werden,
deren Werth bei Berücksichtigung gewisser Gesetzmässigkeiten mit der
Ketonsäureformel übereinstimmt, der Oxycrotonsäureformel aber wider-
spricht. Endlich muss besonders hervorgehoben werden, dass Acetessig-
ester weder durch Essigsäureanhydrid noch durch Acetylchlorid —
' Seagentien, welche auf Hydroxyl Verbindungen stets acetylirend wirken,
— in eine Acetylverbindung übergeführt wird. . Man könnte freilich
den Einwand geltend machen, dass Hydroxylgruppen, die an ein doppelt
gebundenes Eohlenstoffatom gebunden sind, sich anders verhalten können;
aber auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig, seitdem Glaisen in den
sogenannten /9-Ketoaldehyden (S. 860 — 861) der aromatischen Eeihe
Verbindungen aufgefunden hat, in welchen auf Grund ihres Verhaltens
der Complex:
-C(OH)=C-CO-
I
angenommen werden muss; diese Verbindungen nun verhalten sich
durchaus, wie man es von Hydroxyl Verbindungen gewohnt ist, und
durchaus verschieden vom Acetessigester. Sie liefern mit Essigsäure-
anhydrid und Benzoylchlorid leicht Acetate bezw. Benzoate; bei der
Umsetzung ihrer Natriumsalze mit Jodalkylen tritt der Alkylrest an das
Sauerstoffatom. Der Vergleich mit diesen Verbindungen zeigt deutlich,
dass Acetessigester nicht ihnen analog als Oxycrotonsäureester
CH,.C(0H):CH'C0,.C,H5
aufgefasst werden kann. Die Ketonsäureformel dagegen:
CH3.CO.CH,.CO,.C,H8
erklärt sein Gesammtverhalten in durchaus befriedigender Weise.
Trotzdem hält Claisen', der neaerdings in besonders überzeugender Weise
gegen Nef für die Ketonnatar des Acetessigesters plaidirt hat, mit Michael für den
Natrium acetessigester noch die Form ei C Hg • C(0 Na) : C H • CO, • C^Hs für möglich.
Diese Ansicht scheint indess namentlich in Rücksicht darauf wenig plausibel, dass
bei der Einwirkung von Jod auf Natracetessigester (S. 963) Verkettung zweier Reste
durch Kohlenstoffbindung stattfindet. Mit Bezug auf dies Problem, sowie mit Bezug
auf die Theorie der Bildung des Acetessigesters (S. 953 — 954) wäre es gewiss interessant
zu untersuchen, ob etwa der Natracetessigester, welcher bei der Bildung des Acet-
^ Beiträge zu derselben aus neuerer Zeit: Wedel, Ann. 219, 87 (1883). —
Geuther, ebenda, 119. Ann. 244, 190 (1887). — Hantzsch, Ann. 222, 40 (1883). —
Hamtzsgh u. Herhann, Ber. 21,' 1084 (1888). — Michael, J. pr. [2] 37, 473 (1888);
46, 580 (1892); 46, 189 (1892). — Nef, Ann. 266, 52 (1891); 270, 331 (1892). —
V. Pbchxakn, Ber. 24, 4099 (1891); 25, L040 (1892). — Brühl, Ber. 25, 366(1892).
— Claiseh, Ber. 25, 1776 (1892). — Perkin, Journ. Soc. 61, 808, 836 (1892). —
Frebb, J. pr. [2] 47, 236 (1898).
» Ber. 25, 1777 Anm. (1892).
966 CondenscUionen des Äcetessigsäureäthylesters. Andere Ester d^
essigesters ans Essigester direct entsteht (8. 961), verschieden ist von dem aas
fertigem Acetessigester sich bildenden Natriumsalze.
Von sonstigen Reactionen des Acetessigesters sei erwähnt, dass er
durch nascirende salpetrige Säure in Isonitrosoacetessigester CHg-CO-
C(:N-0H)-C0,-C,H5 (vgl. S. 977) übergeführt werden kann, von rauchen-
der Salpetersäure^ in eine Verbindung verwandelt wird, welche wahr-
scheinlich die Structur:
CO, . C,H5— C C— CO, . CA
N N
I
0-
i
besitzt. Bemerkenswerth sind die Beactionen, durch welche Acetessig-
ester in Derivate cyclischer Stammsubstanzen übergeht. Die Dehydracet-
säure^ welche durch Zersetzung des Acetessigesters in der Hitze entsteht,
ist als Pyronderivat von der Structur:
CHjC CO CO CCH.CO.CH,
II 1 oder I 1
CH CH-COCH, CH, CH
CO CO
erkannt. Durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure* liefert
Acetessigester den Isodehydracetsäureester Cj^Hi^O^ (= ^Cfi^fi^-
H,0 - C^H^O):
CO CCH,
CH C • COj • C]Hg .
\CH,
Durch Einwirkung von Chloroform auf Natracetessigester entsteht ein
Benzolderivat . — die Oxyuvitinsäure; durch Condensation von Acetessig-
ester mit Aldehydammoniak können Pyridinderivate, mit Anilin Chinolin-
derivate, mit Phenylhydrazin Pyrazolderivate, mit Amidinen Pyrimidin-
derivate gewonnen werden. Diese Reactionen sind eingehender erst bei
den betreffenden Reactionsprodukten zu besprechen.
Fernere ^Derivate der AeetessiirsXure.
Ester. Wenn man — analog der Darstellang des Acetessigsäurefithylest^is
(S. 961) — metallisches Natrium statt auf Essigsäureäthylester auf andere Alkylester
der Essigsäure einwirken lässt, so erhält man die entsprechenden Alkylester der
^ Pröpper, Ann. 222, 46 (1883). — Cramer, Ber. 25, 718 (1892).
' Hantzsch, Ann. 222, 1 (1888). — AMSciith^, Benbtx u. Kerf, Ann. 269, \^
(1890). — üeber Condensation des Acetessigesters durch Chlorwasserstofl^ ^T^-
PoLONOWSKA, Her. 10, 2402; (1886). Genvrbsse, Ann. eh. [6] 24, 88 (1891), Bull-
[8] 7, 586 (1892). Hantzsch, Ann. 259, 257 Anm. (1890). Ber. 25, 1310 (1892). -
üeber Einwirkung von Bromwasserstcff vgl. Feeer, J. pr. [2] 47, 238, 251 (1898).
Acetessigsänre. Oyanaceton. Halogenderivate des Acetessigesters, 967
Aoeteasigsäure, z. B. Acetessigsäuremethylester CHs • CO • CH« • CO, • CH, (Siede-
punkt 167— 168 ^ ßpec. Gew. bei 9*^ 1*037) aus EBsig8äu^emeth7le8ter^ Zu diesen
Estern gelangt man auch vom Acetessigäthjlester durch Austausch des Alkybrests,
wenn man den Aethjlester in Gegenwart von Natriumalkoholat mit überschüssigem
Methylalkohol, Amylalkohol etc. stehen lässt oder — bei Abwesenheit von Natrium
— mit einem grossen Ueberschuss höherer Alkohole (Methylalkohol wirkt bei Ab-
wesenheit von Natrium nicht ein) längere Zeit kocht*.
Acetessigsäurenitril oder Cyanaceton' CHg'CO-CH^'CN ist eine farblose
Flüssigkeit von nur geringer Beständigkeit, die schon bei gelindem Erwärmen sich
unter explosionsartigem Aufkochen polymerisirt; es entsteht aus dem dimolecularen
Cyanmethyl (vgl. 8. 299—800) CH8.C(:NH)CH,.CN durch Einwirkung von concen-
trirter Salzsäure und aus dem a-Methylisoxazol, welches durch Einwirkung von
Hydrozylamin auf Oxymethylenaceton (S. 860 — 861) gebildet wird, durch Umlagerung
mittelst Natriumäthylat:
CH CH CHNa-CN
11 1 + C^Hs-ONa = I + CjH^OH.
CH,.C TS^ CHjCO
\o/.
Aus Chloraceton und Cyankalium erhält man dimoleculares Cyanaceton CHg-CO-
CN CH,
I I . Das Imidonitril der Acetessigsäure CH,-C(:NH)-
CH C(OH).CH,.CN
CH,-CN oder AmidocrotonsäurenitrilCH,*C(NH,):CH-CN ist dasdimoleculare
Cyanmethyl* (S. 299), welches ÜEirblose Nadeln vom Schmelzpunkt 52—58^ bildet.
Halogr^nderivate des Aeetessigesters^. Acetessigester lässt sich durch directc
Einwirkung von Chlor (auch Sulfurylchlorid) oder Brom chloriren bezw. bromiren.
Es hat sich bei der Untersuchung der so entstehenden Halogenderivate das eigen-
thümliche Ergebniss herausgestellt, dass Chlor und Brom sich hinsichtlich des Orts,
an dem sie Substitution bewirken, verschieden verhalten. Dem durch directe
Chlorirung entstehendea Monochloracetessigester (Siedepunkt 198 — 195^ spec.
Gew. bei 14° 1-19) muss seinen Reactionen zufolge die Formel des a-Chloracetessig-
esters CH, • CO • CHCl • CO, • CjHg beigelegt werden; bemerkt zu werden verdient, dass
er gleich dem Acetessigester die Fähigkeit zur Bildung von Metallverbindungen wie
(CeHgClOaJgCu zeigt, während der durch weitere Chlorirung daraus entstehende
Dichloracetessigester diese Fähigkeit nicht zeigt und daher wahrscheinlich die Formel
^ BaAin>Es, Ztschr. Chem. 1866, 454. — EmfERLiNG u. Oppenheim, Ber. 0, 1097
(1876). — Conrad, Ann. 186, 228 (1877).
* Peters, Ber. 20, 8823 (1887). Ann. 267, 358 (1889).
» HoLTZWABT, J. pr. [2] 30, 287 (1889). — James, Ann, 231, 245 (1885). —
Hantzsch, Ber. 23, 1472, 1816 (1890). — OsEfaiA, Ann. 266, 885 (1891). — Claisen
u. Lanzendöbpee, Ber. 25, 1787 (1892). — Bubns, J. pr. [2] 47, 120 (1898).
* HoLTzwABT, J. pr. [2] 38, 343 (1888); 39, 230 (1889). — Bürns, J. pr. [2] 47,
105 (1898).
» Conrad, Ann. 186, 282 (1*77). Ber. 11, 2177 Anm. (1878). — Allihn, Ber.
11, 567 (1878); 12, 1298 (1879). — Duisbebq, Ann. 213, 137 (1882). — Lippmann,
Ber. 15, 2142 (1882). — Conbad u. Guthzeit, Ber. 16, 1551 (1883). — Wedel, Ann.
219, 74, 92 (1883). - Leuckart, Ber. 18, 2098 (1885). — Ossipofp, Jb. 1887, 1719.
— Mbvbs, Ann. 245, 58 (1888). — Michael, J. pr. [2] 37, 505 (1888). — Genvresse,
Compt rend. 107, 687 (1888). Ann. eh. [6] 24, 46 (1891). — Haller u. Held,
Compt rend. 108, 516 (1889); 114, 898, 452 (1892). — Schönbrodt, Ann. 253, 168
(1889). — Hantzsch, Ber. 23, 2339 (1890J. — Nef, Ann. 266, 77 (1891). — Steüde,
Ann. 261, 27, 46 (1891). — Hantzsch u. Schiffer, Ber. 25, 728 (1892).
968 Thioacetessigester. Homologe
CHj • CO • CCl^ • CO, • CjHg besitzt. Der durch directe Bromirung erhältliche Mono-
bromaceteBsigester (ein unter Atmosphärendruck nicht unzersetzt destillirbares
Oel, spec. Gew. bei 28^: 1-511) ist dagegen seinen Reactionen zufolge als /-Brom-
acetessigester CH,Br • CO • CH, • CO, • C^Hg anzusprechen; ein isomeres Monobrom-
derivat scheint durch Einwirkung von Brom auf Kupferacetessigester zu entstehen.
Ueber höhere Halogenderivate vgl. die Originalliteratur.
CH, • CO • CHv -CO, . CjHg
Thioaeetessigester* )>S entsteht durch Einwirkung von
CH, . CO . CH/_CO, . C,H6
Chlorschwefel auf Acetessigester, bildet farblose Nadeln und wird durch kochende
Kalilauge in Alkohol, Essigsäure und Thiodigljkolsäure (S. 749) gespalten.
Homologe des Acetesslgesters. Die Homologen des Acetessigesters,
deren Alkylrest an dem zwischen Carbonyl- und Carboxäthylgruppe be-
findlichen Kohlenstoflfatom haftet, können direct aus dem Acetessig-
ester durch Einführung von Alkylresten erhalten werden. Indem
man den Natracetessigester mit Alkylhalogenen umsetzt (vgl. S. 963),
gelangt man zunächst zu monalkylirten Acetessigestern CH^-CO-
CHRCOj-CjHß, z.B.:
CHj.COCHNa.COjCjHs + CHaJ = NaJ + CH,.CO.CH(CH,).COj.C,H,.
In diesen Monalkylacetessigestern ist nun wieder ein Wasserstoffatom
durch Natrium ( — aber nicht durch Kupfer* — ) vertretbar; die so
entstehenden Natrium Verbindungen, aufs Neue mit Alkyljodiden umge-
setzt, liefern die dialkylirten Acetessigester CHg-CO-CR^-COj-CjHg.
z. B.:
CH,.C0.CNa(CH8).C0,.C,H5 + C^H^J = NaJ + CH^CO 0(C8HaXCH,).CO,.CA,
welche nun nicht mehr ein durch Metall vertretbares Wasserstoffatom
enthalten.
Zur Ausfuhrung' derartiger Alkylirungen löst man die berechnete Menge
Natrium in 10—12 Th. absolutem Alkohol, fligt zu der Natrium&thylatlösung nach dem
Erkalten den Acetessigester und das Halogenalkyl zu und digerirt bis zum Aufhören
der alkalischen Reaction. Man destillirt darauf den Alkohol grösstentheils ab, scheidet
aus dem Rückstand den Alkylacetessigester durch Wasser ab und rectificirt letzteren
eventuell. Ueber die Geschwindigkeit der Reaction, sowie allgemeinere Bemer-
kungen über ihren Verlauf vgl. Conead u. Brücki^bb^
Dass die so entstehenden Verbindungen wahre Homologe des
Acetessigesters sind, deren Alkylrest an Kohlenstoff gebunden ist, ergiebt
sich unzweideutig aus ihren Spaltungen. Sie erleiden durch Kochen mit
verdünnten Säuren oder verdünnten Alkalien die „Ketonspaltung" (S. 385
bis 386, 962) und liefern dadurch Homologe des Acetons, z. B.:
CH,.C0.CH(CH3).C04.C,H5 + H^O = CHj-COCH^CH,) + CO, + C.H^OH;
* Bdchka, Ber. 18, 2090 (1885). — Dblislb, Ber. 20, 2008 (1887); 22, 306
(1889). — ScHüNBBODT, Auu. 258, 197 (1889). — Buchka u. Spraque, Ber. 22, 2541
(1889). — Michaelis u. Philips, Ber. 23, 559 (1890).
» Vgl. Wedel, Ann. 219, 101 (1888). — Schönbbodt, Ann. 253, 205 (1889).
"• Conrad u. Limfach, Ann. 192, 153 (1878).
* Ztechr. f. physik. Chem. 7, 283 (1891).
des Äcetessigesiers. 969
durch concentrirte Alkalien wird daneben die zur Bildung von Essig-
säurehomologen führend© „Säurespaltung" (S. 307 — 308, 962) bewirkt, z. B. :
CH,.CO.qCH3),.CO,.C2H5 + 2H,0 = CHj.COOH + CH(CHsl,.CO,H + CgH^OH.
Die Ausbildung dieser und ähnlicher „Acetessigestersynthesen" und
Spaltungen, die zuerst von Fbankland und Düppa ^ ausgeführt wurden,
und den Einblick in ihren Verlauf verdanken wir vor Allem den Unter-
suchungen, welche J. Wislicenus * theils selbst anstellte, theils anregte.
Die Homologen der freien Acetessigsäure' werden aus den Estern durch
vorsichtige Verseifiing in der S. 960 — 961 beschriebenen Weise gewonnen. Die Di-
rne thylacetessigsäure konnte in Krjstallen erhalten werden, die aber in fort-
währender Zersetzung zu Kohlensäure und Isopropylmethylketon begriffen sind. Die
Diäthjlacetessigsäure ist verh<nissmässig beständig, so dass ihr Bariumsalz
durch Eindunsten seiner Lösung bei gewöhnlicher Temperatur ohne Zersetzung in
Eürystallen von der Zusammensetzung [CH, • CO • (XCsHs), • COalgBa + 2H,0 erhalten
werden kann.
Ueber Einwirkung von nascirendem Wasserstoff auf homologe Acet-
essigester (Reduction zu Homologen der /S-Oxybuttersäure) vgl. S. 759,
über Einwirkung von Cyanwasserstoff S. 798 — 799; die Einwirkung der
salpetrigen Säure auf die ifreien Säuren vgl. S. 848 — 849, 851, auf die
Ester S. 956.
Wässriges Ammoniak ^ wirkt auf Monalkylacetessigester in zweierlei
Sichtung; theils wird das entsprechende Säureamid, theils der Ester
einer Amidoalkylcrotonsäure gebildet, z. B.:
CH,.C0.CH(CH,).C0j.C2Hg + NH, = CH.COCHj.CONH, + CjHßOH
CH,.C0.CH(CH,).C0,.C,H5 + NHg = CHa-CCNH,): 0(CH,).C0,.C,H8 + H,0.
Auf Diäthylacetessigester wirkt trockenes Ammoniak und Ammoniak-
flüssigkeit nicht ein.
Wie der Acetessigester selbst, so können auch seine Homologen
leicht chlorirt und bromirt werden. Sehr eigenthümlich und noch un-
erklärt sind einige Zersetzungen, welche die Bromderivate der Monalkyl-
acetessigester erleiden*. Aus den Monobromderivaten entsteht durch
Abspaltung vom Bromäthyl — schon beim Erwärmen für sich oder mit
Wasser — eine mit der Tetrinsäure CgH^Oj beginnende Reihe von
Säuren :
C,H„BrOs - CH^Br = C^HeO,
Brommethylacetessigester Tetrinsäure,
* Ann. 135, 217 (1865); 138, 204, 328 (1865).
" Ann. 186, 161 (1877); 190, 257 (1877).
* CsRESOLE, Ber. 16, 1874 (1882).
* IsfiEBT, Ann. 234, 170 (1886). — Pbtbbs, Ber. 20, 3318 (1887). Ann. 267,
339 (1890). ^
* Demae^ay, Ann. eh. [5] 20, 433 (1880). Bull. 33, 516 (1880). — Pawlow,
Ber. 16, 486, 1871 (1883); 18o, 182 (1885). — Fitfig, Ber. 16, 1940 (1883). —
Michael, J. pr. [2] 37, 503 (1888). — Moscheles u. Cornelius, Ber. 21, 2603 (1888);
22, 243 (1889). — Wolff, Ann. 260, 87 (1890). — Walden, Ber. 24, 2025 (1891).
— Fbebb, Ber. 24 o, 662 (1891).
970 Homologe des Äcetessigesters,
CgHjjBrOj — CjHjBr = G^HgOs
Bromäthylacetessigester Pentinsfiure
etc.,
deren Constitution noch als fraglich bezeichnet werden muss. Aus den
Dibromderivaten entstehen durch Zersetzung mit alkoholischem Kali
Homologe der Fumarsäure (vgl. S. 690 — 691).
Methylacetessigsäurefithylester* CH,C0CH(CHs)C0,.C,H5 siedet b«
186 -8^ besitzt bei 6® das spez. Gew. 1-009 und fSGlrbt sich mit Eisenchlorid tiefblaiL
-Dimethylacetessigsäureäthylester« CHg • CO OCCHj),. CO, -CtHj: Siedepunkt
184^ spec. Gew. bei 16* 0-991. — Aethylacetessigsäure&thylester" CH,-
C0CH(C,H6).C0j.C,H5 siedet bei 198^ spec. Gew. bei 20* 0-980. — Di&thyl-
acetessigsftureathylester* CHj • CO • C{C,Hs), - CO, • C,Ha : Siedepunkt, 218<* spec
Gew. bei 20 <> 0-974.
Für die Gewinnung von Acetessigesterhomologen, welche auch
in die endständige Methylgruppe Alkylreste eingeführt ent-
halten, kann man nicht vom Acetessigster selbst ausgehen; wir besitzen
hierfür andere Methoden.
Ganz analog der Bildung des Acetessigesters selbst ist die Ent-
stehung von „Propionylpropionsäureester^^ durch Einwirkung von metal-
lischem Natrium auf Propionsäureester^:
CH,.CH^.C0,.C,H5 + CH,.C0,.C,H5 - CjHsOH = CH,.CH,.C0.CH.C0,.C,H5
I I
CH3 CH3
Diese Reaction lässt sich indessen nicht allgemein auf die höheren Fett-
säureester ausdehnen^; aus letzteren bilden sich vielmehr vorwiegend
Dialkylester von /S-Oxysäuren, wie z.B. Aethoxycaprylsäureester(CH^)JCH•
CH(0•C2Hß).C(CH3)2•COa•C2Hß aus Isobuttersäureester.
Allgemeiner anwendbar ist das Verfahren, /3-Ketonsäureester mit
Hülfe der schon S. 386 erwähnten Reaction von Eisenchlorid auf Säure-
chloride darzustellen. Wenn man das ursprüngliche Reactionsgemisch
^ Geutheb, Jb. 1866,808. — Isbebt, Ann. 234, 188 (1886). — Rocbleff, Ann.
250, 254 (1890). — Nep, Ann. 266, 90 (1891).
' Fbankland u. Düfpa, Ann. 138, 828 (1865). — Wallach, Ann. 248, 170
(1888). — Hantzsch u. Schipp, Ber. 26, 730 (1892).
' Geutheb, Jb. 1863, 824; 1866, 303. — Fbamklaitd u. Duppa, Ann. 138,
2X5 (1865). — Wislicenus, Ann. 186, 187 (1877). — Conbad u. Livpach, Ann. 192,
155 (1878). — Milleb, Ann. 200, 281 (1880). — Wedel, Ann. 219, 100 (1883). —
Jaxes, Ann. 226, 202 (1884). — Elion, Rec. trav. chim. 3, 281 (1884). — Isbert, Ann.
234, 170 (1886). — Petebs, Ann. 267, 354 (1889). — Nep, Ann. 266, 94 (1891).
— Michael, J. pr. [2] 46, 193 (1892). — Pebkin, Joum. See. 61, 809, 837 (1892).
* Feankland u. Duppa, Ann. 138, 211 (1865). — Wislicenus, Ann. 186, 190
(1877). — CoNBAD u. LiMPACH, Ann. 192, 156, 157 (1878). — James, Ann. 226, 205
(1884); 231, 235 (1885).
* Hantzsch u. Wohlbbück, Ber. 20, 1320 (1887). — Geuther, Ann. 239,
386 (1887).
« Gbeiner, Ztschr. Cham. 1866, 461. — Wohlbbück, Ber. 20, 2332 (1887). —
Bbüooekann, Ann. 246, 129 (1888). — Hantzsch, Ann. 249, 54 (1888).
Propionylpropionsäureester, 971
nicht, wie dort behufs Darstellung der Ketone angegeben ist, mit Wasser
zersetzt, sondern vorsichtig in abgekühlten, absoluten Alkohol giesst, so
erhält man j9-Ketonsäureester ^, z. B.:
CH..CH,.C0.CH.C0.C1 CH.CHjCO.CH.COO.C.Hb
I + CjHjOH = j • + HCl.
CH3 CH3
Femer ist hier an die schon S. 299 — 300 besprochene Bildung von
Imidonitrilen der /9-Ketonsäuren, z.B. CH3-CH3-C(:NH)-CH(CHg)-CN,
durch Polymerisation der Alkylcyanide zu erinnern^. Durch Einwirkung
von Chlorwasserstoff in alkoholischer Lösung werden diese Imidonitrile
in /J-Ketonsäureester verwandelt*.
Propionylpropions&ureester* CH, • CH, • CO • CH(CHs) • CO, • C,!!« (a-y-Di-
methylacetessigester) siedet bei 196 — 197^, besitzt bei 15^ das spec. Gew. 0-987,
riecht angenehm und giebt mit Eisenchlorid keine Färbung. Er wird durch Natron-
lauge in Diäthylketon, Kohlensäure und Alkohol („Ketonspaltung**) , durch Erhitzen
mit Natriumalkohat in Propionsäureester („Säurespaltung^^ gespalten. Ein Wasserstoff-
atom kann gegen Natrium und Alkyl ausgetauscht werden. Durch Reduction mit
Natriumamalgam liefert er eine Methyloxyvaleriansäure CHj-CHi* CH(OH) '011(0113) •
COtH, welche durch weitere Reduction mit Jodwasserstoff in Methylpropylessigsfture
CH,.CH,.CH,.CH(CH8).C0,H übergeht. Durch Einwirkung von salpetriger Säure
liefert er o-Oximidopropionsäureester CHj.C( :N-OH).C08-C8H5 (vgl. S. 960). Aus
diesen Umsetzungen ergiebt sich seine Analogie mit dem Acetessigester und seine
Constitution. — Das Imidonitril der Propionylpropion8äure'CH,'CHt*C(:NH)-
CH(CHs)-CN (dimoleculares Cyanäthyl) schmilzt bei 47 — 48<> und siedet
bei 258<>.
3. ^'-Ketonsäuren.
y-Ketonsäuren können synthetisch nach folgenden Methoden ge-
wonnen werden:
1. Combination von Acetessigester oder seinen Monalkylderivaten
mit a-halogenirten Säureestern und Ketonspaltung der dadurch ent-
standenen Ketodicarbonsäureester®, z. B.:
CH, . CO . CHNa • CO, • CHj CH, • CO • CH • CO, • C^Hj
+ CH.CI.CO..C.H. =NaCH- iH..CO,.C.H.'
CH,.C0.CH.C0,.C,H5 CH.COCH,
I +2H,0= I +C0, + 2C,H5.0H.
CHjCCjCA CH,.CO,H
2. Addition voji Brom an /S-y- oder /-J- ungesättigte Säuren und
Zersetzung der entstandenen Dibromsäuren durch Kochen mit Wasser
^ Hamoket, Bull. [3] 2, 334 (1889).
• Vgl. E. V. Meter, J. pr. [2] 87, 411 (1888); 38, 336 (1888).
» BouvEAULT, Compt. rend. lU, 531 (1890). Bull. [3J 4, 637 (1890).
* Hellon u. Oppenheim, Ber. 10, 700 (1877). — Israel, Ann. 231, 197 (1885). —
HA1IT28CH u. WoHLBKücK, Bcr. 20, 1320 (1887). — PiNQEL, Ann. 246, 84 (1888). —
Hamonbt, Bull. [3] 2, 338 (1889).
* E. V. Mfteb, J. pr. [2] 37, 411 (1888). — Bures, J. pr. [2] 43, 406 (1891);
47, 105 (1893).
• Vgl. Bischopf, Ann. 206, 313 (1879j.
972 y - Ketonsäuren,
oder iu schwach alkalischer Lösung^; es entstehen hierbei zunächst
Bromlactone, z. B. :
CH, . CHj . CH : CH . CH, . CO,H + Br, = CH, • CH, -OHBr • CHBr- CH, • CO,H
= CHg'GIli •CIi*CHBr<CMj
I I +HBr,
0 CO
welche dann der Hauptmenge nach in Oxylactone:
CH,.CH,.CH.CHBr.CH, CH3.CH,.CH.CH(0H).CH,
I I +H,0 = I
0 CO 0
L +H,0 = 1 I +HBr
übergehen, zum Theil aber infolge der Reactionen:
CHs-CHj.CH.CHBr.CH, CH,.CH,.C rCH-CH,
I I - HBr = I I (vgl. S. 789)
0 CO 0 CO
CH,.CH,.C:CH.CH,
I I +HjO = CH,.CH,.C(OH):CH.CHj.CO,H
0 CO
= CHa.CH,.CO.CHj.CH,.CO,H
y-Ketonsäuren liefern.
Die ;^-Ketonsäuren zeigen im Gegensatz zu den /3-£eton-
säuren (vgl. S. 960) keine Neigung, die Carboxylgruppe abzu-
spalten; sie sind in freiem Zustand so beständig, dass sie
unzersetzt destillirt werden können.
Wenn man sie aber längere Zeit im Sieden erhält, so erleiden sie
Wasserabspaltung und gehen in ungesättigte Lactone (S. 789) über^, z. B.:
CH,.CO.CH,.CH,.CO,H
= CH,.C(OH):CH.CH,.CO,H oder CH,:C(OH).CH,.CH,.CO,H
= HjO + CH,.C:CH.CH, ^ CH, : C-CHj-CH,
I I oder I I .
0 CO 0 CO
Durch Reduction mit Natriumamalgam liefern sie ^'-Oxysäuren bezw.
^'-Lactone (S. 761), durch Oxydation mit Salpetersäure' Bemsteinsäure
bezw. homologe Bernsteinsäuren.
Die Natur dieser Säuren als Ketonsäuren ist nicht unbestritten;
nach Bbedt * wären sie yielmehr als Oxy-^'-Lactone aufzufassen, z. B. :
CH^ • C • CHg " CHj CH3 • CO • Cxi} • CH)
/[ I statt I ;
OHÖ CO COOK
Näheres über diese Frage vgl. S. 974 bei Lävulinsäure.
LäYttlln8äureCßH803 = CH3-CO-CH,-CH3COaH(/?-Acetopropion-
» FiTTiG, Ann. 268, 55 (1891).
' WoLFF, Ann. 229, 249 (1885). — Thobne, Ber. 18, 2268 (1885)u — Vgl «ich
Bischoff, Ber. 28, 621 (1890).
* ToLLEKS, Ann. 206, 257 (1881). — Bischoff, ebenda, 826, 835.
* Ann. 236, 225 (1886); 256, 314 (1890). — Vgl. dagegen Miohabl, J. pr. [2;;
37, 480 (1838); 44, 124 (1891). — Pebkin, Joum. 80c 61, 811, 838 (1892).
Lävulinsäure, 973
säure) ist der Prototyp der y-Ketonsäuren. Sie ist von Noeldecke^
entdeckt, von Tollens* besonders eingehend untersucht. Sie entsteht,
wie ToLLENS fand, aus Hexosen (besonders leicht aus cZ-Fructose (Lävulose),
daher der Name Lävulinsäure) und demnach auch aus Polysacchariden,
welche bei der hydrolytischen Spaltung Hexosen liefern, durch Kochen
mit verdünnten Säuren (vgl. S. 895). Diese Bildung* ist so allgemein, dass
die Entstehung der Lävulinsäure in dieser Reaction als Reagens auf die
Zugehörigkeit eines Kohlenhydrats zur Hexosegruppe benutzt werden
kann. Man bedient sich dieses merkwürdigen und in seinem Verlauf
schwer erklärbaren Processes auch am besten zur Darstellung der Lä-
vulinsäure.
Darstellung^: 8 kg gepulverte Kartoffelstärke werden in 3 Liter Salzsäure
(spec. Gew. 1 • 1) auf dem Wasserbade unter Umrühren eingetragen, bis alles ^u einem
dünnen Syrup gelöst ist, der nun unter Rückfluss 20 Stunden im stark kochenden
Waaserbade erwärmt wird. Man presst darauf von der ausgeschiedenen Huminsubstanz
ab und destillirt aus der abgepressten Flüssigkeit im Wasserbade und unter vermin-
dertem Druck das Wasser, die Salzsäure und Ameisensäure ab. Der rückständige
Syrup wird dann aus dem Oelbade im Vacuum destillirt und liefert etwa 890 g
krystallisirte Lävulinsäure.
Lävulinsäure bildet harte strahlige oder blättrige Krystalle, schmilzt
bei + 33-5**, siedet bei rascher Destillation unter nur geringer Zersetzung
bei 250^^ besitzt bei 20^ in überschmolzenem Zustand das specifische
Gewicht* 1-189 und ist in Wasser leicht löslich.
Lävulinsäure ist synthetisch® nach Bildungsweise 1. (vgl. S. 971 die
Gleichungen) und Bildungsweise 2. (aus Allylessigsäure CH^iCH-CHj-
CHj-COjH) gewonnen worden. Diese Bildungen, ferner ihre Ueberführ-
barkeit durch Keduction^ in Valerolacton und normale Valeriansäure,
durch Oxydation in Bemsteinsäure beweisen, dass sie normale Structur
besitzt, und dass das ;^-Kohlenstoffatom (zur Carboxylgruppe) mit Sauer-
stoff verbunden ist.
Da die Lävulinsäure zu den allgemeinen Reactionen der Carbonyl-
verbindungen — Bildung eines Oxims (vgl. S. 975), Hydrazons, Cyan-
hydrins, Mercaptols ® — sich befähigt erweist, so liegt es am nächsten, sie
der Formel CHgCO-CHg-CHj-COall entsprechend als Ketonsäure auf-
zufassen.
^ Ann. 149, 224 (1868).
* Gbotb u. Tolleks, Ann. 176, 181 (1874). — Grote, Kehreb u. Tollens, Ann.
206, 207, 226, 233, 257 (1881). — Tollens, Ber. 14, 1950 (1881). — Kent u.Tollens.
Ann. 227, 227 (1884). — Block, Kbekeleb u. Tolleks, Ann. 288, 287 (1886). —
Wehmeb u. Tollens, Ann. 243, 814 (1887).
» Vgl. auch Bente, Ber. 8, 416 (1875); 0, II57 (1876). — Conrad u. Guthzeit,
Ber. 18, 439 (1885).
* RiscHBiETH, Ber. 20, 1773 (1887). * Perkin, Journ. Soc. 61, 838 (1892).
• NöLDECKE, Ann. 149, 228 (1868). — Conrad, Ann. 188, 222 (1877). Ber. 11,
2177 (1878). — FiTTio u. ürban, Ann. 268, 65 (1891).
^ PrmG u. L. WoLPF, Ann. 208, 104 (1881).
• Vgl. BoNQARTZ, Ber. 21, 485 (1888).
974 Constitution der LävtUinsäure,
Nun entsteht aber durch Einwirkung von fissigsäureanhydrid auf fireie Lfivuhn-
säure (schon beim Stehenlassen), femer durch Umsetzung zwischen Ifivulinsanrem
Silber und Acetylchlorid die ,,Acet7llävulins&ure"^ — eine Verbindung, welche
bei 78—79® schmilzt und bei höherem Erhitzen in Essigsäure und die Angelica-
lactone (S. 789) gespalten wird; da diese Verbindung aus heissem Alkohol nnrer-
ftndert umkrystallisirt werden kann, so ist es nicht wahrscheinlich, dass sie ein ge-
mischtes Säureanhydrid (vgl. S. 853):
CHs.CO.CHj.CHj.CO.O.CO.CH,
ist; vielmehr passt sich ihrem Verhalten besser die Structurformel:
Cii| * C * CHf ■ GH]
C,H,0.0 0 CO
an, welche durch einige andere Bild ungs weisen derselben Substanz fast anzweifeOuift
festgestellt ist; sie bildet sich nämlich auch aus Angelicalacton (S. 789) durch
directe Fixirung von Essigsäure, femer aus dem durch Anlagerung von Chlorwasser-
stoff an Angelicalacton entstehenden ^-Chlorvalerolacton (Lävulinsfturechlorid), das
auch durch Einwirkung von Acetylchlorid auf Lävulinsäure erhalten wird, durch
Umsetzung mit Silberacetat:
CIIs'C : CH'CHj Cxl3»C"CHj|'CIIj CH3 * C « CH^ • CH^
o CO dl 0 — CO CjHjO.o 0 CO*
Ihre Entstehung aus Lävulinsäure wäre daher am einfEU^hsten zu deuten, wenn man
für Lävulinsäure sowie ihr Silbersalz die Formeln:
CM3 • C • CH] • CHj CH3 • C • CHj * CH)
(5h 0 CO AgO 0 CO
acceptirte, mit denen die übrigen Umsetzungen der Lävulinsäure auch ziemlich gut
in Einklang gebracht werden können. Bedenklich, wenn auch vielleicht nicht ganz
ohne Analogie, erscheint nur dabei, dass die Säurenatur der Lävulinsäure durch eine
alkoholische Hydroxylgruppe bedingt sein soll. Uebrigens lassen sich die Bildungs-
reactionen der Acetylverbindung aus Lävulinsäure auch mit der Ketonsäurefbnnel
der Lävulinsäure ungezwungen erklären:
1. CH,.C0.CH4.CH,.C0.0H+(CH3.C0),0 = CH,.C.CH8CH,.C0.0H
C,HjO-0 O.CjHjO
CI13 • C • CHji • CHj
/\ I +C,H30.0tt
C,H30.0 0 CO
2. CH8.C0.CH,.CH,.C0.0Ag-f.CH3.C0Cl = CHj.C.CHs.CHj.COOAg
CjHjO.O Cl
CH3 • C • Cof • CHi
C,H,0.0 0 CO
3. CH8.CO.CH,.CH3.CO.OH + CH3.CO.Cl= CH3.C.CH,.CH,.C0.0H
(A
n o.c,H,o
= CH3 • C • CH3 • CH3
di'
/\ \ + C3H300H ,
0 CO
^ Bredt, Ann. 236, 225 (1886); 266, 814 (1890). — Autbkbibth, Ber. 20,8191
(1887). — Vgl. auch MAONANnn, Ber. 21, 1523 (1888).
Salxe, Derivate, Homologe der LäviUinsäure. 975
Cxi3 • C • CHi • CH^ CHj • C • CHj • GH|
y\ I + CHj.cooAg = Agci + y\ \ . .
Gl 0 — CO C,H,0.0 0 CO
Die für die Entstehung des sogenannten Lävulins&urechlorids (Chlorvalerolacton)
aus Lftyulinsfture und Acetylchlorid unter 3. gegebene Gleichung dürfte sogar plau-
sibler sein, als die bei Annahme der Lactonformel sich ergebende Bildungsgleichung:
GHg • G • GH| • GH| GH3 • G • CHi • CHj
im letzteren Falle sollte man viel eher eine Wirkung des Acetjlchlorids im Sinne
der Gleichung:
CH3 • C • GH] • Gxii GH3 • G • GH3 • Gxij
^^^^ I + C,H,0.G1 = y\ I + HCl
OH 0— CO C^HaOO 0 CO
erwarten. Es scheint demnach kaum angezeigt, die Ketonsftureformel zu Gunsten
der Oxylactonformel fallen zu lassen.
Unter den Salzen der Lävulinsäure ist namentlich das Silbersalz CsHrOgAg
charakteristisch, das aus kochendem Wasser in ausgefranzten Blättchen krystallisirt.
Zum Nachweis der Lävulinsäure eignet sich femer die durch Bromirung in Ghloro-
formlosung aus LäTulinsäure entstehende Dibromlävulinsäure^ CsH^Br^Og, welche
farblose Nadeln vom Schmelzpunkt 114 — 115* bildet. — Lävulinsäureäthyl-
ester' G5H7O3.G3H5 siedet bei 208—2040, besitzt bei 20<^ das spec. Gew. 1-016 und
ist in Wasser leicht löslich. — Das Oxim der Lävulinsäure' CHg-CONOH)'
CHs-GHs-COsH (T'-Isonitrosovaleriansäure) schmilzt bei 95 — 96®, ist in Wasser
leicht löslich und wird durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure in Methjl-
CH,-GOv
sucdnimid 1 ^N-CH« verwandelt (BscKMANM'sche Umlagerung, vgl. S. 391);
CHj-CO-^
K = 0-0023. — lieber Einwirkung von salpetriger Säure ^ und von Phosphorpen ta-
chlorid^ auf Lävulinsäure vgl. die Originalliteratur.
Homologe der LMyiilinsXiire. a-Methjllävulinsäure* GH3-GOGH3CH
(GHs)-G03H (nach Methode 1 [S. 971] durch Combination von Acetessigester mit
a-Brompropionsäureester) siedet bei 247— 248^ ^-Methyllävulinsäure' CH3'C0-
GH(CH3)*GH,-C0sH (durch Methylirung von Acetbemsteinsäureester (vgl. S. 985—986)
und darauffolgende Ketonspaltung) siedet bei 242° und erstarrt bei — 12° krystallinisch.
^-Methyllävulinsäure» CHj • GH, • CO • GH3 • GH« • CO3H (aus Hydrosorbinsäure,
* Vgl. WoLFF, Ann. 220, 266 Anm. (1885); 260, 80 (1890).
* Conrad, Ann. 188, 225 (1877). — Grote, Kehrbb u. Tollens, Ann. 206, 221
(1881). — Neugebauer, Ann. 227, 100 (1883). — Michael, J. pr. [2] 44, 114 (1891).
— Weoscheider, Monatsh. 13, 266 (1892).
* Müller, Ber. 16, 1617 (1883). — Rischbibtb, Ber. 20, 2669 (1887). — Bredt
n. BoEDDiHOHAUs, Ann. 261, 816 (1889). — Dollfus, Ber. 26, 1927, 1980 (1892). —
Michael, J. pr. [2] 44, 116 (1891). — Hantzsch u. Miolati, Ztschr. f. phjsik. Ghem.
10, 23 (1892).
* Hantzsch u. Wohlbrück, Ber. 20, 1323 (1887).
* Seissl, Ann. 249, 278 (1888).
* Bischoff, Ann. 206, 321 (1879). — Zelinskt, Ber. 20, 2017 (1887). — Zanettj,
Ber. 24o, 649 (1891).
' Bisoboff, Ann. 206, 332 (1879). — Grunewald, Ber. 20, 2585 (1887).
^ FiTTiG u. Hillert, Ann. 268, 69 (1891).
976 ä'Ketonsäuren.
Bildungsgleichung s. S. 972) schmilzt bei 32 — 33^ — oa-Dimethyl-lÄyulin-
säure* CHj . CO • CH, • C(CH,), • CO,H (Mesitonsäure) entsteht neben anderen
Verbindungen durch Einwirkung von Cyankaiium auf die S. 411 erwfthnten chlor-
haltigen Produkte der Condensation des Acetons durch Salzsäure:
(CHJjCO + CHsCOCH, + HCl = (CH,),CC1.CH,.C0CH, + H,0,
(CH3),CC1 . CH, . CO • CHg + KCN = (CH,),C(CN) - CH, • CO - CH, + KCl ,
(CH,),C{CN)-CH,.C0.CH8 + 2H,0 = (CH3),C(C0,H) • CH, • CO • CH, + NH,.
Sie schmilzt bei 74°, siedet unter 15' mm Druck bei 138°, giebt durch Oxydation
Dimethjlmalonsfture, durch Erhitzen Dimethylangelicalacton (vgl. S. 789). — a-Aethjl-
IftvulinsÄure" CHg.C0CH,.CH(C,H5)-C0jH ist durch Combination von Acetessig-
ester mit a-Brombuttersftureester (vgl. Methode 1 auf S. 971) erhalten.
4. J-Ketonsäuren etc.
d-Ketonsfiuren* werden durch Combination von Acetessigester oder seinen
Monalkylderivaten mit |?- Jodpropionsäureester und darauffolgende Ketonspaltong ge-
wonnen (vgl. S. 765). — Die /-Acetobuttersänre, CeHioOj = CHj.CO-CH,.(^-
CHs-CO,H (einfachste ^-KetonsÄure), schmilzt bei + 13°, siedet bei 274—275° und rieht
aus der Luft begierig Wasser an, um ein bei 35 — 36° schmelzendes Hjdrat Cßifi^
zu bilden, das über Schwefelsäure sein Wasser wieder abgiebt — Interessant ist die
Bildung eines Chlorderivats dieser Säure aus einem Benzolderivat, dem Besorcin:
.C(OH).
Ck CH
(:h c(OH)'
"^CH^
durch fortgesetzte Chlorirung kann letzteres in HeptachlOrresorcin (Heptachlor-
diketo-hezamethjlen) :
CCl, — CO — CCl,
CHCi-cci,— (io
übergeführt werden, welches nun durch Einwirkung von unterchloriger Säure die
Octochlor-y-Acetobuttersäure*:
CCl, . CO . CCl, Cl CCl, . CO . CClg
CHC1.CC1,.CJ0 C)H ~ CJHCi.CCl^.CO.OH
liefert; diese Säure bildet dicke, farblose Nadeln, schmilzt bei 189 — 140°, wird dnrch
kalte Sodalösung in Chloroform und Pentachlorglutarsäure COiH-CCls*CHCl*CXnt'
CO{H gespalten, durch Kochen mit Wasser in Tetrachlordiketopentamethjlen (vgl
S. 980) verwandelt:
CCl, . CO . CCl, CCl.COv
I + H,0 = CO, + 4HC1 + U >CC1,.
CHCl . CCl, . CO,H CCl . C(K
* Pinner, Ber. 14, 1072 (1881); 15, 578 (1882). — Anschütz u. Gillet, Ann.
247, 99 (1888). — Weidel u. Hoppe, Monatsh. 13, 610 (1892).
• Thorne, Joum. Soc. 39, 340 (1881). — PnnG u. Youno, Ann. 216, 89 (1S821
» Frrna u. Wolpp, Ann. 216, 129 (1882). — Frmo u. Christ, Ann. 268,
113 (1891).
^ ZiNCKE u. Rabinowitsch , Bcr. 24, 913 (1891). — Zingke u. v. Lohb, Ber. 26,
2219 (1892).
GlyoxcUcarbonsäure, Diketobuttersäure, 977
Säuren, welche zwischen die Carbonylgruppe und Carboxylgruppe noch mehr
als drei Zwischenglieder eingeschaltet enthalten, sind mit Hülfe von Acetessigester-
synthesen (vgl. z. B. S. 994) erhalten worden ^
B. O^esättlgte einbasische Ketoiisäuren bezw. Eetoaldehydsänren
mit mehreren Carbonylgruppen.
Die denkbar einfachste hierher gehörige Substanz — die GljoxalearbonsMnre
OHO'CHO*COsH — ist als solche allerdings nicht bekannt, wohl aber als Diozim
CH(:N-OH).C(:NOH).CO,H (Dioximidopropions&ure»), welches aus Dibrom-
brenztraubensäure CHBr« • CO • COsH durch Einwirkung von Hydroxylamin entsteht.
Dasselbe ist in zwei stereoisomeren Formen (vgl. Chlorglyozime S. 866) erhalten,
deren eine bei 141—143^ schmilzt, in Wasser leicht löslich ist, die Dissociations-
eonstante K = 0*4174 besitzt und durch Behandlung mit Salzsäure oder auch durch
spontane Umlagerung in die zweite, bei 172° schmelzende, weniger lösliche Modification
(K = 0*285) übergeht; beide Modificationen geben mit Eisenchlorid eine intensiv blut-
rothe Färbung.
Auch die sich daran anschliessende Methylglyoxalearbonstture CHs-CO'OO*
CO,H (Diketobuttersäure) ist nur in Form der Oxime:
CH3.C0.0(:N.0H).C0,H und CH8.C(:N.0H).C(:N.0H).C0,H
bekannt Der Aethylester des Monoxims CHjCOCXrNOEO.COjCjHj ist der
sogenannte Isonitrosoacetessigester^ welcher aus Acetessigester durch Ein-
wirkung von salpetriger Säure entsteht:
CH,.C0.CH,.C0,.C,H6 + NO. OH = CH3.C0.C(:N.0H).C0,.C,H, + H,0,
aus Chloroform in farblosen, glasglänzenden Säulen krystallisirt, bei 52 — 54°
schmilzt, in Alkohol, Aether, Chloroform leicht, in Wasser schwieriger löslich ist
lind sich in Alkalien mit intensiv gelber Farbe löst (vgl. S. 850). Durch Ein-
wirkung von Hydroxylamin liefert er einen Diisonitrosobuttersäureester^
CH,-C(:NOH).C(:NOH).COs.C,Hß(Methylglyoximcarbonsäureester), welcher
aus Aether in weissen Nadeln krystaHisiii:, bei 115° sich röthlich ^bt, bei 142°
unter Gasentwickelung schmilzt, mit Alkalien sich nicht förbt, in ammoniakalischer
Lösung mit Kupferacetat eine grüne Fällung liefert; dieser Methyl-syn-glyoxim-
carbonsäureester kann durch Natronlauge zu der entsprechenden Säure verseift
werden und wird durch Behandlung mit Salzsäuregas in ätherischer Lösung in eine
stereoisomere Modification — den Methylamphiglyoximcarbonsäureester —
verwandelt, welche bei 132° schmilzt, mit Kupferacetat weder eine Fällung noch
eine Färbung liefert und durch Lösen in Aetznatron wieder in den ursprünglichen
Ester umgewandelt wird. Ueber ähnliche Isomerieverhältnisse vgl. S. 866. Die Diiso-
nitrosobuttersäure wird von kalter Salpetersäure zu dem Hyperoxyd^:
* KiPPiNG u. Perkin jun., Journ. Soc. 66, 338 (1889); 67, 36 (1890J. — Pebkix
Jan., Journ. Soc. 67, 230 (1890). — Kipping u. Mackenzie, Ber. 24o, 729 (1891).
* SöDEBBAUM, Ber. 26, 904 (1892). — Hantzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik.
Chem. 10, 25 (1892).
» V. Meyer, Ber. 10, 2077 (1877). — V. Meter u. ZOblin, Ber. 11, 320 (1878).
— Wleüqel, Ber. 16, 1050 (1882). — Ceresole, ebenda, 1326. — Knorb, Ber. 17,
1641 (1884). ~ Lahg, Ber. 20, 1327 (1887).
* Cebesole u. Koeckert, Ber. 17, 821 (1884). — Nussberger, Ber. 26, 2142,
2152 (1892). — Hantzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 27 (1892).
* Amoeli, Ber. 26, 594 (1893).
V. UxYER u. Jacobson, org. Chem. I. ^'-
978 Diacetylcarbonsäure, Glyoxylpropionsäure, Acetbre?ix4rauben8äure.
CH«— C — C~CO,H
P I'
N N
Ö — Ö
oxydirt, welches farblose Tafeln bildet, wasserfrei bei 92^ schmilzt und in Wasser
sehr leicht löslich ist.
Die BiaeetylearbonsXiire CH,«COCOCHsCO,H (DiketovaleriansSurei
ist ebenfialls nur als Oxim bekannt. Ihr Monozim^ CHa-OOC(:N*OH)*OU,-G0,H
(Isonitrosolftvulinsäure) entsteht durch Einwirkung von salpetriger Säure aat
Acetbemsteinsäure (vgl. S. 985—986):
CHgCOCHCOjH CHaCOC-.N.OH
I + NO. OH = I + CO, + H,0,
CH,.CO,H CH,.CO,H
bildet weisse Kry stalle, welche sich bei 110*^ brfinnen und bei 119® unter Zerfall in
Kohlensäure und Diacetylmonozim schmelzen, löst sich in Alkalien mit gelber Farbe
und liefert durch Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure Diacetyl.
Isomer mit der Diacetylcarbonsäure ist die GlyoxylpropionsSiire' CHO-CO-
CHj-CHs'COtH, welche aus Dibromlävulinsäure (S. 975) durch Kochen mit Wasser
als Hauptprodukt neben kleinen Mengen von Kohlensäure und Diacetyl entsteht.
Die Dibromlävulinsäure besitzt wahrscheinlich die Structur CH,*CO-CBr,-CH,-CO|H,
ihr Uebergang in Qlyoxylpropionsäure ist vielleicht durch die vorübergehende Bildang
eines Trimethylenderivats zu erklären:
COv COv
I \CBr,.CH,.CO,H- 2HBr = [ ^CCH^COgH.
CH, CH^
C0\ . CO.
I p^CCHj.COjH + HjO = I ^CH,.CH,.CO,H.
CH' CHO
Die Glyoxylpropionsäure selbst ist als firnissartige Masse erhalten; ihre Constitution
ergiebt sich aus dem glatten Uebergang in Bemsteinsäure durch Oxydation und aas
der üeberführbarkeit in ein Dioxim CH(:N-OH).C{:N.OH).CH,.CH,.CO,H (Diiso-
nitrosovaleriansäure); letzteres schmilzt bei 136® und liefert durch Behandloog
mit concentripter Schwefelsäure ein inneres Anhydrid:
CH=Nv
ij>0 (Purazanpropionsäure, vgl. auch S. 983, 9891
Als dritte isomere Säure CsHqO« ist die AcetbrenztraubensSure' CH, -GO-
CH,-CO- CO,H anzuführen. Ihr Aethylester entsteht durch CondenaaÜon von
Aceton mit Oxalester in Gegenwart von Natriumäthylat:
CH3CO.CH, + C2H5.0.CO.CO.O.C,Hß = CH,.C0.CH2.C0.C0,.C,H, + C,H,.OH.
siedet bei 213 — 215^, besitzt bei 20^ das spec. Gew. 1-128, erstarrt in der Kälte zu einer
bei 18^ wieder schmelzenden krystallinischen Masse und liefert Metall Verbindungen.
Biaeetjlessigrsäiire^ (CH3-CO)jCH-C04H (Acetylacetoncarbonsäure) ent-
* Thal, Ber. 25, 1719 (1892). * Wolpp, Ann. 260, 79 (1890).
» Claisen u. Stylos, Ber. 20, 2189 (1887); 21, 1141 (1888). — Fahhwebss
Höchst a/M., Ber. 21o, 679 (1888). — Claisen, Ber. 22, 3271 (1889); 24, 128 (18dU
— Perkin, Joum Soc. 61, 820, 853 (1892).
^ Jakes, Ann. 226, 210 (1884). — Eliok, Rec. trav. diim. 2, 38, 202 (1883);
3, 248 (1884). — Gustavson, J. pr. [2] 37, 108 (1888). — v. Pecbmakii, Ber. 85, 1047
(1892). — Perkin, Joum. Soc. 61, 823, 854 (1892).
Diaceiyl' und Triaeetyl-essigsäure, AUyl- und Diallyl-acetessigester. 979
steht in Form ihres Aethylesters durch Einwirkung von Acetylchlorid auf Natracet-
essigester:
(CH3.CO)CHNa.CO,.CjH5 + CHjCOCl = (CH,.CO),CH.CO,.C3H5 + NaCl,
femer aus dem S. 853 erwähnten Reactionsprodnkt von Aluminiumchlorid auf Acetyl-
chlorid durch Zersetzung mit Alkohol. Der Aethylester siedet unter geringer
Zersetzung bei etwa 210 ^ besitzt bei 20^ das spec. Gkw. 1*095, riecht angenehm
und ist eine starke Säure, die Acetate zersetzt; sein Rupfersalz ist wasserhaltig
himmelblau, wasserfrei smalteblau und schmilzt bei 148^; durch Wasser wird er bei
gewöhnlicher Temperatur allmählich in Acetessigester und Essigsäure zersetzt.
Während man seine Homologen (CHg ' CO)sCB • CO, • CgH« nicht aus seiner Natrium -
Verbindung durch Umsetzung mit Halogenalkjlen gewinnen kann, lassen sie sich
durch Einwirkung von Acetylchlorid auf die Homologen des Natracetessigesters
darstellen.
Triaeetylessigester^ (CHs-CO),C*COs'C,Hs kann nicht aus der Natriumver-
bindung des Diacetylessigesters durch Einwirkung von Acetylchlorid erhalten werden,
entsteht dagegen neben Diacetylessigester durch Einwirkung von Acetylchlorid auf
Natracet essigester oder besser Kupferacetessigester, femer durch Einwirkung von
Essigsäureanhydrid auf eine alkalisch gehaltene Losung von Acetessigester. Er ist
in Alkalien nicht löslich und siedet unter geringer Zersetzung bei 212 — 214°.
Ueber DiaeetylTalerianstture' und Biaeetyleapronsttiire^ vgl. die Original-
literatnr.
Zu den Diketonsäuren gehört vielleicht auch die S. 519 erwähnte Stearoxyl-
sMure'* und die durch Oxydation von Behenolsäure entstehende DioxjbehenolsXiiTe^
CsjH4q04 .
C. Ungesättigte einbasische Ketons&uren.
Ester von ungesättigten einbasischen Ketonsäuren können aus dem Acetessig-
ester durch Einführung von ungesättigten Radicalen (vgl. S. 968) erhalten werden^,
z. B. AUjIacetessigester CH,:CH.CH,.CH(C0.CH,).C0,.C,H6 (Siedepunkt 206«,
spec. Gew. bei 20 <» 0-982) und BiaUylacctessigester (CH, : CH.CH,),C(CO.CH,).
COj-CjHj (Siedepunkt 289— 241«, spec. Gew. bei 25 <> 0-948). — Eine fernere Bil-
dungsweise besteht in der Condensation von Aldehyden mit Acetessigester', z. B.:
CHa . CHO + CH, - CO, . CA CH, - CH : C - CO, • C.H«
1 +*H,0.
COCHs COCHs
Nach beiden Reactionen erhält man Ketonsäureester, deren doppelte Bindung in
einer Seitenkette, nicht direct zwischen Carbonyl- und Carboxylgruppe sich befindet.
Die|?-Acetakryl8anrc«CH8C0.CH:CH.C0,H ist der einfachste Repräsentant
solcher ungesättigter einbasischer Ketonsäuren, deren Doppelbindung zwischen Car-
bonyl- und Carboxylgruppe eingeschaltet ist. Sie entsteht neben Hydroxylävulin-
^ Nep, Ann. 266, 61, 102 (1891). — v. Pechmann, Ber. 26, 1046 (1892).
• Perkin jun., Joum. Soc. 67, 227 (1890).
• KippiNG u. Pkrkin, Joum. Soc. 65, 333, 345 (1889).
^ OvERBECK, Ann. 140, 63 (1866). — Hazüra u. C^rüssner, Monatsh. 9, 953 (1888).
• Haussknecht, Ann. 143, 46 (1867). — v. Grossmann, Ber. 26, 644 (1893).
» Zeidler, Ann. 187, 33 (1877). — C. Wolpp, Ann. 201, 45 (1880). — O. Hof-
MAMir, ebenda, 73. — James, Ann. 226, 206 (1884).
' Claisek u. Matthews, Ann. 218, 170 (1883).
« WoLFP, Ber. 20, 426 (1887). Ann. 264, 229 (1891). — Hill u. Hendrixson,
Ber. 23, 452 (1890). — Angeu u. Chiussi, Ber. 26, 2205 (1892). — Koenios u. Wao-
STATFE, Ber. 26, 554 (1893).
62*
980 Acetakrylsänre. Acetylcrotonsäure.
Bllure aus Bromlävulinsäure durch Einwirkung von Sodalösnng oder besser durch Er-
hitzen mit Natrinmacetat:
CHaCO.CHBr.CH,.COjH-HBr = CHj-COCH: CH.CO,H,
femer aus Chloralaceton (S. 874) durch Kochen mit verdünnter Sodalösnng, hildet
glänzende Blättchen, schmilzt bei 125^ und liefert mit Barjtwasser Aceton und
Oxalsäure neben einer zweibasischen Säure GeHgOe.
Interessant ist die Bildung von Halogenderivaten der Acetakrjlsäure
aus cyclischen Verbindungen durch Aufspaltung ringförmiger Atomgruppirungen zur
offenen Kette. Als Dibromacetakrylsäure^:
CHaCOCBrrCBrCOsH
ist wahrscheinlich eine Säure aufzufassen, welche aus Tribromthiotolen:
CBi CBr
CH, . C CBr
durch Einwirkung von concentnrter Salpetersäure entsteht — Trichloracetakryl-
säure« CClj • CO • CH :CH. 00,11 (Trichlorphenomalsäure) entsteht neben an-
deren Produkten aus Benzol und aus Benzochinon durch Einwirkung von Ealinm-
chlorat und Schwefelsäure; sie bildet kleine glänzende Blättchen, schmilzt bei 131-
1S2^, riecht angenehm, ist mit Wasserdämpfen flüchtig, in kaltem Wasser schwer,
in heissem leicht löslich, zerföUt beim Erwärmen mit Barytwasser in Chloroform
und MaleSnsäure und addirt Brom (zwei Atome); ihre Bildung ist leicht verständlich,
wenn man sich aus Benzol bezw. Chinon zunächst Monochlorchinon gebildet denkt,
welches dann der Spaltung unter Eliminirung eines Kohlenstoffatoms unterliegt:
.COv ..C0>
m cci OH ca»
II
/«
— ^ 1
OH OH
/ \
CO/ ♦ ^COOH
Chlorbenzochinon Trichloracetakiylsäure.
— Perchloracetakrylsäure« CClg • CO • 001 : 001 • OO^H entsteht als Chlorid ans
dem S. 976 erwähnten Tetrachlordiketopentamethylen (also mittelbar auch aus einem
Benzolderivat, dem Resorcin) durch Einwirkung von Chlor:
CClCOv 001. 00-001,
; >COU + Ol, = :i ;
•t^Cl-CO/ CCI- 0001
aus dem Chlorid erhält man durch Zersetzung mit Wasser die Säure, welche wass«^
frei bei 83—84® schmilzt und durch Alkalien in Chloroform und DichlormaleüiBiure
(S. 737) gespalten wird.
Ohlorderivate der Aeetylerotonsäure « CHj-OOCHjCH : CH.CO,H sind
aus dem Pentachlorresorcin (vgl. S. 976) erhalten worden; z. B. :
* Angeli u. Oiamioian, Ber. 24, 77 (1891).
* Camus, Ann. 142, 129 (1867). — Kkkül6 u. Steboker, Ann. 223, 170 (1884).
— Ansohütz, Ann. 264, 152 (1889).
» ZiNCKE u. v. LoHB, Bcr. 26, 2221, 2227 (1892).
* ZiNCKE u. Rabinowitsch, Bor. 23, 3769, 3779 (1890). — ZnroKB u. Fuchs, Ber.
25, «690,^2694 (1892); 26,498 (1898). — Zinckb u. v. d. Linde, Ber. 26, 319 (1893>
MesQxcUsäure, 98 1
CCl CCl, OCl CHCl,
I { - > \
CH CO CH CO- OH
Gl,
n. Zweibasische Ketonsäuren.
•
Analog der Systematik, welche für die Dicarbonsäuren (Eap. 25 und
26) und die Oxydicarbonsäuren (Eap. 30) festgehalten ist, möge nun
auch ftir die Classificirung der ^^Eetodicarbonsäuren^' die gegenseitige
Stellung der beiden Carboxylgruppen als bestimmend angesehen werden.
A. Ketoderirat« der Malonsftare und der Malonsäurehomologen.
Von der Malonsäure selbst kann man als denkbar einfachste zwei-
basische Eetonsäure die Verbindung
CO,H.CO.CO,H,
aus zwei Carboxylgruppen und einer Carbonylgruppe bestehend, ableiten.
Eine Säure, welche ihren Bildungsweisen und Eeactionen zufolge diese
Formel besitzen könnte, liegt in der Mesoxalsäure vor. Allein es sei
gleich bemerkt, dass diese Säure .weder in freiem Zustand wasserfrei
bekannt ist^ noch auch wasserfreie Salze bildet^. Man fasst daher all-
gemein die Mesoxalsäure als Dioxymalonsäure C02H-C{0H)2-C02H
auf (vgl. S. 793, vgl. femer Chloralhydrat S. 864—865, Glyoxylsäure S.948);
da sie indessen die typischen Reactionen der Carbonylverbindungen zeigt
und einen Ester liefert, der sich von der wasserfreien Säure COjH-CO«
CO,H ableitet, so rechtfertigt sich andererseits ihre Einreihung in die
Gruppe der Eetonsäuren.
Mesoxalsäure CgH^O^ ist von Wöhlbb und Liebig ^ zuerst durch
Spaltung eines Harnsäurederivats — des AUoxans (S. 1078), welches einen
Hamstoffabkömmling der Mesoxalsäure darstellt, — erhalten worden:
.NH-COv /NH, OH-CO>
Co/ ^C(OH), + 2H,0 = CO^ ' + >C(OH),;
^NH-CO/ ^NH, OH-CO/
Alloxan Harnstoff MesozalBäore
die Spaltung des Alloxans durch Baryt bildet auch gegenwärtig die be-
quemste Darstellungsweise ^ der Sß'Ure. Beweisend für ihre Constitution
ist die Bildung aus Dibrombrenztraubensäure durch gelindes Erwärmen
mit Silberoxyd*, wobei letzteres reducirt wird:
CHBr,.CO.CO,H - -^ CHO.CO.CO.H >- CO,H • CO - CO,H,
und aus Dibrommalonsäure* durch Eochen mit Barytwasser. Interessant
* Vgl. Pbtbiefp, Ber. 11, 4U (1878). * Ann. 26, 298 (1838).
* Deichsel, J. pr. 93, 195 (1864). — Böttinoer, Ann. 203, 138 (1880).
* Wichelhaus, Ber. 1, 265 (1868).
» Pctriew, Ber. 7, 402 (1874). — Fbeünd, Ber. 17, 788 (1884).
982 Mesoxalsäure,
ist eine Synthese^ der Mesoxalsäure, bei welcher ihr Eohlenstoffskelett
gewissermassen aus drei einzelnen Kohlenstoffatomen aufgebaut wird;
das aus Anilin und Chloroform entstehende Phenylcarbylamin (vgl.
S. 251—252):
CeHj . NH, + CHCl, - 3 HCl = C^K^ - N-^c/
addirt nämlich Kohlenoxychlorid COClj unter Bildung eines Chlorids, das
beim Zusammenbringen mit Wasser in Mesoxalanilidhydrat übergeht:
C,H5N:C<^ CeHB-NiC/ ^
+ COCl, = \co,
OH
C,H5.N:C<^
CeH^NrlX
>C(OH), + 2 HCl;
m
letzteres wird durch Alkali in Anilin und Mesoxalsäure gespalten:
/OH CO(OH)
CeH5.N:C< CeH,.NH, \
>C(0H), + 2H,0 = + C(OH),;
CeH,.N:C< . CeH^.NH, /
\0H CO(OH)
es ist leicht ersichtlich, dass die drei Kohlenstoffatome aus 2 Molecülen
Chloroform und 1 Mol. Kohlenoxychlorid bei dieser Reactionsfolge die
Baustücke des Mesoxalsäuremolecüls bilden.
Mesoxalsäure bildet prismatische, zerfliessliche Krystalle und schmilzt
bei etwa 108^. Sie reducirt in der Wärme ammoniakalische Silberlösung
unter heftiger Kohlensäureentwicklung. Beim Kochen in wässriger Lösung
wird sie in Kohlensäure und Glyoxylsäure gespalten. Als Keton erweist sie
sich, da sie durch Natriumamalgam zu Tartronsäure reducirt wird, mit
Hydroxylamin ein Oxim (s. S. 983), mit Phenylhydrazin ein Hydrazon liefert
DenAethylester^CaHß.OCOCO-COOCjHß (Ketomalonsäure-
ester), der sich von der wasserfreien Säure ableitet, erhält man aus
dem bei 105^ getrockneten Bariumsalz, wenn man dasselbe mit abso-
lutem Alkohol übergiesst, den Alkohol mit trockenem Chlorwasserstoff
sättigt, nach mehrtägigem Stehen vom Chlorbarium trennt und endlich im
Vacuum destillirt, als ein hell grünlichgelbes Oel (Siedepunkt unter
14mm Druck 100— 101<>, spec. Gew. bei 16^ M36); dieser Esterist
entsprechend einem Vorschlage vou Kekülä', den doppelt mit Kohlen-
stoff verbundenen Sauerstoff als „Oxo^-Sauerstofl zu bezeichnen, Oxo-
malonsäureester genannt worden. Er ist ausserordentlich wassergierig
* Nep, Ann. 270, 286 (1892).
' Conrad n. Brückner, Ber. 24, 3000 (1891). — Akscbütz u. Parlato, Her. 25,
8614 (1892).
« Ber. 25, 1977 (1892).
Acetylmalonsäure. ' 983
und zieht schon an der Luft Wasser an, um in den farblosen, kry-
stallinischen, bei 57^ schmelzenden, nicht ohne Wasserabspaltung destillir-
baren Dioxymalonsäureester C2H5-0-COC(OH)2.COOCjHß über-
zugehen.
Das Oxim der Mesoxalsfiure» COgHC(:NOH).CO,H (Isonitrosomalou-
säure) entsteht durch Einwirkung von Hydroxylamin auf Mesoxalsäure; der Ester
COa(CJ3[8)-C(:NOH)-COj(C,Hß) wird auch ans Malonsäureester durch Einwirkung
von salpetriger Säure erhalten. Die freie Isonitrosomalonsäure bildet Nadeln, schmilzt
bei 189® unter Gasentwickelnng und verpufft, auf dem Platinbleche erhitzt. Beim
Erwärmen mit Wasser zerfällt sie in Kohlensäure und Cyanwasserstoff:
CO,H.C(:N.OH)-CO,H = 2C0, + HCN + H,0;
diese eigenthümliche Zersetzung, bei welcher die drei Kohlenstoffatome des Mesoxal-
sänremolecüls von einander isolirt werden, bildet ein Gegenstück zu der S. 982
besprochenen Synthese der Säure. — Isonitrosocyanessigester* CN'C(:N-OH)'
COi'CaHj — aus Cyanessigester und Amylnitrit — bildet farblose Krystalle und
schmilzt beil27— 128^ — Isonitrosocyanessigsäure« CN-C{:N- OH) 00,11 (vgl.
auch S. 987) ist aus der S. 978 erwähnten Furazanpropionsäure erhalten ; durch Oxy-
dation kann die Furazanpropionsäure in Furazancarbonsäure übergeführt werden,
welche nun durch Alkalien sofort in Isonitrosocyanessigsäure umgelagert wird:
I >0 —^^ I
COaH— C ^N/ CO,H--C- N . OH ;
sie krystallisirt aus Wasser, worin sie sehr leicht löslich ist, in farblosen wasserhaltigen
Kiystallen, schmilzt wasserfrei unter explosionsartigem AufBchänmen gegen 130® und
wird durch kochende Kalilauge zu Isonitrosomalonsäure verseift; mit kohlensauren Al-
kalien und Erdalkalien liefert sie Salze von der Formel CN-C(:N-OMe^)-CO,MeS
welche sich in Wasser mit gelber Farbe lösen; K = 1'39.
Von den Malonsäurehomologen können sich nur solche Keto-
derivate ableiten, deren Carbonylgruppe in der Seit^nkette steht. Als
Ketoderivat der Aethylmalonsäure kann die
Acetylmalonsäare^ CHg- CO 011(00211)2 aufgefasst werden, deren
Diäthylester OHg- 00 •0H(0O2-02Hß)2 durch Einwirkung vonAcetylchlorid
auf Natriummalonsäureester erhalten wird. Er ist flüssig, siedet unter
17 mm Druck bei 120^, löst sich in kohlensauren Alkalien und giebt
mit Eisenchlorid in alkoholischer Lösung eine dunkelrothe Färbung. Er
entsteht auch durch Einwirkung von Chlorkohlensäureester Cl-COg-CgHg
auf Natracetessigester (bezw. Kupferacetessigester*), aber nur als Neben-
produkt« neben dem Ester CHg- 0(0 •CO2O2H5): OH COa'CjHß (vgl. S. 963).
* Baeyee, Ann. 131, 292 (1864). — Conkad u. Bischoff, Ann. 200, 211 (1881).
— V. Meyeb u. A. Müller, Her. 16, 608, 1622. — Ceresole, ebenda, 1184 Anm. —
WoLFP u. Gans, Ber. 24, 1172 (1891).
' Mullee, Compt lend. 112. 1872 (1891).
^ Wolff u. Gams, Ber. 24, 1169 (1891). — Söderbaüm, ebenda, 1988. — Hantzsch
u. MioLATi, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 11 (1892).
* Lang, Ber. 20, 1326 (1887). — Michael, J. pr. [2] 37, 475 (1888). — Nef,
Ann. 266, 112 (1891).
* Nep, Ann. 266, 109 (1891). • Claisen, Ber. 25, 1762, 1768 (1892).
984 Oxalessigsäure.
Homologe dieses Esters sind durch Einwirkung von Propionylchlorid etc
auf Natriummalonsäureester erhalten. Durch salpetrige Säure werden
diese Ester im Sinne der Gleichung:
/CO, • C,H5
CHsCO.CH< + NOOH
= CH,.C0.C(:N.0H).C0,CjH5 + CO, + CA-OH
gespalten.
Acetylcy anessigest er CHj-C0-CH(CN)-C0,'C,H8 (oe-Cjanacetessigester)
entsteht durch Einwirkung von Acetylchlorid auf Natriumcyanessigester' (vgl. 8.654), aus
Chloracetessigester durch Einwirkung von Cyankalium *, aus Natracetessigester durch Ein-
wirkung von Chlorcyan*. Er bildet farblose Nadeln, schmilzt bei 26', siedet unter 15—
20 mm Druck bei 119^, ist in Wasser wenig löslich und besitzt stark saure Eigenschaften.
B« Ketoderlrate der Bernstelnsäure and der BemstelnsSare-
homologen.
1. Monoketoderivate.
Oxalesslgsftare COgHCOCHjCOjH ist das Monoketoderivat der
Bernsteinsäure. Die Säure ist im freien Zustand nicht bekannt. Ihr
Diäthylester CgHijOg = C02(CaH5)-CO-CH3.COa(CjH5) (Oxalessig-
ester) ist von W. Wislicenus* entdeckt. Er kann sehr leicht durch
Condensation von Oxalester mit Essigester in Gegenwart von Natrium-
äthylat (vgl. S. 953 — 954) dargestellt werden, ist ein ziemlich dickflüssiges,
farbloses und fast geruchloses Oel, siedet unter 24 mm Druck bei 131^
bis 132^, zersetzt sich beim Erhitzen unter gewöhnlichem Druck, besitzt
bei 23-5^ das spec. Gew. 1-159, giebt mit Eisenchlorid in verdünnter
alkoholischer Lösung eine intensiv dunkelrothe Färbung und löst sich
in verdünnten Alkalien. Er bildet Metallverbindungen, wie CgH^jO^Na,
die aber mit Halogenalkylen nicht wie Natracetessigester glatt reagiren:
das Kupfersalz ^ (C8Hjj05)2Cu krystallisirt aus heissem Alkohol in feurig
grünen Nädelchen und schmilzt bei 162 — 163^ Durch Kochen mit
alkoholischem Kali wird er in Alkohol, Oxalsäure und Essigsäure („Säure-
spaltung^^), durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure in Alkohol.
Kohlensäure und Brenztraubensäure („Ketonspaltung^') gespalten, durch
Reduction mit Natriumamalgam in Aepfelsäure (S. 798) bezw. deren
Ester übergeführt. Durch Verseifung mit verdünnten Alkalien in der
Kälte liefert er einen Monäthylester der Oxalessigsäure CgHgOg, wel-
cher kleine Nädelchen bildet, bei 95 — 97® schmilzt und sich bei 140*^
unter Gasentwickelung zersetzt. — Ein Aethoxyl-oxalessigester*
^ Hallbr u. Held, Compt. rend. 106, 115 (18S7); vgl. auch 106, 1083 (1888).
' James, Ann. 240, 61 (1887). — Haller u. Held, Compt rend. 104, 1627 (1887).
' Haller u. Held, Compt. rend. 96, 285 (1882). — Vgl. auch Held, Compt rend.
98, 522 (1884). — Haller u. Held, Compt rend. 106, 210 (1888). Bull. [3] 1, 306 (1889>.
* Ber. 19, 3225 (1886); 20, 2930 Anm., 3392 (1887); 22, 2912 (1889); 24, 34U
(1891); 25, 2448 (1892). Ann. 246, 315 (1888).
° Vgl. auch Per ATONER u. Strazzeri, Ber. 24 o, 573 (1891).
• W. WisLicENus u. Scheidt, Ber. 24, 432 (1891).
Äcetbemsteinsäure. 985
COa(CaHß).CO-CH(O.C3Hg)-COj(C2Hß) (Siedepunkt 155—1560 unter 17 mm
Druck) ist durch Condensation von Oxalester mit Aethylglykolsäureester
CaHß-OCHa-COjCjHg erhalten worden.
Hydroxjlaminderivate der Oxalessigsäure und ihrer Ester^: Durch
Ein Wirkung von Hydroxylamin auf Oxalessigester erhält man den öligen Oximido-
bernßteinsfiuredifithylester CO,(C,H5).C(:NOH).CH,.CO,(C8H5), aus welchem
durch partielle Verseifung eine bei 54^ schmelzende Oximidoätherbemsteinsäure ent-
steht Letztere Säure spaltet beim Erhitzen mit Wasser im Bohr Kohlensäure ab und
liefert dadurch a-Oximidopropionsäureester (S. 960), besitzt demzufolge die Structur
C0,(C,H5).C(:N-0H).CH,.C0jH; sie wird als j9-Oximidoätherbernsteinsäure
bezeichnet. Eine isomere a-Oximidoätherbernsteinsäure wird ans Dinitroso-
succinylobemsteinsäureester (vgl. Bd. II) durch Zersetzung mit Wasser erhalten, bt
in Wasser leichter löslich, schmilzt bei 107^ unter Zerfall in Kohlensäure und oe-
Oximidopropionsäureester, besitzt demnach die gleiche Structur und ist der ^- Säure
stereoisomer (vgl. S. 866, 977, 987); sie wird durch Einwirkung von concentrirter
Schwefelsäure, Acetylchlorid und Essigsäureanhydrid in die stabilere ^-Aethersäure
umgewandelt. — Den beiden stereoisomeren Aethersäuren entsprechen zwei stereoisomere
Oximidobernsteinsäuren C0jH-C(:N-0H)'CH8'C0,H, welche durch Verseifung
daraus gewonnen werden. Die a-Säure schmilzt bei 125^ unter Zersetzung in Kohlen-
säure, Wasser und Cyanessigsäure, verträgt Kochen mit Wasser und färbt sich mit
Eisenchlorid in concentrirter Lösung braun, in verdünnt-er gelb; K = 0*110. Die |9-
Säure schmilzt bei 88.® unter stürmischer Zersetzung, ist in Wasser bedeutend schwerer
löslich, wird schon bei ganz gelindem Erwärmen in wässriger Lösung in Kohlensäure
und Cyanessigsäure zersetzt, erleidet diesen Zerfall sogar allmählich schon bei gewöhn-
licher Temperatur und im trockenen Zustand und giebt mit Eisenchlorid eine intensiv
blaue Färbung; K = 0-372. — Uelier Reduction der Aethersäuren und des Diäthyl-
esters vgl. bei Asparaginsäure und Asparagin S. 837—840.
Ton den Homologen der Bemsteinsäure können zwei Arten von Monoketoderivaten
abgeleitet werden:
1. solche, deren Carbonylgruppe zwischen den beiden Carboxylgruppen befindlich
ist: die eigentlichen Homologen der Oxalessigsäure.
2. solche, deren Carbonylgruppe in einer Seitenkette sich befindet.
Homologe des Oxalesslgesters* C08(CsH5)CO*CHBCO,(C,Hb) können durch
Condensation von Oxalsäureester mit Propionsäureester etc. gewonnen werden.
Die einfachste Verbindung der zweiten Art wäre die Äcetbemsteinsäure:
CHj-COCHCOsH
I
CH] * COgH
welche in Form ihres Diäthylesters bekannt ist.
Aeetbemsteinsllarediätliylester' C^o^iaOs kann leicht durch Einwirkung von
Chloressigester auf Natracetessigester gewonnen werden:
» Ebbbt, Ann. 229, 63 (1885). — Piutti, Jb. 1887, 1730; 1888, 1811. Ber.
23 o, 335, 561 (1890); 24, 2287 (1891). — Hantzsch, Ber. 24, 1195 (1891). — Cbakeb,
ebenda, 1198. — Hamtzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik. Chem. 10, 19 (1891).
" W. WiSLicEwus u. Arnold, Ber. 20', 3394 (1887). Ann. 246, 329 (1888).
• CoKBAn, Ann. 188, 219 (1877). — Pbrkin, Joum. Soc. 45, 517 (1884). —
GorrmoH, Ann. 216, 35 (1883). — Bach, Ann. 234, 35 (1886). — Emeby, Ann. 260,
140. (1890). — Thal, Ber. 25, 1718 (1892).
986 Dioxyweinsäure.
CH, . CO • CHNa • CO, • CjHß CH, • CO • CH • CO, • CjHg
= XaCl + I
+ Cl • CH, . CO, . C,H5 CH, . CO, • CH«
destUlirt unter partieller Zersetzung bei etwa 260^, besitzt bei 15® das spec. Grewicht
1 • 088, wird durch starke alkoholische Kalilauge in Alkohol, Essigsäure und Bernsteln-
sfture, durch Kochen mit Baiytwasser in Alkohol, Kohlensäure und Lftvulins&ore
gespalten (vgl. S. 971). Einwirkung von salpetriger Säure vgl. S. 978.
Homologe des Aeetbemsteinsllureesters ^ können durch Einwirkung von
Halogen alkylen auf seine Natrium Verbindung:
CH, . CO . CNa . CO, • CjH^ CH, - CO • CCCH,) • CO, - C,H,
I + CH,J = NaJ + I
CH, • CO, • CjHj CH, • CO, • C,H5
oder durch Einwirkung von a-halogenirten Säureestem auf Natracetessigester:
CH,.C0.CHNa.C0,.C,H6 CH,.C0.CH.CO,.C,H5
= NaBr+ |
+ CjHs . CHBr . CO, • C,H8 CHj • CH • CO, • C,Hö
erhalten werden.
2. Dike toder ivate.
Die Diketobernsteinsäure COaH-COCO-COjH ist als solche
nicht bekannt; man kennt indess eine um 2 Wassermolecüle reichere
Säure, welche das von einer Diketobernsteinsäure zu erwartende Ver-
halten zeigt; man fasst daher diese Säure ähnlich wie Chloralhjdrat,
Glyoxylsäure, Mesoxalsäure als Hydrat einer Carbonylverbindung auf:
CO,H . C(OH), . C(OH), . CO,H
und bezeichnet sie demgemäss als Dioxyweinsäure oder Tetraoxybeni-
steinsäure (vgl. Mesoxalsäure, S. 981).
Dloxy Weinsäure C^H^Og ist von Gbübeb* entdeckt, von Kbkül£'
in ihrer Constitution erkannt. Man erhält sie am bequemsten aus der Nitro-
Weinsäure (S. 806), indem man letztere in ätherischer Lösung nach Zusatz
von Alkohol, der mit salpetriger Säure beladen ist, der Selbstzersetzong
überlässt. Interessant ist ihre Bildung aus manchen BenzolderiTateBt
z. B. Brenzkatechin* und GuajacoP durch Einwirkung von salpetriger
Säure. Sie ist besonders durch ihr Natriumsalz C^H^OgNa, + 2 oder
2^I^Jd charakterisirt, welches einen weissen pulverig -krystallinischen
Niederschlag darstellt, in Wasser fast unlöslich ist und daher zur
Abscheidung der Säure dient. Erhitzt man dasselbe mit Wasser auf
50 — 60®, so tritt lebhafte Kohlensäureentwickelung ein, und man erhält
eine Lösung von tartronsaurem Natrium:
» CoKRAD, Ann. 188, 226 (1877). — Kressnbb, Ann. 192, 137 (1878). —Hahdt-
MüTH, ebenda, 142. — Huooembebq, ebenda, 146. — Thokkc, Joum. Soc 3d, S37
(1881). — Clowes, Ber. 8, 1208 (1875). — Bischopp, Ann. 206, 319, 330 (18801 -
Gottste™, Ann. 216, 31, 35 (1883). — Yoüno, ebenda 39, 43. — Emeet, Ann. 260,
151 (1890).
« Ber. 12, 514 (1879). ' Ann. 221, 230 (1883).
* Barth, Jb. 1881, 720. * Herzig, Monatsh. 3, 825 (1882).
JJioMmidobernsieinsäure . 987
COCOjH COH
I - CO, = I
COCO.H CO.COjH
COH.CO.COjH + HjO = CO,H.CH(OH).CO,H;
erwärmt man es mit concentrirter Natriumbisulfitlösung, so entsteht
unter Eohlensäureentwicklung Glyoxalnatriumbisulfit^ Neben diesen
Zersetzungen ist besonders beweisend für die Constitution der Dioxy-
weinsäure das Verhalten bei der Reduction in saurer Lösung — es ent-
steht ein Gemisch von Traubensäure und Antiweinsäure (vgl. S. 812) —
und das Verhalten gegen Hydroxylamin (vgl. unten) und Phenylhydrazin ;
Phenylhydrazin bildet ein Osazon:
COjH.CiN.NH.CeHs
I
COgH-CiN-NHCeHg
dessen Sulfosäure als Farbstoff (Tartrazin, vgl. Bd. II) technische An-
wendung findet. — Die freie Dioxyweinsäure^ C02H-C(OH)3*C(OH)j-
CO3H kann aus dem Natriumsalz erhalten werden, wenn man dasselbe
unter trockenem Aether mit trockenem Salzsäuregas zersetzt; sie bildet
weisse Krystalle, schmilzt unter Zersetzung bei 98^ und ist in Wasser
sehr leicht löslich. — Aus dem Natriumsalz kann durch passende Be-
handlung mit Alkohol und Salzsäuregas ein Diäthylester ^ bereitet
werden, der eine orangegelbe dickliche Flüssigkeit darstellt, unter
12 mm Druck bei 115— 117^ siedet und bei 20^ das spec. Gew. 1-187
zeigt; dieser Ester besitzt die Zusammensetzung des Diketobern-
s t einsäur ee8tersC02(C2Hg)-CO-CO-C03(C2Hg)(Dioxobernsteinsäure-
ester vgl. S. 982); versetzt man ihn mit Wasser (2 Mol. HgO auf 1 Mol.
Ester), so verschwindet die orangegelbe Färbung, und man erhält unter
beträchtlicher Erwärmung eine wasserhelle Flüssigkeit, welche vermuth-
lich den Dioxyweinsäureester C02(C2H5)C(OH)2C(OH)aC02(CaHg) dar-
stellt, bei der Destillation unter vermindertem Druck aber wieder Wasser
verliert und den Diketobernsteinsäureester liefert.
Hydroxylaminderivate der Dioxyweinsäure*: Durch Einwirkung von
Hydroxylamin auf Dioxy weinsäure entsteht eine Dioximidoberneteinsäure COjH-
C(:N'OH)-C(:N-OII)-CO,H (^j?-Dioximidobernsteinsäure), welche grosse farb-
lose Prismen bildet, aus Wasser mit 4 Mol. Krystallwasser krystallisirt, wasserl^i bei
145—150** unter gleichzeitiger Verkohlung schmilzt und, mit Essigsäureauhydrid in
der Kälte behandelt, in ein schön krystallisirendes Di ac etat COaH-C(:N- O-C^HgO) •
C(:N-0'C8HjO)"COjH übergeht; letzteres liefert bei der Verseif ung mit Alkalien die
Isonitrosocyanessigsäure (S. 983). Wenn man die ^/^-Dioximidobernsteinsäure mit
rauchender Salzsäure in Berührung lässt, 60 verwandelt sie sich in die stereoisomere
«Gr-Dioximidobernsteinsäure, welche warzenförmige Krystallaggregate bildet,
wasserfrei ebenfalls bei 145 — 150^ unter stürmischer Gasentwickelung verkohlt, aber
^ UiNSBEBO, Ber. 24, 8235 (1891).
' AuwERS, V. Meyer 'u.Lasu Melleb, Ber. 22, 2015 (1889).
3 ANSCHtJrz u. Parlato, Ber. 26, 1975 (1892).
* A. Müller, Ber. 16, 2985 (1883). — Söderbaüm, Ber, 24, 1215, 1988 (1891). —
Hamtzsch u. Miolati, Ztschr. f. physik. Chem. 10, Sl (1892).
988 Diacetylbemsteinsäure.
bei der Behandlung mit Essigsäureanhjdrid in der Kälte keine Acetylverbindang
liefert, sondern glatt in Kohlensäure, Cyan und Wasser zerfällt:
C0,H.C{:N.0H).C(;N0H).C08H = 2C0, + (CN), 4- 2H,0.
Als Diketoderivat der Diäthylbenisteinsäure kann die Dlaeetyl-
CH3COCHCO3H
bernstelnsfture ^ 1 aufgefasst werden. Ihr Diäthyl-
CH3.COCH.CO3H
CHgCOCHCOgCaH,
ester | (Diacetbernsteinsäureester) kann leicht
CHgCOCH-COa-CaHß
durch Einwirkung von Jod auf Natracetessigester (s. S. 963) erhalten
werden, krystaUisirt in zwei Formen, schmilzt bei 88^ und zersetzt sich
bei höherer Temperatur. Verseift man ihn mit starker Natronlauge
bei gewöhnlicher Temperatur, so erhält man die freie Diacetbern-
steinsäure, welche in Nadeln krystaUisirt, mit Wasser ohne Zersetzung
gekocht werden kann, bei etwa 160^ sich zersetzt und mit Eisenchlorid
keine Farbenreaction giebt. Verseift man den Ester mit verdünnter
Natronlauge bei gewöhnlicher Temperatur, so wird er in Alkohol, Kohlen-
säure und Acetonylaceton (S. 855) gespalten. Gleich dem Acetonylaceton
ist der Diacetbernsteinsäureester leicht in Furfuran- und Pyrrolderivate
überführbar; durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure liefert
er den sogenannten „Carbopyrotritarsäureester" :
CjH5'C0j«C- -C'COg-CjHs
CjHj . CO, . CH-CH . COj . CjHb
II -H,0 = CHa-C O-CHs
CHj.CO GOCH, ' \^
durch Einwirkung von concentrirtem wässrigem Ajmmoniak den Dimethyl-
pyrroldicarbonsäureester :
C2H5 • COj • C C • COj ■ C1H5
CHg'O C'CHa
NH
C. Ketoderirate der Olntarsäure und der Crlatarsäarehomologen.
Von der Glutarsäure können der Theorie nach zwei isomere Mono-
ketoderivate:
COjH . CO . CHs . CH, . CO,H und COsH • CH. - CO • CHj • CO,H
a-Ketoglutarsäure ^-Ketoglutarsäure,
Acetoudicarbonsäure
abgeleitet werden.
* BtTGHEiMER, Ber. 7, 892 (1874). — Habbow, Ann. 201, 141 (1878). — Kno»».
Ber. 17, 2863 (1884); 18, 299, 1558 (1885); 22, 158, 168 (1889). Ann. 236, 290
(1886). — ScHöNBBODT, Ann. 263, 195 (1889> — Nbf, Ann. 266, 88 (1891). J. pr. [2
46, 68—69 Anm. (1892). — Thal, Her, 26, 1724 (1892).
KetogttUarsäuren, 989
Die a-Ketogrlutarsäiire ^ bt einstweilen nur in Form von Derivaten bekannt.
Wenn man die S. 978 erwähnte Furazanpropionsäure in Natronlauge gelöst einige
Standen stehen lässt, so ist sie in Cyanisonitrosobuttersäare — das Halbnitril
der a-Ozimidoglutarsäure — umgewandelt:
I >0 ^ I .
COsHCHj.CHj.C- W CO,H.CH,.CH,.C-=N.OH
Die Cyanisonitrosobuttersäure bildet weisse Krystalle und schmilzt bei 85 — 87^;
sie erweist sich als Nitril dadurch, dass sie mit Hydroxylamin zu einem Amidoxim
zusammentritt; durch Kochen mit Alkalien wird sie in a-Isonitrosoglutarsäure
oder Oximidoglutar8äureCOgH.C(:NOH)CH,.CHj.COjHübergefahrt. Letztere
SSure bildet weisse Prismen, schmilzt unter lebhafter Kohlensäureentwickelung bei
152®, lost sich ziemlich schwer in kaltem Wasser, leicht in warmem Wasser und
wird durch siedendes Wasser unter Abspaltung von Kohlensäure zersetzt; auch bei
gelindem Erwärmen mit Essigsäureanhydrid entwickelt sie lebhaft Kohlensäure und
liefert Succinaminsäure :
CO,H.C(:N.OH).CH,.CH,.CO,H == COjH.NH.CO.CH,.CH,.CO,H
(BECKMANK^Bche Umlagcrung, S. 891)
= CO, + NH8.C0.CH,.CH,.C0,H;
durch Beduction mit Zinn und Salzsäure wird sie in inactive Glutaminsäure CO,H •
CH(NH,).CH,.CH,.CO,H (8. 840—841) übergeführt.
Acetondlcarbonsäare oder /S-Ketoglutarsänre CgH^Og = CO^H-
CHj-CO-CHj-COgH ist von v. Pechmann* entdeckt und eingehend unter-
sucht. Sie wird leicht durch Einwirkung von concentrirter Schwefel-
säure auf Citronensäure erhalten*:
CHjCO.H CH,.CO,H
6/ ^ 6o + CO + HjO .
! ^CO,H
CHj.COjH CH,CO,H
Sie bildet weisse Nadeln, schmilzt bei 135*^, indem sie ia Kohlensäure
und Aceton zerfällt, erleidet die gleiche Spaltung beim Kochen ihrer
wässrigen Lösung und färbt sich mit Eisenchlorid intensiv violett; beim
Kochen mit starkem alkoholischem Kali wird sie in Essigsäure und Malon-
säure gespalten. Durch Addition von Blausäure an ihren Ester und
darauffolgende Verseifung kann sie wieder in Citronensäure zurückgeführt
werden. Durch Einwirkung von salpetriger Säure entsteht Diisonitroso-
aceton (vgl. S. 860):
C0,H.CH5.C0.CHj.C0,H + 2N0.0H
= 2C0, + CH(:N.0H).C0CH(:N.0H) + 2H,0,
durch Beduction mit Natriumamalgam /?-Oxyglutarsäure (S. 815).
* WoLPF, Ann. 260, 106 ff. (1890).
* Ber. 17, 2542(1884); 18, 2289, 2290(1885); 19, 1446, 2465, 2694 (1886); 20,
145 (1887): 24, 857, 3250, 4095 (1891). Ann. 261, 151 ff. (1890). — v. Pechmann u.
Neger, Ann. 273, 186 (1892). — P. Henry u. v. Pechmann, Ber. 26, 997 (1893).
» Vgl. auch Farbwerke Höchst a./M. D. R.-Pat 32245 (1884).
990 Acetondicarbonsäure. Acetglutarsäuren.
Acetondicarbonaäurediäthylester» CO,(C,H6)CH,.COCH8.CO,(C,H5)
siedet unter 50 mm Druck fast unzersetzt bei 169 — 174^ und besitzt bei 20® dasq)ec.
Gew. 1 • 113. Er zeigt — analog dem Malons&nreester, Acetessigester etc. — saure Nator,
derart dass er sich sogar in kohlensauren Alkalien auflöst Die Monokaliumver-
bin düng C«Hi,RO0 krjstalUsirt aus verdünntem Alkohol in Nädelchen und ist an
der Luft unverändert haltbar; weniger beständig ist die hygroskopische Dikaliam-
verbindung CgHi^KsOs. Durch Umsetzung der Metallverbindungen mit Halogen-
alkjlen kann man successive vier Alkylreste in das Molecül des Esters einfahreu.
welche in folgender Reihenfolge eintreten:
•CHR'COj'CjHs •CHR'COj'CjHg
C0< > CCK >-
^CHj . CO, . C,H5 ^CHR . CO j • C.n^
yCR, • COj • C2H.5 yCRj • COj • C2H5
C0< ► C0< ;
^CHR . CO, . C,Ha XIR, . CO, • OjK«
man gelangt so zu den Homologen des Acetondicarbonsäureesters (vgl. unten), welche
durch Kochen mit Säuren in Alkohol, Kohlensäure und die entsprechenden Homologen
des Acetons gespalten werden.
/-Cyanacetessigester* CN-CH,»C0-CH,-C0,-C,H5 kann als Ester de»
Halbnitrils der Acetondicarbonsäure aufgefasst werden. Er wird neben a-Cyanscft-
essigester (S. 984) aus einem unter gewissen Umständen erhältlichen Chlorinuig!«-
produkt des Acetessigesters (S. 967), das neben a-Chloracetessigester auch ^'-Chlor-
acetessigester zu enthalten scheint, durch Umsetzung mit Cyankalium gewonnen, siedet
bei 135 — 188® unter 40—45 mm Druck und kann durch Behandlung mit Chlorwasser-
stoff in alkoholischer Lösung in Acetondicarbonsäureester übergeführt werden.
Homologe der freien Aeetondiearbonsäure können ans einigen homologen
Acetondicarbonsäurestem, deren Bildung oben erwähnt ist, durch vorsichtige Ver-
seifung mit alkoholischem Kali in der Kälte dargestellt werden, nämlich aus den
symmetrisch substituierten:
<CHR • CO, • CfHf /CR, • CO, • C,Hg
und C0< ;
CHR.C0,.C,H5 \CR,.C0,-C,H5
sie sind ebenso beständig wie die Acetondicarbonsäure selbst. Die den unsymmetrisch
substituierten Estern:
<CHR • CO, • C,H5 /CR, • CO, • CjHg
und C0<
CH, . CO, • C,H5 \CHR . CO, • C.Ha
entsprechenden freien Säuren dagegen sind nicht isolirbar.
Als Ketoderivate von Aethylglutarsäuren können femer die beiden isomeren
Acetylglutarsäuren:
CO,H . CH ■ CH, . CH, . CO,H CO,H • CH, • CH • CH^ - CO,H
I und I
COCH, COCH,
a-Acetglutarsäure |9-Acetglutarsäure
' Vgl. auch Emeby, Ber. 23, 3761 (1890). -— Halles u. Held, Compt. rend. 111.
683 (1890). Ann. eh. [6] 28, 165 (1891). — Peratoneb u. Strazzert, Ber. 24c, hl^
(1891). — Perkin, Joum. Soc. 61, 812, 839 (1892).
« Haller u. Held, Compt. rend. 108, 516 (1888); 111, 647 (1890); U4, 400, 452
(1892). Ann. eh. [6] 23, 157 (1891).
Ketipinsäure. Duuxiyladipinsäure. 991
aogeführt werden. — Der a-Acetglutarsfiureester^ CuHigOg wird aus Natracet-
essigester durch Einwirkung von ^-Jod- oder j^-Brom-propionsäureester gewonnen, siedet
unter 11 mm Druck bei 162 ^ besitzt bei 20^ das spec Gew. 1-071, wird durch con-
oentrirtes alkohoÜBches Kali in Essigs&ure nnd Glutaraäure (vgl. S. 672), durch Kochen
mit Sfiuren in Kohlensäure und ^^-Acetobuttersäure (S. 976) gespalten. — |9-Acet-
glutarsflure' C^'E.^fi^ ist aus Monochlorlävulinsäureester (durch Chloriren von
Lftyulinsftureester dargestellt) nach folgenden Reactionen:
CHs . CO . CHCl . CH, . CO, - C.H« CH.CO • CH • CH, • CO, • CA
+ CHNa(CO..C.H., = N>C1 + iH(CO..C,H., '
CH, . CO . CH . CH, . CO, . C,H5 CH, • CO • CH • CH, • CO,H
I +3H,0 = I +3C,HeO,
CH(C0,.C,H5), CH(CO,H),
CH, . CO . CH . CH, . CO,H CH, • CO • CH • CH, - CO,H
I -CO, = I
CH(CO,H), CH,.CO,H
gewonnen worden; sie schmilzt bei 109^.
D. Eetoderiyate der Adipinsäure und der Adiplns&nrehomotogen.
Ketipinsäure^ ist die Diketoadipinsäure:
CO,H . CH, . CO . CO • CH, • CQ,H
genannt, welche man auch als symmetrische Diacetyldicarbonsäure
bezeichnen kann. Sie ist von Fittio und Daimler entdeckt. Man er-
hält ihren Diäthylester Cj^^Hj^Og, indem man Oxalester mit Chlor-
essigester in Gegenwart von Zink oder mit Essigester in Gegenwart
von Natriumäthylat reagiren lässt; der Ester bildet Nadeln vom
Schmelzpunkt 82 — 83®, färbt sich in alkoholischer Lösung mit Eisen-
chlorid intensiv roth und enthält durch Metalle vertretbare Wasserstoff-
atome. Die freie Säure CgH^Og entsteht aus dem Ester durch Ver-
seifung-mit starker Salzsäure, stellt ein weisses amorphes Pulver dar, das
in den meisten Lösungsmitteln — kaltem Wasser, Alkohol etc. — kaum
löslich ist, und ist sehr unbeständig. Beim Erhitzen für sich oder beim
Kochen mit verdünnter Schwefelsäure spaltet sie sich in Kohlensäure und
Diacetyl.
DiaeetyladipinsSureester* Cj^HnOe entsteht als Nebenprodukt bei der Ein-
wirkung von Aethylenbromid auf Natracetessigester:
C,H5.C0,.CHNa
2 I +BrCH,.CH,.Br
CH,.CO
CjHj • CO, • CH • CH, • CH, • CH • CO, • C,H5
= 2NaBr+ 1 !
CH,.CO CO-CH,
^ WisLiCEMUB n. LixPACH, Ann. 192, 128 (1878). — Emeby, Her. 24, 285; 24o,
661 (1891). —
■ Conrad u. Guthzbit, Ber. 19, 44 (1886).
* Frmo, Daimler u. Keller, Ber. 20, 202, 8183 (1887). Ann. 249, 182 (1888).
— W. WisLioEKUS, Ber. 20, 590 (1887). Ann. 246, 828 (1888). — Hantzsch u.
Zeckekdorf, Ber. 20, 1809 (1887). — v. Rothenburg, Ber. 26, 870 (1898).
^ Perkin jun. u. Obremskt, Ber. 19, 2045 (1886). -^ Perkin jun., Joum. Soc 57,
204 (1890).
992 Hydrochelidonsäure,
bildet ein dickes Oel, das bei 0° noch nicht erstarrt, giebt mit Eisenchlorid in
alkoholischer Losung eine dunkel roth violette Ffirbung, liefert eine Dinatnnin-
Verbindung CifHioNatO, und wird bei der Destillation unter vermindertem Druck
zersetzt.
£. Ketoderlrate der Pimelinsftare und der Pimellnsäurehomologen.
Von der Pimelinsäure leiten sich zwei interessante Ketoderivate
ab, die zuerst durch Umwandlung der in der Natur vorkommenden
Chelidonsäure (vgl. Bd. IL, Pyronderivate) dargestellt und daher Hydro-
chelidonsäure und Xanthochelidonsäure genannt sind. Durch
Untersuchungen von Lebch und von EUiTmaEB und Lieben sind sie
bekannt geworden, durch Untersuchungen von Volhabd und von Clatsen
ist ihre Constitution festgestellt:
/CH, . CH, . CO,H /CH, . CO • CO,H
C0< C0<
\CH, . CH, . CO,H XIH, . CO • CO.H
Hydrochelidonsäure Xanthochelidonsäure.
Hydrochelidonsäure^ C^Hj^^Og (Acetondiessigsäure, Propio-
nondicarbonsäure) entsteht durch Reduction - von Chelidonsäure; ihr
Ester bildet sich ferner *sehr glatt bei der Einwirkung von Salzsäure-
gas auf eine alkoholische Lösung von Furforakrylsäure^ indem in letz-
terer Säure der Furfuranring durch Wasseraufnahme gesprengt wird:
CH — CH CHg - CHg
1 II + 2H,0 = !
CH C-CH.CHCO.H CO.H CO-CHjCH.CO.H;
\o/
beweisend für ihre Constitution ist die folgende Synthese aus Aceton-
dicarbonsäureester (vgl. S. 990) :
COg • C^Hj CO^ • CjHg
CHNa ÖH— CH, • CO, • CjH,
CO + 2Cl.CH,.COs.CjH5 = 2NaCl + CO
I i
CHNa CH-CH, • CO, • CA
C02*C,H5 COj'CjHs
CO,.C,H,
CH . CH, . CO, . CjHs CH, • CH, • CO,H
CO + 4H2O = 4C,HeO + 2C0, + CO ;
(i3HCH,.CO,.C,H5 CH,.CH,.CO,H
CO, • CjHs
^ Haitikges u. Lieben, Monatsh. 6, 358 (1884). — Margewalo, Ber. 20, 2813
(1887); 21, 1398 (1888). — Volhabd, Ann. 263, 206 (1889); 267, 48 (1892j. -
MIOHAE^ J. pr. [2] 44, 118 (1891).
Phoronsäure, Xanthochelidonsäure, 993
zur Darstellung eignet sich am besten die Hydratation des Dilactons,
dessen leichte Gewinnbarkeit aus Bernsteinsäure gleich zu besprechen
ist. Hydrochelidonsäure bildet glänzende Blättchen, schmilzt bei 140^,
liefert bei der Oxydation mit Salpetersäure reichlich Bernsteinsäure,
wird durch Erhitzen mit Jodwasserstoff zu normaler Pimelinsäure reducirt
und durch Einwirkung von Acetylchlorid, Essigsäureanhydrid oder Phos-
phorsäureanhydrid in das den Oxetonen (S. 875) analog constituirte
Dilacton C^HgO^:
CO . CH, . CH,-C— CH, . CH, • CO
i — ii — i
übergeflihrt. Letzteres wird direct erhalten, wenn man Bemsteinsäure
5 — 6 Stunden in gelindem Sieden erhält und darauf im Yacuum
destillirt; man kann sich seine Bildung als in folgender Weise ver-
laufend erklären:
CH,.CH,.CO CHj.CHjCO CH,.CH,.CO CHj.CH,.CO
Co 0 0 0 n i n 6
+ = H,0 + = , V = j ? + CO,.
CHjCHjCO CCHgCO CHCHj-CO CH,.CH..CO
CO Ö CO Ö CO. OH
Es krystallisirt in rhombischen Prismen, schmilzt bei 69^, siedet unter
15 mm Druck bei 200 — 205^ und wird durch Kochen mit Wasser nur
langsam und unvollständig, durch concentrirte Säuren oder durch Alkalien
schon in der Kälte unter Wasseraufnahme in Hydrochelidonsäure ver-
wandelt.
PhoronsSure^ CnUifi^ ist ein Tetramethylderivat der Hydrochelidonsäure; sie
entsteht aus Pboron (8. 529—580) durch Anlagerung von Chlorwasserstoff, Umsetzung
des Additionsproduktes mit Cyankalium und Verseifnng des so gebildeten Nitrils:
(CH,),C (CH8)2CC1 (CH8),C(CN) rCH8),C(C0,H)
jl I I I
CH CH, CH, CH,
III I
CO >- CO ^ CO — >- CO
'] ' I I I
CH CH, CH, CH^
I I •
(CH,),C (CH,),CC1 (CH,),C(CN) (CH,),C(CO,Hj
Sie bildet farblose Prismen, schmilzt unter Abspaltung von Wasser bei 184° und liefert
ein bei 182° schmelzendes, fast unzersetzt destillirbares Anhydrid CuH^eO« (ver-
mutblich ebenfalls ein oxetonähnliches Dilacton).
Xanthochelidonsäure^ C^HgO^ (Acetondioxalsäure). Ihre Salze
bilden sich aus Chelidonsäure C^H^Og (vgl. Bd. 11) durch Einwirkung
* Pinheb, Ber.l4, 1077 (1881); 16, 585 (1882). — Anschütz u. Monfort, Ber. 26,
827, 1173 (1893).
• HAiriNOBB u. Lieben, Monatsh. 5, 848 (1884). — Lerch, ebenda, 373. —
CI.AJSEN, Ber. 24, 111 (1891). — Farbwerke Höchst a/M., D. R.-Pat. Nr. 57 648; Ber.
25 o, 94 (1892).
V. Mktxr u. Jacobson, org. Chem. I. 68
994 Dimethyl-diacetyl'pimelinsäure,
überschüssiger Basen; sie sind gelb gefärbt; die freie Säure ist wenig
beständig und geht, wenn man sie aus ihren Salzen abzuscheiden ver-
sucht, unter Wasserabspaltung wieder in Chelidonsäure über. Der Di-
äthylester CuH^^Oy (Schmelzpunkt 103 — 104®) wird synthetisch durch
Einwirkung von überschüssigem Ozalester auf Aceton in Gegenwart tod
Natriumäthylat erhalten:
CO(CH.), + 2C,H5.0.CO.CO.OC,H5 = CO(CH,.CO.CO.O.CA)« + 2Cfifi,
löst sich in verdünnten Alkalien mit gelber Farbe und liefert beim Ein-
leiten Yon Chlorwasserstoff in seine heisse alkoholische Lösung den
Ghelidonsäureester :
<CH,.C0.C0,.C,H5 /CH=C^ — CO,- CA
-H,0 = C0<: >0
CH, . CO . CO, • CjHj N:iH^C/— CO, . CH.
beim Erwärmen mit concentrirten Mineralsäuren glatt Chelidonsäure.
Bimethyl-diacetyl-pimelinsäureester^ CiTHtsOe entsteht durch Combination
von Trimethylenbromid mit Methylacetessigester :
2CH..C0.CNa + Br.(CH,),.Br = 2NaBr + CH,.CO.C.(CH,),.C.C0.CH„
COj.CA COj.CjHj C0,CA
stellt ein farbloses, dickflüssiges Liquidum dar, siedet in kleinen Mengen ziemlich
unzersetzt unter gewöhnlichem Druck und ist mit Wasserdampf nicht fluchtig. Bei
der Verseifun^ mit Alkalien erleidet er Spaltung in dreierlei Richtung unter Bildung
von Dimethylpimelinsfiure, Dimethyldiacetylpentan und DimethylacetylcaproDSfiore:
1. S&urespaltuug:
CH3 CHg OHg CH3
CH8.CO.C.(CHj)j.C.COCH, + 4H,0 = 2CHs.CO.OH + CH.(CH,)8.CH + 2C,H,0H.
CO.CjHs C0,.C,H6 CO,H CO,H
2. Ketonspaltung:
CHg CHj CHg CHj
CH8C0.C.(CHj),.C.C0.CH, + 2H,0 = CH,.C0d3H.(CH5)8.(^H.C0.CH«
I^ i + 2C0, + 2C,H5-0H.
COj • CgHg COj • C1H5
3. Gemischte Keton- und Säurespaltung:
CH3 CHj
CH,.C0.C.(CH,),.C.C0.CH8 + 8H,0
COj • CjHj COj • CgHs
CH, CH,
= CH,.COCH.(CH,),.CH + OHCO-CH, + C0,-H2C,H5 0E
CO,H
^ KiPFiNO u. Mackenzie, Joum. Soc. 69, 569 (1891).
OxaWemsteinsäure, AcettricarbaÜylsäuren, Aconitoxalsäure, 995
m. Dreibasische Ketonsäuren.
CO CH CH,
OxalbemsteinsSnreester^ 1 I I wird durch Ver-
COj • C|H|j COj • C]H.5 COj • CgHs
«inigung von Ozaleeter mit BerDsteinsäureester erhalten, bildet eine ^Eurblose, ölige
Flüssigkeit, siedet unter 16 — 18 mm Druck bei 155 — 156^, ist in Wasser unlöslich,
in Alkohol leicht löslich und wird leicht in Oxalsäure, Bemsteinsäure und Alkohol
gespalten.
a-AeettriearballylBBureester' C,4Ht,07 entsteht durch Einwirkung von Ohlor-
bemsteinsäureester auf Natracetessigester:
CH,.C0.CH.C0,.C,H5
CHCl.C0,.C,H5 I
CH, • CO . CHNa • CO, • C^U^ + J = NaCl + CH . CO, • CjHs ,
I = NaCl + CH.C0,.C,H5,
CH, • CO, • C,H5 * I
CH, • CO, • C,Hg
ist ein dickflüssiges Oel, siedet unter 9 mm Druck bei 175^ und besitzt bei 20^ das
spec Gew. 1«126.
l^-AeettriearballylsBiireester' entsteht durch Combination von Bromessigester
mit Acetbemsteinsftureester (S. 985 — 986):
CH, • CO, • C,H5
CH,.C0,.C,H8 I
I + Br.CH,.C0,.C,H5 = NaBr + CHjCOCH.COj.CA ,
CH, . CO . CHNa • CO, • C,H5 J
CH, • CO, • C,H5
siedet unter 16 mm Druck bei 190^, besitzt bei 20^ das spec. Gew. 1*121 und wird
sowohl durch alkoholisches Kali, wie durch Barytwasser in Alkohol, Essigsäure und
Tricarballylsfture gespalten.
IV. Vierbasische Ketonsäuren.
CH=C CH CO
AeonitoxalsKure^ I I 1 1 ist ein Repräsentant der vier-
CO,H CO,H CO,H CO,H
basischen Ketonsäuren; sie ist in Form ihres Triäthylesters bekannt, dessen Bildung
schon S. 708 — 704 bei der Synthese der Aconitsäure besprochen ist
' W. WisLiCENus, Ber. 22, 885 (1889). • Emeby, Ber. 23, 3757 (1890).
' MiEHLE, Ann. 190, 328 (1878). — Emeby, Ber. 23, 8755 (1890).
* Claisen u. Hori, Ber. 24, 120 (1891).
6 8'
D. Cyanv«rbindungen und Kohlensäurederivate.
In den vorhergehenden Kapiteln 1 — 39 sind die Verbindungen der
Fettreihe — eingeordnet in die drei Hauptgruppen:
A. Grenzkohlenwasserstoflfe und einwerthige Abkömmlinge derselben,
B. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe und einwerthige Abkömmlinge
derselben,
C. Mehrwerthige Verbindungen
— geschildert worden. Zwei Gruppen von Verbindungen sind indess aus
praktischen Gründen nicht in das System eingereiht worden, sondern
einer gesonderten Besprechung vorbehalten:
1. Die Verbindungen, deren Molecüle das Cyanradical — CN enthalten
(mit Ausnahme der S. 292 ff. besprochenen Alkylcyanide und anderer
Nitrile von Carbonsäuren und der S. 251 — 252 besprochenen Isonitrile);
2. Die Abkömmlinge des hypothetischen Kohlensäurehydrats C0(0H^3.
Zwar würde sich bei strenger Einhaltung des Systems schon früher
Gelegenheit zur Abhandlung der diesen beiden Gruppen angehörigen
Verbindungen geboten haben: die Wasserstoffverbindung des Cyans H-CN
könnte als das Nitril der Ameisensäure den Nitrilen der Essigsäure und
ihrer Homologen, das Kohlensäurehydrat OH — CO -OH als einfachste
Oxysäure (Oxyameisensäure) der Glykolsäurer^ihe vorangestellt werden.
Aber um diese Stammsubstanzen gruppiren sich so viele eigenartige
Derivate, dass ihre eingehende Behandlung an jenen Stellen des Systems
in unliebsamer Weise den Zusammenhang in der Schilderung nahe ver-
wandter Verbindungen unterbrechen würde. Auch würden Cyanwasser-
stoff und Kohlensäurehydrat ihrer chemischen Natur nach nicht an
diejenige Stelle des Systems passen, die ihnen formell zugewiesen werden
kann. Denn wenn sich auch der Cyanwasserstoff in manchen Punkten
wie ein Nitril verhält, so erhält er doch gerade durch den directen Zu-
sammenhang zwischen Wasserstoff und der Cyangruppe, der bei den
übrigen Nitrilen fehlt, seine charakteristischen Eigenschafben. Kann man
auch die Formel des Kohlensäurehydrats derart schreiben:
OH- CO. OH,
dass sie der Formel einer Oxysäure ähnlich sieht, so übersieht man
doch leicht, dass die durch diese Schreibweise angedeutete Analogie nur
eine scheinbare ist; denn die beiden Hydroxylgruppen sind gleichartig
D<X8 Oyanradical, 997
gebunden, während das Verhalten der wahren Oxy säuren gerade durch
den Gegensatz zwischen alkoholischer Hydroxylgruppe und Säurehydroxyl-
gruppe wesentlich beeinflusst wird.
Da endlich die Glieder der Cyangruppe und der Kohlensäuregruppe
durch vielfache üebergänge eng mit einander verknüpft sind, so recht-
fertigt sich die althergebrachte Gewohnheit, diesen beiden Gruppen eine
Sonderstellung ausserhalb des Systems der übrigen aliphatischen Ver-
bindungen anzuweisen.
Vierzigstes Kapitel.
Cyanverbindungen.
(Cyan. — Blausäure — Cyansfture und ihre Derivate (Tautomerie, Desmotropie). —
Knallsäure. — Tricyanderivate. — Industrie der Cyanverbindungen).
Cyanverbindungen kennt man, seit zu Beginn des 18. Jahrhunderts
das Berlinerblau von Diesbach entdeckt wurde. Ueber ihre Natur wurde
durch eine denkwürdige, namentlich fiir die Entwickelung der ßadical-
theorie (vgl. S. 52 — 54) bedeutungsvolle Untersuchung Gat-Lussac's Licht
verbreitet. Gat-Ltjssac zeigte 1815, dass in einer Reihe von Verbin-
dungen ein kohlenstickstoffhaltiges „Radical" eine ähnliche Rolle spielt,
wie ein Element; er nannte dieses Radical ,,Cyanogen" (von „xt/ai^o^*"
blau, blaue Verbindungen erzeugend).
Nach unseren heutigen Anschauungen ist das Oyanradical eine aus
einem Kohlenstoffatom und einem Stickstoffatom bestehende, einwerthige
Gruppe:
-C=N (bezw. C=N-).
In manchen Beziehungen — namentlich durch die Fähigkeit, mit Wasser-
stoff eine saure Verbindung, die Blausäure HGN, zu liefern, — ähnelt dieses
Radical den Halogenatomen; man bezeichnet es zuweilen durch das
abgekürzte Symbol Cy.
. Analog den Halogenatomen existirt das Oyanradical unter gewöhn-
lichen Bedingungen nicht isolirt; das Molecül des freien Oyans besteht
vielmehr aus zwei Oyangruppen:
N:C.C:N.
Cyan O^N, (Dicyan) scheint sich beim Ueberspringen von Inductions-
fiinken in einer Stickstoffatmosphäre zwischen Kohlenspitzen zu bildend
Zur Darstellung' benutzt man die Zersetzung des Quecksilbercyanids in
der Hitze (Gat-Lussac):
Hg(CN), = Hg + C,N.;
^ MoBBBN, Compt. rend. 48, 342 (1859).
' Die von Jacuüemin (Ann. eh. [6] 6, 140 [1885]) angegebene Methode, Cyan
durch Zutropfen von Cyankaliumlösung zu Kupfervitriollösung:
4KCy + Cu,S04 = 2K,S04 + Ou,Cy, + Cy^
998 Freies Oyan.
in einer Eöhre aus schwer schmelzbarem Glase wird das getrocknete
Quecksilbercyanid zur dunkeln Rothgluih erhitzt, das entwickelte Oyangas
wird über Quecksilber aufgefangen. Als Argument für die Constitution
des Cyans, das als Nitril der Oxalsäure:
OH/ \0H
erscheint, wenn man die beiden Cyanradicale seines Molecüls durch
Eohlenstoffbindung yerkettet annimmt, kann seine Bildung aus Ammonium-
oxalat durch Erhitzen mit wasserentziehenden Mitteln, wie Phosphor-
pentoxyd (auch Glycerin ^), angeführt werden, ferner seine Bildung durch
Erhitzen von Glyoxim CH(NOH)-CH(N-OH) (S. 846) mit Essigsäure-
anhydrid *.
Cyan ist ein farbloses Gas von eigenthümlichem, stechendem Geruch,
welches verhältnissmässig leicht zu einer farblosen Flüssigkeit condensirt^
werden kann; bei gewöhnlicher Temperatur bedarf man hierzu eines
Drucks von etwa 4 Atmosphären. Das flüssige Cyan siedet bei — 20-7°,
erstarrt bei noch niederer Temperatur zu Krystallen, die bei —34-4^
schmelzen, und hält sich wochenlang unverändert. Das gasförmige Cyan
wird bis zu einer Temperatur von etwa 800® nicht verändert*; auch bei
noch höheren Temperaturen wird es nur langsam unter Abscheidung von
Kohlenstoff und Bildung von Stickstoff zersetzt 5. Cyangas verbrennt*
mit purpurgesäumter Flamme. Es löst sich in etwa Y^ Volum Wasser,
noch leichter in Alkohol. Die wässrige Lösung ist indess unbeständig',
scheidet bald braune Flocken von sogenannter „Azulmsäure" ab und
enthält dann oxalsaures Ammoniak, kohlensaures Ammoniak, Blausäure
und Harnstoff.
Als Nitril der Oxalsäure erweist sich das Cyan in manchen Reactionen;
so entsteht durch Wasseranlagerung unter dem Einfluss von Halogen-
wasserstoffsäure® oder von Wasserstoffsuperoxyd* (vgl. S. 367) aus Cyan
das Oxamid NHj-CO-CO.NHj; mit Schwefelwasserstoff tritt es zu Thio-
amiden der Oxalsäure (Flavean- und Rubeanwasserstoff, vgl. S. 649)
darzustellen, scheint nicht empfehlenswerth zu sein (vgl. Senf, J. pr. [2] 36, 5U
Anm. [1887]).
* Stoech, Ber. 19, 2459 (1886). " Lach, Ber. 17, 1573 (1884).
» Paraday, Herz. Jb. 4, 57 (1824). Ann. 56, 158 (1845). — Bunsin, Ann.
32, 200 (1839). — Driok u. Loib, Jb. 1860, 41. — A. W. Hopmann, Ber. 3, 663
(1870). — Chappuis u. RiviAre, Compt rend. 104, 1504 (1887).
* V. Meyer a. Goldschmidt, Ber. 15, 1163 (1882).
» BuPF u. A. W. Hopmahn, Ann. 113, 135 (1860). — Berthelot, Compt rend.
96, 955 (1882). — ScHthsENBEROER, Ck)mpt. rend. 111, 774 (1890).
* Vgl. DixoN, Joum. Soc. 49, 384 (1886).
' WöHLER, Pogg. 15, 627 (1829). — Pelouze u. Richardson, Ann. 26, 63 (1838).
Gluvelli, Jb. 1856, 435.
* Schmitt u. Glutz, Ber. 1, 66 (1868).
* Kadziszewski, Ber. 18, 355 (1885).
Pq/raoyan. Oyankokknsäure. 999
zusammen; mit Chlorwasserstoff in alkoholischer Lösung behandelt^,
liefert es neben anderen Produkten den Imidoäther der Oxalsäure.
Analog dem Chlor reagirt das Cyan auf wässrige Kalilauge unter
Bildung von Cyankalium und cyansaurem Kalium:
(CN), + 2K0H = KCN + KCNO + H,0.
Paraeyan' (CN)x — eine polymere Modification des Cyans (vgl. S. 1029) — ent-
steht als Nebenprodukt bei der Darstellung des Cyans aus Quecksilbercyanid; beider
Elektrolyse von Cyankalium wird das Cyan vollständig in Form von Paracyan ab-
geschieden. Paracyan stellt ein braunes, amorphes, in Wasser und Alkohol unlös-
liches Pulver dar und verwandelt sich beim Erhitzen auf 860^ vollständig in Cyan.
Cyankohlensäure' CN-CO,H steht als Halbnitril in der Mitte zwischen
Cyan und Oxalsäure:
c=N c ^N ce
C-=N C<f .0
Die Säure selbst exlstirt nicht, wohl aber ihre Ester, welche aus Oxaminsäureestem
(S. 648) durch Wasserentziehung entstehen, z. B.
CO-NH, CN
COOC^Hg COOCjHb
Cyankohlensäureäthylester CN-CO-O-C^Hg ist flüssig, siedet bei 115° bis
116*, besitzt einen ätherischen, aber zugleich sehr stechenden Geruch, ist in Wasser
unlöslich und zerflEÜlt, in Berührung damit, langsam in Blausäure, Alkohol und
Kohlensäure.
Cyanwasserstoff oder Blausäure.
Die Verbindungen der Kohlenwasserstoffradicale mit der
Cyangruppe sind schon S. 251 — 252 u. S. 292 flf. besprochen worden.
Es sei daran erinnert, dass sie in zwei isomeren Formen existiren, —
einerseits als Nitrile, in denen das Kohlenwasserstoffradical mit dem
Kohlenstoflfatom der Cyangruppe verknüpft ist:
CHj.CN,
andererseits als Tsonitrile (Carbylamine)^ in denen der Kohlen wasser-
stofiirest an dem StickstofiEatom der Cyangruppe haftet:
in n ni IV / v
CH,— N=C bezw. CH,— N=C<' bezw. CH,— N^C.
1 VoLHARD, Ann. 168, 118 (1871). — Pikner u. Klein, Ber. 11, 1481 (1878).
' Johnston, Berz.'Jb. 10, 72 (1881). Ann. 22, 280 (1887). — Thaulow, Berz. Jb.
23, 81 (1844). — Delbrück, J. pr. 41, 164 (1847). — Troobt u. Hautefeuillb,
Compt. rend. 66, 735, 795 (1868). — Schützenberger , Bull. 4S, 806 (1885). —
Klabon, J. pr. [2] 34, 158 (1886). — Mulder, Rec. trav. chim. 6, 199 (1887). —
HmoKF, ZtBchr. f. physik. Chem. 10, 616 (1892).
» Wagner u. Tollens, Ber.5, 1045 (1872). — Weddige, J. pr. [2] 10, 193 (1874).
— Wallach, Ann. 184, 12 (1877).
1000 Cyanwasserstoff oder Blausäure (Constitution,
Die Wasserstoffverbindung des Cyans HCN dagegen existirt
unserer Kenntnis nach nur in einer Form; sie ist eine Verbindung von
saurer Natur und wird ihrer Ueberfuhrbarkeit in Berlinerblau wegen ge-
wöhnlich Blausäure genannt. Ihre Metallsalze, wie KCN, AgCN etc.
kennen wir ebenfalls nur in einer Form. Es wirft sich mithin die Frage
auf, ob die Constitution dieser uns allein bekannten Modificationen der
Nitrilform :
H-C^N
oder der Isonitrilform:
in n in IV / v
H— N=rC bezw. H-N^C<^ bezw. H— N^C
entspricht. Die Frage ^ lässt sich einstweilen nicht entscheiden. Manche
Reactionen des Cyanwasserstoffs bezw. seiner Salze (vgl. S. 1003 — 1004)
sprechen für die Nitrilformel, andere fiir die Isonitrilformel, wieder an-
dere lassen sich mit beiden Formeln gut vereinen. Die Auffassung der
Blausäure als Ameisensäurenitril H — C=^N ist indess bisher die ge-
bräuchlichere geblieben.
Aehnlichen Erscheinungen — Existenz zweier Reihen von Derivaten,
während die Stammform nur in einer Modification bekannt ist, — be-
gegnet man häufig. Sie werden im Anschluss an die Besprechung der
Cyansäurederivate (vgl. S. 1023 ff.) eine nähere Erörterung erfahren.
Cyanwasserstoff oder Blausfture HCN ist zuerst von Gay-Lussac
1811 rein dargestellt. Sie findet sich in gebundener Form — als Amygdalin
(vgl. Bd. n): ein Glykosid, das durch Hydrolyse in Benzaldehyd C^Hj-
CHO, Blausäure und Zucker zerfällt — häufig im Pflanzenreiche, so in
den bitteren Mandeln, den Kirschlorbeerblättem , den Blättern von
Gymnema latifolium Wall., den Rinden von Pygiumarten etc. Da in der
Regel (aber nicht immer) das Amygdalin von einem Ferment begleitet
wird, das seine Spaltung unter geeigneten Bedingungen bewirkt, so erhält
man aus amygdalinhaltigen Pflanzentheilen, wenn man sie mit Wasser
einweicht, meist eine Flüssigkeit, welche freie Blausäure enthält Aber
auch das directe Vorkommen von freier Blausäure in Pflanzen ist con-
statirt; in allen Theilen des javanischen Baumes „Pangium edule" findet
sie sich, und zwar in erheblicher Menge; die Quantität Cyanwasserstoff,
die in einem solchen Baum enthalten ist, wird auf mindestens 350 g ge*
schätzt; die Samenkeme dieser Pflanze sind daher ein furchtbares Gift
und werden auf Java als Gift beim Fischfang, als Insecten tödtendes
Mittel benutzt; andererseits bilden sie, wenn durch passende Zubereitung
(Kochen oder längeres Einweichen in fliessendem Wasser) die Blausäure
entfernt ist, ein werthvolles Nahrungsmittel der Mahden 2.
Salze der Blausäure (Cyanide) entstehen, wenn StickstoiF und Kohlen-
stoff in Gegenwart von starken Basen bei Glühhitze zusammentreffen^.
^ Vgl. dazu Brühl, Ber. 26, 809 (1893).
• Greshopp, Ber. 23, 3548 (1890). • Vgl. Delbrück, J. pr. 41, 161 (1847).
Vorkommen, Bildung, Daratdhmg). 1001
Leitet man Stickstoff über ein glühendes Gemisch von Kohle mit Pott-
asche oder Aetzbar}^t, so erhält man Cyankalium bezw. Cyanbaryum^;
Stickstoffbarium^ im Kohlenoxydstrom auf ßothgluth erhitzt^ liefert Cyan-
baryum*. Werden stickstoffhaltige organische Körper mit einem Alkali
erhitzt, so bildet sich Alkalicyanid; es beruht hierauf die Probe von
Lassaigne zum Nachweis des Stickstoffs in- organischen Verbindungen
(S. 8) und die alte fabrikmässige Darstellung (vgl. S. 1036) des gelben Blut-
laugensalzes K^FeCyg (Ferrocyankalium), welches in grossen Mengen in
den Handel gebracht wird und daher den technischen Ausgangspunkt
für die Darstellung fast aller übrigen Cyanverbindungen bildet. Leitet
man Ammoniak über glühende Kohlen, so wird Cyanammonium gebildet^;
daher entsteht dieses Salz, wenn die stets stickstoffhaltige Steinkohle
der trockenen Destillation unterworfen wird; so erklärt sich das Vor-
kommen von Cyanammonium im rohen Leuchtgas; bei der Reinigung
des Leuchtgases wird sein Cyangehalt in den Reinigungsapparaten zurück-
gehalten, deren Inhalt zur Zeit eine technisch höchst wichtige Cyan-
quelle bildet.
Zur Darstellung der Blausäure bedient man sich des eben er-
wähnten, von der Grossindustrie (vgl. S. 1036) erzeugten Ferrocyau-
kaliums K^FeCy^; man destillirt dieses Salz mit verdünnter Schwefel-
säure (concentrirte Schwefelsäure entwickelt nicht Blausäure, sondern
Kohlenoxyd):
2K4FeCye + 3H,S04 = SK^SO^ + KjFcjCya + «HCy
und erhält ein Destillat von wässriger Blausäure. Wendet man eine
Schwefelsäure aus 4 Th. concentrirter Schwefelsäure und 7 Th. Wasser
an, trocknet die entweichenden Dämpfe in gelinde erwärmten Chlorcalium-
röhren und condensirt sie dann in einer Kältemischung, so erhält man
wasserfreie Säure. Letztere kann auch in bequemer Weise gewonnen
werden, indem man zu einer concentrirten, im Wasserbad erwärmten
wässrigen Cyankaliumlösung eine concentrirte wässrige Weinsäurelösung
zutropfen lässt; die entweichenden Dämpfe werden nieder durch Chlor-
calcium, eventuell auch Phosphorsäureanhydrid getrocknet, dann con-
densirt.
Eine Reihe weiterer Bildungsweisen der Blausäure ist Von theoreti-
schem Interesse. Blausäure kann durch Vereinigung von Cyan mit
Wasserstoff unter dem Einfluss dunkler elektrischer Entladungen^ oder
hoher Temperaturen* erhalten werden; aus einem Gemisch von Acetylen
^ Tbompsok, Berz. Jb: 21, 80 (1842J. ^ Bünsen u. Playfair, J. pr. 42, 397
(1847). — Mabouerite n. Soürdeval, Compt. rend. 60, 1100 (1860). — Hempel, Ber.
23, 8390 (1890).
' Maqurnne, Compt. rend. 114, 221 (1892).
' Laholois, Berz. Jb. 22, 84 (1848). — Leybold, Schillings Journal für Gas-
beleucbtung und Wasserversorgung 1890, 386.
* BoiLLOT, Compt. rend. 76, 1132 (1873).
* Berthblot, Ann. eh. [5J 18, 380 (1879).
1002 Gyanwasamstoff oder Blausäure (Bildung,
und Stickstoff^ entsteht sie beim Durchschlagen von InduktionsAinken.
Analog wie sich Isonitrile aus Aminen durch Einwirkung von Chloroform
in Gegenwart von Alkalien bilden (S. 251), entsteht beim Aufkochen von
Chloroform mit Ammoniak^ und Kalilauge Blausäure. Ihre Bildung
durch trockene Destillation des ameisensauren Ammoniums^ entspricht
andererseits wieder einer allgemeinen Bildungsreaction der Nitrile (S. 294),
ebenso ihre Entstehung aus Methylamin (vgl. S. 295), aus welchem sie
durch Zersetzung bei Kothglühhitze*, femer beim Anzünden der wässrigen
Lösung^ erhalten werden kann.
Zuweilen entsteht Blausäure auch durch Spaltung von complexen
Verbindungen, so aus manchen aromatischen Nitroverbindungen (Dinitro-
benzol, Pikrinsäure) durch Kochen mit Alkalien®. Häufig tritt sie bei
der Oxydation organischer Verbindungen durch Salpetersäure' auf,
wahrscheinlich weil die zunächst durch den Oxydationsprocess gebildete
salpetrige Säure auf die ersten Oxydationsprodukte unter Bildung von
Oximido Verbindungen einwirkt, die sich dann unter Abgabe von Blau-
säure zersetzen (vgl. z. B. das Verhalten des S. 860 beschriebenen Düso-
nitrosoacetons, der Oximidoessigsäure S. 949, der Isonitrosomalonsanre
S. 983).
Wasserfreie Blausäure® ist eine farblose Flüssigkeit von bitter-
mandelartigem Geruch, siedet bei +26-1®, erstarrt in der Kälte zu farb-
losen Krystallen, welche bei — 14® schmelzen, und besitzt bei 18® das
spec. Gew. 0'697; sie brennt mit violetter Flamme. Sie' ist ein furcht-
bares, schon in äusserst kleinen Mengen tödtlich wirkendes Gift'; das
beste Gegengift ist nach Gaütieb, welcher wohl die grössten Quantitäten
wasserfreier Blausäure in Händen hatte, Einathmen von chlorhaltiger
Luft; neuerdings hat sich bei Thierversuchen (nach Kbohl) Wasserstoff-
superoxyd als sehr wirksames Antidot erwiesen.
Reine wasserfreie Blausäure ist weder luft- noch lichtempfindlich:
sie kann ohne Veränderung aufbewahrt werden; in Gegenwart von
Spuren Feuchtigkeit und Ammoniak oder von Cyankalium dagegen zersetzt
sie sich rasch unter Bräunung und Bildung von „Azulminsubstanzen'' ^^
* Berthelot, Ann. 150, 60 (1868). — Vgl. auch Perkin, Jb. 1870, 399.
« Heintz, Ann. 100, 369 (1856). — A. W. Hopmann, Ann. 144, 116 (1867).
^ Pelouze, Doebereinbr, Ann. 2, 89 (1832).
* WuRTz, Ann. eh. [3] 30, 454 (1850).
* ToLLENS, Ztschr. Chem. 1866, 516.
« Post u. Hübner, Ber. 5, 408 (1872).
' Vgl. Hantzsch, Ann. 222, 65 (1884).
8 Gautier, Ann. eh. [4] 17, 114 (1869).
^ Vgl. über Blausäure Wirkung : Oautier, Ann. eh. [4] 17, 167 Anm. (1869). —
Samoyloff's Bericht, Cöthener Chem.-Ztg. 16, 1668 (1892). — Aütsnrietb, Arch. f.
Pharm. 231, 105 (1892).
" Gaütier, Ann. eh. [4] 17, 158 (1869). — Lescoeur u. R1GAU1.T, Bull. 34,
472 (1880).
Eigenschaften, Verhalten, Salze). 1003
Die wässrige Säure zersetzt sich^ — namentlich rasch am Licht —
unter Abscheidung eines braunen NiederscUags und Bildung von Am-
moniak, Ameisensäure, Oxalsäure etc.; durch Zusatz geringer Mengen
von Mineralsäure wird die Zersetzung wesentlich verlangsamt^.
Durch Reduction mit Wasserstoff^ kann Blausäure in Methylamin,
durch ,jVerseifung"* mit rauchender Salzsäure in Formamid, durch Be-
handlung mit Chlorwasserstoff in alkoholischer Lösung^ in Ameisen-
säureester übergeführt werden. Diese Reactionen entsprechen durchaus
der Auffassung der Blausäure als Formonitril, lassen sich aber, wie
leicht ersichtlich, auch mit der Isonitrilformel \C : NH gut vereinbaren.
Mit Halogen wasserst offsäuren' vereinigt sich wasserfreie Blausäure zu
additionellen krystallinischen Verbindungen, wie 2CNH + 3 HCl und 2CNH + 3HBr.
— Auch mit Metall Chloriden^ tritt Cyanwasserstoff zu additioneilen Verbindungen
zusammen. — Wasserstoffsuperoxyd® erzeugt aus Cyanwasserstoff Ozamid. —
Beim Einleiten von Schwefelwasserstoff® in eine concentrirte Lösung von Cyan-
kalium wird eine Verbindung C^HgNsS, (Chrysean) gebildet, die aus kochendem
V^asper in goldgelben Nadeln krystallisirt.
Salze der Blausäure oder Cyanide. Die Blausäure ist eine wohl-
ausgeprägte Säure; sie röthet Lakmuspapier und bildet Metallverbin-
dungen von durchaus salzartigem Charakter; immerhin ist sie eine so
schwache Säure, dass sie aus ihren Alkalisalzen schon durch Kohlen-
säure ausgetrieben wird; diese Salze zeigen daher beim Liegen an der
Luft stets Geruch nach freier Blausäure. Nur die Cyanide der Alkali-
metalle, der alkalischen Erden und des Quecksilbers sind in Wasser
löslich; alle übrigen einfachen Cyanide sind in Wasser unlöslich, lösen
sich aber in Cyankalium unter Bildung löslicher Doppelcyanide auf.
Entsprechend den beiden für die Blausäure selbst in Frage stehen-
den Constitutionsmöglichkeiten (vgl. S. 1000) kann man in ihren Salzen das
Metallatom entweder an Kohlenstoff oder an Stickstoff gebunden annehmen:
Me-C:^N oder \c=N-Me.
Lässt man Alkylhalogene auf Cyankalium wirken, so erhält man als
Hauptprodukt stets Nitrile (E-CN) neben geringen Mengen von Isonitrilen
(R-NC); umgekehrt entstehen aus Cyansilber (Cyanquecksilber, Cyanzink^^
und Alkylhalogenen als Hauptprodukt Isonitrile (R-NC). Fände ein ein-
* Vgl. auch V. d. Pfobdten, Ber. 18, 1875 (1885).
* LiEBiGy Ann. 18, 70 Anm. (1836). • Debus, Ann. 128, 200 (1863).
* Geiger, Ann.l, 54 (1832), — Pelouze, Ann. 2, 84 (1832). — Claisen u. Matthews,
Ber. 16, 311 (1883).
* Pinneb u. Klein, Ber. 11, 1475 (1878).
« Gal, Ann. 138, 88 (1866). — Gautieb, Ann. eh. [4] 17, 128 (1869). — Claisen
u. Matthews, Ber. 16, 808 (1883). — Nep, Ann. 270, 306 (1892).
' WöHLEB, Ann. 73, 226 (1850). — Klein, Ann. 74, 85 (1850).
« Radziszewski, Ber. 18, 356 (1885). » Wallach, Ber. 7, 902 (1874).
^^ Calxels, Compt. rend. 99, 239 (1884).
1004 Salze der Blausäure
facher Austausch des Metallatoms gegen einen Alkylrest statt, so könnte
man aus diesen Thatsachen schliessen, dass unter den Metallcjaniden
einige die Nitrilconstitution, andere die Isonitrilconstitution besitzen. Es
ist indess auch möglich^, dass das Halogenalkyl zunächst unter Addi-
tion reagirt, worauf dann Abspaltung des Metallhalogenids erfolge»
könnte (vgl. S. 652, 963), z. B.:
Nc=NK + CHsJ = * *\c NK = C,H5.C=N -h KJ.
Es ist oben erwähnt worden, dass die unlöslichen Metallcyanide sich
in Cyankalium zu leicht löslichen Doppelcyaniden auflösen. Diese Nei-
gung zur Bildung eigenthümlicher, salzartiger Doppelverbindungen ist
eine besonders charakteristische Eigenschaft der Cyanwasserstoffisäure;
sie bedingt es, dass die Chemie der Metallcyanide ein Gebiet von sehr
weitem umfang geworden ist.
Unter diesen Doppelcyaniden giebt es eine grosse Zahl, in welchen
die Eigenschaften der Blausäure sowohl wie der darin enthaltenen
Schwermetalloxyde durchaus verändert sind. Durch verdünnte kalte
Mineralsäuren wird aus ihnen die Blausäure nicht — oder wenigstens
nur partiell^ — ausgetrieben, das Schwermetall kann in ihnen nicht
direct durch die gewöhnlichen analytischen Reactionen nachgewiesen
werden. Von diesen eigenthümlichen Doppelcyaniden sind besonders
zwei eisenhaltige Cyanide:
K^FeCye und KgFeCye
Ferrocyankalium Ferricyankaliiim
äusserst wichtig. Ihrer Zusammensetzung nach könnte man sie einfach
als Doppelsalze aus Cyankalium und Cyaneisen betrachten:
^♦FeCye = 4KCy + FeCy^
KsFeCye = SKCy + FeCys.
Allein dieser Auffassung widerspricht ihr Verhalten. Während Cyan-
kalium ein furchtbares Gift ist, sind diese Salze verhältnissmässig un-
giftig; versetzt man ihre Lösung mit verdünnten Mineralsäuren, so werden
krystallinische Cyanwasserstoffverbindungen der Eisencyanide — Ferro-
cyanwasserstoff H^FeCy^ bezw. Ferricyanwasserstoff HjFeCy^ — abge-
schieden; Eisen kann man aus den Lösungen jener Doppelcyanide weder
durch Alkalien noch durch Alkalisulfide fällen. Vermischt man sie mit
den Lösungen von anderen Schwermetallsalzen, so werden nicht etwa
einfache Cyanide gefallt, sondern besondere eigenthümliche Niederschläge,
in welchen das Alkalimetall obiger Salze durch Schwermetalle ersetzt
ist, z. B.:
K4FeCye + 2CUSO4 = Cu,FeCya + 2K,S04
2K,FeCye + 3FeCl, = FejCFeCye), + 6KC1;
* Vgl. Nep, Ann. 270, 329 (1SÖ2).
' Vgl. AüTENRiETH, Arch. f. Pharm. 231, 99 (1892).
oder Cyanide. 1005
werden diese Niederschläge, dann wieder mit Kali behandelt, so geht
Cyaneisen in Foim des ursprünglichen Alkalidoppelcyanids in Lösung,
während das Hydroxyd des vorher gefällten Metalls zurückbleibt:
CujFeCya + 4K0H = K^FeCy, + 2Cu{0H),.
Alle diese Erscheinungen lassen sich in einfacher Weise deuten, wenn
man annimmt, dass gewisse Metallcyanide sich mit Cyanwasserstoff zu
„complexen Säuren*^ vereinigen, in deren Molecülen das Metallatom einen
Bestandtheil des Säureradicals bildet. Dass sich derartige Säuren wirk-
lich isoliren lassen, ist eben schon bemerkt; jene Alkaliverbindungen
erscheinen dann als lösliche Salze der Ferrocvanwasserstoffsäure bezw.
Ferricyanwasserstoffsäure, die sich mit Schwermetallsalzen zu unlöslichen
Salzen derselben Säuren umsetzen.
Dass die Reactionen der Eisency anverbind ungen und ähnlicher Salze
von den Beactionen der Cyanide und den gewöhnlichen Metallreactionen
abweichen, erklärt sich in besonders einleuchtender Weise auf Grund
der elektrolytischen Dissociationstheorie. Unsere analytischen Reactionen
auf Cyan und Eisen sind im Sinne dieser Theorie nicht Beactionen auf
die Cyangruppe oder die Eisenatome schlechthin, sondern auf die Ionen:
CN bezw. Fe" oder Fe"»,
deren Existenz in den Lösungen gewöhnlicher Cyanide oder gewöhnlicher
Eisensalze anzunehmen ist. In einer Lösung von Ferro- oder Ferri-
cyankalium aber existiren diese Ionen gar nicht und können daher auch
nicht durch ihre Reactionen nachgewiesen werden. Vielmehr finden sich
in diesen Lösungen neben den positiven Ealiumionen die negativen com-
plexen Ionen:
»^FeCye bezw. "'FeCye,
Ferrocyan Ferricyan
welche ihrei-seits durch besondere Reactionen charakterisirt sind.
Will man sich durch Structnrformeln ein Bild von diesen Doppelcyanverbin*
dangen entwerfen, so liegt es nahe, in ihrem MblecÜl den in vielen polymeren Cyan-
verbindungen vorkommenden „Tricyankem" oder „Prussiankem" CjNj (vgl. S. 1028),
dem gewöhnlich die aufgelöste Formel:
N N
-C C-
gegeben wird, anzunehmen und Formeln aufzustellen, wie
II ACy\K, m y(Cy),K
Fe^ Fe^
\Cy)3K, ^(Cy)3K, '
allein diese Formeln entbehren jeder experimentellen Begründung, und die Bemühungen,
die Zusammensetzung der Eisencyanverbindungen wie auch anderer complezer Salze
1006 OyankaLium, Oyansüberj Oyankupfer, Oyanquecksüber,
darch Stracturfonneln auszudrücken, haben überhaupt noch niemab zu einem be-
friedigenden Ergebniss geführt^.
Neuerdings hat A. Webheb' in umfassender Weise die Zusammensetzung der
complexen anorganischen Verbindungen discutirt und überraschende Beziehungen in's
Licht gestellt, welche sich bezüglich der Zusammensetzung von MetallammoniaksalzeD,
von Doppelchloriden, Dop^elcyaniden und anderen Doppelsalzen, von sogenannten
Krystall Wasser Verbindungen der einfachen Metallsalze etc. ergeben. Auf Grund dieser
merkwürdigen Beziehungen entwickelt er eine vielversprechende, den Boden der
heutigen Valenzlehre verlassende Theorie, welche auch auf die Eisencyan Verbindungen
angewendet werden kann. Die Eigenschaft des Eisenatoms, durch Zusammentritt mit
sechs Gruppen ein complexes Hadical zu bilden, die aus den Formeln der Ferrocyanide
und Ferricyanide erkennbar ist, erscheint als specieller Fall einer allgemeinen Eigen-
thümlichkeit, welche einer grossen Zahl von Elementaratomen zukommt und für die
Constitution vieler Metallsalze von fundamentaler Bedeutung zu sein scheint. Webüeb
denkt sich diese sechs Gruppen zunächst in einer Sphäre um das Metallatom gelagert
— und zwar in den Ecken eines Octagders, in dessen Centrum sich das Metallatom
selbst befindet; dieses System bildet das eine Ion; avsserhalb dieser Sphäre befinden
sich die Atome bezw. Gruppen, welche bei der elektrolytischen Dissociation als Ionen
von entgegengesetztem Charakter losgelost werden. Diese kurzen Andeutungen mögen
hier genügen, um die Richtung der WEBNER'schen Speculationen zu kennzeichnen;
bezüglich ihrer Durchführung muss auf die Originalabhandlung verwiesen werden.
Wenn die Cyanwasserstoffsäure selbst auch in der organischen
Chemie behandelt wird, so werden ihre Salze aus Zweckmässigkeits-
gründen doch in der Regel schon in der anorganischen Chemie bei den
einzelnen Metallen besprochen, da die Kenntniss der Metallcyanide für
die Charakterisirung mancher Metalle sehr wichtig und für das Ver-
ständniss vieler analytischer Methoden unerlässlich ist. Von den einzelnen
Cyaniden ist daher hier nur so viel mitgetheilt, als zur Kennzeichnung
der Cyanwasserstoffsäure selbst nöthig erscheint; eingehendere Angaben
über die einzelnen Cyanide finden sich in den ausführlichen Lehrbüchern
der anorganischen Chemie. bei der Schilderung der betreflfenden Metalle.
Cyankalium KCN ist ein zerfliessliches, farbloses, furchtbar giftiges Salz, das
in Würfeln oder OctaSdem krystallisirt erhalten werden kann. Im Handel findet
man es meist in Stücken oder Stangen, die durch Erstarren des geschmolzenen
Salzes gewonnen sind. Es ist in Wasser sehr leicht, in absolutem Alkohol kaum,
dagegen in wfissrigem Alkohol ziemlich leicht loslich und schmilzt bei Rothglutb
ohne Zersetzung. Die wfissrige Lösung zersetzt sich beim Kochen unter Entwickeiong
von Ammoniak und Bildung von ameisensaurem Kalium. Cyankalium wird technisch
aus dem Ferrocyankalium durch Zersetzung in der Hitze dargestellt (vgL S. 1038):
schmilzt man Ferrocyankalium unter Zusatz von Pottasche, so erhält man das soge-
nannte „LiEBio'sche Cyankalium", das neben Kaliumcyanid auch Kaliumcyanat
enthält:
K^FeCCN)« -f KgCO, = 5 KCN + KCNO + Fe + CO,;
chemisch reines Cyankalium wird als pulvrig krystallinischer Niederschlag durch Ein-
leiten von Blausäuredämpfen in alkoholisches Kali erhalten. Geschmolzenes Cyan-
kalium ist ein krä^ges Beductionsmittel, das in der analytischen Chemie häufig zar
Abscheidung der regulinischen Metalle aus ihren Oxyden oder Sulfiden benutzt wird :
" Vgl. Werner, Ztschr. f. anorgan. Chem. 3, 282—283 (1893).
« Ebenda, 267 ff.
Ferrocyanwassersto/fsäure und Ferricyanwasserstoffsäure, 1007
seine Wirkung beruht darauf, dass es den Sauerstoff bezw. Schwefel entzieht, um
selbst in cyansaures bezw. sulfocyansaures Kalium (KCNO und KONS) überzugehen
(vgL S. 1010, 1014). In der organischen Chemie benutzt man es vielfach zur Ein-
führung von Cyan an Stelle von Halogen (vgl. z. B. S. 293). Ueber seine tech-
nische Verwendung vgl. S. 1038.
Cyansilber AgCN ist ein weisser, käsiger, dem Chlorsilber ähnliclier Nieder-
schlag, in Wasser und verdünnten Säuren unlöslich, in Ammoniak leicht löslich. In
Oyankalium löst es sich leioht unter Bildung des Doppelsalzes KAgCyg auf.
Kupfercyanid ist ein sehr unbeständiger gelber Niederschlag, der sich rasch
unter Abgabe von Cyan und Verwandlung in ein cyanärmeres Salz zersetzt (vgl.
Anm. 2 auf S. 997). £ine Auflösung von Kaliumkupfercyanür — bereitet durch Ein-
tragen von überschüssigem Cjankalium in erwärmte Kupfervitriollösung — wird häufig
bei der Darstellung von aromatischen Verbindungen zum Austausch der Diazogruppe
gegen Cyan benutzt (SANDMEYEs^sche Reaction, vgl. Bd. II).
Quecksilbercyanid Hg(CN)2 — durch Auflösen von Quecksilberoxyd in Blau-
sänre oder durch Kochen von Berlinerblau mit Quecksilberozyd und Wasser darstell-
bar — kiystallisirt in quadratischen Säulen, ist in Wasser ziemlich leicht löslich und
äusserst giftig. Es dient zur Darstellung des freien Cyans (S. 997).
Ferrocy an wasserstoffsäure H^FeCj^ bildet weisse Krystalle, färbt sich an
der Luft bald blau, ist in Wasser und Alkohol leicht löslich. — Kaliumferrocyanid
K4FeCye -f SHjO (gelbes Blutlaugen salz) bildet citronengelbe wasserhaltige Kry-
stalle, in wasserfreiem Zustand ein weisses Pulver; es ist in etwa 4 Theilen kaltem
Wasser löslich; über seine technische Darstellung und Bedeutung vgl. S. 1036—1087;
es bildet sich beim Kochen von Cyankaliumlösung mit Eisenoxydul:
Fe(OH), + 6KCN = K4Fe(CNje + 2K0H;
diese Bildung wird zum qualitativen Nachweis des Cyans benutzt (vgl. S. 1008). —
Ferriferrocyanid Fe4(FeGy^\ = Fe^Cy^a ist der unter dem Namen „Berlinerblau"
bekannte Niederschlag, der beim Vermischen von Ferrocyankaliumlösungen mit
Eisenoxydsalzen .entsteht — Durch Einwirkung von Jodäthyl auf Ferrocy ansilber ist
Ferrocy anäthyP (C2H5)4FeCye erhalten, das aus Chloroform in rhombischen, ohloro-
formhaltigen Krystallen anschiesst, in Wasser leicht löslich ist und sich bei 212 — 214^
zersetzt. — Durch Einwirkung von Salpetersäure auf Ferrocyansalze werden Salze der
Nitroprussid wasserstoffsäure gewonnen; das Nitroprussidnatrium NasFeCy5(N0)
•{• 213. fi krystallisirt in prächtigen rubinrothen Prismen; seine Lösung giebt mit
Alkalisulfiden eine intensive violette Färbung, die bald wieder verschwindet, und dient
als empfindliches Beagens auf Schwefelwasserstoff.
Ferricyanwasserstoffsäure HjFeCye bildet braune Nadeln. — Kalium-
ferricyanid K,FeCye (rothes Blutlaugensalz) wird durch Einleiten von Chlor
in Kaliumferrocyanidiösung erhalten:
Ki^^eCye + Cl = K.FeCye + KCl,
stellt dunkel rothe Krystalle dar und löst sich in etwa 2Vs Th. Wasser; durch Um-
setzung mit Eisenoxydulsalzen giebt es „TumbuU^s Blau'^ (Ferroferricyanid Fe^{FeCj^\
— Feßyi^) und dient daher in der analytischen Chemie als Beagens auf Eisenoxydul.
In der organischen Chemie wird es häufig als Oxydationsmittel in alkalischer
Lösung verwendet; die Oxydationswirkung zweier Molecüle K,FeCye entspricht einem
Sauerstoffatom :
2K,FeCye + 2K0H -f- X = 2K^FeCye -h H^O -*- XO
> M. Freund, Ber. 21, 935 (1888).
1008 Nachweis und Bestimmung der Blausäure.
(X ein zu ozydirendes Molecttl). Umgekehrt wirkt Ferrocyankalium in saurer
Lösung reducirend, z. B.:
öK^FeCye + KMnO* + 8 HCl = 5K,FeCya + 6 KCl + MnCl, + 4H,a
Zum qualitativen Nachweis^ führt man die Blausäure in Ber-
linerblau oder in die an der rothen Eisenreaction (vgl. S. 1016) leicht
erkennbare Rhodanwasserstoffsäure über. Ersteres geschieht, indem man
die zu prüfende Lösung mit einigen Tropfen Eisenoxydul-oxjdlösung ver-
setzt, darauf alkalisch macht, mit den ausgefallenen Eisenoxyden kurze
Zeit erwärmt und nun mit Salzsäure ansäuert (vgl. die Prüfung orga-
nischer Verbindungen auf Stickstoff, S. 8). Zur Ueberführung in eine
Rhodanlösung verdampft man die zu prüfende Flüssigkeit nach Zusatz
von gelbem Schwefelammonium auf dem Wasserbade zur Trockne; man
nimmt nun wieder mit Wasser auf und prüft die Lösung, die jetzt statt
des ursprünglich vorhandenen Cyanwasserstoffs Rhodanwasserstoffsänre
(HCNS) in Form des Ammoniumsalzes enthalten würde, mit Eisenchlorid.
— Zur quantitativen Bestimmung benutzt man das Cyansilber.
Man fallt dasselbe entweder aus schwach salpetersaurer Lösung aus und
wägt es auf einem gewogenen Filter. Oder man titrirt in alkalischer
Lösung mit titrirter Silberlösung nach Zusatz von etwas Kochsalz; es
fällt zunächst nur Cyansilber aus, das sich aber gleich wieder zu dem
Doppelsalz KAg(CN)2 löst, so lange noch auf ein Molecül Silbercyanid
ein Molecül Alkalicyanid vorhanden ist; sowie aber auf 2 Mol. Alkali-
cyanid 1 Mol. Silbernitrat zugesetzt ist, bildet sich auf weiteren Zusatz
ein bleibender Niederschlag von Chlorsilber*.
Polymere der Blausäure. Bei längerem Stehen von wässiiger Blausfiure, wel-
cher durch ZuBat2 von etwas Cyankalium oder kaustischen oder kohlensauren Alkalien
alkalische Reaction verliehen ist, bildet sich neben Azulmsäure (vgl. S. 998| 1002).
und anderen Produkten eine der Blausäure polyniere Verbindung', welche eich mit
Aether ausschütteln lässt. Sie bildet farblose Krystalle, löst sich schwer in kaltem
Wasser, beginnt bei 140° sich zu zersetzen und wird beim Erwärmen mit Baryt-
lösung oder Salzsäure in Kohlensäure, Ammoniak und GlykokoU gespalten ; auf Grund
dieser Spaltung wird ihr die Formel eines Amidomalonitrils CN'CHNHjl-CX
(vgl. Amidomalonsäure, S. 837):
/CN
H.C:N+2H.CX = H.C(-NHa,
\CN
CN.CH(NHa).CN 4- 4H,0 = CO, + CH,(NHO • COjH + 2NH,
beigelegt.
Adenin^ C5H5N5 — eine von Kossel bei der Verarbeitang von Pankreas-
drüsen aufgefundene basische Substanz — bt der Blausäure polymer und mag daher
^ Vgl. Link u. Möckbl, Ztschr. f. analyt. Chem. 17, 456 (1878).
• Liebig, Ann. 77, 102 (1851).
» 0. Lange, Ber. 6, 99 (1873). — Wippermann, Ber. 7, 767 (1874). — LESooEn
u. RiGAULT, Bull. 34, 478 (1880).
* K088BL, Ber. 18, 78, 1928 (1885); 20, 3356 (1887). — Schindleb, Ztschr. f.
physiol. Chem. 13, 432 (1889). — Bruhns, Ber. 23, 225 (1890). — Bruhns u. Kossei^
Ztschr. f. physiol. CThem. 16, 1 (1892). — KRttOER, ebenda, 160, 329.
Polf/mere der Blausäure. Adenin. 1009
hier aufgeführt werden, obgleich sie mit der BlausSure nicht durch genetische Be-
ziehungen verknüpft ist. Das Adenin entsteht durch Spaltung der in allen ent-
wickelungsfllhigen Zellen vorkommenden Nuclei'ne und wird daher häufig in den
Extracten thierischer oder pflanzlicher Gewebe gefunden. Es krystallisirt aus Wasser
mit 3 Mol. Krystallwasser, wird bei 53 — 54^ wasserfrei, bildet Salze wie C5H5N5.HCI,
liefert, mit überschüssigem Essigsäureanhydrid erhitzt, ein Monacetjlderivat
CgHiNftCCO'CH,), wird durch Erhitzen mit Salzsäure in Ammoniak, Kohlensäure,
KoUenoxyd und GlykokoU gespalten und durch salpetrige Säure in Hypoxanthin
(S. 1090) übergeführt Zum Nachweis und zur quantitativen Bestimmung ist das in
kaltem Wasser sehr schwer lösliche (1 : 3500) Pikrat geeignet
Cyansäiire und ihre Derivate.
Aus den Salzen der Cyanwasserstoffsäure Me^CN entstehen durch
Oxydation Salze der Cyansäure Me'CNO, denen das Säurehydrat
HCNO : Cvansäure
entspricht. Entsprechend der Nitrilformel und Isonitrilformel der Blau-
säure kann man für diese Säure die beiden Formeln:
.OH .0
CC und er.
Normale Cyansäure Isocyansäure,
(Nitril der Kohlensäure) Carbimid (Imid der Kohlensäure)
aufstellen. Da sich das Kaliumsalz der Cyansäure auch aus Chlorcyan
(vgl. S. 1011) durch Einwirkung von Kali bildet, so sollte man auf
Grund dieser Bildungsweise
CN-Cl + 2K0H = CN-OK + KCl + H^O
sein Metallatom an Sauerstoff gebunden annehmen. Andererseits ent-
stehen aber durch Austausch der Metallatome gegen Alkylreste aus den
cyansauren Salzen Ester, welche ihren Spaltungen zufolge zweifellos das
Alkyl an Stickstoff gebunden enthalten, z. B. :
CNOAg + CJIsJ = AgJ + CC
^N.C,H5
CC + HjO = CO, + HjX.CjHß.
^N.C,H,
Wir kennen die Cyansäure selbst und ihre Salze nur in einer Fonn
(vgl. S. 999 — 1000), für welche mithin die beiden obigen Structurformeln
möglich sind; eine entscheidende Auswahl zwischen denselben kann
einstweilen nicht getroffen werden (vgl. S. 1023 ff.).
Cyansftare HCNO wird aus ihrer polymeren Moditication — der
Cjanursäure H3C3N3O3 (vgl. S. 1030), welche durch Erhitzen von Harn-
stoff oder aus Cyanurbromid erhalten werden kann, — gewonnen, indem
man die Cyanursäure im Kohlensäurestrom erhitzt und die durch ihren
V. Mrybr u. JaoObsom, org. Chem. I. ^>4
1010 Gyansäure.
Zerfall gebildeten Cjansäuredämpfe in einer Eältemischnng condensirt^
Cyansäure ist eine sehr flüchtige, stechend riechende und ätzend wirkende
Flüssigkeit. Sie ist höchst unbeständig; bei 0^ ist sie innerhalb einer
Stunde in eine polymere Modification von unbekannter Moleculargrosse
— das weisse, amorphe Cyamelid (HCNO)^, das beim Erhitzen wieder
Cyansäure liefert, — verwandelt; beim Herausnehmen der flüssigen
Cyansäure aus dem Eältegemisch erfolgt diese Umwandlung explosions-
artig. Die wässrige Cyansäurelösung zersetzt sich oberhalb 0® rasch in
Kohlensäure und Ammoniak:
CONH + H,0 = CO, + NH»;
in ätherischer Lösung polymerisirt sich Cyansäure zu Cyanursäure^,
ebenso in Berührung mit Triäthylphosphin'.
Kaliumcyanat KCNO entsteht durch Einwirkung von Oxydations-
mitteln auf Cyankalium*, z. B. beim Glühen desselben (bezw. des Ferro-
cyankaliums) mit Braunstein oder Mennige. Zur Darstellung^ trägt man
zweckmässig ein inniges, sehr fein gepulvertes Gemisch von 100 g Ferro-
cyankalium und 75 g Ealiumbichromat in Portionen von 3 — 5 g in eine
stark — aber nicht bis zum Glühen — erhitzte eiserne Schale, wobei
die Oxydation jedesmal unter zunderähnlichem Aufglimmen stattfindet;
dem porösen, lockeren, fast schwarzen Reactionsprodukt entzieht man
das Kaliumcyanat durch Auskochen mit SOprocentigem Alkohol. Cyan-
saures Kalium bildet sich ferner beim Einleiten von Cyan (vgl. S. 999)
oder von Chlorcyan {S. 1011) in Kalilauge und aus zahlreichen Amiden
der Kohlensäure — HarnstoflF, Urethanen, Guanidin etc. — durch Er-
hitzen mit alkoholischer Kalilauge®. Es stellt ein weisses Krystallpulver
dar und ist in Wasser leicht, in absolutem Alkohol nicht löslich. In
wässriger Lösung zersetzt es sich allmählich unter Uebergang in Ammo-
nium- und Kalium carbonat; säuert man seine Lösung mit Salzsäure an.
so erhält man ebenfalls infolge der Unbeständigkeit der freien Cyansäure
ihre Zersetzungsprodukte — Kohlensäure und Ammoniak.
Aus dem Kaliumcyanat können durch doppelte Umsetzungen andere
Salze der Cyansäure erhalten werden. Von besonderem Interesse ist
das Ammoniumcyanat wegen seines Uebergangs in Harnstoff (vgl.
S. 1051). Silbercyanat AgCNO ist ein weisser Niederschlag, der sich
im Gegensatz zu Silbercyanid in verdünnter Salpetersäure unter Zer-
setzung auflöst.
» LiEBio u. WöHLEB, Pogg. 20, 383 (1830). — Baeyer, Ann. 114, 165 (IS60).
— Gattermann u. Rossolyho, Ber. 23, 1192 (1890).
» Klason, J. pr. [2] 33, 129 (1885).
' A. W. Hofmann, Ann. Suppl. 1, 58 (1861).
* WöHLER, Berz. Jb. 3, 78 (1824); 4, 92 (1825). — Liebio, Ann. 41, 289 (18421.
— KoLBE, Ann. 64, 237 (1848). — Clemm, Ann. 66, 382 (1848). — Lea, Jb. 1861, 789.
* CmcHESTER A. Bell, Chem. News 82, 99 (1875). — Gattermank u. Caktzleb,
Ber. 23, 1223 (1890).
* Emich, Monatsh. 10, 321 (1889).
Halogenverhinduiigen des Cyans. 1011
Die Cyansäure kann als Stammsubstanz einer Anzahl von Sub-
stanzen betrachtet werden, die in folgender Reihenfolge:
1. Halogen Verbindungen des Cyans oder Halogenide der Cyansäure
CNCl, CNBr, CNJ.
2. Cyansäure- bezw. Isocyansäureester.
3. Thiocy ansäure CNSH (RhodanwasserstoflFsäure) und ihre Ab-
kömmlinge.
4. Cyanamid CN(NHj) bezw. Carbodiimid C(:NH)2 und seine Ab-
kömmlinge.
nunmehr besctrieben werden mögen. Alle Glieder dieser Gruppe exi-
stiren ferner in polymeren, trimolecularen Modificationen; diese „Tri-
cyanverbindungen** werden in einem späteren Abschnitt (S. 1028 ff.) im
Zusammenhang behandelt.
Die HalogenTerbindungen des Cyans oder Halogenide der
Cyansänre werden durch Einwirkung der Halogene sowohl auf Metall-
cyanide wie auf wässrige Blausäure selbst gebildet^. Zur Darstellung
des Chlorcyans* ist es empfehlenswerth, die Blausäure selbst der Ein-
wirkung von Chlor zu unterwerfen, da beim Einleiten von Chlor in
Quecksilbercyanidlösung zuweilen Explosionen eintreten. Chlorcyan
CNCl ist eine farblose, sehr giftige Verbindung von äusserst stechen-
dem Geruch, bei gewöhnlicher Temperatur an der Grenze zwischen
flüssigem und gasformigem Aggregatzustand; es siedet^ bei + 15 -S®
und erstarrt bei —6** krystallinisch; in Wasser ist es etwas löslich.
Beim Aufbewahren polymerisirt es sich theilweise zu Cyanurchlorid
C3N3CI3 (s. S. 1031); mit Kalilauge liefert es Chlorkalium und cy ansaures
Kalium:
CNCl + 2K0H = CN.OK + KCl + H,0.
Bromcyan CNBr schmilzt bei ungefähr 52® und siedet* bei 61'8^ — Jod-
cyan CNJ kommt häufig im k&uflichen Jod vor'^ und wird zweckmässig durch
Sublimation eines Gemisches von Jod und Quecksilbercyanid in gelinder Wärme
dargestellt^. Es bildet farblose Nadeln, riecht stechend und ist sehr giftig; es ist
leicht flüchtig und snblimirt weit unter seinem Schmelzpunkt, der im zugeschmolzenen
Capillarröhrchen bei 146» 5° gefunden wird; in Wasser ist es leicht löslich; mit Jod-
wassei'stoff, schwefliger Säure, Schwefelwasserstoff und anderen Reductionsmitteln
* Sbrullas, Berz. Jb. 8, 89, 94 (1829); 12, 79 (1883). — Wöhleb, Ann. 73,
220 Anm. (1850). — Caboürs u. Clobz, Ann. 90, 97 (1854). — Laxqlois, Ann. Suppl.
1, 383 (1861). — E. V. Meyer, J. pr. [2] 36, 294 (1887).
« Gautier, Ann. 141, 122 (1867). — Weith, Ber. 7, 1745 (1874).
» WüRTZ, Ann. 79, 280 (1851). — Salet, Ann. 136, 144 (1865).
* MüLDER, Rec. trav. chim. 4, 151 (1885).
^ SoANLAN, F. Meyer, Jb. 1847/48, 380. — Klobaoh, Jb. 1849, 251. — Semenoff,
Jb. 1871, 224.
* Wühler, Bcrz. Jb. 2, 75 (1823). — Serüllas, Berz. Jb. 5, 66 (1826). —
Linkehann, Ann. 120, 36 Anm. (1861). — Seubert u. Pollard, Ber. 23, 1063 (1890).
64*
1012 Ester der Oyansäure.
setzt es sich unter Abscheidung von Jod, das durch einen Ueberschuss des Redoctions-
mittels wieder verschwindet, und Bildung von Blausäure umS z. B.:
2CNJ + SO, + 2HjO = 2HCN + J. + H,S04;
concentrirte Schwefelsäure scheidet in der K<e Jod ab*. Zink scheidet aus der
ätherischen Lösung sofort Jod unter Bildung von Cyanzink ab'.
Ester der Cyansäure. Wenn man Chlorcyan mit Natriumalkoho-
laten in Beaction bringt, so sollte man erwarten, die Ester der normalen
Cyansäure NiC — OR entstehen zu sehen, z. B.:
CNCl + NaOCjHs = CNOCA + NaCl.
Diese Beaction^ ist eingehend untersucht; allein es ist bisher nicht ge.
lungen, jener Ester in reinem Zustand habhaft zu werden. Trotzdem
ist es höchstwahrscheinlich, dass sie in dieser Reaction gebildet werden;
denn es gelingt leicht, aus dem Keactionsprodukt ihre trimolecularen
Modificationen — die Cyanursäureester (CN)j(0-CjHg)3, welche zweifellos
die Alkylgruppen an Sauerstoff gebunden enthalten (vgl. S. 1031 — 1032),
— zu isoliren.
Dagegen sind die Ester der Isocyansäure CO:N-B (Alkvl-
carbimide, Alkylisocyanate) wohlbekannte Verbindungen, welche
für die Geschichte der organischen Chemie dadurch von hervorragender
Bedeutung geworden sind, dass ihr Studium zu der Entdeckung der
aliphatischen Amine führte (vgl. S. 229, 233). Wuetz* »erhielt sie zu-
erst durch Destillation von ätherschwefelsauren Salzen mit Kalium-
cyanat; bequemer werden sie durch Einwirkung von Alkylhalogenen auf
Silbercyanat erhalten®, z. B. :
CNOAg + CaH^J - CO : N-CgH^ + AgJ.
Auch von den Aminen ausgehend, kann man zu den Isocyansäure-
estern gelangen. Leitet man über die salzsauren Salze der primären
Amine in der Wärme Chlorkohlenoxyd:
ClCOCl + NHj.CHs.HCl = CLCO-NHCH, + 2HC1,
so erhält man Carbaminsäurechloride (vgl. S. 1058), welche beim Zu-
sammenbringen mit Kalk Isocyansäureester liefern^:
Cl-CONHCHg-HCl = COiN-CHg.
Dass man die Isonitrile durch Oxydation mit Quecksilberoxyd in
» Strecker, Ann. 148, 95 (1868). — ■ E. v. Meyer, J. pr. [2] 36, 292 (1887). -
Meikeke, Ztschr. f. anorg. Chem. 2, 157 (1892).
« Gossin, Bull. 43, 98 (1885).
^ Calmels, Compt. rend. 99, 240 (1884).
* Cloez, Ann. 102, 354 (1857). — Gal, Ann. 137, 128 (1865). — A. W. Hof-
mann u. Olshausen, Ber. 3, 269 (1870). — Ponomabsw, Ber. 15, 515 (1882i. —
MiTLDER, Rec. trav. chim. 1, 191 (1882); 2, 133 (1883); 3, 287 (1884).
» Ann. eh. [3] 42, 43 (1854).
• Vgl. Cahours u. Hofmann, Ann. 102, 297 (1857). — Brauneb, Ber. 12, 18T5,
1877 (1879).
' Gattermann u. G. Schmidt, Ann. 244, 35, 36 (1887).
Ester der Isocyansäure. 1013
Isocyanate überfuhren kann\ ist schon S. 252 erwähnt; auch an den
merkwürdigen üebergang der Bromamide in Isocyanate* durch Brom-
wasserstoffentziehung (vgl. S. 371), durch welchen sich die Hofmann' sehe
Beactiou zur Darstellung primärer Amine aus Säureamiden (8. 235) er-
klärt, sei nochmals erinnert.
Die Alkylisocyanate CO:N-R sind leicht flüchtige Flüssigkeiten von
heftigem erstickendem Geruch; beim Aufbewahren verwandeln sie sich
— vermuthlich unter dem Einfluss geringfügiger Verunreinigungen —
ziemlich rasch in die polymeren Isocyanursäureester. Sie sind durch
grosse Reactionsfähigkeit ausgezeichnet. Wichtig zur Beurtheilung ihrer
Constitution ist vor Allem die schon mehrfach erwähnte Spaltung in
Kohlensäure und Amine:
CHa-N: CO + H,0 = CHjNH, + CO,,
welche sie beim Erwärmen mit Alkalien erleiden; durch diese Spaltung
wird unzweideutig dargethan, dass ihr Alkylrest an Stickstoff gebunden
ist. Mit Alkoholen vereinigen sie sich zu Caijbaminsäureestem (Ure-
thanen, vgl. S. 1058):
.NHCÄ
COiNCsHs -f-CjHjOH = C0<
^O.C,H5
mit Ammoniak oder primären und secundären Aminen zu alkylirten
Harnstoffen:
NHCjHfi
NH,
So erklärt es sich, dass beim Kochen der Isocyanate mit Wasser sym-
metrisch dialkylirte Harnstoffe gebildet werden; das aus einem Molecül
Isocyanat neben Kohlensäure abgespaltene Amin addirt sich an ein
noch unverändertes Molecül des Isocyansäureesters:
CO : N.CjHs + H,0 = CO, + NH,.C,H5,
<NH • C,H5
NH.C,H5
Nach der „Genfer Nomenclatur" (vgl. S. 1091 ff.) werden die Isocyanate durch
die Endung -carbonimid charakterisirt :
CjHj • N • CO : Aethylcarbonimid
etc.
Methylisocyanat CH,*N:CO (Methyicarbonimid) siedet bei 37' 5^ Aethyl-
isocyanat C,H5*N:C0 (Aethylcarbonimid) siedet bei 60 — 61^ und besitzt das
spec. Gew. 0*898.
Acetylisocyanat® CHg-CO-NiCO entsteht bei der Einwirkung von Acetyl-
chlorid auf Knallquecksilber, konnte zwar nicht in ganz reinem Zustand isolirt, wohl
aber durch seine Umwandlungen sicher constatirt werden. Es siedet bei etwa 80^,
CO-.N.CjHj + NH, = CO/
^ Gautier, Ann. 149, 313 (1869).
• A. W. Hopmann, Ber. 15, 756 (1882).
» Scholl, Ber. 23, 3510, 3516 (1890).
1014 Thiocyansäure oder Jikodantvasserstoffsäure.
vereinigt sich mit Alkohol zu Acetylurethan 0Hg-C0*NH*G0*0*C,H5, mit Ammoniak
zu Monacetylharnstoff CHg-CO'NH-CO-NHs, mit Acetamid zu Diacetvlh&mstoff
CH^.CONH.CO.NHCOCHa und wird durch Wasser in Acetamid und Kohlen-
säure gespalten.
Die Thiocyansäare oder Bhodanwasserstoffsäure EONS ist die
der Cyansäure entsprechende Schwefelverbindung. Wie aus den Salzen
des CyanwasserstoflFs durch SauerstoflFaufhahme (vgl. S. 1006 — 1007, 1009,
1010) Salze der Cyansäure entstehen, so werden durch directe Vereinigung
der Cyanide mit Schwefel ^ — z.B. durch Kochen von Cyankaliumlösung
mit Schwefel — Salze der Thiocyansäure gebildet; umgekehrt wird Ehodan-
natrium durch Schmelzen mit Zink wieder unter Entschwefelung in Cyan-
natrium verwandelt ^ (NaCNS + Zn = NaCN + ZnS). Durch Zersetzung
des Bariumsalzes mit Schwefelsäure erhält man am leichtesten eine
wässrige Lösung von freiem Rhodan Wasserstoff; destillirt man eine etwa
lOprocentige Rhodanwasserstofflösung im Vacuum und entwässert die
Dämpfe durch Chlorcalcium, das auf 40^ erwärmt wird, so erhält man
die wasserfreie Säure ^, Äe in einer Kältemischung condensirt werden kann.
Sie stellt eine sehr flüchtige, scharf riechende Flüssigkeit dar; sobald
sie aus der Kältemischung genommen wird, verwandelt sie sich in wenigen
Minuten unter starker Erhitzung in einen festen, gelben, amorphen
Körper (vgl. S. 1010 das analoge Verhalten der Cyansäure). Die Rhodan-
wasserstoffsäure kommt an Stärke den Halogen wasserstoffsäuren uahe^.
Die wässrige, verdünnte, nicht mehr als 5 7o enthaltende Lösung*
ist recht beständig. In concentrirter wässriger Lösung zersetzt sich*
Rhodanwasserstoff in Persulfocyansäure (s. unten) und Cyanwasserstoff:
3HCNS = HCN + H,C,N,S,.
Eine Lösung von mittlerer Concentration wird durch einen grossen
Ueberschuss von Schwefelsäure bei gelinder Wärme wesentlich in Kohlen-
oxysulfid und Ammoniak:
HCNS + H,0 = COS + NH,
zersetzt; wird sehr starke Rhodan wasserstoffsäure der Einwirkung von
Mineralsäuren ausgesetzt, so verläuft die Zersetzung in complexerer Weise,
Persulfocyansäure^ CsNtH,S, (Xanthanwasserstoff) — das eben er-
wähnte Zersetzungsprodukt des Rhodanwasserstoffs — krystallisirt aus GOprocendger
Essigsäure in gelben dichroi'tischen Prismen, ist in kaltem Wasser kaum, in heiioem
Wasser etwas löslicb und ist eine zweibasische Säure; durch Losen in Cyankalium
liefert sie wieder Rhodankalium; sie scheint in zwei Modificationen — einer sehr
labilen farblosen und der gewöhnlichen gelben Form — zu existiren. Durch Behaad-
^ Bebzeliüs, Berz. Jb. 1, 4S (1822). — Liebio, Ann. 50, 849 (1844); 61, 288
(1844); 61, 126 (1847).
» Vgl. Playpaib, Ber. 25 c, 431 (1892). « Klason, J. pr. [2] 35, 400 (1887),
* OsTWAU), J. pr. [2J 32, 305 (1885). * Kjlason, J. pr. [2] 35, 404 (1887).
• J. pr. [2] 36, 57.
^ Liebig, Ann. 10, 8 (1834). — Völckel, Ann. 43, 74 (1842). — Hbshbs, Ztachr.
Chem. 1866, 419. — Glutz, Ann. 154, 40 (1869). — Nencki u. Lippbrt, Ber. 6, 902
(1873). — Steiner, Ber. 15, 1603 (1882). — Klason, J. pr. [2] 38, 366 (1888>
Rhodanwasserstoffsaure Salze. 1015
lang mit Alkalien geht sie in Dithioejansäure^ CaN,H,Sa über, welch letztere auch
direct bei der freiwilligen Zersetzung des Rhodanwasserstoffs neben Persulfocyansäure
entsteht
Pseudoschwefelcyan' wird ein gelber amorpher, in Wasser unlöslicher
Korper genannt, der durch Oxydation von Rhodanwasserstoff mit Salpetersäure oder
Chlor entsteht. Eine davon verschiedene Substanz, die als gelber Farbstoff (Ranarin^)
verwendet werden kann, entsteht bei der Oxydation mit chlorsaurem Kali und Salz-
säure oberhalb 80^.
Von den Salzen des Bhodanwasserstoffs^ werden mehrere in-
dustxiell (vgl. S. 1038) verwerthet und sind daher zu billigen Preisen käuf-
lich. Dass sich Rhodanmetalle leicht aus Cyanmetallen durch Fixirung
von Schwefel bilden, ist schon oben erwähnt; auf einem solchen Process
beruht die Bildung des Bhodanammoniums in den Reinigungsapparaten
der Leuchtgasfabriken (vgl. S. 1036—1037) und die S. 1008 erwähnte
Beaction zum Nachweis des Cyanwasserstoffs. Wichtig ist femer die
Bildung von Rhodanammonium durch Einwirkung von Schwefelkohlenstoff
auf alkoholisches Ammoniak^:
CSj + 2NH8 = CS< ,
\S.NH4
yNH,
CS< +2NHs = CS:N.NH4 + (NH4),S,
\S.NH4
die zweckmässig zur Darstellung des Rhodanammoniums im Laboratorium
benutzt werden kann; sie ist analog der S.1018 — 1019 zu besprechenden
Bildung von 'Senfolen aus Schwefelkohlenstoff und primären Aminen.
Durch Umsetzung der Rhodanmetalle mit Halogenalkylen erhält man
Ester der Rhodanwasserstoffsaure, deren Alkylrest an Schwefel gebunden
ist (vgl. S. 1017 Alkylrhodanide) :
<S • C2H5
;
N
es ist daher höchst wahrscheinlich, dass auch in den Salzen das Metall-
atom am Schwefel haftet:
/SMe«
Rhodankalium CSNK und Rhodanammonium CSN(NHJ sind
farblose, sehr leicht lösliche Salze; bei ihrer Auflösung in Wasser tritt
» Fleischeb, Ann. 179, 204 (1875). — Klason, J. pr. [2] 38, 366 (1888). —
Parbnti, Ber. 23 o, 337 (1890).
* LiKWG, Pogg. 15, 545 (1829). Ann. 10, 4 (1834); 50, 387 (1844). — JamiBson,
Ann. 69, 339 (1846). — Voelckel, Ann. 89, 126 (1854). — Linnsmanv, Ann. 120,
42 (1861). — Glutz, Ann. 154, 48 (1869). — Linow, Ber. 17 c, 252 (1884). — Goppels-
boeder, ebenda, 522.
' Mabxownikoff, Ber. 17 o, 279 (1884).
* Vgl. Mbitzendobvf, Pogg. 56, 63 (1842).
* Zbise, Ann, 47, 36 (1843). — Millon, Jb. 1860, 287. — GiLis, Jb. 1861,
340. — Claus, Ann. 179, 112 (1875). — J.Schulze, J. pr. [2] 27, 518 (1883).
1016 Jihodanmetalle, CyanstäficL
sehr starke Temperaturerniedrignng ^ ein ; über die Zersetzung des Rhodan-
ammoninms durch Erhitzen vgl. S. 1062 u. 1067. Auch die übrigen Kho-
danmetalle sind meist in Wasser löslich. Kupferrhodanid Cu(SCN)j
dagegen ist ein schwarzer, Kupferrhodanür Cuj(SCN)j ein weisser
Niederschlag: aus rhodanhaltigen Laugen kann daher zweckmässig die
ßhodanwasserstoflfsäure als Eupfersalz ausgefallt werden (vgl. S. 1038); das
schwarze Kupferrhodanid geht in Berührung mit Wasser allmählich in
weisses Kupferrhodanür über. Bhodanquecksilber Hg(SCN)j ist ein
weisses ; kaum lösliches Salz, das sich beim Erhitzen unter mächtigem
Aufschwellen zersetzt, — eine Erscheinung, die zu der bekannten Spielerei
der Pharaoschlangen benutzt wird. Ehodansilber AgSCN ist ein weisser
käsiger Niederschlag, der in Wasser und verdünnten Säuren unlöslich
ist; auf seiner Bildung beruht die VoLHABn'sche Methode zur Silber-
titrirung*. — Die intensive blutrothe Färbung, die beim Vermischen von
ßhodankaliumlösung mit Eisenchloridlösung selbst noch bei ausser-
ordentlich grosser Verdünnung eintritt, und die zum Nachweis des Eisen-
oxyds wie der RhodanwasserstoflFsäure benutzt wird, ist eine Folge der
Bildung des Kaliumeisenrhodanids» Fe(CNS)3.9KCNS + 4H,0, das
in krystallisirtem Zustand dem Kaliumpermanganat ähnelt; durch wasser-
haltigen Aether wird dieses Salz in seine beiden Componenten zerlegt,
von denen das Eisenrhodanid in Aether löslich ist; daher lässt sich jene
Färbung der wässrigen Lösung durch Schütteln mit Aether entziehen.
Cyansulfid^ (CN)2S — das Thioanhydrid der RhodanwasBentofl&äure — kann
durch Einwirkung von Jodcyan auf Kfaodansilber erhalten werden, bildet farblo««
Tafeln, sublimirt sehr leicht und löst sich in Wasser zu einer leicht zersetziichen
Losung.
Ester der Thiocyansäure und Isothlocyansäure. Während die
freie RhodanwasserstoflFsäure und. ihre Salze — gleich der Blausäure und
der Gyansäure — nur in je einer Form bekannt sind, existiren wieder
zwei Reihen von Alkylderivaten, die den beiden Stammformen:
N=C-SH und NH C==S
Thiocyans&nre Isothiocyansfiure
entsprechen. Man kann durch Ausflihrung von Spaltungsreactionen leicht
beweisen, dass in den Gliedern der einen Reihe der Kohlen wasserstoflfcest
(R) an Schwefel, in den Gliedern der anderen an Stickstoflf gebunden ist :
I. X _C-S.R II. R.N-=C=S.
Man bezeichnet die Verbindungen der Formel I als Rhodanide, indem
man das Radical N:C-S— „Rhodan" nennt 5, oder als Thiocyanate; die
Verbindungen der Formel II nennt man Isothiocyanate , Thiocarbimide
^ Clowes, Ztschr. Chem. 1866, 190. — RCdorff, Ber. 2, 69 (IS«9).
« Ann. 190, 1 (1878). » Kbüss u. Moraht, Ber. 22, 2061 (1889).
* Lassaigne, Ann. eh. [2] 39, 197 (1828). — Linkemakk, Ann. 120, 36 (1861)-
— Schneider, J. pr. [2J 82, 187 (1885).
» Berzelius, Berz. Jb. 23, 157 (1844).
Alkylrhodanide. 1017
oder gewöhnlich Senföle, weil ein Glied dieser Gruppe znerst aus dem
Senfsamen erhalten wurde (vgl. S. 1020 Ällylsenföl).
Alkylrhodanide entstehen durch Umsetzung von Rhodankalium mit
ätherschwefelsauren Salzen oder mit Halogenalkylen:
CNSK + CA- J = CN.SCjHa + KJ,
ferner durch Einwirkung von Chlorcyan auf Mercaptide:
(C,H5.S),Pb + 2CNC1 = 2C,Hß.S.CN + PbCl,.
Es sind Flüssigkeiten, welche meist unzersetzt sieden (vgl. unten), in
Wasser unlöslich sind und lauchartig, aber nicht stechend riechen.
Ihre Constitution ergiebt sich aus ihren Umsetzungen. Nascirender
Wasserstoff spaltet aus ihnen Mercaptane ab neben Blausäure, die weiter
zu Methylamin reducirt wird:
C,HbS.CN + 6H = CA-SH 4-CH,.NH,;
von Salpetersäure werden sie zu Alkylsulfosäuren oxydirt:
CsHftS.CN >- C,H5.S0,H.
Durch diese Beactionen entstehen also ümsetzungsprodukte, welche den
Schwefel an den Alkylrest gebunden enthalten; mithin wird zweifellos
auch in den Ausgangsprodukten der Alkylrest am Schwefelatom haften.
Sehr bemerkenswerth ist die Tendenz der Alkylrhodanide, sich bei
höheren Temperaturen in die isomeren Senföle umzulagern. Methyl-
rhodanid CHg-SCN z. B. wird durch mehrstündiges Erhitzen auf 180®
bis 185^ grösstentheils in Methylsenföl CHj-NrCS umgewandelt; Allyl-
rhodanid^ geht schon bei einmaligem Destilliren in Ällylsenföl über und
kann daher durch die obigen Reactionen nur gewonnen werden, wenn
man Erwärmung vermeidet. Diese Erfahrungen zeigen, dass man nicht
berechtigt ist, aus dem Uebergang der cyansauren Salze in Isocyansäure-
ester (vgl. S. 1009, 1012) für die cyansauren Salze die Structurformel
CO:N-Me^ abzuleiten; es wäre sehr wohl möglich, dass die normalen
Cyansäureester die ursprünglichen Beactionsprodukte sind, sich aber noch
viel leichter, als die Bhodanide, in Isoverbindungen umlagern.
Methylrhodanid' CH,S-CN siedet bei ISS« and besitzt bei 0<> das spec.
Gew. 1-088. — Aethylrhodanid» f^Hß-SCN siedet bei 141— 142'> und besitzt
bei 0® das spec. Gew. 1033.
Interessante Verhältnisse stellen sich ein, wenn man die Rhodangnippe in Säuren
oder Ketone derart einfuhrt, dass sie zur Carboxylgruppe bezw. Carbonylgruppe die
• BiLLBTEE, Ber. 8, 464 (1875). — Gkblich, Ann. 178, 84 (1875).
• Cahouss, Ann. 61, 95 (1847). Compt. rend. 81, 1163 (1875). — Pibbre, Jb.
1861, 51. — RicHE, Ann. 92, 357 (1854). — A. W. Hofmann, Ber. 13, 1849 (1880);
18, 2197 (1885). — Jambs, J. pr. [2] 36, 459 (1887).
• LöwiQ, Pogg. 67, 101 (1846). — Cahottrs, Ann. 61, 99 (1847). — Brüninq,
Ann. 104, 198 (1857). — Ekemeb, J. pr. 73, 865 (1858). — Sgblaodenhaufen, Ann.
eh. [3] 66, 297 (1859). — Jeanjbak, Ann. 126, 249 (1862). — A. W. Hofmann, Ann.
Snppl. 1, 58 (1861). Ber. 1, 177, 180, 182 (1869). — Dbhn, Ann. Suppl. 4, 105
(1865). — BuFF, Ber. 1, 206 (1869). — Glutz, Ann. 163, 811 (1869). — V. Meyeb,
Ann. 171, 47 (18T4). — James, J. pr. [2] 30, 316 (1884).
1018 Bhodanessigsäure, Rkodanaceton.
a-Stellung inne hat; die primäreD Beactionsprodukte gehen dann leicht in Derivate
einer cjclischen Stammsubstanz — des Thiazols:
CH -— CH
S N
^^
— über. So erhftlt man aus Salzen bezw. Estern der Chloressigsäure durch Umsetzung
mit Rhodankalium Salze bezw. Ester der Bhodanessigsäure' CHs(S*CN)-CO|H;
kocht man nun aber die Ester dieser Säure mit starker Salzsäure, so entsteht die der
Rhodanessigsäure isomere, sogenannte „Senfolessigsäure", welche die Ck>nstitution:
CHj — CO
I I
S NH
O
besitzt. Durch Erwärmen von Chloressigsäure in wässriger Lösung mit Bhodan-
ammonium wird die Rhodaninsäure :
CHj — CO
I I
S NH
)S
gebildet. — Durch Umsetzung von Chloraceton mit Rhodanbarium kann man Rh od an -
aceton* CH^CS'CNj'CO-CHs gewinnen, welches sich durch Digestion mit Alkali-
carbonat theilweise in Methyloxjthiazol:
CHj— CO-CFI,
C&-C-CH,
1 1
1 1
S N
"^C^OH
S X )-
umlagert Näheres über die so entstehenden Thiazolderivate vgl. Bd. U.
AlkylisotUoeyanate (Alkjlthiocarbimide) oder SenfOle können,
wie schon S. 238 angegeben ist, leicht aus den primären Aminen ge-
wonnen werden; man erhält durch Einwirkung von Schwefelkohlenstoff
auf die gekühlte, ätherische Lösung ^ der Amine zunächst Salze der
Alkyldithiocarbaminsäuren :
CS, + 2NH,.C,H, =
C^
^NH-CH.
SH.NHj.CHs'
welche nun bei Behandlung mit Schwermetallsalzen — gewöhnlich wird
Quecksilberchlorid angewendet — Schwefelwasserstoff abgeben und Senf51e
liefern*:
» Heintz, Ann. 136, 228 (1865). — Claesson, Ber. 10, 1346 (1877); 14, 732 (1881).
— MioLATi, Ber. 200, 324 (1898).
" Hellon u. Tsgherniak, Ber. 16, 349 (1888). — Hamtzsch u. Websb, Ber. 20,
3127 (1887). — Arapides, Ann. 249, 18 (1888). — Tschebniak, Ber. 25, 2607, 262K
3648 (1892). — Hantzsch, ebenda, 3282.
» Vgl. RuDNEW, Ber. 12, 1023 (1879). — Hecht, Ber. 23, 282 (1890).
* A. W. Hofmann, Ber. 1, 170 (1868).
Senfök. 1019
Nsh.nhcä
auch durch Einwirkung von alkoholischer Jodlösung können jene thio-
earbaminsauren Salze in Senföle übergeführt werden^.
Dass Senföle aus den isomeren Rhodanäthern durch ümlagerung
entstehen können, ist schon S. 1017 erwähnt.
Aus den entsprechend constituirten SauerstoflFverbindungen — den
Isocyansäureestern (S. 1012) — können sie endlich durch Erhitzen mit
Schwefelphosphor erhalten werden^.
Die Senföle sind farblose Flüssigkeiten, welche unzersetzt sieden,
stechend riechen, auf der Hand Blasen ziehen und in Wasser unlöslich
sind. Dass sie den Kohlenwasserstoffrest an Stickstoff gebunden enthalten,
wird durch ihre Bildung aus Aminen, wie auch durch ihre Umwand-
lungen sicher gestellt.
Mit concentrirter Schwefelsäure mischen sie sich unter Wärme-
entwickelung, worauf Spaltung in ein Amin und Eohlenoxysulfid eintritt:
CHsNiCS + H,0 = CjHs.NH, + COS;
beim Erhitzen mit Wasser oder wässrigen Säuren werden sie in Amin,
Kohlensäure uüd Schwefelwasserstoff zerlegt.
Durch Reduction mit nascirendem Wasserstoff werden primäre Amine
neben Thioformaldehyd , der sich zu seiner trimolecularen Modification
(vgl. S. 423) polymerisirt, gebildet:
CÄN-.CS + 4H = CjHgNH, + CH,S.
Bemerkenswerth ist das Additionsvermögen der Senföle; namentlich
mit Ammoniak und Aminen vereinigen sie sich äusserst leicht zu Sub-
stitutionsprodukten des Thiohamstoffs CS(NH2)3:
NHCsH«
.NH.CjHj
CS : NCjHs + NHj.CjHs = CS<
^NH.CjHj
Beim Erhitzen mit Alkoholen ^ fixiren sie Alkohol unter Bildung von
Thiocarbaminsäureestern (Thiourethanen) :
/NH.C,H5
CS:N.CjH6 + 0H.C,Hö = CS<
^O-CA
Eine Polymerisation der Senföle scheint durch Erhitzen mit Kalium-
acetat möglich zu sein*.
> A. W, HoPMAMN, Ber. 2, 452 (1869). — Vgl. Rüdneff, Ber. 11, 987 (1878).
* Michael u. Palmeb, Ber. 18 o, 72 (1885).
» A. W. HoniAÄN, Ber. 2, 116 (1869).
^ A. W. HoPMAKH, Ber. 25, 876 (1892).
CSiNCsHs + NHj = es/
1020 Butylsenfol, ÄllylsenföL
Die Tabelle Nr. 44 auf S. 1021 giebt eine Uebersicht über die
physikalischen Eigenschaften der aliphatischen Senfole. Von den einzelnen
Gliedern hervorzuheben ist das secundäre Butylsenfol (C^Hg^CH,)
CH — N— CS, welches im Löflfelkrautöl sich findet, und namentlich
das Allylsenföl CH^rCH-CHj-NrCS, welches das zuerst bekannt ge-
wordene, bestuntersuchte Glied der Reihe ist und der ganzen Gruppe
den Namen gegeben hat. Man erhält das Allylsenf&l, wenn man schwarzen
Senfsamen mit Wasser anrührt und nach einiger Zeit destillirt; das
Senfol ist in dem Samen nicht frei vorhanden, sondern in Form eines
Glucosids — des myronsauren Kaliums; gleichzeitig findet sich im Senf-
samen ein Ferment — Myrosin — , welches nach dem Einweichen mit
Wasser die Spaltung jenes Glucosids in Allylsenföl, Zucker und Kalium-
hydrosulfat:
C»oH,sNS,OjoK = CsH^NrCS + C.H„Oe + KHSO4
bewirkt; auch aus einigen anderen Vegetabilien — z. B. Meenettig —
erhält man in analoger Weise Allylsenföl.
Cyanamid CN^H^. Ersetzt man in der Formel der normalen Cyan-
Bäure (S. 1009) die Hydroxylgruppe durch die Amidgruppe, so resultirt
die Formel einer Verbindung, deren Molecül durch die Vereinigifng der
Cyangruppe mit der Amidgruppe zu Stande kommt:
c^ er
CyaDfiäure Cyanamid
von der Isocyansäureformel gelangt man nach Austausch des Sauerstoff-
atoms gegen die Imidgruppe zu der Formel eines „Carbodiimids" :
.0 ^NH
NH ^NH
Isocyansäure Carbodiimid
Wir kennen nur eine Verbindung, die in derartigem Verhältniss zu der
Cyansäure steht; alle ihre chemischen Beziehungen können in befriedi-
gender Weise durch die Formel des Cyanamids erklärt werden.
Cyanamid wird am besten dargestellt^ durch Entschwefelung einer
wässrigen Lösung von Thioharnstoff mit frisch gefälltem, sorgfältig aas-
gewaschenem Quecksilberoxyd bei Gegenwart geringer Mengen von Rho-
danammonium, welch' letzteres das Quecksilberoxyd in Form von
Doppelrhodaniden auflöst und daher wirksamer macht:
CS< - H,8 = Cf
* Baumank, Ber. 6, 1376 (1873). — Volhard, J. pr. [2] 9, 25 (1874). — Dubchsel,
J. pr. [2] 11, 286 (1875); 21, 78 (1880). — Pbatomus-Seidlbr, J. pr. [2] 21, 129 (1880).
Tbaube, Ber. 18, 461 (1885).
Tabellarische Zitsammensteüung von cUipkcUiscken Senßlen. 1021
Tabelle Nr. 44.
Name des Senfols
II
MethylsenföP
AethylsenfÖP-«"
Propylsenföl '
Isopropylsenföl *
Allylsenföl»-«-"-'^»»-" . .
Norm. Buty Isenföl "« . . . .
Isobntylsenfol »°"
See, Butylsenfbl •<>
Tert. ButylsenfSl"
Tert Amylsenföl"
Nonn. prim. Hexylsenföl"
Norm. sec. Hexylsenfol *• .
Norm. sec. Octylsenfol* . .
Norm. Septdecylsenföl** . .
Structur des mit dem
Reste — N:CS ver-
bundenen Kadicals
CH,-
I CHj'CHa —
CjHß • CH, —
(CH,).CH-
CH,:CHCH,—
CgH5 • eil} • CHj —
(CH3),CH.CH,-
(C2H5XCH8)CH —
(CH.),C-
(CH,),(C,H,)C—
CH,(CH,).CH,-
(C4H,XCH.)CH- p)
(C.H„XCH^H-
CHj«(CHj)ig —
Schmelz-
punkt
4- 340
+ 10-5«
Siede-
punkt
1190
133<>
158«
1870
150 <»
1670
162«
159.50
1420
1660
2120
199—2000
232—2330
Spec.
Gewicht
+ 32
1-019(00)
0.991(00)
1-028(00)
0.964(14«)
0.944(12^0
O.919(15<0
0 • 925
Citate zu der Tabelle Nr. 44: » A. W. Hofmauh, Her. 1, 26, 169 (1868). —
• BuPF, ebenda, 206. — * Hecht, Ber. 23, 288 (1890). — * Jahn, Ber. 8, 804 (1875).
Monatah. 3, 168, 173 (1882). — * Büssy, Ann. 34, 223 (1840). — « Hübatka, Ann.
47, 153 (1843). — ^ Wbetheim, Ann. 52, 52 (1844); 65, 297 (1845) — « Pless, Ann.
68, 86 (1846). — » ZmiN, Ann. 96, 128 (1855). — " Bebthelot u. Lüca, Ann. 97,
126 (1856). — " Will u. Kobbneb, Ann. 125, 257 (1862). — " Gerlich, Ann. 178,
89 (1875). — " Oeseb, Ann. 134, 7 (1865). — " Rathke, Ann. 167, 218 (1873). —
" Volbath, Jb. 1871, 408. — " Henry, Bull. 7, 87 (1867). — " E. Schmidt, Ber.
10, 187 (1877). — " R. ScHiFP, Ber. 14, 2767 (1881). — *• Kopp, Ann. 98, 375 (1856).
— «0 j^ ^ Hopmann, Ber. 2, 102 (1864); 7, 508 (1874). — " Reimer, Ber. 3, 757
(1870). — " RuDNEPF, Ber. 11, 988 (1878); 12, 1023 (1879). — " Frentzel, Ber. 16,
746 (1883). — " Ufpenkamp, Ber. 8, 55 (1875). — " Schlicht, Landwirthsch. Ver-
suehs-Stationen 41, 175 (1892). — " Ttjrpin, Ber. 21, 2490 (1888).
Es bildet sich auch in vielen anderen Processen, z. B. durch Einwirkung
von Chlorcyan auf Ammoniak^:
CNCl + NH, = CNNH, + HCl,
beim üeberleiten von Kohlensäure über erhitztes Natriumamid ^, beim Er-
hitzen von HarnstoflF oder Ammoniumcarbonat mit metallischem Natrium*.
— Es stellt eine farblose, zerfliessliche, krystallinische Masse dar, schmilzt
bei 40^, ist in Wasser, Alkohol und Aether leicht löslich. — Seine
* Olobz u. Cannizzaro, Ann. 78, 229 (1851).
" Beilstein u. Geuther, Ann. 108, 93 (1858). — Drechsel, J. pr. [2] 16, 201 (1.S77).
* Fenton, Joum. Soc. 41, 262 (1882). — Vgl. auch Emich, Monatsh. 10,
321 (1889).
1022 Cyanamid, seine Metallverbindun^en
beiden Wasserstoffatome sind durch Metallatome vertretbar^; so erhält
man beim Zusammenbringen von Cyanamidlösung mit ammoniakalischer
Silbemitratlösung einen gelben amorphen Niederschlag des in Wasser
nicht, in Ammoniak wenig löslichen Silbercyanamids* CNgAg,; da
dieses Silbersalz durch Einwirkung von Jodäthyl in ein Diäthylcyanamid
tibergeht 3, dem zweifellos die Formel CN-N(C3Hg)a zukommt (vgl. S.i023),
so schreibt man ihm selbst in der Begel die analoge Structur
N^C— NAg,
zu, obgleich der Eintritt je eines Metallatoms in je eine Imidgruppe:
AgN-=C— N-Ag
wohl für wahrscheinlicher gehalten werden muss, als der Eintritt zweier
Metallatome in eine Amidgruppe. — Mit Chlorwasserstoff* vereinigt sich
Cyanamid in ätherischer Lösung zu der Verbindung CNJH3.2HCI.
Das Cyanamid ist, wie alle Cyanverbindungen, leicht zu Additions-
reactionen bereit. Bei der Einwirkung von Säuren geht es durch Wasser-
aufhahme in Harnstoff über:
N .NH,
+ H,0 = C0< ;
mit Schwefelwasserstoff vereinigt es sich zu Thioharnstoff, mit Ammoniak
(beim Erhitzen mit Salmiak) zu Guanidin (vgl. S. 1067). Beim Aufbe-
wahren oder beim Abdampfen seiner wässrigen Lösung — namentlich
rasch bei Gegenwart von etwas Ammoniak — polymerisirt es sich* zu
Cyanguanidin (Dicyandiamid, vgl. S. 1069):
^N /NH-GN
2Cf = Ct=NH
\NHs ^NHj
Die Monalkylderivate* des Cyanamids CNsHR entstehen darch EinwirkuDg
von Chlorcyan auf primäre Amine und durch Entschwefelung von monaikylirten Thio-
harnstoffen; sie gehen beim Eindampfen ihrer wässrigen Lösungen in trimolecukre
Modificationen — alkylirte Melamine, vgl. S. 1033—1084 — über. Welche der beiden
möglichen Formeln:
Cf c/
\NHR ^NR
ihnen zukommt, ist zweifelhaft.
Dialkylirte Cyanamide' der allgemeinen Formel CN-NR, entstehen durch
1 Drechbel, J. pr. [2] 11, 307 (1875),
* Mulder, Ber. 6, 656 (1873).
* FiLETf u. R. Scmpp, Ber. 10, 428 (1877).
* MüLDER u. Smit, Ber. 7, 1634 (1874). — Dbechsel, J. pr. [2] U, 314 (18T51
'^ Beilstein u. Geütheb, Ann. 123, 241 (1862).
* Cloez u. Gannizzaro, Ann. 90, 95 (1854). — A. W. Hopmann, Ber. 8, 265
(1870). — Baxtmann, Ber. 6, 1372 (1873). — ClaSsson, Ber. I80, 499 (1885).
^ ScHiPF u. FiLETi, Ber. 10, 427 (1877). — Berg, Bull. [3] 7, 547 (1892). Gompt
rend. 114, 484 (1892); 116, 327 (1893). — Chancel, Compt rend. 116, 329 (18931
und Alkylderivate, 1023
Einwirkang von Cyankaliam auf die Halogenderivate der secundfiren Amine (vgl.
S. 240), z.B.:
KCN + C1N(C5Hh)3 = KCl + CN • N(C,H„),
und durch Einwirkung von nascirendem Bromcyau auf secundäre Amine. Derselben
Gruppe gehört auch das DiSthjlcyanamid an, welches aus Cyanamidsilber (S. 1022)
durch Einwirkung von Jodftthyl entsteht, da es bei der Spaltung mit Säuren Diäthyl-
amin liefert. — Von disubstituirten Carbodiimiden der allgemeinen Formel
C(:NB), ist in der Fettreibe bisher nur das Dipropylcarbodiimid' 0(:N»C,H7)j
bekannt, welches durch Entschwefelung von symmetrischen Dipropylsulfbhamstoff
GS(NH-CsH7), mittelst Quecksilberoxyd erhalten ist.
Bei der SchilderuDg der Cyansäuregruppe ist mehrfach darauf hin-
gewiesen worden, dass es bisher nicht gelungen ist, gewisse Verbindungen
in isomeren Formen darzustellen, deren Existenzmöglichkeit man auf
Grund der Kenntniss von isomeren Derivaten vermuthen sollte. Wenn
es wahrscheinlich zwei Reihen von Cyansäureestem :
O.R "^O
wenn es mit Sicherheit zwei Reihen von Thiocyansäureestern :
<
CC
R ^S
zwei Reihen von Alkylcyaniden :
R-C=N R=N=c/ ,
wenn es neben dialkylirten Cyanamiden auch dialkylirte Carbodiimide:
:N.R
c/
giebt, so muss es höchst auffallend erscheinen, dass jedem Paar dieser
isomeren Verbindungsreihen nur eine Stammform entspricht, dass die
WasserstoflFverbindungen bisher nicht in entsprechender Zahl erhalten
worden sind, wie die Alkylverbindungen.
Solche Erscheinungen treten in der Cyangruppe gerade besonders
zahlreich auf; aber sie sind keineswegs auf diese Gruppe beschränkt,
begegnen uns vielmehr auch in anderen Verbindungsklassen sehr häufig.
So sei daran erinnert, dass wir Imidoäther und alkylirte Säureamide
kennen :
<NH /NHR» /NR,»
denen wir als Stammform lediglich die Säureamide gegenüber stellen
können, dass sich vom Acetessigester Derivate zweierlei Art
CH, . C=::CH . COi • C.Hj CH, • C—CHR • CO, • C^H«
OR 0
^ Chancel, Compt rend. 116. 329 (1898).
1 024 Tautomerie ;
ableiten, während wir für die Sonderezistenz ihrer Stammformen —
Oxycrotonsäureester und wahrer Acetessigester — nicht die geringsten
Anzeichen besitzen.
Wo wir diese eigenthümliche Erscheinung antreffen, macht es in der
Regel Schwierigkeiten, für die uns allein bekannte Stammverbindung eine
bestimmte Constitutionsformel abzuleiten. Denn diese Substanz vereinigt
meist die Charaktere der beiden Verbindungsreihen, die nach dem Er-
satz des Wasserstoffatoms durch Badicale sich als neben einander be-
stehend erweisen; sie zeigt eine chemische Doppelnatur; man bleibt
bei ihrem Studium stets schwankend zwischen zwei Formeln, welche in
einander durch Verschiebung einer mehrfachen Bindung und durch den
Platzwechsel eines Wasserstoffatoms verwandelt werden können:
N xNH
\ ^ ^ '
^CH • COj • Cj H5 /CHj • COj • CfH^
ihre Bildungsweisen und ihre Umsetzungen deuten bald auf die eine,
bald auf die andere Formel hin.
Zur Erklärung dieser Verhältnisse hat man die Hypothese auf-
gestellt, dass solche Wasserstoffverbindungen überhaupt nicht eine be-
stimmte Constitution besitzen, dass ihre Molecüle in einem Augenblicke
die eine, im nächsten die andere Gruppirung annehmen, dann wieder in
die erste zurückkehren und sich sonach dauernd in einem schwingungs-
artigen Umwandlungsprozess befinden, der durch die grosse Beweglich-
keit der Wasserstoffatome ermöglicht wird ^. Die gegenseitige Beziehung
derartiger Structurformeln , welche demnach zwei entgegengesetzte Be-
wegungszustände eines und desselben Molecüls darstellen würden, wird
durch den Ausdruck „Tautomcrie^^ bezeichnet; Verbindungen, welche
im Sinne zweier Formeln zu reagiren vermögen, werden häufig „tau-
tomer^* genannt.
Jene Hypothese ist indess wohl nur von Wenigen angenommen.
Allgemeiner verbreitet ist die Ansicht, dass solchen doppeldeutigen Ver-
bindungen wohl eine bestimmte Atomgruppirung entspricht, die aber bei
gewissen ßeactionen in die isomere Atomgruppirung tibergeht. Man
nimmt an, von den beiden isomeren Atomgruppirungen sei die eine an
Stabilität der anderen derart überlegen, dass wir bei allen Bildungs-
processen immer nur die der stabilen Gruppirung entsprechende Sub-
stanz erhalten; unterwerfen wir nun diese Substanz wieder ümwandlungs-
* BüTLEuow, Ann. 189, 77 (1877). — C. Laar, Ber. 18, 648 (1885); 19, 730(18861.
Ps&udo formen ; Desmotropie. 1025
reactionen, so kann sie zwar einerseits im Sinne der ihr wirklich
zukommenden Constitutionsformel reagireu; andererseits ist es aber auch
möglich, dass diejenige Atomgruppirung, welche für die chemisch un-
thätige Substanz die labilere ist, im Augenblick der Beaction unter den
veränderten Bedingungen die stabilere wird, und dass daher die Reaction
im Sinne der labilen Form oder „Pseudoform" ^ verläuft.
In jedem Fall muss die Erscheinung als Folge einer Veränderlich-
keit in der Bindungsweise einzelner Atome aufgefasst werden. Man
drückt dies durch die Bezeichnung: ^^Desmotropie^'^ aus (abgeleitet
von SBdfiög = Band, Bindung und r^ensiv = verändern) und nennt
Atomgruppirungen, die durch einen Bindungswechsel leicht in einander
übergehen, „desmotrop^^.
Betrachtet man unsere Structurformeln als ümsetzungsformeln, so
braucht man sich mit einer Auswahl zwischen den beiden desmotropen
Formeln doppeldeutiger Verbindung nicht zu befassen; man kann sie
beide als gleichberechtigt neben einander gebrauchen^ und hat nur für
die einzelnen Umsetzungen festzustellen, unter welchen Verhältnissen die
eine oder die andere Form den Verlauf der Beaction bestimmt*.
Die wahre Constitution der desmotrop reagirenden Verbindungen
— d. h, die Atomgruppirung, welche der uns bekannten, durch bestimmte
physikalische Eigenschaften charakterisirten Substanz im Zustand der
chemischen Unthätigkeit zukommt, — kann aus ihrem chemischen Ver-
halten kaum erschlossen werden*-^. Das Studium ihrer physikalischen
Eigenschafben könnte uns sicherere Aufschlüsse geben; allein nur in
wenigen Fällen kann man bisher die Beeinflussung der physikalischen
Constanten durch die in Betracht kommenden Constitutionsverschieden-
heiten mit genügender Bestimmtheit beurtheilen, um die physikalische
Methode mit Erfolg auf Probleme dieser Art anwenden zu können.
Enallsäure.
Im Anschlnss an die Cyansäuregruppe muss eine Säure besprochen
werden, deren Constitution trotz vielfacher Bearbeitung noch nicht klar-
gelegt ist, — die Enallsäure. Mit der Gyansäure kann diese merkwürdige
Verbindung, welche in freiem Zustand ihrer Unbeständigkeit wegen nicht
isolirt®, wohl aber in Form von Salzen bekannt ist, einerseits durch ihre
empirische Zusammensetzung — ihre Salze sind den Gyanaten procentisch
* V. Baeteb, Ber. 16, 2189 (1883).
' P. Jacobson, Ber. 20, 1732 Anm. (1887); 21, 2628 Anm. (1888). — Michael
(J. pr. [2] 46, 581 Anm.; 46, 207 [1892]) schlägt neuerdings die Bezeichnung „Mero-
tropie" vor.
»Kathie, Ber. 18, 3110 (1885); 20, 1057 (1887). — Bambeeger, Ber. 20,
1868 (1890).
* Vgl. Michael, J. pr. [2] 42, 19 (1890).
' Vgl. GoLDflCHMiDT u. Meissler^ Bcr. 23, 253 (1890).
* Vgl. ScHOLViEK, J. pr. [21 32, 461 (1885).
V. Mbtxr u. Jaoobsom t org. Chem. I. 6«^
1026 Knaüsäure,
gleich zusammengesetzt — in Beziehung gebracht werden; andererseits
deuten ihre Umsetzungen darauf hin, dass sie auch durch ihre Constitu-
tion der Cyansäuregruppe nahe steht.
Im Jahre 1800 wurde das Quecksilbersalz dieser Säure — das
Knallquecksilber — von Howabd entdeckt; 1823 stellte Liebig ^ fest,
dass das entsprechende Silbersalz — das Enallsilber — die gleichen
Analysenzahlen, wie das cyansaure Silber, liefert, — ein ftb- jene Zeit
höchst überraschender Befund, der zunächst manchen Zweifeln begegnete.
Es war dies die erste Thatsache, welche erkennen Hess, dass Körper
Ton durchaus verschiedenen Eigenschaften procentisch ebenso zusammen-
gesetzt sein können; bald reihten sich ähnliche Thatsachen an, und das
Wort „Isomerie** (vgl. Traubensäure S. 807) wurde von Bebzeuus als
Ausdruck dieser Erscheinung, welche mit zwingender Nothwendigkeit die
Aufstellung von Theorien über die Atomlagerung innerhalb der Molecüle
forderte, eingeführt.
Heute fasst man die Knallsänre nicht als ein Isomeres der Cyan*
säure auf, sondern als Polymeres; man giebt der hypothetischen freien
Säure die Molecularformel C3H3N303(= 2HCN0) und formulirt dem-
gemäss ihre Salze: CjHgN^Oj, CgAg^NjOg etc. Diese Auffassung wird
durch manche Reactionen der knallsauren Salze und durch ihre Ent-
stehung aus Aethylalkohol — einer Verbindung des Zweikohlenstoffcom-
plexes — nahe gelegt, gründet sich indess keineswegs auf physikalische
Moleculargewichtsbestimmungen; die Darstellung von Estern der Kjiall-
säure, welche eine Anwendung der physikalischen Methoden zur Er-
mittelung des Moleculargewichts zulassen könnten, ist nicht gelungen;
die Molecularformel der Knallsäure kann daher auch noch nicht als
sicher feststehend betrachtet werden.
Enallquecksllber ^ C^EgN^O^ wird gewonnen, indem man eine Lösung
von Quecksilber in überschüssiger Salpetersäure zu Alkohol hinzufiigt;
man führt die Operation im Freien oder am offenen Fenster aus und
sorgt dafür, dass keine Gasflammen in der Nähe brennen, mit denen die
reichlich sich entwickelnden Dämpfe in Berührung kommen könnten;
im Laufe der stürmisch sich abspielenden Beaction, die durch Einhaltung
gewisser Vorsichtsmassregeln indess gefahrlos gemacht werden kann, und
während des Erkaltens setzt sich das Knallquecksilber allmählich in
^ LiEBio, Ann. eh. [2] 24, 294 (1828). — LiEBia u. Gay-Litssac, ebenda 85,
285 (1824).
' LiEBio, Ann. 95, 284 (1855). — Schischkow, Ann. 07, 53 (1855). — KjBcm.^,
Ann. 101, 200 (1856). — Sohischkow, Ann. Suppl. 1, 104 (1861). — Steiheb, Ber. 8,
518, 1177 (1875); 0, 779 (1876); 16, 1488, 2419 (1883). — CABSTAifJBK u. Ehbbxbbbg,
J. pr. [2] 25, 232 (1882). — Ehbenbebq, J. pr. [2] 30, 38 (1884). — Divebs o.
Eawaeita, Journ. Soc. 45, 13 (1883); 47, 69 (1884). — Abmstbonq, Jonm. Soc. 46.
25 (1883); 47, 77 (1884). — Begemank, Her. 19, 998 (1886). — Lobet de Bbufk.
ebenda, 1370. — Holleman, Rec. trav. chim. 10, 65 (1891). — Scholl, Ber. 23, a505
(1890); 24, 581 (1891).
Knallgiieeksilber (QueeksüberfulmincU). 1027
weissen Kryställchen ab. Aus Wasser krystallisirt, besitzt es die Zu-
sammensetzung CjHgNjOg + YaHjO; in kaltem Wasser ist es sehr wenig,
in heissem leichter löslich. Trockenes Knallquecksilber explodirt durch
Stoss und Schlag, auch beim Erhitzen mit grösster Heftigkeit. Das
Knallquecksilber erleidet als Sprengmittel — wenn auch in kleineren
Mengen — eine ausgedehnte Anwendung; man benutzt es als Explosions-
erreger für grössere Mengen anderer Sprengstoffe (vgl. Dynamit S. 600);
eine Mischung von Knallquecksilber mit Salpeter oder anderen Zusätzen
dient zur Füllung der Zündhütchen.
Die nahen Beziehungen der Knallsäure zu der Cyansäure erhellen
daraus, dass bei der Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf Knallqueck-
silber Rhodanammonium gebildet wird, bei der Einwirkung von Acetyl-
chlorid als Hauptprodukt Acetyüsocyanat (vgl. S. 1013) entsteht.
Für die Beurtheilung der Frage, in welcher Form die Knallsäure
den Stickstoff gebunden enthält, ist die Thatsache besonders wichtig,
dass bei der Zersetzung des Knallquecksilbers durch wässrige Salzsäure
der Stickstoff quantitativ als Hydroxylamin austritt, während anderer-
seits als kohlenstoffhaltiges Spaltungsprodukt Ameisensäure gebildet wird.
Man wird durch diese Zersetzung zu der Annahme geführt, die Knall-
säure stehe in naher Beziehung zu der Gruppe der Oxime.
Andererseits weiss man aber auch, dass viele Nitroverbindungen der
Fettreihe ihren Stickstoff als Hydroxylamin abspalten können (vgl. S. 256
bis 257), und einige Umsetzungen des Knallquecksilbers legen wiederum
die Annahme nahe, man habe es mit einem Nitroderivat zu thun. Bei
der Einwirkung von Chlor auf Knallquecksilber in Gegenwart von Wasser
entsteht nämlich Chlorpikrin (S. 624) neben anderen Substanzen; bei
der Einwirkung von Brom auf trockenes KnaUquecksilber wird eine bei
50^ schmelzende, mit Wasserdampf leicht flüchtige Substanz erhalten,
welche Dibromnitroacetonitril CBr3(N02)-CN zu sein scheint.
Es waren die letzterwähnten Reactionen, welche früher zur Auf-
fassung der Knallsäure als Nitroacetonitril:
C=N
I (Kekul6)
CH,— NO,
führten. Gegenwärtig bevorzugt man Formeln, wie
C:=N.OH \c<f
I, (Steiner) OH— N< >N— OH (Scholl),
Cr^N-OH yc/
welche die Knallsäure als dimoleculare Modification des dem Kohlenoxyd
entsprechenden Oxims:
^>C=:N.OH
>
erseheinen lassen. Es ist leicht ersichtlich, dass dieses denkbar ein-
fachste Oxim entsprechend der Knallsäure als Spaltungsprodukte Ameisen-
säure und Hydroxylamin geben muss:
65*
1028 Fulminate. MUminursäure.
Nc^N-OH + 2H,0 = \c=0 + HsN-OH ,
sowie dass es durch einen Bindungswechsel leicht die Atomgruppirung
der Cyansäure annehmen kann; auch der üebergang in Nitroverbindungen
lässt sich, wenn man von der dimolecularen Formel ausgeht, durch
Verschiebung der Wasserstoffatome verstehen:
C^NOH CH=N.O CH,— N-0
I I >- I \1 (HOLLEIIAN).
CH^NO (feiN 0
Andere Salze der Knallsäure^ (Fulminate). Knallnatrium C^Na^NiOi
+ 2HsO wird durch Einwirkung von Natriumamalgam auf KnallquecksUber bei
Gegenwart yon Wasser erhalten. — Rnallsilber CsAg^NsOt kann auf fthnliche
Weise wie Knallqaecksilber (S. 1026) gewonnen werden und ist noch erheblich
explosiver als letzteres; es wird nur zu Spielereien, wie Knallerbsen, verwendet.
Fulminurstture' CsHsNgO, ist eine einbasische, der Cyanursäure isomere Sfture
genannt, welche durch Umwandlung der Knallsäure in verschiedenen Beactionen
entsteht So wird sie beim Kochen von Knallquecksilber mit Chloralkalien erhalten.
Die freie Säure krystallisiert ans Alkohol in kleinen Prismen und verpufft bei 145 ^
Ihre Ueberführbarkeit in Nitro-Derivate des Acetonitrils vgl. S. 826. Ihre Constitution
entspricht vielleicht der Formel CH,(NOj) — C(:NH) — N:CO.
Tricy anVerbindungen.
Fast alle Cyanverbindungen können auch in trimolecularen Modi-
ficationen auftreten, die in der Regel aus den entsprechenden einfachen
Cyanverbindungen direct durch Polymerisationsprocesse gewonnen und
zuweilen durch Erhitzen wieder in die einfachen Cyanverbindungen ge-
spalten — „depolymerisirt" — werden können. Die Erscheinungen auf
dem Gebiete der „Tricyanverbindungen" oder „Cyanurverbindungen" lassen
sich in übersichtlicher Weise deuten, wenn man in den Molecülen dieser
Verbindungen den sechsgliedrigen „Tricyanring" („Cyanurring** oder
,,Prussianring'*):
I ! bezw. /| 1^
NN -N N—
I /\
^ Liebig, Berz. Jb. 4, 111 (1824). — Gay>Lussao u. LaEBia, Ann. eh. [2] 25,
285 (1824). — Davt, Berz. Jb. 12, 120 (1833). — Fehlino, Ann. 127, 180 (1838). —
Gladstone, Ann. 66, 1 (1848). — Divers u. Kawaetta, Joum. Soc. 45, 27, 75 (1884);
47, 69 (1885). — Calmels, Compt. rend. 99, 794 (1884). — Scholvieh, J. pr. [2] 30,
90 (1884). — Ehebnberq, J. pr. [2] 32, 230 (1885). — Warrbn, Jb. 1888, 718. Ber.
24o, 768 (1891).
' ScHiscHKow, Ann. 97, 53 (1855); 101, 213 (1856). — Liebiq, Ann. 05, 282
(1855). — Steiner, Ber. 5, 381 (1872); 9, 781 (1876). — Ehrenbero, J. pr. f2] 30,
64 (1884); 32, 97. 111 (1885). - Setoel, Ber. 26, 481, 2756 (1892).
Paracyan, OyarmrtriäthyL 1029
annimmt. Diese Auffassungsweise ist daher auch allgemein angenommen,
obgleich ihr eigentlich bisher niemals eine strenge experimentelle Be-
gründung zu Theil geworden ist.
Das Paracyan (S. 999), dessen Moleculargrösse indess noch un-
bekanntist, spricht MuLDEE^ als eine aus zwei Tricyanringen bestehende
Verbindung:
N
NN NN
6
an.
Die Wasserstoffverbindung des Tricyanrings ist nicht be-
kannt; das Polymerisationsprodukt der Blausäure besitzt wahrscheinlich,
wie S. 1008 erwähnt, eine andere Constitution.
Die Entstehung von Alkylrerbliidungen des Tricyanrings könnte
man bei der Polymerisation der Nitrile erwarten; allein es ist schon
S. 800 angegeben worden, dass im Allgemeinen durch Zusammenlage-
rung dreier Nitrilmolecüle der Pyrimidinring und nicht der Tricyanring
zu Stande kommt. In einzelnen Fällen — vermuthlich stets dann,
wenn an dem der Gyangruppe benachbarten Eohlenstoffatom kein Wasser-
stoffatom haftet, — fahrt der Polymerisationsprocess indess zu eigent-
lichen Tricyanverbindungen, So ist dem Polymerisationsprodukt des a^-
Dichlorpropionitrils CHg-CClj-CN die Formel:
CHj • CC1,-C C-CCl, . CHj
I II
N N
I
CCljCH,
beizulegen; durch Reduction mit Zink und Essigsäure erhält man daraus
das CyanurtriäthyP:
CHi'Cxi) — C C— CH2'CH3
N N
Cxi]i • CHg
— eine farblose Verbindung von eigenthümlichem Geruch, welche bei
29® schmilzt, bei 193 — 195® siedet und durch Erhitzen mit Salzsäure
» Kec. trav. chim. 6, 199 (1887).
« Otto u. Voigt, J. pr. [2] 36, 78 (1887). — Otto u. Tbobgeb, Ber. 23, 766 (1890).
1030 Oyanwrsäurt,
in Ammoniak und Propionsäure zerlegt wird. VgL femer Kyaphenin in
Band ü.
Ganz allgemein findet man die Fähigkeit zur Bildung entsprechen-
der Cyanurverbindungen bei den Gliedern der Cyansäuregruppe.
Für die CyanursSure ^ CjNgOgHg selbst stehen, wie für die Cyan-
säure, zwei desmotrope Formeln:
OH.C COH CO CO
NN NH NH
\co/
' 6
r
H
Abgekürzt: CaN.COBOj CgOgCNH)»
Nonnale Cyanursäure Isocyanursäure
zur Wahl, Dass Cyanursäure aus Cyansäure durch Polymerisation ent-
steht, ist schon S. 1010 erwähnt. Häufig bildet sie sich aus Harnstoff
oder Abkömmlingen desselben — z. B. Harnsäure — beim Erhitzen;
beim Erhitzen geht Harnstoff nämlich theilweise in Biuret über:
yNH, /NH,
2C0< = C0< ~NH„
\NH, \NH— CO-NH,
andererseits kann er in Cyansäure und Ammoniak zerfallen:
CO(NH,), = CONH + NHj;
durch Vereinigung von Biuret mit Cyansäure in der Hitze kann nun
Cyanursäure dargestellt werden:
dO CO CONH, _ ÖO CO
I +CONH= I I - I I +NH,;
NH NH, NH NH NH NH
\co^ \co^ ^N:jo^
vermuthlich erklärt sich die Bildung der Cyanursäure aus Harnstoff
durch Aufeinanderfolge derartiger Reactionen. Zur Darstellung der
Cyanursäure eignet sich am meisten ihre Bildung durch Erhitzen tob
Cyanurbromid mit Wasser auf 120 — 130^ Sie krystallisirt aus Wasser
mit 2 Mol. Kry Stallwasser in farblosen Prismen und löst sich in etwa
* Serullab, Pogg. 14, 450 (1828). Berz. Jb. 9, 86 (1880). — Wöhlbb, Berz.
Jb. 10, 82 (1881). Ann. 62, 241 (1847). — Lisbig u. Wöhleb, Berz. Jb. U, 79, 166
(1832). — LiEBio, Ann. 26, 121 (1888). — de Vey, Ann. 61, 249 (1847). — Whde-
MANN, Ann. 68, 824 (1847). — Göbshann, Ann. 99, 375 (1856). — Welteiem, Ann.
132, 222 (1864). — A. W. Hofmann, Ber. 3, 769 (1870); 19, 2092 (1886). — Mkbi
u. Weith, Ber. 16, 2894 (1883). — Ponomarew, Ber. 18, 3268 (1885). — Senieb, Ber.
19, 1646, 2022 (1886). — Klason, J. pr. [2] 33, 123 (1886). — Claus u. Püthbw,
J. pr. [2] 38, 208 (1888). — Oattebmann u. Rossoltmo, Ber. 23, 1192 (1890). — Bav-
BERGEB, ebenda, 1861.
Cyanurluüogenide, Normale Öyanursäureester, 1031
40 Th. kaltem Wasser. Die wasserfreie Säure liefert beim Erhitzen,
ohne zu schmelzen, monomoleculare Cyansäure (S. 1009 — 1010). Charak-
teristisch ist ihr in heisser concentrirter Natronlauge schwer lösliches,
sich in feinen Nadeln abscheidendes Natriumsalz CgNgOjNaj. Bei der Ein-
wirkung von Jodalkylen auf cyanursaures Silber entstehen als Haupt-
produkte Isocyanursäureester , daneben scheinen aber auch normale
Cyanursäureester gebildet zu werden.
Cyanurhalogenlde ^ entstehen aus den einfachen Cyanhalogenen
(Chlorcyan und Bromcyan) durch Polymerisation, z. B. beim Erhitzen in
ätherischer Lösung oder beim Stehenlassen in Gegenwart geringer Mengen
von Halogenen oder HalogenwasserstofiFsäuren. Cyanurchlorid ist auch
aus Cyanursäure durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid erhalten
worden. Durch Erhitzen mit Wasser liefern die Cyanurhalogenide
Cyanursäure.
Cyanurchlorid CgN^CI, wird am besten durch Einleiten von Chlor und Blau-
säure in Chloroform, das vorher mit Chlor gesättigt wurde, gewonnen; es bildet
fiarblose monokline Ejrystalle, riecht stechend, schmilzt bei 145^ und siedet bei 190°.
— Cyanurbromid CgNgBrj wird zweckmässig durch 5 — 6 stündiges Erhitzen von
1 Th. rothem Blutlaugensalz mit 6 Th. Brom auf ca. 220® gewonnen; es stellt ein
amorphes, weisses Pulver dar und schmilzt über 800®. — Cyanur Jodid CgNsJs ist
durch Einwirkung von Jodwasserstoff auf Cyanurchlorid erhalten und zerfällt beim
Erhitzen zwischen 200® und 300® in Jod und Paracyan (S. 999, 1029).
Den beiden desmotropen Formeln der Cyanursäure entsprechen
zwei Reihen von Estern.
Normale Cyanursäureester^:
R-OC COE
N N
i
R
entstehen durch Einwirkung von Chlorcyan auf Natriumalkoholate, wahr-
scheinlich infolge von Polymerisation der primär gebildeten monomole-
cularen Cyansäureester (vgl. S. 1012). Viel glatter erhält man sie durch
Wechselwirkung zwischen Cyanurchlorid oder Cyanurbromid und Natrium-
alkoholaten. Ihre Constitution ergiebt sich aus ihrer Spaltung in Cyanur-
* Serüllas, Berz. Jb. 9, 84 (1830). Pogg. 14. 443 (1828). — Liebio, Ann. 10,
88 (1834). — BuTEAU, Berz. Jb. 19, 195 (1840). — Beilstein, Ann. UÖ, 357 (1860).
— Gadtdbb, Ann. 141, 124 (1867). — Eoms, Ber. 2, 159 (1869). — Merz u. Weith,
Ber. 16, 2894 (1883). — Ponomarew, Ber. 18, 3261 (1885). — ClaSsson, Ber. 18 c,
497 (1885). — Seniee, Ber. 19, 310 (1886). — Fries, ebenda, 2055. — Fock, eben-
da, 2063.
' A. W. HoFMAKN u. Olshausen, Bcr. 3, 269 (1870). — Ponomarew, Ber. 15,
513 (1882); 18, 3263 (1883). — Mülder, Bec. trav. cfaim. 1, 191 (1882); 2, 133 (1883);
4, 91, 147 (1885). — A. W. Hopmann, Ber. 19, 2061 (1886). — Klason, J. pr. [2]
33, 180 (1886).
1032 Isooyanursäureester, Sulfocyanursäure.
säure und Alkohole bei der Verseifdng mit Alkalien. Durch längeres
Sieden unter Rückäuss werden sie in die isomeren Isocyanursäureester
(vgl. unten) umgelagert.
Trimethylcyanurat C,N8(0-CH8)3 schmilzt bei 185^ und siedet unter theil-
weisem Uebei^ng in Trimethyl-isocyanorat bei 265^ — Triftthylcyanarat
CaNaCO-CjHj), schmilzt bei 29—30» und siedet bei 275 «.
Isocyanursäureester ^ :
N-R
JO CO
R_N N— R
)0
entstehen, wie eben bemerkt wurde, durch Unüagerung aus den normalen
Cyanuraten; sie werden femer aus cyanursauren Salzen durch Ein-
führung von Alkylresten — bei der Destillation der Alkalisalze mit
alkylschwefelsauren Alkalien oder bei der Einwirkung von Halogen-
alkylen auf Silbercyanurat — erhalten. Beim Kochen mit AlkaJien
werden sie in primäre Amine und Kohlensäure gespalten; hieraus er-
giebt sich ihre Constitution.
Trimethyl-isocyanurat CjOsCN^CH,), schmilzt bei 175—176® und siedet bei
274«. — Triäthyl-isocyanurat CjO.CN-CjHb), schmilzt bei 95® und siedet bei 276«.
Sulfocyanursäure ^ CjNjSg!^ entsteht aus Cyanurchlorid durch
Eintragen in eine concentrirte wässrige Lösung von E^aliumsulfhydrat.
Sie bildet kleine gelbliche Prismen, ist selbst in siedendem Wasser kaum
löslich. Mit Eisenchlorid giebt sie keine Röthung. — Die normalen
Sulfocyanursäureester^ C3N3(S-R)s entstehen aus den Alkylrhodaniden
durch Polymerisation beim Erhitzen in Gegenwart einiger Tropfen Salz-
säure oder Schwefelsäure, femer durch Umsetzung von Cyanurchlohd
mit Natriummercaptiden und durch Einwirkung von Jodalkylen auf sulfo-
cyanursaures Natrium; beim Erhitzen mit concentrirter Salzsäure werden
sie in Mercaptane und Cyanursäure gespalten. — Die isomeren Snlfo-
Isocyanursäureester* C3S3(N-R)3 scheinen aus den Senfölen durch
Polymerisation beim Erhitzen mit Ealiumacetat zu entstehen.
Melamln^ CgH^Ng ist die dem Cyanamid entsprechende Cyanurver-
bindung — das Cyanuramid, für welches die beiden desmotropen Formeln:
1 WuBTz, Ann. eh. [B] 42, 57, 61 (1854). — ' Habioh u. LniniicHT, Ann. 109,
101 (1859). — Gal, Ann. 187, 128 (1866). — A. W. Hofmanh, Jb. 1861, 516. Ber.
18, 2796, 2800 (1885); 19, 2087 (1886). — A. W. HoFMAim u. Oisbaüsek, Ber. 3,
272 (1870). — PoKOMAKEW, Ber. 18, 3266, 3270 (1885). — Krapivot u. Zelikbkt, Ber.
22 o, 251 (1889).
» A W. Hofmann, Ber. 18, 2198 (1885). — Klason, J. pr. [2] 33, 116 (1886)l
• A. W. Hofmann, Ber. 13, 1351 (1880); 18, 2196 (1885). — Klasok, J. pr. |2'
33, 119 (1886).
* A. W. Hofmann, Ber. 25, 876 (1892).
^ LiEBio, Ann. 10, 18 (1834); 26, 186 (1838). — Knapp, Ann. 21, 256 (1837>
— VoLHARD, J. pr. [2] 9, 29 (1874). — Claus, Ber. 9, 1914 (1876). Ann. 179, 120
Melamin und seitie Alkylderivate. 1033
NH,-(r C-NH, NH=-C C--NH
i . II
NN NH NH
I I'
NH, NH
AbgekÜKt: C,N,(NH,), C,N,H,(NH),
Normales Melamin Isomelamin
aufgestellt werden können. Es entsteht in Form seines rhodanwasser-
stoffsanren Salzes beim Erhitzen von Bhodanammonium; ferner wird es
aus den normalen Estern der Cyanursäure und Sulfocyanursäure durch
Einwirkung von Ammoniak gebildet; am bequemsten erhält man es
durch Digestion von Cyanurchlorid mit Ammoniak. Es bildet kleine^
glänzende Ery stalle, ist in kaltem Wasser schwer, in heissem Wasser
leicht löslich und ist eine kräftige einsäurige Base.
Alkylderlyate des Melamin s^ Von den beiden desmotropen Formeln des
Melamins kann man für symmetrische Trialkylderivate, deren Alkylrest an
die nicht zum Cyanurring gehörigen Stickstoffatome gebunden ist, die beiden Formeln:
I. ^\^ ^^' /^^\
CH,.NH-C C-NH-CH, CH,.N=C C=N.CH,
II: II
N N und NH NH
I I:
NH-CHs NCH,
ableiten. Die diesen Formeln entsprechenden Verbindungen könnten durch Bindungs-
verschiebung und den Platzwechsel der beweglichen Wasserstoffatome in einander
übergehen, ständen mithin zu einander im Verhfiltniss wie Cyanursfiure und Iso-
cyanursäure und werden der Analogie zufolge wohl kaum gesondert ezistenzfthig
sein (vgl. S. 1023—1025). Von der Formel des Isomelamins kann man nun ausser-
dem symmetrische Trialkylderivate ableiten, deren Alkylrest an den innerhalb des
Cyanurrings selbst befindlichen Sticksto£btomen haftet:
lU. N(CH,)
NH=C C=NH
I I .
(CH,)N N(CH,).
~v
NH
(1875> — Jaobb, Ber. 9, 1554 (1876). — Dbechsbl, J. pr. [2] U, 808 (1875); 13, 831
(1876). — Nbnoti, J. pr. [2] 17, 235 (1878). — A. W. Hofmakh, Ber. 18, 2758, 2765
(1885). — PoHOMABEw, ebenda, 8267. — Klasok, J. pr. [2] 83, 285, 290 (1886). --
Smolka u. Fbiedbeioh, Monatsh. 10, 90 (1889).
1 A. W. HoFMANH, Ber. 2, 603 (1869); 3, 264 (1870); 18, 2755, 2781 (1885). —
Bavmakk, Ber. 6, 1373 (1873). — Klason, Ber. 18o, 498 (1885). J. pr. [2] 33,
290 (1886).
1084 Triaxotrimethylen oder THmethiniriazimid.
In der That kennt man zwei Reihen von symmetrisch trialkjlirten Melaminen. Die
Glieder der einen Beihe entstehen durch Einwirkung von primfiren Aminen auf
Sulfocyanurs&ureester oder auf Cjanurchlorid und werden durch Erhitzen mit Salz-
säure in Amine und Cyanursäure gespalten; diese Verbindungen entsprechen daher
höchstwahrscheinlich den desmotropen Formeln I und II und können zweckmfiaaig
als „Ezo-Trialkyl-Melamine" bezeichnet werdend Die Glieder der anderen
Keihe entstehen durch Polymerisation von Alkylcjanamiden (vgl. S. 1022) und werden
durch Salzsäure in Ammoniak und Isocjanursfiureester gespalten; dies Verhalten ist
leicht verständlich, wenn man sie entsprechend der Formel III als „Eso-Trialkjl-
Isomelamine^^ aufBasst.
Mit dem Melamin isomer und in gewissem Sinne ähnlich constituirt wäre die
Stammsubstanz der Triazoessigsäure (S. 843—844) — das TriazotrlmethyleM :
r
N
N N .
Man erhält in der That aus Triazoessigsäure bei längerem Erhitzen auf 100® durch
Kohlensäureabspaltung eine Verbindung* von der Molecularformel CgN^H« (Schmelz-
punkt 78°); die Eigenschaften dieser Verbindung würden indess besser mit der
desmotropen Formel eines Trimethintriazimids:
N NH
I
NH N
CH CH
% /
N— NH
hannoniren; denn sie bildet zolllange, farblose Krystalle, während alle Verbin-
dungen, welche die Azogruppe — N=N — enthalten, intensiv geftrbt sind.
Zwischen dem Melamin und der Gyannrsäure lassen sich zwei
Uebergangsglieder yoraussehen, welche bei Zugrundelegung der nor-
malen Constitution die Formeln:
NHj— C C-OH NH,— (T C-OH
I II I
NN NN
"Sc/ ^c/"
I I
NH, OH
Ammeiin Melanurensäure
erhalten. Das Ammelin^ C3HgNgO entsteht aus Melamin durch Kochen
^ Vgl. Rathke, Ber. 21, 870 (1888).
» CuBTius u. Lang, J. pr. [2] 38, 549 (1888). — Cubtius, J. pr. [2] 30, 125 (1889).
' LiEBio, Ann. 10, 24 (1834). — Knapp, Ann. 21, 255 (1837). — Klasom, J. pr.
[2j 33, 295 (1886). — Smolka u. Fbiedseioh, Monatsh. 0, 701 (1888); 10, 94 (1889);
11, 42 (1890). — Bamberoeb, Ber. 23, 1855 (1890).
Ammelin, Melanurensäure, Melam, Meiern etc. 1035
mit Ealilange nnd kann ferner aus Cyanguanidin (vgl. S. 1069) durch Er-
hitzen mit Ealiumcyanat sehr glatt dargestellt werden:
NH=C CO NH=C CO NH=C CO
I + l = I I =
NH NH NH NHj
NH
Isofonnel des Ammelins
Es bildet mikroskopische Nadeln, ist in Wasser kaum löslich (1:4677
bei 2S% löst -sich in heisser Sodalösung und fallt beim Erkalten wieder
unverändert aus und bildet mit Mineralsäuren Salze. — Die Melanuren-
sSare^ CgH^N^O^ (Ammelid) entsteht aus Melamin sowie aus Ammeiin
durch Erwärmen mit concentrirter Schwefelsäure, aus Cyanguinidin durch
Kohlensäureaufhahme beim Erhitzen mit einer wässrigen Lösung von
Ammoniumcarbonat, scheidet sich aus heissem Wasser als weisses mikro-
krystallinisches Pulver ab, löst sich in warmer Sodalösung und bleibt
auch in der Kälte gelöst, bildet mit Säuren und mit Basen Salze und
wird durch Kochen mit Alkalien oder Säuren in Cyanursäure über-
geführt.
Melam CeHgNu, Meiern CeHeNio* Mellon CeH,Ng sind amorphe Substanzen ^
welche sich beim Erhitzen von Rhodanammonium bilden und beim Kochen mit
Alkalien neben Ammoniak Ammeiin bezw. Melanurensäure liefern. Man kann sie
sich durch Zusammentritt von MelaminmolecÜlen unter Austritt von Ammoniak ent-
stehend denken. Mellon bleibt auch beim Erhitzen von Rhodanquecksilber (vgl.
PharaoBchlangen, S. 1016) zurück. Trägt man Mellon oder Melam in schmelzendes
Rhodankalium ein, so erhält man das Kaliumsalz der dreibasischen Mellonwasser-
st off säure C9H3N1,, welche vielleicht durch die Formel:
NH I NH
N I
[C.N,]^\[C,^,]
^NH-
» LiEBiQ, Ann. 10, 30 (1834); 95, 264 (1855). — Knapp, Ann. 21, 251 (1837).
— LiEBiQ u. WöHLER, Auu. 64, 371 (1845). — Laurent u. Gerhard, Ann. eh. [2]
10, 93 (1847). — Dbechsel, J. pr. [2] 11, 293 (1875). — Boüchardat, Ann. 154,
365 (1870). — Gabriel, Ber. 8, 1165 (1875). — JIoer, Ber. 9, 1556 (1876). — Cech
u. Dehxel, Ber. 11, 249 (1878). — Bamberqeb, Ber. 16, 1075, 1703 (1883); 23, 1865
(1890). — Strieoler, J. pr. [2] 32, 128 (1885); 33, 161 (1886). — Klabon, J. pr. [2]
33, 297 (1886). — Smolka u. Friedreich, Monatsh. 10, 96 (1889).
s LiEBio, Ann. 10, 1 (1834); 60, 342 (1844); 96, 257 (1855). — Knapp, Ann.
21, 241 (1837). — Laurent u. (Gerhard, Ann. eh. [3] 19, 85 (1847). — Hennebero,
Ann. 73, 228 (1850). — Volhard, J. pr. [2] 9, 29 (1874). — Claus, Ann. 179, 118
(1876). — Drechsel, J. pr. [2] U, 306 (1875). — JiaER, Ber. 9, 1554 (1876). —
Klason, J. pr. [2J 33, 285 (1886). — Rathke, Ber. 23, 1675 (1890).
1036 TeckniscJie Getmnnung von Oyanpräparaten ans „Bluilauge'' und
auszudrücken ist, als freie Säure übrigens nur in Lösung bekannt ist Das neutrale
Mellonkalium K3C0N18 + 5H,0 krystallisirt in seideglänzenden farblosen Nadeln, ist
in beissem Wasser reicblich, in kaltem Wasser wenig löslich; durch Zersetzung
seiner Lösung mit Essigsäure bezw. Salzsäure erhält man die sauren Salze K^HO^Ki,
+ 3H,0 bezw. KIIjCgNi,.
Die Bedeutung der Cyanverbindungen für die Industrie^.
Der Name ^^^u^i^^S^^s^^^S welcher für die Ealiumsalze der Ferro-
cyanwasserstoffsäure und Ferricyanwasserstoffsäure seit alten Zeiten üblich
ist, deutet auf den Process hin, der lange ausschliesslich zur technischen
Herstellung des Ferrocyankaliums gedient hat. Man verkohlte thierische
Abfälle aller Art — Blut, Hom, Lederabfälle, Klauen etc. — und glühte
die so gewonnene, stark stickstoffhaltige Kohle mit Pottasche und Eisen-
feilspähnen. Die durch Auslaugen der geglühten Masse mit Wasser be-
reitete „Blutlauge" enthält reichliche Mengen von Ferrocyankalium (über
die Bildung desselben vgl. S. 1000—1001 u. 1007), das durch Krystalli-
sation aus der Lauge abgeschieden werden kann. Dieser Process* wird
auch heute noch an vielen Stellen ausgeübt, besonders da, wo sich billige
thierische Abfalle in Masse vorfinden.
Allein daneben ist die Steinkohle, welche in den Gasfabriken auf
Leuchtgas verarbeitet wird, als Quelle aufgetreten, aus welcher der Cyan-
bedarf der Industrie zum grossen Theil gedeckt wird; Cyanpräparate
sind , wie so viele andere werthvolle Stoffe — die Ammoniaksalze und
die Theerpräparate — , heute Nebenprodukte der Leuchtgasindustrie;
und man darf wohl sagen, dass diese neue Fabrikationsart von Gyan-
produkten der älteren Methode mehr als ebenbürtig geworden ist.
Bei der trockenen Destillation entlässt die Steinkohle, wie schon
S. 1001 bemerkt worden ist, einen Theil ihres Stickstoffs in Form
von Cyanammonium — freilich nur einen kleinen Theil in dieser Form,
der aber immerhin in Folge der gewaltigen Ausdehnung der Leuchtgas-
fabrikation eine beträchtliche Cyanmenge repräsentirt. Das dem Rohgase
beigemengte Cyanammonium wird zum grössten Theil in den Beinigungs-
apparaten, die das Gas zu passiren hat, verschluckt und in veränderter
Form aufgespeichert '. Der „Scrubber", in welchem bekanntlich das Gas
mit Wasser gewaschen wird, nimmt trotz der Löslichkeit des Cyanam-
moniums nur verhältnissmässig geringe Mengen Cyan fort, weil die zu-
gleich anwesende Kohlensäure aus Cyanammonium Blausäure freimacht
die dann mit dem Gase weiter getrieben wird; eine gewisse Cyanmenge,
die übrigens in der Begel nicht technisch gewonnen wird, bleibt indessen
* Der Abschnitt ist freundlichst von Herrn Dr. H. Kuxheim (Berlin) einer Dorch-
sieht unterzogen worden.
' Näheres über denselben vgl. in Michaelis' (Graham-Otto) ausföhrl. Lehrb. d.
anorganischen Chem. Bd. IV, S. 654 ff. (Braunschweig 1889).
' lieber ,,Cyan in der Gasfabrikation" vgl. Lbtbold, Jahresbericht d. ehem.
Technologie 1890, 117. — Bürschell, Cöthener Chem.-Ztg. Repert. 17, 10 (1893).
Abfällen der Gasfabrikation, ßerlinerblau, 1037
im Scrubberwasser („Gaswasser") zurück und zwar wesentlich in Form
von Rhodanammonium, welches durch Aufnahme von Schwefel entstanden
ist. Die Hauptmenge des Cyans wird in den „Trockenreinigern" ver-
schluckt — jenen Kästen, in welchen das Gas behufs Entschwefelung
über Eisenoxyd streicht, das nach dem Gebrauch wiederholt durch frei-
willige Oxydation an der Luft regenerirt wird; in dieser „Reinigungs-
masse", welche nach kurzer Benutzung ausser Eisenoxyd auch Schwefel-
eisen und freien Schwefel enthält, sammelt sich das Cyan zunächst in
Form von Cyaneisen an, das sich bei Luftzutritt in Ferrocyanverbin-
dungen (Berlinerblau etc.) umwandelt; tritt das Leuchtgas noch ammoniak-
haltig in die Reinigungskästen, so erfolgt durch Reaction mit Schwefel
bezw. Schwefelverbindungen auch reichliche Rhodanbildung, und die
Reinigungsmasse enthält dann Cyan nicht nur in der wasserunlöslichen
Form der Ferrocyanverbindungen, sondern auch als wasserlösliches Rhodan-
ammonium. Die „erschöpfte Gasreinigungsmasse", die nicht mehr durch
Regeneration zur Gasreinigung brauchbar gemacht werden kann, wird
von den Gasanstalten an chemische Fabriken verkauft, welche dieses
Rohmaterial zu den im Handel befindlichen Cyanpräparaten verarbeiten ^.
Die erschöpfte Gasreinigungsmasse wird zunächst mit warmem Wasser
ausgelaugt (über die Benutzung der dabei erhaltenen Lauge vgl. S. 1038);
der die Ferrocyanverbindungen enthaltende Rückstand wird behufs
üeberfuhrung des Ferrocyans in lösliche Form mit Aetzkalk gemischt
und in geschlossenen Kästen mit Dampf erhitzt; aus den Ferrocyanver-
bindungen des Rohmaterials wird dadurch Eisenoxyd abgeschieden, und
andererseits das wasserlösliche Ferrocyancalcium gebildet, welches nun
mit Wasser ausgelaugt wird; die so erhaltene Lauge wird mit Chlor-
kalium bei Siedehitze versetzt, wodurch das fast unlösliche Kaliumcalcium-
ferrocyanid K^CaFeCy^ abgeschieden wird; wenn letzteres Doppelsalz nun
mit Pottaschelösung erhitzt wird, so erhält man neben kohlensaurem Kalk
eine reine Lösung von Ferroeyankalium, aus welcher dieses Salz durch
Krystallisation gewonnen werden kann. Deutschland und Oesterreich
produciren jährlich etwa 30000 Ctr., das Ausland etwa 20 000 Ctr.
Ferrocyankaliu m.
Die grösste Menge Ferroeyankalium wird zur Erzeugung von Berliner-
blau (Pariserblau) verwendet; wird eine Ferrocyankaliumlösung mit einer
Eisenoxydsalzlösung gefällt, so erhält man direct Berlinerblau; in der
Technik ist es indess gebräuchlicher, zunächst mit einer oxydhaltigen Eisen-
oxydullösung zu fällen und den Niederschlag darauf mit Luft, Salpeter-
säure, Chlor oder anderen Mitteln zu oxydiren. Berlinerblau dient heute
hauptsächlich als Malerfarbe und zum Tapetendruck; früher wurde es auch
vielfach zur Zeugfarberei verwendet, indem man es auf der Faser durch
Wechselwirkung zwischen Ferroeyankalium und Eisenoxydsalz erzeugte.
* Vgl. KcjTHEiM u. ZiMMBBMANN, D. R.-Pat. 268 84, referirt im Jahresb. cl. ehem.
Technologie 1884, 470.
1038 Technische Bedeutung von Q/ankalium und Rhodansalxen.
Ferricyankalium (rothes Blutlaugensak) wird durch Einleiten von Chlor in
Ferrocyankaliumlösung gewonnen, aher nicht in grosseren Mengen verbraucht; e«
dient als Aetzmittel in der Kattundruckerei.
Cyankalium wird dargestellt, indem man Ferrocyankalium in eisernen Tiegeln
bei Luftabschluss schmilzt, wodurch es in Cyankalium, Kohleneisen und Stickstoff
(K4Fe(CN)e = 4KCN + FeC, + 2N) zerfällt; aus der Schmelze wird das Cyankalium
durch verdünnten Alkohol ausgezogen und nach dem Abdestilliren der Lösung für
sich geschmolzen. Cyankalium ist ein sehr wichtiges Material für die Versilberuus:
und Vergoldung auf galvanoplastischem Wege; unter den Salzen der edlen Metalle
haben sich gerade die Doppelcyanide als besonders geeignet zur Herstellung gleich-
massiger und glänzender Ueberziige durch Elektrolyse erwiesen; zur Bereitung dt-r
Vergoldungs- und Versilberungsbäder werden daher erhebliche Mengen von Cyankalium
verbraucht. Neuerdings findet Cyankalium ausgebreitete Anwendung zur Extraction
von Gold aus Golderzen*; diese Art der Goldgewinnung, welche namentlich in
Transvaal eingeführt ist, scheint berufen zu sein, alle anderen Verfahrungsarten zu
verdrängen.
Auch in Form der Rhodansalze^ ist das Cyan für die Technik
wichtig geworden. Als Qnelle derselben kann das Graswasser dienen
(vgl. S. 1036 — 1037); bei seiner Verarbeitung auf Ammoniaksalze fallen
Laugen ab, welche ziemlich reich an Bhodan sind. Die Hauptmenge der
Rhodansalze wird indess aus der Lauge gewonnen, welche durch Ex-
traction der Gasreinigungsmasse mit Wasser erhalten wird (vgl. S. 1037).
Man kann daraus Rhodanammonium direct durch Krystallisation ab-
scheiden; oder man fallt das Bhodan zunächst als unlösliches Kupfer-
salz aus, zerlegt letzteres durch Aetzbaryt oder Schwefelbarium und
gewinnt so eine Lösung von Bhodanbarium; auch die Lösung von Rho-
danaluminium — durch Umsetzung zwischen Rhodanbarium und Älu-
miniumsulfat bereitet — bildet einen Handelsartikel. Die Rhodansalze
werden beim Zeugdruck als Beize für Dampffarben verwendet. Auch sei
darauf hingewiesen, dass Rhodanammonium durch seine Ueberfuhrbarkeit
in Rhodanguinidin (vgl. S. 1067) der Ausgangspunkt für die zur Zeit be-
quemste Darstellungsweise des Diamids NH^-NH^ ist^, welches freilich
einstweilen noch nicht technisch hergestellt wird, zweifellos aber mancherlei
praktischer Anwendung fähig ist.
* Vgl. Jahresb. d. ehem. Technologie 1890, 414; 1891, 271. — Chem. Ind.
1892, 108.
* Ueber das „Sulfocyan des Leuchtgases" vgl. Esop, Chem. Ind. 16, 6 (1892).
» Vgl. D. R.-Pat. 59241, referirt Ber. 25 c, 237 (1892).
Eintheilung der Kohlensäurederivate. 1039
Einundvierzigstes Kapitel.
Kohlensäurederivate.
(Halogenide, Ester der Kohlensäure. Schwefelhaltige Derivate der Kohlensäure. Amide,
Thioamide, Amidine der Kohlensäure. Cyclische UreYde, Hamsäuregruppe, Xanthin-
körper).
Wie in der Einleitung (S. 2) bereits bemerkt wurde, werden die
beiden Oxyde des Kohlenstoffs
CM) nnd CO,
Kohlenoxjd Kohlendioxyd
aus Zweckmässigkeitsgründen in der Begel den anorganischen Verbin-
dungen zugerechnet, ebenso die Salze, welche sich von dem hypothetischen
Kohlensäurehydrat :
/OH
C0<
\0H
ableiten.
Eine grosse Gruppe von Verbindungen dagegen, die als Derivate des
Kohlensäurehydrats bezw. Kohlensäureanhydrids betrachtet werden können,
bleibt uns hier noch zu besprechen.
Diese „Kohlensäurederivate" mögen in ähnlicher Weise, wie
dies firüher für die Derivate der Fettsäuren (Kap. 10, S. 344 ff.) geschehen
ist, angeordnet werden; man erhält dann die folgenden ünterabtheilungen:
1. Halogenide der Kohlensäure.
2. Ester der Kohlensäure.
3. Schwefelhaltige Derivate der Kohlensäure, ihrer Halogenide und
Ester (Schwefelkohlenstoff etc.).
4. Amide der Kohlensäure (Harnstoff, ürethane etc.).
5. Thioamide der Kohlensäure (Thiohamstoff etc.).
6. Amidine der Kohlensäure (Guanidine).
Eine Anzahl von Verbindungen endlich, welche zwar ihrer Constitution
nach schon den Abtheilungen 4 — 6 eingereiht werden könnten, werden
besser wegen ihrer nahen Beziehungen zu einander und wegen ihrer
physiologischen Bedeutung zu einer besonderen Abtheilung:
7. Cyclische Urelde und ähnliche Verbindungen. Hamsäuregruppe.
zusammengefasst.
I. Halogenide der EohlensSure.
CarbonylcUorid COCl^, Chlorkohlenoxyd oder gewöhnlich
Phosgen genannt, ist das dem Kohlensäurehydrat entsprechende Säure-
chlorid:
.OH /Cl
C0< >- C0< .
M)H \C1
1040 Oarbonylchlorid, Chlorkok'ienoxyd
Es wird durch directe Vereinigung von Kohlenoxyd und Chlor ^ erhalten,
wenn man das Gemisch der beiden Gase durch Glasballons leitet, die
dem Sonnenlicht ausgesetzt sind ; J. Davy, welcher 1811 die Verbindung
durch diese Bildungsweise entdeckte, gab ihr daher den Namen „Phosgen**,
um anzudeuten, dass sie im Licht erzeugt wird. Auch im fabrikatorischeu
Massstab wird seit etwas mehr als zehn Jahren Phosgen durch Vereinigung
von Kohlenoxyd* mit Chlor für Zwecke der Theerfarbenindustrie dargestellt;
die directe Bestrahlung mit Sonnenlicht hat sich bei der Einwirkung so
grosser Gasmengen auf einander als entbehrlich erwiesen; neuerdings be-
wirkt man die Vereinigung überhaupt nicht mehr in Ballons, sondern in Ge-
fässen, die mit Kohle ^ gefüllt sind. Das Phosgen kam vor einigen Jahren«
in eisernen Druckflaschen zur Flüssigkeit condensirt, in den Handel; es ist
jetzt aus dem Grosshandel wieder verschwunden, da die Farbenfabriken,
welche dasselbe verwenden, es selbst darstellen und direct im gasförmigen
Zustand verarbeiten*. — Phosgen bildet sich auch aus Tetrachlorkohlen-
stoff CCl^ durch gelindes Erwärmen mit Schwefelsäureanhydrid* oder durch
starkes Erhitzen mit Phosphorpentoxyd® oder durch Ueberleiten des mit
Kohlensäure gemengten Dampfes über Bimstein ^ bei 850^ (CCl^ + CO, =
2COCI2), aus Chloroform durch Oxydation® (vgl. S. 539, 540), in geringer
Menge auch beim Erhitzen von Soda mit Phosphorpentachlorid*.
Phosgen besitzt einen äusserst heftigen, erstickend wirkenden Geruch,
greift die Äthmungsorgane stark an, verursacht namentlich nachträglich
heftige Brustaffectionen und muss daher vorsichtig gehandhabt werden.
Es wird leicht zu einer farblosen Flüssigkeit^^ condensirt, welche bei
+ 8-2® siedet, bei 0® das spec. Gew. 1*432 besitzt und bei — 75** noch
nicht erstarrt ^^. Es löst sich sehr leicht in Benzol; eine solche Lösung
1 WiLM u. Wischin, Ztschr. Chem. 1868, 5. Ann. 147, 151 (1868). — A. W. Hop-
mann, Ann. 70, 189 Anm. (1849). — Kelbe n. Wabth, Ann. 221, 172 Anm. (1383).
' Für die fabrikmässige Phosgendarstellung kommt es wesentlich auf die Ver-
wendung von reinem Kohlenoxyd an. Nach freundlicher Mitfheilung von Dr. P.
W. Hofmann (Ludwigshafen a. Rh.) stellt man dasselbe zweckmässig durch ueber-
leiten von reiner Kohlensäure über geglühten Zinkstaub her.
» Vgl. Patebnö, Jb. 1878, 229.
* Nach freundlicher Mittheilung von Dr. C. Glaseb (Badische Anilin- u. Soda-
fabrik, Ludwigshafen a. Rh.) dient zur Zeit (Mal 1898) Phosgen zur Herstellung von
Krystallviolett aus Dimethylanilin, sodann wird es zur Erzeugung von Tetrametfayl-
diamidobenzophenon (vgl. Bd. II) — dem Ausgangsmaterial für die Darstellung von
Victoriablau, Auramin und verschiedene sogenannte Säurevioletts — verwendet. —
Ueber die Einführung des Phosgens in die Farbenindustrie vgl. femer Cabo's Vortrag
(Entwickelung der Theerfarbenindustrie), Ber. 25 o, 1062 (1892).
' ScHtJTZENBEBOER, Compt. reud. 69, 352 (1869). — Armstrong, Ber. 3, 730 (1870).
• GusTAvsoN, Ztschr. Chem. 1871, 615.
^ ScHttTZENBBRQER, Compt. rcud. 66^ 747 (1868).
^ Ehmerlino u. Lenotel, Ber. 2, 547 (1869). Ann. Suppl. 7, 101 (1869).
» GusTAvsoN, Ber. 3, 990 (1870).
*® EiCMERLiNo u. Lenotel, Ann. Suppl. 7, 103 (1869).
" Haase, Ber. 26, 1054 (1893).
oder Pfiosgen. 1041
wird häufig für Reactionen verwendet und kann auch käuflich von den
Präparatenfabriken bezogen werden.
Phosgen ist eine sehi* reactionsfähige Substanz, wenn es auch auf
Hydroxylverbindungen nicht gerade so stürmisch reagirt, wie das Acetyl-
chlorid und andere Fettsäurechloride. Von kaltem Wasser z. B. wird es
nur langsam^ unter Bildung von Kohlensäure und Salzsäure zersetzt;
mit kaltem Alkohol^ reagirt es zunächst nur unter Austausch eines
Chloratoms und Bildung von Chlorkohlensäureester ClCO-O-CgHg; erst
bei längerer Einwirkung entsteht Kohlensäureester CO(0-C3H5)j. Ueber
erhitzten Salmiak geleitet^, erzeugt es Carbaminsäurechlorid NBLj-CO-Cl.
Seine wichtigste Verwendung für Zwecke der organischen Synthese be-
steht darin, dass es die Möglichkeit bietet, zwei aromatische Badicale
durch die Carbonylgruppe mit einander zu verketten, wie z. B. bei der
Einwirkung auf DimethylaniUn :
COCl, 4- 2CeH5.N(CH3), = COlC^H^-NCCHs),!, + 2HC1;
man ersieht aus diesem Vorgang, dass Phosgen in mancher Beziehung
wieder dem Acetylchlorid an Reactionsfähigkeit überlegen ist; denn
Acetylchlorid wirkt auf DimethylaniUn nicht direct unter Substitution
eines BenzolkemwasserstofiFatoms ein.
Phosgen flihrt Essigsäure beim Erhitzen auf 120^ in Acetylchlorid
über^ und liefert beim üeberleiten über die erhitzten Natriumsalze der
Fettsäuren die ihnen entsprechenden Säureanhydride (vgl. S. 350).
Versuche zur Beindarstellung des entsprechenden Kohlenoxybromids^ COBr,
haben noch nicht zum Ziele geführt; auch Kohlenoxyjodid COJ2 ist noch nicht
bekannt
Von dem Kohlensäurehydrat könnte noch ein Halbchlorld abgeleitet
werden:
/OH .Cl
C0< > COC ,
^OH \0H
welches aber nicht bekannt ist. Es dürfte wohl auch überhaupt nicht
isolirbar oder jedenfalls höchst unbeständig sein, da es sich äusserst
leicht in Kohlensäure und Chlorwasserstoff:
Cl.COOH = CO, + HCl
spalten müsste (vgl. S. 612). Wohl aber sind Ester dieses hypothetischen
Halbchlorids bekannt, wie:
Cl-CO-OCHg;
sie können als Chlorameisensäureester aufgefasst werden, werden
aber gewöhnlich Chlorkohlensäureester genannt und sind im folgenden
Abschnitt beschrieben.
* Bebtheiot, Ann. 156, 228 (1870). • Vgl. Roese, Ann. 205, 229 (1880).
' GrATTBSMAXS u. G. ScHMiDT, Ann. 244, 30 (1887)
* Kempp, J. pr. [2] 1, 414 (1870). * Emmerling, Ber. 13, 873 (1880).
y. Meybb a. Jacx>B8QN, org. Chemie. I. 66
1042 Neutrale Kohl&nsäureeater,
II. Ester der Eohlenskure.
Die neutralen EohlensSnreester oder Dialkylcarbonate:
RO-CO— OR
entstellen durch Einwirkung von Alkyljodiden auf Silbercarbonat ^, ferner
durch Zersetzung der Ozalsäureester beim Erhitzen mit Natriumalko-
holat*, z. B.
CHß.OCO.CO.OCjiHs = CtHsOCOOCÄ + CO;
dargestellt werden sie gewöhnlich durch Umsetzung von Chlorkohlen-
säureestem mit Alkoholen bezw. Alkoholaten^, z. B.:
CA-OCOCl + NaOCA = C.Hj.OCO.OCjHs + NaCl.
Letztere Methode gestattet auch die Bereitung gemischter Ester, z. B.:
CsHs-OCOCl + OHCHa =« C,H5.0C0.0CH, + HCl;
jeden einzelnen gemischten Ester kann man mit Hülfe dieser Beaction
auf zweierlei Weise darstellen, z. B. den Methyläthylester sowohl nach
der eben gegebenen Gleichung, wie auch nach der folgenden:
CH,.0C0.C1 + OHCjHß = CH,.0.C0.0.C,H8.
Für einige gemischte Ester dieser Art ist der Nachweis erbracht, dass
sie mit durchaus identischen Eigenschaften erhalten werden, wenn man
die eine oder die andere Beaction zu ihrer Darstellung wählt. Man kann
in dieser Thatsache einen Beweis dafür erblicken, dass die beiden
Hydroxylgruppen des Kohlensäurehydrats und demnach die beiden ent-
sprechenden Eohlenstoffvalenzen einander gleichwerthig sind.
Die neutralen Eohlensäureester sind farblose, destillirbare, ätherisch
riechende Flüssigkeiten^ die sich in Wasser nicht lösen; sie sind leicht
verseifbar. Erwärmt man sie mit Alkoholen, welche einen höheren Alkyl-
rest enthalten, so tritt anstatt des niederen Alkylrests ein höherer in das
Estermolecül ein:
/OCH, /OCaH,
C0< +C3H,.0H = C0< +CH,.OH;
\O.C3H7 M).C,H,
durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid zerfallen sie in Chloralkyle
und Chlorkohlensäureester:
C0< + PCI5 = C0< + CH^.Cl + POCl, .
N).CA ^O.CA
Dimethylcarbonat* CO(OCHj), eretarrt in der Kälte, schmilzt dann wieder
bei + 0-5«, siedet bei 90-60 und besitzt bei 17® das spec. Gew. 1-06Ö. — Dilthyl-
carbonat« COCOCaHg)^ siedet bei 126— 127«; spec. Gew. bei 20«: 0-976.
^ Clebmomt, Ann. 91, 376 (1854).
* Ettlino, Ann. 19, 17 (1836). — Löwio u. Weidmank, Ann. 36, 301 (18^0). -
Geuther, Ztschr. Chem. 1868, 656. — Cbahston u. Dittmab, Ztschr. Chem. 1870, 4.
* SomiEiKER, J. pr. [2] 22, 353 (1880). — Robse, Ann. 206, 280 (1880).
* R0E8E, Ann. 205, 231 (1880). — Coukcleb, Ber. 18, 1697 (1880).
* Kopp, Ann. 95, 325 (18551..— Brühl, Ann. 203, 23 (1880).
Saure Kohlensäureester. Ester der Orthokohlensäure und Chlorkohlensäure. 1043
Die sauren EohlensSureester^ oder Monalkylcarbonate:
RO-CO-OH
sind in freiem Zustand nicht bekannt. Ihre Alkalisalze, wie C^Hj-O-
CO-ONa (äthylkohlensaures Natrium) erhält man durch Einleiten
von Kohlensäure in die alkohoUsche Lösung von Alkoholaten, z. B. :
CHj.ONa + CO, = CjHB.OCOONa;
sie werden von Wasser unter Bildung von Alkoholen und Alkalicarbo-
naten zersetzt.
Die Ester der Orthokohlensäure' 0(0 -R)« — mit Ausnahme des Methjlestera
— können bereitet werden, indem man die alkoholische Lösung der Natriumalkoholate
in eine alkoholische Lösung von Ohlorpikrin (S. 624) einiiiessen Iftsst, so dass stets
Ohlorpikrin im Ueberschuss vorhanden ist, z. B.:
001,. NOj + 40jH5.0Na = 0(0- 0^)^ + 3Na01 + NaNO, .
— Orthokohlensäureathylester CCO-OjHß)^ siedet bei 158— 159^
Die Ester der Chlorkohlensaure CICOOR — auch Chlor -
ameisensäureester genannt, vgl. S. 1041, — werden häufig bei Syn-
thesen zur Einführung der Carboxylgruppe benutzt. Man stellt sie durch
Einwirkung von Phosgen auf Alkohole:
0001, + OA-OH = OlOO.OO.Hs + HOl
unter solchen Bedingungen ^ dar, dass die weitere Einwirkung des Alkohols
auf den Chlorkohlensäureester, die zur Bildung eines neutralen Eohlen-
säureesters führen würde (S. 1042), verhindert wird. Sie bilden farblose
Flüssigkeiten von sehr heftigem, stark zu Thränen reizendem Geruch
und destilliren unzersetzt. Ein Beispiel ihrer Anwendbarkeit für syn-
thetische Zwecke bietet die Eeaction (vgl. S. 699):
(0,H5.0.0O),0HNa + 01.0O.O.0,H8 = (O.HsO.OOXOH.OO.OOA + NaOl.
Bei vielen Beactionen — z. B. in Gegenwart von Aluminiumchlorid oder
Chlorzink — zerfallen sie leicht in Kohlensäure und Chloralkyl*. Durch
nascirenden Wasserstoff können sie in Ameisensäureester übergeführt
werden^.
Ohlorkohlensäuremethylester^ 01»C0'0-0Hg kann auch durch Ohlorirung
von Methylformiat H-OO-O-OHg gewonnen werden, siedet bei 71-4*, besitzt bei 15*^
das spec. Gew. 1'286 und liefert bei erschöpfender Oblorirnng das Perchlormethyl-
formiat Ol* 00 «O* 001,; letztere Verbindung ist eine Flüssigkeit, siedet bei 12S^
* Dumas u. P^uoot, Ann. 36, 283 (1840). — Beilstein, Ann. 112, 124 (1859). —
Dbstbem, Ann. cb. [5] 27, 10 (1882). — Habesmank, Monatsh. 7, 544, 550 (1886).
' Basset, Ann. 132, 56 (1864). — Ladenburg u. Wichblhaus, Ann. 152, 166
(1869). — Roese, Ann. 205, 249 (1880).
* Roese, Ann. 206, 227 (1880). — Klepl, J. pr. [2] 26, 448 (1882). — Hentschel,
Ber. 18, 1177 (1885).
* WiLM u. Wischin, Ann. 147, 150 (1868). — Rennie, Journ. Soc. 41, 33 (1882).
— ÜLSCH, Ann. 226, 281 (1884). — R. u. W. Otto, Ber. 21, 1516 (1888).
^ Geuthes, Ann. 205, 223 (1880).
« Dumas u. Pälioot, Ann. 15, 39 (1835). — Roese, Ann. 205, 229 (1880). —
W. Hentschel, J. pr. [2] 36, 99, 209, 805, 468 (1887).
66*
1044 Schwefelkohlenstoff.
und zerfällt bei höherer Temperatur — theilweise auch schon bei andauerndem
Sieden — in Chlorkohlenoxyd (Cl-CO-O-CCls = 2COCI4), in Berührung mit Alu-
miniumchlorid glatt in Kohlensäure und Tetrachlorkohlenstoff. — Chlorkohlen-
säureäthylester» Cl-CO.OCjHg siedet bei 93- 1% besitzt bei 20^ das spec. Gew.
1-135; sein Dampf ist bis 250^ beständig.
III. Schwefelhaltige Deilyate der EohlensSure, ihrer Halogenide
und Ester.
Schwefelltohlenstolf GS^ ist die dem Kohlensäureanhydrid ent-
sprechende Schwefelverbindung. Schwefelkohlenstoff wurde 1796 von
Lampadiüs entdeckt; er entsteht, wenn Kohle bei Eothgluth mit Schwefel-
dampf in Berührung kommt*, durch directe Vereinigung der Elemente.
Nach dieser Bildungsweise wird er im Grossen dargestellt'; in eine auf-
recht stehende Retorte, welche glühende Kohlenstückchen enthält, wirft
man durch ein bis fast zum Boden reichendes Bohr nach und nach
Schwefelstücke ein; der Schwefel verdampft und streicht über die glü-
hende Kohle; die aus der Betörte entweichenden Dämpfe werden in
geeigneten Vorlagen condensirt und liefern den rohen Schwefelkohlenstoff,
welcher stets freien Schwefel, Schwefelwasserstoff und fremde organische
Schwefelverbindungen gelöst enthält, .die ihm einen höchst unangenehmen
Geruch ertheilen; der rohe Schwefelkohlenstoff wird gereinigt, indem man
ihn über Natron und zuletzt über einem reinen Arischen Pflanzenfett,
das die Fähigkeit besitzt, die übelriechenden Verunreinigungen zurück-
zuhalten, destillirt.
Zur völligen Eeinigung^ des Schwefelkohlenstoffs ist successives Durchschüttehi
mit gepulvertem Kaliumpermanganat, metallischem Quecksilber und QuecksilbersulflBit
und daraufifolgende Destülation, femer Behandlung mit Salpetersäure oder mit Brom
empfohlen worden.
Schwefelkohlenstoff ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit
und besitzt in ganz reinem Zustand einen eigenthümlichen ätherischen,
aber durchaus nicht unangenehmen Geruch; der käufliche Schwefel-
kohlenstoff indess, wie man ihn im Laboratorium benutzt, riecht stets
sehr unangenehm; nur durch besondere Beinigungsoperationen (vgl. oben)
kann ihm der üble Geruch entzogen werden. Schwefelkohlenstoff erstarrt*
bei — 116® und schmilzt bei — 110^, siedet bei 46<^ und besitzt bei 20^
* Dumas, Ann.. 10, 277 (1834). — Müllbb, Ann. 258, 50 (1890). — Pawlewsd,
Ber. 25, 1449 (1892). - Anschütz u. Ehebt, Ann. 273, 61 (1892).
« Vgl. hierzu Stein, J. pr. 108, 316 (1869). — Bebthelot, Bull. 11, 450 (1869).
' Fabrikmässig wird Schwefelkohlenstoff von den Firmen: G. ZnonsBiiAifN (Palm-
kemölfabrik), Martinikenfelde bei Berlin, und Renoebt & Co. (ebenfialls Palmkemöl-
fabrik), Berlin, dargestellt.
* Vgl. Allaby, Bull. 35, 491 (1881). — Obach, J. pr. [2] 26, 282 (1882). —
Fbiedbürq, Chem. News 47, 52 (1883). — C^heneyieb, Ztschr. f. analyt Chem. 31
68 (1892).
* Wboblewsky u. Olszewski, Compt. rend, 98, 1142 (1883).
Söhwefelkofdenstoff. 1045
das spec. Gew.i 1.262. Er ist in Wasser kaum löslich*, dagegen misch-
bar mit Benzol und Aether; mit Alkohol ist Schwefelkohlenstoff nur
dann in jedem Verhältniss mischbar, wenn der Alkohol fast wasserfrei
(mehr als 98procentig) ist.
Schwefelkohlenstoff ist äusserst leicht entzündlich^ und daher sehr
feuergefährlich und mit grosser Vorsicht zu handhaben; er verbrennt mit
blauer Flamme. .Ein Gemisch von Schwefelkohlenstoffdampf und Stick-
oxyd verbrennt mit blendendem Lichte, das sehr reich an chemisch wirk-
samen Strahlen ist.
Am Lichte färbt sich Schwefelkohlenstoff gelblich und nimmt wieder
den unangenehmen Geruch des rohen Schwefelkohlenstoffs an; setzt man
ihn längere Zeit dem directen Sonnenlichte* aus, so scheidet sich ein
brauner amorpher Körper ab, der Kohlenstoff und Schwefel in dem Ver-
hältniss der Formel CS enthält.
Schwefelkohlenstoff wirkt giftig^; sein Dampf tödtet kleinere Thiere
nach kurzer Zeit. Er wirkt ferner in sehr kräftiger Weise fäulniss-
widrig®.
Schwefelkohlenstoff erleidet technische Verwendung zum Vulcanisiren
des Kautschuks, zur Extraction von Fetten und Oelen, ferner in Form
des trithiokohlensauren Kaliums (vgl. S. 1050) als Mittel zur Bekämpfung
der Beblaus.
Er besitzt für viele Substanzen — namentlich für Jod, Phosphor,
Schwefel, organische schwefelhaltige Verbindungen — ein erhebliches
Lösungsmittel und wird im Laboratorium daher auch häufig als Krystal-
lisationsmittel benutzt.
Additionaprodukte des Schwefelkohlenstoffs. Mit Wasser bildet
Schwefelkohlenstofif bei niederer Temperatur ein starres, in blumenkohlartigen Aggre-
gaten sich abscheidendes Hydrat', dessen Bildung man beobachtet, wenn Schwefel-
kohlenstoff in einer wasserhaltigen Atmosphäre rasch verdunstet — Sehr charak-
teristisch und zum Nachweis des Schwefelkohlenstofif geeignet ist die schön rothe
Verbindung von Schwefelkohlenstoff mit Triäthylphosphin« CS, -h PCCjHß)^ (vgl.
S. 263—264), deren Bildung auch zur quantitativen Bestimmung des Schwefelkohlen-
stofib benutzt, werden kann. — Auch die Vereinigung des Schwefelkohlenstoffis mit
* Kopp, Ann. 96, 305 (1855). — Haaoen, Ztschr. Chem. 1868, 100. — Thoepe,
Joum. Soc. 37, 363 (1880). — Nasini, Ber. 15, 2883 (1882). — Friedbubo, Chem.
News 47, 52 (1883).
' Pagb, Jb. 1880, 279. — Ohancel u. Parmemtier, Compt. rend. 99, 894 (1884).
* Vgl. Bebthelot, Jb. 1857, 120. — Frakeland, Jb. 1862, 691.
* LoEW, Ztschr. Chem. 1868, 622. — Sidot, Ber. 8, 981 (1875).
* CloSz, Compt rend. 63, 185 (1866).
« 2^llbe, Ber. 9, 707 (1876). — H. Schipp, ebenda, 828. — Pälioot, Compt.
rend. 99, 587 (1884). — Ckiakdi-Bey, Compt rend. 89, 509 (1884).
' Bebthelot, Jb. 1856, 293. — Duclauz, Compt rend. 64, 1099 (1867). —
Waetha, Ber. 3, 80 (1870); 4, 180 (1871). — Ballo, Ber. 4, 118, 294 (1871). —
Vbhable, Ber. 16, 1493 (1883).
^ A. W. Hopmann, Ann. Suppl. 1, 26 (1861). Ber. 2, 73 (1869); 13, 1732 (1880).
1046 Kohlenoxyatdfid,
Alkoholaten^ zu xanthogensauren Salzen C^H^ * 0 • CS • SMe' (vgl. S. 1049) und mit
Phenylhydrazin* (vgl. Bd. II) zu phenjlsulfocarbazinsanrem Phenylhydrazin
CeHs-NsH,— CS— S-NsH^-CoHfi kann zweckmässig für die Erkennung und Bestimmung
des Schwefelkohlenstoffs verwerthet werden. — Das Verhalten gegen Halogene vgl.
unten, gegen Amine S. 238.
Beim Erhitzen mit verdünnter Barytlösung unter Luftabschluss wird
SchwefelkohlenstoflF nach der Gleichung:
CS, + 2Ba(0H), = BaCO, + Ba(SH), + H^O
zersetzt^; der Schwefel wird mithin gegen SauerstoflF ausgetauscht. Durch
Einwirkung von Phosphorpentachlorid* kann Schwefelkohlenstoff in
Tetrachlorkohlenstoff CCl^ übergeführt werden.
Von den freien Halogenen wird Schwefelkohlenstoff bei gewöhn-
licher Temperatur wenig angegriffen; man benutzt daher häufig den
Schwefelkohlenstoff als indifferentes Lösungsmittel, wenn man die Halo-
gene auf andere Substanzen einwirken lassen will. Bei Gegenwart von
Halogenüberträg^m ist Schwefelkohlenstoff indess gegen Chlor und Brom
sehr wenig resistent, die Reaction durchläuft verschiedene Zwischen-
stadien und führt endlich zum völligen Ersatz des Schwefels durch Ha-
logen, d. h. zur Bildung von Tetrachlor-, bezw. Tetrabromkohlenstoff
(vgl. S. 215, 223, 541 — 542). Brom* wirkt auch ohne Anwesenheit
eines Ueberträgers schon bei gewöhnlicher Temperatur und bei mehr-
tägigem Stehen auf Schwefelkohlenstoff ein; es bildet sich ein öliges
braunrothes Additionsprodukt CS^.Br^, das nach dem Abdestilliren des
nicht veränderten Schwefelkohlenstoffs und Broms auf dem schwach
siedenden Wasserbade zurückbleibt und durch Einwirkung von Wasser
oder Alkohol unter Abspaltung von Bromschwefel das farblose, krystalli-
sirbare Kohlenstofftrithiohexabromid CjSjBrg (Schmelzpunkt 125^
liefert. Brom in Gegenwart von Wasser oxydirt Schwefelkohlenstoff
ziemlich rasch zu Kohlensäure und Schwefelsäure.
KoUenoxysiilfld^ COS nimmt eine ZwischensteUung zwischen
Kohlensäureanhydrid und Schwefelkohlenstoff ein. Es kann durch Ver-
* LucK, Ztschr. f. analyt. Chem. 11, 410 (1872). — Gbete, Ann. 190, 214 (1878).
— Macagno, Ztschr. f. analyt. Chem. 21, 183 (1882).
' C. LiBBERMANN u. Setewetz, Ber. 24, 789 (1891).
* Chanoel u. Parmenties, Compt. rend. 99, 892 (1884). — Vgl. auch Schlaodbk-
HAUFEN, Jb. 1856, 293.
* Rathke, Ztschr. Chem. 1870, 57. Ann. 167, 196 (1873).
^ Hell u. Urech, Ber. 16, 273, 987 (1882); 16, 1144, 1147 (1883). — Vgl. Rlabox,
Ber. 20, 2383 (1887).
* V. Than, Ann. Suppl. 6, 236 (1867). — Cossa, Ber. 1, 117 (1868). — A. W. Hop-
MANN, Ber. 1, 181, 182 (1868). — Dewar ii. Cranston, Ztschr. Chem. 1869, 734.
— Ladenbürg, Ber. 1, 273 (1868); 2, 30, 271 (1869). — Emmrrlinq u. Lengtel, Her.
2, 546 (1869). — Armstrono, Ber. 2, 712 (1869). — Carhelley, Jb. 1875, 258. —
Berthelot, Ann. 148, 266 (1868). Compt. rend. 94, 1069 (1882). — Salomon, J. pr.
[2^ 5, 476 (1872). — Kretschmar, J. pr. [2] 7, 474 (1873). — K Schmidt, Ber. IG,
191 (1877). — Ilosvay, Bull. 37, 291 (1882). — Klason, J. pr. [2] 36, 64 (1887), —
Gautier, Compt. rend. 107, 911 (1888). ~ Nüricsän, Ber. 24, 2967 (1891).
Thiocarbonylohlorid oder Thiophosgen. 1047
eiiügang von Kohlenoxyd mit Schwefel bei schwacher Bothgluth gewonnen
werden. Aus Schwefelkohlenstoff kann man es durch viele Processe er-
halten, z. B. durch Erwärmen mit Schwefelsäureanhydrid oder durch
Ueberleiten des Dampfes über rothglühenden Kaolin (letzterer verwandelt
sich dabei in Siliciumsulfid und Sulfosilicate). Phosgengas entwickelt
beim Ueberleiten über Cadmiumsulfid schon bei gewöhnlicher Temperatur
Kohleuoxy Sulfid. Die Entstehung aus Senfölen durch Behafidlung mit
concentrirter Schwefelsäure ist schon S. 1019 erwähnt; ein Gegenstück
dazu ist die Bildung bei der Einwirkung von trockenem Schwefelwasser-
stoff auf Isocyanate, z. B.:
2CO:NC8H5 + H,S = COS 4- COCNH-C^Hj),.
Zur Darstellung benutzt man zweckmässig die Zersetzung von Ehodan-
ammonium bezw. Bhodankalium mit massig concentrirter, überschüssiger
Schwefelsäure (vgl. S. 1014) oder die oben erwähnte Reaction von
Schwefelkohlenstoffdampf auf glühenden Kaolin.
Kohlenoxysulfid ist ein farbloses, geruchloses Gas, das bei 0® unter
einem Druck von 12 73 Atmosphären flüssig wird; es verbrennt mit
bläulicher Flamme. Bei schwacher Eothgluth zerfällt es theilweise in
Kohlenoxyd und Schwefel. Von wässrigen Alkalien wird es nur sehr
langsam unter Zersetzung absorbirt. Man kann es daher von Kohlen-
säure und Schwefelwasserstoff durch Waschen mit Aikalilauge trennen;
Beimengungen von Kohlenoxyd entfernt man zweckmässig durch Kupfer-
chlorürlösung, Schwefelkohlenstoff zunächst durch Abkühlung, darauf
durch Waschen mit alkoholischer Anilinlösung.
ThiocarbonyleUorid ^ CSCl^ — die dem Phosgen entsprechende
Schwefelverbindung, daher auch Thiophosgen genannt, — wird erhalten,
indem man zunächst Schwefelkohlenstoff in Perchlormethylmercaptan
CCI3.SCI überführt (vgl. S. 215) und letzteres mit Zinnchlorür und Salz-
säure reducirt:
CClg-SCl-a, = CSCl,.
Das nach dieser Beaction jetzt leicht darstellbare Thiophosgen ist eine
Flüssigkeit, welche einen höchst unangenehmen, theils reizenden, theils
ekelerregenden Geruch besitzt, bei 73« 5® siedet und bei 15® das specifische
Gewicht 1-509 zeigt. Gegen Wasser ist es sehr beständig; erst durch
mehrstündiges Kochen mit Wasser wird es vollständig unter Bildung
von Kohlensäure und Schwefelwasserstoff zersetzt. Mit Chlor vereinigt
es sich sehr leicht wieder zu Perchlormethylmercaptan. Im Sonnenlicht
wird es allmählich zu Perchlorperthiokohlensäuremethylester
CjSjCl^ = Cl'CS-S'CClg (Perchlorthioameisensäuremethylester),
welcher farblose Krystalle bildet und bei 116® schmilzt, polymerisirt;
1 KoLBE, Ann. 45, 44 (1843). — Rathke, Ann. 167, 195 (1878). Ber. 21,
2589 (1888). — Rebn u. Sandoz, Jb. 1887, 2545. — James, Journ. Soc. 51, 268 (1887).
— Klabon, Ber. 20, 2380, 2384 (1887). — Billeter u. Strohl, Ber. 21, 102 (1888).
— Bebqbeen, Ber. 21, 337 (1888).
1048 Thiokohlensäuren,
ganz reines Thiophosgen scheint diese Polymerisation nicht zu erleiden.
Sowohl das Thiophosgen selbst wie auch sein Polymeres wird durch Elr-
hitzen mit Aluminumchlorid in ein Gemisch von Schwefelkohlenstoff und
Tetrachlorkohlenstoff verwandelt; dieselbe Zersetzung erleidet das Thio-
phosgen beim Erhitzen mit Salmiak auf 200^. Thiophosgen ist ein sehr
reactionsfähiger Körper, der zur Herstellung vieler organischer Schwefel-
verbindungen benutzt werden kann; so kann man z. B. primäre Amine
sehr glatt mit Hülfe von Thiophosgen in Senfole ^ verwandeln:
X-NH, + CSCl, = X-N : CS + 2 HCl;
dieser Keaction entspricht auch die Bildung von ßhodanammonium bei
der Einwirkimg von Ammoniak auf Thiophosgen.
Den Carbonaten entsprechende Schwefelyerbindongen (Salze
nnd Ester der Thiokohlensäuren). Von dem Kohlensäurehydrat:
/OH
C0<
kann man sich verschiedenartige entsprechende Schwefelverbindungen
abgeleitet denken, je nachdem die Hydroxjlsauerstoffatome oder das
Carbonylsauerstoffatom oder sämmtUche SauerstoiFatome durch Schwefel
vertreten werden. Zur Unterscheidung der einzelnen Schwefelungsstufen
in den Benennungen sei eine vom Genfer Nomenclaturcongress (vgl.
S. 1091 ff.) beschlossene Regel benutzt, nach welcher der einfach an
Kohlenstoff gebundene Schwefel durch die Silbe „thiol", der doppelt
an Kohlenstoff gebundene Schwefel durch die Silbe „thion" bezeichnet
wird. Die einzelnen Möglichkeiten mit den sich so ergebenden Namen
mögen zunächst zusammengestellt werden:
<SH /OH
CS<
OH \0H
Thiolkohlensäure Thionkohlens&ure.
/SH /OH
n. Dithiokohlensäuren: C0< CS<
\SH ^SH
Dithiolkohlensfture Thionthiolkohlens&ure.
IIL Trithiokohlensäure: CS< .
^SH
Diese Thiokohlensäuren sind in Form von Salzen oder Estern bekannt
ThiolkohlensSure * HO • CO • SH ezistirt m Form ihrer neatralen Ester RO • CO • SR
und in Form der Salze von sauren Estern RO-CO-SMe. Die Salze der sauren
Ester — wie äthylthiolkohlensaures Kalium C,H5-0*C0SK (lange, in
* Vgl. BiLLETEB u. Steinbr, Bcr. 20, 229 (1887).
* Debüs, Ann. 76, 129 (1850). — Chancel, J. pr. 63, 178 (1851). — Behdes,
Ann. 148, 137 (1868). — Salomon, J. pr. [2] 6, 476 (1872); 6, 433 (1873). — Orro
u. RössiNO, Ber. 19, 1232 (1886).
Monothio^ und Dithiokoklensäuren, 1049
Wasser und Alkohol leicht lösliche Nadeln) — entstehen bei Einwirkung von Kohlen-
säure auf Mercaptide oder beim Einleiten von Rohlenozysulfid in alkoholische Al-
kalien!
CO, + C.HßSK = 1 yOCjH»
:k
COS + CHß.OK = j ^SK
femer durch Einwirkung von alkoholischen Alkalien auf Xanthogensäureester (vgl.
S. 1050); werden sie mit einer Mineralsfture zersetzt, so zerfällt die in Freiheit gesetzte
Alkylthiolkohlensfture sofort in Kohlenoxysulfid und Alkohol:
CJEIß-OCOSH = CjHft.OH + COS.
— Die neutralen Ester — wie Thiolkohlensäureftthylester CjHg-O'CO'S-
CsHg (Siedepunkt 156°, spec. Gew. bei 18° 1*028) — entstehen durch Umsetzung
von C!hlorkohlensäureestem mit Mercaptiden:
CjHß.O.CO.Cl + NaS.CjHs =- CjHj.O.CO.S.CÄ + NaCl.
ThloiikohlensftnreHO-CSOH. Der Diäthylester^Cj|HB-0-CS0C,H5 dieser
Säure ist aus dem Aethylxanthogendisulfid CsHs-O-CS-SS CS-OCsH», welches
durch Einwirkung von Jod auf Kaliumxanthogenat entsteht, durch Zersetzung bei
der Destillation erhalten worden; Siedepunkt: etwa 162°, spec Gew. bei 19°: 1*341.
Bithiolkohlensftnre* HS— CO— SH. Neutrale Ester dieser Säure sind durch
Umsetzung von, Clilorkohlenozyd mit Katriummercaptiden:
COCl, + 2NaSC,H5 = 00(8*0^), -I- 2NaCl,
ferner durch Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf Alkylrhodanide (S. 1017)
erhalten; sie werden durch Erhitzen mit Wasser in Kohlensäure und Mercaptan,
durch Einwirkung von alkoholischem Ammoniak in Carbamid und Mercaptan zerlegt
Der Diäthylester CsHsSCOS-CsHg riecht knoblauchartig, siedet bei 196—197°
und besitzt bei 23° das spec. Gew. 1*084.
Thionthiolkohlens&ure^ HO-CS*SH. Die sauren Ester dieser
Säure mit an Sauerstoff gebundenem Alkylrest R-0-CS-SH werden
XanthogensSuren genannt, weil ihre Salze in Kupferlösungen einen
gelben Niederschlag erzeugen (vgl. unten). Die AlkaHsalze der Xan-
thogensäuren sind ausserordentlich leicht durch Vereinigung von Schwefel-
kohlenstoff mit Alkoholaten:
CS, + CtHj.O.Na = C,H5.0.CS.SNa
darstellbar. So braucht man nur eine concentrirte Lösung von Aetzkali
in absolutem Alkohol mit überschüssigem Schwefelkohlenstoff zu ver-
setzen, um die schwach gelblichen, seidenglänzenden Nadeln des äthyl-
xanthogensauren Kaliums massenhaft sich abscheiden zu sehen.
Dieses Salz ist in Wasser sehr leicht löslich; die Lösung giebt mit
* Debüs, Ann. 76, 136 (1850). — Salomon, J. pr. [2] 6, 441 (1873); 7, 255 (1873).
« Schmitt n. Glutz, Ber. 1, 166 (1868J. — Salomon, J. pr. [2] 6, 443 (1873);
7, 265 (1873). — Seifpbrt, J. pr. [2] 31, 464 (1885). — Schöne, J. pr. [2] 32, 244 (1885).
> ZsisE, Berz. Jb. 3, 80 (1824); 16, 302 (1837). — Pelouze n. Liebio, Ann. 19,
260 (1886). — CouERBE, Berz. Jb. 17, 332 (1838). — Sacc, Ann. 51, 345 (1844). —
Dkbüs, Ann. 72, 1 (1849); 75, 121 (1850). — Chahcel, J. pr. 63, 113 (1851). — Hlasi-
wmz, Ann. 122, 87 (1862). — Schmitt u. Glutz, Ber. 1, 168 (1868). — Salomon,
J. pr. [2] e, 445 (1873); 8, 114 (1874). — Phipson, CJompt. rend. 84, 1459 (1877). —
Fleischer u. Hank6, Ber. 10, 1293 (1877).
1050 Trithiokohlensäureester, Schwefelderivai^ der Cklorkohlensäureester.
Kupferoxyd zunächst einen schwarzbraunen Niederschlag, der rasch in
das gelbe flockige xanthogensaure Kupferoxydul Cu2(CgHßOS2)j tibergeht.
Durch Zerlegung des Kaliumsalzes mit verdünnter Schwefelsäure in der
Kälte erhält man die freie Aethylxanthogensäure als farbloses Oel,
das schon bei 24® in Alkohol und Schwefelkohlenstoff zerfällt. Durch
Umsetzung der Alkalixanthogenate mit Halogenalkylen erhält man die
Xanthogensäureester oder neutralen Ester der Thionthiol-
kohlensäure.
CjH^O-CSSK + BrCA = CjH^O-CSSC.Hß + KBr,
welche im Gegensatz zu den Dithiolkohlensäureestem (S. 1049) durch
Erhitzen mit Wasser in Kohlensäure, Schwefelwasserstoff, Alkohol und
Mercaptan, durch Einwirkung von Ammoniak in Mercaptan und Xan-
thogenamide RO-CS-NHj (S. 1065) gespalten werden. Der Diäthyl-
ester CjHß-O-CS-S-CjHg riecht knoblauchartig, siedet bei 200® und
besitzt bei 19® das spec. Gew. 1-085.
TritbiokohlensSure ^ H^CSs. Die Alkalisalze dieser Säure entstehen, wenn
Schwefelkohlenstoff bei gelinder Wärme in Lösungen der Schwefelalkalien au%eldst
wird:
CSj 4- Na,S = Na,CS,-,
ihre verdünnten wässrigen Lösungen scheiden an der Luft rasch Schwefel ab, indem
sie Sauerstoff absorbiren und in Carbonate übergehen. Aus den Lösungen der Alkali-
salze scheidet verdünnte Salzsäure die freie Trithiokohlensäure als rothbrannes,
schweres, zersetzliches Oel ab. Die Ester der Trithiokohlensäure entstehen aus den
AlkaUsalzen durch Umsetzung mit Halogenalkylen, aus Mercaptiden durch Einwirkong
von Thiophosgen. Der Aethylester (C2H5)sCS8 ist ein gelbes Oel und siedet bei
240^. Ueber Verwendung der trithiokohlensauren Salze zur Bekämpfung der Beb-
laus vgl. S. 1045.
Behwefelderirate der ChlorkohlensSureester'. Durch Umsetzung von Phosgen
mit Mercaptanen können Chlorthiolkohlensäureester wie Cl*CO*S-CsHs, durch
Umsetzung von Thiophosgen mit Alkoholen Chlorthionkohlensäureester wie
C1*CS-0«C,H5, durch Umsetzung von Thiophosgen mit Mercaptanen Chlorperthio-
kohlensäureester wieCl'CS'S-CgHß gewonnen werden. Ueber Perchlorperthio-
kohlensäuremethylester Cl-CS-S-CCla vgl. S. 1047.
IV. Amide der Kohlensäure.
Von der Kohlensäure — als zweibasischer Säure — kann sowohl
ein Amid wie eine Aminsäure abgeleitet werden:
1 Bkbzelius, Pogg. 6, 444 (1826). — Schweizer, J. pr. 32, 254 (1844). —
Cahours, Berz. Jb. 27, 548 (1848). — Debus, Ann. 75, 147 (1850). — Caaxoeu
J. pr. 53, 177 (1851). — Husemann, Ann. 123, 66, 83 (1862); 126, 269 (186S). —
Sestim, Jb. 1871, 262. — Salomon, J. pr. [2] 6, 446 (1873). — Walker, Jb. 1874,
235. — Vincent, Ann. eh. [5] 22, 544 (1881). — Vbley, Joum. Soc. 47, 486 (1885).
— Klason, Ber. 20, 2385 (1887). — Nasini u. Scala, Ber. 20c, 707 (1887).
• SAtoMON, J. pr. [2] 7, 252 (1873). — Schöne, J. pr. [2] 30, ;416 (1885); 82,
241 (1885). — Klason, Ber. 20, 2384 (1887).
Carbamid oder Harnstoff, 1051
C0< C0<
Carbamid CarbaminsSure.
Auch ein Imid erscheint denkbar:
CO = NH, Carbimid ;
letzteres ist als desmotrope Form der Cy ansäure (S. 1009 ff.) schon be-
besprochen worden. Indem man sich Kohlensäurereste durch Imid-
gruppen verbunden denkt, gelangt man femer zu Verbindungen, wie
/CO. OH yCONH,
NH< , NH< etc.
\COOH ^CO.NHj
Carbamid NKj-CO-NH^ ist eine Verbindung, welche für den thieri-
schen Stoffwechsel von der allergrössten Bedeutung ist. Sie wurde 1773
im Harn entdeckt, findet sich in reichlicher Menge im Harn der Säuge-
thiere und wird daher gewöhnlich Harnstoff genannt; Menschenham
enthält 1-5 — 3- 7^0 Harnstoff; die per Tag von einem erwachsenen
Menschen durchschnittlich abgesonderte Harnstoffmenge beträgt etwa
30 g. Auch andere thierische Flüssigkeiten ^ ausser dem Harne — Blut,
Lymphe etc. — enthalten Harnstoff, wenn auch meist nur in geringer
Menge; das Blut der Haifische* dagegen ist an Harnstoff ungefähr ebenso
reich, wie der menschliche Harn. Der Harnstoff entsteht im Organismus
aus den Eiweisskörpern^, zum kleinen Theil durch directen ZerfaU derselben,
zum grössten Theil indirect aus ihren Spaltungsprodukten (vgl. S. 1052).
Beim Säugethierorganismus (vgl. Harnsäure, S. 1083) ist er unter den
stickstoffhaltigen Endprodukten des Stoffwechsels dasjenige, welches in
grösster Menge gebildet wird; man kann daher die inneAalb einer ge-
wissen Zeit ausgeschiedene Harnstoffquantität als Mass für den Verbrauch
von stickstoffhaltigen Nahrungs- bezw. Körperbestandtheilen betrachten.
Harnstoff wurde 1828 von Wöhlee* künstlich durch Umlagerung
von cyansaurem Ammonium gewonnen:
COiN-NH^ bezw. CN.O.NH4 >- Co/" %
das cyansaure Ammonium erleidet diese umlagerung schon beim Er-
wärmen seiner wässrigen Lösung auf dem Wasserbade. Die historische
Bedeutung dieser Entdeckung ist schon aus der Einleitung (S. 1) bekannt:
* WöHLEB, Ann. 58, 98 (1846); 66, 128 (1848). — Millon, Compt. rend. 28,
121 (1848). — Stadblb^u. Frebichs, Jb. 1858, 550; 1869, 611. — Wubtz, Jb. 1859,
611. — P01S8EULLE u. 60BLET, Jb. 1859, 612. — Lefobt, Compt rend. 62, 190
(1866). — Vogel, Jb. 1867, 982. — Rabutbau, Jb. 1878, 877. — Piocabd, Compt.
rend. 87, 533, 993 (1878).
* W. V. ScHBÖDBB, Ztschr. f. physioL Chem. 14, 576 (1890).
' Näheres über die Entstehung des Hamstofis im Organismus vgl. in Bunoe^s
Lehrb. d. physioL u. pathol. Chem. (Leipzig, 1889), S. 282—290.
* Pogg. 12, 253 (1828).
1052 Bildung und Darstdiung von Hanistoff,
die erste „Synthese" einer vom Organismus erzeugten organischen Ver-
bindung war damit gelungen.
Andere später aufgefundene synthetische Bildungsweisen illustriren
besonders deutlich die constitutionellen Beziehungen des Harnstoffs zur
Kohlensäure (vgl. auch S. 1061). Harnstoff bildet sich durch Einwirkung
von Chlorkohlenoxyd auf Ammoniak^:
COClj + 2NH8 = CO(NH,), + 2 HCl
— und zwar besonders glatt, wenn man zunächst durch Einwirkung von
Chlorkohlenoxyd auf Phenolnatrium CgHg-ONa das Diphenylcarbonat
CO(0-CgH5)3 darstellt und letzteres bei Wasserbadwärme mit trockenem
Ammoniakgas behandelt'. Ebenso kann er leicht aus Kohlenoxysulfid
durch Einwirkung auf Ammoniak erhalten werden':
/NH, /NH,
COS + 2NHg = C0< = C0< + H,S.
Cyanamid (vgl. S. 1022) geht durch Wasseranlagerung unter dem Einfluss
concentrirter Mineralsäuren in Harnstoff über*.
Durch physiologische Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass
höchstwahrscheinlich bei der Hamstoffbildung im Organismus als Vorstufe
des Harnstoffs kohlensaures bezw. carbaminsaures Ammonium auftritt; es
erscheint mit Bücksicht auf diesen Befund wichtig, dass man durch
Elektrolyse einer Lösung der genannten Ammoniumsalze mit Wechsel-
strömen oder auch bei Gegenwart von Platinmohr mit gleichgerichteten
Strömen Harnstoff in geringen Mengen erhält^. Aus carbaminsaurem
Ammonium bildet er sich auch beim Erhitzen im Rohr® auf 130 — 140^.
Im Organismus stellen die Eiweisskörper in erster Linie das Roh-
material für die Hamstoffbildung dar. Es ist daher von Interesse, dass
auch ausserhalb des Organismus die Abspaltung von Harnstoff aus Ei-
weisskörpem ausführbar ist^; aus Caseln und anderen Eiweisskörpem
erhält man durch Kochen mit concentrirter Salzsäure und etwas Zinn-
chlorür das Lysatinin CgHjjNgO, (vgl. S. 1078) — eine Base, welche nun
beim Kochen mit Barytwasser Harnstoff liefert (vgl. auch die Bildung
von Guanidin durch Oxydation von Eiweiss, S. 1068).
Darstellnng des Harnstoffs aus Harn'. Man dampft Harn stark ein,
fugt nach dem Erkalten starke Salpetersäure zu und erhftit so einen Niederschlag von
^ Natanson, Ann. 98, 287 (1856). — Neubaurb u. Kebner, Ann. 101, 344 (1857).
— BoucHABDAT, Compt. Tcud. 69. 961 (1869).
• Hbntschel, Ber. 17, 1286 (1884). » E. Schmidt, Ber. 10, 191 (1877).
^ Caxnizzaso u. Ctoftz, Ann. 78, 280 Anm. (1851). — BAüMAnr, Ber. 6,
1373 (1873).
^ Drechsel, J. pr. [2] 22, 481 (1880). Jb. 1886, 279. — VgL anch Mhxot,
Compt rend. 101, 432 (1885); 103, 153 (1886).
• Basaeow, J. pr. [2] 1, 283 (1870). — Boueoeois, Bull. [3] 7, 48 Anm. (1892).
' Drechsel, Ber. 23, 3096 (1890).
» Vgl. Berzelius, Pogg. 18, 84 (1880). — Millov, Ann. eh. [3] 8, 235 (1843).
— RoüssiN, Jb. 1859, 612. — de Lüna, Jb. 1860, 580.
Eigensdiaftm, Verhalten, Verbindungen des Harnstoffs. 1053
salpetersaarem Harnstoff; das Harnstofliiitrat wird durch Krystallisation gereinigt,
darauf in warmer wässriger Lösung mit Bariumcarbonat zersetzt; man dampft nun
das Gemisch zur Trockne und extrahirt aus dem Rückstand den Harnstoff durch
Alkohol.
Darstellung des Harnstoffs aus Ammoniumcyanat Man löst Kalium-
cyanat (vgl. S. 1010) und die äquivalente M^age Ammoniumsulfat in Wasser, verdampft
die Lösung auf dem Waeserbade zur Trockne und zieht den Kückstand mit Alkohol
aus. Man braucht indess nicht von reinem Raliumcjanat auszugehen, sondern kann
direct Ijösungen benutzen, wie sie nach Oxydation von Cyankalium resultiren — z. B.
die Lösung der Schmelze von Cyankalium mit Bleiozyd oder eine unter Eiskühlung
mit Kaliumpermanganat ozydirte Cyankaliumlösung^.
Harnstoff krystallisirt aus Wasser in langen, flachen, dem Kalisal-
peter ähnlichen Prismen, ist in Wasser sehr leicht, auch in Alkohol
leicht löslich. Er schmilzt^ bei 132 — 133^ Im Vacuum sublimirt^ er
reichlich unzersetzt zwischen 120^ und 130®. Bei höherem Erhitzen*
unter gewöhnlichem Druck wird er unter Bildung von Ammoniak,
Kohlensäure, Biuret (vgl. S. 1056) und Cyanursäure (S. 1030) zersetzt.
Durch Kochen mit Alkalien oder mit Säuren wird Harnstoff in
Kohlensäure und Ammoniak gespalten. Durch Behandlung mit unter-
bromigsaurem Alkali oder mit salpetriger Säure ^ zerfällt er in Kohlen-
säure und Stickstoff:
COCNHs), + SNaBrO = CO, + N, + 2H4O + 3NaBr
CO(NH,), 4- 2HN0s = COs 4-2N, + 3H,0.
Durch Erhitzen mit alkoholischem Kali liefert Harnstoff reichliche Mengen
von Kaliumcyanat^.
Harnstoff tritt mit Säuren, Basen und Salzen zu Verbindungen^ zu-
sammen, von denen einige für seine Erkennung und Abscheidung sehr
geeignet sind.
Das Harns toffni trat CONgH^.HNOs wird sehr häufig zur Abscheidung des
Harnstoffs benutzt; es bildet glänzende Täfelchen, ist in Wasser wenig löslich,
namentlich aber in Salpetersäure schwer löslich. — Das Oxalat 2CON2HA.C2H2O4
kann infolge seiner Schwerlöslichkeit (1 : 28 Th. Wasser von 15^) für denselben Zweck
dienen. — In sehr verdünnter Lösung giebt Harnstoff mit Quecksilberozydnitrat
einen kömigen weissen Niederschlag der Verbindung 2CONjH4.Hg(NOj),.3HgO. —
Säurefreie Pallad iumchlorürlösung iSXM aus Harnstofflösung einen bräunlichgelben
krystallinischen Niederschlag 2C0N|H4.PdCl9.
^ Baüdsimomt, Jb. 1880, 893. — Volhabd, Ann. 269, 877 (1890).
^ LüBAviN, Ber. 3, 808 (1870). — Reissebt, Her. 23, 2244 (1890).
« BoüRGBOis, Bull. [3] 7, 45 (1892).
* Vgl. WöHLEE, Pogg. 16, 619 (1829). — WiEDEMANN, Auu. 68, 325 (1848).
^ Vgl. Emmerunq, Jb. 1886, 547.
» Vgl. EmcH, Monatsh. 10, 331 (1889).
' Bebzelius, Pogg. 18, 86 (1830). — Reqnault , J. pr. 16, 285 (1839). — Erd-
MAMN u. Kbützsch, J. pr. 26, 506 (1842). — Wertheb, J. pr. 36, 51 (1845). —
LiBBiG, Ann. 86, 289 (1853). — Dessaignes, Jb. 1864, 677. — Marignac, Jb. 1866,
729- — Hlasiwetz, Jb. 1866, 698. — Neubauer u. Kerner, Ann. 101, 337 (1857).
— LoscHMiDT, Jb. 1866, 656. — Schmeltzer u. Birnbaum, Ztschr. Chem. 1869, 206.
— Dbechsel, J. pr. [2] 20, 469 (1879).
1054 ' Älkylderivate des Carbamids.
Für physiologische Untersuchungen ist es von Wichtigkeit, den Harnstoff
quantitativ bestimmen zu kSnnen. Für diesen Zweck sind mehrere Methoden*
ausgearbeitet und eingehend geprüft worden. Die BuvsEK'sche Methode gründet
sich darauf, dass Harnstoff beim Erhitzen mit alkalischer Chlorbariumldsung im Bohr
auf etwa 230® in Kohlensäure und Ammoniak gespalten wird; diese beiden Spaltungs-
produkte können nun nach den gewöhnlichen analytischen Methoden bestimmt werden.
Das Verfahren von Knop-Hüfheb' gründet sich auf die S. 1058 erwähnte Zersetzung
des Hamsto£Es durch unterbromigsaures Alkali; der dadurch entwickelte Stickstoff wird
— in besonders für diesen Zweck construirten Apparaten — volumetrisch bestimmt
Älkylderivate des Carbamids sind in grosser Zahl dargestellt Analog der
WöHLEB'schen Harnstoffsynthese kann man Monalkylderivate und unsymmetrische Di-
alkylderivate durch Umlagerung der Cyanate von Aminen in der Wärme gewinnen:
.NHj
C0NH.NH,(C,H6) = CO
\
NH.CjHj
NH,
CONH.NHCCHJ, = C04
\N(C,H,), .
Aus den Isocyansäureestem (S. 1012) können durch Addition von Ammoniak
Monalkylderivate, von primären und socundären Aminen symmetrische Dialkylderivat«^
und Trialkylderivate, durch Einwirkung von Wasser symmetrische Dialkylderivate
des Harnstoffs erhalten werden. Durch Einwirkung von Phosgen auf secundäre Amine
kann man endlich tetralkylirte Carbamide darstellen:
/N(CH,),
COCl, + NH(CH,), = C0<: + 2 HCl .
\N(CH,),
Alkylirte Harnstoffe, welche keine primäre Amidgruppe mehr enthalten, können
in der R^el unzersetzt destillirt werden; mit der Anzahl der eingetretenen Alkylreste
Mit der Siedepunkt. Aus den alkylirten Harnstoffen, welche Imidgruppen entfialteu,
entstehen durch Einwirkung von salpetriger Säure Nitrosoharnstoffe, z. B.
.N(NO).Cä
COc^ , welche zu Hydrazinhamstoffen (Semicarbazide), z. B.
^NH,
.N(NH,).C,H,
COc^ reducirt werden können (Darstellungsmethode der Hydrazine, vgl
\NH,
S. 248 — 249). Manche Hamstoffabkömmlinge lassen sich auch durch Behandlung mit
wasserfreier Salpetersäure in Nitroderivate* überführen, welche die Nitrogruppe
an Stickstoff gebunden enthalten und durch Spaltung Nitroamine (vgl. S. 239) liefern.
CH,-NH. CH,-N\-NO, CH,— NH-NO,
I ^CO >► >co >■
CH,— nh/ ch,— n/no, ch,— nh-no, *
Methylharnstoff*-« CO(NHaXNH • CH,) krystalUsu^ in Prismen, schmilzt bei
101—1020. — Symmetrischer Dimethylharnstoff*« CO(N'HCH,), schmilzt bei
^ Näheres darüber vgl. in VoRTicAifN's Anleitung z. ehem. Analyse org. Stoffe
(Leipzig u. Wien 1891), S. 355—359.
* Vgl. dazu LuTHEB, Ztschr. f. physiol. Chem. 13, 500 (1889).
' Vgl. Franchikont u. Klobbie, Rec. trav. chim. 7, 236 (1888).
* WuETz, Rupert, chimie pure 4, 199 (1862).
* A. W. Hopmann, Ber. 14, 2734 (1881). — v. Bbünino, Ann. 253, 5 (1889).
' Fbanohimont, Eec. trav. chim. 3, 216 (1884).
AcylderivcUe des Carhannids (Ureide). 1055
99-5— 102. 5^ aiedet bei 268— 273^ — Unsymmetrischer Dimethylharnstoff^"
CO(NH,XN[CH,],) schmilzt bei 180^ schmeckt süss und liefert durch Behandlung mit
Salpetersäure Nitrodimethylamin NOjN(CHj)s. — Trimethylharnstoff' CH^NH-
C0N(CHa)8 schmilzt bei 75-5<> und siedet bei 282o. — Tetramethylharnstoff»»
COiN(CHs),}, ist flüssig, siedet bei 177« und besitzt bei 15« das spec. Gew. 0-972.
Aethylharnstoff*-* NH, • CO • NHcCjHs) schmilzt bei 92« und ist in Wasser
sehr leicht löslich. — Symmetrischer Diäthylharnstoff*'« (C,H5)NH.C0.
NHCCjHg) schmilzt bei 108—110«, siedet bei 268«.— Unsymmetrischer DiÄthyl-
harnstoff»-' NHj.CONCCjHs), schmilzt bei 74« und schmeckt süss. — Triäthyl*-
harnstoff** {CsHs)NH.C0N(C,H5)j schmilzt bei 63« und siedet bei 223«. —
Tetraäthylharnstoff» (C,H5),NCO-N(C,H5), ist flüssig, riecht pfeffermünzartig,
siedet zwischen 210« und 215« und ist in Wasser unlöslich.
Als Beispiel für die AeylderiTate des Carbamids (UreYde) seien hier die
Acetylderivate" erwähnt. Acetylharnstoff NHs.CONHCO.CHj kann durch
Einwirkung von Acetylchlorid auf Harnstoff und durch Vereinigung von Acetyliso-
cyanat (S. 1013 — 1014) mit Ammoniak gewonnen werden und schmilzt bei 214«.
Symmetrischer Diacetylharnstoff CHg.CO-NHCONH. CO. CHa entsteht durch
Vereinigung von Acetylisocyanat mit Acetamid und schmilzt bei 152 — 153«.
Durch Einwirkung von Brom auf Säureamide CqHsq^|*CO*NH, in alkalischer
Lösung erhält man Hamstoffderivate, welche in die eine Amidgruppe einen Alkylrest
C^Hja+i, in die andere einen Säureest CnHjn^i'CO — eingefügt enthalten, z. B.
Methylacetylharnstoff CH, -NH. CO- NH- CO -CHj (Schmelzpunkt 180«) aus Acet-
amid. Dieser eigenthümliche Process ist schon S. 371 besprochen und erklärt worden.
Wenn Harnstoff sich mit mehrwerthigen Säuren combinirt, so können, indem
beide Amidgruppen eines Hamstoffmolccüls mit einem Säureradical reagiren, Ver-
bindungen entstehen, welche einen cyclischen Atomcomplex enthalten:
/NH-CH, /NH— CO^ /NH-CO
C0< I , C0< >CH(OH), C0< I etc.
\nh-co ^nh-co/ \nh-co
Glykolylhamstoff Tartronylhamstoff Oxalylhamstoff.
Diese Verbindungen, welche wegen ihrer Beziehungen zur Harnsäure und anderen
physiologisch interessanten Körpern wichtig sind, können unter der Bezeichnung
„cyclische Ure'ide" zusammengefasst werden. Sie werden später (S. 1072 ff.) im
Zusammenhang mit der Harnsäuregruppe besprochen werden, gleichzeitig auch die
durch Wasseraufhahme daraus entstehenden Verbindungen mit offener Kette, wie
/NH-CHj /NH-CO
C0<: I C0< I
^NHj CO. OH \NH, CO. OH.
^ Fbanchimomt, Rec. trav. chim. 3, 216 (1884).
" V. D. Zande, Rec. trav. chim. 8, 222 (1889).
' MicHLER u. Esoherich, Ber. 12, 1164 (1879). *
* WuETZ, Rupert, chimie pure 4, 199 (1862).
* Leuckabt, J. pr. [2] 21, 10 (1880).
* LiMPRiCHT u. Habich, Ann. 109, 106 (1859). — v. Zotta, Ann. 179, 101 (1875).
— E. PiscHEH, Ann. 199, 283 (1879).
^ FRAKCHiMOirr, Rec. trav. chim. 2, 122 (1888).
« A. W. HoPMANN, Jb. 1862, 334.
» MiCHLBR, Ber. 8, 1665 (1875). — Wallach, Ann. 214, 275 (1882).
" ZiNiK, Ann. 92, 405(1854). — Moldenhauer, Ann. 94, 100(1855). — E. Schmidt,
J. pr. [2] 5, 68 (1872). — Mertbns, J. pr. [2] 17, 16 (1878). — Behrend, Ann. 229,
29 (1885). — Scholl, Ber. 23, 3513, 3515 (1890).
1056 Biuret, Hydroxylhamstoff, Carhamincyannid,
Biuret^ NH<(^ kann als primär -secundäres Amid der Kohlenaäiire
aufgefsjBst werden. Es entsteht aus Harnstoff:
/NHj /CO-NH,
2C0< = NH< + NH3
\nh, \co~nh.
in reichlicher Menge, wenn man Harnstoff für sich einige Zeit auf 150 — 160® erhitzt
^vgl. S. 1030) oder mit Phosphortrichlorid auf dem Wasserbade erwärmt; auch durch
Einwirkung von Cyansäure auf Harnstoff in wässriger Lösung wird Biuret gebüdet.
Es krystallisirt aus Wasser mit 1 Mol. H^O in langen Nadeln, schmilzt unter Zer-
setzung'bei etwa 190^ löst sich bei 15<> in 65 Th., bei Siedehitze in 2-2 Th. Wasser.
Bei höherem Erhitzen zersetzt es sich unter Entwickelung von Ammoniak und Hinter-
lassung von Cyanursäure (ygl. S. 1053). In alkalischer Lösung giebt Biuret mit Kupfer-
sul&t eine charakteristische, zwiebelrothe bis violettrothe Färbung; diese sogenannte
„Biuretreaction'' zeigen auch gewisse Eiweisskörper nach dem Erwärmen mit Al-
kalien (vgl. femer S. 1069, 1070>
HydroxjUiamstoff' NHs*CO«NH(OH) — aus Cyansäure und Hydroxylamin —
bildet kleine Nadeln, schmilzt bei 128—1 30 <>.
Cyanhamstoff oder Carbamineyamid' NH,-CONH*CN (Amidodicyan-
säure) entsteht aus Cyanguanidin (Dicyandiamid, vgl. S. 1069) durch Kochen mit
Baiytwasser; die Verbindung ist eine starke einbasische Säure, die Carbonate zer-
legt; ihr Kaliumsalz entsteht durch directe Vereinigung von Cyanamid mit Kalium-
cyanat in wässriger Lösung:
/NH,
CO : NH + NHjCN = C0<
^NH.CN;
beim gelinden Erwärmen mit starken Mineralsäuren geht Carbamincyamid in Biuret
über:
yNH, /NH,
C0< +H,0 = C0<
\nh.cn ^NHCO-NH,
— eine Reaction, welche dem Uebergang der Nitrile in Säureamide entspricht (vgL
S. 297, 367). — Alkylirte Carbamincyamide^ erhält man in Form ihrer
Natriumsalze durch Einwirkung von Natriumcyanamid auf Isocyansäureester, z. B.:
.NH.CÄ
C0:N.C,H5 -HNHNa-CN = C0<
^NNa-CN.
In dem Verhältniss, wie zu einem primären Amin die entsprechende Hydraso-
verbindung und Azoverl^ndung (vgl. Bd. II), stehen zu dem Carbamid die Verbin-
dungen:
^ WiEDEMANN, Ann. 68, 324 (1848). — Fikku, Ann. 124, 331 (1862). — Bakteb,
Ann. 130, 154 (1864). — Huppeet u. Dooiel, Ztschr. Chem. 1887, 691. — A. W.
HoFMANK, Ber. 4, 262 (1871). — Bomf^ u. Goldenbeeq, Ber. 7, 287 (1874). — Wetth,
Ber. 10, 1743 (1877). — Drbohsel, J. pr. [2] 20, 474 (1879).
' Dbeslee u. Stein, Ann. 160, 242 ^869). — Hodoes, Ann. 182, 214 (1876).
* Hallwaohs, Ann. 15a, 293 (1869). — Bauxann, Ber. 8, 708 (1875).
* Wunderlich, Ber. 19, 448 (1886). — Hecht, Ber. 25, 820 (1892).
HydrazO" und Azo-dicarhonamid, Carbaminsäure, 1057
Hydrazodlearbonamid ^'' C0\ >00 (Hydrazoformamid) und
^^ NH-NH ^
Azodiearbonamid'*' C0\ yCO (Azoformamid).
^ N : N ^
Das Hjdrazodicarbonamid entsteht durch Einwirkung von Salzen des Diamids
auf Kaliumcjanat; die Reaction:
/NHs NH,v
CONH.NHj.NHj.CONH = COC >CJO
entspricht durchaus der Harnstoff bildung aus Ammoniumcyanat (S. 1051); die Ver-
bindung schmilzt unter Zersetzung bei 244 — 245^ und ist in kaltem Wasser sehr
schwer, in heissem Wasser etwas leichter löslich, in Alkohol und Aether unlöslich.
Durch. Oxydation mit Chromsäuregemisch liefert sie das Azodicarbonamid, welches
auch aus dem salpetersauren Azodicarbonamidin NHs-C(:NH)*N:N*G(:NH)*NH,
(vgl. S. 1071) durch Kochen in wftssriger Lösung entsteht; dasselbe ist ein orange-
rothes, krystallinisches Pulyer, sehr schwer löslich in heissem Wasser, unlöslich in
Alkohol und kaltem Wasser; beim Erhitzen wird es bei 180 — 200° unter Entwicke-
lung von Ammoniak weiss und hinterlftsst hauptsächlich Cyanursäure; durch Reduction
mit Schwefelwasserstoff, auch durch Kochen mit concentrirter Salzsäure oder mit
Sodalösung geht es in Hydrazodicarbonamid über.
CarbamlnsSure OH-CO-NH^ ist zwar als freie Säure nicht be-
kannt, wohl aber in Form von Salzen, Estern und Chloriden. Unter
ihren Salzen* (Carbamaten) ist das Ammoniumsalz NH^-O-CO'NHg
wichtig, da es das directe Einwirkungsprodukt von Kohlensäure auf
Ammoniak darstellt:
/O.NH4
CO, + 2NH3 = C0<
und daher einen Bestandtheil des käuflichen Ammoniumcarbonats aus-
macht, welch' letzteres in der Kegel durch Sublimation eines Gemisches
von Ammoniumsulfat mit Calciumcarbonat bereitet wird, sich also durch
Vereinigung von Ammoniakdämpfen mit Kohlensäure bildet; zur Dar-
stellung des Ajnmoniumcarbamats leitet man zweckmässig Ammoniak
und Kohlensäure gleichzeitig in abgekühlten, absoluten Alkohol, das Salz
scheidet sich dann als Krystallpulver ab. Die wässrige verdünnte Lö-
sung des carbaminsauren Ammoniums giebt mit verdünnter Chlorcalcium-
lösung keinen Niederschlag und unterscheidet sich dadurch von einer
Ammoniumcarbonatlösung; doch geht das carbaminsäure Ammonium in
wässriger Lösung bald theilweise in kohlensaures Salz über. Durch
Mineralsäuren wird das Salz zu Kohlensäure und Ammoniak zersetzt:
* TfflELE, Ann. 270, 44 (1892). — Cubtius u. Finger, Ber. 26, 405 (1893).
" Thiele, Ann. 270, 42 (1892), vgl. Berichtigung S. 883.
« Thiele, Ann. 271, 127 (1892).
* Divers, Jb. 1870, 265. — Basaropf, J. pr. [2] 1, 283 (1870). — Drechsel,
J. pr. [2] 11, 829 (1875); 12, 417 (1875); 16, .180 (1877). — Mülder, ßec. trav. chim.
6, 178 (1887).
V. Meybr u. Jaoobsoh, org. Chcm. I. 67
1058 Carbaminsäurechlotide,
C0< + 2HC1 = COj + 2NH.C1^
das feste Salz zerfällt schon bei etwa 60^ in Ammoniak und Kohlen-
säure, durch Erhitzen im Rohr auf 130 — 140* liefert es reichlich Harn-
stoff (vgl. S. 1052).
Carbamins&ureehlorld^ Cl-CO-NHg (Harnstoffchlorid) wird durch
üeberleiten von trockenem Salzsäuregas über cyansaure Salze (also durch
Vereinigung von Chlorwasserstoff mit Cyansäure) oder besser durch
Üeberleiten von Phosgen über erhitzten Salmiak (S. 1041) gewonnen. Es
stellt unter gewöhnlichen Umständen eine farblose Flüssigkeit dar, wird
aber zuweilen auch in prächtigen' derben Krjstallen erhalten, besitzt
einen äusserst heftigen Geruch und kann bei 61 — 62^ theilweise über-
destillirt werden, indem es sich in Cyansäure und Chlorwasserstoff
spaltet, die sich wieder zu Carbaminsäurechlorid vereinigen, geht dabei
aber zum grössten Theil unter Abspaltung von Salzsäure in Cyamelid
(S. 1010) über; auch bei mittlerer Temperatur verwandelt es sich nach
kurzer Zeit unter Salzsäureverlust in Cyamelid. Durch Wasser wird es
in heftiger Reaction zu Salmiak und Kohlensäure umgesetzt, auf Amine
vrirkt es unter Bildung von Harnstoffen, auf Alkohole, wenn letztere im
Ueberschuss angewendet werden, unter Bildung von Urethanen:
NHj.CO.Cl + OH-CH, = NHj.COOCHg + HCl,
während umgekehrt überschüssiges Carbaminsäurechlorid mit Alkoholen
Allophansäureester entstehen lässt:
2NHj.C0.Cl + OHCHs = NH,.CONH.CO.O.CH8 + 2Ha.
Alkylirte Carbaminsänrechloride' G1*C0-NHB entstehen durch Ein-
wirkong Ton Phosgen auf die Chlorhydrate von Aminen in der Wärme (vgl. S. 1012):
sie sieden unter Zerfall in Chlorwasserstoff und Isocyansäureester, und die bdden
Componenten vereinigen sich wieder in der Vorlage mit einander; durch Destillation
über Kalk liefern sie Isocyansäureester. Methylcarbaminsäurechlorid C1*C0*
NH-CHs bildet blättrige Krystalle, schmilzt bei ca. 90^ und siedet bei 98— 94^
Aethylcarbaminsäurechlorid Cl-CO-NH'CjHß ist flüssig, siedet bei 95*. Di-
methylcarbaminsäurechlorid' Cl'CO'NCCHg), entsteht durch Einwirkung von
Phosgen auf Dimethylamin, ist flüssig und siedet bei 165^
Die Carbamlns&ureesterEOCO-NH, werden gewöhnlich Urethane
genannt. Sie können durch Einwirkung von Ammoniak auf Kohlensäure-
ester oder Chlorkohlensäureester:
COCO.CjHa)^ + NHg = COCNH^XOCA) + C,H3.0H,
durch Vereinigung von Cyansäure mit Alkoholen:
COrNH + CsHj.OH = COCNHjOCO CoH,),
durch Erhitzen von Harnstoff mit Alkoholen:
* WöHLER, Ann. 45, 357 (1843). — Gattermann u. G. Schmidt, Ann. 244, 30 (1887V
* Habich u. Limpricht, Ann. 109, 107 (1859). — Gal, Bull. 6, 435 (1866). —
Gattermarn u. Schmidt, Ber. 20, 118 (1887). Ann. 244, 34, 36 (1887).
* MicHLER u. Escherich, Ber. 12, 1162 (1879).
Carbaminsäureester (ürethane). 1059
CO(NH,), + CjHg.OH = C0(NH,X0-C,H8) + NH„
durch Einwirkung von Carbaminsäurechlorid auf Alkohole (vgl. S. 1058)
gewonnen werden. Ersetzt man in diesen Reactionen das Ammoniak durch
Amine oder die Cyansäure durch Isocyansäureester, so gelangt man zu
Urethanen, welche auch am Stickstoff alkylirt sind, z. B. :
CICOOCÄ + NHj.CaHs = CA.NH.CO.OCjHg + HCl
COiNCjHs + OHCjHg = CÄNHCO.OCjHg.
m
— Die ürethane sieden unzersetzt; diejenigen, welche eine primäre
Amidgruppe enthalten, sind gut krystallisirbare Verbindungen, während
die am Stickstoff alkylirten Ürethane flüssig sind. Die am Stickstoff
nicht alkylirten Ürethane werden bei der Einwirkung von alkoholischem
Kali unter Bildung von Kaliumcyanat zersetzt^. Die am Stickstoff mono-
alkylirten ürethane können durch salpetrige Säure in Nitrosoderivate^
wie CH3-N(N0)-C0-0'CH3, übergeführt werden, welche durch kaltes
wässriges Ammoniak unter Abspaltung von Alkohol und Stickstoff zer-
setzt werden:
CH8-N(NO).CO.O.C,H5 + NHg = CHg-NH-NO + NH,CO«0»CgHs;
CHjCOH) + N,
durch Behandlung mit wasserfreier Salpetersäure liefern diese ürethane
Nitroderivate' wie CHg-N(N02)-CO-0'CH3, welche durch Ammoniak
in beständige Nitroamine (S. 239) und ürethane gespalten werden:
CH8-N(N08).CO.O.CH8 + NH» = CHj-NHCNOJ + NH^COOCHa;
die gleichen Nitroderivate entstehen aus den dialkylirten urethanen durch
Behandlung mit Salpetersäure*, indem ein Alkylrest abgespalten wird,
z. B. CH3.N(N03).CO-OC3H5 aus (CH3)3N-COO.C3H5.
Carbaminsftureäthylester^ oder gewöhnliches ürethan CjHj-O'CO-
NH, bildet Blättchen, schmilzt bei 50—51^, siedet bei 184° und ist in Wasser sehr
leicht loslich; eine ätherische Urethanlösung löst Natrium unter Entwickelung von
Wasserstoff und Bildung der Natrium Verbindung CgHs • 0 • CO • NHNa auf. — Aethyl-
carbaminsäureäthylesteröCjHs.O-CONH.CjHj siedet bei 174— 175 <> und besitzt
bei 21* das spec. Gew. 0-986.
^ Abth, Compt. rend^ 98, 521 (1884). , Bull. 41, 334 (1884).
* Klobbie, Rec. trav. chim. 9, 134 (1890).
* Fbanchimont u. Klobbie, Rec. trav. chim. 7, 343 (1888). — Thomas, Rec. trav.
chim. 9, 70 (1890).
^ Fbanchimont u. Klobbie, Rec. trav. chim. 8, 298 (1889).
^ DüMAS, Ann. 10, 284 (1834). — Liebio u. Wöhler, Ann. 54, 370 (1845); vgl.
auch Liebio, Ann. 58, 260 (1846). — Cahours, Ann. 56, 266 (1845). — Wuetz, Ann.
60, 264 (1846); 79, 286 (1851). — Natansok, Ann. 98, 287 (1856). — CloSz, Ann.
104, 323 (1857). — Bunte, Ann. 151, 181 (1869). — A. W. Hopmajw, Ber. 4, 268
(1871). — Gattermann u. Bbeithaupt, ^nn. 244, 40 (1887). — Müldee, Rec. trav.
chim. 6, 169 (1887). — F. Kbapt, Ber. 23, 2785 (1890). — M. Jafp£, Ztschr. f.
physiol. Chem. 14, 395 (1890).
« WuBTZ, Jb. 1854, 565. — Schreine», J. pr. [2] 21, 184 (1879).
67*
1060 Imidodicarbonsätire. Axodicarbonsäure.
/CO. OH
Auch die Imidodiearbons&are NH^ ist in Gestalt von
\CO.OH
Derivaten bekannt. Ihre neutralen Ester ^ entstehen durch Einwirkung
von Chlorkohlensäureestern auf die Natriumderivate der ürethane (vgl.
S. 1059), z. B.:
CjHB.O.CONHNa + ClCO.O.CjHu = NaCl + CA.O.CO.NHCO.OCjHg;
der Diäthylester NHJCO-'O-CaHß), schmilzt bei 50<> und siedet bei
21 5^ Ihr halbseitiges Amid wird als Allophansäure bezeichnet,
während ihr vollständiges Amid in dem schon beschriebenen Biuret
(S. 1056) vorliegt:
/CO. OH /CO-NHa .CO-NHj
NH< NH< NH<
\CO.OH N^OOH XJONH,
Imidodicarbonsfture Allophansäure Biuret
Die Allophansäure ist in freiem Zustand nicht beständig, sondern zer-
fallt sofort in Kohlensäure und Harnstoff; ihre Salze^ können ^durcb
Verseifung der Ester erhalten werden. Die Allophansäureester* NH^-
CO-NH-CO-OR entstehen leicht durch Einwirkung von Cyansäuredämpfen
auf Alkohole:
CONH + CAOH = CAO.CONH,,
CONH + CjHj.OCO.NH, = CÄ-OCONH-CONH,,
sowie durch Einwirkung von Carbaminsäurechlorid auf Alkohole (vgl.
S. 1058) und liefern beim Erhitzen mit Ammoniak Biuret; Allophan-
säureäthylester NHg.CO-NHCO-O-CjjHg büdet kleine Nadehi, schmilzt
bei 190 — 191® und ist in kaltem Wasser kaum löslich.
AzodicarbonsSure^ OH-CO-N:N-CO-OH (Azoameisensäure) ent-
steht in Form ihres Ealiumsalzes aus ihrem S. 1057 beschriebenen Amid
(Azodicarbonamid) durch Verseifen mit kalter concentrirter Kalilauge.
Das Kaliumsalz bildet gelbe Nädelchen; wenig über 100® zersetzt es sich
unter Verpuflfting, wobei Kaliumcarbonat zurückbleibt, Stickstoff und
Kohlenoxyd entweicht; seine wässrige^ anfangs gelbe Lösung ist sehr
unbeständig und ist bei Sommertemperatur schon nach 1 — 2 Minuten
unter lebhafter Stickstoffentwickelung entfärbt; die Lösung enthält dann
Kaliumcarbonat und Diamid: • •
^ Fbanchimont u. Klobbib, Rec trav. chim. 8, 294 (1889). — Klobbeb, Rec. trav.
chim. 9, 141 (1890). — F. Kraft, Ber. 23, 2786 (1890).
* LiEBia u. WöHLEB, Ann. 59, 291 (1846).
^ LiEBiQ u. WöHLEB, Pogg. 20, 896 (1830). — BiOHABDSON, Ann. 23, 138 (1837).
— Debus, Ann. 82, 256 (1852). — Hlabiwbez u. Gbabowskt, Ann. 134, 117 (1865).
Saytzew, Ann. 136, 231 (1865). — Hüppebt u. Dooiel, Ztschr. Chem. 1867, 691.
— WiLM u. Wischin, Ann. 147, 155 (1868)..— A. W. Hopmann, Ber. 4, 262 (1871).
— Amato, Jb. 1873, 749. — Wilm, Ann. 192, 243 (1878). — (tattermann u. Beeit-
HAUPr, Ann. 244, 38 (1887).
* Thiele, Ann. 271, 130 (1892).
Imidokoklensäureester. 1061
2KAN3O4 + 2HjO = 2K,C08 + NsH4 + 2C0, + N,;
viel beständiger wird die Lösung durch Zusatz von ätzendem Alkali.
Auf keine Weise ist es gelungen, aus Azodicarbonsäure im Sinne der
Gleichung:
OHCONiNCO-OH = 2C0, + HN:NH
das Diimid NH:NH abzuspalten; statt des Diimids HN:NH resultirte
stets Diamid und Stickstoff:
2HN:NH = HjN.NH, + N, ;
das Diimid scheint mithin nicht existenzfähig zu sein.
Im Anschluss an die Amide der Kohlensäure seien auch ihre Imidottther^:
X)R
NOR
erwähnt. Chlorimidokohlensäujeäthylester C(;N'Cl)(0*C,Hß)j (Chloiylimido-
kohlensäureeater) entsteht, wenn man Chlor unter Kühlung in eine Mischung von
Natronlauge, Alkohol und Cjankalium einleitet; bei dieser Reaction hat man zunächst
die Bildung yon Aethylhypochlorit (vgl. S. 200 — 201), darauf die folgenden Phasen:
C^Hj-OCl + KCN = CgHa-O-CN + KCl,
CjHbOCN + CjHgOCl = CjHgOCCiNCyOCjHg
anzunehmen; der Chlorimidoester bildet derbe farblose Prismen, schmilzt bei 39^, ist
nicht unzersetzt destillirbar, besitzt einen eigenthttmlichen, reizenden Geruch und ist
in Wasser nicht, in Alkohol und Aether dagegen leicht löslich; beim Uebergiessen
mit verdünnten Säuren wird er in Kohlensäureester, Ammoniak und Chlorstickstoff
gespalten; dagegen kann er mit wässriger Kalilauge ohne bemerkliche Zersetzung ge-
kocht werden. Durch arsenigsaures Kalium lässt er sich zum Imidokohlensäure-
äthylester C( : NH)(0 • CsH^)« reduciren; letzterer stellt eine alkalisch i-eagirende
Flüssigkeit dar, die dem Trimethjlamin ähnlich riecht, sich in jedem Verhältniss mit
Wasser mischt und nur unter starker Zersetzung destillirt werden kann.
y. Thloamide der Kohlensäure.
Bei der Besprechung des Hamstofifs ist lediglich die Formel des
Carbamids
C0<
als Constitutionsausdruck in Betracht gezogen; für die Anwendung der
desmotropen Formel (vgl. S. 374, 1023—1025):
<0JE1 Imidocarbaminsäure^ Eohlensäureamidin
NH,
bieten seine Reactionen wenig Gelegenheit ^ Die entsprechende Schwefel-
verbindung indess — der jetzt zu besprechende Schwefelhamstoff —
giebt uns, wie die Thioamide überhaupt (vgl. S. 375—376), durch sein
Verhalten Veranlassung, die beiden desmotropen Formeln:
* Sandmeyer, Ber. 19, 862 (1886). — Mulder, Reo. trav. chim. 6, 191 (1857). —
Seliwaxow, Ber. 26, 425 (1893).
" Vgl. übrigens Griess, Ber. 16, 452 (1882).
1062 Tkiohamstoff.
/NHa , ^NH
C^S und C^SH
\NH, ^NHg
Thiocarbamid Imidocarbaminthiolsäure
als gleichberechtigt neben einander zu gebrauchen.
Der Thioharnstoff CSN^H^ (Sulfoharnstoff, Schwefelhamstoff) ent-
steht in analoger Weise, wie der gewöhnliche Harnstoff aus Ammonium-
cyanat, so durch Umlagerung* von Rhodanammonium^; diese ümlagerung
erfolgt aber nicht schon beim Eindampfen der wässrigen Lösung (ygl.
S. 1051), sondern erfordert Erhitzen des trockenen Salzes bis zum
Schmelzen und bleibt unvollständig, da Thioharnstoff bei 160 — 170*^ wieder
theilweise in Bhodflnammonium zurückverwandelt wird; man bedient sich
dieser ümlagerung zweckmässig zur Darstellung^ des Thioharnstoffs.
Thioharnstoff krystallisirt aus einer concentrirten Lauge, die noch
Rhodanammonium enthält, in langen seidenglänzenden Nadeln, aus ver-
dünnter Lösung schiesst reiner Thioharnstoff in dicken würfelähnlichen
Krystallen an. Er schmilzt^ bei 172®, sublimirt im Vacuum* gegen
150 — 160® als Ammoniumrhodanid, löst sich in etwa 11 Th. kalten
Wassers, ist in kaltem Alkohol fast unlöslich. Quecksilberoxyd*-* ent-
schwefelt seine wässrige Lösung schon in der* Kälte unter Bildung von
Cyanamid (S. 1020); umgekehrt kann Thioharnstoff glatt durch Vereinigung
von Schwefelwasserstoff mit Cyanamid wieder gebildet werden®*', wenn
man Cyanamid in ooncentrirter wässriger Lösung mit überschüssigem
gelbem Schwefelammonium einen Tag stehen lässt. Beim Erhitzen mit
Wasser im Rohr auf 140® geht Thioharnstoff in Rhodanammonium über.
Indem man eine kalt gehaltene Lösung von Thioharnstoff allmählich mit
Kaliumpermanganatlösung, so lange letztere entfärbt wird, versetzt, kann
man Thioharnstoff in Harnstoff überführen s. Durch Oxydation® in saurer
Lösung geht Thioharnstoff in Salze des unbeständigen Disulfids^®:
NH, . C( : NH)-S • S-C( : NH) • NH,
über.
Mit Halogenen, Säuren, Salzen etc. bildet Thioharnstoff Additions-
produkte^'^-^S wie (CSNjHJj.Brg, CSN^H^.HNOj, (CSN2H^)3.AgCl etc.
Ueber das Verhalten gegen Halogenalkyle vgl. S. 1064.
> Reynolds, Ann. 150, 224 (1869).
» Claus, Ann. 179, 113 (1875). — Volhabd, J. pr. [2] 9, 10 (1874).
3 Pbatorius-Seidlee, J. pr. [2] 21, 141 (1888). — Vgl. Hantzsch, Ann. 250,
262 Anm. (1888). — Storch, Monatsh. 11, 455 Anm. (1890).
* Bourgeois, Bull. [3] 7, 47 (1892). * A.W. Hopmakn, Ber. 2, 605 (18691
« Baumann, Ber. 6, 1375 (1873). ' Baumann, Ber. 8, 26 (1875).
« Maly, Monatsh. 11, 277 (1890). — Vgl. auch Mc. Gowan, J. pr. [2] Sd,
217 (1887).
» Vgl. auch Hector, J. pr. [2] 44, 499 (1891).
1« Storch, Monatsh. 11, 452 (1890).
1* B^YNOLDs, Ann. 150, 231 (1869). Journ. See. 51, 202 (1887); 63, 857 (1888).
— Glutz, Ann. 154, 42 (1870). — Claus, Ann. 179, 130, 135 (1875). Ber. 7, 285
Alkylderivaie des Thioharnstoffs. 1063
Unter den AlkylderlTaten des Thioharnstoffs hat man einerseits
solche zu unterscheiden, welche die Alkylreste lediglich an Stickstoff ge-
bunden enthalten, andererseits solche, in deren Molectil ein Alkylrest
an Schwefel gebunden ist. Die Alkylderivate der ersten Art kann man,
so lange nicht mehr als drei Wasserstoffatome durch Alkylreste ver-
treten sind, auf die beiden desmotropen Formeln des Stammkörpers (vgl.
S. 1061—1062) beziehen, z. B.:
C^S oder C^SH bezw. c^SH ,
\NHj \NH, ^NH
C^S oder c^SH
yierfitch substituirte Thiohamstoffe dieser Art, bei denen die Formulirung
als Imidocarbaminthiolsäurederivate nicht mehr möglich wäre, wie:
sind in der Fettreihe nicht bekannt (vgl. dagegen in Bd. 11: Tetraphenyl-
thiohamstoff). Die Alkylderivate der zweiten Art können natürlich nur
als Imidocarbaminthiolsäurederivate, z. B.: ♦
/NH,
formulirt werden — eine Auffassung, deren Berechtigung sich aus Spal-
tungsreactionen (vgl. S. 1064) ergiebt.
Alkylirte Thiohamstoffe, deren Alkylresie ausschliesslich
an Stickstoff gebunden sind, werden durch Vereinigung von Ammoniak
bezw. Aminen mit Senfölen erhalten, z. B. :
CjHg.NiCS + NHg = CjHa.NH.CS.NH,
CjHö . N : CS + NH(C,H5)4 = CA • NH • CS • NCC^Hc), .
Bei der Entschweflung mit Quecksilberoxyd gehen diejenigen, welche
eine primäre Amidgruppe enthalten, analog dem Thioharnstoff selbst,
unter Verlust von Schwefelwasserstoff in alkylirte Cyanamide (S. 1022)
bezw. ihre Polymerisationsprodukte (alkylirte Melamine, S. 1033 — 1034)
über, z. B. :
CjHg.NH.CS-NH, >- CA-NH.CN;
dagegen tauschen die symmetrisch dialkylirten Thiohamstoffe dabei ihren
Schwefel einfach gegen Sauerstoff aus, z. B. :
C2H5.NH.es. NH.CjHs >- CA.NHCO.NH.CjHb.
(1874); 9, 226 (1876). — Malt, Ber. 9, 172 (1876). — Rathke, Ber. 17, 297 (1884).
- Mc. GowAN, J. pr. [2] 33, 188 (1885); 36, 216 (1887). — Kurnakow, Ber. 24,
8956 (1891).
1064 Alhylderivate des Thiohamstoffs,
>:NH.HBr.
^
Monoftthylthioharn8toff**>C^5-NH•CS•NH,bildetNadelx^8c}lmi]atbeill3«
und ist in Wasser und Alkohol sehr leicht löslich. — Symmetrischer Diäthylthio-
harnstoffi CjHg -NH- CS NHCjHg schmilzt bei 77^ unsymmetrischer Diäthyl-
thioharnstoff (C,Hg)jN-CSNH, bei 169—170«. — Triäthylthioharnstoff*
(C,H5),N0SNH-C,H9 schmilzt bei 26 ^ siedet feust unzeraetzt bei 205 <>, im Vacanm
ganz unzersetzt, ist in Wasser nahezu unlöslich, in Alkohol leicht löslich und zeigt
deutlich alkalische Reaction.
Allylthioharnstoff«* CgHß.NH.CSNHa (Thiosinamin) — das Additions-
produkt von Ammoniak an AUylsenföl — ist historisch interessant als der am frü-
hesten bekannt gewordene Vertreter aus der Gruppe der zusammengesetzten Harn-
stoffe. Er schmilzt bei 74«, ist in Wasser ziemlich löslich. Durch Erhitzen mit
BromwasserstofP wird er in das Bromhydrat des isomeren Propylen-pseudo-thioham-
stoffis übergeführt:
CH,:CH SH CHj.CHBr SH
I I + HBr = I I
CH, . NH-C : NH CH,— NH-C : NH
CH,.CH 8>^
CH,-NH'
Alkylirte Thioharnstoffe, welche einen Alkylrest an
Schwefel gebunden enthalten^, entstehen in Form von halogen-
wasserstoffsauren Salzen durch Addition von Halogenalkylen an Thio-
hamstoff selbst bezw. seine am Stickstoff aJkylirten Derivate; geht man
von der Thiocarbsftnidformel aus, so kann man sich diese Beaction durch
Gleichungen folgender Art. erklären:
/NH, ^J^ ^^^
^NH, "^ \n]£ ^^^
Aus den zunächst entstehenden halogenwasserstoffsauren Salzen werden
durch Zersetzung mit Alkalien oder Silberoxyd die freien Alkylderiyate
der Imidocarbaminthiolsäure — stark basische Verbindungen — abge-
schieden. Dass ein Alkylrest dieser Verbindungen an Schwefel gebunden
ist, ergiebt sich aus dem Umstand, dass er bei der Spaltung an Schwefel
gebunden in Form von Mercaptan, bei der Oxydation in Form einer
SuKosäure austritt.
> A W. HoFHANN, Ber. 1, 25 (1868); 2, 600 (1869).
« A. W. HoPMANK, Ber. 18, 2787 (1885).
^ Canzonebi u. Spica, Ber. 24o, 626 (1891).
« GaoDZKi, Ber. 14, 2754 (1881).
* DüXAs u. Pelouze, Ann. 10, 826 (1834). — Löwio u. Wsidkamn, Bers. Jb. 21,
360 (1842). — Will, Ann. 52, 8 (1844). — Webthbiii, Ann. 62, 52 (1844). — GABBIK^
Ber. 22, 2985 (1889). — Hbctoe, J. pr. [2] 44, 500 (1891). — DixoH, Joom. Soc
ei, 545 (1892).
• Vgl. Claus, Ber. 7, 236 (1874); 8, 41 (1875). Ann. 179, 145 (1875). J. pr.
[2] 47, 135 (1893). — Bernthsen u. Klinoer, Ber. U, 492 (1878). — Gbodzki, Ber.
14, 2757 (1881). — Andbeasch, Monatsh. 4, 141 (1888). — Rathkb, Ber. 17, 308
(1884). — NoAH, Ber. 23, 2195 (1890). — Bebtram, Ber. 26, 57 (1892).
Imidooarbaminthiolsäureester. 1065
Jodwasserstoffsaurer ImidocarbaminthiolBäuremethyleBter CHg^S'
C(:NH)-NH9.HJ — aiis ThiohamstoflP und Jodmethyl — bildet Prismen , 'schmilzt
bei 117®, ist in Wasser und Alkohol leicht löslich und giebt, in wftssriger Lösung
mit Silberozyd behandelt, eine stark alkalisch reagirende Lösung. Der entsprechende
Aethylester — aus ThiohamstofP und Jodäthyl — liefert beim Kochen mit Ammo-
niak Guanidin neben Mercaptan:
C^S-C^Hg + NH, = C^NH, + CA-SH.
— Triäthylimidocarbaminthiolsäureäthylester C8H5-S-C(:N.CjH5)-N(C,H5)j
(Tetraftthylthioharnstoff) ist eine farblose Flüssigkeit, siedet bei 216®, besitzt
bei 15® das spec. Gew. 0*984, ist in Wasser nicht löslich, bläut rothes Lackmus-
papier stark und treibt Ammoniak aus seinen Salzen aus. — Bromwasserstoff -
saurer Imidocarbaminthiolsäureäthylenester NH,'C(:NH)-S--CHj»CH, — S-
C(:NH)-NH, + 2HBr entsteht durch Einwirkung von Aediylenbromid auf Thioham-
stoff, bildet grosse weisse Prismen und liefert durch Oxydation mit Kaliumchlorat
und Salzsäure neben Harnstoff die Aethylendisulfosäure (vgl. S. 576).
Sehwefelderlyate der Carbamins&ure. Von der Carbaminsäure NH,-
00 «OH können die folgenden Schwefelungsstufen abgeleitet werden (vgl. S. 1048).
L Monothiocarbaminsäuren:
NHj.CS.OH NHjCO.SH,
Carbaminthionsäure Carbaminthiolsäure
denen die desmotrope Form:
ySH
NH:G^ : Imidocarbonthielsäure
\0H
angereiht werden kann;
IL Dithiocarbaminsäure:
NH, • CS • SH : Oarbaminthionthiolsäure
mit der desmotropen Form:
SH
NH : C<^ : Imidocarbondithiolsäure.
\SH
I. Salze und Ester der Monothiocarbaminsäure.
Monothiocarbaminsaures Ammonium' GOSNHj'NH« entsteht durch Ein-
wirkung von Anmioniak auf Kohlenoxysulfid, bildet farblose ELrystalle, ist in Wasser
sehr leicht löslich und geht durch Entziehung von Schwefelwasserstoff rasch in
Harnstoff über (vgl. S. 1052).
Ester der Carbaminthionsäure bezw. Imidocarbonthielsäure, deren
Alkylrest an Sauerstoff gebunden ist, — NHjCS.OR bezw. NH:C(SHXO-K)
— werden durch Einwirkung von Ammoniak auf Xanthogensäureester erhalten und
Thiourethane oder Xanthogenamide genannt. Der Aethylester' — NH,».
CS.O-CjHg bezw. NH: CCSHXO-CjHg) — schmilzt bei 38® und ist in Wasser ziem-
lich schwer löslich. Alkylderivate dieser Ester — RNHCS-O-CjHa bezw.
* Bbrthelot, Jb. 1868, 160. — Kbetzschmab, J. pr. [2] 7, 474 (1878). —
Flbiscbzb, Ber. 0, 991 (1876).
« Debüs, Ann. 72, 11 (1849); 76, 128 (1850); 82, 262 (1852). — Chancm, J. pr.
68, 113 (1851). — Salomon, J. pr. [2] 8, 116 (1874). — Salomon u. Conrad, J. pr.
[2] 10, 34 (1874). — Blankehhorn, J. pr. [2] 16, 372 (1877).
1066 Schwefelderivate der Carbaminsäure,
RN : C(SHXO • CjHj) — entstehen leicht durch Vereinigung von Senfölen mit
Alkoholen, z. B. :
C^He.NrCS + CjHg.OH = CA-NH-CSOCCA) bezw. CtHg.NtCCSHXO.Cja^,);
das nach dieser Grleichung entstehende Aethylxanthogenamid^ ist ein lauchartig
riechendes Oel und siedet bei 204—208^.
Der Aethylester der Carbaminthiolsäure bezw. Imidocarbonthiol-
säure mit an Schwefel gebundenem Aethylrest" — NHj'CO'S'CjHg bezw.
NH:C(OH)(S*C,Hb) — entsteht durch Wasseraufiaahme aus Bhodanäthyl:
C,H5.S.CN + H,0 = CÄ-S-CO-NH, bezw, CA-SCCOEXiNH)
unter dem Einfluss alkoholischer Salzsäure, schmilzt bei 107 — 109^, ist in Wasser
schwer löslich und zerfällt bei 150^ glatt in Mercaptan und Cyanursäure. — Das
am Stickstoff fithylirte Derivat desselben^ entsteht durch Vereinigung von
Aethylisocyanat mit Aethylmercaptan :
CjHj.NiCO + CÄ.SH = C,H6.S.C0.NH.C,Hß bezw. C,H5.S.C(0HX:N-Cä),
ist flüssig, schwerer als Wasser und siedet bei 204—208^.
n. Dithiocarbaminsäure, Salze und Ester derselben.
Das Ammoniumsalz' CSsNHs-NH^ (citronengelbe Prismen) entsteht durch
Vereinigung von Schwefelkohlenstoff und Ammoniak in kalter, verdünnter alkoholi-
scher Lösung und geht leicht durch Verlust von Schwefelwasserstoff in Rhodan-
ammonium über (vgl. S. 1015). Durch verdünnte Salzsäure kann daraus in der
Kälte die sehr zersetzliche, freie Säure in Form von farblosen Nadeln abgeschieden
werden. Der Aethylester* CSNHj-S-CjHb (Dithiourethan) kann durch Ver-
einigung von Rhodanäthyl mit Schwefelwasserstoff gewonnen werden und schmilzt
bei 41— 42^
Am Stickstoff alkylirte Dithiocarbaminsäuren^ entstehen in Form
ihrer Aminsalze durch Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auf primäre oder secon-
däre aliphatische Amine und werden als Zwischenprodukte bei der Umwandlung der
primären Amine in SenfÖle benutzt (vgl. S. 288, 1018—1019). Das äthyldithiocarb-
aminsaureAethylamin verliert beim Erhi tzen seiner alkoholischen Lösung Schwefel-
wasserstoff und geht in Diäthylthiohamstoff (S. 1064) über:
.NH.C,H|i /NHCjEg
CS< = H,S + CS<
\S . NHg . CA \nH . CjHs
YI. Amidine der Kohlensäure.
Die Formel des Kohlensäureamidins:
NH
OH.C<
ist S. 1061 als desmotrope Form der gewöhnlichen Hamstofiformel er-
wähnt. Der entsprechende Schwefelkörper:
> A. W. HoFMAiof, Ber. 2, 116 (1869).
' Salomon, J. pr. [2] 7, 256 (1873). — Conrad u. Salomon, J. pr. [2] 10, 32
(1874). — Blankenhorn, J. pr. [2] 16, 372 (1877). —- Pikneb, Ber. 14, 1083 (1881).
3 Zeise, Berz. Jb. 4, 96 (1825). — Debus, Ann. 73, 26 (1850). — Mülder,
Ann. 168, 232 (1873).
^ Jeakjean, Jb. 1866, 501. — Salomon u. Conrad, J. pr. [2] 10, 29 (1874).
» A. W. Hofmann, Ber. 1, 25, 170 (1868).
Guanidin. 1067
SH.CC
liegt vielleicht in dem Thioharnstoff vor (vgl. S. 1061—1062); Alkyl-
derivate desselben sind die S. 1065 besprochenen alkylirten Thiohamstoffe.
Eine sehr wichtige Verbindung ist das Amidin der Carbamin-
säure:
. €riiaiildlii CN3H2 ist diese stark basische Substanz von ihrem Ent-
decker Stbeckeb genannt worden, weil sie zuerst durch Spaltung des
6uanin8(vgl. S. 1089) erhalten wurdet Eine Reihe synthetischer Bildungs-
weisen illustrirt die Beziehungen des Guanidins zur Kohlensäure und
zu Cyanverbindungen; so bildet es sich bei der Einwirkung von Am-
moniak auf Phosgen^, auf Orthokohlensäureester^, auf Chlorpikrin***, auf
Jodcyan^; besonders beweisend flir seine Constitution ist die Bildung
aus Cyanamid durch Erhitzen der alkoholischen Lösung mit Salmiak^,
bei welcher es durch Vereinigung von Cyanamid mit Ammoniak:
rH
NH,.CsN + NHa = NHjCf
entsteht. Alle diese Bildungsweisen sind indess zur Darstellung nicht
geeignet; die Darstellung des Guanidins gründet sich vielmehr zweck-
mässig auf die Erscheinung, dass Rhodanammonium, 20 Stunden auf 180^
bis 185^ erhitzt, einerseits ein Sublimat von trithiokohlensaurem Am-
moniak (vgl. S. 1050), andererseits aber einen Rückstand liefert, der fast
ausschliesslich aus rhodan wasserstoffsaurem Guanidin besteht^; auf diesem
Wege kann man sich leicht das Guanidinrhodanid in grossen Mengen
verschaffen, das dann dui'ch doppelte Umsetzung in andere Guanidinsalze
verwandelt werden kann. Die Zersetzung des Rhodanammoniums , die
summarisch durch die Gleichung:
5CSNNH4 = 2CSNCN»He + CS8(NH0,
ausgedrückt werden kann, verläuft vermuthlich in verschiedenen Phasen.
Rhodanammonium wird zunächst in Thioharnstoff übergehen (S. 1062) ;
der Thioharnstoff könnte sich bei weiterem Erhitzen in Schwefelwasser-
stoff und Cyanamid spalten, welch' letzteres im Momente der Bildung
sich mit noch unverändertem Rhodanammonium zu Rhodanguanidin ver-
einigen würde; die Bildung des gleichzeitig entstehenden trithiocarbon-
^ Ann. 118, 159 (1861). " Bouchaedat, Compt rend. 69, 961 (1869).
' A. W.'HoPMANN, Ann. 139, 107 (1866).
* A. W. Hopmann, Ber. 1, 145 (1868).
« Bannow, Ber. 4, 161 (1871). — Ossikowski, Bull. 18, 161 (1872).
* Erlenmeteb, Ann. 146, 259 (1868).
' Delitzsch, J. pr. [2] 9, 1 (1874). — Volhabd, J. pr. [2] 9, 15 (1874).
1068 AlkylderivaU des Gtianidifis.
sauren Ammoniums kann man sich durch Zusammentritt von Schwefel-
wasserstoff mit Rhodanammonium erklären.
Guanidin ist in etiolirten Wickenkeimlingen nachgewiesen worden^;
in geringer Menge entsteht es bei der Oxydation von Eiweiss mit Kalium-
permanganat^.
Freies Guanidin ist eine stark caustische, farblose, krystallinische
Masse, die an der Luft zerfliesst und Kohlensäure anzieht. ISs ver-
bindet sich mit einem Aequivalent Säure zu Salzen, die meist leicht
löslich und durch Krystallisationsfähigkeit ausgezeichnet sind. Verhält-
nissmässig schwer löslich ist das Nitrat CNgHg.HNOj, das zarte weisse
Krystallschuppen bildet und häufig zum Nach weis* und zur Abscheidang
des Guanidins benutzt wird. Das Rhodanid, dessen Bedeutung als Aus-
gangspunkt für Guanidinpräparate aus Obigem erhellt, krystallisirt in
grossen Blättern und schmilzt bei 118^. Setzt man es in concentrirter
wässriger Lösung mit Kaliumcarbonat um und dampft ein, so kann man
dem Verdampfungsrückstand durch Auskochen mit Weingeist das Rhodan-
kalium entziehen, während das zur Herstellung anderer Guanidinsalze und
der freien Base geeignete Guanidincarbonat (CN3Hß)j,H3C03 zurückbleibt.
Durch Behandlung mit Barytwasser geht Guanidin in Harnstoff über*.
Alkylderivate des Guanidins [sind ans Cyanamid — analog der Bildung des
Guanidins selbst — durch Erhitzen mit den Chlorhydraten von Aminen":
^NH ,NH,
NH,.C:N + NH,.CH, = NH,.C<f bezw. NH,.C<
^NHCHa ^N-CHs
ferner durch Entschwefelung symmetrisch dialkylirter Thiohamstoffe in Gregenwart
von Aminen mittelst Quecksilberoxyd ^:
CS<; + NHj.CjH, - H,S = C^NCä
erhalten. Wichtig ist das Methjlguanidin' CN8H4(CH,) als Stamsubstanx des
Kreatins (S. 1077).
.C(:NH).NH,
Big'uanid^ NH^ (Guanylguanidin) steht zum Guanidin in dem-
\C{:NH).NH,
* E. Schulze, Ber. 26, 658 (1892). Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 197, 215 (1892).
" F. LossEN, Ann. 201, 369 (1880).
* Ueber den Nachweis des Guanidins vgl.: Bambebqer, Ber. 20, 71 (1887); 25,
544 (1892). -> Emich, Monatsh. 12, 23 (1891). — Schulze, Ber. 26, 661 (1892).
* Baumann, Ber. 6, 1376 (1873).
* Vgl. Tatarinow, Compt rend. 89, 608 (1879). — Ebleniietsb, Ber. 14,
1868 (1881).
* A. W. HoFMANW, Ber. 2, 601 (1869).
' Dessaiones, Ann. 92, 407 (1854); 97, 839 (1856). — Nkcjbausb, Ann. 119, 46
(1861). — Erlenmeyer, Ber. 3, 896 (1870). — Tawildabow, Ber. 6, 477 (1872). —
Tatarinow, Jb. 1879, 333.
8 Rathke, Ber. 11, 967 (1878); 12, 776 (1879). — Herth, Ber. 13, 1358 (1880). —
Smolxa u. Friedreich, Monatsh. 9, 227 (1888); 10, 86 (1889). — Emich, Monatsh. 4,
409 (1883); 12, 11 (1891). — Bamberger u. Dieckmamk, Ber. 26, 542 (1892).
Biguanid, Ouanylkarnstoff, Oi/anguamdin, 1069
selben Yerhältniss wie Biuret (S. 1056) zum Harnstoff; es entsteht aus salzsaurem
Guanidin durch Erhitzen auf 180 — 185^ unter Abspaltung von Ammoniak, wird aber
besser aus Cyanguanidin durch Erhitzen mit Salmiak dargestellt; letztere Reaction
entspricht der Gruanidinbildung aus Cyanamid. Biguanid ist eine alkalisch reagirende
farblose Base, welche mit 1 und 2 Aequivalent Säure Salze liefert Besonders inter-
essant ist sein Verhalten gegen Kupferoxyd; es tauscht ein WasserstofFatom gegen
Kupfer aus und geht dadurch in Biguanidkupfer (C2N6Ha)8Cu + 2H2O über —
eine starke Base, welche in heissem Wasser mit amaranthrother Farbe löslich, in
kaltem Wasser kaum löslich ist und aus ihren Salzen nicht durch Ammoniak, wohl
aber durch Natron frei gemacht wird; ihr Sulfat (CiH5Hfl)jCu.HjS04 (über Schwefel-
säure getrocknet) entsteht, wenn man schwefelsaures Biguanid mit ammoniakalischer
Kupfersulfatlösung versetzt, bildet schön rosenrothe Nädelchen, ist in heissem Wasser
löslich, in kaltem Wasser fast unlöslich und liefert mit Natronlauge das freie Biguanid-
kupfer (vgl. auch S. 1056 die rothe Kupferreaction des Biurets). .
.CONH,
Guanylharnstoff^ NH^ (Dicyandiamidin) entsteht aus Cyan-
^C(:NH).NH,
guanidin beim Eindampfen mit verdünnten Mineralsäuren durch Wasseraufnahme,
ferner durch Erhitzen von kohlensaurem Guanidin mit Harnstoff oder Urethan, von
salzsaurem Guanidin mit Kaliumcjanat, durch zweitägige Digestion einer Lösung
von Harnstoff und Oyanamid Er ist eine starke, kohlensäuregierige Base und giebt,
wie das Biguanid, eine charakteristische Kupferverbindung (C2N4H50),0u, welch e
sich in rosenrothen Krjstallen abscheidet, wenn man die Lösung eines seiner Salze
mit Kupfervitriol und Natronlauge versetzt.
/CN
Cjangiiiiiidin ^ NH<^ (Guanvlcyanamid, Dicyandiamid) ist das
\C(:NH).NH,
Polymerisationsprodukt des Cyanamids (vgl. S. 1022). Es bildet Blättchen, schmilzt
bei etwa 205® und ist in Wasser ziemlich leicht löslich; beim Vermischen seiner
alkoholischen Lösung mit NatriumäthylaÜösung scheidet sich die Natriumverbindung
02N4H3Na ab. Durch Wasseraufhahme geht es in Guanylhamstoff, durch Ammoniak-
anlagerung in Biguanid über (vgl. oben):
NH,.C(:NH).NH-CN + H80 = NH,.C(:NH).NH-CO.NH,
NH,.(C:NH).NH-CN + NH3 = NH,.C(:NH).NH-C(:NH).NH, ;
durch Zink und Salzsäure wird es in der Kälte in Guanidin und Methylamin ge-
spalten^:
NH,.C(:NII).NH— CN + 6H = NH,.C(:NH).NH8 + CHs-NH,.
Sehr interessante Verbindungen leiten sich von Guanidin ab, indem
die Nitro-, Nitroso- oder Amidgruppe an Stelle von Wasserstoff tritt.
* Haag, Ann. 122, 25 (1861). — Bauhahn, Ber. 7, 446, 1776 (1874). — Bam-
BEEGER, Ber. 20, 68 (1887). — Smolka u. Fiuedreioh, Monatsh. 10, 87 (1889).
* Beilsteih u. Geütheb, Ann. 108, 99 (1858); 123, 241 (1862). — Haaq, Ann.
122, 22 (1861). — Däechsel, J. pr. [2] 13, 331 (1876). — Baümann, Ber. 6, 1375
(1873). — Herth, Ber. 13, 1358 (1880). — Mulder, Reo. trav. chim. 1, 200 (1882). —
Bamberoer, Ber. 16, 1074, 1459, 1703 (1883); 23, 1856 (18901. — Rathke, Ber. 18,
8105 (1885). — Bamberger u. Seebeboer, Ber. 24, 899 1891).
' Privatmittheilung von E. Bamberqer.
1070 Nitroguanidin, Nitrosoguanidin, Ämidogtumidin.
Nitrognanidin ^ C^NH bezw. C^NK , wird durch Nitriren
Xnh,' \n^
von Guanidinsalzen erhalten, am bequemsten direct aus rohem Gruanidin-
rhodanid (vgl. S. 1067), indem man dasselbe in concentrirte Schwefel-
säure einträgt, wodurch die Rhodan wasserstoffsäure zerstört wird, und
darauf rauchende Salpetersäure zufügt; auf diese Weise kann man es
leicht in grossen Mengen darstellen. Es krjstallisirt in asbestartigen
Nädelchen, schmilzt bei etwa 230^ unter Entwickelung von Ammoniak,
ist in kaltem Wasser sehr schwer, in heissem leichter löslich. Es besitzt
schwach saure Natur; in kalten Alkalien löst es sich reichlich, um durch
Kohlensäure wieder ausgefällt zu werden; andererseits löst es sich auch
in concentrirten Säuren auf, wird aber durch Wasser aus diesen Lösungen
gefallt. Beim Erwärmen mit Alkalien wird es in Kohlensäure, Ammoniak
und Stickoxydul (Zersetzungsprodukt des unbeständigen Nitroamins: NH^-
NOa = H^O + NgO) gespalten.
yNH-NO ^N-NO /N- N-OH
Nltrosoguanldln», C( NH bezw. Cf-NH- oder C( NH
\n:^ \nh, \NH,
entsteht aus dem Nitrognanidin durch vorsichtige Reduction mit Zink-
staub und Schwefelsäure, bildet feine gelbe Nadeln, verpufft ziemlich
heftig, ohne vorher zu schmelzen, bei 160 — 165^ und ist in kaltem Wasser
schwer löslich. In ätzenden Alkalien löst es sich mit hellgelber Farbe
auf und wird aus dieser Lösung durch Kohlensäure wieder gefallt. Auch
in verdünnten Mineralsäuren löst es sich leicht; diese Lösungen ent-
wickeln indess schon bei gewöhnlicher Temperatur salpetrige Säure unter
Rückbildung von Guanidin. Mit Eisenoxjdul salzen giebt es in alkalischer
Lösung eine prachtvolle Purpurfarbung. Durch Kochen mit Wasser wird
es in Stickstoff und Cyanamid zersetzt, durch Uebermangansäure leicht
zu Nitrognanidin oxydirt, während es durch vorsichtige Reductiou in
Amidoguanidin übergeführt werden kann.
/NHNH, ^NNH,
Amidoguanidin^, C^NH bezw. C^NHg , entsteht aus Ni-
XnHj xnh^
troguanidin durch vorsichtige Reduction mit Zinkstaub und Eisessig. Es
ist eine im freien Zustand zersetzliche Base und bildet mit 1 Aequivalent
Säure beständige, gut krystallisirbare Salze, wie CN^Hg.BLNOj; versetzt
man seine Salzlösungen mit Kupfersalzen und Natriumacetat, so erhält man
violett gefärbte Salze des Amidoguanidinkupfers, z. B. (CN^H5)3Cu.
(HN03)3 . Durch Kochen mit verdünnten Säuren oder Alkalien wird das
^ JoussELiN, Compt. rend. 85, 548 (1877); 88, 814 (1879). — Frakchimokt, Rec.
trav. chim. 10, 231 (1891). — Pellizzari, Ber. 25o, 118 (1892). — Thiele, Ann.
270, 15 (1892).
« Thiele, Ann. 273, 183 (1893).
« Thiele, Ann. 270, 22 (1892); 273, 140 (1893).
Axodicarbonamidin. Dtaxoguanidin. 1071
Amidoguanidin unter yorübergehender Bildung von Semicarbazid (vgl.
S. 1054) in Kohlensäure, Ammoniak und Diamid gespalten:
/NHNH, .NH.NHs
Cf-NH + HjO = C0<
/NH-NH, HjN.NH,
C0< + H,0 = CO, + ;
\NH, ^ NHs
diese Spaltung stellt den zur Zeit bequemsten Weg zur Ge-
winnung des Diamids dar.
Azodicarbouamidiii^ NH^-C— N: N— C-NH, entsteht in Form seines Nitrats
li I
NH NH
C|NeHe.2HN09 (intensiv gelbes Ery Stallpulver, in kaltem Wasser sehr schwer lös-
lich, bei 180 — 184^ verpaffend) durch Oxydation von Amidoguanidin in salpetersaurer
Lösung; durch Rochen mit Wasser liefert es Azodicarbonamid (vgl. S. 1057); durch
Bednctionsmittel geht es leicht in das Nitrat des Hydrazodiearbonamidins
NH,.C— NH.NH— C.NH,.2HNOs + 2H,0 (farblose Krystalle, in Wasser leicht lös-
NH NH
lieh) über.
Das Amidoguanidin besitzt die bei aliphatischen Amidoverbindungen
bisher selten beobachtete Eigenthümlichkeit der „Diazotirbarkeit*^ (vgl.
S. 841).
Diazoguanidin' entsteht in Form von Salzen, wenn man Amido-
guanidin in mineralsaurer Lösung unter Vermeidung allzu starker Er-
/NH.N:N-N03
wärmung mit salpetriger Säure behandelt. Das Nitrat Cs~NH
bildet farblose Krystalle, schmilzt bei 129® und ist in Wasser sehr leicht,
in absolutem Alkohol leicht, in Aether nicht löslich. Es zeigt eine für
Diazoverbindungen bemerkenswerthe Beständigkeit; es zersetzt sich weder
in wässriger Lösung, noch in festem Zustand, explodirt nicht durch
Schlag oder Reibung und verpufft beim Erhitzen nur schwach mit grosser
orangegelber Flamme. Durch fixe Alkalien (auch ammoniakalische Silber-
lösung) werden Diazoguanidinsalze in Cyanamid und Stickstoffwasserstoff-
säure gespalten:
/NH— N : N.NO« y^ ^N y^
C4 NH - HNO, = C^NH = CeeN + HN< ;
^NH, \NH, \NH, "N
durch Einwirkung von Ammoniak dagegen oder besser durch Einwirkung
von Acetaten oder Carbonaten gehen Diazoguanidinsalze in Amidotetrazot-
säure (vgl. Bd. II) über:
/NH-N : N . NO3 /NH-N
NH,.C< - HNO3 = NH,.C<C ' .
^NH ^N N
^ Thiele, Ann. 270, 89 (1892); 273, 141 (1893).
2 Thiele, Ann. 270, 46 (1892).
1072 Constitution, Bildung und Bedeutung
Vn. Cyclische ürelde, ThioureMe und Guanidide. HarnsSure-
gruppe.
Es ist schon S. 1055 darauf hingewiesen worden, dass bei der
Combination von mehrwerthigen Säuren mit Harnstoff cyclische Verbin-
dungen zu Stande kommen können, z. B.:
yNH— CH, /NH—CCK
C0< I C0< >CH,
^NH-CO ^NH-CO^
Glykolylhamstoff Malonjlbarnstoff.
(HjdantoYn) (Baxbitursäure)
Diese Verbindungen leiten sich von cyclischen Kernen:
ab und könnten daher in der Hauptklasse der heterocyclischen Verbin-
dungen besprochen werden; allein, da die ringförmige Atomanordnung
in ihren Moleculen bei der Verseifung unter Wasseraufiiahme sehr leicht
gesprengt wird und daher ftLr die chemischen Beziehungen der fraglichen
Verbindungen nicht gerade wesentlich ist, so erschiene eine solche An-
ordnung gezwungen, und es empfiehlt sich vielmehr, diese Substanzen im
Anschluss an den Harnstoff als Säurederivate desselben — „XJrelde" —
abzuhandeln (vgl. S. 92).
Die eben erwähnte Verseifung der cychschen XJrelde kann in zwei
Phasen zerlegt gedacht werden, die häufig auch experimentell getrennt
werden können. Entweder kann durch Aufnahme der Elemente eines
Wassermoleculs der Zusammenhang an einer Imidgruppe zwar gelöst
werden, ohne dass indess ein Zerfall des Molecüls stattfände, z. B.:
yNH-CO /NH, CO. OH
C0< I + H,0 = C0< j (Oxalursäure);
^NH-CO ^NH— CO
es entstehen so Verbindungen mit einer Carboxylgruppe, die als „Ur-
amidosäuren^', „Uraminsäuren" oder auch „Ursäuren" bezeichnet
werden. Oder es kann durch Wasseraumahme an beiden Imidgruppen
eine vollständige Spaltung in Harnstoff einerseits und die betreffende
Säure andererseits bewirkt werden, z. B. :
/NH~CO yNH, CO. OH
C0< I + 2HaO = C0< + I
^NH-CO ^NH, CO. OH
Cyclische Urelde können synthetisch aus Harnstoff durch Einwirkung
auf mehrbasische Säuren, Oxy säuren, Ketonsäuren etc. — nöthigenfalls
unter Zuhülfenahme von wasserentziehenden Mitteln, wie Phosphoroxy-
chlorid, — gewonnen werden, z. B.:
der cyclischen üreide etc. 1073
/NH, OHCOv /NH-CCK
C0< + >CIL - 2H,0 = C0< >CH2
^NH, OHCO'^ ^NH— C(r .
j^ C(0H).CH8 — HjO ^NH-CCHs
C0<^ ' + ScH = Co/ SCH .
^^ do-ocÄ — CA- OH \nh-cJo
(Acetessigester, vgl. S. 962, 964)
Allein diese Bildung hat nicht zu ihrer Entdeckung gefuhrt. Viel-
mehr gewann man einfache cyclische Urelde zunächst aus complicirteren,
natürlich gebildeten Substanzen von grosser physiologischer Bedeutung —
wie Harnsäure, Xanthin, CafiFeln etc. — durch Spaltung. Gerade als Abbau-
produkte dieser Substanzen haben sie bei den Untersuchungen, welche die
chemische Erkenntniss jener Naturprodukte bezweckten, das Interesse an
sich gezogen. Durch das sorgfältige Studium derjenigen Spaltungsprocesse,
welche zu ihrer Bildung führen, und der weitergehenden Spaltungs-
reactionen, durch welche sie selbst wieder in noch einfachere Bruch-
stücke zerfallen, ist man endlich zu bestimmten, wohlbegründeten An-
schauungen über die Constitution jener Erzeugnisse des Organismus ge-
langt, deren vollständige Synthese darauf mit Erfolg in AngriiBF genommen
werden konnte. Und wie bei den analytischen Untersuchungen jener
natürlichen Produkte von complicirter Zusammensetzung die einfachen
cyclischen Urelde als Zwischenglieder des Abbaus wichtige Andeutungen
für die Constitutionsfrage lieferten, so sind sie bei neueren synthetischen
Arbeiten — vgl. Behrendts Untersuchungen über die Uracilgruppe,
S. 1079 — 1081 — wieder wichtige Zwischenglieder des Aufbaus geworden.
Die genaue Kenntniss dieser Körpergruppe, deren Bedeutung aus
dem Vorstehenden ersichtlich sein wird, verdanken wir in erster Linie
zwei denkwürdigen Untersuchungen, die durch einen ziemlich langen Zeit-
raum getrennt sind. Wöhlee und Liebig legten durch eine im Jahre
1837 veröflFentlichte Untersuchung den Grund; etwa 25 Jahre später
betrat Baeyeb das Gebiet und fügte den älteren Ergebnissen eine reiche
Ernte neuer Funde zu, durch die das Verständniss der ganzen Gruppe
in mächtiger Weise gefördert wurde (vgl. S. 1085).
Betreffs der Constitution jener Naturstoffe selbst haben die eben er-
wähnten Untersuchungen zu dem Ergebniss geführt, dass auch sie zur
Gruppe der cyclischen Urelde gehören; aber sie enthalten in ihrem
Molecül zwei Harnstofireste, verkettet durch einen gemeinschaftlichen
Säurerest, wie dies durch die Structurformel der Harnsäure:
/NH-C-NH\
/ I >co
CO/ C-NH^
\nh-co
erläutert werden möge.
Wir haben mithin die cyclischen Urelde in einfache Urelde und
Diurelde einzutheilen.
V. Mbykb u. Jaoobsok, org. Chem. I. 68
1074 Parabansßwrt und Cholesterophan,
Den cjcliflchen Urei'den analoge Verbindungen — cyclische Guanidide
leiten sich vom Guanidin ab, z. B.:
.NH-CH,
C(:NH)
sie sind zum Theil eben&lls durch physiologische Beziehungen wichtig (vgl. Kreati-
nin S. 1077, Guanin S. 1089). — Die cjclischen Thioure'ide dagegen, die synttie-
tisch aus Thiohamstoff entstehen, sind in ihrer Constitution nicht völlige Analoga der
UreSde (vgl. Thiohydantoin, 8. 1076).
Die cyclischen ürelde besitzen in der Regel die Fähigkeit zur Salz-
bildang mit Basen, die auch durch die Namen, wie „Parabansänre'S ?,Ham-
säure^' etc., ausgedrückt wird. Diese Eigenschaft ist auf den umstand
zurückzuführen, dass die WasserstofiPatome der zwischen negativen
G-ruppen eingeschlossenen Imidgruppen (vgl. S. 370, 662) gegen Metall-
atome austauschbar sind.
A. Einfache Urelde, Thiourelde und G-uanidide.
Von der Oxalsäure und von der Glykolsäure leiten sich wichtige
Urelde ab, deren Molecüle den fiinfgliedrigen Ring:
.N-C
I
C
enthalten.
,NH— CO
Parabansäure ^ C0<^ | (Oxalylhamstoff) — eine von Wöh-
\nh— CO
LEE und LiEBia entdeckte Substanz, die f&r die Untersuchungen über die
Harnsäuregruppe von grösster Bedeutung war, — entsteht aus Harnsäure
durch Oxydation, bildet breite Nadeln und löst sich in 21 «2 Th. Wasser
von 8®. Durch Fällung mit Silberlösung liefert sie das Silbersalz
AggCjNgOg + HgO, welches bei der Umsetzung mit Jodmethyl in die
unten noch zu besprechende Dimethylparabansäure (Cholesterophan) über-
geht; da letztere Verbindung bei der vollständigen Spaltung durch Er-
hitzen mit Salzsäure auf 200^ den StickstoflF lediglich in Form von
Methylamin (nicht etwa als Ammoniak und Dimethylamin) enüässt, so
muss der Parabansäure die oben benutzte Structurformel ertheilt werden:
ein OxalylhamstoflF von der zweiten möglichen Formel:
* Liebig u. Wöhleb, Ann. 26, 285 (1838). — Strecker, Ann. 118, 156 (1861). —
Hardy, Ann. eh. [4] 2, 374 (1864). — Finkh, Ann. 132, 804 (1864). — Wheeleb,
Ztschr. Chem. 1866, 746. — HENRY^Ber. 4, 644 (1871). — Ponomarbw, Bull. 18, 9T
(1872). — ToLLENs u. Wagner, Ann. 166, 321 (1878). — Menschutkin, Ann. 172, 73,
89 (1874). — Tollens, Ann. 175, 227 (1875). — Grimaux, Ann. eh. [5] U, 367, 380
(1877). — Calm, Ber. 12, 624 (1879). — Andreasch, Monatsh. 2, 284 (1881). —
Rttbinskaja, Ber. 18 o, 609 (1885).
Hydantain und HydanUnnsäu/re, 1075
/NH.,
co< ;co
"<io
könnte dies Verhalten nicht zeigen. Beim Erwärmen mit Alkalien geht
Parabansänre in Salze der Oxalursäure:
C0<
\NH-CO.CO,H
/N(CH3)-C0
über. Die eben erwähnte Dimethy Iparabans&ure ^ C0<^ |
\N(CH3)-C0
(Gholesterophan) entsteht auf obigem synthetischen Wege, femer
durch Oxydation von Gaffeln; sie schmilzt bei 145®, siedet unzersetzt
bei 275— 277*', löst sich bei 20® in 53-4 Th. Wasser und wird durch
alkoholische Alkalien schon in der Kälte in Dimethylhamstoff und Oxal-
säure gespalten.
.NH— CH,
Hydantoln^ CO<f | (Glykolylharnstoff) — von Baeteb
\NH— CO
entdeckt — entsteht aus AUantoIn durch Erwärmen mit concentrirter
Jodwasserstoffsäure, synthetisch durch Einwirkung von Ammoniak auf
Bromacetylhamstoff NHg -CO-NH-COCHaBr, bildet farblose Nadeln,
schmilzt bei etwa 215® und ist in kaltem Wasser ziemlich löslich; durch
Behandlung mit wasserfreier Salpetersäure geht es in Nitrohydantoln
/N(NOj)-CH,
C0<^ I (Schmelzpunkt gegen 170®) über. Durch Kochen mit
\NH CO
Baryt liefert Hydantoln die Hydanto'fnsäure« NHjCO-NH-CH^-COaH
(Glykolursäure, Uramidoessigsäure), welche synthetisch durch
Kochen einer Lösung von GlykokoU und Harnstoff mit überschüssigem
Barytwasser oder durch Umsetzung von schwefelsaurem GlykokoU mit
Kaliumcyanat :
C0NH.NH,.CH2.C0,H = NHj.CONHCH.COaH
(vgl. die HarnstofFsynthese Wöhlbe's, S. 1051)
gewonnen wird, schöne Prismen bildet, in kaltem Wasser ziemlich schwer
löslich ist und beim Erhitzen mit rauchender Jodwasserstoffsäure in
* Stenhouse, Ann. 45, 371 (1843); 46, 229 (1843). — Rochledbb, Ann. 73, 57,
123 (1850). — Stbeckbe, Ann. 118, 174 (1861), — Menschutkin, Ann. 178, 201
(1875). — Calm, Ber. 12, 625 (1879). — Malt u. Hintebegqeb, Monatsh. 2, 87 (1881).
— ANDEEArm, ebenda, 283.
« Baeyeb, Ann. 117, 178 (1861); 130, 158 (1864). Her. 8, 612 (1875). — Franchi-
MONT u. Klobbie, Rcc. trav. chim. 7, 12, 236 (1888). — AnschCtz, Ann. 254, 258 (1889).
^ Baeteb, Ann. 180, 160 (1864). — Heintz, Ann. 133, 70 (1864). — Rheineck,
Ann. 134, 222 (1865). — Hebzoo, Ann. 136, 278 (1865). — Geiess, Ber. 2, 106
(1869). — Menschutkin, Ann. 153, 105 (1869). — Wisligenüs, Ann. 165, 103 (1872).
— Baümakn u. Hoppe-Seyleb, Ber. 7, 37 (1874).
68*
1076 Methylhydantom, Tkiohydantain, • Glykocyamidin,
Kohlensäure, Ammoniak und OljkokoU gespalten wird. Diesen Verbin-
dungen analog sind:
.NCCHg)— CH,
Methylhydantoltn C0<; | und Methylhydantolnsäure
\NH CO
.N(CH3)-CH,
Q0<^ I — Substanzen ^, welche aus Ejreatin bezw. Kreatinin
^NH, CO. OH
(S. 1077) durch Kochen mit Baryt entstehen, und deren Constitution sich
aus ihrer Synthese durch Vereinigung von Sarkosin (S. 831) mit Cyan-
säure ergiebt.
ThlohydantoTii* — syiithetisch durch Einwirkung von Chloressigsftnre auf Thio-
hamstoff gewonnen — besitzt nicht eine der S. 1075 gegebenen Hydantoinformel
entsprechende Structur, muss viehnehr darch die Formel:
'^S — ^CH,
'NH-CO
ausgedrückt werden, da es auch durch Combination von Thiogljkolsfture (S. 749) mit
Cyanamid entsteht und umgekehrt beim Kochen mit Baryt Thiogljkolsfiure abspaltet
Diese Verbindung ist mithin, wie die S. 1064 — 1065 besprochenen alkyUrten Thio-
bamstoffe, ein Derivat der Imidocarbaminthiolsfiure und nicht im eigentlichen Sinne
ein Thiohydantoln. Das eigentliche Thiohydantoin'
.NH-CHj yN CH, ' /NH-CH,
CS< I bezw. C^SH 1 oder C^SH I
^NH-CO ^NH— CO ^N CO
ist nur in Gestalt von Alkylderivaten bekannt, die durch Einwirkung von SenfSlen
auf Amidosäuren erhalten werden können.
In derselben Beziehung, wie Hydantoln und Hydantolnsäure zum
Harnstoff, stehen
^^NH-CH, ^^NH— CH,
Olykocyamidln« C NH | und aiykocyamln « C^ NH |
^\NH— CO ^\NH, CO -OH
zum Guanidin. Glykocyamin entsteht durch Vereinigung von Cyanamid
mit Glykokoll, ist in kaltem Wasser ziemlich schwer loslich; beim Elr-
C^S
* Neubauee, Ann. 137, 288 (1865). — Huppebt, Ber. 6, 1278 (1873). — Baü-
MANN u. Hoppb-Seyler, Ber. 7, 35 (1874). — E. Salkowskt, Ber. 7, 116 (1874). —
Hill, Ber. 9, 1090 (1876). — J. Tbaube, Ber. 15, 2111 (1882). — E. Fischer, Ann.
215, 287 (1882).
« VoLHARD, Ann. 166, 383 (1873). — Malt, Ann. 168, 133 (1873). Ber. 10,
1849 (1877); 12, 967 (1879). -r- Mulder, Ber. 8, 1262 (1875). — Claus, Ber. 10, 824
(1877). — Claesson, Ber. 10, 1352 (1877). — Andreasch, Ber. 12, 1385 (1879); 13,
1421, 1423 (1880). Monatsh. 8, 407 (1887). — C. Lieberxahn u. Lange, Ber. 13,
1593 (1880). — Kramps, Ber. 13, 788 (1880).
* AscHAN, Ber. 17, 420 (1884). — Marokwald, Nbumark u. Stelzner, Ber. 24,
3278 (1891).
* Strecker, Compt. rend. 52, 1212 (1861). — Nencki u. Sieber. J. pr. i^2] 17,
477 (1878).
Ereatin und Kreatinin. 1077
hitzen seines Chlorhydrats spaltet es Wasser ab und geht in Glyko-
cyamidin über.
Die Methylderivate dieser beiden Verbindungen — Ereatinin^
N(CH3)— CHa ^^NlCHg)— CH3
m I undKreatliiiÖ=NH 1
==:NH I und Ereatin ^ C=-NH 1 — sind Substanzen
\^NH CO ^--NHa CO OH
von grosser physiologischer Bedeutung. Das Kroatin bildet einen stän-
digen Bestandtheil des Muskelsafbes der Säugethiere und kann daher
zweckmässig aus Fleischextract gewonnen werden; auch findet es sich
im Blute; die Muskeln enthalten etwa 0-3 ^/^ Kroatin, die Gesammt-
musculatur eines erwachsenen Mannes enthält somit eine sehr beträcht-
liche Kreatinmenge — etwa 90 g; über die Rolle, welche das Kroatin
im Stoffwechsel spielt, sind die Ansichten noch nicht geklärt. Im Harn
findet sich Kreatinin, aber nicht in bedeutender Menge; bei Fleisch-
nahrung werden in 24 Stunden etwa 2 g Kreatinin durch den Harn ab-
geschieden. Synthetisch kann Kroatin durch Vereinigung von Cyanamid
mit Sarkosin (vgl. S. 831) gewonnen werden:
<X NH(CH,)-CH, /N(CH,)— GH,
+ i = ^NH I ;
NH, CO,H \NHs C0,H
durch diese Synthese wird seine Constitution ausser Zweifel gestellt.
Kreatin krystallisirt aus Wasser in farblosen, wasserhaltigen Prismen
von der Zusammensetzung C^HgNgOg + H3O, verliert bei 100^ das Krj'-
stallwasser, löst sich in 74-4 TL Wasser von 18^ in 9410 Th. kaltem
absolutem Alkohol; beim Kochen mit Baryt wird es in Methylhydantoln
(S. 1076) übergeführt. Beim Erwärmen mit verdünnten Säuren geht
es durch Wasserabspaltung in Kreatinin über; letzteres krystallisirt
aus wässeriger Lösung im Vacuum wasserfrei, löst sich schon in
11-5 Th. Wasser von 16® und geht in Berührung mit Alkalien wieder
allmählich unter Wasseraufnahme in Kreatin über; es ist eine starke
Base, bildet mit Säuren gut krystallisirende Salze, mit Chlorzink eine
charakteristische, zur Abscheidung geeignete, krystaUinische Verbindung
* Chevreitl, Berz. Jb. 13, 382 (1834). — Pbttenkopee, Ann. 52, 97 (1844). —
Heintz, Pogg. 62, 602 (1844); 70, 466 (1847); 74, 125 (1848). — Liebio, Ann. 62,
282,824 (1847); 108, 355 (1858). — Gbeoohy, Ann. 64, 100 (1847). — ScHLOSSBEEaEB,
Ann. 66, 80 (1848). — Pbice, Ann. 76, 362 (1850). — Dessaiqnes, Ann. 92, 407
(1854); 97, 332 (1856). Jb. 1857, 543. — Staedelee, J. pr. 72, 256 (1857). —
Nbubaueb, Ann. 119, 27 (1861); 120, 257 (1861); 137, 288 (1865). — Voit, Jb. 1867,
791. — Stseckee, Jb. 1868, 686 Anm. — Volhaed, Ztschr. Ghem. 1869, 318. —
MuLDBE u. MoüTHAAN, ZtscliT. Chem. 1869, 341. — Malt, Ann. 159, 279 (1871). —
Weyl, Ber. 11, 2175 (1878). — E. Salkowsky, Ztechr. f. pbysiol. Chem. 4, 133 (1879);
9, 127 (1884). — WoEM-MüLLEB, Jahresb. f. Thierchemie 1881, 76. — KBüKENBEEa,
ebenda, 340. — Jaff£, Ztscbr. f. physiol. Chem. 10, 391 (1886). — Colasanti, Ber.
2O0, 511 (1887). — J0HH8OHN, Ber. 25o, 285 (1892). — Bunge, Lehrb. d. pbysiol. u.
patbol. Chem. (Leipzig, 1889), 8. 138, 290, 314.
1078 Barbiiursäure und Dialursäure,
von der ZnsaminensetzuDg (C^H^N30)2ZnCl2 ; durch Oxydation mit Ea-
liumpermanganat liefert es neben Oxalsäure Methylguanidin (S. 1068).
Lysatin bezw. Lysatlnln^ ist eine Base CeHnN,0 bezw. CeHi,N,09 genannt,
welche durch Spaltung von Eiweisskörpem beim Rochen mit concentrirter Salzsäure
und etwas Zinnchiorür entsteht und dem Rreatin bezw. Kreatinin ähnlich constituirt
zu sein scheint.
Durch ihre Beziehungen zur Harnsäure sind femer einige XTrelde,
deren Molecüle den sechsgliedrigen Ring /
enthalten, von Interesse.
NH— CO
\i
Barbitursäure' ist der Malonylharnstoff C0< >CH,
\NH— CO/
genannt worden — eine Substanz, .welche von Baeyeb entdeckt ist, und
deren Studium seiner Zeit wesentlich die Aufklärung der Ureld-Gruppe
gefördert hat; sie wurde zuerst aus Alloxan auf Umwegen gewonnen,
später auch synthetisch durch Einwirkung von Phosphoroxychlorid auf
ein Gemisch von Malonsäure und Harnstoff dargestellt. Sie geht durch
Behandlung mit rauchender Salpetersäure inNitrobarbitursäure (Dili-
tursäure), durch Einwirkung von salpetriger Säure in Isonitrosobar-
bitursäure (Violursäure) über;, aus diesen beiden Verbindungen kann
durch Reduction Amidobarbitursäure (Uramil) gewonnen werden;
die Constitution dieser Barbitursäure-Derivate erhellt aus den Formeln:
/NH-COv .NH-COv /NH-COv
C0< >CH.NO, C0< >C:N.OH C0< >CH.NH,.
^NH~CO/ \XH-CO^ \NH-C(K
Dilitursäure Violursäure Uramil
.NH— CO.
Dialursfture^ C0< >CH(OH) (Tartronylhamstoff) ent-
\nh— CO/
steht durch Reduction von Alloxan und ist durch ihre leichte Oxydir-
barkeit bemerkenswerth ; in feuchtem Zustand oxydirt sie sich an der
Luft rasch zu Alloxantin (vgl. S. 1081).
.NH— COv
Alloxan* oder Mesoxalylharnstoff C0< >C(0H), + 8H,0
\NH— CO^
1 Dbechsel, J. pr. [2] 39, 425 (1889). Ber. 28, 3096 (1890).
' Baeyeb, Ann. 127, 200, 229 (1868); 130, 129 (1864). — Fikkh, Ann. 13«,
804 (1864). — Gkimaux, Her. 12, 878 (1879). — Conrad u. Guthzeit, Ber. 14, 1643
(1881)-, 15, 2844 (1882). (Vgl. V. Meter u. Ad. Müller, Ber. 16, 610 [1883].) —
Behbend, Ann. 236, 57 (1886). — Mationon, Ann. eh. [6] 28, 289, 508 (1893).
« Liebig u. Wöhler, Ann. 26, 276 (1838). — Grboory, J. pr. 32, 277 (1844).
— Strecker, Ann. 113, 49 (1858). — Baeyer, Ann. 127, 12 (1863).
* \Whler u. Liebio, Ann. 26, 256 (1838); 38, 357 (1841). — Gregory, J. pr.
32, 280 (1844). — Schlieper, Ann. 55, 251 (1845). -- Dessaiokes, Jb. 1867, 364. —
Aüoxan tmd DimethylcUloaxm, 1079
(vgl. Mesoxalsäure S. 981) — von BBuaNAXELLi 1817 entdeckt, aber
erst von Wöhleb und Liebig (vgl. S. 1073, 1085) eingehend charakterisirt
— ist ein Abbauprodukt der Harnsäure, das für die Benrtheilung ihrer
Constitution hervorragende Bedeutung besitzt; es entsteht durch Oxy-
dation der Harnsäure; seine Constitution ergiebt sich aus der Spaltung
in Harnstoff und Mesoxalsäure, welche es beim Kochen mit Basen er-
leidet. Es bildet farblose Krystalle tihd ist in Wasser leicht löslich;
die Lösung giebt mit Eisenoxydulsalzen eine tief indigblaue Färbung,
mit Basen die Salze der Alloxansäure. Alloxan wird durch Kochen
mit verdünnter Salpetersäure zu Kohlensäure und Parabansäure oxydirt
und liefert durch Mnwirkung von Hydroxylamin die Violursäure (vgl.
/N(CH3)— CO.
S. 1078). — Dimetbylalloxan ^ C0< ^C(0H)2 + H-O entsteht
\N(CH3)— CO/
bei der Zersetzung des Caffelns mit Salzsäure und Kaliumchlorat und
liefert durch Oxydation mit Chromsäure das Cholesterophan (S. 1075).
UracilderiTate '. Als Uracil bezeichnet Behbend eine Substanz
von der Constitution:
/NH— CBL
C0< >CH ,
welche als Ureld der /S-Oxyakrylsäure (Formylessigsäure, vgl. S. 949 — 950)
aufgefasst werden kann. Das üracil selbst ist einstweilen noch nicht
bekannt, wohl aber sind zahlreiche Derivate desselben durch synthetische
Processe gewonnen worden, die ihren Ausgangspunkt von der Beaction
zwischen Harnstoff und Acetessigester nehmen. Da man unter Benutzung
dieser üracilderivate als Zwischenstufen schliesslich zu einer vollständigen
Synthese der Harnsäure gelangt ist, so beansprucht diese Gruppe von
Urelden ein besonderes Interesse.
Durch Condensation von Harnstoff mit Acetessigester erhält man
zunächst den üramidocrotonsäureester (vgl. S. 836):
CO . CHa /NH — C(OH)~CH,
co/
^^» I ' / i
+ CH, = CO/ CHa
COjCjH^ \nH, C0,.C,H(
,NH — C-CH,
= Co/ CH +H,0,
\nH, COjCjHs
Hlasiwetz, Ann. 103, 210 (1857). — Wdth, Ann. 108, 41 (1858). — Strecker, Ann.
113, 47 (1858). — LiEBio, Ann. 121, 81 (1862); 147, 366 (1868). — Fihok, Ann. 132,
303 (1864). — Hardy, Ann. eh. [4] 2, 372 (1864). — Mülder, Ber. 6, 1014 (1873). —
Magioer de LA SouRCE, Jb. 1874, 844. — Matiqhoh, Ann. eh. [6] 28, 299, 523 (1893).
^ Malt u. Andreascb, Monateh. 3, 92 (1882). — £. Fischer, Ann. 216, 259 (1882).
' R. BiHREND, Ann. 229, 1 (1885); 231, 248 (1885); 236, 57 (1886); 240, 1
(1887); 246, 213 (1888); 263, 65 (1889). — Köhler, Ann. 236, 32 (1886). — Behbemd
1080 Uracüderivate.
welcher durch Verseifung mit Aetznatron ein Natriumsalz liefert, aus
dem nun durch Säuren Methyluracil abgeschieden wird:
,NH — C-CH3 .NH-C-CH,
Co/ \CH -NaOH = Co/ \cH.
\nH, dO.ONa ^NH-dO
Methyluracil bildet Nädelchen, zersetzt sich bei 270 — 280*^ unter Bräu-
nung und ohne Schmelzung und ist in kaltem Wasser wenig loslich.
Behandelt man es mit concentrirter Salpetersäure, so liefert es, indem
die Salpetersäure sowohl nitrirend wie oxydirend wirkt, die Nitro-
uraellcarbonsSure
,NH-C-CO,H
co/ Sc NO,,
\nh— do
welche beim Kochen in wässriger Lösung Kohlensäure abspaltet und
in Nitrouracil:
/NH-CH.
C0< >C.NO,
^NH-CO'^
übergeht. Nitrouracil bildet goldgelbe Nadeln, ist in Wasser schwer lös-
lich und verpufft beim Erhitzen ohne zu schmelzen. Dass in diesen
Nitroverbindungen die Nitrogruppe am Kohlenstoff haftet und nicht etwa
einen Imidwasserstoff vertreten hat, folgt aus dem Verhalten der Alkyl-
derivate, die aus dem Nitrouracil gewonnen werden können; Nitrouracil
liefert nämlich Salze und durch Umsetzung des Kaliumsalzes mit Jod-
alkylen monoalkylirte Nitrouracile; letztere können in analoger Weise
nochmals alkylirt werden; während nun aus den Monalkylderivaten
durch Spaltung mit Barythydrat Alkylamin und Ammoniak gebildet
wird, entsteht aus den Dialkylderivaten lediglich Alkylamin; daraus ist
ersichtlich, dass das Nitrouracil noch zwei vertretbare, an Stickstoff ge-
bundene Wasserstoffatome enthält. — Nitrouracil liefert bei der Seduc-
tion mit Zinn und Salzsäure neben Amidouracil unter Eliminirung
eines Stickstoffatoms eine Verbindung C^H^NgO, — Oxyuraeil oder
Isobarbitnrsäure — , welche dieser Bildungsweise zufolge als
/NH-CH
üreld der a-/S-Dioxyakryl8äure C0( \c— OH oder
yNH— CH,
Ureld der Oxybrenztraubensäure C0( Nco
\nh— CO
aufzufassen ist; da die Isobarbitursäure nicht mit Hydroxylamin reagirt,
wohl aber mit Essigsäureanhydrid ein Acetylderivat liefert, so ist die
u. BoosEN, Ber. 21, 999 (1888). Ann. 261, 235 (1888). — Haoen, Ann. 244, 1 (1888).
— Behrekd u. Ernebt, Ann. 258, 347 (1890). — Ebnest, ebenda, 360.
AlloQcantin, 1081
erste Formel wahrscheinlicher. Durch Oxydation mit Bromwasser wird
Isobarbitursäure in Dioxyuracil oder Isodlalursäure:
,NH— C(OH) .NH-CH(OH)
Co/ No(OH) bezw. co/ NcO
\nh-co ^NH-do
übergeführt. Isodialnrsäure bildet lange derbe Prismen, ist in Wasser
leicht löslich, krystallisirt mit 2 Molecülen Wasser, von denen eines bei
100^ das zweite erst bei 140 — 150® entweicht, ist gegen oxydirende
Agentien ziemlich beständig (vgl. die Unbeständigkeit der Dialursänre
S. 1078) und liefert durch Condensation mit Harnstoff die Harnsäure
(vgl. S. 1084).
*
B. Diurelde und entsprechende G-uanidinderivate. Harnsäure-
gruppe.
Die Diurelde kann man in zwei Unterabtheilungen sondern. Die
eine Abtheilung umfasst solche Diurelde, in deren Molecülen zwei ein-
fache MonureXdreste mit einander verbunden sind; als zweite Unter-
abtheilung mögen solche Diurelde zusammengefasst werden, in deren
Molecülen ein Harnstoffrest direct mit einem Monureldrest ver-
bunden ist. Der Unterschied wird durch Anführung je eines Formel-
beispiels aus jeder Abtheilung:
I
co/ \c(OH)-d(OH) >C0 C
\nh— co/ N:)o-NH
deutlich werden. Während bei den Verbindungen der ersten Abtheilung
der Zerfall eines Diureldmolecüls in zwei Monureldmolecüle möglich ist.
enthalten die Diurelde der zweiten Abtheilung zwei Hamstofi&este durch
ein gemeinschaftliches Eohlenstoffgerüst derart verankert, dass der
Zerfall in zwei einfache Ureldmolecüle nicht möglich erscheint.
Die Verbindungen der ersten Abtheilung sind künstlieh theils aus ein-
fachen Urelden, theils aus Verbindungen der Hamsäuregruppe erhalten worden. Nur
Einige brauchen hier genannt zu werden.
Alloxantln^ CsHeNfO, + 2H,0, entsteht bei der Oxydation von Hamsfture mit
verdünnter Salpetersäure; aus Allozan entsteht es durch gelinde Beduction und geht
umgekehrt durch Oxydation wieder in Alloxan über, während es durch weitere
Beduction Dialursäure liefert; auch entsteht es sehr leicht durch Vereinigung von
Alloxan mit Dialursäure. Seine Constitution ist wahrscheinlich durch die Formel:
^ LiEBiQ u. WöHLER, Auu. 26, 262, 809 (1888); 38, 357 (1841). —- Schlibpbb,
Ann. 66, 259 (1845). — Gbbqort, J. pr. 32, 276 (1844). Ann. 87, 126 (1858> —
Hlasiwetz, Ann. 103, 216 (1857). — Stbeckbb, Ann. 118, 51 (1858). — Liebio, Ann.
147, 867 (1868). — Gbimaux, Compt. rend. 87, 752 (1878). — Mationon, Bull. [31
9, 169 (1893). Ann. eh. [6] 28, 326 (1893).
1082 Amalinsäure. Murexid.
»/
NH— COv XO— NH>
. \c(OH)-d(OH) \C0 + 2H,0
\nh— CO/ \co-nh/
auszudräcken, und es stände mithin zum Alloxan in der Beziehung, wie ein Pinakon
zu dem entsprechenden Keton. Es bildet farblose Krystalle, ist in kaltem Wasser
sehr schwer löslich, reichlicher in heissem Wasser, giebt in Losung mit BazTtwasser
einen veilchenblauen Niederschlag, welcher durch Kochen weiss wird und wieder
verschwindet, imd röthet sich an ammoniakhaltiger Luft; durch Einwirkung von
Salmiaklösung wird es in Alloxan und Uramil gespalten. — Ein Tetramethyl-
derivat des Alloxantins ist die sogenannte AmaUnsMure^ CisHifN^Og, welche in
analoger Weise, wie Alloxantin aus Harnsäure, so aus CaffeXn durch Oxydation entsteht,
femer aus Dimethylalloxan (S. 1079) durch Reduction mit Schwefelwasserstoff gebildet
wird und durch Oxydation wieder in Dimethylalloxan übergeführt werden kann; sie
ist fast unlöslich in kaltem Wasser und verhält sich dem Alloxantin sehr ähnlich.
In naher Beziehung zum Alloxantin steht das Murexid' CgHfNsOe'NH« + H^O
— eine Substanz, welche durch ihre prächtige Färbung ausgezeichnet ist, und deren
Entstehung aus den Körpern der Hamsäuregruppe bei vielen Reactionen beobachtet
wird. Murexid ist das Ammouiumsalz einer im freien Zustand nicht beständigen
Säure — der Purpursäure, für welche die Structurformel:
/NH~COv /NH\ ,CO~NHv
co<; >C^^ ^C< >co
^NH-CO/ XJO-NH^
sehr plausibel erscheint Es bildet sich besonders glatt durch Oxydation von Uramil
mit Quecksilberoxyd, und entsteht femer durch Einwirkung von Uramil auf Alloxan
bei Gegenwart von Ammoniak, daher auch durch Einwirkung von Ammoniak auf
Alloxantin (vgl. oben die Spaltung des Alloxantins in Uramil und Alloxan); es
beruht auf dieser Bildung die Murexidreactiou der Harnsäure: verdampft
man Harnsäure mit verdünnter Salpetersäure, so erhält man einen Bückstand, der
sich mit Ammoniak infolge von Murexidbildung purpurroth ^bt. Murexid bildet
kleine Krystalle, welche wie die Flügeldecken der Goldkäfer metallisch grünes Licht
reflectiren; zerrieben stellt es ein rothes Pulver dar, das unter dem Polirstahl glänzend
metallisch grün wird; in Wasser löst es sich mit tief purpurrother Farbe; die Losung
wird durch Kalilauge tiefblau gefärbt, Murexid wurde früher als Farbstoff* ver-
wendet Durch doppelte Umsetzungen kann man aus dem Miurexid andere Salze
der Purpursäure gewinnen. Dagegen ist die freie Purpursäure nicht isolirbar, zerfUlt
vielmehr sofort in Uramil imd Alloxan.
In die zweite Abtheilung der Diurelde (vgl. S. 1081) gehört eine
Reihe von wichtigen Naturstoffen — neben den Pflanzenbasen TheTn und
Theobromin Substanzen , welche für die chemischen Processe des Thier-
körpers von Bedeutung sind, wie Harnsäure, Guanin, Xanthin. Diese
^ RocuLEDEB, Ann. 71, 1 (1849). — !Maly u. Andreasch, Monatsh. 3, 103 (1882).
— £. Fischer, Ann. 216, 258 (1882). — £. Fischer u. Reese, Ann. 221, 339 (1883).
— Brunn, Ber. 21, 513 (1888).
> Liebio u. Wöhler, Ann. 26, 254, 267, 819 (1838). — Fritzsche, Ann. 32, 316
(1839). — Gregory, Ann. 33, 334 (1840). — Beilstbin, Ann. 107, 176 (1858). —
Matiqnon, Ann. eh. [6] 28, 345 (1893).
' Vgl. Caro's Vortrag über die Entwickelang der Theerfarben- Industrie, Ber.
25o, 1025—1026 (1892).
AUaniain. 1083
Diurelde^ welche man unter der Bezeichnung ,yHa]:n8äuregruppe^'
zusammenzufassen pflegt, beanspruchen daher hervorragendes Interesse.
AllantoXn^ C^H^N^^Og ist vermuthlich als Diureld der Gly-
oxylsäure:
.NH— CH— NHv
C0< I >C0
^NH— CO NH/
aufzufassen. Es ist von Vauquelin 1790 entdeckt, findet sich in der
Allantoisfltissigkeit der Kühe, im Kälberharn und nach Eingabe von
Harnsäure im Hundeham; auch im Pflanzenkörper wird es gebildet und
ist z. B. in jungen Platanentrieben constatirt worden. Künstlich ent-
steht es durch Oxydation der Harnsäure, synthetisch durch Erhitzen
von Hamstoflf mit Glyoxylsäure oder Mesoxalsäure. Es bildet farblose
Krystalle von asbestartigem Glanz, bleibt beim Erhitzen bis gegen 200®
anscheinend unverändert, löst sich in kaltem Wasser schwer, in heissem
leicht auf. Durch Reduction geht es in Hydantoln über; bei der Spal-
tung mit Alkalien liefert es Ammoniak und Kohlensäure als Zersetzungs-
produkte des zunächst abgespaltenen Harnstoffs, Oxalsäure und Essig-
säure als Zersetzungsprodukte der Glyoxylsäure (vgl. S. 949).
HarnsSnre CgH^N^Og — 1776 von Scheele entdeckt — ist als
Diureld einer Trioxyakrylsäure [C(0H)j:C(0H)'C03H] aufzufassen:
,NH-CO
C0( C-NHv (Begründung vgl; S. 1085—1086).
\ !| >C0
Die Harnsäure* tritt im Harne des Menschen regelmässig, aber nur
in geringer Menge auf; von dem Säugethierorganismus wird nur ein
sehr geringer Procentsatz des zur Ausscheidung gelangenden Stickstoffs
in Form von Harnsäure, der weitaus grösste Theil dagegen als Harn-
stoff (S. 1051) — also als Produkt einer in Bezug auf den Kohlenstoff
vollständigen Verbrennung — abgesondert. Umgekehrt wird von den
* LiEBiQ u. WöHLEB, Ann. 26, 245 (1838). — Schliepeb, Ann. 67, 214 (1848). —
WöHLEB, Ann. 70, 229 (1849); 88, 100 (1853). — Limpricht, Ann. 88, 94 (1853). —
Frbeiohs u. Stabdelee, Jb. 1864, 714. — Neubauer, Ann. 99, 217 (1856). — GtobUp,
Ann. 110, 94 (1859). — Meissner n. Jolly, Ztschr. Ghem. 1866, 231. — Eheikeok,
Ann. 134, 219 (1865). — Wheeleb, Ztschr. Ghem. 1866, 746. — Gibbs, Ann. Suppl.
7, 322 (1869). — Muldeb, Ann. 169, 349 (1871). — Claus, Ber. 7, 227 (1874). — E. Sal-
K0W8D, Ber. 9, 719 (1876); 11, 500 (1878). — Grimaux, Ann. eh. [5] 11, 389 (1877). —
£. Schulze u. Babbibbi, J. pr. [2] 26, 145 (1881). — Michael, Ber. 16, 2506 (1883).
— E, Schulze u. Bosshabd, Ztschr. f. physiol. Ghem. 9, 420 (1885). — Beerend u.
RoosEN, Ann. 261, 255 (1888).
' Ueber Vorkommen und Bildung der Harnsfture vgl.: Gabbod, Jb. 1849, 529.
— CLOfiTTA, Ann. 99, 289 (1856). — Schipp, Ann. 111, 368 (1859). — H. Meyer u.
Jaff^!, Ber. 10, 1930 (1877). — E. Salkowski, Ber. U, 501 (1878). — Mittelbach,
Ztschr. f. physiol. Ghem. 12, 463 (1888). — Bunge, Lehrb. d. physiol. u. pathol. Ghem.
(Leipzig 1889), S. 292 ff.
1084 Harnsäure,
Vögeln, Reptilien und vielen Wirbellosen die Hauptmasse des Stickstoffs
(bei Gänsen z. B. 68 — 70 7o) ^^ Harnsäure — mithin als Produkt einer
unvollständigen Verbrennung — ausgeschieden. Bei gewissen patho-
logischen Zuständen des menschlichen Organismus (Gicht) setzt sich die
Harnsäure innerhalb des Körpers — in den Gelenken, unter der Haut,
in der Blase (Blasensteine) etc. — in Form schwer löslicher saurer
Salze ab.
Zur Darstellung^ der Harnsäure benutzt man zweckmässig
Schlangenexcremente oder Guano als Ausgangmaterial.
Die Lösung des oft und lange vergeblich angestrebten Problems,
Harnsäure synthetisch^ zu gewinnen, ist zuerst HoRBACZEWSKi gelungen;
er erhielt Harnsäure durch Erhitzen von GlykokoU mit Harnstoff — eine
Eeaction, welche jedenfalls verschiedene Zwischenstadien durchläuft, nur
beim Arbeiten mit kleinen Mengen gelingt und auch dann nur geringe
Ausbeuten liefert; auch durch Erhitzen von Cjanessigsäure (S.-654) mit
Harnstoff gewinnt man unter anderen Produkten Meine Mengen von
Harnsäure; etwas bessere Ausbeute an Harnsäure erhält man durch Zu-
sammenschmelzen von Trichlormilchsäureamid (S. 755) mit Harnstoff —
eine auf Grund der S. 1083 angeführten Constitutionsformel auch leicht
verständliche Reaction:
.NH, CONH, /NH— CO
/ 1 / '
C0( + CH(0H) + NH,v = C0( C-NHv + H,0 + NH^Cl .
\ I /^^ \ k y^^ +2HCI.
^NH, CCl, NH,/ \nH— C— NH^
Besonders glatt aber verläuft die Hamsäuresjnthese von Behbekd und
ßoosEN durch Condensation von Isodialursäure (S. 1081) mit Harnstoff
in Gegenwart von Schwefelsäure:
,NH— CO .NH-CO
C0( C(OH) + NH,v = C0( C-NHv + 2H,0.
\ Jl >C0 \ J, >C0
\nH— C(OH) NH,^ \NH-C~NH'/
Harnsäure bildet farblose, glänzende Erjstallschuppen und ist in
Wasser äusserst schwer löslich*; bei 18-5° erfordert sie etwa 10000 Th.
Wasser zur Lösung; in kalter concentrirter Schwefelsäure löst sie sich
unzersetzt und wird daraus durch Wasser wieder gefallt. Ueber die
Murexidreaction der Harnsäure vgl. S. 1082. Sie liefert zwei Reihen von
Salzen*. Das neutrale Natriumsalz CgHjN^OjNa^ + H,0 löst sich in
^ Arppe, Ann. 87, 237 (1853). — Gk)E8SMAim, Ann. 99, 374 (1856). — Gdbs,
Ztschr. Chem. 1869, 729. Ann. SuppL 7, 324 (1869).
> HoRBACZBWBKi, Ber. 15, 2678 (1882). Monatsh. 6, 356 (1885); S; 201, 584 (188T).
— Behbbkd u. Roosen, Ber. 21, 999 (1888). Ann. 251, 235 (1888). — Fobmänbk, Ber.
24, 3419 (1891).
' Bensch, Ann. 64, 191 (1854). — Blabez u. Dexio£s, Compt rend. 104, 1847
(1887). — Bshbend u. Boosen, Ann. 261, 235 (1888).
* Bensch, Ann. 54, 189 (1845). — Allan u. Bensch, Ann. 65, 181 (1848).
ConsiittUion der Harnsäure, 1085
62 Th. Wasser; das saure Natriumsalz C^HjN^OjNa + V3^0 entsteht
durch Kochen von Harnsäure mit Soda, bildet ein krystallinisches Pul-
ver, löst sich in 1100—1200 Th. Wasser von 15^ in 123—125 Th.
siedenden Wassers.
Zur Ermittelung der Hamsäureconstitution hat es vieler mühevoller
Arbeiten bedurft. Wöhlbb und Liebig ^ haben zuerst in einer Unter-
suchung, welche zu den bedeutungsvollsten Thaten dieses Forscherpaars
zählt, den Abbau der Harnsäure durch Oxydation in grundlegender
Weise experimentell klar gelegt; die Charakteristik der Abbauprodukte
wurde dann durch Arbeiten Babteb's*, welche sich jener Unter-
suchung ebenbürtig anreihen, so weit vervollständigt, dass Baeyeb wohl-
begründete Constitutionsformeln für die einfachen cyclischen Urelde auf-
stellen konnte. Auf Grund des so gewonnenen Materials wurden Spe-
culationen über die Structur der Harnsäure selbst angestellt. Die S. 1083
angeführte, heute allgemein angenommene Formel ist von Medious^ zuerst
aufgestellt worden; sie erhielt ihre experimentelle Begründung durch
Emil Fischeb's^ Untersuchung der Methylderivate der Harnsäure und
durch die Hamsäuresynthese von Behbend und Roosen (vgl. S. 1084).
Harnsäure kann durch Oxydation je nach den Bedingungen in5,Al-
lontoln oder Alloxan übergeführt werden. Die Bildung des Allantolns
zeigt, dass die Harnsäure ein Diureld ist; aus der Alloxanbildung er-
giebt sich, dass ihr Molecül den cyclischen Complex:
Vi
enthält Denkt man sich an denselben noch einen Hamstoffrest an-
tretend, so würde man ein Molecül mit 5 C- Atomen und 4 N- Atomen
— entsprechend der empirischen Harnsäureformel CgH^N^Og — erhalten.
Nun hat E. Fisgheb nachgewiesen, dass die Harnsäiue vier Imidgruppen
enthält; denn man kann sie in eine Tetramethylhamsäure überführen,
welche bei der Spaltung den Stickstoff lediglich in Form von Methyl-
amin ohne Bildung von Ammoniak austreten lässt. Unter Berücksich-
tigung dieser Verhältnisse und der empirischen Zusammensetzung der
Harnsäure kann man die folgenden zwei Harnsäureformeln als möglich
ableiten :
NH-C NHv ,NH— CO
C^
)C0
.^^ C0( C-NHv
^NH~Ö NH/ \NH-C— NH/
E. FiscHEB hat ferner nachgewiesen, dass aus der Harnsäure je nach
* Ann. 26, 241 (1838).
- Ann. 127, 1, 199 (1863V, 130, 129 (1864).
3 Ann. 176, 236 (1875). * Ber. 17, 328, 1776 (1884).
1086 Xanthin.
den Bedingungen durch directe Methylirung zwei isomere Monomethyl-
derivate entstehen, von denen das eine bei der Oxydation Methylalloxan
nnd Harnstoff, das andere AUoxan und Methylhamstoff liefert. Mithin
können die Imidgruppen der Harnsäure nicht alle gleichwertig sein;
die erste Formel wird dadurch ausgeschlossen; es bleibt die zweite For-
mel als Constitutionsausdruck der Harnsäure übrig; mit ihrer Hülfe
werden alle Umwandlungen der Harnsäure leicht verständlich.
lieber die durch Einwirkung von Chlorphosphor auf Methylhamsäure ent-
stehenden „Purinverbindungen", welche sich von dem „Purinkeni";
/N-CH
Ch( C N.
ableiten lassen, vgl. £. Fischbb's Arbeitend
XanthinkSrper. Der Harnsäure (Diureld der Trioxyakrylsäui*e)
sehr ähnlich constituirt ist das Xanthin, das als Diureld der Dioxy-
akrylsäure [CH(OH): C(0H)-C02H] aufzufassen ist:
,NH— CH
C-N]
NHv
>C0;
an das Xanthin schliessen sich als Methylderivate die natürlichen Stoffe
Theobromin und Gaffeln an, die künstlich aus dem Xanthin durch Ein-
führung von Methylgruppen gewonnen werden können:
,N(CH3>-CH yN(CH,)~ CH
C-N(CH,k Co/ C-N(CH,k
I >co \ : >co
^NH c -^=:^^ N/ \n(Ch,)-c y-^
Dimethylxanthin: Theobromin Trimethyfacanthin: Caffe'in.
Die hier gegebenen Structurformeln sind das Eb*gebniss einer eingehenden
Untersuchung E. Fischesi's über die Umwandlungen des Caffelns; be-
züglich der Einzelheiten dieser Untersuchung muss auf die Originalarbeit ^
verwiesen werden; aus der Structurformel des Caffelns folgt rückwärts
die Structur seines Stammkörpers — des Xanthins.
Xanthin^ C^H^N^Og findet sich in allen Geweben unseres Körpers,
in kleiner Menge neben anderen Xanthinkörpern im Harn, entsteht bei
» Ber. 17, 328, 1776 (1884).
* Ann. 216, 253 (1882).
5 LiEBio IL WöHLEB, Ann. 26, 340 (1838). — Steeckeb, Ann. 108, 141 (185.s):
118, 166 (1861). — ScHKRER, Ann. 112, 257 (1859). — Almän, Jb. 1862, 534. — DCbk,
Ann. 134, 45 (1864). — Salomon, Jb. 1881, 1012. — Kossel, Ztschr. f. physiol. Chem.
4, 290 (1880); 6, 422 (1882); 7, 20 (1882). — E. Fischer, Ann. 215, 309, 319 (1882).
— E. Schmidt, Ann. 217, 308 (1883). — Gautieb, Bull. 42, 141 (1884). — Baoinsky,
Ztschr. f. physiol. Chem. 8, 395 (1884). — E. Schulze u. Bosshabd, Ztschr. f. physiol.
Chem. 9, 437 (1885). — v. BbCcke, Monatsh. 7, 617 (1886).
Theobromin, Theophyllin, 1087
r-
- I
der Spaltung der Nuclelne (vgl. Bd. II) — Substanzen, welche einen wesent-
lichen Bestandtheil der Zellkerne ausmachen — durch Säuren, tritt in
seltenen Fällen in Form von Harnsteinen auf und findet sich auch in
Pflanzentheilen (z. B. im Thee, in Malzkeimlingen). Man benutzt zur
Darstellung zweckmässig seine Bildung aus Guanin durch Einwirkung
von salpetriger Säure. Synthetisch entsteht es nach Gautieb neben
Methylxanthin beim Erhitzen von Blausäure mit Wasser und Essigsäure
in geschlossenen Röhren — eine höchst auffallende und theoretisch kaum
verständliche Beaction. Es stellt ein farbloses Pulver dar, ist in Wasser
sehr schwer löslich, löst sich leicht in Kalilauge und wird durch Säuren
aus der alkalischen Lösung gefällt, besitzt nur sehr schwach basische
Eigenschaften. Sein Bleisalz liefert durch Umsetzung mit Jodmethyl
Theobromin. Durch Oxydation mit Salzsäure und Kaliumchlorat liefert
Xanthin neben Harnstoff Alloxan.
I Theobromin^ CyHgN^Oj (Dimethylxanthin) ist in den Cacao-
bohnen enthalten imd wird zweckmässig aus der käuflichen entölten Cacao-
masse dargestellt; die gebräuchlichen Cacaoarten enthalten 1 — 2^/^ Theo-
bromin; die künstliche Bildung des Theobromins aus Xanthin ist eben bei
der Besprechung des Xanthins erwähnt. Theobromin stellt ein weisses,
krystallinisches Pulver dar, sublimirt unzersetzt bei etwa 290®, ohne vor-
her zu schmelzen, löst sich bei 17® in 1600 Th., bei 100® in 148-5 Th.
Wasser. Es verbindet sich mit stärkeren Säuren zu Salzen, welche meist
gut krystallisiren, sauer reagiren und von Wasser theil weise oder voll-
ständig zersetzt werden. Andererseits liefert es auch mit Basen salz-
artige Verbindungen; das Natriumsalz bildet, mit salicylsaurem Natrium
gemischt (bezw. verbunden), das neuerdings viel gebrauchte Arzneimittel
„Diuretin"«; das Silbersalz C^H^N^OjAg + lYaH^O liefert durch Um-
setzung mit Jodmethyl das Caffeln. Theobromin wird durch Salzsäure
und Kaliumchlorat zu Monomethylalloxan und Monomethylhamstoff oxy-
dirt, woraus sich ergiebt, dass seine beiden Methylgruppen auf die beiden
Harnstoffreste vertheilt sind (vgl. S. 1086 die Structurformel).
Theophyllin' C7HgN40s — eine dem TheobromiD isomere Base, welche in
geringer Menge im Theeextract enthalten ist, mit 1 Mol. Krystallwasser krystallisirt,
hei 110° wasserfrei wird, hei 264^ schmilzt und in Wasser viel leichter löslich als
Theohromin ist, — ist sicher gleichfalls als Dimethylxanthin aufzufassen, da durch
Einwirkung von Jodmethyl auf sein Silbersalz Gaffeln (Trimethylzanthin) erhalten
» WosKBESENSKY, Ann. 41, 125 (1842). -- Glasson, Ann. 61, 340 (1847). —
RocHLEDEB, Ann. 79, 124 (1851). — Keller, Ann. 92, 73 (1854). — Mitscherlich,
Jb. 1869, 593. — Trojanowsky, Jb. 1877, 1206. — Treümann, Jb. 1878, 872. —
Dragekdorff, Ber. 11, 1689 (1878). — Maly u. Hintereooer, Jb. 1880, 909. —
K Fischer, Ann. 215, 803, 311, 819 (1882). — Maly u. Andreasch, Monatsh. 3, 107
(1882). — E. Schmidt, Ann. 217, 281 (1883). — E. Schmidt u. Pressler, Ann. 217,
287 (1883).
2 Vgl. Pharmaceut Centralhalle 30, 736 (1889); 31, 311 (1890).
^ KossEL, Ber. 21, 2164 (1888). Ztschr. f. physiol. Chem. 13, 298 (1889).
1
1088 Paraxantkin, Caffein,
wird. £& liefert bei der Oxydation mit Salzsäure und Kalium'chlorat Dimethyl-
alloxan, woraus sich die Structurformel : ).];
,N(CHs)-CH
Co/ C-NHv
\ I >C0 I Tüf
ergiebt. ( ■
Es ist leicht ersichtlich, dass ans der Structurformel des Xanthins sich die | ' ^>
Existenzmöglichkeit noch eines dritten Dirne thylxanthins: \"A
.NH CH H A
C0< C— N(CH8)v '
\N(CH)8 - C N "^
ergiebt; vielleicht liegt dasselbe in dem Paraxanthin ^ O7H8N4OS vor, welches in
kleiner Menge im Harn vorkommt, farblose glasglänzende Krystalle bildet und
gegen 284^ schmilzt; einstweilen ist indess noch nicht der Nachweis erbracht, dass lir(j|^
das Paraxanthin ein Derivat des Xanthins ist
Caffein» oder Theln CgHi^N^Oa (Methyltheobromin, Trimethyl-
xanthin) findet sich in fast allen Theilen des Kaffeebaumes, ferner im
Thee, in den Blättern von Hex paraguayensis (Paraguay -Thee), in den
Kolanüssen etc. Die Kaffeebohnen enthalten etwa P/o Caffein; besonders
reich an Caffein ist die Guaranapaste — ein brasilianisches Heilmittel
das aus den Früchten der PauUinia sorbiUs bereitet wird; sie enthält
etwa 5^/q Caffein; kleine Mengen Caffein sind auch im Cacao enthalten.
Zur Darstellung benutzt man in der Regel Theestaub als Aasgangs-
material. Dass Caffein künstlich durch Methylirung von Theobromin und \*^
^ 10:
-an''
'^m
:tÜcl
Theophyllin gewonnen werden kann, ist schon S. 1087 erwähnt. — Caffein-
krystalÜsirt mit 1 Mol. Wasser in seideglänzenden Nadeln, verliert das'
Krystallwaaser theilweise an der Luft, vollständig bei 100^, schmilzt bm
234-5*^; es ist in Wasser viel leichter löslich als Theobromin. 100 ThJ,
fPKr
1 frt
» Salomon, Ber. 16, 195(1883); 18, 3406 (1885). Jahresber. f.Thierchem. 1887,49.
— Thudichum, vgl. Ztschr. f. physiol. Chem. 11, 415 (1887). — - Kossel, Ztschr. i
physiol. Chem. 13, 302 (1889).
' Pklletieb, Gabot, Berz. Jb. 7, 269 (1828). — Pfafp, Berz. Jb. 12, 261 (1830
— JoBST, Ann. 25, 63 (1838). — Muldeb, Ann. 28, 319 (1838). — Bkrthemot
Deohastelüb, Ann. 36, 90 (1840). — Stenhouse, Ann. 45, 366 (1843); 46, 227 (18-^3
89, 244 (1854); 102, 124 (1857). — Rochledeb, Ann. 71, 1 (1849). — Strbgkbr,
118, 170 (1861). ~ Allpield, Jb. 1866, 632. — Geosbchopp, Jb. 1866^ 470. -|-?it
Strauch, Jb. 1867, 808. — Aubebt,* Jb. 1872, 805. — Cazekeüve u. CArLLOL, Bi
27, 199 (1877). — Cokmaille, Ber. 8, 1590 (1875). — Malt u. Hnn'EBBooEB, j^ 1 r^
1880, 908. Monatsh. 3, 85 (1882J. — E. Pischeb, Ann. 216, 258 (1882). — H
n. Schlaodenhauffen, Compt. rend. 94, 802 (1882). — £. Schmidt, Ann. 217, 2
306 (1883). Arch. f. Pharm. 231, 1 (1892). — Malt u. Akdbeasch, Monatsh. 3, '^i^
(1882); 4, 369 (1883). — E. Fmohbb u. Reese, Ann. 221, 336 (1883). — Osterme
Ber. 18, 2299 (1885). — E. Schmidt u. Schilling, Ann. 228, 141 (1885). — W
necke, Ber. 21c, 405 (1888). — Kossel, Ztachr. f. physiol. Chem. 13, 305 (1889).
Leipen, Monatsh. 10, 184 (1889). — Magnanini, Ber. 25 o, 45 (1892). — DuNerrAK
Shepheabd, Journ. Soc. 63, 195 (1893). iV^*"^
I
I
Gturnin. 1089
Wasser lösen bei 16^ 1-35 Th., bei 65<* 45-5 Th. Caflfeln; es bildet mit
Säuren wohl charakterisirte Salze, wie CgHjQN^Og.HNOg, die durch viel
Wasser zerlegt werden. Gaffeln findet als Arzneimittel Verwendung, wirkt
aber in grösseren Dosen giftig. — Die von E. Fischer abgeleitete Structur-
formel des Caffelns (vgl. S. 1086) erklärt seine Umwandlungen in befrie-
digender Weise. Da von den vier Stickstoffatomen drei methylirt sind,
ist es leicht verständlich, dass bei der Spaltung des Caffelns — z. B.
durch Salzsäure — der Stickstoff theils in Form von Methylamin, theils
als Ammoniak austritt. Bei vorsichtiger Oxydation mit Salzsäure und
Ealiumchlorat zerfallt Gaffeln in Dimethylalloxan und Monomethylham-
stoff. Unter anderen Oxydationsbedingungen liefert es Gholesterophan
' (8. 1075) oder Amalinsäure (S. 1082). — Uebergänge, welche der Bildung
von Parabansäure bezw. AUoxantin aus Harnsäure analog sind. Von den
zehn Wasserstoffatomen des Gaffeinmolecüls nimmt eines — dasjenige,
welches sich in der die beiden Hamstofireste verbindenden Mittelgruppe
befindet — eine Sonderstellung ein; dasselbe kann leicht durch Ghlor
oder Brom zersetzt werden; in dem so entstehenden Bromcaffeln kann
das Bromatom gegen Hydroxyl ausgewechselt werden; so gelangt man
zum Hydroxycaffeln :
,X(CH8)-0-0H
C0( C-N(CHb)^
\N(CH,)-C X"^
.in dem nun das Vorhandensein einer doppelten Kohlenstoff bindung sich
deutlich zu erkennen giebt, da es mit der grössten Leichtigkeit Brom
i addirt und letzteres bei der Behandlung mit Alkohol gegen zwei Aethoxyl-
c gruppen austauscht.
Cruanln^ G^H^NgO ist ein Xanthin, welches statt eines Harnstoff-
: restes einen Guanidinrest enthält, und entspricht daher einer von den
beiden Structurformeln :
.«•
^J /NH-CH ^XH-CH
C:NH C-XH. oder CO C-NH.
f ^NH-0 X/ \XH-C X/
xt Ss ergiebt sich dies aus dem Umstand, dass Guanin durch salpetrige
^ * ÜNQEB, Ann. 69, 58 (1846). — Gomp u. Will, Ann. 69, 117 (1849). — Xeu-
** AUER u. Kebnea, Ann. 101, 318 (1857). — Stkecker, Ann. 108, 141 (lb58); 118, 151
",1860). — ScHBREE, Ann. 112, 257 (1859). — Barkeswill, Anu. 122, 128 (1862). —
^"'iROHow, Jb. 1866, 721. — Ewald u. Krukenbekg, Jahrei^b. f. Thierch. 1882, 336. —
^ hiECHSEL, J. pr. [2] 24, 44 (1881). — Koösel, Ztschr. f. physiol. Chem. 6, 431 (1882);
^' 1 15 (1882); 8, 404 (1884). — E. Fischer, Ann. 215, 319 (1882). — E. Fischer u. Reese,
Ä- Jm. 221, 341 (1883). — Baginsky, Ztschr. f. physiol. Chera. 8, 396 (1884J. — E. Schulze
1^ . BossHARD, Ztschr. f. physiol. Chem. 9, 441 (1885). — v. Brücke, Monatsh. 7, 617 (1886).
^1 Wulff, Ztschr. f. physiol. Chem. 17, 468 (1892).
V. Mbyxr u. Jaoobsok, org. Chem. I. 69
1090 Hypoxanthin und Adenin,
:»'
Säure in Xanthin übergeführt wird. Guanin tritt in den thierischen
Geweben sehr häufig auf, entsteht bei der Spaltung der Nuclelne, findet
sich im Guano, aus welchem es zweckmässig gewonnen werden kann,
auch in der Haut vieler Amphibien und Reptilien, sowie der Fische;
namentlich die Fischschuppen enthalten krystallisirten Guaninkalk,
welcher ihren eigenthümlichen Glanz bedingt und als „Perlenessenz''
zum Auskleiden der Glasperlen benutzt wird. Guanin kann aus ammo-
niakalischer Lösung krystallisirt erhalten werden, ist in Wasser unlös-
lich, verbindet sich mit Basen und mit Säuren, liefert bei der Oxydation
mit Salzsäure und Ealiumchlorat Guanidin und Parabansäure und wird
durch Erhitzen mit Salzsäure in Ammoniak, Kohlensäure, Ameisensäure
und GlykokoU gespalten.
Xanthin und Guanin werden sehr häufig zusammen bei der Unter-
suchung von natürlichen Produkten gefunden; als^hre Begleiter treten
ferner oft zwei Basen von noch unermittelter Structur — Hypoxan-
thin und Adenin — auf, die zu einander in analoger Beziehung wie
Xanthin und Guanin stehen; die eine derselben — Adenin — geht
nämlich durch Einwirkung von salpetriger Säure in die andere —
Hypoxanthin — über; Adenin enthält mithin höchstwahrscheinlich an
einer Stelle des Molecüls, die im Hypoxanthin durch einen Hamstofirest
eingenommen ist, einen Guanidinrest.
Hypoxanthin^ C^H^N^O (Sarkin) entsteht durch Spaltung der
Nuclelne neben Xanthin, Guanin, Adenin, kann aus Fleischextract oder
aus Presshefe gewonnen werden, bildet mikroskopische Krystalle, ist in
kochendem Wasser massig löslich und verbindet sich sowohl mit Säuren .
wie mit Basen. !
Adenin C^H^Ng ist schon S. 1008—1009 als Polymeres der Blau- i
säure beschrieben worden.
^ SoHERER, Ann. 73, 328 (1850); 112, 257 (1859). — Strecker, Ann. 108, 129
(1858). — ScHÜTZENBEROER, Compt Tcnd., 78, 495, 698 (1874). — Weidel, Ann. 168,
362 (1871). — Salomon, Ztschr. f. physiol. Chem. 2, 65 (1878); 11, 410 (1887). Jb.
1881, 1012. — Chittenden, Jahresb. f. Thierchem. 1879, 61. — Kossbi,, Ztschr. £
physiol. Chem. 4, 290 (1880); 5, 152, 267 (1881); 6, 422 (1882); 7, 20 (1882); 16,
3 (1892). — Baginsky, Ztschr. f. physiol. Chem. 8, 395 (1884). — E. ScHni.zB u. Boßs-
HARD, Ztschr. f. physiol. Chem. 9, 437 (1885). — v. Mach, Jahresb. f. Thierchem.
1887, 72. — Brühns, Ber. 23, 225 (1890).
I
1
Anhang.
Die neueren Yorsehläge zur Reform der chemlsehen
Nomenelatur.
Zur Zeit der letzten Pariser Weltausstellung (1889) wurde durch
einen internationalen Congress für Chemie eine aus Forschern aller Län-
der bestehende Conimission mit der Aufgabe betraut, Vorschläge für
eine Eeform der chemischen Nomenelatur auszuarbeiten. Die Besultate
dieser vorbereitenden Arbeit, welche zwei Jahre in Anspruch nahm, sind
jüngst — im April 1892 — einem nach Genf einberufenen internationalen
Congress zur Prüfung vorgelegt; dieser Congress sollte gewissermassen
ein Gesetzbuch für die Benennung organischer Verbindungen schaffen
und hat seine Aufgabe theilweise gelöst. In Bezug auf eine Reihe
wichtiger Fragen sind definitive Beschlüsse gefasst, während freilich
viele Punkte noch ihrer Erledigung durch spätere, dem gleichen Zweck
gewidmete Versammlungen harren.
In dem vorliegenden ersten Bande unseres Lehrbuchs sind die
Namen der organischen Verbindungen noch nach den Principien ge-
bildet, wie sie sich im Laufe der Entwickelung unserer Wissenschaft
durch die Vorschläge, welche von den einzelnen Autoren in der fort-
laufenden Litteratur gemacht wurden, nach und nach aneinandergereiht
haben. Dem Leser werden vielleicht kaum Nachtheile dieser allmählich
ausgebildeten Nomenelatur aufgefallen sein; es gelingt im Allgemeinen
— wenigstens in der Fettreihe — , auf Grund jener Prinzipien Namen
zu bilden, welche die Constitution der zu bezeichnenden Verbindung
deutlich und unzweideutig ausdrücken.
Bei Anwendung jener Principien ist es indessen in der Regel mög-
lich, flir eine und dieselbe Verbindung verschiedene Namen zu bilden;
es kann z. B. der Körper von der Constitution:
CH3.COCHj.CO.CHs
als „Acetylaceton*^ oder als „Diacetylmethan** oder auch als „Acetyl-
acetonyl" bezeichnet werden. Diese Vielfältigkeit der möglichen Namen
hat für die Schilderung der organischen Verbindungen grosse Vortheile ;
je nach den Beziehungen, welche man gerade hervorheben will, kann
man den einen oder anderen Namen als besonders geeignet zur Er-
läuterung auswählen. Aber andererseits wird dadurch das Auffinden
69*
1092 Der Genfer NoTnendaturcongress.
der einzelnen Verbindungen in den alphabetischen Kegistem ausser-
ordentlich erschwert. Es ist nicht möglich, dass jede Verbindung in
den Registern unter allen Namen aufgeführt wird, welche ihr beigelegt
werden können; vielmehr wird in der Regel nur ein Name gewählt
sein, welcher dem Autor gerade als nahe liegend erscheint; in dieser
Beziehung aber können die Ansichten sehr verschieden sein, und Der-
jenige, der eine Verbindung von bestimmter Constitution sucht, wird
vielleicht gerade auf den ihr vom Autor beigelegten Namen nicht ver-
fallen. Der Nutzen eines alphabetischen Registers wird dadurch zum
Theil illusorisch. Man muss mit dem System eines Lehr- oder Hand-
buchs sehr genau vertraut sein, um rasch das Gesuchte darin zu finden;
das Sammeln der Litteratur aus den Zeitschriften aber wird durch diesen
Uebelstand in vielen Fällen schlechterdings eine Unmöglichkeit
In dieser Beziehung also liegt ein unverkennbares Bedürfniss zur
Reform der chemischen Nomenclatur vor.
Der Genfer Congress hat seinen Reformbeschl&ssen diesen Gesichts-
punkt zu Grunde gelegt, indem er die Resolution fasste:
„Neben den üblichen Bezeichnungs weisen soll für jede organische
Verbindung ein officieller Name festgesetzt werden, welcher es
erlaubt, sie unter einer einzigen Rubrik in den Registern und
Wörterbüchern aufzufinden."
Von den speciellen Beschlüssen sollen im Folgenden die wichtigeren,
soweit sie die Verbindungen der Fettreihe betreffen, mitgetheilt werden.
In dem vorliegende Bande konnten sie nur gelegentlich (vgl. z. B.
Kapitel 32) angewendet werden; von ihrer systematischen Anwendung
musste einstweilen leider abgesehen werden. Für den Theil (S. 1 — 576),
der bereits vor dem Genfer Congress erschien, ist dies selbstverständ-
lich. Aber auch in dem Theile (S. 577 bis Schluss), bei dessen Druck
die Genfer Beschlüsse schon vorlagen, schien ihre Anwendung nicht an-
gebracht; denn diese Beschlüsse sind einstweilen noch unvollständig; es
ist bisher nur die Nomenclatur der Kohlenwasserstoffe und ihrer Derivate
von einfachem Verbindungstypus (Alkohole, Säuren, Aldehyde etc.) ge-
regelt. Die Frage, wie die officiellen Namen für die zahlreichen Ver-
bindungen von gemischtem Typus (Oxysäuren, Aldehydsäuren, Ketoalde-
hyde etc.) zu bilden sind, ist vertagt.
I. Kohlenwasserstoffe.
Für die O^renzkohlenwasserstoflTe wird die Endung „an** bei-
behalten; ebenso werden für die ersten vier normal constituirten Glie-
der jdie gebräuchlichen Namen Methan, Aethan, Propan, Butan, für die
höheren normal constituirten Glieder die aus den griechischen Zahl-
worten gebildeten Namen wie Pentan, Hexan etc. beibehalten.
Aber abweichend von dem zur Zeit herrschenden Gebrauch sollen
diese Namen lediglich für die normalen Glieder reservirt bleiben;
NamenckUur cler Grenzkohlenwasserstoffe. 1093
die Kohlenwasserstoffe mit verzweigten Ketten werden fortan als Sub-
stitutionsprodukte der normal constituirten Kohlenwasserstoffe betrachtet;
man bezieht ihren Namen auf die längste normale Kette, die man in
ihrer Formel auffinden kann, indem man die Bezeichnung der Seiten-
ketten zufugt. Z. B.:
CH
^NcHCHj Methylpropan,
CllgV yCHg
yO^ Dimethylpropan.
Für den Fall, dass die Seitenketten selbst weiter verzweigt sind,
hat der Congress die folgende Eegel aufgestellt:
„Wenn ein Kohlenwasserstofiradical in eine Seitenkette eingeführt
wird, so wendet man anstatt der Präfixe »Methyl-«, »Aethyl-a etc.,
welche für die Fälle des directen Eintritts in die Hauptkette
reservirt bleiben, die Präfixe »Metho-«, »Aetho-« etc. an." Z. B.:
CHg • Oxis ' ^Hjv
Cjj )CH-CH,CH,-CH, Methoäthylheptan.
CH/
Von grösster Wichtigkeit ist nun die Bezeichnung der Stellen, an
welchen die Substitution erfolgt. Der Congress hat diese Frage durch
eine Reihe sehr glücklicher Beschlüsse in einfacher Weise gelöst; er hat
dabei die heute für aliphatische Verbindungen vorherrschende Unter-
scheidung der Stellungsisomeren durch griechische Buchstaben verworfen
und die für cyclische Verbindungen schon länger gebräuchliche Numeri-
rung der einzelnen Kohlenstoffatome durch Zahlen allgemein adoptirt.
Die Beschlüsse lauten wie folgt:
„Die Stellung der Seitenketten wird durch Ziffern bestimmt, die
angeben, an welchem Kohlenstoffatom der Hauptkette die Seiten-
ketten haften. Die Numerirung beginnt an dem Ende der Haupt-
kette, das einer Seitenkette am nächsten steht. Sind die beiden
äussersten Seitenketten symmetrisch gestellt, so bestimmt die ein-
fachere unter ihnen die Wahl."
0) (2)
CH,-CHj\(3) (4) (ö) (6)
NCH.CHj.CHgCH, Methyl-3.hexan,
(1) <2) (5) (6)
CH,.CH,v (3) (4) JCHj-CHg
>CH.CH< Methyl-3-äthyl-4.hexan.
CH/ \CH,.CHs
„Die Kohlenstoffatome einer Seitenkette werden durch die gleiche
Zahl bezeichnet wie das Kohlenstoffatom der Hauptkette, an wel-
ches die Seitenkette angefügt ist. Sie erhalten einen Index, welcher
1094 NoyiiencUUur der ungesättigten Kohlemoasset'stoffe,
ihre Stellung innerhalb der Seitenkette bestimmt, wobei man von
der Verzweigungsstelle ausgeht."
(i)
CHsv (2) (3) (4) (5) (6) (7)
(2») (4')CHa
(4«)CH«
,,Sind zwei Seitenketten an das gleiche Kohlenstoffatom gebunden,
so wird die einfachere zuerst ausgesprochen , und ihre Indices
werden accentuirt."
Diese Numerirung der Kohlenwasserstoffe wird nun für alle Substitutions-
produkte beibehalten. Z. B.:
CH^Cl-CHaCl 1.2.Dichloräthan,
CH3 • CHCI3 1 . 1 -Dichloräthan,
CH
'NcCl-CK-CHg 2-Methyl-2-Chlorbutan.
CH3/
Für die ungesättigten Kohlenwasserstoffe mit offenen Ketten hat
der Congress die Vorschläge v. Baeyer's, welche bereits S. 436 und 458
mitgetheilt wurden, bezüglich der Endungen „en" nnd „in" („dien",
„enin", „diin" etc.) angenommen. Sie werden numenrt, wie die ent-
sprechenden gesättigten Kohlenwasserstoffe. Wo infolge des Fehlens
einer unsymmetrisch gestellten Seitenkette der Anfangspunkt der Nume-
rirung zweifelhaft ist, erhält das endständige Kohlenstoffatom, welches
der Bindung von höchster Ordnung am nächsten steht, die Ziffer 1:
(1)
^Hgv (2) (3) (4) (6)
>CH2 • CH3 • CH : CH. Methyl-2.penten,
CR
'3
(1) (2) (3) (4) (5)
CH:GCHa.CH:CHa Pentenin.
Wo es nöthig ist, wird der Ort der mehrfachen Bindung durch die
Nummer des ersten an der mehrfachen Bindung betheiligten Kohlenstoff-
atoms bezeichnet:
CHgiCHCHa-CHg Buten 1,
CHgCHiCH-CH, Buten 2.
Die in diesen Abschnitt fallenden Beschlüsse des* Congresses sind
so einfach anzuwenden, so präcis und unzweideutig, dass sie gewiss all-
seitig als ein bedeutender Fortschritt in der Regelung unserer Nomen-
clatur begrüsst werden. Sie erfüllen ihren eigentlichen Zweck — die
Wahl einer bestimmten Bezeichnung der einzelnen Verbindungen für
Registerzwecke — durchaus; aber sie werden voraussichtlich eine weit
Alkohole, Mercaptane, Aldehyde^ Ketone^ Carbonsäuren. 1095
ausgebreitetere Anwendung finden und auch für die gesprochene Nomen-
clatur allmählich die älteren Benennungsprincipien verdrängen.
IL Einfache Verbindungstypen.
Die Alkohole erhalten den Namen ihres Stammkohlenwasserstoffs,
gefolgt von der Endung „-ol^*; bei mehrwerthigen Alkoholen wird zwi-
schen den Namen des Stammkohlenwasserstoffs und die Endung -ol ein
Zahlwort -di, tri, tetra etc. eingeschaltet (vgl. S. 602):
CHg-OH Methanol,
CHjj(0H)-CH2(0H) Aethandiol 1.2,
CHjjiCHCHjjCOH) Propenol 3.
Die Mercaptane werden durch die Endung „-thioP^ bezeichnet, z. B. :
CH3-CH2(SH) Aethan-thiol.
Bezüglich der Aether, Sulfide, Bisulflde und Sulfone sind bisher
nur provisorische Beschlüsse gefasst.
Die Aldehyde werden durch die Endung „-al" (Thioaldehyde
durch die Endung „-thial**) charakterisirt, welche dem Namen ihres
Stammkohlenwasserstoffs angehängt wird:
CHaO Methanal,
CHj-CHS Aethan-thial.
Die Nomenclatur der Eetone (Endung ,,-on") ist schon S. 847 — 848
auseinandergesetzt und auf den folgenden Seiten durchgeführt.
Die Beschlüsse über die Nomenclatur der Carbonsäuren geben
Gelegenheit zu mancherlei Bedenken. Während bei den Carbonsäuren
cyclischer Stammsubstanzen in Bezug auf die Namengebung diejenige
Verbindung als Stammkörper betrachtet wird, welche an Stelle der
Carboxylgruppe ein Wasserstoffatom enthält (z. B. CgH^N-COjH Pyridin-
carbonsäure von C^H^N Pyridin), hat der Congress für die aliphatischen
Säuren in anderem Sinne entschieden: ihre Namen werden abgeleitet
von dem Namen des Kohlenwasserstoffs, der gleich viel Kohlenstoffatome,
also an Stelle der Carboxylgruppe die Methylgruppe enthält. Es ist
femer im Gegensatz zu den übrigen Beschlüssen hier eine Endung
(„olque") gewählt, welche nur im Französischen verwendbar ist:
CHj-COjH Acide 6thanoIque.
Es liegt keine officielle Äeusserung darüber vor, wie man in anderen
Sprachen verfahren soll. Im Deutschen wird man zweckmässig — dem
Vorgang BEtLSTEiN's^ folgend — einfach die Endung „Säure" an den
Namen des correspondirenden Kohlenwasserstoffs hängen^:
^ Handbuch d. org. Chem. 3. Aufl., S. 388 (Hamburg u. Leipzig, 1892).
' Bezüglich der Numerirung des RohlenstofiiBkeletts in Carbonsänren ist die
folgende Resolution gefasst:
1096 Nanienclatuj' der Lactone, Oxime, Amide etc.
H-COgH Methansäure,
COjHCHg-CH^-COgH Butan-di-säure.
Lactone erhalten die Endung „olid":
CHj • CH • CHg • CHj
Pentanolid 1.4.
0 CO
Die gebräuchliche Nomenclatur der Amine, Imine, Phosphine,
Arsine etc. wird beibehalten.
Desgleichen werden die üblichen Klassennamen „Oxlme**, ^^Ainlde^^,
9,Imlde<S ^^Amldoxlme", „Amldlne^S j^Nitrile" als Endungen auch
in der officiellen Nomenclatur verwendet, aber nicht wie bisher an den
Namen des entsprechenden Aldehyds, Eetons oder der Säure, sondern
an den Namen des entsprechenden Kohlenwasserstoffs gehängt:
CHg.CB^.CHj.CHON.OH) Butanoxim 1,
CH8-CH3C(:N.OH)CH3 Butanoxim 2,
CHg.CO-NH, Aethanamid,
NHj.COCHa-CHa.CO-NHa Butandiamid,
CH^CO.
I NNH Butanimid,
CHj.CO/
.NH
CHj • C<^ Aethanamidin,
\NH,
CHg-CN Aethannitril. "
,3ei den einbasischen Säuren, deren Kohlenstoffiskelett einer normalen oder
symmetrischen Kette entspricht, trägt der Carboxylkohlenstoff die Nummer 1.
In allen übrigen Fällen behält man die Numerirung des entsprechend^!
KohlenwasserstofEs bei."
Bei Anwendung dieses Beschlusses kommt man unter Umständen mit dem Princtp,
den Namen des StammkohlenwasserstofiiB auf die längste normale Kette zu besieben,
in Widerspruch. Die Säure:
CH3 • GM) * CH • CH] * Cxi3
I
z. B. müsste im Sinne dieses Beschlusses doch wohl den Namen:'
Aethyl-2-butansäure 1
erhalten, während ihr bei Anwendung jenes aUgemeinen Prindps die Bezeichnung
Methyl-3-pentansäure 3^
zukäme. Es dürfte zweckmässig sein, in obiger Resolution zwischen „entspricht*'
und „trägt^* den Relativsatz:
„und deren Carhoxylgruppe ein Glied der Hauptkette bildet'*
einzuschalten.
Nomenclatur der RadiccUe. 1097
ni. Badicale.
Den einwerthigen Kohlenwasserstoffradicalen giebt der Con-
gress entsprechend dem jetzigen Gebrauch allgemein die Endung „yl";
diese Endung wird bei den von gesättigten Kohlenwasserstoffen abgelei-
teten Radicalen an Stelle der Endung ^^an'^ gesetzt; bei ungesättigten
Eadicalen wird sie dem vollständigen Namen des entsprechenden Kohlen-
wasserstoffs zugefügt:
CHg.CHa— Aethyl,
CHa:CH— Aethenyl,
CHIC— AethinyL
Die Eadicale, welche sich von Alkoholen oder Aldehyden
ableiten und noch alkoholische bezw. aldehydische Function zeigen,
werden benannt, indem man dem Namen des entsprechenden Kohlen-
wasserstoflfradicals die Endung „-ol" bezw. „-al" zufügt:
— CH^CHjCOH) Aethylol,
— CHjj-CHO Aethylal.
Den Badicalen, welche sich von Säuren durch Entfernung
eines an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffatoms ableiten,
giebt der Congress wieder die nicht in's Deutsche übertragbare Endung
„olque":
— CHj-COaH Äthylolque.
Die eigentlichen Säureradieale (Acylreste, vgl. S. 304) erhalten
die Endung „oyl'S ^^^ ^^ ^^^ Namen des entsprechenden Kohlenwasser-
stoffs gehängt wird:
CHj-CO— Aethanoyl.
Endlich beschliesst der Congress:
„Wenn zwei Badicale an das gleiche Atom gebunden sind, wird
das complicirtere zuerst ausgesprochen" (Pentylmethylamin).
Dieser Beschluss .erscheint auffallig, da gerade umgekehrt bei der
Nomenclatur der Kohlenwasserstoffe (vgl. S. 1093 — 1094) die einfachere
Seitenkette den Anfangspunkt der Numerirung bestimmt, und von zwei
Seitenketten, die an ein Kohlenstoffatom gebunden sind, die einfachere
zuerst ausgesprochen werden soll. Es wäre wünschenswerth, dass diese
einander entgegenstehenden Bestimmungen bei der Bevision der Be-
schlüsse nqch in Einklang gebracht würden.
Register.
Die Seitenzahlen, welche durch ein Sternchen * hervorgehoben sind, geben an, wo die
einzelnen Substanzen in Tabellen angeführt sind; sie sind also namentlich dann nachzu-
schlagen, wenn es sich um die Aufsuchung der physikalischen Constanten handelt.
Abietin 134.
Aoetakrylsfture 979.
Acetal 560*, 561.
Acetaldehyd 176, 398*, 404 ff.
— Constitution des — s 72.
Acetaldoxim 398*.
Acetale 894, 558 ff., 560*.
Acetamid 368, 369*, 871.
Acetate 821—328.
Acet-bemsteins&ure 985—986.
— brenztraubensäure 978.
— bromamid 371.
— chloramid 372.
— dibromamid 372.
— essig-aldehyd 861.
ester 961 ff. Homologe des — s 968.
säure 960. Homologe der — 969.
äthylester 961 ff.
— — — methylester 967.
nitril 967.
— glutarsäuren 990.
— hydroxams&ure 379—380.
— imidoäthylätiißr 375.
Acetine 586.
Aeeto-buttersäure 976.
— butylalkohol 875.
— chlorhydrose 899.
— isopropylalkohol 874.
Acetol 872.
Aceton 412*, 414 ff.
— Bestimmung des — s im Holzgeist 170.
— Chlorderivate des — s 868.
— Constitution des — s 73.
— Cyanhydrin des — s 741.
— carbonsäure s. Acetessigsäure.
— Chloroform 418.
— dicarbonsäure 989.
— diessigsäure 992.
— dioxalsäure 993.
Acetonitril 296*.
Aceton-phosphorverbindungen 418.
— säure 757.
Acetonyl- (Radical) 847.
— aceton 855.
•Aceto-propionsäure 972.
— propylalkohol 874.
Acetoxim 890, 412*, 415.
Acetoxime 389, 412*, 418*.
AcetozimsäuTe 859.
Acettricarballylsäureester 995.
Acetursäure 833.
Acetyl- (Radical) 304.
— aceton 569, 855, 856*.
Halogenderivate des — s 870.
carbonsäure 978.
— äthylcarbinol 873.
— ameisensäure s. Brenztraubensäure
— bromid 349.
— ' butyryl 852*.
— — methan 856*.
— carbinol 872.
— Chlorid 347, 349, 352*.
— citronensäure 824.
— crotonsäure 980.
— Cyanid 959.
— disulfid 364.
Aeetylen 431, 453 ff.
— carbonsäure 516.
— dibromid 552.
— dicarbonsäure 697.
— dijodid 553.
— tetra-bromid 555.
carbonsäureester 705.
— — Chlorid 555.
Acetyl-essigsäure a. Acetessigsäure.
— glutarsäuren 990.
— glykolsäureester 748.
— namstoff 1055.
— heptoylmethan 856*.
— iso-butyryl 852*.
caproyl 852*.
— — cyanat 1013.
valeryl 852*.
— Jodid 350.
I
Begister.
1099
Acetyl-lävulinBäure 974.
— malonsäure 983.
— methylcarbinol 873.
— milchsfiore 755.
— propionyl 852*.
methan 856*.
— — methjl methan 856*.
— Bulfid 364.
— superoxyd 354.
— zahl 594*, 595.
Achroodextrin 929.
Aconit-oxalsäure 995.
— 8äure 703.
Acyl-glykols&ureester 748.
— radicale 804.
— Sulfide 364.
— superoxyde 854.
-— Verbindungen 345.
Adenin 1008, 1090.
Adipinsäure 675.
Adonit 893, 912.
AepfelsÄuren 794—798.
Aethal s. Cetylalkohol.
Aethan 121, 132.
— Constitution des — s 60.
— dicarbonsäure {(otf) s. Bemsteinsäure.
— disulfosäuren 576.
Aethanoyl- (Radical) 1097.
Aethantetracarbonsäure 706.
— ester 705, 706.
Aethantricarbonsäure 699.
— Homologe der — 699.
Aethen 446.
Aethenyl- (Radical) 345, 534.
— äthylendiamin 629.
— amidin 377.
— amidoxim 379.
— - trimethylendiamin 629.
— tricarbonsäure 699.
Aether, gewöhnlicher, s. Diäthyläther.
— moleculare Siedepunktserhöhung für
— 52.
— bromatus s. Aethylbromid.
— Constitution der — 65—66.
— einfache 190; gemischte 190.
— bildungsprocess, continuirlicher 191.
— säure 197.
— Schwefelsäuren 202.
Aethin 453 ff.
— carbonsäure 516.
Aethionsäure 578. l
Aetho- (Vorsilbe) 1093.'
AethoxyakryLaäure 788.
Aethoxylamin 250.
Aethoxvcrotonsäure 788.
Aethoxyl-oxalessigester 984.
— phosphordichlorid 209.
Aethyl- (Radical) 121.
— acetessigsäureäthylester 970.
— acetylen 461*.
carbonsäure 518.
Aethyl-äthoxylamin 250.
— äthylen 441*, 447.
Aethylal- (Radical) 1097.
Aethylalkohol 142, 149*, 155 ff., 170 ff
— Constitution des — s 62 — 65.
— Fettsäureester des — s 359*.
Aethyl-allyl-amin 482*.
bemsteinsäuren 698*, 694.
— amin 237*, 244.
Halogenderivate des — s 630—681.
— arsendicblorid 270.
— arsinsäure 270.
— bemsteinsäure 671*.
— bromid 184*, 187, 188.
— butyläther 193*.
— carbaminsäure-äthylester 1059. .
Chlorid 1058.
— carbinol s. Propylalkohol, normaler.
— carbon-imid 1018.
säure s. Propionsäure.
— carbylamin 252.
— caprodeltalacton 765.
— cetyläther 193*.
— Chlorid 184*, 187, 188.
— cjtronensäuretriäthylester 824.
— cy anessigester 984.
— Cyanid 296*.
— diacet-amid 378.
säure 962.
— dichloramin 244.
— disulfid 221*. ;
Halogenderivate des — s 621.
— dithiocarbaminsäure 1066.
Aethylen 429, 441*, 446.
— (Radical) 534.
— acetochlor hydrin 616.
— alkohol 566.
— bromid 545, 546*, 550.
— carbonsäure 495.
— chlor-acetin s. Aethy lenacetochlorhydrin.
hydrin s. Glykolchlorhydrin.
— Chlorid 429, 546*, 550.
— Cyanid 660.
— diäthylsulfon 575.
— diamin 629.
— dicarbonsäuren s. Fumarsäure und Ma-
leinsäure.
— disulfosäure 576.
— essigsaure 496.
— glykol 566. - •
Halogenhydrine des — s 616.
— hydrinsulfosäure 577.
— Jodid 550.
— mercaptan 574.
— milchsäure 758.
— oxyd 567.
carbousäure 775.
— platinchlorür 445.
— tetracarbonsäure 706.
ester 706.
Aethyl-essigsäure s. Buttersäure.
— fluorid 189.
1100
Begister.
Aethyl-fumarsliure 692*.
— glutarsäure 676*.
— glycid 591.
— glykolsäure 748.
— glyozylfiäure 960.
— harnstoff 1055.
— heptjdäther 193*.
— hexylÄther 198* 198.
— hydrazin 249.
— hydrozylamin s. Aethoxylamin.
— hypochlorit 201.
Aethyliden- (Radical) 584.
— bromid 545.
— Chlorid 429, 545.
— diacetat 560*.
— dibutyrat 56q*.
— diäthyl-sulfid 575.
stüfon 578.
— diisovalerianat 560*.
— dipropionat 560*.
— disulfosäure 576.
— essiffsSore 496.
— imidsiibemitrat 408.
— Jodid 545.
— maloDSäure 680.
-^ milchsäure 750 ff.
— Propionsäure 505.
AethyliBo-amylftther 198*.
— butylfither 198*.
— cyanat 1013.
— propylfither 193*.
Aewyl-itaconsäure 692*.
— Jodid 184*, 188.
— kakodyUäure 270.
— kohleiiBaures Natrium 1048.
— Ifiyulinsäure 976.
— maleinsäure 692*.
— malonsäure 656*.
— mercaptan 216, 221*.
— nitramin 244.
— nitrat 208*.
— nitrit 207, 208*.
— nitrolsäure 260.
— octylSther 193*.
Aethylol- (Radical) 1097.
Aethyl-oxaisäure 647*.
— oxyessigsäure 756.
— pentadion 856*.
— Perchlorat 201.
— phosphin 264*.
säure 265.
— propaigyläther 484.
— propyl-äther 198*.
akrolein 528*.
— rhodanid 1017.
— schwefelsaure 204.
— schweflige Säure 202.
— selenid 226.
— selenige Säure 202.
— selenmercaptan 226.
— senföl 1021*.
— silicium-trialkyläther 277.
Aethyl-siliciumtrichlorid 277.
— sulfaminsäure 240.
— Sulfid 221*.
Halogenderiyate des — s 621.
— sulfon 221*.
essigsaure 749.
säure 224.
— sulfuran 575.
— superoxyd 197.
— tartronsäure 791.
— tellurid 227.
— thiolkohlensaures Kalium 1049.
— thioscbwefelsaures Natrium 225.
— xanthogen-amid 1066.
disulfid 1049.
säure 1049—1050.
a-Akrit 609.
Akrolein 522.
— ammoniak 524.
Akropinakon 528.
Akrosamin 948.
Akrose 401, 897*, 902.
Akiylsäure 495.
— Halogendeorivate der — 730.
-. reihe 487 ff.
-al (Endung) 1095.
Alanin 833.
Aldehyd s. Acetaidehyd.
— alkohole 870.
— ammoniake 398, 407.
Aldehyde 880 ff., 898*, 521.
— Constitution der — 72.
— Halogenderivate der — 861.
— mehrwerthige 845.
— Nomenclatur der — 1095.
Aldehyd-gummi 407.
~ hars 896, 407.
— reactionen 898.
— säuren 948.
Aldine 850.
Aldite 769.
Aldol 407, 569, 871.
— condensation 895, 871.
Aldonsäuren 769 ff.
Aldoseu 602, 881.
Aldoxime 389, 890, 898*.
Aliphatische Yerbindunffen 90.
Alkalimetalle, Alkylyerbindungen der —
282.
Alkeine 633.
Alkine 838.
Alkohol, gewöhnlicher 155 ff., s. a. Aetb7^
alkohol.
Alkoholate 151, 160.
Alkohole, Constitution der — 62—66; In-
dustrie der — 169; Nomenclatur der —
1095.
— , ein werthige — der Grenxreihe 1 40 ff. ; pri-
märe, secundäre, tertiäre 141, 152 — 154.
— , zweiwerthige 558ff., dreiwerthige 576ff.,
höherwertige 601 ff.
Alkoholometer 157.
Register.
1101
Alkoholßäuren 740 ff.
AlkoxycrotoDsäuren 788.
Alkoxylamine 250.
Alkyl- (Radicale) 121.
— äther 189ff.
— amine 229 ff.
— carbimide 1012.
— Cyanide 291, 292 ff.
— diselenide 226.
— disulfide 219.
— disulfoxyde 224.
Alkylenbromide 486, 442.
Alkylene 436ff., 441*.
Alkylen-halogenide 545 ff., 546*.
— nitrosate 873.
— nitrosite 873.
— oxyde 563.
Alkyl-ester der arsenigen Säare 210; der
Arsensäure 210; der Borsäure 210; der
Fettsäuren 354 ff.; der Kieselsäure 210;
der Mineralsäuren 198 ff.; der phos-
phorigen Säure 209; der Phosphor-
säure 209; der Salpetersäure 207; der
salpetrigen Säure 206; der Schwefel*
säure 205 ; der schwefligen Säure 201 ; der
selenigen Säure 202; der Selensäure 205;
der Ueberchlorsäure 201 ; der unterchlo-
rigen Säure 200 ; der Unterphosphorsäure
209; der untersalpetrigen Säure 205.
— fluoride s. Fluoi-alkyle.
— glykolsäuren 748.
— halogene 180 ff.
— iso-cyanate 1012.
thiocyanate 1018.
— nitrate 207.
— nitrite 206.
— nitro-amine 239.
Verbindungen 253 ff.
— Oxalsäuren 648.
— paraconsäuren 490.
— phosphite 209.
— phosphorige Säuren 209.
— rhodanide 1017.
— sulfhydrate 211, 213fl.
— Sulfide 211, 216.
— sulfinsäuren 213, 225.
— sulfochloride 222.
— sulfoncarbonsäuren 745.
— sulfosäuren 222.
— thio-carbimide 1018.
— thiolkohlensäuren 1048—1049.
— thioschwefelsäuren 225.
Allantoi'n 1083.
Allen 463.
AUophansäure 1060.
AUoschleimsäure 820—821.
AUoxan 1078.
— säure 1079.
Alloxantin 1081.
Allyl- (KÄdical) 469, 481.
— acetat 482*.
— acetessigester 979.
Allyl- aceton 581.
— äthylester 482*.
— alkohol 479 ff.
Chlorid 619.
— amin 482, 482*.
Halogenderivate des — s 632.
— bemsteinsäure 692*, 694.
— bromid 472*.
— Chlorid 472*.
— Cyanid 497, 504.
— derivate 481, 482*.
Allylen 460.
— carbonsäure 517.
— dicarbonsäure 697.
AUylessigsäure 505.
— fluorid 473.
— halogene 470, 472*.
— Jodid 472*.
— malonsäure 680.
— mercaptan 482*.
— nitrat 482*.
— nitrit 482*.
— senföl 1020, 1021*.
— Sulfid 481, 482*.
— thioharnstoff 1064.
— trichlorid 555.
Aluminium, Alkylverbindungen des — s 288.
— äthyl 288.
— äthylat 160.
— methyl 288.
Amalinsäure 1082.
Ameisensäure 311, 312*, 313ff., 343.
— äthylester 359*.
Amidbasen 228.
— Chloride 345, 373.
Amide 365 ff.
Amidine 345, 376.
Amido-acetal 945.
— acetaldehyd 945.
— äthyl-alkohol 634.
— — mercaptan 636.
— — sulfosäure 636.
— barbitursäure 1078.
— bemsteinsäure 837.
— buttersäure 836.
— capronsäuren 834 — 835.
— caprylsäure 835.
— crotonsäure 836.
nitril 967.
— dicyansäure 1056.
— glutarsäure 840.
— glykokoll 845.
— guanidin 1070.
— iso-butylessigsäure 834.
— — valeriansäiire 835.
— malonitril 1008.
— malonsäure 837.
— myi'istinsäure 835.
— nitrile 827.
— önautlisäure 835.
— Palmitinsäure 835.
— paraldimin 408.
1102
Register.
Amido-propionsfiuren 883, 835.
— säuren 827 ff.
— Stearinsäure 835.
— succinaminsäoren 838 — 840.
— valeraldehyd 946.
~ yaleriansäoren 834, 835, 836.
Amidoiime 345, 878.
Amine 227, 229 ff.; Halogenderiyate der
— 630.
Amine, mehrwerthige 625 ff.
Aminsäuren 641.
Ammelid 1085.
Ammeiin 1034.
Ammonium-carbamat 1057.
— carbonat 1057.
— cyanat 1010.
— Verbindungen, quatemäre 228, 245 ff.
Amylacetat 360*.
— aikohol, actiyer, 8. Secundärbutyl-
carbinol.
normaler 149*, 150*, 166.
tertiärer 150*, 166.
— alkohole 150*, 163; secundäre 150*, 166.
— amin 237*.
Halogenderiyate des — s 632.
— (norm.)-bromid 184*.
— (norm.)-chlorid 184*.
— Cyanid 296*.
Amylen-bromide 546*.
— Chloride 546*.
Amylene 441*, 449 ff.
Amylen-glykol 569.
— hydrat s. Amylalkohol, tertiärer.
— nitrosat 873.
Amyl-jodid 184*.
— nitrat 208*.
— nitrit 207, 208*.
Amylodeztrin 929.
Amyloid 933.
— pflanzliches 934.
Amyl-pseudonitrol 260.
— schwefelsaure 205.
— senföl 1021*.
Amylum 924.
-an (Endung) 97, 121, 1092.
Angelica-lactone 789.
— säure 343, 505.
— — dibromür 728.
Anhydride, innere von Dicarbonsäuren641.
Anti- (Vorsilbe) 666.
Antimon, Alkyl Verbindungen des — s 272.
Antiweinsäure 801, 810—814.
Aposepin 635.
Arabinon 915 Anm.
Arabinosen 892, 908, 912.
Arabinsäure 930.
Arabisches Gummi 930.
Arabit 606, 912.
Arabonsäure 776.
Arachin-amid 369*.
— säure 312*, 336, 338.
äthylester 359*.
Arachinsäurechlorid 352*.
Aromatische Verbindungen 92.
Arrac 177.
Arrow-root 940.
Arsen, Alkyl Verbindungen des — s 266 ff.
Arsine, tertiäre 271.
Arsin-oxyde 271.
— Sulfide 271.
Arsonium Verbindungen, quaternäre 271.
Asparacumsäure 838.
Asparagine 888—840.
Asparaginsäuren 837 — 888.
Assimilationsprocess 401, 925.
Asymmetrie der Rohlenstoffatome 81.
Atom-modelle 666—667 Anm.
— Verkettungstheorie 56 ff.
Aurantin s. Abietin.
Ausscheidungsverfahren zur Melasseent-
zuckening 939.
axialsymmetrisch 86.
Azaurolsäuren 258.
Azelalinsäure 678.
Azo-ameisensäure 1060.
— dicarbon-amid 1057.
amidin 1071.
säure 1060.
— formamid 1057.
— methylencarbonsäureester 842.
Azoxime 379.
Azulminsubstanzen 1002.
Azulmsäure 998.
Baeyebb Spannungstheorie 435.
Barbitursäure 1078.
Bariumäthylat 160.
Bassorin 931.
Baumwolle 942.
Beckmamn^s Apparat zur Bestimmung der
Grefrierpunktstmiedrigung 47; zur Be-
stimmung der Siedepunktserhöhung 5t.
BECKHAMN*sche Umlagerung 391.
Behenolsäure 519.
Behensäure 312*, 388.
— Halogenderivate der — 721, 729.
— äthylester 359*.
Beilstein's Halogenprobe 9.
Benzol, moleculare Gefrierpunktsdepression
für — 50.
Benzylacetoxim 390.
Beriinerblau 1007, 1037.
Bernsteinsäure 640, 657 ff.
— Halogenderivate der — 734.
— anhydrid 660.
— diäthylester 660.
— dimethylester 660.
— homologe 663 ff., 671*.
— nitril 660.
I Beryllium, Alkyl Verbindungen des — s 288.
— äthyl 283.
— - propyl 283.
BetaYn 832.
«>p
Register.
1103
i
Biäthyläther 198.
Bienenwachs 361, 594*.
Biguanid 1068.
BiSnenrin 684.
Birotation 882.
Bis-diäthylarsen 270.
Bismuthine 273.
Biondecylensftare 510.
Biuret 1056.
— reaction 1056.
Blausäure 999 ff.; Salze der ~ 1003; Nach-
weis und Bestimmniig der — 1008 ; Poly-
mere der — 1008.
Blei, Alkylverbindungen des — s 289.
— essig 322.
— mercaptide 214, 216.
— tetra-äthyl 290.
methyl ?89.
— triäthylverbindungen 290.
— trimethylverbindungen 289.
~ Zucker 322.
Blutlauge 1036.
Blutlaugensalz, gelbes und rothes 1007,
1036—1088.
Bombenröhren, Oefinen der — 25.
Bor, Alkylverbindungen des — s 274.
— äthyl 274.
— methyl 274.
Branntwein s. Spiritus.
— essig 842.
Brassidinsfiure 514.
— ELalogenderivate der — 729.
BrassylsSure 679.
Brechweinstein 805.
Brenz-terebinsflure 509.
— traubensäure 956.
aldehyd 859.
amid 959.
— — ester 959.
homologe 960. *
nitril 959.
— — oxim 959.
salze 959.
— Weinsäure s. Methylbemsteinsäure und
Glutarsäure.
Halogenderiyate der — 738 — 739.
Brom-acetol 545.
— acetylen 473.
— äthyl s. Aethylbromid.
— äthylenbromid 554.
Bromal 867.
Brom-caffeYn 1089.
— cyan 1011.
— (ünitro-isobutan 625.
methan 624.
Bromide der Fettsäuren 349.
Brom-nitroäthan 625.
— nitroparafßne 256.
Bromoform 536*, 540.
Brom-pikrin 625.
— propylene 471, 472*.
— valeriansäure 505.
Bbüoelmann's Methode zur Bestimmung
der Halogene und des Schwefels 26.
BsttHL's Apparat zur firactionirten Destilla-
tion im Vacuum 106.
BuiiTE'sches Salz 225.
Butadiendicarbonsäure 696.
Butadiin 467.
— dicarbonsäure 698.
Butadion s. Diacetyl.
Butan 121, 128*, 133.
— hexacarbonsäureester 708.
— pentacarbonsäureester 708.
— tetracarbonsäure 707.
ester 707.
— tricarbonsäuren 702.
Butene 447.
Butin 465.
Butter 594*.
— säure, Constitution der — 71.
normale 311, 312* 325, 343.
— — Halogenderiyate der — 717*, 720,
723—728.
äthylester 359*, 361.
anhydrid 352*.
eährung 326.
nexylester 361.
octylester 361.
Butyl-acetat 360*.
— acetylencarbonsäure 518.
— acetylene 461*.
— alkohol, normaler 149*, 150*, 162;
secundärer 150*, 162; tertiärer 150*,
153, 163.
— alkohole, 150*, 162.
— amin, Halogenderiyate des — s 632.
— amine 237*.
— bemsteinsäure 671*.
— bromide 184*.
— chloral 866.
— Chloride 184*.
— Cyanid 296*. '
Butylen-bromide 546*.
— Chlorid 546*.
Butylene 430, 43T, 441*, 447.
Butylenglykol 569.
Butyl-jodide 184*, 189.
— malonsäuren 656*.
— mercaptane 221*.
— nitrit 208*.
— oxyessigsäuren 757.
— pseudonitrol 260.
— senföie 1020, 1021*.
— Sulfide 221*.
— sulfon 221*.
— sulfoxyd 221*.
Butyraldehyd 398*.
Butyramid 369*.
Butyroin 873.
Butyrolacton 763.
— carbonsäuren 792, 799, 815.
Butyron 412*.
Butyronitril 296*.
y
1104
Register.
Batyronoxim 412^
Butyryl-ORadical) 304.
— Chlorid 352*.
Cacao 1087, 1088.
— butter 594*.
Cadaverin 630.
Gadet*8 Flüssigkeit 267.
Cadmiumäthyl 285.
Caffein 1088.
Calciumäthylat 160.
Campherarten, olefinische 485.
Campholen 466.
Capillarpipette 107.
Caprin-aldehyd 398*.
— amid 369*.
Caprinon 412*.
Caprins&ure 812*, 334.
— Bromderivat der — 717*.
— Äthylester 359*.
-- Chlorid 352*.
— isoamylester 361.
Caprolactone 763, 765.
Capron 412*.
— aldehyd 398*.
sulfonsäure 527—528.
— amid 369*.
— Bfiure 311, 312*, 332.
Bromderivate der — 717*.
äthylester 859*.
nitril 296*.
octylester 361.
Caproyl- (Radical) 304.
Capryl-aldehyd 398*.
— amid 369*.
Capryliden 461*.
Caprylon 412*.
Caprylsäure 312*, 333.
— vBromderivat der — 717*.
— äthylester 359*.
— Chlorid 352*.
— nitiil 296*.
Caramel 918.
Carbamate 1057.
Carbamid 1051, s. auch Harnstoff. Alkyl-
derivate des — s 1054; Acylderivate des
—8 1055.
Carbamin-cyamide 1056.
— säure 1051, 1057, Schwefelderivate der
— 1065.
äthylester 1059.
amidin 1067.
Chlorid 1058.
ester i058.
— thiolsäure 1065, 1066.
— thionsäure 1065.
— thionthiolsäure 1065.
Carbimid 1009, 1051.
Carbinol 142.
Carbo-butyrolactonsäuren 792, 799, 815.
— caprolactonsäure 800.
Carbo-diimid 1020.
— methyl-butyrolactonsänre 793.
-carbonimid (Endung) 1013.
Carbonsäuren 301, 487, 637, 679, 698.
— Halogenderivate der — T09.
— Nomenclatur der — 1095.
Carbonyl-chlorid 1039.
— gruppe 380.
Carbovalerolactonsäuren 793, 815.
Carboxylgruppe 301.
Carbyl-amine 229, 251—252.
— aminreaction s. iBonitrilreaction.
— sulfat 444, 577.
Carius' Verfahren zur Bestimmung dei
Halogene und des Schwefels 23..
CamauDawachs 571.
Celluloid 944.
Cellulose 931, 942.
— thierische 934.
Ceresin 139.
Cerin 362.
Ceroten 452.
Cerotinon 412*.
Cerotinsäure 312*, 338.
— Bromderivat der — • 717*.
— äthylester 359*.
— cerylester 362.
Cerylalkohol 168.
Cetyl-acetat 360*.
— alkohol 149*, 168.
— amin s. Hexadecylamin.
— Cyanid 296*.
— malonsäure 656*.
— mercaptan 221*.
— nitrat 208*.
— palmitat 360*, 361.
— Sulfid 221*.
Chinogene 851.
Chlor-acetol 545.
— acetylen 473.
— äthyl, Constitution des — s 60.
8. Aethylchlorid.
alkohol s. Glykolchlorhydrin.
— äthylenchlorid 554.
— äthvlidenchlorid 554.
Chlorai 862.
— aceton 874.
— alkoholat 865.
— aminoniak 865.
— forinamid 865.
— hydrat 864.
Chloralide 866.
Chlor-ameisensäure 714.
ester 1041, 1043.
— cyan 1011.
— dibrommethan 536*.
— essigsäureäthylester 714.
— glyoxime 866.
Chloride der Fettsäuren 346.
Chlor -imidokohlensäureäthylester 1 061.
— ißobutyraldehyd 867.
— kohlenoxyd 1039.
\
Beffister.
1105
Chlorkohlensänre-äthylester 1044.
— ester 1041, 1043. Schwefelderivate der
— 1050.
— methylester 1043.
Chlormethyl b. Methylchlorid.
— alkohol 404, 612.
Chloroform 536*, 537.
Chlor-oxaline 649.
— ozalmethylin 649.
— oxypropionBfturen 755.
— peruiiokohlensäureester 1050.
— pikrin 540, 624.
— propylene 472*.
— propylen-glykol 616.
oxyd 617.
— sulfonsftoreester 204.
— thiolkohlensäureester 1050.
— thionkohlensäureester 1050.
— trimethylen-glykol 617.
oxyd 617.
— valerolacton 974.
Chlorylimidokohlena&nreester 1061.
Cholesterophan 1075.
Cholin 634.
Chondroi'tinschwefelsfture 953.
Chondrosin 953.
Chrysean 1003.
Cimicinsäure 510.
eis- 86.
cis-trans- 86.
Citrabrombrenzweinsänre 788.
CitracoDBfiure 689, 692*.
— homologe 690 ff.
Citradibrombrenzweinsäare 788.
Citral 529.
Citramalsäare 798.
Citramid 824.
Citraweinsäure 814.
Citrazinsäure 824—825.
Citrodiaminsäure 824.
CitromonaminBftiire 824.
Citronell-aldehyd 529.
— alkohol 529.
Oitronellasäure 529.
Citronensäure 822—824.
Coccerin 362, 571.
— sfiure 766.
Coccerylalkohol 571.
Cocos-fett 589.
— nuseöl 594*.
Gognae 178.
Collodium 944.
CoTonnenapparat zur Rectificirung des
Spiritus 176.
Conylen 466.
Goriandrol 485.
Cremor tartari 804.
Croton-aldehyd 407, 525—526, 527, 528*.
— sfiure, gewöhnliche oder feste 496 ff., 503.
Halogenderivate der — 731—733.
— — dibromur 727.
dichlorür 726.
▼. HxTXB u. JA00B80K, org. Ghom. I.
Crotonsäuren 496 ff.
Crotonylen 465.
Crotylalkohol 527.
Cyamelid 1010.
Cyan 997. Halogenverbindungen des — s
1011.
— acet-aldehyd 950.
— — amid 654.
essigester 984, 990.
— aceton 967.
— äthyl, dimoleculares 971.
— amid 1020.
— bemsteinsäure 700.
— essigsaure 654.
— guanidin 1069.
— hamstoff 1056.
— hydrine 741.
— hydrinreaction 741.
Cyanide 1003.
Cyan-isonitrosobutterafiure 989.
— kalium 1006, 1038.
— kohlensaure 999.
— kupfer 1007.
— methyl, dimoleculares 967.
Cyanogen-Radical 997.
Cyan-quecksilber 1007.
— radical 997.
— säure 1009; Halogenide der — 1011;
Ester der — 1012.
— Silber 1007.
— sulfid 1016.
Cyanur-bromid 1031.
— Chlorid 1031.
— halogenide 1031.
— Jodid 1031.
— ring s. Tricyanring.
— säure 1030.
ester 1031.
— triäthyl 1029.
— Verbindungen s. Tricyanverbindungen.
Cyan-verbindungen 997 ff., Industrie der
— 1036.
— Wasserstoff 999 ff.
Cyclische Verbindungen 91.
CysteYn 833.
Cystin 833.
J- (Zeichen) 491.
Dampfdichtebestimmung 36 ff.; unterhalb
der Siedetemperatur 46.
Daturinsäure 358.
Decan 128*, 134.
Decyl-acetat 360*.
— alkohol, normaler 149*, 168.
Decylensäure 508.
Dehydracetsäure 966.
Dehydrotriacetonamin 416.
Dekadion 856*.
Deka-lacton 765.
— methylen-diamin 630.
dicarbonsäure 678.
70
1106
Register.
Dekamethylenimin 680.
Denaturimng des Alkohols 179.
Desmotropie 1025.
Deeoialsäure 825.
Destillation, einfache 101; im Vacuum
108; {ractionirte 104; mit Wasser-
dampf 106.
Dextrine 929, 941.
Dextrose 898.
Diacetamid 872.
Diaceton-alkohol 874.
— amin 416.
— cyanhydrin 741.
— phosphinsfture 418.
— phosphor-chlorobromid 418.
chlorür 418.
Diacetyl 851, 852*.
— Halogenderivate des — s 869.
— aceton 858.
— adipinsänreester 991.
— äthylmethan 856*.
— amylmethan 856*.
— bemsteinsfiure 988.
— butan 858.
— capronsäure 979.
— difitbylmethan 856*.
— dicarbonsäure 991.
— dicyanid 959.
— dimethylmethan 856*.
Diacetylen 467.
— dicarbonsäure 517, 698.
Diacetyl-essi^äure 978.
— formamidm 377.
— hamstoff 1055.
— methan s. Acetylaceton.
— methylmethan 856*.
— pentan 858.
— trimethylendiamin 629.
— valeriansäure 979.
— Weinsäure 806.
Diäthenyiazoxim 379.
Diäthoxalsäure 757.
Diäthyl 8. Butan.
— acetal 560*.
— acetamid 369*.
— acetessigsäure 969.
— acetessigsäureäthylester 970.
— äthenylSmidin 377.
— ätber 198*, 194 ff.
Halogenderivate des — s 613.
— allylamin 482*.
— amin 287*, 244.
— arsinsäure 270.
— bemsteinsäuren 671*.
— carbonat 1042.
— carbinol 150*, 166.
— cvanamid 1023.
Diäthylen-disulfid 574.
— tetrasulfid 575.
Diäthyl-formamid 369*.
— glutarsäure 676*.
— hamstoffe 1055.
Diäthyl-hydrazin 249.
— hydroxylamin 250.
Diäthylin 584.
Diäthyl-malei'nsäure s. Xeronsäure.
— malonsäure 656*.
— methylal 560*.
— nitrosamin 244.
— Oxalat 647*.
— oxamid 647*.
— oxaminsäureäthylester 647*.
— oxyessigsäure 757.
— pentadion 856*. ,
— phosphin 264*. !
— phosphorige Säure 209. |
-- selenit 202.
— silicium-diäthyläther 277.
oxyd 277.
— Sulfat 205.
— Sulfit 201.
— sulfondiäthylmethan 578.
— thiohamstoffe 1064.
Dialkyl-carbonate 1042.
— phosphinsäuren 265.
— phosphorsäuren 209.
— Pimelinsäuren 677.
Diallyl 465.
— acetessigester 979.
— aceton 531.
— äther 482*.
— amin 482*.
— dihydrat 571.
— essigsaure 518.
— malonsäure 697.
Dialursäure 1078.
Diamido-aceton 947.
— hydrin 636.
Diamylen 452.
Diastase 173.
Diaterebinsäure 800.
Diazo-acetamid 843.
— äthansulfosäure 249.
— äthoxan 205.
— benzolsulfosäure als Eleagens auf Aid
hyde 393.
— bemsteinsäureeeter 844.
— essigsäureäthylester 842.
— guanidin 1071.
— propionsäuremethylester 844.
— säuren 841 ff.
— succinaminsäureester 844.
— Verbindungen der Fettreihe 841, 10'
Dibrom-äthane 545, 550.
— äthylene 552, 553.
— behensäuren 515, 729.
— bemsteinsäuren 736.
— butan 552.
— buttersäuren 727.
— dinitromethan 624.
— essigsaure 716.
— fumarsäure 737.
— hydrine 619.
— hydrosorbinsäure 518,
Begisier,
1107
Dibrom-lävulinsäure 975.
— malei'nsllure 73''.
— malonsäure 784.
— nitroäthan 625.
— pentane 552.
— Propionsäuren 722.
-— Stearinsäuren 512, 513, 514.
— valeriansäuren 728.
Dibutyl-äther 193*.
— amin 237*.
Dibutvryl 849.
Dicarbintetracarbonsäureester 706.
Dicarbonsänren, gesättigte 637 ff.
— ungesättigte 679 ff., 692—693*.
DicarTOxyl-glutaeonsäureester 707.
— glutarsäureester 706.
Dicetyl-äther 193*.
— essigsaure 339.
— malonsäure 656*.
Dichlor-äthane 545, 550.
— äther 198.
— äthylalkohol 620.
— äthylen 553.
— aldehyd 862.
— behensäuren 729.
— bemsteinsäuren 7 35.
— brommethan 586*.
— buttersäuren 726, 727.
— butyraldehyd 528.
— dibrommethan 536*.
— dijodmethan 586*.
— dinitromethan 624.
— essigsaure 712, 715.
— glykolsäureäthylester 647*, 648.
— hydrine 618—619.
— isopropylalkohol s. Dichlorhydrine.
— jodmethan 536*.
— malei'nsäure 737.
— malonsäure 733.
— methyläther 404, 613.
— propane 545, 551.
— propionitril, polymeres 1029.
— Propionsäuren 722.
— propylalkofaol s. Dichlorhydrine.
Dicksaft (Zuckerindustrie) 938.
Dicyan 997.
-- diamid 1069.
— diamidin 1069.
-dien-Reihe 458, 463, 1094.
Diffuseure (Zuckerindustrie) 937.
Diformin 586.
Diformyl s. Glyoxal.
Diglykolsäure 747.
— anhydrid 748.
Dihexyläther 193*.
Dümid 1061.
-diin (Endung) 467, 1094.
Düsoamyl-acetal 560*.
— äther 193*.
— amin 237*.
— methylal 560*.
— phosphin 264*.
Diisobutyl-acetal 560*.
— äther 193*.
— amin 237*.
— methylal 560*.
— phosphin 264*.
Diisonitroso-aceton 860.
— buttersäure 977.
— yaleriansäure 978.
Diisopropyl-äther 193».
— äthylenglyltol 568.
— amin 237*, 239.
— bemsteiusäure 671*.
— methylal 560*. '
— phosphin 264*.
Dijod-äthylen 553.
— essigsaure 716.
— hydrine 619.
— propan 550.
— vinylamin 632.
Diketo-adipinsäure 991.
— bemsteiusäure 986.
— buttersäure 977.
— yaleriansäure 978.
Dilactylsäure 754.
Dilitursäure 1078.
Dimethoxydimalonsäure 793.
Dimethyl s. Aethan.
— acetal 560*, 561.
— acet-amid 369*.
— — essigsaure 969.
äthylester 970, 971.
— acetylcapronsäure 994.
— acetylen 468.
— adipinsäuren 675.
— äther 193*, 194.
Constitution des — s 65.
Halogenderiyate des — s 613.
— äthyl- bernsteinsäure 671*.
carbinol s. Amylalkohol, tertiärer.
— äthylen 431, 441*, 447, 448.
— äthylmethan 128*, 133.
— akrolein 527.
— allen 464.
— alloxan 1079.
— amidosulfurylchlorid 240.
— amin 237*, 242.
— angelicalacton 789.
— arsenyerbindungen s. Kakodylverbin-
dungen.
— aziäthan 853.
— bernsteinsäuren 671*.
— bishydrazomethylen 853.
— tert.-butyl- carbinol s. Penthamethyl-
äthol.
— carbaminsäurechlorid 1058.
— carbinol s. Isopropylalkohol.
— carbonat 1042.
— diacetylen 468.
— diacetyl-pentan 994.
— — pimeUnsäure 994.
— diäthylmercaptol 572.
— methan 463.
70*
1108
Register,
Dimethyl-essigsäure s. Isobuttersäure.
— glutarsäaren 674, 676*.
— hanifltoffe 1054-7-1055.
— hexadion 857.
— hydraasin 249.
— isopropylmethan 128*.
— jodamin 243.
— ketol 873.
— lÄvulinsäure 976.
— maleünsäure 8. Pyrocinchonsäore.
— malonsäure 656*.
— methan s. Propan.
— m^enylamidin 877.
— nitramin 243.
— nitrosamin 248.
— Oxalat 647*.
— oxalsfture 757.
— oxamid 647*, 648.
— oxaminsäure&thylester 647*.
— oxeton 875.
— oxjessigsäufe 757.
— parabansäure 1075.
— pentadion 856*.
— phosphin 264*.
ßäure 265.
— Pimelinsäure 994.
— propjl-bemsteiiisäure 671*.
methan 128*.
— Bulfat 205.
— solfit 201.
— thetindicarbiHiBäure 749.
— traubensäure 814.
— wismuthhydroxyd 274.
— xanthine 1087.
Dimyricylamin 237*.
Dinatriamglyceiat 584.
Dinitro-äthan 623.
— alkylsfiuren 239.
— butane 623.
— derivate der GrenzkohlenwasserstoffB
621—623.
— propane 623.
Dinitrosopentamethylentriamin 403.
Dioctyl-äther 193*.
— amin 237*.
— efisigs&ure 338.
— malonsäure 656*.
— methylal 560*.
Dioximido-bernsteinsäuren 987.
— Propionsäure 977.
Dioxobemsteinsäureester 987.
Dioxy-aceton 891.
— äthantricarbonsäure 825.
— behenolsäure 979.
— behensäuren 515, 787.
— bernsteinsäure 800.
— buttersäuren 786—787.
— capronsäure 527.
— dimethylglutarsäuren 815 — 816.
— dipropylmalonsäure 793.
— essigsaure 948.
— glutarsäuren 815.
Dioxy-malonsäure 793, 981.
— me£hylen 400.
— phosphinsäuren 394.
— Propionsäure 774.
— Stearinsäuren 512, 513, 514, 787.
— uracil 1080.
— Weinsäure 986.
Dipropargyl 467.
Dipropionamid 373.
Dipropyl-acetal 560*.
— äther 193*.
— amin 237*.
— carbodiimid 1023.
— glutaisäure 676*.
— malonsäure 656*.
— methylal 560*.
Disaccharide 918—921.
Disakryl 524.
Dissociationsconstante 640.
DistearylylcerinphoBphorflfture 590.
Disulfide der Alkylradicale 211, 219.
— der Säureradieale 344.
Disulfidsäuren 745.
Disulfone 572.
Dithio-carbaminsäuren 1065, 1066.
— cy ansäure 1015.
— fflykolsäure 749.
— kohlensauren 1048, 1049.
Dithiolkohlensäure 1048, 1049.
— diäthylester 1049.
Dithio-tnmethylenmercaptan 421.
— urethan 1066.
Diurel'de 1073, 1084ff.
Diuretin 1087.
Divaleryl 849.
Divinyl 464.
— äther 477.
DoGosan 128*, 134.
Dodecan 128*, 134.
Dodecyl-acetat 360*.
— alkohol, normaler 149*. 168.
Dodecylen 441*, 452.
— bromid 546*.
Dodecyliden 461*.
Dodecylpalmitat 360*.
Dodekamethylendicarbonsäure 689, 679.
Doppel-bindung 429, 432 ff., 686.
— Cyanide 1004.
Dotriacontan 128*, 134.
Drehung, specifische 881.
Dreifache Bindung 481, 432 ff.
Dulcit 610, 912.
Dumas' Methode zur Stickstoffbestim-
mung 19 ff.; zur Dampfdichtebestim-
mung 37.
Dünnsaft (Zuckerindustrie) 938.
Duodecylamin 237*.
Duplo-dithioaceton 426.
— thioaceton 426.
Dynamite 600.
Register,
1109
£ballio6kop 158.
Eicosan 128*, 134.
Eisen-cyaüverbindungen 1004^ 1007, 1037.
— oxalatentwickeler 646.
Eisessig 319; xnolecalare GrefrierpunktS'
depression für — 50.
ElaYdin-reaction 589.
— säure 518.
Elainsfiure 511.
Elayl 446.
Elementaranalyse, aualitative 7£P.
— quantitative 10 ff.
Elutionsverfahren zur Melasseentzucke-
rung 939.
•en (Endung) 97, 436, 458, 1094.
-enin (Endung) 467, 1094.
Enneadion 858.
•enyl (Endung) 345, 534.
Enzyme 172.
Epi-bromhydrin 617.
— chlorhydrin 617.
— hydrin-alkohol 590.
— — säure 775.
— jodhydrin 617.
Eranin s. Abietin.
Erd-öl 135 ff.; amerikanisches 136; kauka-
sisches 137; galizisches 137; deutsches
137; von Java 138.
— wachs s. Ozokerit.
Ei'ucasäure514; Halogenderivate der — 729.
Erythran 604.
Erythren 465.
Erythrin 603.
Erythrit 608; Halogenderivate des — s 619.
— dioxyd 604.
— säure 775.
Erythro-dextrin 929. *
— glucin 603.
— — säure 775.
Erythrose 891.
Esotrialkylmelamine 1034.
Essig 340 ff.
— aale 342.
— äther 360.
— gährung 340.
— pik 340.
— säure 311, 312% 819ff., 339ff.
— — Constitution der — 67—69.
Halogenderivate der — 714—716.
anhydrid 351, 352*.
chlormethylester 614.
ester 359*, 360*, 361.
Ester 199, 344, 354 ff., 359*, 360*.
Esterificirung 354 ff.
— smethode von Anschütz u. Piciet 743.
Ester-Säuren 199, 641.
— zahl 593.
£ucalyn 921.
Evonymit 610.
Ezotrialkybnelamine 1034.
Eztraction 110.
Fehler, übliche, bei den organischen Ana-
lysen 28.
FEHUNG^sche Lösung 805.
Permente 171.
Ferri-cyankalium s. BluÜaugensalz.
— Cyanwasserstoff 1007.
— ferrocyanid 1007.
Ferro-cyanäthyl 1007.
— cyankalium s. Blutlaugensalz.
— Cyanwasserstoff 1007.
— ferricyanid 1007.
Pettanalyse 593—595.
Fette, natürliche 588; Technologie der Fette
und Oele 592 ff.; Tabelle 594*.
Fett-reihe 90.
— säuren 301 ff.
— — Constitution der — 67 — 69.
Filtration 108.
Flachs 942.
Flaveanwasserstoff 649.
Fleisch-extract 1077, 1090.
— milchsänre 752.
Fluoralkyle 189.
Fluoroform 541.
Form-aldehyd 397 ff.
— amid 868, 369*.
Formel, Berechnung der — aus den Ana-
lysenzahlen 27.
Formiate 817—318.
Formimido-acetat 375.
— äther 375.
Formine 586.
Formose 401, 902.
Formozim 403.
Formyl- (Radical) 304.
— essigsaure 949.
Forsunken 137.
Frucht-äther 361.
— zncker 900.
Fructoheptonsäure 785.
Fructosecarbonsäure 785.
Fructosen 897*, 900—903, 911.
Fuchsinschweflige Säure als Reagens auf
Aldehyde 393.
Fucose 895.
Füllmasse (Zuckerindustrie) 938.
Fulminate 1028.
Fulminursäure 1028.
fumaroid 688 Anm.
Fumarsäure 680 ff., 692*.
— Halogenderivate der — 735—737.
Furazanpropionsäure 978.
Fuselöl 164, 173.
— Prüfung auf — , Bestimmung des — 8 177.
O'ährung der Zuckerarten 886; geistige 172.
(rährungen 171.
Gährungs-amylalkohol 164; s. a. Fuselöl.
— milchsäure 750 ff.
Galactane 931.
1110
Begister.
Galactonsäuren 783.
Galactosecarbonsfture 785.
Galactosen, 897*, 908—904, 912.
Galaheptonsäure 785.
Gasolin 136.
GasreinigungsmaBse 1037.
Gay-Lü88Acs Methode zur Dampfdichte-
bestimmung 88.
Geddagummi 980.
Geddinsäure 930.
Gefrierpunktsemiedrigung als Grundlage
der Moleculargewichtsbestimmung 34
— 86; Bestimmung der — 47—50.
Geissleb'b Kaliapparat 14.
Gelatinedynamit 601.
Grenfer Nomendaturcongress 1091 ff.
Gentianose 922.
Geranial 529.
Geraniol 485.
Germaniumäthyl 277—278.
Gerstengummi 931.
Gesätti^ Verbindungen 96.
Geschwindigkeit der Esterbildung 855.
Gingkosäure 838.
Gluco-heptit 612.
— heptonsfiuren 785.
— heptosen 914.
— nonit 612.
— nononsäuren 786.
— nonose 914. ,
Gluconsäuren 778—780.
Gluco-octit 612.
— octonsäuren 786.
— octose 914.
Glucosamin 947.
Glucosecarbonsfturen 785.
Glucosen 897*, 898—899, 903, 910.
Giucoside 881.
Glucuronsäure 951.
Glutaconsäure 695.
— homologe 696.
Glutamin 840.
— säure 840.
Glutarsäure 640, 672 ff.
— anhydrid 673.
— diäUiylester 673.
— homologe 678, 676*.
— imid 673.
— nitril 673.
Glutinsäure 697.
Glycerin 579 ff.; Aether des — s 584; Al-
koholate des — s 583; Ester des — s
584 ff.; Haloeenhydrine des — s 616 —
617; Technologie des — s 598 ff.
— aldehyd 891.
— bromal 867.
— phosphorsäure 586.
— säure 774.
— trinitrat 585.
Glycerose 582, 891.
Glyceryltri-bromid 555.
— Chlorid 555.
Glyceiyltrijodid 555.
Glycid 590.
— acetat 591.
— säure 775.
— Verbindungen 590—591.
Glycin s. Glykokoll.
Glyko-cyamidin 1076.
— cyamin 1076.
Glykogen 928.
Glykokoll 830 ff.
— anhydrid 831.
— ester 882.
Glykol 566.
— aldehyd 870.
— bromhydrin 616.
— chlorhydrin 616.
— chlorhydrine 448.
— diacetat 567.
— diäthyläther 567.
— dinitrat 567.
Glykole 558, 561 ff.; a — 561 ff.; ß —
569; y- u. ö 569.
Glykolid 747.
Glykol-jodhydrin 616.
— mono-acetat 567.
äthyläther 566.
— säure 746 ff.
aldehyd 870.
ester 748.
— — homologe 755 ff.
Glykolursäure 1Q75.
Glykolylhamstoff 1075.
Glykosin 846. -
Glykuronsäure 951.
Glvoxal 845.
Glyozalcarbonsäure 977.
Glyozalin 846.
Glyoidm 846.
Glyoxime 850.
Glyoxyl-essigsäure 948.
— Propionsäure 978.
Gossypose 921.
Graminin 928.
Granulöse 925.
Grenzkohlenwasserstoffe 95, 121 ff., 128*;
Nomenclatur der — 1092.
Grubengas s. Methan.
Grünspan 822.
Guajol 528.
Guanidide, cyclische 1074.
Guanidin 1067.
Guanin 1089.
Guano 1084, 1090.
Guanyl-cyanamid 1069.
— guanidin 1068.
— hamstoff 1069.
Guaranapaste 1088.
Gulonsäuren 780—782.
Gulosen 897*, 900, 910.
Gummiarten 980.
GuYE*s Speculationen über Circularpolari-
sation 838.
Begister,
1111
Halborthooxalester 648.
Halbrotation 882.
Halogenalkyle 180 ff.
Halogene, Früfung auf — 9.
— Bestimmung der — 28 ff.
Halogenhydrine 568, 614.
Halogenide der S&ureradicale 844, 346 ff.
Hammeltalg 594*.
Hanf 942.
Hanf51 594*.
Harnsäure 1088.
— gruppe 1082 ff.
Harnstoff 1051, 1061.
— bestimmung 1054.
— Chlorid 1058.
— nitrat 1054.
— Oxalat 1054.
Hefe 172, 174.
HsHi^B'sche Zahl 598, 594*.
Heizflüssigkeiten für Dampfdichtebestim-
mangen 45.
Hell - Yolhabd - ZEUNSKY'sche Bromirungs-
methode 709.
Hemicellulosen 984.
Heneicosan 128*, 184.
Hentriacontan 128*, 134.
Hepta-cosan 128*, 134.
— decan 128*, 134.
— decylamin 237*, 244.
— decylcyanid 296*.
Heptan 128*, 134.
Heptaoxypelargonsäuren ^784.
Heptatrion 858.
Heptolactone 764.
Heptonsäuren 784—786.
Heptosen 913.
Heptoylsfiure s. Oenanthylsäure.
Heptyl-acetat 360*.
— alkohole 167; normaler 149*, 167;
tertiärer 167.
— amin 237*.
— bromid 184*.
— Chlorid 184*.
— Cyanid 296*.
Heptylen 441*, 452.
— säure 507.
Heptyl-jodid 184*.
— mercaptan 221*.
— nitrit 208*.
— sulfid 221*.
— sulfon 221*.
— sulfoxyd 221*.
Het€rocyclische Verbindungen 91.
Hexa-äthyl-disilicat 210.
— — silicium 276.
— bromstearinsäuren 521, 730.
— contan 134.
— decan 128*, 134.
— decyl-alkohol s. Cetylalkohol.
amin 287*.
— decylen 441*, 452.
Hexa-decylenbromid 546*.
— decyliden 461*.
— dekamethylendicarbonsäure 689, 679.
— diin 467.
— dione 852*, 855, 856*
— krolsäure 524.
— methylenamin 402.
Hexan 128*, 134.
Hexaoxy-caprylsäuren 784.
— methylenhyperoxyd 197.
— önanthsäuren 784—785.
— Stearinsäuren 521, 787.
Hexa-saccharide 922.
— tetron 859.
Hexenyl-amidin 377.
— amidoxinr 379.
Hexite 908.
Hexobiosen 915, 918—921.
Hexonsäuren 778—784, 908.
Hexosen 895 ff., 907 ff.
Hexotriosen 915, 921—922.
Hexovl- (Radical) 304.
Hexyl-acetat 860*.
— alkohole 166; normaler 149*, 166;
secundärer 167.
— amin 287*.
— bromide 184*.
— Chloride 184*.
— Cyanid 296*.
Hexylen 4411^ 452.
— glykole 570, 571.
— oxyde 465, 571.
— säure 507.
Hexyl-erythrite 605.
— Jodide 184*, 189, 608.
— mälonsäure 656*.
— mercaptan 221*.
— senföle 1021*.
Hofmakn's Methode zur Dampfdichte-
bestimmung 88.
Holz-essig 169, 343.
— geist s. Methylalkohol.
— gummi 931.
— schliff 943.
— Substanz 934.
— zucker 893.
Homocholin 635.
Homologie 93.
Homopiperidinsäure 836.
Honig 901.
HüBLsche Zahl s. Jodzahl.
Hyänasäure 312*, 338.
Hydantoin 1075.
— säui-e 1075.
Hydracetamid 408.
Hydracetylaceton 874.
Hydrakrylsäure 758.
Hydrazine 228, 247 ff.
Hydrazin-essigsäure 845.
— hamstoffe 1054.
— säuren 844.
— sulfosäuren 249.
1112
Begister.
Hydrazi-propionBfturemethylester 845.
- sfiuren 844.
Hydrazo-dicarbon>amid 1057.
amidin 1071.
— formamid 1057.
Hydrazone 389, 392.
Hydro-chelidoDSäare 992.
— muconsäuren 696.
— sorbinsäure 508.
Hydrozamsfiuren 379.
Hydrozycaffeln 1089.
Hydrozyl-amin, Alkylderivate des
228, 249 ff.
— gmppe, NachweiB der — 64.
— hamstoff 1056.
Hydravinsänre 958.
HypogSsäore 511.
Hypoxauthin 1090.
Imid-basen 228.
— Chloride 345, 373.
Imide 641—642.
Imidine 641—642.
Imido-äther 345, 374.
— carbamin- säure 1061.
thiolsäure 1062, 1064— 1065.»
— carbon-di thiolsäure 1065.
thiolsäure 1065, 1066.
— dicarbonsäure 1060.
— kohlensäureäthylester 1061.
— nitrile 971.
Imidsäuren 378—374.
Imine 628.
-in (Endung) 97, 458, 534, 1094.
-in-Reihe 458, 461*.
-in-en-Reihe 467.
Inulin 927.
Inversion 916.
Invertin 178.
Invertzucker 901, 916, 918.
Irisin 928.
Isaconitsäure 704.
Isäthionsäure 577.
Iso-äpfelsäure 791.
— aUylentetracarbonsäureester 705.
— amyl-acetat 360*.
amin 237*.
bromid 184*.
— — carbylamin 252.
Chlorid 184'.
disulfid 221*.
Jodid 184*.
— — malonsäure 656*.
— — mercaptan*221*.
nitrat 208*.
nitrit 208*.
— — phosphin 264*.
Sulfid 221*.
sulfon 221*.
sulfoxyd 221*.
— barbitursäare 1080.
— s
Iso-bemsteinsäure 655.
— butan 128*, 133.
tetracarbonsäureeetör 707.
tricarbonsäure 702.
— buttersäure 311, 312* 327.
Constitution der — 71.
— — Halogenderivate der — 717*.
äthylester 359*.
anhydrid 352*.
— butyl-acetat 360*.
alkohol 150* 162.
amin 237*.
— — bernsteinsäure 671*.
bromid 184*.
carbinol 150*, 164.
carbylamin 252.
Chlorid 184*.
Cyanid 296*.
disulfid 221*.
Isobutylen 441*, 448.
Isobutyl-fluorid 189.
— fumarsäure 693*.
— itaconsäure 693*.
— Jodid 184*.
— malonsäure 656*.
— mercaptan 221*.
— nitrat 208*.
— nitrit 208*.
— ozyessip;säure 757.
— phosphin 264*.
— senföl 1021*.
— sulfid 221*.
— sulfon 221*.
— sulfoxyd 221*.
— tartronsäure 791.
Isobutyr aldehyd 398*, 628.
I — aldoxim 398*.
I — amid 369*.
Iso-butyron 412*.
— butyronitril 296*.
— butyronoxim 412*.
— butyiylchlorid 352*.
— caprolacton 763.
— citronensäure 825.
— crotonsäure 496 ff., 504.
Halogenderivate der — 731—733.
dibromür 727.
dichlorür 727.
Isoctylensäure 508.
Iso-cyanide s. Carbylamine.
— cyansäure 1009; Ester der — 1012.
— cyanursäure 1030.
ester 1032.
— cyclische Verbindungen 91.
— dehydracetsäure 966.
— dialursäure 1080.
— dibutylen 449.
— dioxybuttersäure 787.
— dulcit 894.
carbonsäure 784.
— glucosamin 948.
— heptylensäure 507.
Register,
1113
Iso-linolensänre 521.
— liniusiBSäure 787.
— maltoee 920.
— maltocM>n 920.
— mannid 609.
— melamin 1033.
Isomerie 4, 1026.
— djnamische 670.
Iso-muscarin 636.
— nitrile s. Carbylamine.
— nitrilreaction 238.
— nitro-butan 260.
pentan 260.
propan 260.
— nitnNSO-acetessigester 977.
aceton 859.
barbitursäare 1078.
cyanessigsäure 983.
— — diacetonnitrat 410.
fettsäoren 956.
glutarsäure 989.
ketone 848, 850.
lävulinsänre 978.
malonsäure 983.
nitrate 444.
propioDBäuren 950, 959.
valeriansäure 975.
— SUänre 513.
— phoron 530.
Isopren 466.
Iso-propenylalkohol 483.
— propyl-acctat 360*.
— — acetylen 461*.
— carbonsäure 518.
äthylen 441*, 450.
alkohol 150*, 161.
— Constitution des —8 70.
amin 237*.
bemsteinsfture 671*.
bromid 184*, 188.
carbinol s. Isobutylalkohol.
— — carbonsäure s. Isobuttersäure.
— — carbjlamin 252.
Chlorid 184*.
Cyanid 296*.
disulfid 221*.
essigsaure s. Isovaleriansäure.
fluorid 189.
fumarsäure 692*.
Jodid 184*, 188.
Constitution des — s 71.
— — malonsäure 656*.
— — mercaptan 221*.
nitrat 208*.
nitrit 208*.
oxyessigsäure 757.
— — phospbin 264*.
senföl 1021*.
Sulfid 221*.
sulfon 221*.
— Saccharin 777.
säure 777.
Iso-stearinsäure 338.
— tributylen 449.
— valeraldehyd 398*, 528.
— valeraldozim 398*.
— valeramid 369*.
— valeriansäure 812*, 330.
Bromderivat der — 717*.
äthylester 359*.
anhydrid 352*.
Chlorid 352*.
isoamylester 861.
nitril 296*.
— valeroi'n 873.
— valeron 412*.
— zuckersäure 912.
Isuretin 379.
Itabrombrenzweinsäure 738.
Itaconsäure 689, 692*.
— homologe 690 ff.
Itadibrombrenzweinsäure 738.
Itamalsäure 799.
Japanisches Pflanzenwachs 337.
Jod-acetol 545.
— acetylen 474.
Jodal 867.
Jod-allylen 474.
— cyan 1011.
Jodide der Fettsäuren 850.
Jod-isopropyl s. Isopropvljodid.
— methyl s. Methy^odid.
— nitromethan 625.
Jodoform 536*, 540.
— reaction 159.
Jod-propionsäureäthylester 720.
— propylen 472*.
— stärke 926.
— Stearinsäure 514.
— succinimid 662.
— zahl 594*, 595.
E 640.
k 640.
Kakodyl, freies 269.
— Chlorid 268.
— Cyanid 268.
— disulfid 268.
— oxyd 267.
— säure 268.
— sulfid 268.
— trichlorid 268.
— Verbindungen 267 ff.
Kalium-calciumferrocyanid 1037.
— cyanat 1010.
— ferricyanid 1007.
— ferrocyanid 1007.
— kupfercyauür 1007.
Kanarin 1015.
Kartoffel-spiritus 173.
— stärke 925.
1114
Begister,
Kernseifen 597.
Kerosin 136.
Ketale 882.
Ketine 850.
Ketipinsäure 991.
Keto- (Vorsilbe) 382.
— aldehyde 859.
— glutarsäuren 989.
Ketole 872.
Ketomalonsäureester 982.
Ketonalkohole 872.
Ketone SSOflEl, 409ff., 412% 413*.
— Constitution der — 73.
— Halogenderivate der — 867.
— mehrwerthige 8460?.
Keton-säuren 953 ff.; einbasische 955 ff.;
zweibasische 981 ff.; mehrbasische 995.
— Spaltung des Acetessigesters 962, 968.
Ketosen 602, 881.
Ketoxime 889, 41^*, 413*.
Ketoximsäuren 956.
Kieselessigsäureanhydrid 351.
— guhrdynamit 600.
KiLum^s Constitutionsbeweis der Zucker-
arten 785.
Kirsch-gummi 931.
— wasser 178.
Klee-salz 646.
— säure s. Oxalsäure.
Knall-erbsen 1028.
— natrium 1028.
— quecksilber 1026.
— säure 1025.
— Silber 1028.
Knochenöl 594*.
K(yTT8T0RFEB'sche Zahl 593.
Kohlen-hydrate 876ff.; spaltbare 915ff.
— oxy-bromid 1041.
Chlorid 1039.
— oxyd, Oxim des — s 1027.
— oxy-jodid 1041.
Sulfid 1046, 1049.
— säure, Ami^fi.der — 1050; Amidine der
— 1066; Ester der — 1042; Haloge-
nide der — 1039; Imidoäther der —
1061; Thioamide der — 1061.
derivate 1039 ff.; schwefelhaltige
1044.
— Stoff, Bestimmung von — 10 ff.; Prüfung
auf — 7; Valenz des — s 58—60.
atom, Natur des — s 60.
bindung, einfache 83 — 85 ; doppelte
85, 429, 432 ff., 686; dreifache 85,
431, 432ff.
— — trithiohexabromid 1046.
— — Valenzen, räumliche Orientirung der
— 79—80.
— wasser-stoffbromaluminium 445.
Stoffe 121 ff., 436 ff.; Nomenclatur
der — 1092.
Kolanüsse 1088.
Koffer's Verfahren zur Verbrennung 18.
Korksäure 677.
Kombranntwein 177.
Kreatin 1077.
Ejreatinin 1077.
Kiystallisation 111.
Kühler, LiEBio'scher 99; SoxHLEr'scher 111.
Kunstbutter 594*.
Kupfer-acetessigester 963.
— Spirale, Vorbereitung der — für Vct-
brennungen 17.
Kyanalkine 299.
Lactame 830.
Lactarinsäure 334.
Lactate 752.
Lactid 754.
Lacto-bionsäure 919.
— isodtronensäure 825.
Lactone 743, 744, 760—766.
Lactonsäuren 744, 792.
Lactose 919.
Lactosin 922.
Lactoson 919.
Lävulose 900.
Lävulinsänre 972; Homologe der — 975.
— äthylester 975.
— Chlorid 974.
— oxim 975.
— salze 975.
Lampensäure 197.
Lassaigne's Sticksto£^robe 8.
Laurin s. Trilaurin.
— aldehyd 898*.
— amid 369*.
— säure 312*, 335, 836; Bromderivat
der — 717*.
äthylester 359*.
Chlorid 352*.
Lauron 412*.
Lauronitril 296*.
Lauronoxim 412*.
Leberthran 594*.
Lecithine 589.
Leim-seifen 598.
— süss s. GlykokoU.
— zucker s. GlykokoU.
Leinöl 589, 594*.
Leken 139.
Leucin 834.
— säure 758.
Leukazon 258.
Lichenin 927.
Lisbbk's Jodoformreaction 159.
LiEBio's Kugelapparat. 12.
Lignin 934.
Lignocerinsäure 312*, 338.
— äthylester 359*.
— Chlorid 352*.
Ligroin 136. ^
Linalool 485.
Links-milchsäure- 752.
Begister.
1115
Linksweinsäure 801, 806—807.
Linolensäure 521.
— hexabromid 780.
Linolsäure 520.
— tetrabromid 780.
LinusinsSure 787.
Lippicann u. Fleischeb's Verfahren zur
Verbrennung 18.
Liquor aluminii acetici 323.
Lorbeerfett 589.
Ljcopodiumölsäure 511. '
Lysatin 1078.
Lysatinin 1078.
«
Magnesium, Alkyl Verbindungen des — s 283.
Maische 174.
Maischraumsteuer 171.
Malate 796.
maleiiioi'd 688 Anm.
Maleinsäure 680 ff., 692*.
— Halogenderivate der — 735—737.
Malonamid 654.
Malonitril 654.
Malonsäure 640, 649 ff.
— Halogenderivate der — 733.
— Homologe der — 654ff., 656*.
— ester 651, 653.
Malonyl-chlorid 653.
— harnitoff 1078.
Malto-bionsäure 920.
— dextrin 929.
Maltose 919, 941.
Mandelöl 589, 594*.
Mannid 609.
Mannit (c^-Mannit, gewöhnlicher Mannit)
607, 619.
i-Mannit 609.
/-Mannit 609.
Mannitan 608.
Mannite 607 ff., 911.
Mannit-hexa-acetat 608.
nitrat 608.
Mannitose 607.
Manno-heptit 611.
— heptonsäuren 785.
— heptose 914.
— nononsäure 786.
— nonose 914.
Maunonsäuren 778 — 780.
Manno-octit 612.
— octonsäure 786.
— octose 914.
Mannosecarbonsäure 785.
Mannosen 896—898, 897*, 903, 911.
Mannozuckersäuren 819, 911.
Margarinsäure 312*, 338.
— nitril 296*.
Mehrdrehung 882.
Mehrfache Bindung 432 ff.
Melam 1035.
Melamin 1032.
Melampyrin 610.
Melanurensäure 1035.
Melasse 939.
Melassenspiritus 178.
Melebiose 921.
Melebiotit 922.
Meiern 1035.
Melen 452.
Meletriose 921.
Melezitose 922.
Melissinsäure 812*, 389.
— äthylester 859*.
Melitose 921.
Mellon 1035.
— kalium 1036.
— wasserstofisäure 1035.
Menthen 466.
Mercaptale 888, 572.
Mercaptane 211, 213ff.
— zweiwerthige 571.
— Nomenclatur der — 1095.
Mercaptansäuren 745.
Mercaptide 214.
Mercaptole 388, 572.
Merotropie 1025 Anm. 2.
Mesaconsäure 689, 692*.
— homologe 690 ff.
Mesadibrombrenzweinsäure 738.
Mesitonsäure 976.
Mesityloxyd 411, 529, 530.
Meso- (Vorsilbe) 666.
— Weinsäure s. An ti Weinsäure. •
Mesoxalsäure 793, 981.
Mesoxalylhamstoff 1078.
Metacetonsäure s. Propionsäure.
Meta-formaldehyd 400.
— krolei'n 524.
Metaldehyd 406.
Metallorganische Verbindungen 281 ff.
Meta-merie 190.
— pectinsäure 930.
— Saccharin 777.
säure 777.
— Weinsäure 803.
— zuckersäure 819.
Methakrylsäure 496, 504.
— Halogenderivate der — 739.
Methan 121, 128*, 130.
— dicarbonsäure s. Malonsäure.
— disulfosäure 576.
— reihe 121 ff.
— tricarbonsäure 698.
Methazonsäure 260.
Methenyl- (Radical) 345, 534.
— amidin 377.
— amidoxim 379.
— halogenide 537 ff.
— tricarbonsäure 698.
Methionsäure 576.
Metho- (Vorsilbe) 1093.
Methoxylamin 250.
Methyl- (Radical) 121.
1116
Begister.
Methyl-acetamid 369*.
— acetat 360*.
— aceteBsigsfiureäthylester 970.
— acetylen 480.
— acetylhamstoff 1055.
— ftpfelsäuren 798.
— äthyl s. Propan.
äther 193*.
— Consütutioii des — s 66.
äthylen 441*, 449, 450.
akrolein 481, 526, 527, 528*.
akrylsäure 527.
— — bemsteinsäuren 671*.
carbinol s. Butylalkohol, secundSrer.
— äthylen 447.
— äthyl-essigsäure 312*, 831, 506.
Halogenderivate der — 717*, 728.
glatarsäore 676*.
ketol 873.
keton 413*, 531.
ketoxim 413*.
.malei'nsfture 692*, 694.
malonsäure 656*.
ozyessigsäure 757.
— akrylsfturen 496.
Methylal 560*, 561.
Methyl-alkohol 142, 143, 149*, 154, 169.
— allen 464.
— allylbemsteinBäuren 693*, 694.
— amin 237*, 241.
— amylketon 413*.
— arsen-dichlorid 270.
oinrd 270.
sulfid 270.
tetra-chlorid 270.
Jodid 270.
— arsinsäure 270.
— azomethylen-carbonsftureester 844.
dicarbonsäureester 844.
— bernsteinsäure 665, 671*.
— brenztraubensäure 960.
— bromid 184*.
— bntyl-carbinol s. Hexylalkohol, secim-
därer.
keton 413*.
ketoxim 413*.
— carbaminsftiirechlorid 1058.
— carbinol s. Aethylalkohol.
— carbonimid 1013.
— carbylamin 252.
— Chlorid 184*, 187.
— Chloroform 554.
— Cyanid 296*.
— decylketon 413*.
— diacetamid 373.
— diätiiylmethan 128*.
— dichloramin 242.
— dijodamin 242.
— disulfid 221*.
— dodecylketon 413*.
Methylen-bromid 535, 536*.
— bromojodid 536*.
Methylen-chlorid 535, 536*.
— chlorobromid 536*.
— chlorojodid 586*.
— Cyanid 654.
— diacetat 560*.
— dimethylsalfon 421.
— disnlfosftnre 576.
— essigsaure 495.
— halogenide 535 ff.
Methylenitan 402.
Methylen-jodid 536*, 537.
— malonsäure 679.
— mercaptan 421, 571.
Methyl-essigsäure s. Propionsäure.
— fluorid 189.
— formamid 369*.
— formylessigester 951.
— glutarsäuren 676*.
— glycerinsäuren 786—787.
-- glyozal 859.
carbonsäure 977.
— glyoxim 859.
carbonsäure 977.
— glyozylsäure s. Brenztraubensäure.
— guanidin 1068.
— hamstoff 1054.
— heptadecylketon 413*.
— heptadion 852*.
— hexadecylketon 413*.
— hexadione 852* 856*.
— hexyl-carbinol s. Octylalkohol, secun-
därer.
keton 413*.
ketoxim 413*.
— hydantoin 1076.
säure 1076.
— hydrazin 249.
carbonsäure 845.
— hydroxylamin 250.
— hypochlorit 201.
— iso-amylketon 418*.
butylketon 413*.
— — — sulfonsäure 530.
— — cyanat 1018.
propyl-carbinol 150*, 166.
■- keton 413*.
ketoxim 413*.
malonsäure 656*.
— isoxalon 964.
— itaconsäure 692*.
— Jodid 184*, 187.
— Jodoform 554.
— ketol 872.
— lävulinsäuren 975.
— malonsänren 656*.
— mercaptan 215, 221*.
— methylenessigsäure 496.
— ni tramin 242.
— nitrat 207.
— nitrit 208*.
— nitrolsäure 260.
— nonyl-carbinol 168.
Begister.
1117
Methyl-nonyl-keton 413*, 419.
ketoxim 413*.
— octylketon 413*.
— paraconsfiure 490.
— pentadecylketon 413*.
— pentadion 852*, 856*.
— pentons&uren 776.
— phosphin 264*.
säure 265.
— propiolsäure 517.
— propyl-carbinol 150*, 166.
— — glutarsänren 676*.
keton 413*.
— — malonsftnre 656*.
— rhodanid 1017.
— schwefelsaure 204.
— selenid 226.
— senföl 1021.*
— Buccinimid 662, 975.
— sulfid 221*.
— Bulfon 221*.
säure 223.
— tartronsäure 791.
— tetra-decylketon 413*.
Bulfid 220.
— theobromin 1088.
— thialdin 425.
— tricarballylsäuren 702.
— tridecylketon 413*.
— trisulfid 220.
— undecylketon 413*.
— uracil 1080.
— Weinsäure 814.
— wismuthoxyd 274.
Meter's Mel^ode zur Dampfdichtebeötim>
muBff durch Metallvenlrängung 40,
durch Luftverdrängung 48.
Milchsäure-anhydrid 753.
— ester 754.
— gährung 750.
Milch-Säuren 750ff., 758.
— zucker 919.
Molecularge wichtsbestimmung, Theorie der
— 29ff.; Praxis der — 36ff.
Mono-äthylthiohamstoff 1064.
— äthylin 584.
— alkyl-carbonate 1043.
phosphinsäuren 265.
phosphorsäuren 209.
— brom-acet-aldehyd 867.
— essigester 968.
akrylsäuren 731.
— — bemsteinsäure 734.
butterßäure 717*, 720.
-— — caprinsäure 717*.
capronsäure 717*.
— - caprylsäure 717*.
cerotinsäure 717*.
crotonsäuren 731—733.
essigsaure 712, 716.
— — fumarsäure 737.
hydrin 616.
Mono-brom-iso-buttersäure 717*.
crotonsäure 731—733.
valeriansäure 717*.
laurinsäure 717*.
maleYnsäure 737.
— — malonsäure 734.
methyläthylessigsäure 717*.
myristinsäure 717*.
önanthsäure 717*.
palmitinBäure 717*.
Propionsäure 717*, 720.
Stearinsäure 717*.
^^ valeriansäure 717*, 720.
Monochlor-akrylsäuren 731.
— acetal 862.
— acetessigester 967.
— äther 198.
— aldehyd 862.
— behensäure 721.
— bemsteinsäure 734.
— buttersäure 720.
— crotonsäuren 731—733.
— essigsaure 712, 714.
— fomarsäure 786.
— hydrine 616, 617.
— isocrotonsäuren 731—733.
— malei'nsäure 736.
— malonsäure 733.
— methyläther 613.
— milchsäure 755.
— Propionsäure 720.
Monoformin 586.
Monojod-acetaldehyd 867.
— akiT^lsäure 731.
— buttersäuren 720.
— essigsaure 712, 716.
— Propionsäure 719.
Mono-natriumglycerat 588.
— saccharide 877, 880 ff.
— thio-äthylenglykol 576.
— — carbaminsäuren 1065.
kohlensauren 1048.
Muco-bromsäure 951.
— Chlorsäure 951.
Muconsäure 696.
Murexid 1082.
Muscarin 946.
Muskatbutter 589, 594*.
Mycose 920.
Myricin 362.
Myricyl-alkohol 168.
— Cyanid 296*.
— mercaptan 221*.
MyrisHn-aldehyd 398*.
— aldoxim 398*.
— amid 369*.
— säure 312*, 335, 336.
— — Bromderivat der — 717*.
äthylester 359*.
chlürid 852*.
Myriston 412*.
1118
Register.
MjriBtonitril 296*.
Myristonoxim 412*.
Naphtene 137.
Natracetessigeater 963.
Natrium-äthylat 160.
— bisalfitverbindangen der Aldehyde and
Ketone 387.
— malonsfiareester 652, 653.
Neurin 478, 634.
Nitrilbasen 228.
Nitrile der Fettsäuren 292 ff.
Nitro-acetonitril 1027.
— äthan 260.
— Äthylalkohol 625.
— amine 239.
— barbitursäure 1078.
— butane 260.
— cellulose 933, 944.
— dimethylamin 1055.
— essigsaure 826.
— form 623.
— glycerin 585, 600.
— ffaanidin 1070.
— namstoffe 1054.
— hydantoin 1075.
Nitrolsfturen 257.
Nitro-mannit 608.
— methan 260.
— octan 260.
— Paraffine 253 ff.
— propan 260.
— Propionsäure 826.
— prussidnatrium 1007.
Nitroso-amine 232, 238—239.
— diäthylin 244.
— hamstoffe 1054.
— paraldimin 408.
— triaoetonamin 417.
Nitro-Btftrke 926.
— uracii 1080.
carbonsfiure 1080.
— Verbindungen 229, 253 ff.
— Weinsäure 806.
Nomenclatur, neuere Vorschläge zur Be-
form der - 1091 ff.
— congress, Genfer 1091 ff.
Nonadecan 128*, 134.
Nonan 128*, 134.
Nondecylsäure 312*.
Nono-düacton 793.
— lacton 764.
Nonosen 913.
Nonylalkohol, normaler 149*, 168.
Normale Verlsindungen 90.
Nucleme 1087, 1090.
Obstbranntwein 178.
Oeta-decan 128*, 134.
— decylalkohol 149*, 168.
Octa-decylen 441*, 452.
bromid 546*.
— decyliden 461*.
— dion 858.
Octan 128*.
— tetradekacarbonsäureester 708.
Octatetron 859.
Octenylglycerin 592.
Octo-acetylsaccharose 918.
— chloraoetobuttersäare 976.
— decyl-acetat 360*.
palmitat 360*.
— lactone 764.
Octosen 913.
Octyl-acetat 360*.
— alkohole 167; normaler 149*, 167; aecun-
därer 167.
— amin 237*
— bromid 184*.
— Chlorid 184*.
— Cyanid 296*.
Octylen 441*, 452.
Octyl-erythrite 605.
— Jodid 184*.
— nitrit 208*.
— phosphin 264*.
— senfm 1021*.
— Sulfid 221*.
Oel der holländischen Chemiker 550.
Oelbildendes Gas 437, 446.
OelbUdner 437.
Oele, fette 588 ; nichtrocknende und trock-
nende 589, 594*; Technologie 592 ff.
Oelgas 139.
Oelsäure 511.
— reihe 487 ff.
Oelsänren, trocknende 520.
Oelsüss 8. Glycerin.
Oenanth- 333.
— äther 333.
— aldehyd 398*, 408.
— aldoxim 398*, 409.
— amid 369*.
Oenanthol s. Oenanthaldehyd.
Oenanthon 412*.
Oenanthsäure s. Oenanthylsäure.
— , Bromderivat der -- 717*.
— äthylester 359*.
— anhydrid 352*.
— nitril 296*.
Oenanthyliden 461*.
Oenanthylsäure 312*, $33.
-ol (Endung) 1095.
Olefine 437.
Ole'in. 8. Triole'in.
"^— fläuire ^11
-olid (Endung) 760, 1096.
Olivenöl 589, 594*.
-on (Endung) 97, 882, 534, 848.
Optisches Drehungsvermö^en, ZusamiööD-
hang des — mit räumlicher Atomaoord-
nung 77—82.
^
//
Register.
1119
Organometalle 281.
Orßans-Verfahren 840.
OrthoameiBensftureester 868.
— kohlensfiure-ester 1048.
äthylester 1043.
— silico-essigftther 276.
— — propionsänreester 277.
Osamine 885, 947.
Osazone 850.
— der Znckerarten 883—885.
-ose (Endung) 878..
Osmose (Melasseentzuckerang) 939.
Osmotischer Druck 82.
Osone 885.
Ozal-amidoxim 647*.
Oxalate 646.
Ozal-bemsteiusäureester 995.
— essi^äure 984.
— imid 649.
— imidofithyläther 647*.
— säure 640, 644 ff.
derivate 646 ff., 647*.
Oxalursäure 1075.
Oxalyl-diaceton 859.
— hamstoff 1074.
Oxamäthan 647*, 648.
Oxamid 648.
Oxaminsäure 647*, 648.
Oxetone 762, 875.
Oxime 389 ff.
Oximido-ätherbemsteinsäuren 985.
— bemBteinsILuren 985.
— buttersäure 964.
— essigsaure 949.
— Fettsäuren 956.
— glutarsäure 989.
— Propionsäure 950, 959.
Oxomalonsäureester 982.
Oxy-aceton 872.
— adipinsäuren 817—821.
— äthylidenpropionsäure 789.
— akiylsäure 788.
— äthyl-amin 634.
— — dimethylamin 634.
— — maloDsäure 792.
phosphinsäure 394.
— akrylsäureester 950.
— behensäuren 787.
— bemsteinsäure 794.
— brenztraubensäure 960.
— buttersäuren 756—757, 759, 775-
786—787.
— butyraldehyd 870.
— capronsäuren 757, 766, 776—784.
— caprylsäure 758, 784.
— cbolin 636.
— citraconsäure 814.
— citronensäure 825.
— crotonsäure 962.
— glutarsäuren 815—817.
— nexandisulfosäure 528.
— isobuttersäuren 757, 776.
776,
Oxy-isovaleriansäuren 757.
— lactone 767, 972.
— malonsäure 790.
— metbakrylsäureester 951.
— methansulfosäure 577.
— metbylen 400.
aceton 861.
— — propion 861.
— metnylglutarsäure 815.
SHlfosanres Natrium 404.
— myristinsäure 758.
— nitrile 741.
— Ölsäure 789.
— önanthsäuren 759, 784—785.
— Palmitinsäure 758.
— pelarffonsäuren 784.
— pentaldin 408.
— pentinsäure 691.
— phosphinige Säuren 394.
— phosphinsäuren 394.
— Pimelinsäuren 821 — 822.
— propantriearbonsäuren 822—825.
— Propionsäuren 750 ff., 758, 774.
— propylmalonsäure 798.
— säuren 740 ff.
— Stearinsäuren 513, 758, 766, 787.
— sulfosäuren 577.
— tetraldin 408.
— tetrinsäure 691.
— trialdin 408.
— tricarballylsäure s. Citronensäure.
— tricarbonsäuren 822—824.
— trimethylglutarsäure 815.
— uracil 1080.
— valeriansäuren 757, 776.
-oyl (Endung) 304.
Ozokerit 139.
Palmitin s. Tripalmitin.
— aldehyd 398*.
— amid 369*.
— säure 312*, 335, 336.
Bromderivat der — 717*.
anhydrid 352*.
Chlorid 852*.
ester 359*, 360*, 361, 362.
Palmiton 412*.
Palmitonitril 296*.
Palmitonoxim 412*.
Palmöl 589, 594*.
Papierfabrikation 942.
Para- (Vorsilbe) 666.
Parabansäure 1074.
Paraconsäure 799.
Paracyan 999, 1029.
Paraffin 138.
Paraffine 121 ff., 128*.
Paraformaldehyd 399.
Parapaythee 1088.
Paraldehyd 405.
1120
Register,
Paraldimin 408.
Para-milchsäure 752.
— Weinsäure s. TraubensAore.
— zanthin 1088.
Pariserblau s. Berlinerblau.
Pektin-stoffb 931.
— zucker 892.
Pelargon-amid 369*.
— säure 312*, 333.
äthylester 359*.
— — anhydrid 352*.
Chlorid 352*.
nitril 296*.
Penta-acetylfructose 901.
— chloräther 198.
— chlorglutarsäure 976.
— decan 128*, 134.
— decylcyanid 296*.
— decylsäure 312*.
— dione 852*, 856*.
— erythrit 605.
— methyl-äthol 167.
arsen 272.
— methylen-bromid 552.
diamin 630.
glykol 571.
Pentan 128*, 133.
— octocarbonsäureester 708.
— tetracarbonsäureester 707.
— tricarbonsäure 703.
Penta-oxycapronsäuren 778—784.
— ozyönanthsäure 784.
— ozypimelinsäuren 821—822.
— triacontan 128*, 134.
Pentene 449.
Pentenylglycerin 592.
Pentinsäure 970.
Pentite 906, 912.
Pentonsäuren 776, 905.
Pentosen 891—895, 905, 911.
Pentoyl-(Radical) 304.
y-Pentylen-bromid 552.
— glykol 570.
— oxyd 570.
Pentyl-hexylakrolein 527, 528*.
— malonsäure 656*.
— pentadion 856*.
Peptochondrin 953.
Perbrom-äthan 556.
— Äthylen 557.
Perchlor-äthan 556.
— ätber 198.
— äthylen 557.
— methan 541.
— raethyl-äther 613.
formiat 1043.
— — mercaptan 215, 1047.
— perthiokonlensäuremethylester 1047.
— propan 557.
— thioameiseusäuremethylester 1047.
Pergamentpapier 933.
PERKiN'sche Reaction 489.
Perseit 611.
Persulfocyansäure 1014.
Petroleum 136; deutsches 139.
Petroleum-äther 136.
— benzin 136.
Pfirsichgummi 931.
Pflanzen-Säuren 740.
— schleime 930.
Pflaster 338, 598.
Phenyl-akrosazon 902.
— erythrosazon 891.
— glucosazone 897*, 897, 898, 899, 901.
— glycerosazon 891.
— lactosazon 919.
— inaltosazon 920.
PhleXn 928.
Phlorobromin 870.
Phoron 411, 529, 530.
Phoronsäure 993.
Phosgen 1039.
Phosphine 260 ff.
Phosphin-oxyde 265—266.
— säuren 265.
— Sulfide 263.
Phosphoniumverbindungen 260 ff.
Phosphor, Alkylyerbindungen des —s 260.
Photogen 139.
Phycit 603.
Physetölsäure 511.
Picolin 524.
Pimelinsäure 677.
Pinakolin 419.
Pinakoline 419, 565.
Pinakon 568.
Pinakonchlorhydrin 568.
Pinakone 387, 562.
Pinakonhydrat 568.
Piperidinsäure 836.
Piperylen 466.
PiSTORiüs' Apparat zur Destillation 'ier
Branntweinmaische 175.
plansymmetrisch 86.
Pluszucker 921.
Poly-äthylenalkohole 567.
— glvcerine 591.
— glykolid 747.
— merie 97.
— saccharide 877, 915 ff.
— Sulfide 219.
Propadien 463.
Propan 121, 133.
— Constitution des — s 61.
— pentacarbonsäureester 708.
— tetracarbonsäureester 705, 706.
— tricarbonsäure 700.
— triol s. Glycerin.
— trioxim 860.
Propargyl- (Radical) 474, 484.
— acetat 484.
— äthyläther 516.
— alkohol 488.
— amin 484.
Register.
1121
Propargyl-bromid 474.
— Chlorid 474.
— Halogene 474.
— Jodid 474.
^-. säure 516.
Propen 447.
— dicarbonsäaren s. Aethjlidenmalon-
säore, Ita-, Citra- und Mesaconsäure,
Glutaconsäure.
— tetracarbonsäureester 707.
Propenyl- (Radical) 345, 534.
— amidin 377.-
Propin 460.
— carbonsäure 517.
Propiolsäure 516.
— reihe 515.
Propion 412*.
— aldoxim 398*.
— aldehyd 398*.
— amid 369*.
Propionitril 296*.
Propionondicarbonsäure 992.
Propion-oxim 412*.
— säure 311, 312*, 324, 343.
Constitution der — 69.
Halogenderivate der — 717*, 719,
720, 721, 722.
anhydrid 352*.
äthylester 359*.
Propionyl- (Radical) 804.
— ameisensäure 960.
— bromid 349.
— Chlorid 352*.
— propion-aldehyd 861.
Säureester 971.
Propyl- (Radical) 121.
— acetat 360*.
— acetylen 461*.
carbonsäuro 518.
— äthylen 449.
— alkohol, Constitution des — s 70.
— alkohole 150*, 160; normaler 149*,
150*, 160—161; secundärer s. Isopropyl-
alkohol.
— amin 237*.
HalOjgenderivate des — s 631.
— bemsteinsäure 671*.
— bromid 184*.
- Chlorid 184*.
— Cyanid 296*.
— disulfid 221*.
Propylen 430, 441*, 447.
— (Radical) 534.
— bromid 546*, 547.
— Chlorid 546*.
— glykol 481, 568.
— Jodid 550.
~ oxyd 568.
— pseudo-thioharnstofF 1064.
Propyl-essigsäure s. Valeriansäure.
— fluorid 189.
— fumarsäure 692*.
V. Mbyvr u. Jaoobsok , org. Chera. I.
Propylcarbonsäure s. Buttersäure.
Propyliden- (Radical) 534.
— essigsaure 505.
Propyl-itaconsäure 693*.
— Jodid 184*.
— — Constitution des — s 71.
— malei'nsänre 692*.
— malonsäure 656*.
— mercaptan 221*.
— nitrat 208*.
— nitrit 208*.
— nitrolsäure 260.
— oxyessigsäure 757.
— pseudonitrol 260.
— senföl 1021*.
— Sulfid 221*.
— sulfon 221*.
— sulfoxyd 221*.
Protagon 590.
Prussianring s. Tricyanring.
Pseudo-formen 1025.
— nitrole 258.
— schwefelcyan 1015.
Purinverbindungen 1086.
Purpursäure 1082.
Putrescin 630.
Pyknometer 118.
Pyro-cinchonsäure 692*, 694.
— tritarsäure 958.
Pyrrolylen 465.
Quecksilber, Alkylverbindungen des — ?
285 ff.
— •acetamid 370.
— äthyl 287.
— allyljodid 470, 482.
— mercaptide 214, 216.
— methyl 287.
Racemate 808.
Racemische Modificationen 808.
Radical 53.
Radicale, Nomenclatur der — 1097.
Radicaltheorie 53.
Raffinade (Zuckerindustrie) 939.
Raffinose 921.
Rangoontheer 138.
Raoült's Methoden der Moleculargewichts-
bestimmung 34.
Rapinsäure 790.
Reblausbekämpfuiig 1045, 1050.
Rechts-milchsäure 752.
— Weinsäure 801—806.
Refractometer 118.
REicHEBT-MEissL'sche Zahl 594*, 595.
Reversion 916.
Rhamnit 606.
Rhamno-heptonsäurcn 784.
— - hexit 611.
— hexonsäure 784.
71
1122
Begister.
Rhamnohezose 904.
RhamnoDSftnre 776.
Rhamnooctonsäure 784.
Bhsmnose 894, 912.
— carbonsäure 784.
Rhodan- (Radical) 1016.
— ammonium 1015, 1037, 1038.
— aceton 1016.
— aluminiam 1038.
— barium 1038.
— essigsfture 1018.
— kaHum 1015.
— kupfer 1016.
— quecksilber 1016.
— salze 1015, 1038.
— Silber 1016.
— wasserstofisäure 1014.
Ribonsäure 776.
Ribose 893, 912.
Ricinela'idinsfture 790.
Ricinsäure 790.
Ricinusol 594*.
— säure 789.
Rindertalg 589, 594*.
'Ringschliessung, vom stereochemischen
Standpunkt aus betrachtet 642—643.
Röstgummi 941.
Rohrzucker 918, 985.
Rubeimwasserstoff 649.
Rübenspiritns 178.
Rüböl 589, 594*.
Rum 178.
Saccharate 883, 918.
Saccharin 777.
— säure 776.
Saccharomyces 172.
Saccharose 918.
Saftmelis (Zuckerindustrie) 939.
Sago 940.
Sarkin 1090.
Sarkosin 831.
Sativinsäure 520, 787.
Sauerstoff, Bestimmung von — 27.
— , Valenz des — s 58.
— äther, leichter s. Acetaldehyd.
Säure-amide 345, 365ff.
— anhydride 344, 350, 352*.
— bromide 349.
— Chloride 346 ff. 852*.
— derivate 344.
— dextrin 942.
— Jodide 350.
— Spaltung des Acetessigesters 962, 969.
— zahl 593.
Scheelisiren 599.
Scheide-pfannen (Zuckerindustrie) 937.
— schlämm (Zuckerindustrie) 938.
— trichter 107.
Schiessbaumwolle 944.
Schleimsäure 820—821, 912.
Schlempe 170, 175.
Schmelzpunkt, Bestimmung des — s 114.
Schmierseifen 598.
Schnellessigverfahren 341.
Schweelkohle 138.
Schwefel, Bestimmung des — s 23 ff.
— , Prüfung auf — 9.
— äther s. Diäthyläther.
— hamstoff s. Thiohamstoff.
— kohlenstoff 1044.
— — moleculare Siedepunktserhohung
für — 52.
Schweinefett 589, 594*.
Schweinfurter GrOn 822.
Sebacinsäure 678.
Secundärbutylcarbiuol 150*, 164, 165.
Seifen 337.
— Gewinnung der — 597—598.
Seignettesalz 804.
Selenide 226.
Selenin-säuren 226.
— Verbindungen 226.
Selen-oxyde 226.
— Verbindungen der Alkylreste 226.
Semicarbazide 1054.
Seminose 896.
Senfole 1018.
Senfolprobe A. W. Hofmann^s 238.
Sepin 635.
Septdecyl-amin, s. Heptadecylamin.
— senfol 1021*.
Serin 833.
Siedepunkt, Bestimmung des — s 116.
Silber-cyanat 1010.
— spiegelreaction auf Aldehyde 393.
Silicium, Alkylverbindungen des — s 274.
— tetra-äthyl 276.
methyl 276.
Silico-heptan 276.
— heptyl-alkohol 276.
oxyd 277.
— nonan 274—275, 276.
— nonyl-alkohol 276.
Chlorid 276.
essigester 276.
— Propionsäure 277.
Sinkalin 634.
Sliwowitz 178.
Solaröl 139.
Sorbin 903.
Sorbinose 897*, 903, 912.
Sorbinsäure 518.
Sorbite 610, 908, 911.
Spannungstheorie Bayerns 435.
Specifisches (Gewicht, Bestimmung des —
von Flüssigkeiten 118.
Speiseessig 840.
Spiritus, Besteuerung des — s 171.
— brennerel 170 ff.; s. a. Aethylalkobo/.
Sprenggelatine 601.
Stachyose 923.
Stalagmometcr 158.
1123
Slirke 924« »40.
— cellalose 925.
— gamnu 941.
— kleister 926.
— schwefdsiaren 926.
— xacker 941.
Stearin s. Tristearin.
— mldehyd 398*.
— amid 369*.
— kenenfabrikadon 595 — 597.
— saure 312*, 335, 336.
Halogenderivate der — 717*, 721,
730.
fithjlester 359*.
Chlorid 352*.
— schwefelsSnre 512.
Stearolsänre 519.
Stearon 412*.
Stearonitril 296*.
Stearonoxim 412*.
Stearozylsäore 519, 979.
Steinöl & ErdöL
Stereochemie der mehrfachen Bindung
433 £
Stereochemische Theorien 76 ff.
Stibine 272.
Stibinoxjde 272.
Stiboniiunverbindongen 272.
Stickstoff, Prüfung auf — 8.
— , Stereochemie des — s 88, 247.
— bestimmnng, volumetrische 19 ff.; Me-
thode von Will o. Yariientrapp 22;
Methode von Kjbldahl 23.
Stroutianverfahren zur Melasseentzucke-
nmg 940.
Structurtheorie 57 ff.
Suberon 677.
Succin-aldozim 846.
— amid 661.
— amidin 662.
— aminsänre 661.
Succinate 659.
Succin-imid 661.
— imidin 662.
Succinyl- (Badical) 659.
— Chlorid 659.
SalfhydrylBäuren 745.
Sulfidsäuren 745.
Sulfin-säuren 225.
— Verbindungen 212, 217 ff.
Sulfo-cyanursäure 1032.
— essigsaure 749.
— hamstoff s. Thiohamstoff.
— isocyannrsäureester 1082.
Sulfonal 573.
Sulfon-carbonsfturen 745.
— diessigsäure 749.
Sulfone 212, 220.
Salfonsfturen 212, 220.
Sulfoxjde 212, 220.
Sulfiirane 575.
Sumpfgas 8. Methan.
Sumpfgasreihe 121 £
Saperoxvde der Saoivnwlicalo 3>l»
Talgarten 5SS. 592.
Talonsfture 784.
Talosrhleimsiure 820—821, 912.
Talo«e S97*, 904, 912.
TaitralsSnre 803.
Taitrate 804—805.
TartrelsSare 803.
Taitronsfture 790, 791.
TaitronvUuumstoff 1078.
Taorin 636.
Tautomerie 1024.
TeUuride 227.
Tellur-oxyde 227.
— Verbindungen der Alkylreste 227,
Teraconsfiure 692*.
Terakrylsfinre 509.
Terebinsfture 508, 800.
Terpenjls&nre 508.
Tetra-acetylendicarbonsfture 698.
— acetylschleimsSure 821.
— Sthvl-halborthooxalat 647*.
liamstoff 1055.
— — pyrophosphat 210.
Silicat 210.
tetrazon 249.
thiohamstoff 1065.
— brom-äthan 556.
— — capronsäuren 518.
methan 536*, 541.
Stearinsäure 520, 730.
— carbonsSuren 704 ff.
— chlor-äthane 555.
äther 198.
kohlenstoff 541.
— — methan 536*, 540, 541.
methyläther 613.
— cosan 128*, 134.
— decan 128*, 134.
— decyl-acetat 360*,
— — alkohol, normaler 149*, 168.
amin 237*,
bemsteinsäure 671*.
— decvlen 441*, 452.
— — bromid 546*.
— decyliden 461*.
— decylpalmitat 860*.
— fluormethan 548.
— jodmethan 543.
— methyl-äthylen 568.
glykol 568.
oxyd 568.
allen 464.
— — bemsteinsäure 671*.
— methylen- (Radical) 534.
bromid 552.
— — diamin 630.
— methyl-methan 128*, 133.
sulfamid 240.
71*
1124
Begister.
■-»- -
Tetra-methyltetrazon 249.
— nitromethan 624.
— oxy-adipinsäuren 817—821, 908.
benisteins&ure 986.
— — capronsäure 776.
— — Stearinsäure 520, 787.
— — yaleriansäurcn 776.
— thiopenton 426.
Tetrazone 248.
Tetrinsäure 969.
Tetronal 574.
Tetrolsäure 517.
Tetrosen 891.
Thallium, Alkylverbindungcn des — s 288.
— diäthylchlorid 288.
— triäthyl 288.
Tliein 1088.
Theobromin 1087.
Theolin s. Abietin.
Theophyllin 1087.
Thermometer, Controle der — 117.
-thial (Endung) 1095.
Thialdin 425.
Thio-acet-aldehyde 424.
amid 376.
— — essigester 968.
— acetone 425.
— äther 216.
— alkohole 213 ff.
— äthylcrotonsäuren 788.
— äthylenglykol 574, 576.
— aldehyde 420 ff.
— — Nomenclatur der — 1095.
— ameisensäure 364.
— amide 345, 375.
— anilide 376.
— benzophenon 421.
— bcrnsteinsäureanhydrid 660.
-- Carbamid s. Thioharnstoff.
— carbonylchlorid 1047.
— cvansäure 1014 ff.
— diglykol 577.
Chlorid 621.
säure 749.
— dimethylcnmercaptan 421.
— essigsaure 365.
— — ester 865.
— formaldehyd 423.
— - glykol 574.
säure 749.
— hamstoff 1062.
— hydantoin 1076.
— imidsäuren 375.
-- ketone 420 ff.
— kohlensauren 1048.
-thiol (Endung) 1048, 1095.
Thiolkohlensäure 1048.
— äthylester 1049.
Thiomctaformaldehyd 424.
-thion (Endung) 1048.
'Iliionkohlensäure 1048, 1049.
— diäthylester 1049.
Thionthiolkohlensäure 1048, 1049.
— ester 1050.
Thio-paraformaldehyd 423.
— phosgen 1047.
— propionamid 376.
— Propionsäure 365.
— säuren 844, 863.
Thiosinamin 1064.
Thio-sulfosäuren 224.
— ureide, cyclische 1074.
— urethane 1065.
— valeraldehyd 425.
Tiglin-aldehyd 527, 528*.
— säure 505.
dibromür 728.
Trauben-Säure 801, 807—810, 812—814.
— zucker 898.
Trehalose 920.
Triacetamid 373.
Triacetin 586.
Triaceton-alkamin 417.
— amin 416.
— diamin 416.
Triacetonin 417.
Triacetyl-essigester 979.
Triätliyl-amin 237*, 244.
— — oxyd 251.
— arsenit 210.
— arseniat 210.
— arsin 271.
Sulfid 271.
— azoniumjodid 249.
— borat 210.
— cyanurat 1032.
— harnstoff 1055.
— hydroxylamin 251.
— imidocarbaminthiolsäureäthylcster 1065.
Triäthylin 584.
Triäthyl-isocyanurat 1032.
— phosphat 209.
— phosphin 264*.
oxyd 266.
Sulfid 263.
— phosphit 209.
— silicium Wasserstoff 276.
— silicol 276.
— stibin 272.
— tellurchlorid 227.
— thioharnstoff 1064. '
Trialkyl-borine 274.
— phosphate 209.
Triallylamin 482*.
Triamylen 452.
Triarachin 587*.
Triazo-essigsäure 843.
— trimethylen 1034.
tricarbonsäure 843.
Tribrassidin 587*.
Tribrom-äthylen 554.
— essigsaure 716.
— hydrin 555.
— propioualdehyd 867.
Register.
1126
Tributylamin 237*.
Tribu^n 587*.
Tricarballylsäure 700.
— homologe 702.
Tricarbonsäuren 698 ff.
Tricetylamin 237*.
Tricblor-acetaldehyd s. Cbloral.
— äthane 554.
— äther 198.
— Äthylalkohol 620.
— äthylen 554.
— aldoxim 865.
— amylalkohol 620.
— brommethan 536*.
— butylalkohol 620.
— essigsaure 712, 715.
— hydrin 555.
— isopropylalkohol 620.
— methylflulfo-chlorid 223.
säure 223.
— milchsäure 755.
— nitromethan 624.
— phcnomalsäure 980.
— propan 555.
Tricosan 128*, 134.
Trieyan-ring 1028.
— Verbindungen 1028 ff.
Tridecan 128*, 134.
Tridecyl-amin 237*.
— Cyanid 296*.
— säure 312*.
Trielaidin 587*.
-trienreihe 467.
Trierucin 587*.
Trigalactangeddinsäure 931.
Triglyceride 587*.
Trihexylamin 237*.
Triiso-amyl-amin 237*.
— — phosphin 264*.
— butyl-amin 237*.
— — phosphin 264*.
— nitrosopropan 860.
Trilaurin 587*, 588.
Trimeihintriazimid 1034.
Trimethyl-acetaldehyd 398*.
— äthylen 441*, 451.
— äthylmethan 128*.
— amin 237*, 243.
— bemstcinsäure 671*.
•— borat 210.
— brenztraubensäure 960.
— carbincyanid 296*.
— carbinol s. Butylalkohol, tertiärer.
— cyannrat 1032.
Trimethylen 430.
— (Radical) 534.
— bromid 550 — 551.
— carbonsäure 496, 501.
— Chlorid 551.
— Cyanid 673.
— diamin 629.
— glykol 569.
Trimethylen-imin 629.
— Jodid 551.
— oxyd 569.
— tetrasulfid 421.
— trinitrosamin 403.
— trisulfon 424.
Trimethyl-essigsäure 312*, 331.
nitril 296*.
— glutarsäure 664, 674, 676*.
— hamstoff 1055.
— isocvanurat 1032.
— methan s. Isobutan.
— phosphat 209.
— phosphin 264*.
oxyd 266.
Sulfid 263.
— stibin 272.
— vinylammoniumhydroxyd 479.
— xanthin 1088.
Trirayristin 587*.
Trinitro-acetonitril 826.
— äthan 624.
— methän 623. **
Trioctylamin 237*.
Triolein 511, 587*, 588.
Trional 574.
Trioaen 891.
Trioxy-buttersäure 775.
— glutarsäuren 816—817, 906, 912.
— isobuttersäure 776.
— Stearinsäuren 787.
Tripalmitin 587*, 588.
Tripropylamin 237*.
Trisaccharide 921.
Tristearin 587*, 588.
Trithioacet-aldehyde 424.
— aldehyd-trisulfon 425.
Trithio-aceton 426.
— formaldehyd 423.
Trithiokohlensäure 1048, 1050.
IViticin 928.
Trockenapparatc 113.
Trocknende Oele 520.
— Oelsäuren 520.
Tunicin 934.
Turanose 921.
Tubnbull's Blau 1007.
Typentheorie 54.
Umbellulsäure 334.
-un (Endung) 97, 534.
Undecan 128*, 134.
Undecolsäure 519.
ITndecy 1-alkohol , secundärer s. Methyl-
nonylcarbinol.
— Cyanid 296*.
— säure 509.
— — bibromid 519.
Undecyliden 461*.
Undecylsäure 312*.
— Halogenderivate der — 721.
1126
Register.
Ungesättigte Verbindungen 96, 427 ff.
Uracilderivate 1079.
Uramido-crotonsäureester 1079.
— essigeäure 1075.
— säuren 1072.
Uraminsäuren 1072.
Uramil 1078.
Ureide 1055; cyclische 1072 ff.
Urethan 1059.
Urethane 1058.
Urochloralsäure 952.
UrsÄuren 1072.
Uvitinsäure 958.
Uvitonsäure 959.
Valenz 57.
Valer-aldehyd 398*.
— amid 369*.
Valeriansaure, normale 311, 812% 329, 343.
— active 331.
— Halogenderivate der — 717*, 720.
— äthylester 859*.
— nitril 296*.
Valerolacton 343, 763.
Valeiyl- (Radical) 304.
Vaporimeter 158.
Vaselin 136.
Verseifungssahl 593, 594*.
Vinaconsäore 496.
Vinyl- (Radical) 469.
— äthyläther 477.
— alkohol 476.
— amin 478.
— bromid 471.
— Chlorid 471.
— dlacetonamin 418.
— . essigsaure 496, 501.
— halogene 470, 471.
— Jodid 471.
— Propionsäure 505.
— quecksilberoxychlorid 477.
— sulfid 478.
— trichlorid 554.
Violursäure 1078.
Wachs, chinesisches 339.
— arten 361, 571, 766.
Wahrath 168, 361.
Wasser, moleculare Gefrierpunktsdepres-
sion für — 50.
— Stoff, Bestimmung von — 10 ff.
— — Prüfung auf — 8.
— Strahlluftpumpe 109.
Wein-essig 342.
— geist s. Aethylalkohol.
Wein-Säuren 800—814.
, Homologe der — 814.
— stein 802, 804.
Weizenstärke 925.
Wenigerdrehu^ 882.
Williamson's Tneorie der AetherbUdung
191.
Wismuth, Alkylverbindungen des — s 273.
— triäthyl 273.
— trimethyl 273.
Wünderlioh's stereochemische Anschauun-
gen 435.
Weisskalk 343.
Xanthan Wasserstoff 1014.
Xanthin 1086.
— körper 1086 ff.
Xanthochelidonsäure 993.
Xanthogen-amid 1065.
— säuren 1049.
— Säureester 1050.
Xeronsäure 693*.
Xylan 931.
Xylit 606, 912.
Xyliton 531. .
Xylonsäure 776.
Xylosc 898, 908, 912.
-yl (Endung) 121, 304
-ylen (Endung) 436, 533.
-yliden (Endung) 533.
Zellstoff 931.
Zink, Alkylverbindungen des — s 283 ff.
— äthyl 284*.
— äthylat 160.
— iso-amyl 284*.
butyl 284*.
— methyl 284*.
— propvl 284*.
Zinn, Alkylverbindungen des — s 278 ff.
— diäthylverbindungen 280.
— dimethylverbindungen 280.
— tetra-äthyl 280.
methyl 279.
— - triäthylverbindungen 280.
— trimethylverbindungen 279—280.
Zucker-arten 876 ff.
spaltbare 9i5ff.
— couleur 941.
— Industrie 935 ff.
— lactonsäure 820.
— säuren 819—820, 908, 911.
Zündhütchen 1027.
Druckfehler nnd Berichtignngen.
Statt 1 -003665 1 in der unten stehenden Formel lies: 0-003665 t.
Zeile 20 von oben (Siedepkt d. Phosphorpentasulfids) statt 530^ lies: 520^
Zeile 17 von unten statt „werden" lies: worden.
Zeile 10 von oben statt CjHj.OCIO^ lies: CjEgOClO,.
Zeile 10 von unten statt CjHjCOgH lies: CgHgCOjH.
Zeile 3 von oben statt — C^ lies: —C^r .
In der 2. Grleichung von oben statt Zn(OHs) lies: Zn(OH)^,
Zeile 3 von unten statt ,,cencentrirte" lies: concentrirtc.
Im Literaturcitat Nr. 3 füge hinzu: Ber. 21, 2256.
GHg Crlg
CHJ CHJ
Zeile 11 von unten statt | lies: I
CH, ÖH,
In der vorletzten Zeile der Citate ist vor ^^Maskelyne" die Nummer „**^
zu ergänzen.
Bei den Citaten sind die Nummern „6" und „7" durch 1 und 2 zu ersetzen.
Zeile 5 von oben statt „Jodwasserstoffen^ ' lies: Jodwasserstoff.
Zeile 9 von unten lies statt „CUi*CH, . . ,^' beide Male: OH, -OH, . . .
Zeile 8 von oben statt ,,SH'* lies: OH.
In der 1. Gleichung von oben statt 80(0- CjHj) lies: S0(0-C,H5)j.
In den Citaten statt ,,Govan'* lies: Gowan.
Zeile 2 von oben statt „SH" lies: OH.
Zeile 8 von unten statt „Septadecylamin" lies: Heptadecylamin.
Zeile 2 von oben statt NC lies: NO,.
Zeile 17 von oben statt C^HgH^O, lies: C^HgN^O,.
Zeile 3 von unten statt PC^CHs), lies: PClj.CjHg.
Zeile 5 von oben statt ^Jsomerien" lies: Isomeriefälle.
Zeile 11 von unten statt C,HeO, lies: C,H«Oa.
In der 1. Gleichung von unten statt KH-CO, lies: KHCO,.
Zeile 18 von oben statt „Schwefelwasserstrom'' lies: Schwefelwasserstofi&trom.
Zeile 20 von unten statt „Eissigsäure** lies: Essigsäure.
Zeile 9 von unten statt „Grünspahn^* lies: Grünspan.
CHg — CH|N.
Die Valeriansäureformel Nr. 3 ändere um in: >CH— CO,H.
ch/
In der Seitenüberschrift statt „Myvistinsäure" lies: Myristinsäure.
.NH, ^NH
„ 346. Zeile 1 von oben statt H • C< lies: H-Cf
\NH, \NH,
Seite 44.
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829.
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336.
1128 Druck fdder und Benchtigungen.
Seite 378. Zeile 4 von oben statt ß.CO< lies: R.C<
385. 2^ile 10 von oben statt Säurechlord lies: SäurechloricL
899. Zeile 6 von oben schalte zwischen ,,einem'' und „gehaltenen" ein: ),geheim".
451. 2jeile 7 von unten statt Amylenylykol lies: Amylenglykol.
454. In der zweiten Gleichung (von oben) lies K und KOI statt: Na und NaCL
467. Zeile 18 von oben statt CH=C— C^C lies: CH::eC— C=:CH.
509. Zu den Citaten unter Nr. 3 füge hinzu: Hazüra u. Gbüssner, Monatsh. 0,
950 (1888).
514. In den Citaten schalte auf Zeile 2 von unten hinter ^^Monatsh.*^ ein:
9, 948 (1888);
519. Zu den Citaten unter Nr. 8 fuge hinzu: Hazura u. Gbüsskeb, Monatsh. 0,
952 (1888).
536. In der Tabelle Sndere die Angabe über das spec. Gew. des Chloroforms
1 • 498 (15^) um in : 1 • 502 (15^).
584. Zeile 7 von unten statt Glyridverbindungen lies: Glycidverbindungen.
601. Zeüe 7 von unten statt Alkoholen lies: Alkohole.
606. Zeile 6 von unten statt der lies: des.
611. Zeile 6 von oben statt Conpemsation lies: Compensation.
612. Zeile 7 von oben statt Mannoctit lies: Mannooctit
636. Zeile 10 von unten statt Chloräthylsulfsäure lies: Chloräthylsulfosäure.
646. Zeile 3 von unten statt oxychorids lies: oxychlorids.
646. In den Citaten Zeile 1 von unten fäge vor Gerhardt die Ziffer ^ zu.
664. In der Seitenüberschrift statt Bemsteinsäuren lies: Bemsteinsfture.
685. Zeüe 2 von oben statt äure lies: säure.
689. Zeile 6 von unten statt möglich lies: möglichst.
712. Gleichung 2 von oben statt CO,H • CBr : CH - CO,H lies : CH, • CBr : CH • CO,n.
730. Zeile 6 von unten statt Linolensäuretetrabromid lies: LinolensäorehexH-
bromid.
745. Zeüe 3 von oben statt CHgCHs-COjH lies: CH.CHjCOjH.
767. Zeüe 10 von oben statt werden lies: worden.
776. Zeüe 1 von oben 8tatt(CH, • OH),CH(OH) • COjH lies : (CH, • OH^C(0H)C0,H.
796.^ Zeüe 2 von unten statt Materialen lies: Materialien.
808. Zeile 9 von oben statt Säuren lies: Säure.
817. Zeile 1 von unten statt structurdcntischen lies: strocturiden tischen. •
826. Zeile 3 von unten statt Nitropionsäure lies: Nitropropionsäure.
847. Zeüe 11 von unten statt CH,.CO-CO-CHn lies: CHj-CO— COCHj.
866. Zeile 13 von unten statt
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7»
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0 CH . CCI« /0-CH . CGI,
CClg.CIK I lies: CC1,.CH< |
\C0— CO \0— CO
869. Zeile 0 von oben statt bcclandclt lies: behandelt.
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